Seit Wochen Im Scheinwerferlicht

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Seit Wochen Im Scheinwerferlicht Samstag, 29. Juli 2017 BZ | BUNDESRATSKANDIDAT IGNAZIO CASSIS Echtjetzt? Seit Wochen im Scheinwerferlicht Gregor Poletti, Im Jahr 2010 blieb FDP-Natio- Bundesbern einbinden. Deshalb ein Urner sieht nalrat Ignazio Cassis mit seiner kandidierte er schon 2010 für den rot. Kandidatur chancenlos. Dieses Bundesrat, wohl wissend, dass er Mal will der Tessiner die Wahl nach nur drei Jahren im Natio- in den Bundesrat gewinnen. nalrat keine Chance haben wür- Hütet euch Eine Begegnung mit dem Poli- de. Die Tessiner FDP wollte da- tiker, der trotz prägnanter mals ein Zeichen setzen, und als am Gotthard politischer Voten die Welt sich Cassis nach dem ersten nicht schwarz und weiss sieht. Wahlgang selbst aus dem Rennen as Gejammer aus dem nahm, nutzte er die Gelegenheit Tessin beginnt zu ner- Der Raclette-Abend im Wallis für ein Statement: Seit 1999 – da- Dven: Die Einwohner und fühlte sich für Ignazio Cassis wie mals trat Flavio Cotti zurück – im Besonderen die Politiker des ein perfekter Einstieg in die Som- bleibe die italienische Schweiz Südkantons beklagen auf allen merpause an. Am Tag nach die- immer mehr aussen vor, sagte der Kanälen, dass sie seit 1999 kei- sem gemütlichen Essen mit Par- Tessiner vor der Vereinigten ne Vertretung mehr im Bundes- teikollegen im Juni kam dann Bundesversammlung. «Wir wol- rat hätten. Insgesamt stellten aber alles anders: FDP-Bundes- len keine Almosen oder vage sie bisher sieben Bundesräte. rat Didier Burkhalter kündigte Sympathiebekundungen», fuhr Die Romands sind keinen Deut überraschend seinen Rücktritt besser und reklamieren sekun- an, und FDP-Nationalrat Ignazio diert von der Parteileitung den Cassis blieb keine Zeit mehr, an «Stellen Sie sich frei werdenden Sitz für die la- ruhige Sommertage auch nur zu teinische Schweiz – also wenn denken. Von da an stand er als vor, was wäre, wenn es kein Tessiner sein soll, dann Bundesratskandidat im Schein- die Romandie bitte schön wenigstens ein wei- werferlicht, «es gibt Dinge, die terer Romand. Die waren seit mehr Freude machen», sagt er da- keinen Bundesrat Anbeginn der modernen zu rund einen Monat später in mehr hätte. Die Schweiz ununterbrochen in der einem Luganeser Restaurant. Landesregierung vertreten. Ihm wäre es lieber gewesen, die Revolution!» Grund zum Jammern hätte Kantonalparteileitung hätte ihn Ignazio Cassis eine andere Region, nämlich die nicht so früh empfohlen. der Urkantone Uri, Schwyz und Es ist bereits sein zweiter Me- Unterwalden (Ob- und Nidwal- dientermin an diesem Tag. Doch er fort. «Wir wollen entschlossen, den). Von den 86 bisherigen Ignazio Cassis wirkt weder ge- stolz und ohne Minderwertig- Bundesräten stammte nur stresst noch unfreundlich noch keitskomplexe die Zukunft des einer aus der Wiege der Eidge­ medienüberdrüssig. Die Sonne Landes mitgestalten.» Jetzt im nossenschaft, der Obwaldner scheint, es weht ein leichter Restaurant drückt sich Cassis et- Ludwig von Moos (1959–1971). Wind, und von der Restaurant- was trockener aus: «Wenn es die- Das Pech der Urkantone war, terrasse geht der Blick auf die se dritte Schweiz wirklich gibt, dass sie als Verlierer aus dem Stadt und den See. Als Deutsch- dann muss sie in der Regierung Sonderbundskrieg hervorgin- schweizer fühlt man sich wie ein vertreten sein. Stellen Sie sich gen und man die katholisch Gast in den Ferien. vor, was wäre, wenn etwa die Ro- konservativen Störenfriede Als Tessiner fühlte sich Ignazio mandie keinen Bundesrat mehr vorerst einmal nicht in der Cassis in der Deutschschweiz wie hätte.» Noch bevor man sich das Landesregierung wollte. Das ein Ausländer. Das war in den vorstellen kann, ruft er: «Die Re- erste Fenster tat sich 1891 auf, 1980er-Jahren, und er studierte volution!» als der Aargauer Bundesrat in Zürich Medizin. Heute spricht Emil Welti überraschend zu- er fliessend Deutsch und Franzö- Die Verwurzelung Auf einer Restaurantterrasse über Lugano spricht Bundesratskandidat Ignazio Cassis über die Aussicht auf die Wahl. Remy Steinegger rücktrat. Eigentlich war man sisch, hat im Welschland gelebt Ist das nicht übertrieben? Macht sich einig, dass es der Urner und verbringt mehr Zeit in Bern es für die Schweiz wirklich einen Gustav Muheim sein sollte und als in seinem Heimatkanton. Unterschied, ob einer von sieben meint er denn dazu, dass beim kommen kann, gab es doch bis an- Frage nach den Nachteilen dieses mit ihm erstmals ein Vertreter Das Gespür für die unter- Bundesräten aus dem Thurgau neuen Medizinstudiengang im hin vielmehr Zweifel, ob er mit Amtes. Doch diese wischt er mit aus dem katholisch-konservati- schiedlichen Mentalitäten ist oder dem Tessin kommt? «Aus Tessin auf Englisch unterrichtet seiner freundlichen, umgängli- einer schweizerdeutschen Re- ven Lager. Dies aufgrund der ihm geblieben. Cassis könnte da- Sicht der Deutschschweiz viel- wird? Viel wichtiger, als sich darü- chen und gesprächsbereiten Art densart weg: «Ich kann nicht den Tüchtigkeit und Mässigung des zu unzählige Anekdoten erzäh- leicht nicht, sie hat sowieso im- ber zu streiten, kontert Cassis, sei das nötige Profil für einen Bun- Fünfer und das Weggli haben.» Er studierten Philosophen und len, lässt es aber bei einem Bei- mer die Mehrheit», sagt Cassis die Einbindung des Tessins in die desrat mitbringe. habe das auch mit seiner Frau be- Rechtswissenschaftlers. Doch spiel bewenden: Weil er zwar und stellt klar: Werde er gewählt, Ausbildung von Schweizer Ärz- Sein Kerngebiet blieb über all sprochen. Muheim war zu bescheiden Hochdeutsch, aber nicht Dialekt wolle er als Bundesrat primär et- ten, die nun endlich erfolgt sei. die Jahre hinweg das Gesund- Als aussenstehende Person und wollte den Kanton Uri verstand, konnte er nicht mitla- was für die Schweiz erreichen, da- heitswesen, doch sein Blick da- stellt man sich vor, dass im Hause nicht verlassen. chen, wenn seine Zürcher Kolle- bei aber seine emotionale und fa- Gesund oder glücklich? rauf hat sich verändert. Als Prä- Cassis ohne die Bundesratswahl Diese Bescheidenheit würde gen Witze erzählten. Irgendwann miliäre Verwurzelung nicht ver- Bei der Bundesratswahl 2010 hat- ventionsmediziner sah er die in diesen Tagen ein ganz anderes anderen Kantonen und ihren war er mit dem Dialekt vertraut, gessen. Er werde sein Augenmerk te Cassis zwölf Stimmen erreicht gesundheitlichen Fortschritte, Thema heiss diskutiert worden politischen Vertretern auch «aber gelacht habe ich noch im- auf die Talebene von Airolo rich- und damit sein Ziel um zwei die sich dank gezielten Verboten wäre: Cassis will genau wie der heute noch gut anstehen. Denn mer nicht». Nicht überall findet ten, die es mit dem Bau der Gott- Stimmen übertroffen. Sieben erreichen lassen. Heute aber Bundesrat den ambulanten Ärz- als Ende des letzten Jahrhun- man dasselbe lustig. Inzwischen hardröhre aufzuwerten gelte. Jahre später sieht es anders aus: spricht der liberale Gesundheits- tetarif anpassen, was unter ande- derts die Kantonsklausel fiel, hat der 56-Jährige auch den Oder auf die Modebranche, wel- Jetzt will er die Wahl gewinnen. politiker: «Wollen wir gesund rem bei den Radiologen Minder- fiel auch die Zurückhaltung der Deutschschweizer Humor verin- che die Nähe zur Modemetropole Er hat sich in der Zwischenzeit oder wollen wir glücklich sein?» einnahmen zur Folge hätte. Seine grossen Kantone: Bern und Zü- nerlicht. «Beim Witzeerzählen Mailand nutzen könne. «Das sind einen Namen gemacht, wurde Der Staat habe kein Recht, Men- Frau ist Radiologin. Opportunis- rich hatten seitdem schon ein- sagte man mir schon, ich sei über- keine Tessiner, das sind Schwei- Chef der FDP-Fraktion und prä- schen zur Gesundheit zu zwin- mus kann man ihm in dieser Sa- mal eine Zweiervertretung im integriert.» zer Anliegen», betont Cassis. Er sidiert die Kommission für sozia- gen. «Ich lebe nicht, um gesund che also keineswegs vorwerfen. Bundesrat. Das ist ja okay, zeigt Richtung See: «Ausserdem le Sicherheit und Gesundheit. Er zu sein», sagt Cassis, «ich will das Sie hätten über die Tarife geredet, wenn es sich auch wirklich um «Wir wollen keine Almosen» liegt südwärts Italien mit über handelte sich als Gegner der vor- Leben nützen, nicht verlängern.» bestätigt Cassis. Seine Frau halte die besten und integersten Elegant schlägt Cassis den Bogen 60 Millionen Einwohnern.» Nun liegenden Rentenreform bei den Diesmal muss er mit der Wahl sich in der Politik allerdings zu- Köpfe des Landes handelt – nur zur politischen Aktualität: Gera- schüttelt er den Kopf: «Und wir Linken den Vorwurf eines kom- in den Bundesrat rechnen: «Ich rück. Er selbst bleibt dabei: «Jetzt war und ist das leider nicht der de weil es diese Unterschiede ge- führen die Verhandlungen mit promisslosen Hardliners ein. würde ein Stück meiner Freiheit ist bei der Tarifrevision staat- Fall. be, müsse man alle Landesteile in diesem Land auf Englisch.» Was Eine Kritik, die ihm nur zugute- verlieren», antwortet er auf die licher Druck nötig, denn nur so Die Tüchtigkeit und die Mäs- sigung vieler Urschweizer sind zwar angenehme Charakter- eigenschaften. Aber wehe, man kostet diese zu sehr aus. Dann belässt es insbesondere der Urner nicht beim Jammern und UBS ist deutlich rentabler als CS InKürze droht unverhohlen damit, Fels­ brocken auf die Autobahn zu BANKEN Während sich bei entwicklung im Vorjahr, als ins- zahlen also wieder etwas zum SCHWEIZ-EU gen und Telekommunikations- werfen. 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