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18 Hintergrund Politik NZZ am Sonntag 22. November 2020

rauen regieren anders als Män- ner – konzilianter und kompro- missbereiter. Zu diesem Schluss kommen jedenfalls internatio- nale Studien. Für den Schwei- zer Bundesrat hingegen stimme Fes nicht, sagt der Berner Polito- logieprofessor Adrian Vatter. Er hat als Erster den Bundesrat sozialwissenschaftlich ver- messen, und zwar sämtliche Mitglieder seit der Gründung des modernen Bundesstaates 1848. Das Resultat seiner jahrelangen Recher- che sind überraschende Erkenntnisse sowie sechs Profiltypen, denen sich alle – oder sagen wir: fast alle – Bundesrätinnen und Bundes- räte zuordnen lassen. Es gibt Regentinnen, Populäre und Intellektuelle, Verwalter, Kon- kordanzpolitikerinnen und Bürdenträger. Um zu entscheiden, wer in welche Kategorie ge- Der amtierende hört, liess sich Vatter von drei Fragen leiten: 1. Eigenes Rollen- und Funktionsverständnis: Bundesrat Wie gehen die Bundesrätinnen und Bundes- räte mit ihrer Doppelrolle als Departements- und Verwaltungschef einerseits und als Mit- Verwalter und glied der Kollegialregierung andererseits um? Regenten 2. Stil, Auftreten und Aussenwahrnehmung: Wie treten Mitglieder in der Öffentlichkeit Die amtierenden Bundesrats- auf, wie werden sie wahrgenommen, und wie mitglieder hat Politologe Adrian kommunizieren sie mit der Bevölkerung, der Vatter in seiner Untersuchung politischen Elite und den Medien? nicht berücksichtigt. Eine abschliessende Beurteilung sei 3. Persönlicher Charakter und ihr Verhältnis erst nach der Amtszeit möglich. zur Macht: Wie üben sie das Amt aufgrund Der Vollständigkeit halber hat ihrer Persönlichkeit aus? Haben sie Freude an die «NZZ am Sonntag», gestützt der Macht, oder leiden sie unter der Regie- auf Vatters Kriterien, eine Zutei- rungslast und der politischen Verantwortung? lung vorgenommen. Sie hat – gerade bei Mitgliedern, die erst Adrian Vatter hat sich bei seiner Arbeit auf seit kurzem im Bundesrat sind zahlreiche Merkmale zur sozialen Herkunft, – vorläufigen Charakter. zur Persönlichkeit, zum politischen Werde- gang, zur Amtsführung und zu den Medien- Der Populäre auftritten der Bundesratsmitglieder abge- stützt. Erhoben hat er diese Informationen durch schriftliche Befragungen und münd- , liche Interviews mit ehemaligen Bundesräten SVP/ZH, sowie mit Medien- und Dokument-Analysen. seit 2009 Verschiedene Bundesrätinnen und Bundes- räte lassen sich nicht einwandfrei einem ein- Die Konkordanzpolitikerin zigen Typ zuordnen, sondern haben Eigen- schaften unterschiedlicher Typen. Vereinzelt ist eine klare Zuteilung gar nicht möglich. Dies Simonetta gilt insbesondere für und Sommaruga, , deren Werdegang und SP/BE, seit 2010 Amtszeit in unterschiedlicher Weise ausser- gewöhnlich war (Text rechts). Der Regent Dass sich Frauen im Bundesrat nicht anders verhalten, ist eine Erkenntnis, die auch die befragten Bundesratsmitglieder beider Ge- , schlechter grossmehrheitlich bestätigen. Die SP/FR, Frauen in der Regierung verteilen sich denn seit 2012 auch über das gesamte Spektrum verschiede- ner Typen, mit einer Ausnahme: Keine Frau Der Bürdenträger entspricht dem Typus des Bürdenträgers. Auch parteipolitisch besteht kein eindeutiges Muster. Rechte, Linke und Mittepolitiker fin- , den sich mehr oder weniger bei jedem Typ. SVP/VD, Am ehesten treten die lateinischsprachigen seit 2016 Bundesratsmitglieder gehäuft beim Typus des Regenten in Erscheinung. Womöglich sind sie Der Verwalter durch die französische Verwaltungstradition und die dominante Stellung des Staatsprä- sidenten der Grande Nation geprägt. , Die Typen der Populären und Regenten tre- FDP/TI, ten vermehrt in neuerer Zeit in Erscheinung, seit 2017 während die Verwalter und Konkordanzpoli- tiker gehäuft im 20. Jahrhundert vorkamen. Die Regentin Das könnte mit der wachsenden Bedeutung der Medien in der Politik zusammenhängen. Laut Vatter sind populäre und kommunika- Karin Keller-Sutter, tionsstarke Bundesratsmitglieder wie Adolf Gesucht: FDP/SG, Ogi oder immer wichtiger seit 2019 geworden, um die Entscheide der Regierung der Bevölkerung zu vermitteln. Die Verwalterin Gibt es ideale und schwierige Kombina- tionen? Ja. Eine schlechte Mischung ist laut Vatter eine Regierung mit mehreren macht- , bewussten Regenten, das widerspreche dem CVP/VS, Prinzip der Kollegialregierung. Ein Negativ- seit 2019 beispiel dafür war die Zeit von 2004 bis 2007, als mit Christoph Blocher, Micheline Calmy- Dieperfek Rey und drei Personen die- ses Typs in der Regierung sassen. Entspre- chend schwierig war die Arbeit für alle Betei- ligten. Weniger problematisch für die Gesamt- regierung sind die Bürdenträger, die im Amt nicht richtig Tritt finden. Unter ihnen leidet Die nähere Begründung für diese weniger der Bundesrat als ihr Departement. Einschätzung finden Sie in der Es bleibt zuletzt die Frage: Wie sieht die Online-Version dieses Artikels. ideale Mischung aus, quasi die echte «Zauber- nzz.as/bundesrat formel» des Bundesrats – nach Persönlich- keitsprofilen zusammengesetzt und nicht Regierung nach Parteizugehörigkeit? Adrian Vatters Vorschlag: drei Konkordanzpolitiker, die das Team zusammenhalten; zwei Populäre, die nach aussen kommunizieren und sich als Identifikationsfiguren anbieten; ein Ver- Wie viele Machtpolitiker erträgt der Bundesrat? Wie wichtig sind M walter, der den Bundesrat managt; und eine Regentenfigur, die die Stossrichtung vorgibt. Der gegenwärtige Bundesrat deckt sich mit Und wie sieht die ideale Zusammensetzung unserer Regierung aus diesem Idealbild nicht, ist aber auch nicht allzuweit davon entfernt. Michael Furger Adrian Vatter hat erstmals alle Bundesräte sozialwissenschaftlich v 19

Die Populären

Die Mischtypen

Rudolf Minger Doris Leuthard Jean-Pascal BGB/BE SVP/BE SP/SO CVP/AG Delamuraz 1930–1940 1988–2000 1974–1983 2006–2018 FDP/VD 1984–1998 Mit Witz, Charme und Emotionen

Gesellig, extrovertiert, charisma- ihre Ausstrahlung und auf ihre ist noch heute ein stehender tisch und charmant: Das sind die Emotionen zurück. Andererseits Begriff. Ebenfalls zu den Populä- Eigenschaften eines Bundesrats- sind sie oft aufgrund ihrer Bio- ren gehören Doris Leuthard typus, der in neuerer Zeit immer grafie wichtige Integrations- und (2006–2018) und Jean-Pascal häufiger auftaucht. Identifikationsfiguren für weite Delamuraz (1984–1998). Gegen Elisabeth Kopp, FDP/ZH Angehörige dieser Gruppe sind Teile der Bevölkerung. Ende seiner Amtszeit trägt 1984–1989 in der Regel erfolgreiche Wahl- Ein weiteres Merkmal dieser auch der Solothurner und Abstimmungskämpfer und Gruppe: Über die Populären (1984–1995) in seiner knorrig- überdurchschnittlich oft präsent kursieren noch heute zahlreiche beharrlichen Art gewisse Züge in den Medien. Politisch verste- Anekdoten und Witze. Bestes dieses Typs. hen sich die Populären eher als Beispiel dafür ist Adolf Ogi Weitere Vertreter sind Nello Gestalter denn als Verwalter. Sie (1988–2000), der hohen Staats- Celio (1967–1973) und Willi rücken die Menschen und deren gästen jeweils einen Bergkristall Ritschard (1974–1983), der das Bedürfnisse ins Zentrum ihrer aus dem Berner Oberland über- Image des ersten Arbeiters im Politik und versuchen sie direkt reichte. Seine Neujahrsanspra- Bundesrat trug und pflegte. anzusprechen, mit einer volks- che 1999 mit einem Tannen- Davor zählte nahen Sprache und einem leut- baum vor dem Lötschberg-Nord- (1912–1940) zu den Populären seligen, schlagfertigen Auf- portal ist legendär. Sein Ausruf sowie (1930– treten. Ihre hohe Beliebtheit im «Freude herrscht» anlässlich 1940), der vielen Menschen ganz Volk geht einerseits auf ihre des ersten Weltraumflugs des einfach als der Bauern-Bundes- Christoph Blocher, SVP/ZH gewinnende Persönlichkeit, Schweizers Claude Nicollier rat galt. Adrian Vatter 2004–2007 Auf besondere Die Intellektuellen Art im Amt

Nicht alle Bundesräte lassen sich nur einem Profil zuordnen. Die beiden bekanntesten Misch- typen aus der jüngeren Zeit sind Elisabeth Kopp und Christoph Blocher, deren Werdegang und Amtszeit ungewöhnlich war. Elisabeth Kopp ist im Prinzip

NE eine Konkordanzpolitikerin, die STO

Y sich bis zu ihrem unfreiwilligen KE

S: Rücktritt stets um den Ausgleich

FOTO im Kollegium bemühte. In ihrer Rolle als erste Frau im Bundesrat zählt sie aber auch zur Gruppe der Populären und genoss viel Aufmerksamkeit der Medien und eine hohe Akzeptanz im Volk. Über grosse Popularität und Volkstümlichkeit verfügt zwei- fellos auch Christoph Blocher. Daneben gehört er zum Typus der Regenten, der gestalten und im Kollegium dominieren wollte. Selbst als Bundesrat war Georges-André Giuseppe Lepori Moritz Hans-Rudolf Merz Stefano Franscini er aber stets SVP-Ideologe und Chevallaz KVP/TI Leuenberger FDP/AR Mitte [Lib.]/TI Parteiführer, was wiederum FDP/VD 1955–1959 SP/ZH 2004–2010 1848–1857 nicht zum Typus des Regenten 1974–1983 1995–2010 passt. Adrian Vatter kte Ich denke, also regiere ich Sie interessieren sich nicht nur scher im Sinne von Platons Phi- tik austauschen sollte. Auch Das Buch für Verwaltungsaufgaben in losophenkönig, der sein Leben Hans-Rudolf Merz (2004–2010) ihrem Departement, sondern der Weisheit widmete. ist zu dieser Gruppe zu zählen. auch für übergeordnete staats- In der Bevölkerung sind sie Er trug stets die Bibel und Hintergründiges politische und staatsphilosophi- weniger populär als andere Bun- Goethes «Faust» in seiner sche Fragen. Die Leitlinie ihres desratsmitglieder, werden aber Aktentasche und verfasste noch zum Bundesrat Handelns bildet ihre persönliche von den Medien überdurch- vor seiner Regierungszeit Überzeugung, die eher von poli- schnittlich beachtet. Sie sind den den Roman «Der Landammann». Adrian Vatter, 55, ist Professor tischen Grundprinzipien als vom schönen Seiten des Lebens zu- Als Intellektuelle gelten auch für Politikwissenschaft an der Parteibuch geprägt ist. geneigt, stark an Literatur, Kunst Georges-André Chevallaz (1974– Uni und kommentiert Die Gruppe der Intellektuellen und Kultur interessiert und 1983) und Giuseppe Lepori als Experte für das Schweizer im Bundesrat gilt als gewissen- hegen eine besondere Vorliebe (1955–1959), den ein Schlaganfall Fernsehen die Bundesrats- haft, eher extrovertiert, intelli- dazu, Bücher zu schreiben. früh zum Rücktritt zwang. Auch wahlen. Seine Typologie findet gent und offen für Neues. Sie Ein prominenter Vertreter (1987–1999) und sich in seinem neuen Buch verfügen in der Regel über eine dieser Gruppe ist Moritz Leuen- (1989–2003), die «Der Bundesrat», das am kom- tig sind Medienstars? sehr gute akademische Ausbil- berger (1995–2010), der bereits hier dem Typus des Konkordanz- menden Freitag im Verlag dung, legen Wert auf ihre öffent- in seiner Amtszeit Reden in politikers zugeordnet wurden, NZZ Libro erscheint. Es han- lichen Auftritte und investieren Buchform veröffentlichte und tragen Züge dieses Typs. Ein delt sich um das erste sozial- us? Der Politikwissenschafter viel Zeit in ausgefeilte Reden zuweilen seinen Missmut durch- Beispiel aus den Anfängen des wissenschaftliche Werk zur und Ansprachen. Idealerweise blicken liess, wenn er sich mit Bundesstaates ist Stefano Fran- Schweizer Regierung. h vermessen sehen sie sich als die guten Herr- Journalisten über die Tagespoli- scini (1848–1857). Adrian Vatter 20 Hintergrund Politik NZZ am Sonntag 22. November 2020

Die Regenten Die Verwalter

Pierre Graber Micheline Pascal Couchepin - Eveline Widmer- SP/NE CVP/TI CVP/SG Calmy-Rey FDP/VS FDP/ZH KCVP/OW Arnold Schlumpf SVP/GR 1970–1978 1987–1999 1972–1986 SP/GE 1998–2009 1970–1978 1960–1971 CVP/AI BDP/GR 1980–1987 2003–2011 1999–2003 2008–2015 Der Bundesrat, c’est moi Effizient im Hintergrund

Sie lieben es, Entscheidungen zu In der positiven Variante brilliert ging sie keinem Streit aus dem Die Tätigkeit einer Exekutive ziehen das stille Arbeiten hinter gegen Christoph Blocher zwar treffen, Einfluss zu nehmen er als Staatsmann oder als Staats- Weg – ebensowenig wie Couche- liegt in der Schweiz oft näher den Kulissen – in Kommissionen spektakulär gewählt, galt im Amt und Macht auszuüben. Bundes- frau von Weltformat. Weitere pin, der etwa seinen Bundesrats- beim Verwalten als beim Regie- und bei bilateralen Treffen – dem aber geradezu als Inbegriff für rätinnen und Bundesräte dieser Merkmale dieses Typs: ein gros- kollegen Christoph Blocher ren. Entsprechend häufig ist im öffentlichen Auftritt und der politischen Pragmatismus. Sie Gruppe sind animaux politiques. ser Realitätssinn gekoppelt mit (auch er trägt Eigenschaften Bundesrat dieser Typus anzu- medialen Inszenierung vor. Poli- erreichte damit viel: Als Vertre- Sie haben Lust auf Konfronta- einem Flair für Unkonventio- dieses Typus) in Zeitungsinter- treffen, der nüchtern, massvoll tischen Visionen, tiefgreifenden terin für den kranken Finanz- tion, Provokation und Polemik, nelles, ein starker Intellekt und views attackierte. Couchepins und pragmatisch seiner politi- Reformen und ideologischen minister Hans-Rudolf Merz orga- können mit Druck umgehen und eine vergleichsweise geringe abrupter Vorstoss für ein Ren- schen Arbeit nachgeht. Auseinandersetzungen stehen nisierte sie 2008 die Rettung der verfolgen leidenschaftlich ihre Bindung an Ideologien. Auffällig tenalter 67 dürfte 2003 der FDP Diese Regierungsmitglieder sie skeptisch gegenüber. UBS. Später beerdigte sie schnell politischen Ziele. Dafür setzen viele Regenten stammen aus der die Wahlen verhagelt haben. sind sehr gewissenhaft, belast- Die Gruppe der Verwalter hat und trocken das Bankgeheimnis. sie auch ungewöhnliche Takti- lateinischen Schweiz. Zu den Regenten zählte auch bar und verträglich; aber etwas stets das politisch Machbare im Ihr Vater Leon Schlumpf (1980– ken und Strategien ein. Zur Gruppe dieses Typs gehö- der Tessiner Flavio Cotti (1987– weniger offen und meist nicht Auge. Sie sehen sich nicht als 1987) regierte als Verkehrs- und Für Exekutivämter sind diese ren Aussenministerin Micheline 1999), der 1996 als Vorsitzender sehr extravertiert. Ihre Domäne Innovatoren. Aber sie sind in der Energieminister sehr ähnlich. Politikerinnen und Politiker Calmy-Rey (2003–2011) und des OSZE-Ministerrats richtig ist die praktische Verwaltungs- Regel effiziente Managerinnen Zu den Verwaltern zählt wie gemacht. Im persönlichen Wirtschafts- und Innenminister aufblühte. Auch tätigkeit, die sie sachkundig und und Manager und haben einen auch Wirtschaftsminister Ernst Umgang sind sie jovial, staats- Pascal Couchepin (1998–2009). (1970–1978) und Kurt Furgler praxisnah erledigen. Im Zentrum guten Draht zur Verwaltung. Brugger (1970–1978), der in den männisch und einnehmend, Calmy-Rey pflegte in der Welt- (1972–1986) weisen starke Züge steht für sie ihre Rolle als Chefin Vertreterinnen dieses Typs siebziger Jahren nüchtern und können aber auch schroff und politik Kontakte auf Augenhöhe. dieses Typs auf. Im 19. Jahrhun- oder Chef eines Departments sind Ruth Metzler-Arnold (1999– effizient Überfremdungsinitiati- unzimperlich sein. In seiner Gleichzeitig ging in ihrem Depar- dert gehört etwa und die Lösung von Problemen. 2003) und Eveline Widmer- ven bodigte, oder Justizminister negativen Variante nimmt dieser tement jede Medienmitteilung (Zentrum/AG, 1867–1891) dazu. Die strategische Regierungs- Schlumpf (2008–2015). Letztere Ludwig von Moos (1960–1971). Typ machiavellistische Züge an. über ihr Pult. In der Innenpolitik Adrian Vatter tätigkeit liegt ihnen weniger. Sie wurde als Sprengkandidatin Adrian Vatter

Die Bürdenträger Die Konkordanzpolitiker

Alphons Egli Johann Schneider- Rudolf Friedrich Josef Anton Arnold Koller Kaspar Villiger Friedrich CVP/LU Ammann FDP/ZH Schobinger SP/NE SP/GE CVP/AI FDP/LU SVP, dann BDP/BE Traugott Wahlen 1983–1986 FDP/BE 1983–1984 Kath.-Kons./LU 1978–1987 1993–2002 1987–1999 1989–2003 2001–2008 BGB/BE 2010–2018 1908–1911 1959–1965 Das Amt als Missverständnis Alles für den Ausgleich

Diese Magistraten nehmen ihr selten unter Ränkespielen, takti- weise Akten – und blieb politisch Sie sind umgänglich und verant- dungsfindung ein. Vor allem in wieder Mehrheiten. Ihre Pionier- Regierungsamt in erster Linie als schen Manövern und Intrigen. doch wirkungslos. wortungsbewusst, ziehen die der Rolle als Bundespräsident rolle in der Drogenpolitik etwa Bürde wahr und nicht als Chance Sie sind meist keine brillanten (1983–1986) Suche nach Konsens der harten oder Bundespräsidentin enga- ist bis heute unbestritten. zur politischen Gestaltung. Es Redner. Die Medien stehen schrieb in seinem eigenen Nach- Konfrontation und der Pro- gieren sie sich sehr stark für Auch Samuel Schmid (2001– sind in der Regel gewissenhafte, ihnen kritisch gegenüber, was ruf, Bundesrat sei «kein Traum- vokation vor. Die Konkordanz- die Gruppenbildung, für vermit- 2008), Kaspar Villiger (1989– oft eher introvertierte sowie wiederum ihr Verhältnis zu den job» gewesen: «Ich fühlte mich politiker treten als Teamplayer telnde Gespräche und für die 2003) und Arnold Koller (1987– teilweise sorgenvolle Personen. Journalisten belastet. In der in der lockeren Atmosphäre auf und ermöglichen im Regie- Konsenssuche im Kollegium. 1999) haben stets den Ausgleich Dieser Typ ist das exakte Regel ist ihre Amtszeit kurz. In eines Parlaments wohler.» rungskollegium oft parteiüber- Staatspolitischen Fragen messen gesucht. Kollers Verfassungs- Gegenstück zur Gruppe der Einzelfällen leiden sie auch Johann Schneider-Ammann greifende Lösungen. sie grosses Gewicht bei. reform etwa ist nur dank viel Regenten. Sie sehen vor allem gesundheitlich unter ihrem Amt. (2010–2018) weist ebenfalls Der Stil dieser Politikerinnen Diesem Typ entspricht etwa Dialog und ihrer Deklaration als die negativen Seiten von Macht Zu dieser Kategorie gehören Züge dieses Typs auf. Gegen und Politiker zeichnet sich durch Ruth Dreifuss (1993–2002), die «Nachführung» gelungen. und Verantwortung und haben etwa der eher führungsschwache Ende der Amtszeit wirkte er einen hohen Willen zum Kom- nach einer äussert turbulenten Zum Typus der Konkordanz- oft Schwierigkeiten, Entschei- Aussenminister Pierre Aubert erschöpft, seine Reden waren promiss aus, durch die Bereit- Wahl in den Bundesrat kam (SP- politiker gehört aber etwa auch dungen zu treffen. Nicht wenige (1978–1987) oder auch Justiz- unbeholfen. Entscheidungs- schaft zum Dialog und durch die Kandidatin Friedrich Traugott Wahlen von ihnen vermissen ihre frü- minister Rudolf Friedrich (1983– schwach war er allerdings nicht. Rücksicht auf Minderheiten. Sie unterlag ihrem Parteikollegen (1959–1965), der in seiner Amts- here Unabhängigkeit. 1984), der im Herzen stets Parla- Ein Beispiel aus früherer Zeit ist verwenden entsprechend viel Francis Matthey. Dieser zog sich zeit drei verschiedene Departe- Oft fehlt diesen Bundesräten mentarier und Anwalt blieb. Die Josef Anton Schobinger (1908– Zeit für die gemeinsame Regie- nach einer Woche zurück). Sie mente führte. Ein historisches auch der politische Instinkt zur Führung eines grossen Departe- 1911), der in drei Jahren drei rungsarbeit und verstehen sich war dort als Frau, als Jüdin und Beispiel ist (Kath.- Ergreifung ihrer Chancen und ments lag dem ehemaligen Pfad- verschiedene Departemente eher als Generalisten. Sie binden als Linke dreifach in der Minder- Kons./LU; 1892–1908), der erste zur Bildung von Koalitionen. finder nicht. Er studierte abends leitete und kurz vor Ende der das Parlament und weitere heit, fand aber mit Intelligenz Katholisch-Konservative im Entsprechend leiden sie nicht in seinem Hotelzimmer berge- Amtszeit starb. Adrian Vatter Akteure gerne in die Entschei- und Pragmatismus immer Bundesrat. Adrian Vatter