(Ausgegeben am 7. Dezember 2016)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

114. Sitzung

Hannover, den 24. November 2016

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 24: Zur Geschäftsordnung: Jens Nacke (CDU) ...... 11496 Mitteilungen des Präsidenten ...... 11479 Grant Hendrik Tonne (SPD) ...... 11498, 11503 Feststellung der Beschlussfähigkeit ...... 11479 Björn Försterling (FDP) ...... 11499, 11503 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 11500, 11502 Außerhalb der Tagesordnung: Christian Grascha (FDP) ...... 11501, 11501 Ulf Thiele (CDU) ...... 11503 Fortsetzung der Unterrichtung durch die Landes- regierung über in Niedersachsen aufgetretene Tagesordnungspunkt 25: Fälle von Vogelgrippe ...... 11479 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Mündliche Anfragen - Drs. 17/6900 ...... 11504 Landwirtschaft und Verbraucherschutz . 11479 Helmut Dammann-Tamke (CDU) ... 11481, 11484 Frage 1: Hermann Grupe (FDP) ...... 11482 Welche Bilanz zieht die Landesregierung aus Wiard Siebels (SPD) ...... 11483, 11485 ihrer Aufgabenkritik? ...... 11504 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ... 11483, 11484 Christian Grascha (FDP) ... 11504, 11510, 11523 Frank Oesterhelweg (CDU) ...... 11484 Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport ...... 11505 bis 11523 Außerhalb der Tagesordnung: Gabriela König (FDP) ...... 11508 Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Unterrichtung durch die Landesregierung über Verkehr ...... 11508, 11517 die sogenannten vorwärts-Gespräche ...... 11485 Dr. Stephan Siemer (CDU) ...... 11509 Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister Verkehr ...... 11485 ...... 11509, 11511, 11512, 11520, 11521 Ulf Thiele (CDU) ...... 11487, 11492 Sebastian Lechner (CDU) ...... 11510 Christian Dürr (FDP) ...... 11489, 11494 Jan-Christoph Oetjen (FDP) ...... 11510, 11520 Grant Hendrik Tonne (SPD) Reinhold Hilbers (CDU) ...... 11512, 11520 ...... 11490, 11493 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) ...... 11513 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 11493, 11495 Adrian Mohr (CDU)...... 11513 Christian Dürr (FDP) ...... 11514, 11522 Persönliche Bemerkung: Stephan Weil, Ministerpräsident ...... 11514 Ulf Thiele (CDU) ...... 11495 Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) ...... 11516 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 11496 Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Ge- Jens Nacke (CDU) ...... 11500 sundheit und Gleichstellung ...... 11516, 11521

I Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 114. Plenarsitzung am 24. November 2016

Susanne Menge (GRÜNE) ...... 11517 Tagesordnungspunkt 29: Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 11518 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Erste Beratung: Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die niedersächsische Oberschule - Erfolgsmodell ...... 11518 mit Zukunft - Antrag der Fraktion der CDU - Gerd Ludwig Will (SPD) ...... 11518 Drs. 17/6899 ...... 11540 Jörg Bode (FDP) ...... 11520, 11522 Kai Seefried (CDU) ...... 11540, 11544, 11547 Dr. Max Matthiesen (CDU) ...... 11521 Uwe Strümpel (SPD) ...... 11542, 11545 Björn Försterling (FDP) ...... 11545 (Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 50, die nicht in der Julia Willie Hamburg (GRÜNE) ..... 11546, 11548 114. Sitzung des Landtages am 24. November 2016 be- Ausschussüberweisung ...... 11548 handelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in der Drucksache 17/6970 abgedruckt.) Nächste Sitzung ...... 11548 Tagesordnungspunkt 26:

Erste Beratung: Handwerksbetriebe entlasten - Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung zurücknehmen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6895 ..... 11524 Dr. Gero Hocker (FDP) ...... 11524, 11529 Volker Bajus (GRÜNE) ...... 11524, 11526, 11528 Gabriela König (FDP) ...... 11525 Marcus Bosse (SPD) ...... 11526 Martin Bäumer (CDU) ...... 11527, 11528 , Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz ...... 11530 Ausschussüberweisung ...... 11531

Tagesordnungspunkt 28:

Erste Beratung: Reden und Handeln des Boris Pistorius: SPD- Innenminister lassen die Muskeln spielen - In Niedersachsen schwächt der Innenminister die Polizei - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/6898 ...... 11532 Angelika Jahns (CDU) ...... 11532 Karsten Becker (SPD) ...... 11535 Jan-Christoph Oetjen (FDP) ...... 11537 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) ...... 11539 Ausschussüberweisung ...... 11540

II Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 114. Plenarsitzung am 24. November 2016

Vom Präsidium:

Präsident Bernd Busemann (CDU) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta (SPD) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann (SPD) Vizepräsident Karl-Heinz Klare (CDU) Schriftführerin Ingrid Klopp (CDU) Schriftführerin Gabriela Kohlenberg (CDU) Schriftführer Klaus Krumfuß (CDU) Schriftführer Clemens Lammerskitten (CDU) Schriftführer Markus Brinkmann (SPD) Schriftführer Stefan Klein (SPD) Schriftführerin Sigrid Rakow (SPD) Schriftführerin Sabine Tippelt (SPD) Schriftführer (GRÜNE) Schriftführerin Elke Twesten (GRÜNE) Schriftführerin Hillgriet Eilers (FDP)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)

Minister für Inneres und Sport Boris Pistorius (SPD)

Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD)

Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Jörg Röhmann, Cornelia Rundt (SPD) Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Kultusministerin Staatssekretärin Erika Huxhold, Frauke Heiligenstadt (SPD) Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies (SPD)

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz Christian Meyer (GRÜNE)

Justizministerin Staatssekretärin Stefanie Otte, Antje Niewisch- Lennartz (GRÜNE) Justizministerium

Ministerin für Wissenschaft und Kultur Staatssekretärin Andrea Hoops, Dr. Gabriele Heinen- Kljajić (GRÜNE) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel (GRÜNE)

III Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 114. Plenarsitzung am 24. November 2016

IV Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 114. Plenarsitzung am 24. November 2016

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr. Ich bitte jetzt Herrn Landwirtschaftsminister Meyer, seine Unterrichtung kundzutun. Präsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Außerhalb der Tagesordnung: Kollegen! Ich eröffne die 114. Sitzung im 41. Ta- Fortsetzung der Unterrichtung durch die Lan- gungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages desregierung über in Niedersachsen aufgetre- der 17. Wahlperiode. Gemeinsam mit den Schrift- tene Fälle von Vogelgrippe führerinnen wünsche ich Ihnen einen guten Mor- gen! (Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!) Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Tagesordnungspunkt 24: wirtschaft und Verbraucherschutz: Mitteilungen des Präsidenten Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gestern angekündigt, möchte ich Sie über den aktuellen Stand der Vogelgrippe weiter Wir dürfen bereits jetzt die Beschlussfähigkeit unterrichten. Wir bekamen gestern Abend gegen des Hauses feststellen. 19 Uhr vom Friedrich-Loeffler-Institut des Bundes die Ergebnisse der Laboruntersuchung zum Fall Die Tagesordnung, die Ihnen vorliegt, würde nor- von Geflügelpest im Landkreis Cloppenburg. Es malerweise mit Tagesordnungspunkt 25 - Mündli- handelt sich damit - amtlich bestätigt - um die che Anfragen - beginnen. Danach würden wir in hochpathogene Variante des Vogelgrippevirus der Reihenfolge der Tagesordnung die verbliebe- H5N8. Damit wurde jetzt erstmals in Niedersach- nen Tagesordnungspunkte 26, 28 und 29 behan- sen dieser höchst gefährliche Virus in einem Nutz- deln. tiergeflügelbestand seitens des FLI bestätigt. Eine Ich weise aber jetzt schon darauf hin, dass mir Gefahr für den Menschen besteht nach bisheriger zwei Wünsche nach einer Unterrichtung seitens Kenntnis nicht. Gleichwohl sollte ein Hautkontakt der Regierung vorliegen. Zunächst möchte Herr mit toten Vögeln vermieden werden. Landwirtschaftsminister Meyer über die Vogelgrip- Der zuständige Landkreis Cloppenburg, dem ich pe unterrichten. Danach möchte Herr Wirtschafts- für die gute Zusammenarbeit mit den Landesbe- minister Lies über die sogenannten vorwärts-Ge- hörden ausdrücklich danke, hat schnell, richtig und spräche unterrichten. umsichtig gehandelt. Die Tötung des Bestandes Ich habe eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung wurde, wie schon gestern geschildert, bereits an- gesehen. geordnet.

(Zuruf) Meine Damen und Herren, mir ist bewusst, die schon erfolgten und jetzt weiter erfolgenden Maß- - Die Wortmeldung hat sich erledigt? - Okay. nahmen zur Eindämmung der Vogelgrippe in Deutschland stellen erhebliche Einschränkungen Ich darf sodann zunächst Frau Schriftführerin insbesondere für unsere Geflügelhalter dar. Aber Twesten bitten, uns mitzuteilen, wer sich entschul- sie sind zur Eindämmung der Tierseuche unerläss- digt hat. lich. Mir ist auch bewusst, die jetzt notwendige Tötung von Zehntausenden von Tieren ist über- Schriftführerin Elke Twesten: haupt nichts Schönes und nichts, was jemand gern Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich darf macht. Aber sie ist erforderlich, um viele andere Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen: Es liegen Tiere zu schützen. Auch sind Transportverbote wie für heute keine Entschuldigungen vor. das gestern vom Landkreis Cloppenburg verhäng- te „Stand Still“ für Geflügeltransporte notwendig, Präsident Bernd Busemann: um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Vielen Dank, Frau Twesten. - Meine Damen und An alle Tierhalterinnen und Tierhalter daher auch Herren, je nach Verlauf der Unterrichtungen haben mein Appell, diese Vorgaben strikt zu beachten wir die Chance, zwischen 12 Uhr und 13 Uhr fertig und alle Biosicherheitsmaßnahmen und Hygiene- zu sein. Schauen wir mal! maßnahmen streng einzuhalten.

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Meine Damen und Herren, ich bin davon über- Zu den Zwischenrufen: Der Fall in Cloppenburg, zeugt, dass die zuständigen Behörden in enger bei dem schon weiträumig aufgestallt wurde, lässt Zusammenarbeit mit Land und Bund die notwendi- sich damit nicht erklären. Vielmehr ist die Frage zu gen und richtigen Maßnahmen ergreifen. Über das stellen, wie das Virus in diesen Stall hineingekom- Lob des Landkreises bei dessen gestriger Presse- men ist. Dazu sind auch die Experten zu hören, die konferenz über die gute Zusammenarbeit mit mei- auf die strikte Einhaltung von Biosicherheitsmaß- nen Landesbehörden habe ich mich sehr gefreut, nahmen insbesondere bei geschlossenen Stallan- und ich gebe den Dank an die kommunale Ebene, lagen drängen. Dazu gibt es noch viele Rätsel, die bei der Tierseuchenbekämpfung gerade in dazu sind noch viele Fragen offen. Es gibt eben Niedersachsen bestens aufgestellt ist, gerne zu- viele Wege, wie sich so ein Virus verbreiten kann. rück. (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Wie (Beifall bei den GRÜNEN und bei der bewerten Sie diese Maßnahmen?) SPD) Meine Damen und Herren, jetzt stehen schwierige Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den be- Wochen für die Geflügelhalter in Niedersachsen troffenen Landkreisen und beim Landesamt für und für die Fachleute in der Tierseuchenbekämp- Verbraucherschutz sowie in meinem Ministerium fung an. Nach meiner Überzeugung ist daher jetzt möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken. nicht die Zeit für parteipolitische Auseinanderset- Wir wissen ihre fachkundige und sachliche Arbeit zungen oder ideologische Schuldzuweisungen, wie zu schätzen und hören auf ihren Rat. ich sie immer wieder lese. Meine Damen und Herren, ich bin davon über- (Beifall bei den GRÜNEN - Ulf Thiele zeugt, dass die Bekämpfung von Tierseuchen eine [CDU]: Aber für politische Debatten Sache von Fachleuten und Experten ist. Noch bitte schon! - Mechthild Ross- einmal: Die Landkreise in Niedersachsen folgen Luttmann [CDU]: Wie bewerten Sie den Empfehlungen meiner Fachleute und den denn die Maßnahmen?) Empfehlungen des FLI des Bundes. Das geht vielleicht auch an die Adresse der Um- (Ulf Thiele [CDU]: Ist das immer noch weltverbände: Weder ist die industrielle Massen- Ihre Meinung?) tierhaltung, an der es zu Recht viel zu kritisieren gibt, schuld an der Vogelgrippe Noch einmal: In der aktuellen Biosicherheitsein- schätzung des FLI, des Friedrich-Loeffler-Institutes (Unruhe bei der CDU) des Bundes, ist klargestellt - das können Sie auf noch sind wilde Zugvögel per se hoch kriminelle dessen Homepage nachlesen -, Gefährder. Meine Damen und Herren, Vögel - (Ulf Thiele [CDU]: Sie müssten doch ganz gleich, ob Nutzgeflügel oder Wildvögel - sind jetzt langsam tätig werden!) in diesem Geschehen nicht Täter, sondern Opfer. dass nach dessen aktuellen Einschätzungen keine (Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- bundesweite Stallpflicht vorgeschlagen wird. Auch mung von Andrea Schröder-Ehlers Ihr Bundesminister hat davon in dieser Woche [SPD]) Abstand genommen. Unsere Unterstützung gilt daher jetzt allen Geflü- (Ulf Thiele [CDU]:Sie müssen das gelhaltern, ganz gleich, ob sie kleine Hobby-Halter, doch jetzt für Niedersachsen ange- die jetzt die Biosicherheitsmaßnahmen einhalten hen!) müssen, oder große Nutztiergeflügelhalter sind. Das Land und die Tierseuchenkasse stellen Ent- Jetzt wird diskutiert - das FLI hat sich gestern wie- schädigungen für die zu tötenden Tiere bereit. Das der öffentlich geäußert -, dass vorher andere Maß- Land und die Kommunen helfen und unterstützen, nahmen, wie Impfungen usw., zu diskutieren sind. wo sie nur können. Das sind die aktuellen Risikobewertungen der unabhängigen Bundesbehörde. Ich finde, es ist Das Niedersächsische Landesamt für Verbrau- gut, wenn man auf Fachleute hört. cherschutz und Lebensmittelsicherheit, das LAVES, hat bereits Anfang der Woche - übrigens (Beifall bei den GRÜNEN und bei der vor Ausbruch der Seuche in Cloppenburg - ein SPD - Ulf Thiele [CDU]: Grob fahrläs- Bürgertelefon unter der Nummer 0441/57026-444 sig ist das! - Unruhe bei der FDP) geschaltet. Diese Info-Hotline soll Geflügelhalter

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insbesondere bei der Umsetzung der neuen Vor- Präsident Bernd Busemann: schriften unterstützen. Die Experten der Taskforce Meine Damen und Herren, wie wäre es, wenn Sie Veterinärwesen des LAVES sind unter dieser Tele- sich einfach darauf einstellen, dem Redner zuzu- fonnummer direkt zu erreichen. Außerdem ist vom hören? niedersächsischen Landwirtschaftsministerium ein ausführlicher Leitfaden erstellt worden, eine zu- (Jens Nacke [CDU]: Was er damals sätzliche Hilfestellung für die Umsetzung. erzählt hat, war alles Quatsch? Oder was soll das heißen?) (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Mehr nicht? Ein Leitfaden, das ist al- - Das ist doch egal! Erst hören und dann reagieren les?) - so sollten wir es machen. - Bitte!

Wir sind gemeinsam mit den Landkreisen dabei, Helmut Dammann-Tamke (CDU): die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die- Die Nervosität auf der linken Seite dieses Hauses ses für die Geflügelhaltung in Niedersachsen wirk- ist für mich durchaus nachvollziehbar. lich gefährliche Geschehen einzudämmen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Danke für Möglichkeit zur Unterrichtung. Lachen bei der SPD und bei den (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - GRÜNEN) Zustimmung bei der SPD) Ich zitiere:

Präsident Bernd Busemann: „Stallpflicht fragwürdig Vielen Dank, Herr Minister, für diese Unterrichtung. Grüne: Massentierhaltung begünstigt Ver- breitung der Vogelgrippe Jetzt darf natürlich eine Aussprache erfolgen. Zu den Redezeiten Folgendes: Der Herr Minister hat Der agrarpolitische Sprecher der Landtags- ziemlich exakt sechs Minuten geredet, sodass, grünen Christian Meyer hat eine Überprü- wenn wir seine Unterrichtung wie eine Regie- fung der weiträumigen Stallpflicht in der Frei- rungserklärung behandeln, die großen Fraktionen landhaltung gefordert. ‚Statt die Freilandhal- sechs Minuten Redezeit und die kleinen Fraktion tung vieler kleiner und mittlerer Betriebe ein- drei Minuten Redezeit zur Verfügung haben. zuschränken, sollte die Landesregierung vielmehr gegen die nicht artgerechten Hal- Es beginnt Herr Abgeordneter Dammann-Tamke. tungsbedingungen und die starke Konzent- Wenn er will, hat er sechs Minuten. Bitte sehr! ration in der Massentierhaltung als vermutli- che Verbreiter der Vogelgrippe vorgehen‘“ Helmut Dammann-Tamke (CDU): - Unser Minister lernt offensichtlich dazu. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- gen! Herr Minister, das Internet vergisst bekannt- (Zurufe von den GRÜNEN) lich nicht. Sie haben gesagt, es sei nicht die Zeit „Nahezu alle Ausbrüche der Vogelgrippe für parteipolitische Auseinandersetzungen. Sie würden in Intensivstallhaltungen mit Zehn- haben auch gesagt, die Massentierhaltung sei tausenden von Tieren stattfinden.“ nicht verantwortlich für die Vogelgrippe. Ich habe - Stand heute - auf der Homepage Ihrer Grünen- ( [GRÜNE]: Bei großen Landtagsfraktion eine Pressemitteilung des ehe- Zahlen muss sehr viel gekeult wer- maligen agrarpolitischen Sprechers der Grünen, den!) Herrn Christian Meyer, gefunden. Mit Verlaub, Herr Und weiter: Präsident, ich will einmal zitieren. „‚Die Stallpflicht dagegen trifft vor allem die (Johanne Modder [SPD]: Von wann?) Freilandhaltung und schränkt den Tierschutz ein.‘ Auch der Übertragungsweg durch Wild- - Sie datiert vom 17. Dezember 2008, Frau Kolle- vögel sei fragwürdig.“ gin Modder. Meine Damen und Herren, wir haben in der vori- (Lachen bei der SPD und bei den gen Woche im Agrarausschuss eine Unterrichtung GRÜNEN - Zurufe von der SPD und durch diese Landesregierung, durch den Staats- von den GRÜNEN) sekretär, gehört. Was musste er uns darlegen?

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Der erste Fund vom hoch pathogenen Virus der Zitieren Sie einmal Ihren Bundesmi- aviären Influenza wurde bei einer Reiherente, die nister!) bekanntlich ein Wildvogel ist, ausgerechnet im Landkreis Peine gefunden, ausgerechnet in einem Präsident Bernd Busemann: Landkreis, der bisher keine Stallpflicht verordnet hatte. Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Es (Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist al- folgt jetzt für die Fraktion der FDP der Abgeordnete les nicht logisch, was Sie sagen!) Hermann Grupe. Drei Minuten! Bitte sehr! Jetzt der nächste Schritt: der Ausbruch in einem Intensivstall in Süd-Oldenburg, im Herzen der Ge- Hermann Grupe (FDP): flügelwirtschaft Niedersachsens. Ihr Staatssekre- tär, Herr Minister, hat letzte Woche noch davon Herr Präsident! Herr Minister, es ist schon interes- gesprochen, dass es sich um ein regionales Seu- sant, wie Sie dazugelernt haben bzw. dann doch chengeschehen handele und daher die Zuständig- nicht dazugelernt haben. Wenn Sie hier die Szene- keit der Landkreise völlig richtig sei. rie beschreiben, indem Sie sagen, dass diese Tie- re getötet werden müssen, ist überhaupt nichts (Miriam Staudte [GRÜNE]: Das Schönes, dann ist das eine Verharmlosung, wie ich stimmt doch auch nicht! Nein, nein, zi- sie überhaupt noch nicht gehört habe. Herr Minis- tieren Sie einmal richtig! - Zuruf von ter, hier geht es um hunderttausendfaches Tierleid, Renate Geuter [SPD]) das insbesondere dann ausgelöst wird, wenn die- - Fakt ist, verehrte Kollegin Geuter: Auf der einen se Seuche richtig ins Laufen kommt. - Das ist die Seite verlangt dieser Minister die konsequente eine Seite. Die andere Seite ist, dass es hier um Einhaltung aller Biosicherheitsmaßnahmen, ver- Millionenschäden gehen kann, was die Betriebe pflichtet also die einzelnen Betriebe, ruinieren kann. Zudem ist es die allerschwerste Belastung für Familien von Landwirten, wenn sie (Zustimmung von Susanne Menge einem solchen Geschehen ausgesetzt sind. [GRÜNE]) sträubt sich aber nach wie vor, im Gegensatz zu Sie weigern sich, die möglichen Sicherheitsmaß- vielen seiner Amtskollegen, auch mit grünem Par- nahmen zu ergreifen. Natürlich ist klar, dass auch teibuch, eine landesweite Aufstallpflicht zu verhän- eine Stallpflicht nicht die absolute Sicherheit gibt, gen. aber sie ist ein wichtiger Mosaikstein im gesamten Zusammenhang. Sie handeln hier äußerst leicht- Jetzt komme ich zur Risikobewertung. Niedersach- fertig. Sie haben, wie der Kollege zitiert hat, im sen ist mit Abstand das Geflügelland Nummer eins Jahr 2008 dafür plädiert, die Freilandhaltung nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Wer glaubt, einzuschränken. Das erhellt vielleicht ein wenig dass man mit einer von Landkreis zu Landkreis den Hintergrund, warum Sie sich auch jetzt noch unterschiedlichen Betrachtungsweise herangehen hartnäckig weigern, das zu tun, was andere Län- kann, setzt die völlig falschen Signale und darf sich der längst gemacht haben, nämlich auch in Nie- nicht wundern, wenn wir die Lage nicht in den Griff dersachsen, das nun mehrfach betroffen ist, end- bekommen. Der Kern einer jeden Seuchenpräven- lich eine Stallpflicht einzuführen. Sie erhöhen die tion bedeutet: Ich muss vor die Lage kommen. Ich Sicherheitsrisiken, weil Sie Ihrem ideologischen muss vor das Virus-Geschehen kommen. Populismus aus dem Jahr 2008 weiter die Treue (Beifall bei der CDU und bei der FDP) halten. Die Leidtragenden sind, wenn es zum Ernstfall kommt, einerseits die Tiere und anderer- Herr Minister, die organisierte Geflügelwirtschaft in seits die Landwirtsfamilien. ganz Deutschland und allen voran in Niedersach- sen fordert seit Wochen das landesweite Aufstall- Ich frage Sie: Gibt es überhaupt irgendeine Situa- gebot aus Ihrem Hause. Warum Sie sich weigern? tion, in der Sie eine landesweite Stallpflicht ver- - Die Antwort kennen wir. Die finden wir auf Ihrer hängen würden? Was muss noch passieren, ehe Homepage; sie stammt aus dem Jahr 2008. Sie dazu kommen? Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der CDU) der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]:

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Präsident Bernd Busemann: Ich finde es korrekt, richtig und angemessen - Sie Vielen Dank, Herr Grupe. - Für die Fraktion der haben dem nicht widersprochen -, dass der Minis- SPD spricht jetzt der Kollege Wiard Siebels. Bitte ter ausgeführt hat, dass in den Risikobewertungen sehr! Sechs Minuten! durch wissenschaftliche Institute genau dies für nicht notwendig erachtet wurde. Deshalb gehe ich Wiard Siebels (SPD): davon aus, dass das Land Niedersachsen - dass das Agrarministerium - hier umsichtig und vernünf- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und tig handelt. Ich glaube, wir als Parlament sind ge- Herren! Ich will es kurz machen und glaube nicht, halten, uns dem anzuschließen und hier nicht ir- dass ich ganze sechs Minuten brauche. gendwelche Streits vom Zaun zu brechen, die mit Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, Herr Minister, dem heutigen Tage jedenfalls erledigt sind. ganz ausdrücklich für die Unterrichtung und Infor- (Beifall bei der SPD und bei den mation des Parlaments bedanken. GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Präsident Bernd Busemann: Wir werden zügig und umfassend informiert. Das Vielen Dank, Herr Kollege Siebels. - Es folgt jetzt finde ich sehr gut. Was ich fast noch besser finde, Kollege Hans-Joachim Janßen, Bündnis 90/Die ist die ausgewogene Darstellung inhaltlicher Art, Grünen. Drei Minuten! die Sie hier gerade gebracht haben. Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Herr Dammann-Tamke, ich bin der Auffassung, der Streit, den wir im Ausschuss über die Ursache Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und dieser Seuche bzw. dieser Krankheit geführt ha- Herren! Herr Dammann-Tamke! Herr Grupe! ben, ist mit dem heutigen Tage eigentlich beendet. Erstens. 97 % aller Geflügelbestände in Nieder- Wir haben den Streit im Ausschuss geführt - übri- sachsen sind mittlerweile aufgestallt. Das haben gens nach meiner Kenntnis nach dem Jahr 2008 - genau die Landkreise verfügt, die wegen der sehr u. a. über Risikobewertung und Einschätzung des hohen Geflügelbestände in ihren Kreisgrenzen ein Friedrich-Loeffler-Institutes. Der Minister hat heute erhöhtes Risiko haben. Genau das haben sie ge- die aus meiner Sicht - jedenfalls nach allen Stu- macht. Das ist auch vernünftig. Das heißt aber dien, die ich kenne - korrekte wissenschaftliche auch, dass das in den anderen Kreisen aus der Sicht der Dinge angegeben. Risikoanalyse heraus nicht erforderlich ist. Dazu ist Es scheint allerdings ein wenig so zu sein - das will gerade ausgeführt worden. ich kritisch anmerken -, als störe es manch einen, Zweitens. 2008 war das ein ganz anderes Virus, dass dieser Streit mit dem heutigen Tage beendet das überhaupt nicht mit dem Virus, um das es ist. Das in der Tat bedauere ich, weil wir gemein- heute geht, vergleichbar ist. sam gehalten sind, hier nicht überflüssige Streits über wissenschaftliche Auseinandersetzungen zu (Johanne Modder [SPD]: Eben! - Julia führen, sondern weil wir gemeinsam gehalten sind, Willie Hamburg [GRÜNE]: Ach!) die besten Lösungen hier in dieser Frage anzu- Es war eine sehr schwach pathogene Form. Daher streben. kann ich die Aussagen des heutigen Ministers (Beifall bei der SPD und bei den Meyer und des damaligen agrarpolitischen Spre- GRÜNEN) chers durchaus nachvollziehen und halte sie auch heute noch für richtig. Eine Bemerkung kann ich mir nicht ganz verknei- fen. Ich habe auch eine Pressemitteilung von (Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ihnen gefunden, Herr Dammann-Tamke. Sie ist der CDU: Wie bitte?) allerdings etwas aktueller - vom 16. November Drittens. Der Vorfall im Landkreis Cloppenburg legt 2016 , also aus diesem Jahr noch. Sie schreiben in aus meiner Sicht eher nahe, dass eine Aufstal- der Überschrift: „Virus macht keinen Halt vor Lan- lungspflicht keine hinreichende Sicherheit bringt. desgrenzen“. Wenn das Virus keinen Halt vor Lan- Die Logik, daraus abzuleiten, dass man überall desgrenzen macht, müsste das übersetzt konse- aufstallen müsste, weil es im Landkreis Cloppen- quenterweise eigentlich bedeuten, wir bräuchten burg nichts gebracht hat und es trotz Aufstallung ein bundesweites Aufstallungsgebot. zu einem Fall gekommen ist, erschließt sich mir

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schlicht und ergreifend nicht, meine Damen und Präsident Bernd Busemann: Herren. Vielen Dank, Herr Kollege Janßen. - Es hat sich (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- noch einmal Kollege Dammann-Tamke zu Wort stimmung bei der SPD) gemeldet. Sie haben noch anderthalb Minuten Redezeit. Bitte! Nun noch ein Hinweis, warum man das im Einzel- fall wirklich abwägen muss: Geflügel, das norma- Helmut Dammann-Tamke (CDU): lerweise im Freiland gehalten wird, gewöhnt sich an die Freilandhaltung. Wenn die Tiere plötzlich Sehr geehrter Herr Kollege Janßen, ich möchte auf eingesperrt werden, dann leiden sie natürlich unter Ihre Ausführungen hier nicht erwidern. Ich empfeh- der Enge. Dann leiden sie sozusagen unter Lan- le jedem Interessierten die Literatur des Protokolls geweile. Dann kommt es möglicherweise zu Kan- über die Unterrichtung im Agrarausschuss. Dort nibalismus und ähnlichen Sachen. Bei Wasserge- wird man sehen, welche Einstellung Sie bezüglich flügel ist das Ganze noch problematischer. Des- dieses schwerwiegenden Themas haben, dass Sie halb muss es im Einzelfall abgewogen werden. nach unserer Auffassung nämlich noch gar nicht wissen, welchen Umfang und welches Ausmaß Präsident Bernd Busemann: das einnehmen könnte. Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Ich habe mich im Wesentlichen deshalb gemeldet, Kollegen Oesterhelweg zu? um dem Kollegen Wiard Siebels zu entgegnen. Kollege Siebels, Niedersachsen ist das Geflügel- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): land Nummer eins. Wir haben hier mit Abstand Ja, gern. sowohl zahlenmäßig als auch, was die Wertschöp- fung angeht, die größte Geflügelhaltung in Frank Oesterhelweg (CDU): Deutschland. Sie stimmen mir zu. Vielen Dank, Herr Kollege. Sie haben gesagt, der Bundeslandwirtschaftsmi- nister habe bisher kein bundesweites Aufstal- Würden Sie mir zustimmen, dass man durch eine lungsgebot erlassen. Für uns ergibt sich daraus Aufstallungspflicht das Risiko einer Weiterverbrei- natürlich die spannende Frage, wie sich die nie- tung deutlich senken könnte? dersächsischen Vertreter in den verschiedenen (Beifall bei der CDU) Gremien auf Bundesebene zu dieser Frage einge- lassen haben. Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Ich gehe davon aus, dass der Bundeslandeswirt- Insbesondere im Hinblick auf geschlossene Stall- schaftsminister sehr wohl das Votum des Geflügel- anlagen stimme ich Ihnen nicht zu. landes Nummer eins in diese seine Strategie ein- beziehen muss. Was nützt ihm ein bundesweites (Zuruf von den GRÜNEN: Ja!) Aufstallungsgebot, wenn das Geflügelland Num- Noch ein Punkt: Aus dem, was ich gesagt habe, ist mer eins Niedersachsen nicht mitziehen will? abzuleiten, dass die Biosicherheitsmaßnahmen und die Maßnahmen zur Verhinderung des Kon- (Wiard Siebels [SPD] lacht) takts zwischen Ställen und mit der Außenwelt ge- Daher haben wir einen durchaus ausgeprägten nau die Maßnahmen sind, die konsequent umzu- Informationsbedarf, erstens, dahin gehend, in wel- setzen sind. Man wird ansonsten die Eintragungs- cher Art und Weise dieses Landwirtschaftsministe- pfade nicht unterbinden können. rium gegenüber den Landkreisen kommuniziert Man wird darüber hinaus betrachten müssen, wie hat. Nach all dem, was ich bisher weiß, geht das in den einzelnen Betrieben die Transportwege aus- gegen null. sehen, damit man abschließend wirklich aus- Zweitens würde uns interessieren, wie sich das schließen kann, dass das Virus auf anderem Wege Land Niedersachsen auf Bundesebene zu dem in die Bestände gekommen ist. Thema eines bundesweiten Aufstallungsgebotes Vielen Dank. eingelassen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei der CDU)

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Präsident Bernd Busemann: genannten vorwärts-Gesprächen und den Hinter- Danke schön, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Es gründen dazu erfahren. folgt noch einmal der Kollege Wiard. Sie haben Auch ich habe von diesen Hintergründen aus den fast noch vier Minuten Redezeit, wenn Sie wollen. Medien erfahren, ich war überrascht, war verär- (Zuruf: Kollege Wiard, wenn Sie wol- gert, und ich bin - ich kann das, glaube ich, mit len?!) klaren Worten sagen - stinksauer darüber, was ich dort erfahren habe. Wiard Siebels (SPD): (Beifall bei der SPD und bei den Herr Präsident! Siebels ist mein Name. GRÜNEN)

Präsident Bernd Busemann: Wir haben natürlich sofort die Unterlagen gesich- tet. Ich will an der Stelle sagen: Kein anderes Mit- Herr Kollege Siebels, selbstverständlich. Aber das glied der Landesregierung hat an entsprechenden, Erste war auch nicht falsch. vergleichbaren, Gesprächen teilgenommen. (Heiterkeit bei der SPD) Ich bin vor allen Dingen deshalb verärgert - auch Wiard Siebels (SPD): das will ich deutlich sagen -, weil ein völlig falscher Eindruck von Politik entsteht. Dabei geht es gar Alles richtig. Es war nicht falsch, aber nicht ganz nicht ausschließlich um die Frage einer Person. vollständig, würde ich sagen. Das, glaube ich, muss man aufklären. Deswegen (Heiterkeit bei der SPD und bei den möchte ich das auch nicht so im Raum stehen GRÜNEN) lassen, sondern nutze hier die Gelegenheit, Sie zu informieren. Ich will es kurz machen, Herr Dammann-Tamke. Ich will einfach nur einmal feststellen: Sie unterstel- Meine Damen und Herren, es handelt sich um - ich len oder spekulieren jedenfalls darüber, dass der komme gleich darauf - eine ganz normale Anfrage, Bundeslandwirtschaftsminister kein bundesweites die gestellt worden ist. Es ging um Energiethemen, Aufstallungsgebot erlassen hat, weil sich das Land Wirtschafts- und Industrie-Themen, über die ein Niedersachsen in dieser Sachauseinandersetzung ständiger Dialog stattfindet - bei mir im Haus, im nicht richtig positioniert hat. Das finde ich in der Tat Ministerium, mit mir, mit einer ganzen Reihe von bemerkenswert. Unternehmen, die in Berlin auch an der Veranstal- tung teilgenommen haben - ein Dialog in Berlin; (Heiterkeit bei der SPD und bei den auch eine Chance -, mit den Unternehmen aus GRÜNEN) Niedersachsen die Diskussion fortzuführen. Gera- de Fragen der Energiewende - Energiethemen - Präsident Bernd Busemann: sind für die Wirtschaft bei uns von besonderer Danke schön, Herr Kollege Siebels. - Mir liegen zu Bedeutung. Die Einladung bzw. Anfrage vom vor- diesem Komplex keine weiteren Wortmeldungen wärts ist am 10. Februar 2015 erfolgt: vor, sodass ich jetzt zu der Unterrichtung seitens des Herrn Wirtschaftsministers übergehen darf. „Anfrage als dinner speaker für ein vorwärts Gespräch

Sehr geehrter Herr Lies, Außerhalb der Tagesordnung: lieber Olaf, Unterrichtung durch die Landesregierung über die sogenannten vorwärts-Gespräche in regelmäßigen Abständen veranstaltet der vorwärts-Verlag seine vorwärts-Gespräche, die fest im politischen Berlin etabliert sind. Herr Minister Lies, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte Ziel ist es, in hochkarätiger Runde den Aus- sehr! tausch zwischen Politik und Wirtschaft und in verschiedenen Politikfeldern voranzutrei- Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Ver- ben. Dazu laden wir führende Akteure aus kehr: Unternehmen, Verbänden und Gewerk- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schaften sowie Fach-Experten ein. Die Ge- Sie haben sicherlich aus den Medien von den so- spräche finden in Abstimmungen mit den

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Fachgesprächen in der Bundestagsfraktion Geplant war die Veranstaltung am 21. September sowie bei der FES statt. 2015. Sie wurde seitens des Veranstalters abge- sagt. Unsere Gäste haben bereits mehrfach ange- regt, ein vorwärts-Gespräch mit Dir als nie- Es wurde dann ein neuer Termin am 11. April ver- dersächsischem Minister für Wirtschaft, Ar- einbart. Vier Tage vor diesem Termin gab es eine beit und Verkehr zu veranstalten. weitere Mail des Veranstalters an einen Mitarbeiter Ich würde mich deshalb freuen, wenn wir in meinem Haus: Dich für ein vorwärts-Gespräch als dinner „anbei sende ich Ihnen die aktuelle Gästelis- speaker gewinnen könnten. Die Organisati- te sowie die vorläufige Tischordnung für das on des vorwärts-Gespräches liegt federfüh- vorwärts-Energiegespräch am 11. April 2016 rend bei uns,“ mit Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit - also vorwärts - und Verkehr des Landes Niedersachsen. Unterstützer des Abends ist das Hanse- „wobei wir sowohl die Gästeliste als auch Werk, eine E.ON-Unternehmung, vertreten Inhaltliches eng mit Dir abstimmen würden. durch Matthias Boxberger, den Vorsitzenden Anbei findest Du das Konzept der vorwärts des Vorstands. Wir haben eine spannende Gespräche. Ich freue mich auf Deine hof- Gästeliste.“ fentlich positive Rückmeldung.“ Jetzt muss man im Nachhinein zugeben, dass da Das Konzept - ich stelle Ihnen die Unterlagen steht: „Unterstützer des Abends ist das Hanse- nachher selbstverständlich zur Verfügung - be- Werk“. Das ist zu dem Zeitpunkt keinem besonders schreibt die Zielsetzung, die Möglichkeit der Dis- aufgefallen. Ich wundere mich auch nicht, dass es kussion und das Grundkonzept: keinem aufgefallen ist. Denn „Unterstützer des Abends“ muss durchaus nicht heißen, dass es eine „Vorwärts-Gespräche sind Expertenrunden bestimmte Konsequenz hat. Das ist, glaube ich, ‚Unter drei‘ … Rund 15 Experten werden völlig normal bei Veranstaltungen, also nichts Un- eingeladen, um aktuelle Themen miteinan- gewöhnliches. Deswegen kann man auch keinem der zu diskutieren. Wichtig ist vor allem die Mitarbeiter jetzt sagen, er hätte das erkennen oder heterogene Zusammensetzung der Exper- sehen müssen - ich glaube, das ist selbstverständ- tenrunden. Es geht explizit darum, zum Dia- lich -, und das vier Tage vorher. log unter den Sektoren innerhalb der Bran- che beizutragen. Nach einem Impuls des Es wirkt im Nachhinein allerdings - das muss man dinner speakers haben alle Gäste die Mög- offen sagen - schon merkwürdig, dass das vier lichkeit, sich aktiv in das Gespräch einzu- Tage vorher mitgeteilt wird. Diesen Eindruck haben klinken. Die Gespräche finden in Abstim- auch wir. Aus der heutigen Sicht der Dinge - wohl mung mit der SPD-Bundestagsfraktion so- wissend, was dort geplant war - würde man diese wie wirtschaftspolitischen Runden der FES Mail und diesen Hinweis völlig anders interpretie- statt.“ ren.

Dann wird etwas über die Abläufe gesagt. Aber ich bitte um Verständnis, dass keiner im Haus „Teilnehmer die Mail zu diesem Zeitpunkt in irgendeiner Form mit den Dingen in Verbindung bringen konnte, die Es werden rund 15 hochkarätige Gäste in wir heute erfahren haben. Also hat das Ganze Rücksprache mit dem Gastredner persönlich seinen ganz normalen Weg genommen. Es war an eingeladen. Die Einladung erfolgt auf Vor- keiner Stelle im Geschäftsgang erkennbar, dass stands- und GF-Ebene.“ das, was wir jetzt bei „Frontal 21“ gesehen haben, - Geschäftsführerebene. tatsächlich der Richtigkeit entspricht. Es werden der Ort und einige bisherige dinner Deswegen noch einmal: Ich distanziere mich ganz speaker genannt. eindrücklich von dem, was dort passiert ist und was wir dort sehen mussten. Wenn erkennbar Also: Bis dahin ist das eine ganz normale Termin- gewesen wäre, dass diese Einladung und diese anfrage, die ich deshalb am 13. Februar mit dem Veranstaltung in einem Zusammenhang mit dem Hinweis „ja“ versehen habe. Das Ganze ist dann stehen, was wir dort gesehen haben, hätte ich die seinen ganz normalen Geschäftsgang gegangen. Teilnahme abgelehnt und hätte nicht teilgenom-

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men. Das ist für mich selbstverständlich, meine Ulf Thiele (CDU): Damen und Herren. Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wer mich kennt, weiß, dass mir (Beifall bei der SPD und bei den fernliegt, Dinge zu skandalisieren, die in einem GRÜNEN) rechtlich sauberen Rahmen liegen. Ich bin darüber wirklich - ich will das noch einmal (Lachen bei der SPD und bei den sagen - stinksauer und werde das auch dem vor- GRÜNEN - Christian Dürr [FDP] - an wärts mitteilen. Es kann nicht sein, dass der vor- SPD und GRÜNE gewandt -: Ach- wärts Einladungen ausspricht, von „seinen Veran- tung, Leute!) staltungen“ spricht und wir jetzt erfahren müssen, was eigentlich der Hintergrund ist. - Interessant, dass Sie jetzt lachen!

Es ist - ich habe das gerade gesagt - ein falsches (Zuruf von der SPD: Fangen Sie noch Bild von Politik, was dort gezeichnet wird. Das ist einmal neu an!) nicht das Vorgehen, das Politiker in Verantwortung Das legt nämlich einiges offen - wahrnehmen. Deswegen ist es mir auch wichtig, diese Distanz zu machen. Es ist ein falsches Bild (Unruhe bei der SPD und bei den von Politik, was an dieser Stelle erzeugt wird. GRÜNEN)

Deswegen, meine Damen und Herren, stelle ich Präsident Bernd Busemann: die Unterlagen selbstverständlich den Fraktionen Herr Thiele, einen Moment, bitte! - Herr Kollege zur Verfügung, damit Sie das nachsehen können. Schmidt! Es ist mir wirklich ein persönliches Anliegen, dem völlig falschen Bild, das gezeichnet und möglich- Ulf Thiele (CDU): erweise weitergezeichnet wird, entgegenzutreten und das an jeder Stelle deutlich zu machen. - bei der Frage der Finanzierung von Parteien. Das will ich durchaus vorwegschicken, weil ich der Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Auffassung bin, dass man sauber zwischen dem abschließend sagen: Ich glaube, jeder, der mich trennen muss, was erlaubt und opportun ist, und und meine Arbeit kennt, weiß, dass ich wirklich dem, was nicht erlaubt und nicht opportun ist. eine Vielzahl von Gesprächen führe, dass ich eine Nach der Berichterstattung des ZDF von vorges- Vielzahl von Terminen mit allen Unternehmungen tern, nach der Berichterstattung der Bild-Zeitung und Initiativen wahrnehme, die daran Interesse von heute und auch nach den Erklärungen des haben. Ich stehe jederzeit und ich stand jederzeit Ministers gerade ergeben sich allerdings aus mei- jedem, der Interesse daran hat, zur Verfügung. Es bedarf keiner Organisation, um mit mir ins Ge- ner Sicht einige Fragen, die zumindest von diesem Landtag geklärt werden müssen. spräch zu kommen. Es geht im Kern schon darum, ob dieser Wirt- Herzlichen Dank. schaftsminister mit der Teilnahme an diesem Ter- (Starker Beifall bei der SPD und bei min seinen Amtseid verletzt hat - um nicht mehr den GRÜNEN - Minister Olaf Lies und nicht weniger. übergibt den Fraktionen jeweils einen Warum ist das so? - Ich will nur am Rande erwäh- Stapel Unterlagen) nen, dass es in der Berichterstattung zwei Partei- enrechtler gab - Professor Schönberger und Pro- Präsident Bernd Busemann: fessor Saliger -, die beide der Auffassung sind, Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Meine Damen dass ein Anfangsverdacht dafür vorliegt, dass der und Herren, die Unterrichtung durch Herrn Minister vorwärts und das Tochterunternehmen des vor- Lies hat gut sechs Minuten gedauert, sodass sich wärts, über das wir hier reden - die Network Media folgende Redezeiten ergeben: für CDU und SPD je GmbH -, das Parteiengesetz gebrochen haben sechs Minuten, für FDP und Bündnis 90/Die Grü- könnten. nen je drei Minuten. Es gibt aber noch einen zweiten Punkt - den hat der Minister nicht erwähnt -: dass es in der Ver- Zunächst hat sich Herr Kollege Thiele gemeldet. gangenheit Geschäftsbeziehungen zwischen die- Bis zu sechs Minuten, bitte sehr! sem Unternehmen und der SPD in Niedersachsen

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gab, zwischen genau dem gleichen Unternehmen, führt hat, dass die Sozialdemokratische Partei das für die Organisation des Termins zuständig einen finanziellen Vorteil aus Ihrem Agieren hatte. war, an dem Sie, Herr Minister, teilgenommen Dann wiederum stellt sich aber die Frage: Wer hat haben, im Auftrag des vorwärts, und Ihrem Lan- eigentlich diesen Termin organisiert? - Denn es desverband. Diese Geschäftsbeziehungen müssen war ja erkennbar ein Genossentermin, also ein zu einer Zeit eingeleitet worden sein, als Sie selber Parteitermin. Wenn dieser allerdings im Wirt- Landesvorsitzender waren. schaftsministerium vorbereitet wurde, also von Da Sie hier gerade den einladenden Geschäftsfüh- Ihrem Haus, stellt sich die Frage, ob Ihr Haus da- rer der vorwärts GmbH mit einem „Du“ zitiert ha- mit die Finanzierung dieses Parteitermins unter- ben, liegt nahe, dass die Verflechtungen hier enger stützt hat und ob Sie das hätten erkennen und sind als zunächst einmal offensichtlich. wissen können.

(Zurufe von der SPD: Wir duzen uns Ich finde, Herr Minister, es braucht ein bisschen alle! - Das ist ja abenteuerlich!) mehr als die sehr schlanke Erklärung, die Sie heu- te hier abgegeben und in der Sie im Wesentlichen Und da kommen wir genau zu dem Punkt. Die gesagt haben, Sie seien Opfer eines Tochterun- Bösgläubigkeit, die Sie, Herr Minister, eigentlich ternehmens Ihrer eigenen Partei. - Ein Unterneh- hätten haben müssen, wenn Sie die Praxis des men, das in dem Geflecht der Verlagsgesellschaft vorwärts in der Vergangenheit kennen - er hat der SPD tätig ist und das offensichtlich insbeson- früher Kamingespräche organisiert; für eine Teil- dere dazu tätig ist, der SPD Gewinne zu verschaf- nahme wurde damals eine Gebühr von mehreren fen, aus denen sie Wahlkämpfe finanziert! Ein Tausend Euro fällig; das wurde öffentlich diskutiert, bisschen mehr Bösgläubigkeit hätten wir von Ihnen und dann wurden diese Gespräche eingestellt - schon erwartet. und eine solche Einladung auf Ihren Tisch flattert, Daraus ergeben sich aus meiner Sicht folgende hatten sie offensichtlich nur deshalb nicht, weil es weitere Fragen: sich dabei um einen Parteifreund und Genossen handelt. Sie haben gesagt, dass keine weiteren Mitglieder der Landesregierung an vorwärts-Terminen teilge- (Helge Limburg [GRÜNE]: Mit Bös- nommen haben. Ich bitte den Ministerpräsidenten, gläubigkeit und Parteienfinanzierung das dezidiert zu prüfen, und zwar nicht nur im Zu- kennen Sie sich aus! Eine lange Ge- sammenhang mit vorwärts-Gesprächen, Herr Weil, schichte der Bösgläubigkeit, Herr sondern auch in der Frage, ob es von weiteren Thiele!) Tochterunternehmen Ihrer Partei Einladungen an Ich gebe offen zu: Das Ding ist im Moment völlig Minister oder aber auch an Staatsbedienstete, offen. Der Minister hat gerade gesagt, er habe von Bedienstete des Landes Niedersachsen, gegeben nichts gewusst. Aber er hat eben auch nicht alles hat, die von diesen wahrgenommen wurden und gesagt. Wir sind gespannt, was sich aus den Un- zur Finanzierung der SPD beigetragen haben. terlagen ergibt. Darüber hinaus fordere ich den Ministerpräsiden- Sie haben dargestellt, dass das HanseWerk diesen ten auf, Folgendes zu klären und hier dezidiert Termin organisiert bzw. finanziert hat. Sie haben darzustellen: nicht dargestellt, welche Vertreter welcher weiteren Wir wollen wissen, ob es Aufträge der Landesre- Unternehmen an dem Gespräch beteiligt waren. gierung an Unternehmen der SPD-Gruppe, also Sie haben bisher nicht dargestellt, ob auch diese Unternehmen der Partei, gegeben hat - u. a. an für diesen Termin gezahlt haben, ob Sie das bisher das hier in Rede stehende Unternehmen - und eruiert haben. somit Staatsgelder an diese Unternehmen geflos- sen sind. Das ist jetzt aufzuklären, um sicher zu Sie haben nicht dargestellt - das ist für mich ein sein, dass es hier keinen mittelbaren Zusammen- entscheidender Punkt -, wie hoch eigentlich die hang gibt. Einnahmen aus dem Gespräch, an dem Sie teilge- nommen haben, in Summe gewesen sind. Denn Darüber hinaus wollen wir sicher wissen, dass spätestens wenn die Einnahmen deutlich die Aus- keine weiteren Mitglieder der Landesregierung gaben übersteigen, haben wir den Punkt erreicht, solche Termine angenommen haben. Wir bitten dass der Termin, den Sie dort mit diesen Energie- darum, dass alle Terminkalender darauf hin im unternehmen gemacht haben, mittelbar dazu ge- Detail überprüft werden, auch darauf hin, ob es

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weitere Versuche der Terminanbahnung gegeben der Politik - das ist ein Problem der SPD, um das hat - sowohl mit dem Wirtschaftsminister als auch in aller Klarheit zu sagen, in aller Klarheit! mit anderen Mitgliedern der Landesregierung. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Darüber hinaus wollen wir im Detail wissen - das ist jetzt eine Bringschuld -, wie hoch die Einnah- Ich erinnere mich sehr genau an die Debatten um men aus diesen Terminen waren, die der SPD im den damaligen nordrhein-westfälischen Minister- Ergebnis wirtschaftlich zugeflossen sind. präsidenten. Wie laut hat die SPD an dieser Stelle gegrölt! Ich will Ihnen das in aller Klarheit sagen: (Glocke des Präsidenten) Das, was damals Herrn Rüttgers vorgeworfen wur- Und wir wollen wissen, in welcher Form darüber de, das hat die Sozialdemokratie in Deutschland kommuniziert wurde, auch im Nachgang zur Be- perfektioniert. Sie haben eigens eine Firma ge- richterstattung, d. h. wir wollen auch den weiteren gründet, um Politiker zu mieten! Schriftverkehr zu diesen Themen haben. Dieser Vorgang, was die SPD dort gemacht hat, ist (Glocke des Präsidenten) unglaublich. - In aller Klarheit, in aller Klarheit! Herr Minister, wir erwarten von Ihnen, dass Sie in (Beifall bei der FDP und bei der CDU) den nächsten Wochen und Monaten darüber wei- Um das klar zu sagen: Niemand hat etwas dage- ter aufklären. gen, wenn Mitglieder von Parteien - - - Meine Damen, meine Herren - - - (Lachen bei der SPD)

Präsident Bernd Busemann: - Es ist interessant, dass Sie lachen. Sie richten Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. mit dem Verhalten Schaden an der Demokratie an.

Ulf Thiele (CDU): (Johanne Modder [SPD]: Erinnern Sie sich an Ihre eigene Verantwortung!) Ich komme zum letzten Satz. - Wissen Sie, was dieses Beispiel deutlich macht? - Dass die Sozial- Es ist unglaublich, Frau Modder, was die SPD hier demokraten die Messlatte an andere so hoch le- macht. Unglaublich! Unglaublich! Und Sie verteidi- gen, dass sie selber locker drunter durchlaufen gen das auch noch. können. Er hat angeblich von nichts gewusst. - Na klar hat (Beifall bei der CDU und bei der FDP - er von nichts gewusst. Spätestens als klar war, Johanne Modder [SPD]: Herr Thiele, dass dort HanseWerk als Unterstützer auftritt, hät- nicht von Ihnen! Gerade Sie!) te ich von einem Regierungsmitglied erwartet, dass es fragt, wer diesen Abend bezahlt. Meine Damen Präsident Bernd Busemann: und Herren, das gehört zum Handwerk. Da kann Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thiele. - Es folgt man sich doch nicht mit Nichtwissen herausreden. jetzt für die Fraktion der FDP der Vorsitzende Herr Unglaublich! Unglaublich! Dürr. Sie haben drei Minuten. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Christian Dürr (FDP): Um das klar zu sagen: Es geht mir nicht darum zu Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen kritisieren, dass man Spenden für Parteien ein- und Kollegen! Nach der Berichterstattung von wirbt. Aber was ist hier passiert? - Es ist versucht „Frontal 21“ am Dienstagabend hat es bekannter- worden, zu verschleiern, dass man Spenden für maßen eine weitere Berichterstattung in der Bild- die SPD einwirbt. Man hat ein System installiert, in Zeitung gegeben. Dabei ist herausgekommen, dem Unternehmen dafür bezahlen, Zugang zu dass zwei ehemalige Landesvorsitzende der SPD Politikern zu bekommen. an diesen Dingen beteiligt waren und an Veran- Herr Lies, ich will klar sagen: Das kann heute nicht staltungen teilgenommen haben, nämlich der nord- die letzte Stellungnahme dazu gewesen sein. Hier rhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin zu sagen: „Ich habe von alledem nichts gewusst“, und das niedersächsische Kabinettsmitglied Wirt- ist schlicht unglaubwürdig. Ein Minister bekommt schaftsminister Olaf Lies. selbstverständlich eine Terminvorbereitung, auch Herr Lies, ich will eines in aller Deutlichkeit sagen: für Termine in Berlin, und sicherlich auch für Ter- Das, was wir hier gerade sehen, ist kein Problem mine, die SPD-nah sind. Es ist Ihre Pflicht, sich im

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Vorfeld solcher Termine zu informieren - um auch Wahlperiode bei diversen Anlässen von Ihrer Seite das in aller Klarheit zu sagen. gewünscht. Haben Sie sich an diesem Abend eigentlich ein (Beifall bei der SPD und bei den einziges Mal die Frage gestellt, wer die Veranstal- GRÜNEN) tung bezahlt? Sind Sie ein einziges Mal auf die Wir teilen die von Ihnen hier eben dargestellte Idee gekommen, dass es sich um Sponsoring ge- politische Einschätzung. Das wird offensichtlich handelt haben könnte? Spätestens als klar war, auch von der Bundespartei geteilt. Deswegen sind dass ein Unternehmen als Unterstützer auch in der die Konsequenzen, die man dort gezogen hat - Einladung auftaucht? auch in der Kürze -, ausdrücklich richtig. Ich will Ihnen aus den Unterlagen, die Sie uns (Ulf Thiele [CDU]: Geben Sie die Ge- dankenswerterweise gerade zur Verfügung gestellt winne zurück? Zahlt die Partei die haben, kurz zitieren: Die Firma NWMD, die die Gewinne aus dem Laden zurück? - SPD eigens dafür gegründet hat, um dieses Sys- Gegenruf von der SPD: Herr Thiele! - tem zu installieren, hatte Sie angeschrieben. Der- Ulf Thiele [CDU]: Ist doch wahr!) jenige, der Kontakt mit Ihrem Büro aufgenommen hat, bezeichnet sich als stellvertretender Leiter Herr Lies hat hier gerade bekanntgegeben, in wel- Strategische Unternehmensentwicklung/Verkauf. - chem Umfang er davon Kenntnis gehabt hat. Ich Es ging um Verkauf, meine Damen und Herren! An bin überrascht, dass Sie wissen wollen, welche dieser Stelle sollte ein Minister zugunsten der SPD Kenntnisse er gehabt hat. verkauft werden. Das ist unerträglich, um das in aller Klarheit zu sagen. (Christian Dürr [FDP]: Ich habe Ihnen doch gerade den Titel der Veranstal- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) tung vorgelesen!) Zum Schluss will ich auf das Thema dieser Veran- Das sind wieder einmal Unterstellungen, die Sie staltung in Berlin zu sprechen kommen. Der Titel hier in den Raum stellen, der Veranstaltung lautete: „Notwendiger Infrastruk- turausbau als Voraussetzung zum Gelingen der (Christian Dürr [FDP]: Ich habe Ihnen Energiewende“. Nach dem Geschäftsverteilungs- doch gerade den Titel der Veranstal- plan dieser Landesregierung liegt die Zuständigkeit tung genannt! Das kommt aus dem für dieses Thema eindeutig beim Niedersächsi- Ministerbüro!) schen Minister für Umwelt, Energie und Klima- ohne dass es dafür irgendeinen Beleg gibt. schutz, meine Damen und Herren. - Nein, es ging zu keinem Zeitpunkt darum, das fachlich zuständi- (Zustimmung bei der SPD) ge Mitglied der Landesregierung dort zu haben, Meine Damen und Herren, Herr Thiele, das war sondern einen SPD-Minister, mit dem man Geld eben ja wohl ein total überzogener Auftritt. Sie verdienen kann. Um nichts anderes ging es! starten mit dem Hinweis, er könnte seinen Amtseid (Beifall bei der FDP und bei der CDU) verletzt haben, aber sagen wirklich nichts dazu, worauf das basieren sollte. Präsident Bernd Busemann: (Christian Dürr [FDP]: Rechtfertigen Vielen Dank, Herr Dürr. - Es folgt jetzt für die SPD- Sie das jetzt?) Fraktion Herr Kollege Tonne. Bitte! Das wird auf der Bundesebene nach dem Partei- Grant Hendrik Tonne (SPD): engesetz geprüft, und Sie haben bereits gestern die ersten Meldungen dazu zur Kenntnis genom- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! men. Sehr geehrter Herr Minister Lies, vielen Dank für die klarstellenden Worte hier und auch für die um- Ich will Ihnen aber auch gerne ein bisschen Nach- fassende Information. hilfe geben zu dem vermeintlichen und von Ihnen vermuteten Skandal, dass man sich dort duzt. Sie (Beifall bei der SPD und bei den sollten wissen: In meiner Partei ist es üblich, dass GRÜNEN) man sich untereinander duzt. Bei den Beiträgen von Herrn Thiele und Herrn Dürr (Zuruf von der SPD: Bei Ihnen in der habe ich eben so manches Mal gedacht: Ein sol- CDU auch!) ches Vorgehen hätte ich mir in der vergangenen

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Das ist ein ganz normales Verfahren. Daraus (Zurufe von der SPD und von den schon wieder etwas herleiten zu wollen, GRÜNEN: Ah! Ja!) (Zuruf von der SPD: Abenteuerlich!) - übrigens eine völlig andere Dimension als die, die wir hier jetzt diskutieren - geäußert haben. macht klar, mit welch krampfhaften Verrenkungen Sie hier gerade Ihren Beitrag abgeliefert haben. (Christian Dürr [FDP]: Wer war der größte Kritiker? - Das war Olaf Lies!) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP] - zur Damals ließ sich Herr Thiele in der Zeitung mit der SPD -: Ihr richtet damit einen derart Ansage zitieren: Wir lassen uns als Christdemokra- schweren Schaden für die Demokratie ten von niemandem vorschreiben, mit wem wir uns an! Ihr habt gar kein Problem damit, wann treffen und diskutieren. dass ihr käuflich seid! - Gegenrufe (Zurufe von der SPD und von den von der SPD - Christian Grascha GRÜNEN: Ah! Herr Thiele, das ist [FDP]: Erst die Partei, dann das ja - - -!) Land!) Und dann kommt heute hier ein solcher Auftritt! - Herr Dürr, Ihre Zwischenruf haben nicht einmal Das ist doch wirklich unglaublich, Herr Thiele! phonetischen Wert. Es ist unglaublich, was Sie hier (Beifall bei der SPD und bei den machen! GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Und Sie haben gerade zahlreiche Fragen in den Raum Sie lassen sich dafür bezahlen!) gestellt. Unter anderem haben Sie gesagt, er habe In aller Kürze in Richtung der FDP: Herr Dürr, so nicht einmal gesagt, wer teilgenommen hat. Ich viel gespielte Empörung seitens der FDP beein- habe eben die Unterlagen schnell durchgeblättert, druckt mich immer wieder. die uns zur Verfügung gestellt worden sind. Darun- ter befindet sich auch eine Teilnahmeliste. Also (Christian Dürr [FDP]: Sehr lustig, schauen Sie es sich einfach an! dass Sie das sagen!) (Beifall bei der SPD und bei den Wir haben im Frühjahr 2011 in diesem Landtag GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Ja, und über das Thema der sogenannten Glücksspielsau- das ist der nächste Skandal! - Christi- se diskutiert. Ich sage auch hier: eine völlig andere an Dürr [FDP]: Was hat der Deutsche Dimension als das, was wir hier diskutieren. Zigarettenverband mit der Energie- (Christian Dürr [FDP]: Bitte?) wende zu tun?) Dort ging es darum, dass Übernachtungen für Der Hinweis, jetzt müssten die finanziellen Hinter- einen Minister gezahlt worden sind. gründe durch den niedersächsischen Wirtschafts- minister aufgeklärt werden, ist ja wohl auch etwas (Christian Dürr [FDP]: Die Partei kriegt weit hergeholt. Die Hintergründe dieser Veranstal- Geld dafür, dass sie Minister ausleiht? tung wird man auf der Bundesebene klären. Aber Herr Lies ist bezahlt worden! Das ist das ist ganz gewiss nicht der Job des Ministers unglaublich! - Gegenrufe von Johanne hier in Niedersachsen. Modder [SPD] und Anja Piel [GRÜ- NE]: Ich wäre an Ihrer Stelle da ein (Beifall bei der SPD und bei den bisschen ruhiger, ein kleines biss- GRÜNEN) chen! Ein bisschen weniger Empö- rung!) Herr Thiele, besonders bemerkenswert finde ich die Forderungen, die Sie hier eben aufgestellt ha- Damals gab es hier im Landtag eine Debatte, in ben. Sie verwechseln übrigens Fragen an eine der Herr Bode gesagt hat: Das war doch nur eine Partei mit Fragen an die Landesregierung. Hotelübernachtung! (Zuruf von der CDU: Er hat als Minis- (Christian Dürr [FDP]: SPD-Minister ter teilgenommen!) sind käuflich - nichts anderes! Un- glaublich! - Johanne Modder [SPD]: Aber ich möchte Ihnen ein Zitat entgegenhalten, Ein kleines bisschen weniger Thea- wie Sie sich vor noch nicht allzu langer Zeit im terdonner! - Christian Dürr [FDP]: Un- Umgang zu den Vorwürfen um den Club 2013 fassbar!)

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Präsident Bernd Busemann: Es ist also nicht ausgeschlossen, dass hier eine Herr Tonne, einen Moment, bitte! - Frau Modder, Kurzintervention platziert wird. Herr Dürr und einige andere, ganz ruhig! Sie haben für 90 Sekunden das Wort. (Unruhe) Ulf Thiele (CDU): - Wir machen noch nicht weiter. Sie brauchen noch Herzlichen Dank. - Herr Tonne, ich will am Rande Aufmerksamkeit, Herr Tonne, deswegen sind Sie erwähnen, dass sich die Diskussion, die Sie hier ja hier. Ich helfe Ihnen dabei. versuchen, als Abwehrschlacht zu führen,

Grant Hendrik Tonne (SPD): (Johanne Modder [SPD]: Das ist keine Abwehrschlacht! Das sind Fakten! - Vielen Dank! Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Ihr seid beim illegalen Einwerben von Präsident Bernd Busemann: Parteispenden erwischt worden!) Weiter geht’s! dadurch erübrigt, dass wir das in der Vergangen- Grant Hendrik Tonne (SPD): heit sehr transparent gemacht und geklärt haben. Aber der Minister hat bisher einige Dinge offenge- Noch einmal, Herr Dürr: Damals ging es darum, lassen. dass Übernachtungen von Ministern auf Sylt be- zahlt worden sind - für die Minister. Ich will Ihnen sagen, warum wir nachfragen müs- sen, warum wir diese Diskussion führen. (Björn Thümler [CDU]: Für die Minis- ter? Ein einziger!) Erstens hat der Minister vorhin dargestellt, er sei die ganze Zeit über davon ausgegangen, dass der Der damalige Kommentar lautete: Das war doch vorwärts-Verlag die Veranstaltung organisiert. Aber nur eine Hotelübernachtung. ich finde hier eine E-Mail vor, die vom 14. Januar (Zurufe von der SPD und von den stammt, bei der die Kontaktadresse für die Organi- GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das sation dieser Veranstaltung die des Tochterunter- ist so lächerlich!) nehmens ist, also der Network Media GmbH, über die wir gesprochen haben, und zu der die SPD Herr Dürr, Ihr Auftritt hier hat inhaltlich nichts dazu Niedersachsen Geschäftsbeziehungen hat. Spä- beigetragen. Er hätte es verdient, mit der Golde- testens an dieser Stelle hätte man bösgläubig nen Himbeere belohnt zu werden. werden müssen und sich fragen müssen: Wieso ist (Beifall bei der SPD und bei den hier plötzlich ein zusätzliches Unternehmen im GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Ach! Spiel? Sehr witzig!) Zweiter Punkt. Wir bekommen die Unterlagen. Ja, Ich schlage Ihnen vor: Mäßigen Sie sich in Ihren dort sind auch die Firmen aufgeführt. Auch ich Skandalisierungsversuchen! habe mich gerade gefragt, was die Tabakindust- rie - die Philip Morris GmbH - mit der Energiewirt- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei schaft zu tun hat, und bei einigen anderen Unter- den GRÜNEN - Christian Grascha nehmen darf man das, ehrlich gesagt, auch fragen. [FDP]: Nur Nebelkerzen!) Beispielsweise sind die deutschen Sparkassen dabei gewesen. Präsident Bernd Busemann: (Anja Piel [GRÜNE]: Die sind an der Vielen Dank, Herr Tonne. Energiewende nun wirklich maßgeb- Der Kollege Thiele hat sich gemeldet, um gemäß lich beteiligt!) § 77 unserer Geschäftsordnung eine Kurzinterven- Ob die das überhaupt hätten machen dürfen, wenn tion vorzutragen. Nun mag es vielleicht verblüffen, die dafür Geld gezahlt haben, ist eine spannende dass auch auf Regierungserklärungen oder Unter- Frage, finde ich. richtungen durch die Landesregierung Kurzinter- ventionen möglich sein sollen. Aber der § 77 Ich finde es nicht in Ordnung, dass die Namen der Abs. 2 legt fest, dass eine Kurzintervention gemäß Teilnehmer hier geschwärzt sind. Herr Minister, Sie Absatz 1 für die Fragestunde, die Dringlichen An- müssen hier schon im Detail offenlegen, wer - fragen und die Aktuelle Stunde nicht möglich ist. welche Person - an diesen Gesprächen teilge-

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nommen hat und wer Ihre Gesprächspartner wa- Aber das Thema ist ernst, und deswegen würde ren, weil wir nämlich nur daraus ablesen und erfah- ich gerne direkt zur Sache kommen. ren können, ob das, was in diesem Gespräch zur Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst Finanzierung der Partei stattgefunden hat, hinter- einmal herzlichen Dank, Herr Minister Lies, sowohl her in Regierungshandeln eingeflossen ist. für die unverzügliche und umfassende Unterrich- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) tung hier im Plenum und auch für die Zurverfü- gungstellung der Unterlagen. Präsident Bernd Busemann: Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass Danke schön. - Herr Tonne, Sie können erwidern, Sie stinksauer sind, was die Konstruktion angeht, wenn Sie wollen. 90 Sekunden, bitte! die auf Bundesebene von einer Unter-GmbH des vorwärts gewählt worden ist. Herr Minister, ich will Grant Hendrik Tonne (SPD): ganz deutlich sagen, dass ich mich auch im Na- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! men meiner Fraktion dieser Bewertung anschließe. Herr Thiele, was Ihren Hinweis angeht, man habe Das, was da passiert ist, kann und darf nicht sein. früher alles sehr transparent offengelegt, so stelle Es ist geeignet, der Politik insgesamt Schaden ich fest, dass die Erinnerung der einzelnen Kolle- zuzufügen, meine Damen und Herren. ginnen und Kollegen hier im Hause unterschiedlich (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ist. Wir mussten Ihnen damals jeden Zettel einzeln SPD) aus der Tasche ziehen, den Sie zur Verfügung stellen mussten. Deswegen ist es gut, dass es unmittelbar abge- stellt worden ist. (Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wohl wahr!) Meine Damen und Herren, es ist schon bemer- kenswert, dass sich in der heutigen Geschäftsord- Bezüglich der Teilnehmerliste ist das, was hier nungsdebatte nicht der Kollege Nacke, sondern passiert, natürlich ausdrücklich richtig; denn bei der Kollege Thiele zu Wort meldet. Das mag damit dem Zurverfügungstellen von Unterlagen, die aus zusammenhängen, dass der Kollege Thiele sich einem Ministerium kommen, sind natürlich auch mit dem Thema Sponsoring und kreative Parteien- die Belange Dritter zu berücksichtigen. Dass man finanzierung ganz besonders gut auskennt. hier die Namen der Firmen kenntlich macht, ist richtig. Ich bin jedoch ausdrücklich dagegen, hier (Zustimmung bei den GRÜNEN und auch noch einzelne Personen zu benennen; denn bei der SPD - Zuruf von der SPD: ein bisschen Persönlichkeitsschutz sollte es in Aha! - Christian Dürr [FDP]: Was soll diesem Landtag auch noch geben, selbst bei den das denn jetzt?) Skandalisierungsversuchen von Ihrer Fraktion. Herr Thiele, wir durften einerseits erleben, dass (Beifall bei der SPD) Sie noch vor wenigen Jahren öffentlich erklärt ha- ben, dass die CDU Niedersachsen mit dem Club Präsident Bernd Busemann: 2013 - ihrem Spendensammelverein, Vielen Dank, Herr Kollege Tonne. - Es liegt noch (Ulf Thiele [CDU]: Das ist er eben eine Wortmeldung der Fraktion Bündnis 90/Die nicht! Das war er nie und ist er nicht! - Grünen vor. Herr Limburg, bitte sehr! Drei Minuten. Johanne Modder [SPD]: Den gibt es noch?) (Zuruf von der CDU: Wer hat die Kra- watte bezahlt? - Heiterkeit) der versuchen sollte, einen Wahlsieg 2013 zu si- chern - gar nichts zu tun hat. Gleichzeitig haben Helge Limburg (GRÜNE): wir erlebt, Herr Thiele, dass Sie sich öffentlich quasi als Pressesprecher dieses Clubs betätigt Es ist immer wieder schön, wenn ich in diesem haben und dass - das wissen Sie - Ihre Ministerin- Hause mit kleinen Gesten so vielen eine Freude nen und Minister und Ihre Staatssekretärinnen und machen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. Staatssekretäre, also auch die Beamten dieser (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Landesregierung, in diesem Club gegen Geld für SPD - Reinhold Hilbers [CDU]: Oder Gespräche zur Verfügung standen. ist die von den Genossen ausgelie- (Christian Dürr [FDP]: Sie lügen hier hen?) einfach! Das ist nicht wahr! - Zuruf

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von der CDU: Frechheit! - Gegenruf dann würde ich mich über diesen Gesinnungs- von Johanne Modder [SPD]: Dass wir wandel sehr freuen. das sagen, ist unverschämt? Das ist Vielen Dank. ja wohl lustig! - Weitere Zurufe von der CDU und der FDP) (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Herr Thiele, Sie haben in dieser Frage keinerlei Glaubwürdigkeit. Sie sollten sich hier nicht so auf- Präsident Bernd Busemann: führen, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Auf Ihren Bei- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der trag gibt es den Wunsch nach einer Kurzinterventi- SPD) on seitens des Kollegen Dürr. Bitte sehr! 90 Se- kunden. Herr Thiele, Sie haben zu Recht das Thema ange- sprochen: Was ist eigentlich mit Firmen, die teil- Christian Dürr (FDP): weise in öffentlicher Hand sind, oder was ist, wenn es sich sogar um öffentliche Körperschaften han- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! delt? So mit Nebelkerzen zu werfen, so billig kommen Sie uns nicht davon - um das in aller Klarheit zu (Christian Grascha [FDP]: Das ist der sagen. Ich habe keine Schwierigkeiten damit; denn unterirdische Versuch eines Gegen- es geht an dieser Stelle um Parteienfinanzierung angriffs - unterirdisch!) und darum, was legal ist und was nicht. Ich habe kein Problem damit, wenn das SPD-Mitglied Olaf Dass Sie sich damit so gut auskennen, liegt ver- Lies zu einem Spenderessen einlädt und um mutlich daran, dass zum Beispiel der Landkreis Spenden für seine Partei wirbt. - Nebenbei gesagt, Osnabrück und auch andere Firmen, die zumin- ist das für diejenigen, die spenden, steuerlich ab- dest teilweise im Besitz der öffentlichen Hand wa- setzbar, und es wird sogar noch vom Staat im ren, immer wieder hoch bezahlte Anzeigen im Rahmen der Parteienfinanzierung unterstützt. - CDU-Mitgliedermagazin geschaltet haben. Auch in Das transparent zu machen, ist kein Problem. Das dieser Frage, Herr Thiele, sind Sie nicht im Ansatz habe ich in der Vergangenheit nicht kritisiert, und glaubwürdig. das werde ich in der Zukunft nicht kritisieren. Herr Thiele, meine Damen und Herren, für uns alle (Zustimmung von Christian Grascha ist es gegenwärtig die Aufgabe, Vertrauen in die [FDP]) etablierte Politik, in die etablierten Parteien zurück- zugewinnen. Wir alle sollten der Versuchung wi- Das, was hier jedoch passiert ist, meine Damen derstehen, einzelne Vorfälle für eine kleinliche und Herren, ist das Verschleiern dieser Praxis mit Schlammschlacht darüber zu missbrauchen, wer in dem zentralen Ziel, die SPD an den ordentlichen welcher Frage schlimmer oder unredlich ist. Wir Regeln der Parteienfinanzierung vorbei zu finan- alle sollten gemeinsam Initiativen ergreifen, um zieren, meine Damen und Herren. Es sind gerade maximale Transparenz bei Parteienfinanzen si- keine Parteispenden gewesen, die eingeworben cherzustellen. worden sind, sondern das Gegenteil ist der Fall. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Beifall bei der FDP und bei der CDU) SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Al- Ich will aus der E-Mail dieser NWMD, offensichtlich lerdings!) wenige Tage vor der Veranstaltung geschrieben, In der vergangenen Legislaturperiode haben die vorlesen, damit klar wird, was der - ich sagte es Grünen entsprechende Initiativen in den Landtag vorhin - stellvertretende Leiter Strategische Unter- eingebracht. Unterstützt worden ist das damals nehmensentwicklung/Verkauf dort geschrieben von der niedersächsischen SPD. Abgelehnt wurde hat: es von CDU und FDP. „Wie telefonisch besprochen, hier einige Vorschläge der E.ON/HanseWerk für das (Zustimmung bei den GRÜNEN und Gespräch am Montag. Ohne Zweifel ist das bei der SPD) absolut unverbindlich und als Anregung ge- Meine Damen und Herren, wenn wir Sie mit dem dacht. Ich freue mich über eine kurze Rück- heutigen Tage mit im Boot haben, um auf Bundes- meldung, ob diese Impulse für Sie diskuta- ebene für alle für mehr Transparenz zu sorgen, bel erscheinen.“

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Meine Damen und Herren, hier sind zwei Dinge Wo steht im Parteiengesetz, dass passiert: Zum einen geht es darum, die SPD auf man Minister kaufen darf?) illegale Weise zu finanzieren, und zum anderen Sie versuchen, jetzt diese Praxis auf Bundesebene darum, Zugang zu Ministern zu bekommen, indem mit einem Mitglied der Niedersächsischen Landes- man Geld dafür bezahlt. Das ist unerträglich. Diese regierung in Verbindung zu bringen, weil Sie sich Praxis hier zu verteidigen, das kann kein Demokrat davon hier in Niedersachsen parteipolitisches Ka- ernsthaft tun, meine Damen und Herren. pital erhoffen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Christian Dürr [FDP]: Wo steht, dass man Minister kaufen darf? Die Passa- Präsident Bernd Busemann: ge habe ich im deutschen Parteien- Vielen Dank, Herr Dürr. - Herr Limburg möchte gesetz nicht gefunden!) erwidern. Ebenfalls anderthalb Minuten. Bitte! Das, Herr Dürr, nützt weder der Demokratie noch Helge Limburg (GRÜNE): den Parteien. Das, Herr Dürr, schadet unter dem Strich nur uns allen. Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nebenbei, Herr Dürr: Ich habe die ganze Vielen Dank. Zeit darauf gewartet, dass Sie irgendwann auf (Beifall bei den GRÜNEN und bei der mich reagieren. Das haben Sie an keiner Stelle SPD) getan; aber sei‘s drum. (Christian Dürr [FDP]: Natürlich!) Präsident Bernd Busemann: Vielen Dank, Herr Limburg. - Abschließend zu Sie haben gerade davon gesprochen, dass die diesem Komplex liegt mir noch eine Wortmeldung Praxis, die da von einer Unter-GmbH des vorwärts von Herrn Ulf Thiele vor. Er möchte eine persönli- auf Bundesebene erfolgt ist, kein Demokrat vertei- che Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsord- digen kann. Herr Dürr, ich stelle fest: In diesem nung abgeben. Bitte! Hause hat niemand diese Praxis verteidigt. Ganz im Gegenteil, sowohl der Herr Minister als auch Ulf Thiele (CDU): mein Kollege Tonne haben diese Praxis völlig zu Recht scharf kritisiert. Suggerieren Sie doch nicht, Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Hier wurde hier werde etwas verteidigt, was keiner verteidigt! gerade von Herrn Limburg fälschlicherweise die Behauptung in den Raum gestellt, dass ich als (Jörg Bode [FDP]: Aber kritisieren darf Generalsekretär der CDU in Niedersachsen eine man es, ja?) Praxis von Spendensammelvereinen oder Anzei- Aber ein Unterschied ist das, Herr Dürr, was Sie zu genschaltungen gegen Gegenleistung decken tun versuchen. Die Praxis des Sponsorings auf würde. Diese Behauptungen sind falsch. Ich weise Bundesebene ist im Übrigen auch deshalb erlaubt, sie auf das Entschiedenste zurück und erkläre weil die FDP im Jahre 2010 hiermit, dass die CDU Niedersachsen - schon gar nicht unter meiner Verantwortung - irgendwelche (Christian Dürr [FDP]: Sie werfen Spendensammelvereine betreibt oder Leistungen schon wieder Nebelkerzen!) mit politischen Gegenleistungen bezahlt - im Ge- gensatz zu dem, was wir hier offensichtlich gerade zusammen mit ihrem Koalitionspartner CDU einen beim Minister erleben. Denn uns ist gerade aufge- entsprechenden Vorstoß der grünen Bundestags- fallen, dass der Termin, über den wir hier reden, fraktion für mehr Transparenz und mehr Regeln in nicht im Terminkalender der Landesregierung aus- diesem Bereich ausdrücklich abgelehnt hat, Herr gewiesen wurde, wohl aber ein anderer Termin, Dürr. Das ist die Wahrheit. Sie haben schärfere der am gleichen Tag stattgefunden hat. Regeln abgelehnt. ( [GRÜNE]: Was hat (Christian Dürr [FDP]: Aber wir lassen das denn mit einer persönlichen Be- uns nicht kaufen!) merkung zu tun?) Deswegen ist es überhaupt noch möglich. Es wurde nämlich genau an dem gleichen Tag der (Christian Grascha [FDP]: Es ist doch Minister zum Vorsitzenden des Beirates der Bun- Quatsch, dass das erlaubt ist! Das ist desnetzagentur gewählt, von der die doch Unsinn! - Christian Dürr [FDP]: E.ON/HanseWerk erkennbar abhängig ist, die den

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Termin, der nicht im Terminkalender stand, bezahlt Präsident Bernd Busemann: hat. Vielen Dank, Herr Limburg. - Auf eine persönliche Herzlichen Dank. Bemerkung sind keine weiteren GO-fähigen Repli- ken möglich - bei aller inneren Berührtheit und (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei vielleicht auch Betroffenheit, wie auch immer. der FDP) Meine Damen und Herren, zu dem Komplex „Un- terrichtung“ liegen jetzt keine weiteren Wortmel- Präsident Bernd Busemann: dungen vor, sodass wir in der Tagesordnung fort- Danke, Herr Thiele. - Ebenfalls eine Bemerkung setzen können. nach § 76 der Geschäftsordnung möchte Herr Kollege Limburg abgeben. Bitte! (Jens Nacke [CDU] meldet sich zur Geschäftsordnung) (Christian Dürr [FDP]: Das heißt, der - Herr Kollege Nacke, Sie melden sich nach § 75 Termin ist verschleiert worden! Un- zur Geschäftsordnung. Sie kennen die Spielre- glaublich!) geln. Bitte!

Helge Limburg (GRÜNE): Jens Nacke (CDU): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Herren! Der Kollege Thiele hat mir gerade vorge- und Kollegen! Ich habe mich namens der CDU- worfen, ich hätte ihn fälschlicherweise beschuldigt, Fraktion heute zu einem Beitrag zur Geschäftsord- dass er die Praxis eines Spendensammelvereins, nung gemeldet, weil wir beantragen möchten, die nämlich des Club 2013, verteidigt habe. Dazu stel- heutige Tagesordnung um einen Tagesordnungs- le ich fest: punkt zu erweitern. Dabei komme ich auf die De- Ich bin leider aus Zeitgründen nicht in der Lage, batte vom Dienstag, den 22. November, in der Ihnen die gesamten Pressespiegel der Jahre 2010, Aktuellen Stunde zum Fall der vollverschleierten 2011 und 2012 hier vorzutragen. Aber ich möchte Schülerin in Belm bei Osnabrück zurück. Ihnen beispielhaft einen Artikel aus der Nordwest- Ich darf zur Erläuterung unseres Antrages darauf Zeitung vom 31. Januar 2012 in Erinnerung rufen, verweisen, dass alle Fraktionen in diesem Haus Herr Kollege Thiele. festgestellt haben, dass die Vollverschleierung (Anja Piel [GRÜNE] - zur CDU -: einer Schülerin an einer niedersächsischen Schule Obacht an der Bahnsteigkante!) rechtswidrig ist. Das, was dort passiert, ist rechts- widrig. Darin heißt es: Auch Ministerin Heiligenstadt hat gesagt: „Nach Angaben von CDU-Generalsekretär „Ein Niqab hat in den niedersächsischen Ulf Thiele ...“ Schulen nichts zu suchen. Wir haben ganz - ich glaube, das sind Sie - klare Regelungen im Rahmen des Nieder- sächsischen Schulgesetzes, und so gehen „soll der Club 2013 inzwischen bis zu 350 wir auch vor.“ Unterstützer haben, vor allem Unternehmer, aber auch Wissenschaftler und Künstler. Herr Minister Pistorius - das vielleicht noch vor- Spenden müsse niemand, betont der Gene- weg - hat dazu ausgeführt: ralsekretär. Die meisten tun es aber wohl „Es ist für Schülerinnen nach dem geltenden doch. 50 Euro monatlich werden als Min- Recht jedoch nicht zulässig, einen Gesichts- destbeitrag empfohlen.“ schleier in der Schule zu tragen.“

Herr Kollege Thiele, ich schlage vor, dass Sie nach Mit anderen Worten: Die Landesregierung und alle vorne gehen und sich entschuldigen. Fraktionen in diesem Haus sind sich einig: Das, was hier passiert, ist rechtswidrig. Trotzdem hat Vielen Dank. der niedersächsische Innenminister ausgeführt: (Starker, lang anhaltender Beifall bei Diesen rechtswidrigen Zustand werden wir nicht den GRÜNEN und bei der SPD) beseitigen. - Er hat gesagt: Dies wird geduldet.

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Zitat: dieses Beispiel genauso für sich in Anspruch neh- men werden: Dieser Staat wehrt sich nicht, wenn „In einem Fall wurde entschieden, die Voll- gegen Recht verstoßen wird. verschleierung aufgrund der besonders ge- lagerten Umstände des Einzelfalls ... für ei- (Zuruf von Johanne Modder [SPD]) nen absehbaren Zeitraum zu dulden ...“ Das ist das Signal, das Sie senden - egal, wie viel (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ja, Sie dazwischenreden. das hat er gesagt!) (Starker Beifall bei der CDU und bei Frau Ministerin Heiligenstadt hat das dann mit dem der FDP) Satz kommentiert: Frau Kollegin Modder, ich empfehle Ihnen in die- „Mein Kollege Innenminister Boris Pistorius sem Zusammenhang einmal den Artikel im Weser- hat im Großen und Ganzen die selbstver- Kurier von heute mit der Überschrift „Salafisten ständlich zwischen den Häusern abgestimm- bieten einfache Antworten“ vom LKA-Chef aus te Verfahrensweise deutlich vorgetragen.“ , Daniel Heinke. Er hat also hier für die Landesregierung und damit auch für das Kultusministerium vorgetragen: Dies (Johanne Modder [SPD]: Wir reden wird geduldet. - Das ist ein bemerkenswerter Vor- über einen Einzelfall! Das ist hier ges- gang, meine sehr verehrten Damen und Herren. tern deutlich gesagt worden! Aber Sie wollen ja nicht zuhören! - Gegenruf Ich fasse zusammen: Seit mehr als zwei Jahren von Björn Thümler [CDU]: Das war verstößt eine Schülerin gegen das Schulgesetz im vorgestern!) Verantwortungsbereich der Kultusministerin. Seit dem 5. September weiß Ministerin Heiligenstadt Präsident Bernd Busemann: selbst von diesem Vorfall. Sie billigt seit diesem Frau Modder, bitte stören Sie den Redner nicht! - Zeitpunkt einen rechtswidrigen Zustand und damit Herr Nacke, bitte präzisieren Sie wegen der Fünf- fortgesetzten Rechtsbruch. minutenregel den Antrag! Zur Begründung wurde seitens der Fraktionen der SPD und der Grünen, auch seitens der Landesre- Jens Nacke (CDU): gierung, angeführt, dieses Mädchen solle ihren Frau Ministerin Heiligenstadt, ich möchte Sie an Abschluss machen können. Dabei wurde aber dieser Stelle an Ihren Amtseid vom 19. Februar verschwiegen, dass es selbstverständlich Möglich- 2013 erinnern. Sie haben damals geschworen, keiten für dieses Mädchen gibt, ihren Abschluss zu dass Sie das Grundgesetz für die Bundesrepublik erreichen, ohne weiter an dieser Schule unterrich- Deutschland und die Niedersächsische Verfassung tet zu werden, weil der Zustand, den sie dort her- sowie die Gesetze wahren und verteidigen wer- stellt, rechtswidrig ist. Im Übrigen kann sie jeden den. So steht es auch im Artikel 31 der Nieder- Tag den rechtmäßigen Zustand wiederherstellen. sächsischen Verfassung. Sie muss lediglich den Niqab ablegen. Meine Damen und Herren, damit wird ein Signal Deshalb wäre es Ihre Aufgabe gewesen, das Ver- ausgesandt. Dieses Signal lautet: Wer aufgrund bot der Vollverschleierung in unseren Schulen seines Glaubens gegen deutsches Recht verstößt, durchzusetzen. Das ist die Aufgabe der Nieder- wird anders behandelt als andere. - Damit senden sächsischen Kultusministerin. Dagegen haben Sie Sie ein verheerendes Signal, und zwar in zwei verstoßen. Richtungen: zum einen in Richtung der Prediger (Beifall bei der CDU und bei der FDP - und Werber für Islamisten, die doch genau diesen Glocke des Präsidenten) Fall als Beispiel nehmen und sagen werden: „Du musst dich zur Wehr setzen. Dieser Staat wird Deswegen, Herr Präsident, gab es gestern eine nicht reagieren“, Sitzung der CDU-Landtagsfraktion, in der wir die- sen Fall ausführlich besprochen haben. Wir sind zu (Johanne Modder [SPD]: Haben Sie dem Schluss gekommen, dass hier ein Fall nach gestern nicht zugehört, dass Belm ein Artikel 40 vorliegt. Sie müssen mit einer Minister- besonderer Fall ist?) anklage rechnen, Frau Ministerin. Aber wir wollen und gleichzeitig, Frau Kollegin Modder, zum ande- Ihnen aufgrund der Kürze der Zeit die Möglichkeit ren in Richtung der rechtsextremen Populisten, die geben, dies nach Artikel 40 Abs. 3 unserer Verfas-

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sung in einem Selbstreinigungsverfahren zu berei- aber nicht mit einer inhaltlichen Bearbeitung des nigen. Falles. Gehen Sie zum Staatsgerichtshof! Lassen Sie sich (Christian Dürr [FDP]: Oh Gott!) vom Staatsgerichtshof bescheinigen, dass Ihr Ver- Ihnen ist in Unterrichtungen wie auch in der Aktuel- halten rechtmäßig ist! Aber ziehen Sie dann, wenn len Stunde dargestellt worden, was der Grundsatz der Staatsgerichtshof feststellt, dass das rechts- ist und was die Besonderheiten im Einzelfall sind. widrig ist, auch die Konsequenz, dass Sie für die- Hier ist nun einmal die Besonderheit, dass dieses ses Amt nicht mehr geeignet sind! Das wäre die Mädchen seit über zwei Jahren - seit fast zweiein- Konsequenz. Das können Sie selbst und in eige- halb Jahren - bereits eine Verschleierung trägt. ner Verantwortung mit einem Selbstreinigungsver- Das ist nicht gemeldet worden. Entgegen dem, fahren erledigen. was Sie aber ausgeführt haben, hat das Kultusmi- (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei nisterium in dem Moment, als es gemeldet worden der FDP) ist - auch das ist am Dienstag hier dargestellt wor- den -, gehandelt. Man hat genau die Gespräche Präsident Bernd Busemann: eingeleitet, die Vorgänge eingeleitet, um zu Herr Kollege, ein Satz noch! schauen, wie man darauf angemessen und ver- nünftig reagieren kann. Das ist völlig konträr zu Jens Nacke (CDU): dem, was Sie hier gerade dargestellt haben, Herr Nacke. Deshalb beantragt die CDU-Landtagsfraktion, dass dieses Selbstreinigungsverfahren von Ihnen einge- (Beifall bei der SPD und bei den leitet wird. Wir beantragen, den heute eingebrach- GRÜNEN) ten Antrag dazu auf die Tagesordnung zu setzen, Von daher ist es auch schlicht falsch, wenn Sie damit er heute im Anschluss an die bereits auf der behaupten, hier habe etwas mit Billigung stattge- Tagesordnung stehenden Punkte beraten werden funden. Eine Billigung würde erfordern, dass nichts kann. getan wurde. Das wurde Ihnen hier dargestellt. Vielen Dank. Deswegen nehmen Sie die Fakten nicht zur Kenntnis, (Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Johanne Modder [SPD]: Das hat auch keinen Sinn mehr! - Widerspruch Präsident Bernd Busemann: bei der CDU) Danke, Herr Kollege Nacke. - Meine Damen und und Sie nehmen auch offensichtlich die Besonder- Herren, der von Herrn Nacke angesprochene An- heit dieses Einzelfalls nicht zur Kenntnis. trag wurde, glaube ich, heute Morgen auf elektro- Damit wird auch klar: Die einzigen, die ein verhee- nischem Wege zugestellt und trägt die Drucksa- rendes politisches Signal setzen, sind Sie mit sol- chennummer 17/6971. chen Anträgen, wie Sie sie hier gerade stellen Jetzt hat sich Herr Kollege Tonne zur Geschäfts- wollen. ordnung gemeldet. Bitte sehr! (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Wol- (SPD): Grant Hendrik Tonne len Sie das etwa ablehnen?) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beitrag des Kollegen Nacke kann man - Der Zwischenruf von Herrn Hillmer war: Wollen nur ausführen: Herzlich willkommen im postfakti- Sie das etwa ablehnen? schen Zeitalter! Fakten spielen für diese Oppositi- (Jörg Hillmer [CDU]: Genau!) on keine Rolle mehr, trägt man sie auch noch so Natürlich werden wir das ablehnen. Wir werden oft vor. diesen Antrag, der nicht zu begründen ist, heute (Beifall bei der SPD und bei den hier selbstverständlich ablehnen. Er kommt nicht GRÜNEN) auf die Tagesordnung. Was glauben Sie denn? Ich sage Ihnen auch: Ich finde daran besonders (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der verwerflich, dass Sie ein solches Thema hochzie- SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold hen mit dem Ziel, Budenzauber zu veranstalten, Hilbers [CDU]: Das ist die Arroganz,

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mit der Sie Politik machen! - Weitere Ich sage Ihnen eines: Heute hat die NP getitelt mit Zurufe von der CDU) dem Kommentar „Peinlicher Versuch der CDU“. Meine Damen und Herren, die Überschrift für mor- Das, was Sie hier mit der Aktuellen Stunde veran- gen ist bereits geschrieben: Nehmen Sie Abstand stalten und mit Ihren Pressemitteilungen und mit von solchen Anträgen! der Äußerung des Kollegen Nacke - sei sie auch noch so erstaunlich ruhig vorgetragen; das will ich (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei übrigens zur Kenntnis nehmen -, den GRÜNEN) (Heiterkeit bei der SPD und bei den Vizepräsident Karl-Heinz Klare: GRÜNEN) Meine Damen und Herren, mir liegt jetzt zunächst ändert nichts daran, dass Sie damit ein Schüren die weitere Wortmeldung des Kollegen Nacke vor. von Ängsten betreiben. Sie stigmatisieren die Trä- Oder liegt hier noch eine weitere Wortmeldung gerinnen von Kopftüchern, und es gipfelt in dem vor? - Hatten Sie sich vorher gemeldet, Herr Förs- Herabwürdigen der Arbeit der Ministerin. terling? - Herr Försterling, dann jetzt Sie für die (Beifall bei der SPD und bei den FDP-Fraktion! Dann noch einmal der Kollege Na- GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Wir re- cke. Der Kollege Grascha hat sich danach gemel- den doch nicht über Kopftücher! - det. Ich sage das nur, damit wir insoweit die Rei- Weitere Zurufe von der CDU) henfolge festlegen. Herr Kollege, bitte schön! Sie sind sich dabei auch nicht zu schade, für diese Politik ein 15-jähriges Mädchen wieder und wieder (FDP): zu instrumentalisieren. Björn Försterling Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- Herren! Der Antrag der CDU-Fraktion ist wichtig, nimmt den Vorsitz) ihn hier zu beraten, weil damit tatsächlich auch Ich finde das beschämend, meine Damen und einhergehen würde, die Rechtslage in Niedersach- Herren. sen zu klären. Ganz eindeutig ist die Rechtslage in Niedersachsen eben nicht. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Das Problem ist, dass diese Landesregierung das seit dem 22. August 2016 sehr deutlich weiß, weil Im Übrigen will ich Ihnen auch sagen: Mit diesem jeder, der das Urteil des Verwaltungsgerichts Os- Vortrag ist auch eines klar: Die Versuche Ihres nabrück zu der Schülerin am Abendgymnasium Spitzenkandidaten, sich staatsmännisch zu geben, gelesen hat, genau die Probleme sieht, nämlich werden mit diesen Aktionen, die Sie hier vortragen, dass es diese Landesregierung nach wie vor für komplett unterbunden. akzeptabel hält, dass der § 58 des Niedersächsi- (Johanne Modder [SPD]: Ja! Der schen Schulgesetzes nicht hinreichend konkret Wahlkampf ist eröffnet!) gefasst ist, dass auch die Ausgestaltung des § 58 des Schulgesetzes aufgrund eines Erlasses aus Es offenbart Ihr wahres Gesicht, meine Damen dem Jahr 1995, der sich wiederum selbst auf einen und Herren. Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 1973 bezieht, nicht mehr den aktuellen Ge- (Beifall bei der SPD und bei den gebenheiten entspricht. GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU) Das ist das Problem, dass diese Landesregierung Ich bin sehr dankbar, dass dieser Politik der Un- einfach handlungsunfähig ist, weil die Fraktionen sachlichkeit eine Politik der Vernunft gegenüber- von SPD und Grünen nicht übereinkommen wol- steht, dass man sich den Einzelfall anschaut, len, wie man mit einer klaren Ausgestaltung der (Kai Seefried [CDU]: Es geht um den Religionsfreiheit auf der einen Seite und des Bil- Rechtsstaat!) dungsauftrags der Schulen auf der anderen Seite umgehen will. Genau diese Unsicherheit, die Sie dass man den Einzelfall dann bewertet und schaut, hier ins Land tragen, hat dazu geführt - das hat der wie man vorgehen kann. Dafür bin ich sehr dank- Kollege Birkner am Dienstag zu Recht gesagt -, bar. Und ich bin auch sehr dankbar dafür, dass dass die Schulen im Land nicht wissen, wie sie mit man sich hier um diesen Einzelfall kümmert. solchen Situationen umgehen sollen. Deswegen ist

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es richtig, dass die Ministerin erst einmal ihr eige- Helge Limburg (GRÜNE): nes Handeln verantwortet und dann auch einmal Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und klar Position bezieht, wie Schulen damit in Zukunft Herren! Herr Kollege Försterling, zunächst möchte umgehen sollen. ich mich ausdrücklich für den sehr differenzierten (Beifall bei der FDP) Beitrag bedanken. Ich hoffe, dass Ihre gesamte Fraktion Ihnen sehr gut zugehört hat. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Die CDU möchte mit Ihrem Entschließungsantrag Vielen Dank. - Jetzt liegt die Wortmeldung des feststellen lassen, dass diese Ministerin angeblich Kollegen Nacke vor, und zwar zu Vorangegange- vorsätzlich gegen das Schulgesetz verstoßen ha- nem eine persönliche Bemerkung nach § 76 be. - Auch nur dann würde ja ein solcher Weg unserer Geschäftsordnung. Bitte schön, Herr Na- überhaupt im Entferntesten Sinn machen. - Sie cke! haben gerade völlig zu Recht feststellt, dass ein solcher Verstoß eben nicht vorliegt, weil das Jens Nacke (CDU): Schulgesetz in der Frage mitnichten so eindeutig Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen ist, wie Herr Nacke es uns hier glauben machen und Kollegen! Herr Kollege Tonne, Sie haben in will. Ihrem Wortbeitrag gerade gesagt, ich würde für (Petra Tiemann [SPD]: Genau!) eine Stigmatisierung von Trägerinnen von Kopftü- chern sorgen. Ich weise das zurück. Denn das Klar ist also, dass die FDP, wenn sie ihrem bil- macht deutlich, dass Sie aber auch gar nichts ver- dungspolitischen Sprecher folgt, mit SPD und Grü- standen haben. nen gegen diesen Antrag stimmen wird. (Beifall bei der CDU und Zustimmung (Zustimmung bei der SPD) bei der FDP) Meine Damen und Herren, worum geht es hier? - Das Tragen einer Niqab und das Tragen eines Wir haben eine 15-jährige Schülerin, die seit eini- Kopftuches sind ein himmelweiter Unterschied. gen Jahren meistens - nicht in jedem Fall; meis- tens - mit einem Gesichtsschleier zum Unterricht (Christian Grascha [FDP]: Richtig!) erscheint. Hier im Landtag und in der Landesregie- Während das Tragen eines Kopftuches - auch aus rung sind sich alle einig, dass wir das politisch, religiösen Gründen - in einer Gesellschaft wie der schulpolitisch, integrationspolitisch, aus anderen unseren, in einer toleranten Gesellschaft, natürlich Gründen ablehnen. Aber - da endet leider die Ei- möglich ist und nur in ganz wenigen Fällen - wir nigkeit - das Leben in einer Schule, das Zusam- haben darüber gesprochen; bei Lehrerinnen bei- menleben in einer Schule, die Erziehung, die Pä- spielsweise - unterbunden werden muss, ist das dagogik in einer Schule sind komplizierter, sind Tragen einer Niqab in einer Gesellschaft, die tole- differenzierter, als es Herr Nacke und Herr Thüm- rant und offen ist wie die unsere, nicht hinzuneh- ler dem Land in ihrer Brachialrhetorik hier glauben men, weil man sein Gesicht verbirgt. Das ist auch machen wollen, meine Damen und Herren. religiös nicht begründbar. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Wenn Sie diese Dinge durcheinanderbringen, SPD) dann unterscheiden Sie eben nicht mehr sauber Zu Recht stehen im Niedersächsischen Schulge- zwischen dem Islam und dem Missbrauch des setz ganz oben nicht die Sanktionierung und auch Islams. Genau das ist es, was hier passiert. Dage- nicht die Selbstvergewisserung der CDU oder an- gen müssen wir uns zur Wehr setzen. Wenn Sie derer, sondern im Zentrum des Schulgesetzes das nicht wollen, dann betreiben Sie das Geschäft steht der Bildungsauftrag für jede einzelne Schüle- von Islamisten und Rechtspopulisten. rin und jeden einzelnen Schüler. Das muss auch (Starker, anhaltender Beifall bei der so bleiben, meine Damen und Herren! CDU und bei der FDP) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Was Sie hier machen, ist nichts anderes, als die Vielen Dank. - Jetzt hat sich Herr Kollege Limburg für die betreffende Schule, die für die Landesregie- zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte schön, rung und auch die für die Gesellschaft bestehende Herr Limburg! schwierige Situation zu missbrauchen, um eine

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politische Kampagne in diesem Land zu fahren, Vizepräsident Karl-Heinz Klare: von der Sie sich Kapital erhoffen. Hören Sie auf, Vielen Dank, Herr Limburg. - Es hat sich der Kolle- der AfD und anderen hinterherzulaufen, meine ge Grascha, FDP-Fraktion, ebenfalls zur Ge- Damen und Herren! Kommen Sie zurück zu einer schäftsordnung gemeldet. Bitte schön! sachlichen Diskussion um die richtige Schulpolitik. Christian Grascha (FDP): (Beifall bei den GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- Wir reden vom demokratischen Rechtsstaat - zu ginnen und Kollegen! Die Beiträge in jeder Ge- Recht! Einem Rechtsstaat ist es aber auch gerade schäftsordnungsdebatte - insbesondere die von immanent, dass es eine Abwägung im Einzelfall Herrn Tonne - überraschen mich, ehrlich gesagt, geben muss, dass es eine Verhältnismäßigkeits- nicht mehr; denn mittlerweile hat Ihre Platte mit prüfung geben muss und dass niemand abge- Ihren GO-Beiträgen einen Sprung. Es sind immer schrieben und ausgegrenzt wird, sondern der nur die gleichen Vorwürfe. Sie versuchen, wenn Rechtsstaat agiert maßvoll und mit Augenmaß. Es wir ein Problem benennen und klar auf den Tisch ist ja auch nicht richtig, dass die zuständigen Stel- legen, uns immer wieder Skandalisierung vorzu- len nichts getan hätten. Es wäre in der Tat werfen. Damit aber wird überhaupt kein Problem schlimm, wenn es so wäre. Es hat ganz viele gelöst, meine Damen und Herren. Maßnahmen gegeben. Ich will sie alle hier nicht (Beifall bei der FDP und bei der CDU - wiederholen. Sie alle kennen sie längst. [GRÜNE]: Herr Grascha, Meine Damen und Herren, im Jugendstrafrecht gilt Sie müssen sich von der CDU ab- ein besonderer Schutz für Jugendliche und Her- grenzen! - Weitere Zurufe!) anwachsende. Ich stelle fest, dass dieser Schutz Herr Kollege Limburg, Sie haben gerade gesagt, für die CDU in Niedersachsen - jedenfalls im politi- der Sachverhalt wäre nicht klar. Deswegen kommt schen Bereich - offenbar nicht gilt. die FDP-Fraktion zu einer gänzlich anderen Schlussfolgerung als Sie. Wir werden dem Antrag (Beifall bei den GRÜNEN und bei der der CDU-Fraktion natürlich zustimmen, damit wir in SPD) die Debatte eintreten und gegebenenfalls zu einem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof kommen In völlig skrupelloser Weise tragen Sie Woche für können. Denn das würde doch zu einer Klärung Woche den Einzelfall einer 15-Jährigen immer beitragen. wieder in den Landtag und in die Landespolitik. Sie erschweren damit die ohnehin schon schwierige (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Situation für die Schülerin, vor allem aber auch für Helge Limburg [GRÜNE]: Jetzt fallen das Lehrerkollegium, für alle Pädagoginnen und Sie doch nicht Herrn Försterling in alle Pädagogen, die rund um diese Schule und den Rücken! Das ist doch unerhört! - rund um diesen Fall engagiert sind. Diesen Men- Unruhe) schen machen Sie zusätzlich die Arbeit schwer, Ich möchte gern auf den sehr ernsthaften Kern - - - werfen ihnen Knüppel zwischen die Beine und treten sie in den Rücken. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Herr Kollege Grascha, Entschuldigung, ich muss SPD) Sie unterbrechen. - Meine Damen und Herren, hier kann jeder Zwischenrufe machen, wie er möchte. Lassen Sie uns diese Menschen in ihrer schwieri- Ich finde aber, dass uns die Debatten untereinan- gen Arbeit doch endlich gemeinsam unterstützen, der nicht voranbringen, weil wir Herrn Grascha statt hier solche Kampagnen zu fahren! nicht mehr verstehen können. Deswegen darf ich Sie bitten, jetzt dem Redner, Herrn Grascha, zuzu- Wir werden den Antrag selbstverständlich ableh- hören und sich hier dann möglicherweise zu Wort nen. zu melden - oder zu schweigen. - Bitte schön! Vielen Dank. Christian Grascha (FDP): (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Ich möchte auf den sehr ernsthaften Kern des SPD) Antrags der CDU-Fraktion zurückkommen.

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Es gibt den Vorwurf der CDU-Fraktion, dass eine [CDU]: Das kann doch nicht wahr Ministerin in Ausübung ihres Amtes ein Gesetz sein! - Unruhe) verletzt hat. Dieser Verdacht ist durch die Aktuelle Stunde von vorgestern bestätigt worden; denn da und dass das Schulgesetz natürlich ein Span- hat die Ministerin gesagt: nungsfeld zwischen den verschiedenen Aufträgen der Schule kennt. „Ein Niqab hat in den niedersächsischen Schulen nichts zu suchen. Wir haben ganz In dem Antrag, den Sie aber unterstützen wollen, klare Regelungen im Rahmen des Nieder- Herr Grascha, fordert die CDU ausdrücklich zu der sächsischen Schulgesetzes“. Feststellung auf, dass es einen vorsätzlichen Ge- setzesverstoß gegeben habe. Dafür gibt es jedoch Meine Damen und Herren, diesem Verdacht muss nicht den geringsten Anhaltspunkt. natürlich nachgegangen werden, meine Damen und Herren. Deswegen sind wir dafür, dass so ein (Björn Thümler [CDU]: Merken Sie ei- Verfahren beginnt, um gegebenenfalls eine Klä- gentlich, wie Sie Frau Heiligenstadt rung vor dem Staatsgerichtshof durchzuführen. hier in die Pfanne hauen? - Anhalten- Daran sollten auch Sie ein Interesse haben; denn de Unruhe) der Vorwurf, den Amtseid verletzt zu haben, ist ein starker Vorwurf. Sie sollten zu einer Klärung bei- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: tragen. Ein handlungsfähiger Rechtsstaat, der Meine Damen und Herren, es ist wieder so, dass einen klaren Rahmen schafft, wir uns gegenseitig nicht mehr verstehen. Herr (Christian Dürr [FDP]: Mit Rechtsstaat Kollege Dürr, Herr Kollege Grascha hat gerade für hat es die SPD in den letzten Mona- Ihre Fraktion einen Beitrag geleistet. ten nicht so! - Weitere Zurufe von der SPD) (Christian Dürr [FDP]: Ich gebe ihm nur recht!) ist die Grundlage einer liberalen Demokratie. Des- wegen ist es sinnvoll, dieses Verfahren zu begin- Herr Försterling hatte sich danach wieder zu Wort nen, um zur Prüfung der Frage zu kommen, ob gemeldet. Es gibt noch eine Kurzintervention von hier der Amtseid verletzt wurde. Herrn Thiele. Das heißt, jeder hat die Möglichkeit, im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte etwas Vielen Dank. zu sagen. Lassen Sie uns doch jetzt dem jeweili- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) gen Redner zuhören und dann darauf in der ge- eigneten Form antworten! Sonst wird das eine Vizepräsident Karl-Heinz Klare: schwierige Verhandlung hier. Vielen Dank, Herr Grascha. - Zur Geschäftsord- Bitte schön, Herr Limburg! nung hat noch einmal Herr Limburg das Wort. Helge Limburg (GRÜNE): Helge Limburg (GRÜNE): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herr Kollege Grascha, Sie haben gerade vom libe- Herren! Herr Kollege Grascha, ich bin es mittler- ralen Rechtsstaat gesprochen. In einem liberalen weile gewohnt, dass Sie Herrn Tonne und mir nicht Rechtsstaat ist es eben nicht angezeigt, in einem zuhören. Das ist in Ordnung. Dass Sie hier aber Parlament mit einer Brachialrethorik einzufordern, Ihrem eigenen schulpolitischen Sprecher Förster- wie in einem Einzelfall in einer Schule mit einer 15- ling nicht bei einer Silbe zuhören, ist schon uner- jährigen Schülerin umzugehen ist. In einem libera- hört, meine Damen und Herren. Sie hätten dabei len Rechtsstaat ist das vielmehr eine Aufgabe der einiges lernen können. Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort. Und wir sollten sie bei dieser Arbeit unterstützen. Dabei (Christian Grascha [FDP]: Ich habe sollte es bleiben. genau das Gleiche gesagt!) Vielen Dank. Herr Försterling hat hier nämlich zu Recht ausge- führt, dass die Gesetzeslage mitnichten so eindeu- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der tig ist, wie Sie es hier sagen, SPD - Christian Grascha [FDP]: Die Pädagogen sind für den Rechtsstaat (Christian Grascha [FDP]: Das habe zuständig?) ich doch auch gesagt! - Ulf Thiele

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: lang über dieses Thema diskutieren, dass die Vielen Dank. - Ich habe es gerade abgeklärt, Herr Staatssekretärin im Kultusausschuss Stein und Kollege Thiele: Eine Kurzintervention macht in Bein erklärt, dass es eine sichere Rechtslage gebe einer Geschäftsordnungsdebatte wenig Sinn. Sie und dass es sich hier um einen eindeutigen Ver- können sich aber zur Geschäftsordnung melden. - stoß gegen das Niedersächsische Schulgesetz Herr Thiele, hören Sie mir zu? - Eine Kurzinterven- handelt, dass dann aber, wenn es um die Exeku- tion macht in einer Geschäftsordnungsdebatte tierung dieses Verstoßes geht, nicht gehandelt wenig Sinn. Sie ist nicht ausgeschlossen; Sie kön- wird, sondern dieser Verstoß geduldet wird. Sie nen sich aber auch zur Geschäftsordnung melden, stellen sich jetzt hin und sagen zur Rechtfertigung: Herr Thiele. - Also zur Geschäftsordnung. Ja, es ist offensichtlich, dass die Rechtslage nicht eindeutig ist. - Sie müssen in Ihren Aussagen Zunächst kommt aber der Kollege Försterling. Bitte schon klar bleiben. schön! Wenn Sie der Auffassung sind, dass uns die Björn Försterling (FDP): Staatssekretärin im Kultusausschuss falsch infor- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und miert hat, dann bitte ich Sie erstens darum, mit Herren! Ich möchte es nur noch einmal klarstellen: Ihrer Ministerin darüber zu reden, dass das richtig- Ja, ich habe gesagt, dass die Rechtslage hier aus gestellt wird, und zweitens darum, sofort einen meiner Sicht und auch aus Sicht der FDP-Fraktion Antrag zur Verschärfung des Schulgesetzes ein- nicht eindeutig ist. zubringen.

Leider ist es so, dass sich diese Ministerin nicht an (Beifall bei der CDU und bei der FDP) meinen Maßstäben orientiert. Ansonsten - so könnte ich sagen - wäre sie wahrscheinlich schon Vizepräsident Karl-Heinz Klare: lange nicht mehr im Amt. Vielen Dank, Herr Thiele. - Grant Hendrik Tonne, (Zurufe von der SPD und von den Sie haben sich ebenfalls wieder zur Geschäftsord- GRÜNEN) nung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege! Vielmehr muss sich diese Ministerin gegenüber ihren eigenen Aussagen rechtfertigen. Die Landes- Grant Hendrik Tonne (SPD): regierung - in persona die Kultusministerin und der Innenminister - hat gestern gesagt: Die Rechtslage Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ist in Niedersachsen eindeutig. Ein Niqab ist in Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil niedersächsischen Schulen verboten. - Wenn die hier im Rahmen der Debatte, mit der die Änderung Rechtsauffassung so ist, wie die Landesregierung der Tagesordnung erreicht werden soll, Dinge sie vorgestern dargestellt hat, dann muss die Lan- permanent - ich vermute mal: bewusst - miteinan- desregierung entweder konsequent handeln oder der verwechselt werden. Das ist die Darstellung sich hier hinstellen und sagen, dass das, was sie des Grundsatzes, der für Niedersachsen gilt, und uns am Dienstag erzählt hat, gar nicht stimmt, weil das ist die Darstellung, wie dieser Einzelfall abge- die Rechtslage doch nicht eindeutig ist. Also nicht laufen ist. ich bin der Maßstab, sondern die Landesregierung muss sich an sich selbst messen. Dem aber wer- (Ulf Thiele [CDU]: Wie kommen Sie den Sie seit Wochen nicht gerecht, weil Sie einfach denn dazu, dass der Einzelfall vom immer nur hinschauen. Grundsatz abweichen darf!)

(Beifall bei der FDP und bei der CDU) Diese unterschiedliche Bewertung wollen Sie of- fensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, sie ist aber Vizepräsident Karl-Heinz Klare: hier, an dieser Stelle, ausdrücklich vom Innenmi- Vielen Dank. - Herr Kollege Thiele, auch zur Ge- nister und auch von der Kultusministerin geschil- schäftsordnung, bitte! dert worden. Das müssen Sie irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen. Ulf Thiele (CDU): (Beifall bei der SPD und bei den Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: und Herren! Das ist genau der Punkt. Es kann Was für ein mieser Jurist!) doch wohl nicht wahr sein, dass wir hier wochen-

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Christian Grascha (FDP): Vielen Dank, Herr Tonne. - Weitere Wortmeldun- Vielen Dank. - Herr Präsident! Schön, dass wir gen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. jetzt in die normale Tagesordnung einsteigen kön- nen. Ich verlese die Mündliche Anfrage: Dann werden wir den Antrag jetzt nach § 66 „Ab- weichung von der Tagesordnung“ behandeln. Ich Welche Bilanz zieht die Landesregierung aus ihrer lese das vor: Aufgabenkritik? „Der Landtag kann, sofern nicht andere Vor- In der Koalitionsvereinbarung haben sich SPD und schriften entgegenstehen, auf Vorschlag der Bündnis 90/Die Grünen für eine moderne Haus- Präsidentin oder des Präsidenten oder auf haltspolitik im Sinne einer nachhaltigen und ge- Antrag einer Fraktion oder von mindestens rechten Konsolidierung ausgesprochen. In der zehn Mitgliedern des Landtages beschlie- Koalitionsvereinbarung heißt es: ßen, „Dabei setzt sie“ 1. dass Gegenstände, die nicht auf der Ta- - die rot-grüne Koalition - gesordnung stehen, beraten werden, es sei denn, dass eine Fraktion oder zehn Mitglie- „auf einen Dreiklang aus Einsparungen der des Landtages widersprechen“. durch Aufgabenkritik und Effizienzsteigerun- gen, Investitionen in Maßnahmen, die die Ich brauche nicht weiterzulesen. Zwei Fraktionen künftige Einnahmesituation verbessern … des Landtages haben hier widersprochen. Damit sowie auf nachhaltige Verbesserung der wird der Tagesordnungspunkt heute nicht behan- Einnahmen … Zur Konsolidierung des Lan- delt, und wir fahren in der Tagesordnung fort. deshaushalts ist in Zusammenarbeit mit den Ich rufe auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine kon- sequente Aufgabenanalyse und -kritik erfor- derlich, die alle Bereiche und Ressorts er- Tagesordnungspunkt 25: fasst.“ Mündliche Anfragen - Drs. 17/6900 Der zuständige Lenkungsausschuss tagte laut Antwort zu Drucksache 17/6654 zuletzt am 22. Juni. In der Antwort heißt es zudem: Die für die Fragestellung geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt „In der Folge waren nicht nur die Staatssek- voraus. retäre, sondern auch die Mitglieder des Ko- ordinierungskreises vorrangig mit den Her- Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, ausforderungen der stark gestiegenen bitte ich darum, dass Sie sich schriftlich zur Wort Flüchtlingszahlen beschäftigt …“ melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen wollen. Wir fragen deshalb die Landesregierung: Ich stelle fest: Es ist jetzt 10.36 Uhr. 1. Welche Ressorts waren mit welchen Maßnah- Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu der men seit Beginn der 17. Legislaturperiode betei- ligt? Frage 1: 2. Sind aufgrund der Aufgabenkritik grundsätzlich Welche Bilanz zieht die Landesregierung aus Ergebnisse im Sinne struktureller Änderungen zu ihrer Aufgabenkritik? erwarten oder bereits erzielt worden? 3. Aufgrund der Tatsache, dass die Landesregie- rung zu Drucksache 17/6654 antwortet, dass „Auf- Der Abgeordnete Grascha hat sich zu Wort gemel- gabenanpassungen … nicht zu Kostenreduzierun- det. gen, sondern tendenziell zu Mehrausgaben füh- (Unruhe) ren“: Welche Äußerung trifft zu? Diese oder die Aussage der Regierungskoalition im Koalitionsver- - Herr Grascha, wir müssen ein bisschen warten, trag, „Einsparungen durch Aufgabenkritik und Effi- weil jetzt der eine oder andere den Saal verlassen zienzsteigerungen“ erreichen zu können? möchte. - Herr Kollege Grascha, Sie haben das Wort. Bitte schön! Vielen Dank.

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(Beifall bei der FDP und Zustimmung denbremse entsprechend der in der mittelfristigen bei der CDU) Finanzplanung beschlossenen Zahlen sogar vor- zeitig erreicht wird. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Zu Frage 1: Alle Ressorts haben innerhalb ihres Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Von der jeweiligen Geschäftsbereiches erfolgreich an dem Landesregierung antwortet der Herr Innenminister. Ziel einer modernen Haushaltspolitik im Sinne des Bitte schön, Herr Minister! Koalitionsvertrages mitgewirkt. Die Ergebnisse der Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Aufgabenkritik wurden erfolgreich in den jeweiligen Einzelplänen der Häuser umgesetzt. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine moderne Haushaltspolitik im Sinne Zu Frage 2: Im Rahmen der Projektgruppenarbeit einer nachhaltigen und gerechten Konsolidierung zur Aufgabenkritik wurden Personalstrukturdaten war und ist ein herausragendes Ziel der Landesre- erhoben und mit Blick auf die künftigen Aufgaben- gierung und der sie tragenden Parteien. Insofern bereiche und absehbaren Personalbedarfe der zieht sich die in der Koalitionsvereinbarung für die einzelnen Häuser bewertet. Die - dauerhaften - 17. Wahlperiode hierzu getroffene Aussage kon- Anforderungen der Unterbringung und Integration sequent durch alle seither verabschiedeten Haus- einer großen Zahl von zumeist kriegsflüchtigen haltspläne. Menschen haben neue Aufgaben geschaffen und Die von den Fragestellern zutreffend zitierten Ziele auch die Rahmendaten zu Haushalt und Demogra- einer nachhaltigen Verbesserung der Einnahmen, fie in Niedersachsen verändert. Der dem Landtag einer klugen Investitionspolitik sowie spürbarer derzeit zur Beratung vorliegende Entwurf des Dop- Effizienzsteigerungen und einer fortlaufenden Auf- pelhaushalts für die Jahre 2017/2018 und die da- gabenkritik waren und sind handlungsleitend für zugehörige mittelfristige Finanzplanung bilden das Agieren der Landesregierung sowohl innerhalb diese neuen Aufgaben und Rahmendaten für die ihres eigenen Verantwortungsbereiches als auch nächsten Jahre auf Basis der heutigen Annahmen in den Verhandlungen mit dem Bund und den an- ab. deren Ländern. Demgegenüber wurde die von den Ressorts Der im Koalitionsvertrag angesprochene „Drei- durchgeführte Bestandsaufnahme im Rahmen der klang“ macht dabei deutlich, dass eine wohlver- Aufgabenanalyse bereits vor der Eskalation des standene Haushalts- und Finanzpolitik ausdrück- Syrienkonflikts und dem dadurch ganz wesentlich lich nicht nur auf Ausgabekürzungen reflektiert, verstärkten Flüchtlingszuzug nach Westeuropa sondern Einnahmeverbesserungen und Investitio- abgeschlossen. nen gleichrangige Gestaltungsfaktoren für den Landesetat darstellen. Die erhobenen Daten müssen dadurch zumindest zum Teil als veraltet gelten, zumal auch andere Mit dem zu Beginn der Wahlperiode nicht abseh- Einflussfaktoren - zu nennen sind hier insbesonde- baren enormen Anstieg der Zugangszahlen insbe- re die verschärfte Sicherheitslage und auch die sondere von Kriegsflüchtlingen stellte sich für die immer deutlicher spürbaren Auswirkungen der politisch Verantwortlichen und für die Zivilgesell- Digitalisierung - eine teilweise Neubewertung der schaft, aber auch für den Landeshaushalt eine künftigen Aufgabenbereiche und eben auch der gewaltige zusätzliche Aufgabe mit Folgewirkungen absehbaren Personalbedarfe der Landesverwal- für fast alle Einzelpläne. tung erforderlich machen. Ich halte es für ein Gebot der Vernunft, dass die Landesregierung hierauf nicht mit Ausgabekürzun- Vor diesem Hintergrund hat es sich als großer gen reagiert, sondern gegenüber dem Bund auf Vorteil erwiesen, dass die Landesregierung die eine gesonderte Finanzierung und damit auf eine Aufgabenanalyse von vornherein prozesshaft an- nachhaltige Verbesserung der Einnahmen ge- gelegt und nicht als statisches und rein fiskalisches drängt hat. Konsolidierungsprogramm begriffen hat. Im Ergebnis ist es uns gelungen, den im Koaliti- Im Sinne einer fortgesetzten Aufgabenanalyse onsvertrag angesprochenen „Dreiklang“ von Maß- haben die Ressorts auf die sich wandelnden Rah- nahmen herzustellen, sodass das Ziel eines kon- menbedingungen reagiert und auch strukturelle solidierten Landeshaushalts auch und gerade in Änderungen in ihren jeweiligen Geschäftsberei- Bezug auf die grundgesetzlich verankerte Schul- chen vorgenommen. Zu nennen ist hier an erster

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Stelle die Flüchtlingsunterbringung und -betreu- sen Bedarf deckt die Landesaufnahmebehörde ung. Niedersachsen etwa durch Wegweiserkurse, Lernwerkstätten und Schulvorbereitungsangebote Im Zuge der bereits im Jahr 2014 angestiegenen ab. Flüchtlingszahlen und des außerordentlich hohen Anstiegs der Zugänge asylsuchender Menschen Auch in dieser historisch bislang einmaligen Situa- ab September 2015 stand das Land vor der Her- tion zieht die Landesregierung aus einer umsichti- ausforderung, in kürzester Zeit und ohne verlässli- gen Bewältigung der besonderen Herausforderun- che Prognose für den weiteren Verlauf die erste gen unmittelbar die notwendigen Konsequenzen, Unterbringung und Versorgung für eine bis dato in indem sie die gebotene Anpassung einer moder- Deutschland wie in Niedersachsen nicht zu erwar- nen, auch außergewöhnlichen Lagen Rechnung tende hohe Zahl an geflüchteten Menschen si- tragenden Organisations- und Kommunikations- cherzustellen. struktur - ganz im Sinne einer fortlaufenden, stets realitätsbezogenen Aufgabenkritik - sicherstellen Die Landesregierung hat sich dieser Herausforde- wird. rung noch in dem bereits angelaufenen Prozess der Neuorganisation der landesseitigen Erstauf- Zur Effizienzsteigerung sei an dieser Stelle als nahme durch die Landesaufnahmebehörde gestellt Beispiel die Einrichtung eines „atmenden System“ und die erforderlichen Schritte eingeleitet. in der Flüchtlingsunterbringung zu nennen, durch das die Landesregierung nun in der Lage ist, auf So begründete neben der Unterbringungsproble- einen erneuten starken und plötzlichen Anstieg matik die Entwicklung der Flüchtlingssituation für spontan zu reagieren, ohne dauerhaft unnötige die Landesregierung einen für alle Aufgabenfacet- Kapazitäten aufrechterhalten zu müssen. ten erheblichen Koordinierungs-, Abstimmungs- und Organisationsaufwand, der nur mit einem ho- Zum Thema Sicherheitspolitik: hen Maß an Engagement, Kommunikation und vor allem dem reibungslosen Zusammenspiel von Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden sehen Landesbehörden, Kommunen, Hilfsorganisationen sich einer stetigen Zunahme an Herausforderun- und Ehrenamtlichen zu bewältigen war. gen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung ausgesetzt. Als besondere Schwerpunkte sind u. a. die Berei- Die Schaffung von Unterbringungskapazitäten, der che Terrorismus, Wohnungseinbruchsdiebstahl, Aufbau einer der Situation adäquaten Kommunika- Cybercrime sowie in der jüngeren Vergangenheit tionsstruktur wie auch die Berücksichtigung kom- die zusätzlichen Belastungen durch die erhöhten munaler Interessen bei den Entscheidungen des Flüchtlingszahlen zu nennen. Landes waren hierbei zentrale Aufgaben des Kri- senmanagements des Landes. Innerhalb der Polizei wurde daher im Sommer 2015 ein „Netzwerk Aufgabenkritik“ ins Leben ge- Angesichts der historisch hohen Flüchtlingszahlen rufen. Hier haben alle Beschäftigten die Möglich- hat die Landesregierung entschieden, den stei- keit, Vorschläge und Anregungen zu Aufgaben zu genden Zuwachs zunächst landesseitig aufzufan- machen, die zukünftig wegfallen bzw. anders oder gen, um die Kommunen zu entlasten. Insofern weniger ausgeprägt und intensiv wahrgenommen mussten die Erstaufnahmekapazitäten im Sommer werden sollten oder könnten. Alle Vorschläge wer- 2015 erneut deutlich ausgeweitet werden. Für die den schnellstens und umfassend geprüft und nach Akquise, den Aufbau und den Betrieb neuer Lie- Möglichkeit umgesetzt. Bis zum Stichtag 21. No- genschaften war eine enge Abstimmung zwischen vember 2016 sind aus dem Kreise der Mitarbeite- den beteiligten Ressorts - u. a. MI, MF und MS - rinnen und Mitarbeiter bisher insgesamt 159 Vor- erforderlich. Dem Land ist es mithilfe der Kommu- schläge eingegangen, von denen einige unzwei- nen und Hilfsorganisationen gelungen, die zuvor felhaft zu Entlastungen führen können. bestehenden 2 000 Erstaufnahmeplätze auf 50 000 Plätze zu erweitern. Dies sind u. a. die Pilotisierung des Einsatzes von Tablets im Streifendienst, die Begleitung von Groß- Damit einher ging ein erhöhter Bedarf an Betreu- raum- und Schwerlasttransporten von privaten ungs- und Beratungsleistungen in der Erstaufnah- Firmen - dadurch ist eine Freisetzung von Voll- meeinrichtung des Landes. Die dort lebenden zugspersonal für Kernaufgaben möglich -, die Ent- Menschen benötigten neben der Grund- und medi- lastung des Einsatz- und Streifendienstes bei der zinischen Versorgung eine Erstorientierung, Erfassung von Unfalldaten bei sogenannten Baga- Sprachangebote und eine soziale Betreuung. Die- tellunfällen, die Minimierung der Aufwände bei

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Fahrerermittlungen nach Verkehrsordnungswidrig- Nachdem die rot-grüne Landesregierung das noch keiten und bei der Bearbeitung von Privatklagede- vom alten Kabinett beschlossene privatwirtschaftli- likten sowie die Verschlankung der Kosten- und che Betreibermodell gestoppt hatte, wurden Stan- Leistungsrechnung. Das ist auch ein Beleg dafür, dardisierung und Automation sowie die Ausliefe- wie wichtig es bei jedweder Form von Aufgabenkri- rung der neuen sogenannten Niedersachsen- tik ist, die Beschäftigten umfassend, unbürokra- Clients an IT.N übertragen. Im Einvernehmen mit tisch und direkt einzubeziehen. den Ressorts ist es gelungen, die Zahl der Soft- wareprodukte auf den IT-Arbeitsplätzen in der Durch die laufende Aktualisierung der landesweit Zuständigkeit des Landesbetriebs schon in einem einheitlichen Ausstattungsstandards bei der nie- ersten Schritt von mehr als 4 000 auf nur noch dersächsischen Polizei werden darüber hinaus die etwa 500 zu reduzieren. Auch konnten im Zuge Erfüllung polizeitaktischer Erfordernisse, die Kom- dieses Projekts rund 500 Serverinstanzen einge- patibilität im länderübergreifenden Einsatz sowie spart werden, sodass der Preis pro Client in der die Unterstützung der operativen Tätigkeiten ge- Summe um knapp 20 % gesenkt werden konnte. währleistet. Durch die Einführung des Niedersachsen-Clients Ungeachtet der Maßnahmen zur Aufgabenkritik sowie weitere Konsolidierungen im Lizenz- und sowie der Beschaffung von notwendigen Füh- Vertragsmanagement ist es gelungen, die durch rungs- und Einsatzmitteln erfordern die zuneh- den Landesbetrieb IT.N erhobenen Entgelte in den menden Herausforderungen zusätzliches Perso- Jahren 2015 und 2016 jeweils um rund 2 Millionen nal. Bereits mit dem 2. Nachtragshaushalt 2015 Euro pro Jahr zu senken. Dieses Geld stand den wurden 50 neue und zusätzliche Stellen für den Ressorts mithin für andere und auch neue IT- Polizeivollzug, 65 zusätzliche Beschäftigungsmög- Aufgaben zur Verfügung, beispielsweise um die lichkeiten für Tarifpersonal und 20 zusätzliche jährlich steigenden Speicherbedarfe zu finanzie- Stellen für Verwaltungsbeamte ausgebracht. ren. Im Haushalt 2016 beträgt die Anzahl der Stellen Ein weiteres Beispiel der Effizienzsteigerung, das für den Polizeivollzug 18 107. Darüber hinaus wur- allerdings zunächst wachsende Ausgaben mit sich den erstmalig 150 zusätzliche Anwärterstellen im bringt, liefert die notwendige Erneuerung unserer Wege von sogenannten Vorratseinstellungen ge- Netzinfrastruktur im Land. Aufgrund der von der schaffen, sodass deren Anzahl derzeit insgesamt früheren Landesregierung geplanten und im Er- rund 2 400 beträgt. Eine Verstetigung dieser Vor- gebnis gescheiterten Privatisierung der gesamten ratseinstellungen ist mit dem kommenden Doppel- Telekommunikationsinfrastruktur sind notwendige haushalt auch für die Jahre 2017 und 2018 in einer Ersatzinvestitionen über Jahre hinweg zurückge- Größenordnung von jeweils weiteren 150 vorgese- stellt worden und jetzt kurzfristig nachzuholen. hen. Niedersachsen wird im kommenden Jahr, zum 1. April und 1. Oktober 2017, zudem insge- Gleichzeitig ist ein Technologiesprung zu realisie- samt voraussichtlich über 1 000 neue Polizeian- ren, werden doch die Sprach- und Datenkommuni- wärterinnen und -anwärter einstellen und damit kation auf der Basis des Internetprotokolls zusam- dann rund 2 900 Studierende in der Ausbildung mengeführt. In der Vergangenheit war Telefonie haben. Mit den Beschlüssen zum 2. Nachtrags- eine vergleichsweise personalarme und technisch haushalt 2015 sowie mit den Haushalten 2016 bis anspruchslose Form der Kommunikation. Künftig 2018 wird die Polizei Niedersachsen insgesamt um wird Telefonie ungleich mehr und vor allem qualifi- rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt. ziertes Personal benötigen, um die mit neuen Funktionalitäten ausgestatteten Anlagen zu be- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist treuen. Aufgrund der Zusammenführung der ein wohlverstandenes Ergebnis von Aufgabenkri- Sprach- und Datenkommunikation in einem Netz tik, die sich an den tatsächlichen Aufgaben und fallen fortlaufend Programmierarbeiten, Updates, nicht nur an abstrakten Einsparvorgaben orientiert. Maßnahmen der Port Security und der Administra- Zum Thema der Digitalisierung. Das Themenfeld tion an. Außerdem sind für den Betrieb der dahin- der Informationstechnik steht in besonderer Weise ter stehenden Serverfarmen sowie für Zehntau- unter der Anforderung, Effizienzsteigerungen zu sende von Arbeitsplätzen in der Landesverwaltung realisieren. Erfolgreich konsolidiert wurden vor entsprechende Lizenzen zu erwerben. diesem Hintergrund die in der Verantwortung des Das genannte Beispiel zeigt, dass durch Einfüh- IT.N betriebenen Standard-Arbeitsplatzcomputer. rung einer neuen Technologie ganz neue Formen

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der Kommunikation wie die arbeitsplatzbezogene Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Bildschirmtelefonie oder das gleichzeitige gemein- Die Frage beantwortet wer? same Arbeiten an Dokumenten möglich werden, dass diese Effizienzsteigerungen aber Aufgaben- (Ministerpräsident Stephan Weil be- anpassungen nach sich ziehen, die zugleich mit gibt sich zum Redepult) steigenden Ausgaben einhergehen. - Wir haben jetzt ein kleines Problem, Herr Minis- Zu Frage 3: Wie meine vorstehenden Ausführun- terpräsident! gen deutlich machen, gibt es zwischen den beiden (Jörg Bode [FDP]: Müssen wir zahlen, Zitaten keinen inhaltlichen Widerspruch. Effizienz- damit der Minister kommt?) steigerungen gehören ebenso wie Ausgabenkür- zungen zu den bewährten Instrumenten einer fort- - Auf eine Antwort hat das Parlament einen An- laufenden Aufgabenkritik. Allerdings wäre es ver- spruch! - Ich höre, der Minister ist unterwegs. messen, die veränderten Rahmenbedingungen in (Zuruf: Er rennt!) Deutschland und der Welt auszublenden und die Aufgabenkritik auf eine rein fiskalische Betrachtung - Der Minister rennt schon! zu verengen. Mit Blick auf die auch finanziellen (Minister Olaf Lies eilt zum Redepult) Auswirkungen von Fluchtbewegungen wäre deren - Herr Minister, ist die Frage bei Ihnen angekom- Gegenfinanzierung allein durch Ausgabekürzun- men? Sonst wird die Frage wiederholt. - Frau Kö- gen nicht nur keine wünschenswerte, sondern nig, ich darf Sie bitten, Ihre Frage zu wiederholen. auch keine realistische Alternative gewesen. Es war daher richtig, dass der Ministerpräsident im (Jens Nacke [CDU]: Herr Minister, das gemeinsamen Gespräch mit den Regierungschefs geht aber nicht! Waren Sie auf dem der anderen Länder und dem Bund zur Bewälti- Weihnachtsmarkt spazieren, oder gung der besonderen Herausforderungen auch was? - Heiterkeit) eine besondere Finanzierung erwirkt hat. - Ich habe es gesehen, der Minister war nicht auf Neben den erfolgreichen Gesprächen zur Neure- dem Weihnachtsmarkt! Er ist tatsächlich die Trep- gelung der Finanzbeziehungen zwischen dem pe heruntergekommen. Bund und den Ländern war dies nach meiner fes- Ich bitte Sie um Verständnis; die Debatte zuvor hat ten Überzeugung ein ganz herausragendes Er- sehr lange gedauert. Insofern sind wir jetzt in einer gebnis, und ich danke dem Ministerpräsidenten an schwierigen Situation. Aber es wird ja jetzt geant- dieser Stelle dafür noch einmal ganz ausdrücklich. wortet. Vielen Dank. Frau König, bitte! (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Gabriela König (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich Vizepräsident Karl-Heinz Klare: frage die Landesregierung noch einmal: Hat das Vielen Dank, Herr Minister. - Es liegen jetzt einige Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr her- Zusatzfragen vor. Gabriela König von der FDP- ausragende Projekte, auf die Sie hinweisen kön- Fraktion mit der ersten Frage! nen?

Gabriela König (FDP): Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herr Minister, bitte schön! Herren! Ich frage das Wirtschaftsministerium: Wel- che herausragenden Projekte haben Sie vorzuwei- Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Ver- sen, bzw. worauf können Sie hinweisen? kehr: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Beifall bei der FDP - Jörg Bode Herren! Sehr geehrte Frau König, wir haben uns [FDP]: Ja, und? Keine! Wir können ja mit allen Handlungsschwerpunkten auseinander- mal 8 000 Euro überweisen! Vielleicht gesetzt. Die Bereiche, die besonders identifiziert kommt er ja dann! - Christian Grascha werden können und derer man sich annehmen [FDP]: Tja, irgendjemand muss jetzt kann, betreffen die Aufgaben, die in den nächsten antworten!) Jahren neu anstehen. Ich nenne einige dieser

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Bereiche. Es sind z. B. der Bereich Hafensicher- gen ist - ich bitte um Verständnis - die Frage so heit, der neu kommt, der Bereich Datenschutz und nicht zu beantworten. Aber die Zielrichtung ist, der Bereich Marktüberwachung - also Themenbe- wenn ich das richtig verstehe, insgesamt abzufra- reiche, die wir intensiv im Hinblick darauf überprü- gen, was denn materiell dahinter steht. Das kann fen, wie die Organisation verbessert oder wie sie man in der Ausarbeitung von PwC zum Länderver- anders aufgestellt werden können. Das sind die gleich ganz gut nachlesen. Ich darf einmal zitieren, Bereiche, die wir explizit herausstellen können. was dort zum Thema Personalausgaben im Be- reich „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ (Christian Grascha [FDP]: Ergebnisse ausgeführt wird. Das ist ja - so habe ich das jeden- wollen wir hören!) falls verstanden - Ihre Interessenlage. - Ja, das sind die Ergebnisse! Dort, wo wir Verän- derungen vornehmen. (Christian Grascha [FDP] lacht - Christian Dürr [FDP]: Nein! Nicht das (Christian Dürr [FDP]: Gibt es denn da schon wieder!) schon Ergebnisse?) Ich zitiere aus dem PwC-Länderfinanzbenchmar- - Ja, das wollte ich damit sagen! Ich habe das wohl king 2016 folgende Aussagen: falsch formuliert. Die exemplarisch genannten drei Felder greifen wir heraus, um mit dem Ziel, das „Personalausgaben stellen auch im Bereich Ergebnis der Aufgabenkritik umzusetzen, die Auf- ‚Politische Führung und zentrale Verwaltung‘ gabenwahrnehmung zu verändern und sie effizien- die mit Abstand größte Ausgabenposition ter zu gestalten. dar. Aus diesem Grund empfiehlt sich auch hier eine zusätzliche Betrachtung der Per- (Beifall bei der SPD und bei den sonaldichte in den verschiedenen Ländern. GRÜNEN) Hier zeigt sich eine deutlich verschobene Reihenfolge der Länder. Bremen weist die Vizepräsident Karl-Heinz Klare: größte Personaldichte auf, gefolgt von Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Dr. Stephan Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern Siemer, CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Dr. Sie- und Sachsen-Anhalt. Hamburg, beim Zu- mer! schussbedarf ganz vorn, findet sich auf dem sechsten Platz wieder, Nordrhein-Westfalen Dr. Stephan Siemer (CDU): fällt von Rang drei auf die viertletzte Positi- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! on.“ Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ich Jetzt kommt der Satz, auf den ich besonderen Haushälter bin und an konkreten Zahlen interes- Wert lege: siert bin, hätte ich von der Landesregierung gern gewusst, wie hoch das Einsparungsvolumen in „Konsistent bleibt hingegen das untere Ende Euro ist, das durch die Arbeit der Aufgaben- und der Skala: Die geringste Personaldichte wei- Budgetanalyse für den Haushaltsplanentwurf sen Bayern, Niedersachsen und mit Abstand 2017/2018 bisher tatsächlich erzielt wurde - ein Berlin auf.“ Einsparungsvolumen, das dann, wenn man den Ankündigungen der Landesregierung gerecht ge- (Christian Grascha [FDP]: Aber die worden wäre, selbstverständlich hätte erzielt wer- Frage ist doch, was Ihre Aufgabenkri- den müssen. tik dazu beigetragen hat!) Vielen Dank. Weil es gerade so schön ist, darf ich weiter aus dem PwC-Bericht zitieren: (Beifall bei der FDP und bei der CDU) „Vorbildlich gering sind die Ausgaben im Be- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: reich ‚Politische Führung und zentrale Ver- Herr Minister Schneider, bitte schön! waltung‘.“

(Christian Grascha [FDP]: Das war Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister: früher doch schon genauso! - Christi- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und an Dürr [FDP]: Das haben wir ja mit Herren! Eine entsprechende Statistik existiert nicht. den Bezirksregierungen gemacht!) Eine solche Aufrechnung findet nicht statt. Deswe-

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Das Ganze führt dann zu dem Schluss von PwC: Jan-Christoph Oetjen (FDP): „Da Niedersachsen seine Ausgaben bereits Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- seit Jahren an die besonders niedrigen Ein- gen! Vor dem Hintergrund, dass in einer Denk- nahmen angepasst hat, sollte es dem Land schrift des Landesrechnungshofs festgestellt wur- bei Fortsetzung dieses sparsamen Haus- de, dass etwa 600 Stellen im Bereich Administrati- haltskurses problemlos gelingen, die Schul- on/Verwaltung in der Polizei mit Polizeivollzugsbe- denbremse einzuhalten und dabei auch amten besetzt waren und angeregt wird, diese wieder eine durchschnittliche Sachinvestiti- Arbeit zukünftig von Verwaltungsmitarbeitern erle- onsquote zu erreichen. Im diesjährigen digen zu lassen, frage ich die Landesregierung: PwC-Nachhaltigkeitsranking erzielt das Land Wann werden zusätzliche Verwaltungsmitarbeiter entsprechend mit dem zweiten Rang seine eingestellt, um Polizeivollzugsbeamte wieder für bislang beste Platzierung.“ den eigentlichen Dienst in der Polizei freizube- kommen, und wird im Rahmen der Aufgabenkritik Ein schöneres Kompliment in der Sache kann es auch konkret geprüft, ob bestimmte Aufgaben eigentlich nicht geben. überhaupt notwendig sind? (Beifall bei der SPD und bei den (Beifall bei der FDP und bei der CDU) GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Das liegt an den Kommunen! Das Vizepräsident Karl-Heinz Klare: wissen Sie doch!) Herr Minister! Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- frage stellt der Kollege Sebastian Lechner. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Oetjen, die erste Frage ist relativ einfach zu Sebastian Lechner (CDU): beantworten. Das ist ein laufender Prozess. Wann genau er abgeschlossen sein wird, kann ich Ihnen Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und noch nicht sagen. Am Ende des Prozesses soll Kollegen! Wollen wir es ein wenig konkreter ma- das Ergebnis so stehen, wie von Ihnen beschrie- chen! Ich frage die Landesregierung: Wie viele ben. Projektgruppen mit wie vielen Beschäftigten - Be- amten und Angestellten - haben Sie in den Res- Zur zweiten Frage: Wir arbeiten gerade durch die sorts zu welchen Themen bis zum heutigen Stich- Einführung des einheitlichen Polizei-Clients auf tag in Bezug auf Aufgabenkritik eingesetzt? einer anderen Software-Plattform mit Hochdruck daran, die einsatznotwendigen Ressourcen zu (Beifall bei der CDU und bei der FDP) reduzieren. In welchem Umfang dies am Ende der Fall sein kann, wird sich zeigen. Das jedenfalls ist Vizepräsident Karl-Heinz Klare: das erklärte Ziel der Ein-Plattform-Strategie. Herr Minister, bitte sehr! Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Die nächste Frage stellt Kollege Christian Grascha. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich richtig informiert bin, ist das in einer schriftli- Christian Grascha (FDP): chen Anfrage vor Kurzem ausführlich beantwortet Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- worden. Ich bitte um Verständnis, dass ich es nicht ginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass im Kopf habe. Es wird nachgetragen. Wir verwei- der Herr Innenminister gerade auf die Frage 1 von sen auf die Anfrage. uns geantwortet hat, dass alle Ressorts mit Maß- (Jens Nacke [CDU]: Was denn jetzt? nahmen an der Aufgabenkritik beteiligt sind, frage Es wird nachgetragen, oder verweisen ich den Herrn Finanzminister: Welche konkreten Sie auf die Antwort? - Minister Boris Maßnahmen sind im Finanzministerium bereits Pistorius: Beides!) umgesetzt? Ich frage bewusst nicht nach irgend- welchen geplanten Projekten oder Projekten, die Vizepräsident Karl-Heinz Klare: man identifiziert hat, sondern nach umgesetzten Die nächste Frage stellt Jan-Christoph Oetjen. Maßnahmen aus der Aufgabenkritik im Geschäfts- Bitte sehr! bereich des MF.

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: det worden, nach einigen Jahren eine Revision Herr Minister Schneider, bitte! vorzunehmen.

Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister: Das haben wir inzwischen gemacht. - Ihre Frage war ja, was wir gemacht haben. - Ergebnis: Das, Ich beantworte die Frage wie folgt: Wir haben uns was zu vermuten war, was auch alle Sachkenner sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wo die aufgeschrieben hatten, hat sich bestätigt: Das war Bezügeabrechnung, also das NLBV, zu verorten eine wenig sinnvolle Konstruktion; denn die Bezü- ist. geabrechnung ist in ihren Abläufen als Massenge- Ich darf in Erinnerung rufen: Wir hatten einstmals schäft auch in der Personalstruktur völlig anders 23 Stellen im Lande, die sich mit Bezügeabrech- aufgebaut als die Steuerverwaltung oder gar die nung beschäftigt haben. Die damalige SPD-Regie- Bauverwaltung, die sich im Übrigen in der Oberfi- rung hat eine Konzentration in Gang gesetzt. Dar- nanzdirektion befinden. aus ist das LBV - so hieß es damals noch - mit vier Standorten entstanden. Also haben wir vor nicht allzu langer Zeit das NLBV wieder verselbstständigt, und wir arbeiten (Christian Grascha [FDP]: Das war daran, die Effizienz durch verstärkte IT-Unterstüt- vorvorgestern!) zung weiter zu erhöhen. Inzwischen, in diesem Das war eine große Erfolgsgeschichte. All jene, die Jahr, ist es gelungen - das ist auch noch ein kon- das schon länger kennen, werden sich erinnern, kreter Vorgang in diesem Zusammenhang -, ein dass es einstmals sehr lange gedauert hat, seine einheitliches IT-System zur Reisekostenabrech- Beihilfe erstattet zu bekommen. Das Ganze war nung zu installieren. Die Beamtinnen und Beam- mit einem sechsseitigen Durchschreibeformular ten, auch die Versorgungsempfängerinnen und versehen. Heute sind wir in diesem Bereich Versorgungsempfänger, sind - nach meiner schneller als die Krankenkassen. Kenntnis jedenfalls - sehr dankbar dafür, dass das jetzt alles zügig geht, dass man innerhalb recht (Christian Dürr [FDP]: Wir reden aber kurzer Zeit das Geld, das einem zusteht, bekommt gerade vom letzten Jahrtausend! Das und keine lange Wartezeiten hat. Dies ist also eine muss man sagen!) Erfolgsgeschichte. Das Ganze geht sehr zügig, mit wenig bürokrati- schem Aufwand. In dieser Konzentration ist es (Christian Dürr [FDP]: Was hat das durch verstärkten IT-Einsatz über die Jahre gelun- mit Aufgabenkritik zu tun?) gen, etwa 50 % des Personals abzubauen. Das Wenn ich darf, würde ich gleich noch auf laufende war eine sehr effektive Veranstaltung. Prozesse eingehen. Ein viel größeres Rad ist na- Es ist verwunderlich, dass mein Vorgänger dann türlich bei der Finanzamtsstruktur zu drehen. Dazu dieses NLBV, diese Erfolgsveranstaltung, in die hat der Landesrechnungshof einiges aufgeschrie- Oberfinanzdirektion integriert hat. Das irritierte ben. Den Rechnungshof darf man ja nicht kritisie- mich, weil mir die ganze Sache nicht einleuchtend ren, aber das ist nicht unbedingt zielführend gewe- war, und ich habe mich einmal ausgiebig mit den sen, weil das auf das Zusammenlegen zahlreicher Akten und Gutachten, die dazu angelegt und er- Finanzämter hinausgelaufen wäre. Das Ganze ist stellt worden sind, beschäftigt. sehr stark an Gebäuden orientiert und stellt auf (Christian Grascha [FDP]: Sie oder Quadratmeter pro Beschäftigtem ab. Nun haben der Lenkungsausschuss?) wir aber zum Teil historische Gebäude und den einen Fall, dass das Finanzamt in Stadthagen Darin war von allen Beteiligten sehr sorgfältig her- sogar im Schloss sitzt. Dort haben die Räume ausgearbeitet, dass die selbstständige Konstrukti- natürlich nicht die Quadratmeterzahlen, wie sie die on des NLBV höchst vernünftig ist, und es wurde Vorschriften für Neubauten vorsehen. Von daher dringend von einer Integration in die Oberfinanzdi- ist das alles ein wenig problematisch. rektion abgeraten. Die Aktenlage ist ganz sauber. Wir haben eine umfangreiche Arbeit unter der In einer Nacht- und Nebelaktion, innerhalb von 24 Überschrift „Finanzamtsstruktur“ - ich habe immer Stunden, hat der Minister das Gegenteil entschie- mal gesagt: in zehn Jahren - auf den Weg ge- den. Es ist eine Integration erfolgt, allerdings ist - bracht, die noch unterwegs ist und noch eine Weile das hat, soweit ich den Akten entnehmen konnte, unterwegs sein wird. auch den Landtag beschäftigt - seinerzeit verabre-

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Dabei ist insbesondere der demografische Wandel Jahre erstrecken wird. Wir werden aber die Grund- zu bedenken, der in Teilen des Landes zu Bevöl- lagen legen. Der neue Landtag und die neue Lan- kerungswachstum geführt hat - Sie wissen das -, desregierung werden 2018 ein fertiges Konzept der in anderen Teilen aber schon zu erheblichen vorfinden und dann entscheiden müssen, in wel- Bevölkerungsrückgängen geführt hat und weiterhin che Richtung man marschiert. führen wird. Daher sind Anpassungsprozesse un- abdingbar, aber es sind keine, die übermorgen Wir brauchen die Zeit auch. Es ist aber sicherlich geschehen müssen, sondern sie müssen mit Au- nicht zweckmäßig, die letzten drei Monate vor der genmaß und mit etwas längerem Atem vorbereitet Wahl mit solchen Dingen anzutreten, weil es im werden. Zweifel zu Skandalisierung führt und nicht zu sachgerechten Entscheidungen. Dafür ist das Dazu haben Arbeitsgruppen inzwischen sehr fun- Thema aber zu wichtig. Das sollte in aller Ruhe dierte Grundlagen geschaffen, die weiter ausgear- beraten und entschieden werden. beitet werden müssen und die auch die Frage der Prozesshaftigkeit klären. Dazu habe ich gerade vor (Zustimmung bei der SPD) Kurzem einen Auftrag an die Oberfinanzdirektion auf den Weg gebracht, im Laufe des Jahres 2017 Vizepräsident Karl-Heinz Klare: modellhaft an einem Beispiel auszuarbeiten, wie ein solcher Prozess auch unter dem Aspekt, der Vielen Dank, Herr Minister, für die ausführliche mir persönlich jedenfalls wichtig wäre, organisiert Beantwortung. - Die nächste Frage stellt der Kolle- werden kann, dass wir die öffentliche Verwaltung ge Reinhold Hilbers, CDU-Fraktion. in der Fläche nicht völlig verschwinden lassen. Wir können nicht hingehen und sagen - ich mache das Reinhold Hilbers (CDU): immer gern am Beispiel Lüchow-Dannenberg deut- lich, weil das jedem einleuchtet -: Der Landkreis ist Herr Präsident! Herr Minister Schneider, vor dem inzwischen so klein und die Bevölkerung schrumpft Hintergrund, dass Sie bereits 2013 in die Mipla weiter, wir machen das Amtsgerichte und das Fi- geschrieben haben, eine umfangreiche Aufgaben- nanzamt zu. - Das ist zu bedenken. analyse vornehmen zu wollen, die schon für 2015 Entlastung bringen soll, und vor dem Hintergrund, Wir brauchen hier andere Organisationsmodelle dass Sie im Ministerialapparat in den vergangenen als die gegenwärtigen. Dabei geht es darum, die Jahren - wenn ich die flüchtlingsbedingten Stellen Frage der Hauptstellen und Nebenstellen zu unter- weglasse - über 270 neue Stellen geschaffen ha- suchen. Ein Modell heißt so schön - eine einsichti- ben, frage ich Sie: Wann wollen Sie mit Ihrer Auf- ge Formulierung - „Arbeit auf Rädern“. Dabei nutzt gabenkritik ansetzen, um zumindest zu erreichen, man, ohne die Zuständigkeiten zu verlagern, freie wieder auf den Stand des Personals zu kommen, Kapazitäten in anderen Ämtern mit. Das machen den Sie von uns 2012 übernommen haben? wir im Übrigen zurzeit bei den Bauämtern mit gro- ßem Erfolg. (Beifall bei der CDU - Christian Es gibt eine ganze Reihe von Fragestellungen, die Grascha [FDP]: Sehr gute Frage! - auch nicht trivial sind, weil wir es hier mit einer Zuruf von den GRÜNEN) Massenverwaltung zu tun haben. In Köpfen ge- rechnet, hat die Steuerverwaltung allein 12 000 Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Beschäftigte. Wir haben übrigens auch hier mit dem demografischen Wandel zu kämpfen. Aus der Herr Minister, bitte schön! Historie heraus werden relativ viele Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter in den nächsten sieben, acht Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister: Jahren nach Hause gehen. Deswegen fahren wir auch hier die Ausbildungskapazitäten an die Ober- Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Wie grenze dessen, was wir verkraften können, um üblich stehen wieder einmal die Finanzen im Mit- auch nur den Ist-Stand halbwegs nachhalten zu telpunkt. Ich will aber erst einmal feststellen, dass können. die Koordination dieser gesamten Operation im Innenministerium liegt. Am Ende schlägt sich das Es liegen große Aufgaben vor uns, deren Bewälti- in Mark und Pfennig, heute natürlich in Euro und gung ihre Zeit braucht, wenn man es verantwortlich Cent, nieder. machen will, deren Abwicklung sich über etliche

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Wir haben aber eine ganze Reihe von weiteren weniger Personal als vorher. - Das ist so, auch Entwicklungen. Zum Beispiel habe ich, weil Sie die wenn es Ihnen nicht gefällt. Steuerverwaltung katastrophal heruntergefahren (Beifall bei der SPD und Zustimmung haben, 100 zusätzliche Außenprüfer eingestellt von Gerald Heere [GRÜNE]) (Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Minister. - „Grundrauschen“ - - die letzte Charge kommt jetzt -, damit wir den das habe ich noch nie gehört, aber nicht schlecht. Pflichten, die jedenfalls ich sehe, nachkommen Man weiß, was darunter verstanden werden kann. können, Steuergerechtigkeit herzustellen und eine anständige Außenprüfung durchzuführen. Die nächste Frage stellt die Kollegin Meta Jans- sen-Kucz, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön! (Christian Grascha [FDP]: Das hat jetzt nichts mit der Aufgabenkritik zu Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): tun!) Ich frage die Landesregierung vor dem Hinter- Da gab es erhebliche Besetzungslücken. Wir ha- grund der Ausführungen von Innenminister Boris ben zusätzliche Stellen ausgebracht. Wir müssen Pistorius und auch der Nachfrage des Kollegen mit langem Atem Außenprüfer ausbilden. Ich kann Oetjen von der FDP: Werden mit dem Niedersach- natürlich nicht Leute, die gerade frisch von der sen-Client auch mobile Arbeitsformen unterstützt Akademie kommen, in die Betriebe schicken. Das und, wenn ja, auf wie vielen Arbeitsplätzen wird alles ist unterwegs, braucht aber seine Zeit. dieser Niedersachsen-Client dann eingesetzt bzw. für wie viele Arbeitsplätze ist das letztendlich ge- Außerdem hat es neben den Flüchtlingsthemen plant? - Das waren zwei Fragen. eine Reihe von Veränderungen gegeben, die zum Teil auch gemeinsam getragen worden sind - neue Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Herausforderungen, die auf uns zukommen. Ich nenne nur als kleines Beispiel die Landeszentrale Danke schön. für politische Bildung, die hier allseits begrüßt wor- den ist. Ich könnte die Kette weiter fortsetzen, Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: wenn ich auf die Frage vorbereitet wäre. Es gibt Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und eine ganze Reihe von Punkten - das ist immer so -, Herren! Ja, natürlich unterstützen wir damit auch die zusätzlich und neu kommen und die bedient die Einführung mobiler Arbeitsplatzformen; in einer werden müssen. Größenordnung von zunächst bis zu 25 %.

Im Gegenzug sind auch eine ganze Menge Stellen Zur zweiten Frage: 8 000 Arbeitsplätze in der ge- weggefallen. Das ist ein ständiger Prozess, der samten Landesverwaltung außer MJ, das ein eige- weitergehen wird. nes System fährt, und 19 000 Arbeitsplätze bei der niedersächsischen Polizei. Wir haben insgesamt einen Personalbestand - das müsste der Herr Innenminister vielleicht genauer (Zustimmung bei den GRÜNEN) wissen, der darauf vermutlich vorbereitet ist - von ungefähr 200 000 Beschäftigten. Das ist die Grö- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: ßenordnung. Wir reden hier über 200 Stellen. Das Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt der Kollege ist in einer solchen Riesenverwaltung Grundrau- Adrian Mohr, CDU-Fraktion. schen, meine Damen und Herren. Adrian Mohr (CDU): (Reinhold Hilbers [CDU]: 200 Stellen sind Grundrauschen?) Vielen Dank, Herr Präsident. - Angesichts der Aus- führungen des Herrn Innenministers auf die Münd- Die Zuordnung, was flüchtlingsbezogen ist und liche Anfrage der FDP-Fraktion stelle ich meine was nicht flüchtlingsbezogen ist, ist in vielen Fällen Frage vor dem Hintergrund, dass wir offenkundig nicht so ganz einfach. Ich könnte Ihnen hier - ich unterschiedliche Grundauffassungen davon haben, habe das jetzt nicht dabei, aber ich habe die Zah- was eine Aufgabenkritik ist. len gesehen - eine Rechnung aufmachen, was (Zustimmung bei der FDP - Jörg Bode flüchtlingsbezogen ist und was nicht flüchtlingsbe- [FDP]: Genau!) zogen ist. Dann würden Sie feststellen: Wir haben

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Wir sagen: Da sind Aufgaben, die muss man einer „… werden wir eine gründliche Aufgabenkri- Kritik unterziehen. Sie sagen: Da gibt es Kritik, tik, bezogen auf alle derzeit vom Land ver- dafür muss man eine Aufgabe schaffen. folgten Aktivitäten, vornehmen. Sind diese Aktivitäten notwendig? Werden sie wirt- (Heiterkeit bei der CDU und bei der schaftlich erfüllt? Müssen sie vom Land FDP) wahrgenommen werden, oder ist nicht bei- Ich stelle die Frage: In welchen Bereichen hat die spielsweise eine Kooperation mit den Kom- von Ihnen angesprochene Aufgabenkritik so statt- munen denkbar? … Das ist ein harter und gefunden, dass es tatsächlich zu den von Ihnen im mühsamer Prozess, der vor uns liegt, aber Koalitionsvertrag vereinbarten Einsparungen ge- er ist unumgänglich.“ kommen ist? Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Sind Sie Ih- Vielen Dank. ren eigenen Ansprüchen gerecht geworden?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - (Beifall bei der FDP und Zustimmung Jörg Bode [FDP]: Gute Frage! Guter von der CDU) Mann!) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Herr Ministerpräsident, bitte schön! Herr Minister! Stephan Weil, Ministerpräsident: Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Herr Präsident! Liebe Herr Kollege Dürr, ich denke: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und ja. Herren! In dem Umfang oder in der Art und Weise, wie ich es eingangs in meiner Antwort beschrieben (Zustimmung bei der SPD und bei den habe, bestehend aus dem Dreiklang: Einnahme- GRÜNEN - Lachen bei der FDP - verbesserung, Ausgabenreduzierung und Investiti- Christian Dürr [FDP]: Guter Witz!) on. Die Landesregierung blickt einstweilen, insbeson- (Christian Grascha [FDP]: Konkrete dere im Bereich der Finanz- und Haushaltspolitik, Maßnahmen!) auf eine ganz ungewöhnlich erfolgreiche Zeit zu- rück. - Ich weiß ja nicht, was Sie unter Aufgabenkritik verstehen. Wir haben immer eine Aufgabenanaly- (Lachen bei der CDU und bei der se angestrebt und durchgeführt mit dem klaren FDP) Ziel, sie nicht als ein statisches, irgendwann zu einem Stichtag abgeschlossenes Verfahren zu Erinnern wir uns noch einmal an den Status, den verstehen, sondern ganz klar gesagt: Es ist ein die Landeskasse hatte, als wir anfingen! fortlaufender Prozess, der erfordert, die Aufgaben (Christian Dürr [FDP]: Es ging um immer wieder erneut auf den Prüfstand zu stellen - Aufgabenkritik, Herr Ministerpräsi- sowohl in der Art der Ausführung als auch in ihrer dent!) eigentlichen Ausführung. Wenn ich mich nicht täusche, mussten Sie, Herr (Zustimmung von Gerald Heere Kollege Schneider, sich mit einem Strukturdefizit [GRÜNE] - Christian Grascha [FDP]: von 1,3 Milliarden Euro befassen. Das sind Worthülsen!) (Reinhold Hilbers [CDU]: Das ist doch Vizepräsident Karl-Heinz Klare: gar nicht eingetreten!) Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Dürr, Sie haben das Wort zu der nächsten Frage. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Entschuldigung! - Herr Kollege Hilbers, wenn Sie Christian Dürr (FDP): irgendwann einmal die Möglichkeit haben, hier als Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Minister zu antworten, würde ich mich freuen. Aber gen! Der Herr Ministerpräsident sagte am 19. Fe- im Moment sind nicht Sie dran, sondern der Minis- bruar 2013 in seiner Regierungserklärung: terpräsident, der jetzt die Frage beantwortet.

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Stephan Weil, Ministerpräsident: (Christian Dürr [FDP]: Was ist denn Seien Sie gewiss, lieber Herr Kollege Hilbers: Wir Ihre Strategie?) werden alles tun, um das vermeiden. Ich sage Ihnen nach meiner langjährigen Erfah- (Beifall bei der SPD - Jens Nacke rung: Das ist ein Trugschluss. [CDU]: Seien Sie gewiss, Herr Minis- (Zustimmung bei der SPD und bei den terpräsident: Das wird alles nichts hel- GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: fen!) Sie setzen einfach darauf, dass der Ich sagte, wir haben mit einem Strukturdefizit von Steuerzahler immer mehr zahlt! Die 1,3 Milliarden Euro begonnen. wundersame Geldvermehrung!) (Christian Dürr [FDP]: Und das haben In Wirklichkeit ist es so, dass man insbesondere Sie alles durch Aufgabenkritik wett- durch die Modernisierung des Verfahrens der gemacht?) Haushaltsaufstellung große Effekte erzielen kann. Und an dieser Stelle haben wir eine Form von Nun blicken wir erfreut darauf, dass wir nach den Aufgabenkritik durchgeführt, Vorschlägen des Finanzministers schon im Jahre (Christian Dürr [FDP]: Was?) 2017 zum ersten Mal in der Geschichte des Lan- des Niedersachsen ohne neue Schulden werden die vielleicht den größten Effekt von allen Maß- auskommen können. nahmen hatte, die wir ergriffen haben. (Christian Dürr [FDP]: Wie hoch ist (Christian Dürr [FDP]: Was?) das strukturelle Defizit dann? - Chris- - Hören Sie zu, Herr Dürr! Sie lernen an dieser tian Grascha [FDP]: Aber das liegt Stelle eine Menge. Ich garantiere es Ihnen. doch an den Steuereinnahmen und an den Zinsausgaben und nicht an (Christian Dürr [FDP]: Gern! Ich bin der Aufgabenkritik!) total gespannt!) Das ist wirklich ein großer Erfolg, zu dem natürlich Wir haben nämlich das Verfahren dahin gehend die Steuermehreinnahmen mit beigetragen haben. umgestellt, dass es mit einem Eckwertebeschluss der Landesregierung beginnt, der den finanziellen (Christian Grascha [FDP]: Ausschließ- Rahmen für die einzelnen Ressort vorgibt. lich!) (Jörg Bode [FDP]: Das hatten wir aber Wer wollte das bestreiten? Aber ohne eine gleich- auch schon!) zeitige konsequente Haushaltsdisziplin in allen Ressorts wäre dieses Ergebnis ebenso wenig er- In diesem Rahmen haben die Ressorts große zielbar gewesen. Freiheit. Wenn sie aber anschließend zum Fi- nanzminister kommen und sagen, wir müssen (Christian Dürr [FDP]: Aufgabenkritik darüber hinausgehen, dann stehen sie unter zwei- hat 1,3 Milliarden Euro eingespart?) erlei Druck: An dieser Stelle reizt es mich schon, einige grund- Sie müssen erstens das Verfahren plausibel ma- sätzliche Ausführungen über Strategie und Taktik chen; sie müssen die Schlüssigkeit von Mehrforde- der Haushaltskonsolidierung zu machen. Es ist rungen darlegen. jetzt der zweite große öffentliche Haushalt, an dessen Sanierung ich mitwirken darf. Es gibt in (Christian Dürr [FDP]: Das Eckwerte- dieser Hinsicht zwei unterschiedliche Denkschulen: verfahren hat Minister Möllring einge- die - wie soll ich sagen? - blutige und die nachhal- führt, Herr Ministerpräsident! Aber es tige. ist gut, dass Sie unsere Regierung in- soweit loben! Das finde ich toll!) Die blutige Form der Haushaltskonsolidierung, der Sie offenbar anhängen, besteht darin, ellenlange Zweitens müssen sie belegen, warum sie zu keiner Listen mit vorzunehmenden Einschnitten aufzustel- anderen Priorisierung innerhalb ihres Budgets len, die anschließend einen mehr oder weniger gelangen können. großen Effekt haben sollen, und so zu tun, als ob Das, meine Damen und Herren, ist eine höchst man damit einen Haushalt auf Dauer konsolidieren intelligente Form von Aufgabenkritik, die nachhaltig könnte. zur Sanierung des von Ihnen hinterlassenen Pro-

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blems beigetragen hat. Deswegen sehe ich das als Das hat z. B. dazu geführt, dass wir - anders als großen Erfolg an. die Vorgängerregierung - ganz gezielt ein Control- lingsystem eingeführt haben, ein Berichtswesen, Herzlichen Dank. das wir in einen Zielplanungsprozess mit Jahres- (Beifall bei der SPD und Zustimmung gesprächen eingefügt haben. Speziell für den bei den GRÜNEN - Christian Dürr Krankenhausbereich haben wir auch sogenannte [FDP]: Abgesehen davon, dass wir Strukturgespräche eingeführt. das eingeführt haben, Herr Minister- präsident! - Christian Grascha [FDP]: Neben der Tatsache, dass wir uns auf Bundes- Das ist eher die wundersame Geld- ebene und auf Landesebene für deutliche Verbes- vermehrung!) serungen bei den Betriebskosten der Krankenhäu- ser eingesetzt haben - die ebenfalls dazu führen, dass deren Strukturen vor Ort deutlich besser funk- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: tionieren und dass wir die wohnortnahe Versor- Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Die nächste gung deutlich besser sicherstellen können -, haben Frage stellt Petra Emmerich-Kopatsch, SPD-Frak- wir uns aktuell auch in der Frage des Landesbasis- tion. Bitte schön! fallwertes und der überproportionalen Erhöhung in Richtung Durchschnittswert, z. B. im Bereich des Petra Emmerich-Kopatsch (SPD): Fixkostendegressionsabschlags, engagiert, Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hinter- grund, dass sehr viele Krankenhäuser inzwischen (Christian Grascha [FDP]: Was hat in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, das alles mit Aufgabenkritik zu tun, frage ich die Landesregierung: Was unternimmt Frau Ministerin?) sie, um die Krankenhauslandschaft zukunftsfähig weil all dies erhebliche Auswirkungen auf die und effizient neu aufzustellen? Struktur der Krankenhäuser hat.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Christian Grascha [FDP]: Das ist eine Vielen Dank. - Jetzt antwortet die Frau Sozialminis- Verhöhnung des Parlaments!) terin. Bitte schön! Wir haben z. B. in den Regionen Landkreis Osna- (Christian Dürr [FDP]: Das ist eine un- brück, Landkreis Hildesheim, Landkreis Weser- zulässige Erweiterung des Fragege- marsch, Delmenhorst, Cuxhaven und Hannover, genstandes! Das ist gar nicht zuläs- aber auch in der Region um Emden und im Land- sig, Herr Präsident! Aber gut, sie kann kreis Aurich, in Wilhelmshaven, im Landkreis Ro- trotzdem antworten!) tenburg, in Diepholz sowie in Braunschweig ent- sprechende Regionalgespräche geführt, Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- (Christian Grascha [FDP]: Eine heit und Gleichstellung: Frechheit ist das! - Christian Dürr Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und [FDP]: Es ist halt nicht das Thema!) Herren! Darauf will ich gerne antworten, weil es uns darum geht, die erheblichen Investiti- (Jörg Bode [FDP]: Das habe ich mir onsmittel, die uns hierfür zur Verfügung stehen, gedacht!) zielgerichtet einzusetzen. Dazu bedarf es eben weil natürlich die Krankenhausstrukturplanung - einer genauen strukturellen Analyse, wo diese gerade angesichts der Höhe der Mittel, die hierfür Mittel am effektivsten und am effizientesten einge- benötigt werden - ein wichtiger Teil der Aufgaben- setzt werden können. kritik ist. Neben den 120 Millionen Euro, die wir jährlich für (Christian Dürr [FDP]: Das Wort den Bereich der Krankenhausinvestitionen zur Ver- „Krankenhaus“ kommt in der Anfrage fügung haben, konnten wir mit den 94 Millionen gar nicht vor, aber die Ministerin ist Euro aus dem Strukturfonds und den über 660 Mil- vorbereitet!) lionen Euro, die wir zusätzlich über ein Sonder- vermögen generieren wollen, ganz gezielt Struk- Natürlich ist es auch für das Sozialministerium turplanungen vorantreiben. Die befinden sich der- wichtig, sich hier entsprechend aufzustellen. zeit in der Umsetzung. Das heißt, wir haben hier in

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erheblichem Maße Einfluss auf eine der ganz gro- liche Frage nicht auf andere Gegenstände aus- ßen Positionen im Einzelplan 05 genommen. dehnen.

Und es gibt natürlich weitere Dinge, die wir ganz (Zustimmung von Mechthild Ross- gezielt angehen. Wir haben - ich denke: erstmalig - Luttmann [CDU] - Christian Dürr große Vorhaben auch unter wirtschaftlichen Ge- [FDP]: Das hatte nichts mit der Aus- sichtspunkten strukturiert. Ich denke da an den gangsfrage zu tun!) Vorrang ambulanter vor stationären Maßnahmen, Diese Zusatzfrage lag im Randbereich. Man konn- der zu einer deutlichen Einsparung sowohl bei den te sie noch reinpacken. personellen Ressourcen als auch bei den benötig- ten Mittel führt. Unter dem Grundsatz „ambulant (Christian Dürr [FDP]: Nein! Wir kön- vor stationär“ haben wir gezielt den Bereich Behin- nen gerne eine GO-Debatte dazu füh- dertenhilfe - auch bei der Umstrukturierung des ren! Das geht nicht! - Christian quotalen Systems - analysiert. Grascha [FDP]: In der ursprünglichen Frage ging es um Aufgabenkritik! - Wir haben auch analysiert, was wir an der Gesetz- Weitere Zurufe) gebung ändern müssen, um zu Strukturverbesse- rungen zu kommen, die letztlich dazu führen, dass - Meine Damen und Herren, jetzt rede ich hier, und die Mittel effektiver eingesetzt werden. ich rede zu Ende. Sie haben gar nicht das Wort.

(Christian Grascha [FDP]: Ist das ei- Die Frage 1 ist sehr weit gefasst; darunter ist sehr gentlich eine Regierungserklärung, viel zu fassen. Aber der Gegenstand der Frage ist über die wir nachher eine Debatte ein etwas anderer. führen können, Herr Präsident?) Deswegen darf ich Sie bitten, jetzt zum Kern der Wir haben das Heimgesetz geändert. Wir haben Frage zurückzukommen. Sonst lasse ich die Zu- einen neuen Landespsychiatrieplan aufgestellt, der satzfragen nicht zu, bzw. sie brauchen nicht be- der Vorgabe genügen wird, die vorhandenen Mittel antwortet zu werden. Bitte schauen Sie sich § 47 deutlich effektiver einzusetzen. Abs. 5 Satz 3 an! Dann wissen Sie, was wir damit meinen. (Christian Dürr [FDP]: Das geht so Die nächste Frage stellt die Kollegin Susanne nicht! - Der Abgeordnete begibt sich Menge. Bitte schön! zum Sitzungsvorstand) (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Wahr- Wir haben - z. B. mit der Konzertierten Aktion Bau- scheinlich zur Vogelgrippe!) en und Wohnen - neue Wohnraumförderrichtlinien auf den Weg gebracht. Denn wir müssen die Mittel Susanne Menge (GRÜNE): für den Wohnungsbau ganz gezielt und strukturiert einsetzen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Kann man per se sa- (Christian Dürr [FDP]: Man kann keine gen, dass ein Rückgang der Bevölkerung auch zur Regierungserklärung in eine Frage- Aufgabenverringerung z. B. im Bereich des Res- stunde packen! Das geht nicht!) sorts Wirtschaft, Arbeit und Verkehr führt? All dies sind Dinge, die wir auf den Weg gebracht Vizepräsident Karl-Heinz Klare: haben. Der Bereich der Krankenhäuser mit einem extrem hohen Investitionsvolumen war uns dabei Herr Wirtschaftsminister! besonders wichtig. Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Ver- (Beifall bei der SPD und Zustimmung kehr: bei den GRÜNEN - Mechthild Ross- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Luttmann [CDU]: Unmöglich! Das geht Herren! Sehr geehrte Frau Menge, das kann man so nicht!) nicht. Im Gegenteil: Die demografische Entwick- lung führt sicherlich zu neuen Herausforderungen Vizepräsident Karl-Heinz Klare: auf dem Arbeitsmarkt. Es ergeben sich z. B. aber Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich möchte noch auch neue Herausforderungen im Bereich Infra- einmal auf § 47 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsord- struktur, weil - Stichwort „Güterverkehrsentwick- nung hinweisen: Zusatzfragen dürfen die ursprüng- lung“ - die Verkehre zunehmen. Schon daran sieht

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man: Eine Kausalität nach dem Motto „die demo- zusätzliche Belastung des Landeshaushalts errei- grafische Entwicklung ist minus 5 %, deswegen ist chen. auch der Aufwand minus 5 %“ kann hier nicht pau- Die Durchführbarkeit der neuen Gebührenfinanzie- schal hergestellt werden. Wie gesagt, im Gegen- rung ist in mehreren Gerichtsurteilen bestätigt wor- teil: Es kommen sogar neue Aufgaben dazu. den. Damit haben wir den Verbraucherschutz auf (Zustimmung bei den GRÜNEN) eine bessere Grundlage gestellt.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Beifall bei den GRÜNEN) Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt der Kollege Hans-Joachim Janßen. Bitte schön! Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank. - Gerd Ludwig Will, SPD-Fraktion, die Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): nächste Frage, bitte! Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung zu einem ganz anderen Thema: Welche Umstrukturie- Gerd Ludwig Will (SPD): rung und welche Neuorganisation hat die Landes- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor regierung beim Aufgabenbereich des Landesamts dem Hintergrund, dass die EU-Förderung durch für Verbraucherschutz vorgenommen? eine sehr hohe Bürokratiebelastung gekennzeich- (Christian Dürr [FDP]: Sie hat ganz net ist, frage ich die Landesregierung: Welche viele Stellen geschaffen!) Möglichkeiten sieht sie bzw. welche hat sie bereits ausgeschöpft, um für die ELER-Förderung in Nie- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: dersachsen Verbesserungen und Vereinfachungen herbeizuführen? Das Wort hat der Landwirtschaftsminister. Herr Meyer, bitte schön! Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Herr Minister! wirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Herren! Wir hatten ja gleich in den ersten Wochen wirtschaft und Verbraucherschutz: nach dem Amtsantritt der rot-grünen Landesregie- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und rung einige Verbraucherschutzskandale. Wir ha- Herren! Der Bereich der Agrarförderung, der För- ben uns also damit beschäftigt, wie wir den Ver- derungen im ländlichen Raum, ist in der Tat, wie braucherschutz in Niedersachsen den Bedürfnis- die Landwirte und die Kommunen wissen, von sehr sen eines wichtigen Agrarstandortes entsprechend viel Bürokratie und oft auch von überflüssigen Auf- anpassen können. gaben geprägt.

Wir haben uns überlegt, wie wir den Mehrbedarf, Der EU-Kommissar Hogan hat das Thema Verein- den wir gesehen haben, weil dort jahrelang zu fachung zum Schwerpunkt erklärt: Wo können wenig gemacht worden ist, kostenneutral finanzie- Kontrollen wegfallen, damit sie nicht doppelt, drei- ren können. Wir haben überlegt, wie wir die Auf- fach oder vierfach durchgeführt werden müssen? stockung, die im Landesamt für Verbraucherschutz notwendig war - z. B. für die Aufgaben im Zusam- Ich habe auf Landesebene eine Arbeitsgruppe menhang mit den Futtermittelkontrollen oder mit zum Bürokratieabbau in der Agrarförderung einge- der Antibiotikaminimierung, die übrigens sehr er- richtet. Da haben wir schon einiges erreicht. Ich folgreich mit den Landkreisen läuft -, so finanzieren kann sagen: Was auf Landesebene möglich ist, können, dass wir den Landeshaushalt nicht zu- haben wir auch auf den Weg gebracht. sätzlich belasten. Wir haben im Bereich des ELER, wo uns erfreuli- Dafür haben wir das sehr erfolgreiche Instrument cherweise mehr Geld zur Verfügung steht, die der Gebührenfinanzierung, also der Verursacherfi- Aufgabenstruktur der Ämter neu organisiert. Wir nanzierung, durchgesetzt. Wir erheben einen Bei- haben den Katasterbereich zum MI hin abgetrennt, trag von denen, die diese Kontrollen nutzen, die und die Ämter für regionale Landesentwicklung, die Verursacher bzw. die Veranlasser dieser Kon- ein wirkliches Erfolgsprojekt dieser Landesregie- trollen sind. So konnten wir die zwei Stärkungsstu- rung, so aufgebaut, dass wir die zusätzlichen Mittel fen des Landesamtes für Verbraucherschutz ohne auch wirklich sinnvoll in die ländlichen Räume

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investieren können. Dafür stand uns noch nie so spektrum erweitert und nehmen diese Aufgaben viel Geld zur Verfügung. sehr effizient durch die Ämter für regionale Lan- desentwicklung wahr. Wir haben die Anzahl der Fördermaßnahmen in unserem PFEIL-Programm begrenzt. Wir haben Auch im Agrarförderprogramm wurden Änderun- zwar neue Förderangebote aufgenommen, dafür gen vorgenommen. Große neue Milchviehställe aber an anderer Stelle Aufgaben weggelassen. fördern wir nicht mehr; die Mittel dafür sind herun- tergefahren worden. Durch den Wegfall dieser (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Förderung sind bei der Bewilligungsstelle, der Wirtschaftswege!) Landwirtschaftskammer, Personalkapazitäten frei Ein Beispiel: In der Forstförderung haben wir die geworden, die nun für andere ELER-Maßnahmen Förderhöhe komplett beibehalten - die Summe, die zur Verfügung stehen, z. B. für das neue Förder- unsere Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer be- programm Europäische Innovationspartnerschaft. kommen, bleibt also gleich -, aber wir wickeln das Dieses Programm läuft sehr gut an. Zusammen mit nicht mehr über den ELER, sondern über die GAK der Landwirtschaft und mit Wirtschaftsunterneh- ab. Damit brauchen wir keine aufwendige Pla- men werden tolle Forschungs- und Innovations- nungsphase mehr und müssen uns nicht dem partnerschaftsprojekte in die Praxis umgesetzt, um überbordenden Kontrollsystem der EU mit zum Teil den Agrarstandort Niedersachsen zu stärken. mehrfachen Kontrollen auf der gleichen Fläche unterwerfen. Wir müssen die Maßnahmen auch Sie sehen, wir haben in diesen Bereichen vieles nicht mehr bei der EU anmelden und das sehr erreicht. Letztens wurden wir vom Bauernverband aufwendige Berichts- und Monitoringsystem der dafür gelobt, dass Niedersachsen und Bayern das EU bedienen. Greening am landwirtefreundlichsten umsetzen. Dort haben wir Vereinfachungen ermöglicht. Wenn So konnten in vielen Bereichen der Forstförderung man die ökologischen Vorrangflächen, die man Vereinfachungen eingeführt werden, ohne dass es melden muss, nachträglich ändert, dann ist das zu einer Kürzung der Finanzausstattung gekom- jetzt sehr einfach zu machen. Wir haben die For- men ist. mulare vereinfacht. Während der schwarz-gelben Wir haben - das ist ganz neu - eine separate Richt- Regierungszeit musste man erst einen Antrag bei linie herausgegeben: die ANBest-ELER, die All- Herrn Sander und dann einen Antrag bei Herrn gemeinen Nebenbestimmungen zum ELER. Darin Lindemann stellen. sind die von den Begünstigten zu beachtenden (Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta Nebenbestimmungen zusammengefasst darge- übernimmt den Vorsitz) stellt. Auf überflüssige Regelungen wird verzichtet. Stefan Wenzel und ich haben einen Antrag erar- Gemeinsam mit dem Finanzministerium - dem ich beitet, der für alle Fördermaßnahmen, die im Um- dafür sehr danke - ist es gelungen, mit dieser Re- welt- und im Agrarministerium liegen, gilt. Aus zwei gelung substanzielle Vereinfachungen für die Formularen wurde eins gemacht. Das Förderspekt- Vergabe von Aufträgen durch Private zu erreichen. rum bleibt gleich, aber ein Bürokratieteil ist wegge- Bislang war es z. B. vorgeschrieben, dass jemand, fallen. der den Auftrag für den Bau eines Hühnermobils vergab - wenn es um Beträge unter 50 000 Euro Also: Die Aufgabenkritik hat zu Erleichterungen für geht -, drei Angebote einholen musste. Wir haben landwirtschaftliche Betriebe, aber auch für Kom- entschieden, dass Private bei Zuwendungen bis zu munen und private Antragsteller im Bereich des 50 000 Euro zwar das Gebot der Wirtschaftlichkeit ELER geführt. Von vielen Seiten wird sehr gelobt, und Sparsamkeit beachten, aber eben keine Ver- dass das viele Geld wirklich sinnvoll ausgeben gleichsangebote umfangreich dokumentieren müs- werden kann. sen. Auch dort haben wir vereinfacht und Bürokra- (Zustimmung bei den GRÜNEN und tie abgebaut. bei der SPD) Wir haben das Programm LEADER sehr erfolg- reich ausgewertet. Kürzlich war ich auf einer Ver- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: sammlung der LEADER-Arbeitsgruppen Nieder- Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- sachsens. Dort wurde diese Landesregierung als frage stellt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Bode. diejenige gelobt, die die LEADER-Maßnahmen am Bitte! bürokratieärmsten umsetzt. Wir haben das Förder-

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Jörg Bode (FDP): im Rahmen dieser Aufgabenkritik beleuchtet wur- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! den. Ich möchte wissen, ob es konkrete Ergebnis- Vor dem Hintergrund, dass Ministerpräsident Weil se gibt, insbesondere, ob auch darüber diskutiert hier eben ausgeführt hat, dass der Beitrag der wurde, die Anzahl der Standorte der Vermes- Aufgabenkritik, der sich finanziell am stärksten sungs- und Katasterverwaltung zu reduzieren. ausgewirkt hat, das von ihm eingeführte budgetba- siere Eckpunkteverfahren bei der Haushaltsaufstel- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: lung war, und vor dem Hintergrund der Tatsache, Vielen Dank. - Es antwortet Herr Minister Pistorius. dass das budgetbasierte Eckpunkteverfahren bei Bitte! der Haushaltsaufstellung von der Vorgängerregie- rung eingeführt worden ist, frage ich die Landesre- Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: gierung: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, da Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- sowohl der Kollege Birkner als auch ich uns nicht ren! Lieber Herr Oetjen, den zweiten Teil der Frage erinnern können, dass Sie bei der besagten Kabi- kann ich mit Nein beantworten. Darüber ist nicht nettssitzung im Raum gewesen sind: Unter wel- diskutiert worden. chem Tisch haben Sie damals gekauert? Oder hast du dich so verändert, David? Zum ersten Teil der Frage: Es hat diese Aufgaben- kritik gegeben, die u. a. dazu geführt hat, dass wir (Beifall bei der FDP) die dringende Notwendigkeit erkannt haben, nach den Personalentscheidungen in den zehn Jahren Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: zuvor Vorratseinstellungen vornehmen zu müssen, Vielen Dank. - Es antwortet für die Landesregie- um die Arbeitsfähigkeit der Katasterverwaltung rung Herr Minister Schneider. Bitte! aufrechtzuerhalten. (Christian Dürr [FDP]: Das ist doch , Finanzminister: Peter-Jürgen Schneider keine Aufgabenkritik!) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich bei die- - Natürlich gehört das zur Aufgabenkritik! ser Frage einen Mangel an Ernsthaftigkeit erken- (Christian Dürr [FDP]: Nein! - Christi- ne. Aber auch der Zusammenhang wird mir nicht an Grascha [FDP]: Sie bauen immer so richtig deutlich. nur Beschäftigungsvolumen auf!) (Zustimmung bei der SPD und bei den - Weil wir die Aufgabe erfüllen müssen. GRÜNEN)

Aber ich kann Folgendes ganz allgemein feststel- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: len: Unser Verfahren hat zur schwarzen Null ge- Vielen Dank. - Seine zweite Zusatzfrage stellt nun führt - Ihr Verfahren nicht. Herr Kollege Hilbers, CDU-Fraktion.

(Zustimmung bei der SPD - Christian Reinhold Hilbers (CDU): Dürr [FDP]: Könnte das vielleicht mit Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen den Steuereinnahmen zusammen- und Herren! Ich komme noch einmal auf die mone- hängen? - Das Verfahren ist das glei- tären Auswirkungen zurück. Herr Schneider, vor che!) dem Hintergrund der Tatsache, dass nicht Ihre Aufgabenkritik, sondern Steuermehreinnahmen in Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Höhe von 5 Milliarden Euro zu Ihrer schwarzen Vielen Dank, Herr Minister. - Seine zweite Zusatz- Null geführt haben, frage stellt Herr Kollege Oetjen, FDP-Fraktion. Bitte! (Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) Jan-Christoph Oetjen (FDP): und vor dem Hintergrund, dass Sie in der Mipla Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- ausgeführt haben, „Wir werden deshalb eine Auf- gen! Ich hätte von der Landesregierung gern ge- gabenanalyse vornehmen, die bereits Entlastun- wusst, ob im Bereich der Vermessungs- und Ka- gen im Haushalt 2015 ermöglichen soll.“, frage ich tasterverwaltung eine konkrete Aufgabenkritik noch einmal ganz konkret: Welche Entlastungen durchgeführt wurde und, wenn ja, welche Themen haben Sie in 2015 aus diesem Prozess etatisieren

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können? Beabsichtigen Sie, in den nächsten Jah- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: ren aus diesem Prozess konkrete Entlastungen zu Vielen Dank, Herr Minister. - Seine erste Zusatz- etatisieren? Oder sind Sie mit mir der Auffassung, frage stellt nun Herr Kollege Dr. Matthiesen, CDU- dass Sie an dieser Aufgabenkritik grandios ge- Fraktion. Bitte, Herr Matthiesen! scheitert sind? Dr. Max Matthiesen (CDU): (Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Ausführungen der Frau Sozialministerin zur Aufgabenkritik in Bereichen Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: des MS ergibt sich die Frage, ob zumindest in Vielen Dank, Herr Kollege. - Es antwortet Herr diesem Aufgabenbereich an die Stelle einer soli- Finanzminister Schneider. den Finanzierung durch originäre Landeshaus- haltsmittel in Zukunft Kredite treten sollen. Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister: Gerade im Wohnungsbau werden die Bundesmittel weitergeleitet und stehen nur Kredite der NBank Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das zur Verfügung. Ist das jetzt die Musik für die Zu- lässt sich relativ leicht beantworten: Entlastungen kunft insgesamt? Genauso ist es beim Kranken- kann man nicht etatisieren. Ich wüsste nicht, wie hausbau. Dort gibt es jetzt das kreditfinanzierte so etwas gehen soll. Sondervermögen und keine Veränderung der Zu- (Jörg Bode [FDP]: Wie bitte?) schüsse aus dem Investitionstopf des Landes, was ja gesetzlich vorgeschrieben ist. - Entlastungen werden nicht etatisiert. Im Haus- Zusammengefasst: Ist ein Wechsel von der Lan- haltsplan gibt es keinen Ansatz, der Entlastungen desfinanzierung zur Kreditfinanzierung die Zu- ausweist. kunftsaussicht für Niedersachsen im Sozialbe- Das ist eine Frage, die sich aus der Sache heraus reich? überhaupt nicht beantworten lässt. Ich wundere (Zustimmung bei der CDU und bei der mich, dass ausgerechnet jemand, der für sich in FDP) Anspruch nimmt zu verstehen, wie ein Haushalts- plan aufgebaut ist, eine solche Frage stellt. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank. - Es antwortet Frau Ministerin Rundt. (Reinhold Hilbers [CDU]: Sie haben es doch in die Mipla geschrieben! Das Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- ist Ihr Zitat!) heit und Gleichstellung: Insgesamt gibt mir das die Gelegenheit, nochmals Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und darauf hinzuweisen, dass die Haushaltspolitik die- Herren! In Anbetracht der eben geführten Diskus- ser Regierung ohne Beispiel ist. Man muss sich die sion weiß ich gar nicht, ob ich die Frage beantwor- Einnahmen und die Ausgaben ansehen. Ich habe ten darf, immer gesagt, dass wir die Ausgaben so bremsen (Christian Dürr [FDP]: Viel eher als die werden, dass wir bei wachsenden Einnahmen am anderen!) Ende bei der Null landen: spätestens 2020, wenn möglich eher. Wir sind nun deutlich eher dort ge- weil es sich ganz eindeutig nicht um die eigentliche landet. Aufgabenstellung handelt. Aber ich will es trotzdem versuchen. Die Haushaltspolitik dieser Landesregierung ist ohne Beispiel: In 70 Jahren hat es niemand ge- Bei der Aufgabenkritik geht es ja um die Frage, schafft, ohne Nettoneuverschuldung auszukom- welche Dinge überhaupt finanziert werden sollen, men. Wir kommen in 2017 ohne aus, wir kommen also um die Frage: Was ist uns wichtig? Wo setzen in 2018 ohne aus, wir kommen in 2019 ohne aus, wir Schwerpunkte? Wo gibt es möglicherweise und wir kommen in 2020 ohne aus. Daran lassen Dinge, auf die man verzichten kann? wir uns messen! Da wir naturgemäß auf den Bereich der Kranken- häuser, aber auch auf den Bereich des Woh- (Beifall bei der SPD) nungsbaus nicht verzichten können, ist, glaube ich,

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sehr klar, dass wir uns an dieser Stelle die Aufga- Christian Dürr (FDP): be sehr genau angeguckt haben, die entsprechen- - der ja im Juni 2015 eingestellt wurde, frage ich den Schwerpunkte gesetzt haben und uns außer- die Landesregierung: Gibt es ein einziges konkre- gewöhnlich viel Mühe geben - das tun wir immer, tes Ergebnis dieses Prozesses? aber in diesem Fall noch mehr -, die Mittel, die wir zur Verfügung haben, auch wirklich effizient und (Beifall bei der FDP) effektiv einzusetzen. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Insofern kann ich die Frage dahin gehend beant- Vielen Dank. - Es antwortet Herr Minister Pistorius. worten: Wir haben alles das gründlich analysiert. Aber die Frage der Finanzierung ist keine Frage Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: der Leistungen, die wir erbringen wollen und die für uns wichtig sind. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt jede Menge konkrete Ergebnisse. Sie sind hinreichend dargestellt worden. Ich bin Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: nicht dafür verantwortlich, dass wir ein unter- Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatz- schiedliches Verständnis von Aufgabenkritik ha- frage - es ist auch seine zweite - stellt Herr Kollege ben. Dürr, FDP-Fraktion. (Christian Grascha [FDP]: Sie wider- sprechen Ihrem Koalitionsvertrag! - Christian Dürr (FDP): Unruhe - Glocke der Präsidentin) Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Zur Aufgabenkritik gehört alles. Dazu gehört: Ich und Kollegen! Mir scheint die Definition von Aufga- überprüfe eine Aufgabe daraufhin, ob sie weiter benkritik bei Regierung und Oppositionsfraktionen wahrgenommen werden muss. Ich überprüfe, wie sehr unterschiedlich zu sein. Der Minister ließ sich sie wahrgenommen werden muss, ob sie mit weni- vorhin dazu hinreißen zu sagen, allein die Wahr- ger Personal wahrgenommen werden kann, ob sie nehmung einer Aufgabe an sich sei schon Aufga- durch andere wahrgenommen werden muss. Alles benkritik. Ich finde das spannend in der Sache. das haben wir geprüft.

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Christian Dürr [FDP]: Ein Ergebnis, nur eines!) Und jetzt die Frage! Das führt dann z. B. im Bereich der Katasterver- waltung dazu, dass wir die Aufgabe nicht loswer- Christian Dürr (FDP): den. Ich glaube, das wollen Sie auch nicht. Viel- Aber vor dem Hintergrund, dass uns nicht interes- mehr haben wir aufgrund der Einstellungspolitik siert, was Sie umstrukturiert haben, wo Sie Be- der Jahre davor zu wenig Leute, um das, was wir schäftigungsvolumen aufgebaut haben, sondern glauben machen zu müssen, machen zu können. dass wir ganz konkret wissen wollen, wo Aufga- (Zustimmung bei der SPD - Christian benkritik im eigentlichen Sinne stattgefunden hat, Dürr [FDP]: Nur eines! Ich will doch wo Aufgaben überprüft wurden und festgestellt nur eines hören!) wurde, ob sie abgeschafft, privatisiert oder kom- munalisiert werden konnten, frage ich die Landes- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: regierung vor dem Hintergrund des Prozesses, den sie im Herbst 2013 begonnen hat, nämlich einen Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- Lenkungsausschuss auf Staatssekretärsebene frage - auch seine zweite - stellt Herr Kollege Bo- und Projektgruppen in allen Ressorts der Landes- de, FDP-Fraktion. Bitte! regierung einzurichten und insgesamt 130 Be- schäftigte mit dem Thema Aufgabenkritik zu befas- Jörg Bode (FDP): sen, vor dem Hintergrund dieses Prozesses, - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass Ministerpräsident Weil Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: in seiner Regierungserklärung bei der Aufgabenkri- tik auch angekündigt hat, die Notwendigkeit von Nein, es gibt nur zweimal „vor dem Hintergrund“, Aufgaben zu überprüfen, der Innenminister das für Herr Kollege, jetzt die Frage! den Prozess bestätigt hat und Ministerpräsident

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Weil ja sagte, er sei mit dem Ergebnis sehr zufrie- (Jörg Bode [FDP]: Muss ich dafür jetzt den, frage ich die Landesregierung, da sich die nach Bückeburg gehen? Das wird ja bisher dargestellten Bereiche in der Antwort aus- nicht mal nachgeliefert!) schließlich auf Organisationskritik, Organisations- veränderung und Arbeitsplatzverdichtung bezie- Christian Grascha (FDP): hen: Welche konkreten Aufgaben haben Sie bei Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle- dem Prozess als überflüssig identifiziert und abge- ginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass schafft? - Bitte stellen Sie dies nach Ressorts dar! zur Umsetzung der Aufgabenkritik ein Lenkungs- (Zustimmung bei der FDP) ausschuss unter dem Vorsitz des Chefs der Staatskanzlei eingerichtet wurde, der im Jahre Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: 2013 am 1. August, 2. September, 16. September, 30. September, 29. Oktober, 25. November, Vielen Dank. - Es antwortet Herr Innenminister 16. Dezember und im Jahre 2014 am 11. und Pistorius. Bitte! 26. Februar, 17. März und 14. Juli getagt hat, frage ich die Landesregierung: Wenn die Aufgabenkritik Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: doch so erfolgreich gelaufen ist, wie es die Lan- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und desregierung hier darzustellen versucht, warum Herren! Lieber Herr Bode, ich habe bei der Beant- hat der Lenkungsausschuss am 14. Juli 2014, also wortung der Mündlichen Anfrage gleich zu Anfang auch weit vor der Flüchtlingskrise, das letzte Mal einige Beispiele allein aus dem Bereich der Polizei getagt und seitdem nicht mehr? aufgeführt, beginnend bei der Polizeikleidung. (Zustimmung bei der FDP) (Christian Grascha [FDP]: Sie haben nur Beispiele aus der Polizei aufge- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: führt! - Zuruf von Jörg Bode [FDP]) Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Für Landes- - Sie haben gerade nach konkreten Beispielen regierung antwortet Herr Minister Pistorius. Bitte! gefragt. Deshalb wiederhole ich es jetzt. Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Einen Moment, bitte! - Jetzt antwortet der Minister, Herren! Wenn ich richtig informiert bin, war die und Sie müssen dann in der Rolle des Zuhörenden letzte Sitzung im Juni 2015 und nicht im Juni 2014. verharren. (Christian Grascha [FDP]: Dann ist Ih- (Christian Grascha [FDP]: Das ist be- re Antwort falsch! - Und wann findet dauerlich!) die nächste Sitzung statt?)

Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Jeder ist seines Glückes Schmied. Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest: Es liegen keine weiteren Wortmeldun- Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Es gibt in gen für Fragen vor. Es ist 11.52 Uhr. Damit ist die allen Bereichen Beispiele. Ich habe für meinen Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet. Bereich einige sehr konkrete Beispiele genannt, wozu die Aufgabenkritik erfreulicherweise hat füh- Die Antworten der Landesregierung zu den Anfra- ren können. Die Reihe dieser Beispiele ließe sich gen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konn- in jedem Ressort fortführen. Jeder Kollege ist dazu ten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäfts- in der Lage, Ihnen die Beispiele zu nennen. ordnung zu Protokoll gegeben. Sie stehen Ihnen in Kürze im Intranet und im Internet als unkorrigierte (Jörg Bode [FDP]: Dann bitte! - Jörg Drucksache elektronisch zur Verfügung.1 Hillmer [CDU]: Dazu sind Sie aufge- fordert!) (Unruhe)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: 1 Vielen Dank. - Nun stellt Herr Kollege Grascha für Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 50, die nicht in der die FDP-Fraktion ebenfalls seine zweite Zusatzfra- 114. Sitzung des Landtages am 24. November 2016 be- ge. Bitte! handelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in der Drucksache 17/6970 abgedruckt.

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Den nächsten Tagesordnungspunkt rufe ich erst bauen zu können, verwendet. Geschadet hat dies auf, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Ich bitte, auch die bislang niemandem. Beratungen an der Regierungsbank zügig zu be- denken. Eine derartige Verordnung, die Handwerker und den Mittelstand über Gebühr belastet und keinen Ich rufe jetzt auf den Nutzen spendet, sondern nur Kosten verursacht - man spricht von Entsorgungskosten von 3 000 bis 6 000 Euro pro Tonne -, muss wieder abgeschafft Tagesordnungspunkt 26: werden. Erste Beratung: Handwerksbetriebe entlasten - Änderung der (Beifall bei der FDP - Volker Bajus Abfallverzeichnis-Verordnung zurücknehmen - [GRÜNE]: Es ist nicht zu fassen!) Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6895 - Kollege Bajus, Sie sagen: Es ist nicht zu fassen.

Ich bin Ihrem eigenen Minister dankbar, dass er in Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen den vergangenen Wochen immer wieder die Be- Dr. Hocker für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte! reitschaft gezeigt hat, über diese Verordnung kri- tisch nachzudenken. Sehr geehrter Herr Minister Dr. Gero Hocker (FDP): Wenzel, da scheinen Sie deutlich weiter zu sein als einige Vertreter Ihrer eigenen Fraktion. Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man erlebt es manchmal in (Beifall bei der FDP) der Umweltpolitik, dass eine Technologie, eine gelebte Praxis, die seit vielen Jahren in der An- Wir stehen ja erst am Beginn der Beratungen. Aber wendung ist und an der über viele Jahre, manch- ich sage Ihnen: Da draußen steht den Mittelständ- mal Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte eigentlich lern das Wasser bis zum Hals. Auf vielen Betriebs- niemand Anstoß genommen hat, quasi über Nacht höfen türmen sich riesengroße Halden von Styro- diskreditiert wird, weil es irgendwo auf der Welt porabfällen. Deswegen ist auch in diesem Hohen eine Untersuchung, ein Gutachten oder eine Stu- Hause Eile geboten. Auch den Handwerkern steht die mit der Behauptung gibt, dass diese Technolo- das Wasser bis zum Hals. gie, dieses Baumaterial oder dieser Prozess Män- Deswegen beantrage ich für meine Fraktion, dass gel aufweist und gefährlich für Umwelt und Ge- wir nicht den langen Weg und das lange Verfahren sundheit sei. über die Beratungen im Umweltausschuss anstre- Wir haben seit März dieses Jahres die Situation, ben, sondern dass wir hier heute eine sofortige dass Styropor in den Fokus von vielleicht übereifri- Abstimmung herbeiführen. gen Bürokraten geraten ist. Seit dem 1. Oktober Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. müssen Styroporabfälle bei Abriss- und Sanie- rungsarbeiten getrennt gelagert, getrennt abtrans- (Beifall bei der FDP) portiert und getrennt entsorgt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Belas- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: tung für unsere mittelständischen Handwerksun- Vielen Dank, Herr Kollege Hocker. - Nun hat das ternehmen in Niedersachsen, die die zu stemmen Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr nicht in der Lage sind und die keinen Nutzen für Kollege Bajus. die Umwelt oder die Gesundheit spendet. Deswe- gen, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss diese Verordnung möglichst schnell wieder Volker Bajus (GRÜNE): abgeschafft werden. Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HBCD wurde lange Zeit als Flamm- (Beifall bei der FDP) schutzmittel in Dämmplatten eingesetzt; kein Zwei- Man muss sich das einmal auf der Zunge zerge- fel. HBCD ist aber ein Umweltgift. Es ist extrem hen lassen: Ein Dämmstoff, der ganz bewusst so langlebig, verbreitet sich über weite Entfernungen entwickelt worden ist, dass er nur schwer entzünd- und reichert sich in Organismen von Menschen lich und schwer brennbar ist, muss jetzt thermisch und Tieren an. entsorgt werden. Man hat diesen Dämmstoff jahr- (Gabriela König [FDP]: Richtig!) zehntelang mit bester Absicht, energieeffizient

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Die bromhaltige Verbindung wurde sogar schon in genbetreiber dies zunächst nur zögerlich umge- der Arktis nachgewiesen, weitab von jeder Indust- setzt. Daher hat das MU jetzt das Gespräch mit rie. den Betreibern gesucht. Nunmehr nehmen die ersten MVAs in Niedersachsen diese Abfälle wie- HBCD steht u. a. im Verdacht, fortpflanzungs- der zur Verwertung an. Dazu wird der Minister mit schädlich zu sein, und wurde mit der Chemikalien- Sicherheit gleich noch mehr sagen. verordnung REACH als besonders besorgniserre- gend eingestuft. Deswegen ist HBCD seit 2013 Meine Damen und Herren, wegen der neuen Bun- weltweit verboten. desregelung gab es einen kurzzeitigen Entsor- gungsengpass, den die Landesregierung mittler- Dass die FDP-Fraktion hier schlauer zu sein weile behoben hat. scheint als die weltweiten Umweltexperten, finde ich schon sehr erstaunlich. Zu glauben, dass unser Das alles ist auf einem guten Weg. Das war es Minister nicht vorneweg an die Umwelt denkt, wie auch schon zu dem Zeitpunkt, als dieser Antrag auch unsere Fraktion, finde ich noch viel erstaunli- eingebracht wurde, was Sie aus den Antworten der cher. Hiermit dokumentieren Sie einmal mehr, Landesregierung zu Ihren eigenen Anfragen hätten dass Ihnen die Umwelt offensichtlich egal ist. entnehmen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP- Ich gehe daher davon aus, dass dieser Antrag Fraktion, es wäre doch grob fahrlässig, die Augen nicht auf die realen Entsorgungsengpässe, son- nun zu verschließen. Die HBCD-haltigen Dämm- dern eher auf einem akuten Antragsnotstand in der platten wurden natürlich auch in Niedersachsen FDP-Fraktion zurückzuführen ist. Ehrlich wäre es verwendet und werden jetzt bei Sanierungsarbei- daher, Sie würden nicht die sofortige Abstimmung ten ersetzt. Aber es muss doch eine Entsorgung beantragen, sondern Ihren Antrag zurückziehen. ohne Schäden für Mensch und Umwelt sicherge- stellt werden. Darum geht es doch. Deshalb ist die Vielen Dank, meine Damen und Herren. nunmehr vorgenommene Einstufung von mit (Beifall bei den GRÜNEN und bei der HBCD ausgerüsteten Dämmplatten als gefährli- SPD) cher Abfall völlig richtig; denn es geht um die Ge- sundheit von Menschen. Das muss uns doch am Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: wichtigsten sein. Das können Sie hier doch nicht allen Ernstes vertreten! Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Auf Sie gibt es eine Kurzintervention der Kollegin Frau König, Die nun von Ihnen geforderte Rücknahme der FDP-Fraktion. Bitte! Abfallverzeichnis-Versordnung geht völlig am Problem vorbei. Sie löst keine Probleme, sondern Gabriela König (FDP): sie verschärft sie zulasten von Mensch und Natur. Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Was im dringenden Interesse des Handwerks und Herren! Ich möchte Herrn Bajus einmal fragen, ob des Baugewerbes tatsächlich notwendig ist, ist er überhaupt über die Situation informiert ist, die eine schnelle Behebung des entstandenen Entsor- wir im Moment vor Ort vorfinden. HBCD ist ein gungsengpasses. Da sind wir komplett bei Ihnen. sehr hochgiftiger Stoff, der zum Teil in den Polysty- Die Betonung liegt dabei allerdings auf „schnell“. rolen an den Wänden der Häuser klebt, vom Re- Die von Ihnen geforderte Bundesratsinitiative wäre gen ausgewaschen wird und in den Untergrund jedoch genau das nicht, nämlich keine ausrei- gelangt. Haben Sie sich darüber schon einmal chende schnelle Hilfe. Gedanken gemacht?

Wie Lesewillige den Antworten in den Drucksa- Da wir davon ausgehen, dass dieser Stoff auf chen 6785 und 6855 entnehmen können, hat das 800 Millionen m2 unserer Häuser klebt, möchte ich Umweltministerium bereits frühzeitig Maßnahmen von Ihnen gerne wissen, wie diese Situation beho- ergriffen. Polystyrolabfälle mussten auch schon in ben werden kann und wie Sie dieses Zeug entsor- der Vergangenheit thermisch entsorgt werden. Das gen wollen, wenn es mit Schimmelpilzen belastet Umweltministerium hat nun im Vorgriff auf die neue ist und von den Häusern wieder abgenommen Bundesregelung für ein unbürokratisches Anzeige- werden muss. Sind die Häuslebauer, die ihre Häu- verfahren gesorgt, mit dem sich Abfallverbren- ser unter völlig anderen Voraussetzungen mit die- nungsanlagen für die Verwertung dieser Dämm- sem Material bestückt haben, damals darüber stoffe qualifizieren können. Leider haben die Anla- informiert worden, was sie hinterher möglicher-

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weise zahlen müssen, wenn sie das ganze Zeug platten insbesondere am Anfang für Irritationen wieder entsorgen müssen? gesorgt. Auch gab es dazu Anfragen von Abge- ordneten der Fraktionen der CDU und der FDP. An (Beifall bei der FDP) dieser Stelle wurde dann aber auch für Klarheit gesorgt. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank, Frau König. - Herr Bajus möchte Wir wissen, dass Styropordämmplatten vom Bund Ihnen antworten. Bitte, Herr Bajus! als gefährlicher Stoff deklariert worden sind. Diese müssen nun bei Sanierungsarbeiten und bei Ab- Volker Bajus (GRÜNE): brucharbeiten auf Baustellen gesammelt, doku- mentiert und an Entsorgungsfirmen zur thermi- Danke. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- schen Entsorgung weitergereicht und an der Stelle ren! Vielen Dank, Frau König, für diese Interventi- natürlich auch gesondert abtransportiert werden. on; denn Sie haben Ihre Ansprache mit dem Hin- Das bedeutet natürlich auch, dass das Handwerk weis darauf eingeleitet, dass es sich um einen vor gewisse Entsorgungsprobleme gestellt wird. hochgiftigen Stoff handelt, dessen Entsorgung Sie Denn die Entsorgungsfirmen hatten zunächst kei- wiederum aus der Abfallverzeichnis-Verordnung, ne Genehmigung zur Entsorgung. Dann mussten also aus einem sicheren Weg, den der Bund jetzt diese Styroporabfälle zunächst dort gesammelt vorschreibt, herausnehmen wollen. werden. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Herr Zur Annahme der Abfälle mussten die Positivkata- Dr. Hocker genau das Gegenteil von dem, was Sie loge der Abfallverbrennungsanlagen um einen ent- sagen, formuliert hat. Er hat dazu aufgefordert, sprechenden Abfallschlüssel geändert werden. dass wir einen fahrlässigen Entsorgungspfad der Deshalb hat das Ministerium - das geht auch aus Vergangenheit wiederaufnehmen. Wir erleben ein- der Antwort auf die Anfrage hervor - bereits im mal mehr, dass wir die Sünden der Vergangenheit Vorfeld der Änderung am 22. Juli einen Erlass heute mit Verantwortung bewältigen müssen. Da herausgegeben, der auf unbürokratische Weise sind alle gefragt. durchaus die Möglichkeit zur Ergänzung des Posi- Es ist nun einmal so: Wer sich damals auf solche tivkatalogs im sogenannten Anzeigeverfahren er- Stoffe eingelassen hat - das haben wir alle an die- öffnet hat. ser Stelle vielleicht nicht gewusst, schon gar nicht In einem weiteren Erlass vom 30. September 2016 die Bauherrinnen und Bauherren; aber das gilt hat das MU zudem weiterhin festgelegt, dass ge- genauso für alles andere -, muss Verantwortung mischte Bauabfälle, die Wärmedämmplatten nur in dafür übernehmen. Wir müssen gemeinsam mög- untergeordneten Anteilen enthalten, fortgesetzt als lichst effiziente Lösungen dafür finden. Die können nicht gefährlicher Abfall in Verbrennungsanlagen aber doch nicht in allererster Linie zulasten der angenommen werden dürfen. Gesundheit und zulasten der Umwelt gehen, son- dern die müssen wir gemeinsam solidarisch lösen. Die Betreiber der Abfallverbrennungsanlagen hat- Das geht nicht so, wie Sie es vorschlagen. Wenn ten dann durchaus die Möglichkeit zur rechtskon- Sie sagen, das sei giftiges Zeug, dann muss man formen Entsorgung der betreffenden Abfälle, die mit diesem Gift verantwortungsvoll umgehen. Aber ihnen durch die Erlasse eröffnet worden ist. Aber das wollen Sie offensichtlich nicht. Das tut mir leid. sie haben trotzdem die Abfälle nicht entsorgt - aus welchem Grund auch immer. Das stellte natürlich Vielen Dank. die Entsorger vor noch größere Probleme. Aus (Zustimmung von Karsten Becker [SPD]) diesem Grund - das ist auch aus der Antwort auf die Anfrage nachvollziehbar - hat das MU wieder Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: ein Gespräch mit den Betreibern der niedersächsi- Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Für die SPD- schen Abfall- und Müllverbrennungsanlagen ge- Fraktion hat nun Herr Kollege Bosse das Wort. führt, um Probleme oder Irritationen, die es offen- bar gab, zu erkennen und zu deren Lösung beizu- Marcus Bosse (SPD): tragen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischenzeitlich hat der Betreiber der Abfallver- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist brennungsanlage in Hameln die Ergänzung des ja ein recht schlanker und recht schmaler Antrag. Abfallkatalogs beim Gewerbeaufsichtsamt in Hil- In der Tat hat die Entsorgung von Styropordämm- desheim angezeigt. Für die Abfallverbrennung in

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Hannover und in Helmstedt ist dies damals wohl Auch die privaten Entsorger dürfen sich hier ihrer auch in Aussicht gestellt worden. Verantwortung und Aufgabe nicht entziehen. Auch sie sind an dieser Stelle gefordert. Auf Nachfrage habe ich nun zumindest erfahren, dass in Niedersachsen mittlerweile drei Verbren- Insofern halte ich diesen Antrag - na ja, der ist nungsanlagen die Genehmigung haben, dass sie schon relativ schlank - und das, was darin steht - Müll mit einem Anteil von 20 % HBCD-Styropor das gilt insbesondere dafür, die Bundesratsinitiati- verbrennen dürfen. Die Standorte sind Helmstedt, ve zu ergreifen -, für, gelinde gesagt, völlig reali- Hannover-Lahe und Hameln. Diese nehmen jetzt tätsfern. übrigens auch Müll mit einem höherprozentigen Anteil von HBCD auf. Herzlichen Dank. Diese fehlenden Genehmigungen waren auch das (Beifall bei der SPD) Problem, warum die Sammelstellen in den Land- kreisen den Müll nicht mehr angenommen haben. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Sie hatten schlichtweg keine Möglichkeit, diese Vielen Dank, Herr Kollege. - Nun hat für die CDU- Stoffe anzunehmen und einer Verwertung, also der Fraktion Herr Kollege Bäumer das Wort. Bitte! Verbrennung, zuzuführen. Also klar muss doch sein, wenn ich jetzt zu Ihrem Martin Bäumer (CDU): Antrag komme, werte FDP-Fraktion: Styropor wird Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und weltweit verboten, ist als schädlicher Stoff, der die Herren! Als die Mondkapsel Apollo 13 damals auf Fortpflanzungsorgane schädigt, anerkannt, und dem Weg zum Mond war, funkte sie zur Erde: zwar weltweit. Houston, wir haben ein Problem.

(Volker Bajus [GRÜNE]: So ist das!) Nach vielen Gesprächen mit Handwerkern, die wir in den letzten Wochen führen konnten, muss ich Und die niedersächsische FDP schwingt sich auf ganz ehrlich sagen: Ich habe den Eindruck, Han- und erklärt: Nein, das ist nicht so! Weltweit haben alle unrecht! Die niedersächsische FDP hat recht! nover hat ein Problem. Wir müssen das weiter vorantreiben. - Das geht (Zustimmung von Jörg Bode [FDP]) doch nicht so, meine sehr verehrten Damen und Herren! Denn viele Handwerker beklagen die momentane Situation. Das Bild, meine lieben Kolleginnen und (Zustimmung bei der SPD - Dr. Gero Kollegen von SPD und Grünen, das Sie hier vorhin Hocker [FDP]: Herr Bosse, Sie haben gezeichnet haben: „Alles in Ordnung, alles auf keine Ahnung, wovon Sie reden!) dem Weg, alles im Fluss, keiner muss sich Gedan- Niedersachsen wird - so denke ich, ohne die Bera- ken machen“, stimmt de facto nicht, weil das Zeug tungen vorwegzunehmen - keine Bundesratsinitia- auf den Bauhöfen der Handwerker liegt und sie tive starten. nicht wissen, wohin sie damit sollen. Im Übrigen muss ich an dieser Stelle auch sagen: (Beifall bei der CDU und bei der FDP- Es gab leider Gottes auch im Baugewerbe immer Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Haben schon unterschiedliche und schwierige Materialien. Sie nicht zugehört?) Ich denke beispielsweise an ganze tolle Platten für Das wundert mich, meine sehr geehrten Damen Dächer, sogenannte Asbestplatten. Wir wissen und Herren, weil das Thema Polystyrol den Land- heute, wie gefährlich die sind. Die Entwicklung tag nicht erst seit heute beschäftigt. Meine Kolle- geht weiter. Wir treten doch nicht auf einer Stelle, ginnen und Kollegen und ich von der CDU- meine sehr verehrten Damen und Herren. Es kann Landtagsfraktion haben bereits am 23. September nicht sein, dass hier die Möglichkeit geschaffen 2013 eine Anfrage zu diesem Thema gestellt. Wir wird, dass nachweislich gefährliche Stoffe in die haben damals u. a. gefragt, wie die Entsorgungs- Umwelt gelangen und letzten Endes auch den wege für Polystyrol sein könnten. Die Antwort war: Menschen schädigen. Vielmehr müssen die beste- energetische Verwertung oder thermische Behand- henden Strukturen zwischen Sammelstellen und lung. Verbrennungsanlagen optimiert werden, um insbe- sondere auch den Handwerksbetrieben vor Ort zu (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Die CDU helfen. war früh dran!)

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Aber nach der Situation, die wir heute haben, kann Auffassung die FDP auf dem richtigen Weg, weil man den Eindruck bekommen, dass das damals sie das Thema hier anspricht und eben nicht die alles hoch theoretisch beantwortet worden ist, aber Augen vor dem verschließt, was draußen passiert. im Detail schon damals keine Gespräche geführt Wenn Sie ehrlich wären - das gilt gerade auch für worden sind. Ich wage einmal die These: Wenn die Kolleginnen und Kollegen von der SPD -, man das damals besser angepackt hätte, wenn müssten Sie ja sagen, dass der Bundesrat diese man Gespräche mit den Handwerkern geführt neue Regelung gegen die Empfehlung des Bun- hätte, wenn man gewusst hätte, was da noch desumweltministeriums eingeführt hat, gegen Frau kommt, dann wäre die Situation heute eine andere. Hendricks, ihres Zeichens SPD-Bundesumweltmi- (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Genau!) nisterin, die davor gewarnt hat, das so zu machen, und die im Oktober noch einmal eindringlich appel- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: liert hat: Liebe Bundesländer, nehmt das bitte zu- Herr Kollege Bäumer, lassen Sie eine Frage des rück, weil das in der Tat zu Problemen führt! Kollegen Bajus zu? Wenn das alles so einfach wäre, lieber Herr Kolle- ge Bajus und lieber Herr Kollege Bosse, dann hät- Martin Bäumer (CDU): te das Land Niedersachsen nicht drei Erlasse ge- Aber gern. Ich weiche ja Fragen nicht aus - wie braucht, um das Ganze im Detail zu regeln, näm- andere Kollegen. lich die Erlasse vom 22. Juli, vom 30. September (Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Was und vom 31. Oktober. soll das denn heißen?) (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Viel zu spät gehandelt!) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Bitte, Herr Kollege Bajus! Drei Erlasse, mit denen dreimal nachgebessert werden musste, in denen dreimal erklärt werden Volker Bajus (GRÜNE): musste, was eigentlich solche Abfälle sind, wie Vielen Dank, Herr Bäumer, dass Sie mir die Gele- man mit denen umgehen muss, was man machen genheit geben. Sie haben ja gerade selber das kann, wenn man vielleicht nur 20 % Volumen in Bild mit der NASA bemüht. Dann würde ich hier an einem großen Container hat, und was 20 % sind. dieser Stelle einmal den Fly Control fragen: Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, mein deutlicher Eindruck: Hier ist im Detail (Heiterkeit und Zustimmung bei der schlampig gearbeitet worden. Das geht besser. SPD) (Zustimmung bei der CDU und bei der Wenn Sie uns unterstellen, wir hätten nicht gesagt, FDP) es gebe ein Problem - ich habe in meiner Rede zweimal von Versorgungsengpässen gespro- Wenn das Thema erledigt wäre, gäbe es ja auch chen -, was wäre denn dann, wenn Apollo 13 ein nicht bundesweit Schlagzeilen. Kieler Nachrichten Problem hat und von Entsorgungsengpässen ge- vom 22. November: „Irrsinnsregelung verärgert sprochen wird? Was ist das denn anderes als „Es Dachdecker“. Schwarzwälder Bote vom 21. No- gibt ein Problem“? vember: „Wegen Styropor auf den Barrikaden“. n-tv vom 22. November: „Stillstand auf der Baustel- Martin Bäumer (CDU): le - Styropor blockiert Dachdecker“. FinanzNach- Lieber Kollege Bajus, Sie handeln da eher so ein richten vom 21. November: „Neue Styropor-Ver- bisschen wie „Major Tom“. ordnung bedroht viele Dachdeckerjobs“ und Bild vom 21. November: „Wegen Ökorichtlinie: Dach- (Heiterkeit und Zustimmung bei der deckern drohen Massenentlassungen“. CDU und bei der FDP) Meine sehr geehrten Damen und Herren, so sieht Sie machen sich schöne Gedanken. Sie schwim- es aus, wenn Umweltministerien in Deutschland men auf der Neuen Deutschen Welle. Sie sagen: mit heißer Nadel Dinge stricken, die vor Ort dafür „Das ist alles kein Problem, das kommt schon!“ sorgen, dass es riesige Probleme gibt! Aber das kommt ja nicht von allein. Das war das, was ich Ihnen deutlich machen wollte. Es kommt Deshalb - darauf ist vorhin ja schon hingewiesen nicht von allein. Es braucht jetzt eines deutlichen worden - haben mein Kollege Stephan Siemer und Impulses durch den Staat. Da ist nach unserer ich am 4. Oktober eine Anfrage gestellt, um die

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ganze Situation zu klären. Es sind schon riesige Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse Mengen, die da unterwegs sind: bundesweit zusammen: Die Handwerker sind irritiert. Die 42 000 t pures Polystyrol und ca. 35 000 t an ge- Marktpreise für die Entsorgung von Polystyrol sind mischten Abfällen. Nach dem Königsteiner Schlüs- explodiert. Und das Ministerium schreibt einen sel kann man davon ausgehen, dass davon unge- Erlass nach dem anderen. Apollo 13 hat das Pro- fähr 10 % auf Niedersachsen entfallen. blem damals übrigens gelöst. Die Astronauten sind heil und gesund auf die Erde zurückgekehrt. Ich (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!) unterstütze den Kollegen Hocker im vollen Um- fang, der gesagt hat, wir sollten heute sofort ab- Nun sagt das Land Niedersachsen: Alles kein stimmen. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, Problem. Das kann man verbrennen. - Die Ab- was Sie ja so gerne tun: Die CDU in Niedersach- fallentsorger sagen: Das kann man. Aber wir wol- sen ist für Umweltschutz. len das nicht. - Wissen Sie, warum die das nicht wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren? - (Zurufe von der SPD und von den Wenn man diese Stoffe erstens sammelt und in GRÜNEN: Oh!) Konzentration pur anliefert, dann ist das ein hoch- kalorischer Brennstoff, der dafür sorgt, dass jede - Ja, manchmal schneller als Sie. Erinnern Sie sich Temperaturkurve in den Abfallbehandlungsanla- noch an das Thema „Mikroplastik“ im letzten Jahr? gen hochgeht. Das ist gewissermaßen so, als wür- - Da waren wir deutlich vor Ihnen. Das aber haben den Sie da Öl reinspritzen. Das facht dann auf, Sie gar nicht erkannt. Da brauchten Sie ein biss- und das können die sich nicht leisten. Deswegen chen Nachhilfe von uns. können die das gar nicht in der Form verwerten. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Genau!) Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!) Kommen Sie mir nicht so, meine Kolleginnen! Das Zweite ist: Um das zu verwenden, muss man Nicht an einem Donnerstag; da bin ich fit. die Betriebserlaubnis ändern. Damit aber tun sich viele Müllverbrennungsanlagen sehr, sehr schwer; (Zurufe von der SPD - Glocke der denn sie sagen: Mein Gott, was passiert denn da? Präsidentin) - Deswegen ist das Land dringend darauf ange- wiesen, dass man das tut. Vielleicht hätte man im Also, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir Vorfeld mit den Betreibern dieser Anlagen etwas sind für Umweltschutz. Wir sind dafür, dass man besser sprechen können. Dann hätten wir diese mit solchen Stoffen vorsichtig umgeht. Dann muss Situation nicht gehabt; denn die Preise für die Ent- man es auch in der Ausführung vernünftig ma- sorgung lagen vor diesem Notstand bei 200 Euro chen. Insofern ist „gut gemeint“ in diesem Falle das pro Tonne. Aktuell liegen sie jetzt zum Teil bei Gegenteil von „gut gemacht“. Wir sind für eine 4 000 Euro. Angesichts dessen kann ich verste- sofortige Abstimmung. hen, dass die Handwerker sagen: Mein Gott, was Vielen Dank. kommt da auf uns zu? (Beifall bei der CDU und bei der FDP - (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!) Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig! Sehr gut!) Wenn man dann liest, was in der Antwort auf die Anfrage, die mein Kollege Stephan Siemer und ich gestellt haben, steht, kann man schon ein biss- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: chen nachdenklich werden. Da steht nämlich: Es Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Das Wort für konnte nicht damit gerechnet werden, dass die die FDP-Fraktion hat noch einmal Herr Kollege Anlagenbetreiber diese unbürokratische Möglich- Dr. Hocker. Sie haben 3:52 Minuten. keit nicht nutzen würden. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist das denn für ein Ver- Dr. Gero Hocker (FDP): waltungshandeln? Was ist das denn für eine Poli- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen tik? - Es konnte nicht damit gerechnet werden! - und Herren! Verehrter Herr Kollege Bajus, Sie ha- Frau Hendricks hat damit gerechnet. Frau Hend- ben hier mit einer gewissen Süffisanz Bilder be- ricks, lieber Herr Kollege Bosse von der SPD, hat müht, die meines Erachtens nicht der Relevanz Ihnen klar gesagt, was da passiert. Sie haben es dieses Themas gerecht werden. Irgendwelche aber nicht getan. Hollywood-Filme zu bemühen, um dieses Thema

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in die Lächerlichkeit zu ziehen, ist völlig unange- (Dr. Gero Hocker [FDP]: Ein bisschen messen. mehr Fakten haben Sie eben ange- mahnt, Herr Minister! - Christian Dürr (Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das war [FDP]: Wollen Sie jetzt polemisieren, der Kollege Bäumer, nicht Herr Bajus! oder wollen Sie über Fakten spre- - Weitere Zurufe von den GRÜNEN) chen? - Weitere Zurufe - Unruhe) Ich sage Ihnen eines: Sprechen Sie mal mit den - Ja, ja, ich komme noch darauf. Hunderten von Arbeitnehmern in den handwerkli- chen Betrieben da draußen, die jetzt Angst davor (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Polemik haben, dass sie in wenigen Monaten keinen Ar- hilft da auch nicht weiter!) beitsplatz mehr haben, weil von ihren Arbeitgebern - Ich habe nur gesagt: Ich sehe Ihnen das ja nach. keine Aufträge mehr angenommen werden kön- nen, da die Entsorgungsproblematik nicht gelöst (Zuruf von Dr. Stephan Siemer [CDU]) ist! Sprechen Sie einmal mit den Häuslebauern, deren Bauvorhaben jetzt um viele Tausend Euro - Moment, Herr Siemer, hören Sie doch mal zu! teuer wird! Vor diesem Hintergrund finde ich es komplett unangemessen, wenn Sie hier irgendwel- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: che Witzchen machen, meine sehr verehrten Da- Keine Dialoge hier vorne! Jetzt hat nur Herr Minis- men und Herren. ter Wenzel das Wort. Ich werde hier erst fortfahren, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist. (Beifall bei der FDP) Ein weiterer Satz hat mich eben aufhorchen las- Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und sen, und zwar ein Satz des geschätzten Kollegen Klimaschutz: Bosse, den ich gerade nicht sehe. - Doch, da ist er; Und Herr Siemer - - - er winkt mir gerade zu. Vielen Dank. Herr Kollege Bosse, Sie haben eben gesagt - ich Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: habe vorhin sehr genau zugehört und habe es mir Einen Moment noch, bitte, Herr Minister! - Bitte! aufgeschrieben -, Styropor sei auf der ganzen Welt verboten. Ich möchte von Ihnen gern wissen, in Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und welchen Ländern Styropor verboten ist. Klimaschutz: Vielen Dank. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Siemer, Ihre Fraktion ist ja auch im Bundes- Volker Bajus [GRÜNE]: Wer macht tag vertreten. Von daher wäre es einmal interes- hier alberne Witze? Hä? Unglaublich!) sant, zu gucken, wie sich die Bundesregierung verhalten hat, als man festgestellt hat, dass Hexa- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: bromcyclododecan als persistenter Stoff einzustu- Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Herr Kol- fen ist. Mir ist nicht bekannt geworden, dass die lege Bajus! - Nun hat das Wort für die Landesre- Bundesregierung dieser Einstufung widersprochen gierung Herr Umweltminister Wenzel. Bitte! hat. - Das ist Punkt 1. (Unruhe) (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Ist Frau Hendricks nicht Teil der Bundesregie- - Moment, bitte, Herr Minister! - Ich darf um Ruhe rung?) im Plenarsaal bitten. - Bitte, Herr Minister! - Moment, Herr Siemer! Es wäre vielleicht gut, Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und wenn Sie sich einmal informieren würden. Klimaschutz: Zum Zweiten sind die Länder für den Vollzug der Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- POP-Verordnung verantwortlich. Wir können nicht ren! Sehr geehrter Herr Dr. Hocker, eine Argumen- einfach sagen: Das setzen wir jetzt nicht um. - tation, die sich ein bisschen näher an den Fakten Vielmehr müssen wir das umsetzen. Wir haben orientiert, würde der Diskussion sicherlich helfen. das auch gemacht. Ich sehe Ihnen das aber nach, weil Ihre Fraktion (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Aber feh- auf Bundesebene ja nicht mehr vertreten ist. Von lerhaft!) daher - - -

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Dazu werde ich noch ausführen. Ich jedenfalls bin der Auffassung, dass wir hier eine gute Vorsorge getroffen haben. Wir bekom- Damit es jetzt aber beispielsweise bei Hausbesit- men durchaus auch sehr positive Rückmeldungen zern keine Unsicherheiten gibt: Es geht um den aus der Bauwirtschaft, wie ich Ihnen sagen kann. Zuschlagsstoff, der in der Vergangenheit Dämm- Ich habe sehr wohl auch mit Vertreterinnen und stoffen beigemischt wurde. Dazu gibt es eine Bro- Vertretern der Bauwirtschaft gesprochen. Der schüre des Umweltbundesamtes, in der z. B. aus- Markt und auch die Preise werden sich auf das geführt wird, wie man sich als Hausbesitzer verhal- Niveau, das hier normal und üblich ist, einpendeln. ten muss. Dort heißt es beispielsweise: Deswegen freue ich mich auf die Beratungen im „Wer in einem Haus mit HBCD-haltigen Ausschuss; denn ich kann Ihnen versichern, dass Dämmplatten wohnt, muss nach heutigem sich Niedersachsen hier überhaupt nicht verste- Kenntnisstand bei fachgerechter Anwen- cken muss und dass Niedersachsen alles getan dung keine negativen Effekte auf seine Ge- hat, um möglichst schnell eine Normalisierung des sundheit befürchten.“ Marktes zu erreichen.

Aber: Bei der Entsorgung muss man Sorge tragen, Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören. dass diese persistenten Stoffe eben nicht in die (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Nahrungskette kommen. SPD - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Al- (Gabriela König [FDP]: Falsch!) so machen Sie nix!)

- Ja, lesen Sie es nach. Ich habe es jetzt nicht in - Natürlich! Gänze zitiert, Frau König; Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Gabriela König [FDP]: Trotzdem Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, liebe falsch!) Kolleginnen und Kollegen.

denn es sind mindestens 30 Seiten, die ich Ihnen Die Fraktion der FDP hat für ihren Antrag in der hier jetzt nicht zumuten wollte. Ich wollte aber Drucksache 17/6895 beantragt, die zweite Bera- nichts unterschlagen. Ich kann Ihnen die Quelle tung und damit die Entscheidung über den Antrag gern an die Hand geben. sofort anzuschließen. Uns wurde signalisiert, dass Persistente Stoffe sollen eben nicht in die Nah- die Fraktionen bereit sind, dem Wunsch der An- rungskette gelangen. Deshalb ist hier dafür Sorge tragsteller nach sofortiger Abstimmung über den getragen worden, dass die bei der Entsorgung Antrag zu folgen. zerstört werden. Möglich ist das beispielsweise in (Zurufe von den GRÜNEN: Nein! Wir Abfallverbrennungsanlagen. widersprechen! - Helge Limburg Ich kann Ihnen auch sagen, dass Niedersachsen [GRÜNE]: Nö!) das erste Bundesland war, das entsprechende - Nein. - Aber ich sehe, dass das für die Fraktion Vorkehrungen getroffen und durch entsprechende der SPD zutrifft, für die CDU hat es Herr Bäumer Erlasse auch dafür gesorgt hat, dass sehr unbüro- erklärt - - - kratisch die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen wurden. Wir erwarten auch, dass die (Zurufe von der SPD: Nein! - Grant nun genutzt werden - auch von privatwirtschaftlich Hendrik Tonne [SPD]: Ausschuss- betriebenen Anlagen - und dass die Verantwortung überweisung!) für die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit - Alles klar. Das Ganze geht zurück. Es wurde in den Bereichen schneller wahrgenommen wird, in signalisiert, dass die Fraktion der SPD und die denen aufgrund früherer, häufig bundesweiter Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt doch eine politischer Entscheidungen die öffentliche Ab- Ausschussüberweisung wünschen. fallentsorgung ersetzt worden ist. Herr Bäumer, auch das ist ein Punkt, den man beachten sollte, (Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist uns in wenn man sich mit diesem Thema auseinander- zehn Jahren nicht passiert!) setzt. Ich komme daher zur Ausschussüberweisung. (Dr. Stephan Siemer [CDU]: Das hat Dies ist nach unserer Geschäftsordnung mit einem er sehr sorgfältig getan!) Quorum von 30 Mitgliedern möglich.

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Wer der Überweisung in den Ausschuss für Um- Vor noch nicht allzu langer Zeit sind wir davon welt, Energie und Klimaschutz zustimmen möchte, ausgegangen, dass wir von eklatanten Sicher- den bitte ich um ein Handzeichen. - Das notwendi- heitsproblemen und Attentaten verschont bleiben. ge Quorum ist erreicht. Terrorismus, Salafismus, Ausreisen junger Men- schen in Kriegsgebiete - das alles war weit weg. Ich rufe jetzt auf den Zwischenzeitlich sind diese Phänomene aber auch in Deutschland und damit natürlich auch in Nieder- sachsen angekommen. Die Absage des Karneval- Tagesordnungspunkt 28: umzuges in Braunschweig und des Fußballspiels Erste Beratung: in Hannover im letzten Jahr sind Ereignisse, die Reden und Handeln des Boris Pistorius: SPD- uns als Politik, aber auch den Polizeibeamtinnen Innenminister lassen die Muskeln spielen - In und -beamten sowie den Sicherheitsbehörden Niedersachsen schwächt der Innenminister die große Sorgen bereiten. Auch die breite Bevölke- Polizei - Antrag der Fraktion der CDU - rung ist natürlich dadurch verunsichert. Drs. 17/6898 Gerade war in einigen Presseartikeln zu lesen, dass Sie, Herr Innenminister Pistorius, bekannt ge- Zur Einbringung erteile ich Frau Kollegin Jahns das geben haben, dass es noch immer keine Klarheit Wort. über die Hintergründe zur Terrorwarnung bezüglich (Unruhe) des abgesagten Länderspiels gibt. - Ich darf alle, die der Beratung zu diesem Tages- Neue Formen der Kriminalität und Gewalt rufen ordnungspunkt nicht folgen möchten, bitten, den Entsetzen hervor, wie z. B. das sogenannte Grap- Plenarsaal zu verlassen, sodass wir gleich in Ruhe schen oder die Tat vom letzten Wochenende, die mit der Beratung beginnen können. - Einen Mo- in ihrer Grausamkeit und Brutalität eine Dimension ment noch, bitte, Frau Jahns! Ich gebe den Kolle- angenommen hat, die es aufs Schärfste zu verur- ginnen und Kollegen noch die Gelegenheit, den teilen gilt: Ein Mann bindet seine ehemalige Part- Plenarsaal zu verlassen. nerin mit einem Seil hinter sein Auto und schleift sie durch die Stadt. - Was ist das für ein Frauen- Bitte, Frau Kollegin! bild, das dahintersteckt!

Angelika Jahns (CDU): (Björn Thümler [CDU]: Ganz schlimm!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Das darf es in unserem Land nicht noch einmal spreche zu dem von der Präsidentin eben schon geben - so etwas darf in Niedersachsen nie wieder angeführten Antrag der CDU-Fraktion „SPD-Innen- passieren. minister lassen die Muskeln spielen - In Nieder- (Zustimmung bei der CDU - Petra sachsen schwächt der Innenminister die Polizei“. Emmerich-Kopatsch [SPD]: Wie will Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die man das denn verhindern?) Welt hat sich verändert. Deutschland hat sich ver- Deshalb gilt es, mit allen Kräften und notwendigen ändert. In benachbarten europäischen Ländern Maßnahmen die Sicherheit zu verstärken, die vor- regieren populistische Parteien und agieren Dikta- handenen Gesetze anzuwenden und, da, wo es toren. Einige Länder stehen vor Neuwahlen, die notwendig ist, sie zu verschärfen. Nur dann kön- weitere negative Entwicklungen und Rückschritte nen unsere Sicherheit und Freiheit gewährleistet für die von uns gelebte Demokratie bringen kön- werden. Dafür trägt der Innenminister dieses Lan- nen. Wie es in Amerika weitergeht, ist ebenfalls des einen Großteil der Verantwortung. nicht einzuschätzen. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich Deutschland war bisher und ist ein wichtiger und frage Sie: Warum entscheiden sich viele Men- verlässlicher Bündnispartner auch in Sicherheits- schen für Deutschland? Warum wollen sie hier fragen. Ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung ver- leben und hoffen hier auf Frieden? - Weil wir als traut dem Staat und seinen Sicherheitsbehörden. vorbildlich gelten in den Bereichen Demokratie und Unser Grundgesetz und die Einhaltung von Recht Meinungsfreiheit, Schule und Ausbildung und vie- und Ordnung sind große Stabilisierungsfaktoren. lem mehr. Aber vor allem auch die Bereiche innere Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es, zu Sicherheit und Einhaltung der Gesetze wurden bewahren. bisher als sehr positiv wahrgenommen. Das dürfen

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wir nicht aufs Spiel setzen durch falsch verstande- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Was ne Toleranz oder Inkonsequenz und eine Schwä- sind denn das für unangemessene chung der Sicherheitsbehörden, wie das gegen- Bilder!) wärtig in Niedersachsen passiert. Auch die Kritik und die öffentlich zur Sprache ge- Damit komme ich zum Punkt: Frau Präsidentin, brachten Sorgen der kommunalen Spitzenverbän- meine Damen und Herren, die SPD-Innenminister de und der Polizeigewerkschaften werden ignoriert haben sich in einer Tagung Anfang dieses Monats und mit Füßen getreten. dafür ausgesprochen, die Sicherheit zu stärken, Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. um unsere Freiheit zu bewahren. In ihrer Erklärung hierzu greifen sie viele Punkte auf, die der Bundes- Fangen wir mit dem Polizeigesetz an: Der Begriff innenminister in einem Maßnahmenpaket - z. B. „öffentliche Ordnung“ soll gestrichen werden, zur Terrorismusbekämpfung, aber auch im Rah- men der Verschärfung der Asylgesetze - vorgege- (Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!) ben hat und die die CDU-Innenminister bereits im obwohl die kommunalen Spitzenverbände und August aufgegriffen haben. Sie tragen dafür Sorge, Polizeigewerkschaften dies als wichtiges Instru- dass sie in ihren Ländern auch umgesetzt werden. ment ansehen, um z. B. in den Städten gegen (Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann aggressive Bettler oder gegen Alkoholkonsum im übernimmt den Vorsitz) öffentlichen Bereich vorgehen zu können. Leider setzt der Innenminister in Niedersachsen (Zustimmung bei der CDU) aber z. B. die Residenzpflicht nicht um. Abschie- Aber das interessiert den Innenminister wenig. Er bungen werden in Niedersachsen nur verhalten nimmt den Ordnungskräften dieses wichtige In- durchgeführt. Hier setzt man stattdessen auf die strument. Der Rundblick stellt hierzu sehr treffend freiwillige Rückkehr. Das ist zwar auch ein Instru- fest: Ordnungshüter müssen dann erst überlegen, ment; es entlastet aber die Kommunen letztendlich nach welchen Rechtsgrundlagen sie einschreiten nicht genug. können.

Niedersachsen mit seiner rot-grünen Landesregie- (Helge Limburg [GRÜNE]: Das ma- rung schießt mal wieder quer. Statt sich wie die chen die aber immer! Das ist so in ei- anderen Länder darum zu bemühen, das Vertrau- nem Rechtsstaat!) en in die innere Sicherheit wieder zu stärken und Verlässlichkeit, Konsequenz und Solidität in Staat Diese Gesetzesänderung ist zwar möglich, aber zu und Sicherheitsbehörden zu bringen, macht der welchem Preis! Innenminister genau das Gegenteil. Kleine Randbemerkung: Auch das Versammlungs- Herr Minister Pistorius, sonst ist bei besonderen recht soll geändert werden. Diejenigen, die eine Ereignissen ihr lauter Ruf sogar auf Bundesebene Demonstration anmelden, brauchen künftig nicht zu hören. Nach der Tagung der SPD-Innenminister mehr ihren Geburtsnamen und ihre Anschrift an- suchte man aber in den Medien vergeblich nach zugeben. Damit öffnet man der Nutzung von Fan- der Reaktion aus Niedersachsen, dass auch Sie tasienamen Tür und Tor. endlich eine Kurskorrektur in der Sicherheitspolitik Rot-Grün erklärt auf die Kritik der Polizeivertreter anstreben. und Kommunen, wie dann die Absprachen mit den (Beifall bei der CDU) Anmeldenden funktionieren sollen: Hier könnten sie ja ordnungsrechtlich vorgehen. - Aussage im Gerade vor dem Hintergrund, dass Niedersachsen Innenausschuss! z. B. mit der Terrorismusentwicklung oder der stei- genden Einbruchskriminalität zu kämpfen hat, hät- Andererseits schaffen Sie den Ordnungsbegriff ab. te man auf konkrete Vorschläge des Innenminis- (Helge Limburg [GRÜNE]: Aber nicht ters gewartet. Statt hier Aktivitäten zu entwickeln das Ordnungsrecht! Das Ordnungs- und sich den eigenen Kollegen anzuschließen, widrigkeitengesetz ist Bundesrecht! werden aber in Niedersachsen die Sicherheitsbe- Das können wir gar nicht abschaffen!) hörden geknebelt und den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten immer mehr Knüppel zwischen die Man glaubt es nicht: Der Innenminister greift auch Beine geworfen. hier nicht ein.

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Dafür wird eine Stelle für Beschwerden gegen die dafür, Herr Innenminister, dass die Ausstattung der Polizei eingerichtet, und die Einführung der Kenn- Polizei angepasst wird und die Beamten besser zeichnungspflicht ist beabsichtigt - ich bitte um geschützt werden! Aufmerksamkeit -, und zwar wegen Fehlverhaltens der Polizisten, meine Damen und Herren, (Zustimmung bei der CDU) (Gerald Heere [GRÜNE]: Ein bisschen Auch der Einsatz der Prognosesoftware zur Ein- Anstand bei der Argumentation, Frau bruchskriminalität hätte in Niedersachsen bereits Jahns!) erfolgt sein können. Auch wenn Sie, Herr Innenmi- nister, der Ansicht sind, dass Ihr damals modellhaft wie in einigen Statements der Grünen Jugend ausprobiertes Programm nicht zielführend war - es sowie der Jusos zu lesen ist. gibt in anderen Ländern bereits gute Erfolge damit. (Björn Thümler [CDU]: Was! Herr Bei einem entsprechenden Einsatz könnten Sie Limburg!) endlich positive Zahlen bei der Aufklärung bzw. Verhinderung von Einbruchsdelikten vermelden Das muss man sich wirklich mal auf der Zunge wie andere Länder auch. zergehen lassen. Gerade auch für die betroffenen Bürgerinnen und Die Grünen schlagen vor, die Pferde- und Hunde- Bürger, für die Opfer, die manchmal jahrelang staffeln abzuschaffen, weil ja die Demonstranten psychische Probleme haben, würde dies eine oder Fußballfans Angst vor den Tieren haben Stärkung des Sicherheitsgefühls bedeuten. Neh- könnten. men Sie sich die Empfehlungen Ihrer SPD-Kolle- (Björn Thümler [CDU]: Sollen sie ja gen zu Herzen, und knicken Sie nicht immer wie- auch!) der vor Ihrem grünen Koalitionspartner in Fragen der inneren Sicherheit ein! Wir brauchen ein siche- Herr Innenminister Pistorius, fragen Sie mal die res Niedersachsen. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, ob die Tiere zur Deeskalation beitragen können oder ob Aber auch in der Terrorismusbekämpfung sieht es die Hooligans oder Randalierer geschützt werden mau aus. Die vorhandenen Angebote aus den müssen. - Schützen Sie Ihre Beamten! Die Gewalt Zeiten der CDU/FDP-Regierung, wie z. B. NEIS, gerade bei Fußballspielen ist nicht mehr hinzu- haben Sie sofort aufgelöst. Die Broschüre „Is- nehmen. Die Respektlosigkeit gegenüber den Be- lamismus“ mit einem klaren Handlungskonzept zur amtinnen und Beamten wird immer größer, genau- Antiradikalisierung haben Sie eingestampft. Das so wie die Handgreiflichkeiten gegenüber dem Programm „Verfassungsschutz macht Schule“ war Sicherheitspersonal. Die Fehlentscheidungen die- bei Ihnen verpönt. Mittlerweile müssen Sie erken- ser Landesregierung und der sie tragenden Frakti- nen, dass sich Niedersachsen zu einer Hochburg onen in Sicherheitsfragen sind mittlerweile ein der Ausreisen entwickelt hat. Herr Minister Pistori- großes Risiko für dieses Land. us, Sie haben fast vier Jahre gebraucht, um die Der Gipfel Ihrer Fehlentscheidungen, Herr Innen- Kompetenzstelle zur Islamismusprävention einzu- minister, ist allerdings die Anweisung, dass vor und richten. Auch der Verein beRATen hat erst im letz- nach Polizeieinsätzen das Pfefferspray gewogen ten Jahr seine Arbeit aufgenommen. werden muss. Herr Minister Pistorius, machen Sie Bei der Diskussion zur Vollverschleierung der diesem Irrsinn der Vorgaben für und gegen die Schülerin in Belm haben Sie vorgestern - am Tag Polizei ein Ende! der Diskussion! - mitgeteilt, einen Erlass an die (Beifall bei der CDU) Kommunen zum Umgang mit Koranständen und der „Lies!“-Verteilaktion geschickt zu haben. Ein Erschweren Sie Ihren hoch motivierten Kräften Schelm, wer Böses dabei denkt! Es lässt tief bli- nicht mit solch einem Tohuwabohu die Arbeit! cken, dass gerade am Tag der Landtagsdebatte (Björn Thümler [CDU]: Genau! - Julia dieser Erlass herausgegeben wird; denn dieses Willie Hamburg [GRÜNE]: Worüber Thema beschäftigt den Innen- und Verfassungs- beschweren sich die Polizeigewerk- schutzbereich seit langer Zeit. Also auch hier viel schaften eigentlich gerade?) zu spätes Handeln, Herr Minister! Es gibt aber auch noch anderen Bereiche, in de- Auch beim Thema Verfassungsschutz gibt es er- nen Niedersachsen längst weiter sein könnte. Der hebliche Defizite und Fehleinschätzungen. Herr Einsatz von Bodycams zieht sich hin. Sorgen Sie Innenminister Pistorius, im Zusammenhang mit

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den Speicherungen von Minderjährigen mussten Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Sie durch die Messerattacke auf den Polizisten in Frau Kollegin, kommen Sie jetzt zu Ihrem Schluss- Hannover zur Kenntnis nehmen, dass es eben satz! auch jüngere Täterinnen und Täter geben kann. Weil es immer wieder im Rahmen von Themen der Angelika Jahns (CDU): inneren Sicherheit, insbesondere aber zur Terro- Ja. rismusszene in Niedersachsen, an Transparenz und Information durch das Innenministerium man- Intensivieren Sie Cyberermittlungen gegen extre- gelt, mussten wir als sozusagen letztes Mittel zu mistische Propaganda in sozialen Netzwerken! Er- einem Untersuchungsausschuss greifen. Da wird möglichen Sie auch die Quellen-TKÜ! dann durch Herrn Innenminister Pistorius und sein (Jörg Bode [FDP]: Was?) Ministerium in den Polizeiinspektionen verbreitet, dass ein hohes Maß an Aktenmaterial zusammen- Unterstützen Sie Sensibilisierung gegen Extre- gestellt werden müsse. Dies lähme natürlich den mismus! normalen Arbeitsalltag der Polizeibehörden. In Meine Damen und Herren! Herr Minister Pistorius, Wirklichkeit aber veranlassen Sie, Herr Minister, Sie haben vor Kurzem von einer neuen Fehlerkul- dass zwischenzeitlich mehr als 200 Mitarbeiter an tur innerhalb der Polizei gesprochen. Zeugenschulungsmaßnahmen teilnehmen muss- ten, damit sie als Zeugen nichts Falsches aussa- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: gen können. Frau Kollegin, Sie müssen Ihre Rede jetzt been- (Beifall bei der CDU den. Sie haben über eine Minute überzogen. Dieser Kosten- und Personalaufwand, meine Da- men und Herren, ist unverantwortlich, Angelika Jahns (CDU): (Petra Tiemann [SPD]: Ihr macht doch Daran werden auch Sie sich an der Spitze des die Zeugen fertig!) Ministeriums und als Dienstherr messen lassen müssen. Wir werden Sie daran messen! zumal viele dieser Personen überhaupt nicht als Zeugen infrage kommen. Danke schön. (Jörg Bode [FDP]: Genau!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Das, meine Damen und Herren, ist Verschwen- dung von Kosten und Arbeitskapazität. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Jahns. - Es hat jetzt das Wort (Beifall bei der CDU - Petra Tiemann für die SPD-Fraktion Kollege Karsten Becker. [SPD]: Wer will denn die Zeugenliste haben? Sie! Wie kann man denn das (Petra Tiemann [SPD] und Michael so verdrehen? Ihr streut Misstrauen!) Höntsch [SPD]: Jetzt kommt Qualität!) Apropos Zeugenaussagen. Diese blockieren Sie, (SPD): wo es nur geht. Das schafft kein Vertrauen und ist Karsten Becker kein guter Stil. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In der vorvergangenen Woche ist (Petra Tiemann [SPD]: Ihr schafft kein der Begriff „post-truth politics“ von der Redaktion Vertrauen!) der Oxford Dictionaries zum internationalen Wort Meine Damen und Herren, die Liste von Defiziten des Jahres gewählt worden. Der Begriff zielt auf im Bereich der inneren Sicherheit in Niedersach- die Qualität der politischen Debatte und beschreibt sen ließe sich noch lange fortführen. Da kann man einen politischen Diskurs, in dem die Wahrheit nur sagen: Pleiten, Pech und Pannen. - Es gab keine Rolle mehr spielt, weil einzelne Protagonis- Ermittlungsfehler bei den RAF-Überfällen, beim ten darauf beharren, ihre gefühlte Wahrheit stimme Mord im Kloster-Fall, bei der Auslesung der Han- zwar nicht mit den Fakten überein, aber diese Fak- dys der 15-jährigen Schülerin usw. usf. ten seien auch gar keine Fakten, sondern das Konstrukt von Politik, Wissenschaft, Presse oder Bitte schließen sie sich endlich der Kurskorrektur der Wirtschaft. Ich gehe davon aus, die Liste ließe Ihrer Kollegen an, und schaffen Sie wieder Ver- sich fortsetzen. trauen in den Sicherheitsapparat!

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Zu diesem Begriff gibt es auch eine deutsche Ent- Vergleichbarkeit der Ergebnisse der A- und B-Län- sprechung: postfaktische Politik. Maßgeblichen der-Konferenz herzustellen, indem Sie behaupten, Anteil an dessen Verbreitung schreibt Die Welt der die SPD habe zahlreiche Forderungen der CDU-In- CDU-Bundesvorsitzenden Dr. Angela Merkel zu. nenpolitiker übernommen. Frau Jahns, wie groß Sie soll den Begriff im September des Jahres in muss Ihre Not eigentlich sein? einer Rede zur Erklärung von schlechten Wahler- (Beifall bei der SPD und bei den gebnissen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern GRÜNEN) verwendet haben. Es gibt keine Vergleichbarkeit der Beschlüsse der Das mag so sein, meine Damen und Herren. Lei- SPD- und CDU-Innenminister im Gesamtkontext der enthält uns der Autor die Auskunft darüber vor, der Ausführungen. Die Berliner Erklärung der welcher Impuls oder welche persönliche Erfahrung CDU-Innenminister ist eine bloße Ansammlung Frau Merkel zu der Verwendung dieses Begriffes überwiegend populistischer Repressionsmaßnah- geführt haben mag. Möglicherweise hat man ihr men, denen jegliche Ausgewogenheit fehlt, meine das nur so aufgeschrieben. Vielleicht hat sie sich Damen und Herren. aber auch einfach in den Gliederungen ihrer eige- nen Organisationen umgesehen, und vielleicht ist (Beifall bei der SPD und bei den ihr mehr oder weniger geneigte Blick dabei auf die GRÜNEN) CDU-Landtagsfraktion hier, in diesem Hause, ge- Das Konzept der SPD-Innenminister setzt dagegen fallen. auf eine ganzheitliche Strategie, auf einen Drei- (Zustimmung bei der SPD und bei den klang aus Repression, Prävention und Ausstiegs- GRÜNEN) hilfen. Da wäre sie auch fündig geworden, meine Damen (Angelika Jahns [CDU]: Und Nieder- und Herren! sachsen trägt dazu nichts bei!) (Zustimmung bei der SPD und bei den Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wol- GRÜNEN) len - das haben Sie hier auch wiederholt vorgetra- gen - mehr Daten, mehr Videokameras, umfang- So etwas von fakten- und wahrheitsfreien Behaup- reichere Gefährderdateien, schnellere Abschiebun- tungen, liebe Frau Jahns, wie Sie sie eben gerade gen, ein Verbot der Vollverschleierung und einen in unserer Debatte über die innere Sicherheit an- Prüfvorbehalt für die doppelte Staatsbürgerschaft. geführt haben, ist sogar in diesem Parlament sel- ten. (Zustimmung bei der CDU - Angelika Jahns [CDU]: Das möchte auch die (Angelika Jahns [CDU]: Das ist alles Bevölkerung!) belegbar! - Gegenruf von Petra Tie- mann [SPD]: Davon ist aber auch - Frau Jahns, dafür gibt es einen Preis! Der Preis nichts belegbar!) ist die Einschränkung unserer individuellen Frei- heitsrechte und ein kaum bemessbarer Schaden Das haben gestern auch Ihre Fragestellerinnen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. - und Frager in der Aktuellen Stunde noch einmal Dieser Schaden ist hoch, getoppt. Herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei der SPD und bei den (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) GRÜNEN - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: So ist es!) und der Nutzen ist, soweit überhaupt ersichtlich, ausgesprochen beschränkt. Frau Jahns, erkennbar keinerlei Kenntnisnahme von der niedrigsten Kriminalitätsopferquote, die Meine Damen und Herren, solange Bildungssys- dieses Land jemals gesehen hat. Keinerlei Aner- tem, Sozialarbeit und öffentlicher Diskurs nicht kennung, dass die Gesamtzahl der Straftaten in dafür sorgen, dass demokratische Haltung und den vergangenen Jahren um knapp 6 % gesunken demokratisches Handeln konsequent und selbst- ist, und kein Wort darüber, dass die niedersächsi- bewusst vermittelt werden, arbeiten sich unsere sche Polizei, stabil wiederkehrend, eine der bun- Sicherheitsbehörden lediglich an den gesell- desweit höchsten Aufklärungsquoten erarbeitet. schaftspolitischen Symptomen ab. Stattdessen legen Sie hier einen Antrag vor, in (Beifall bei der SPD und bei den dem Sie mehr oder weniger subtil versuchen, eine GRÜNEN)

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Wir, die rot-grüne Landesregierung und die sie (Beifall bei der SPD und bei den tragenden Fraktionen, mussten die Instrumente für GRÜNEN) die demokratische Bildung in Niedersachsen, bei Wir haben dafür gesorgt, dass die sozialen Stan- der Sie Kahlschlagpolitik betrieben haben, doch dards des Polizeiberufs wieder auf ein angemes- erst wieder aufbauen. Wir haben die Landeszen- senes Niveau gehoben werden. trale für politische Bildung jetzt wieder ins Werk gesetzt, nachdem Sie sie abgeschafft hatten, mei- (Beifall bei der SPD und bei den ne Damen und Herren. GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und bei den Wir haben die technische Ausstattung der Polizei GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Wir ha- auf ein zeitgemäßes Niveau verbessert, ben die Landeszentrale abgeschafft, aber doch nicht die politische Bil- (Widerspruch bei der CDU) dung!) und wir haben damit begonnen, die maroden Darum, meine Damen und Herren von der CDU, Dienstgebäude zu sanieren. sind Sie noch meilenweit von einer Position ent- (Petra Tiemann [SPD]: Genau so ist fernt, in der Sie uns glaubwürdig Ratschläge ge- es!) ben könnten. Wir haben die von Ihnen verweigerte Vergütung (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das der Überstunden für die Castortransporte ausge- stimmt!) glichen. Meine Damen und Herren von der CDU, diese (Beifall bei der SPD und bei den billige Kampagne wird Sie nicht weit bringen. Inne- GRÜNEN) re Sicherheit ist ein wesentlicher Schwerpunkt dieser rot-grünen Landesregierung und der sie Wir haben dafür gesorgt, dass die Polizei wieder tragenden Fraktionen. Vertrauen in ihre Führung gefasst hat. Und wir werden die Heilfürsorge wieder einführen und die (Zuruf von der CDU: Um Gottes willen!) Vergütung für den Dienst zu ungünstigen Zeiten Die Kennzahlen bestätigen die Sicherheit im Land. erhöhen. Wir haben dafür gesorgt, dass wir heute Diese rot-grüne Landesregierung wird nicht aufhö- eine Polizei haben, die wieder weiß, dass ihre ren, die Sicherheitsstruktur, die gesetzlichen Leistung anerkannt wird, meine Damen und Her- Grundlagen und die sächliche und personelle Aus- ren! stattung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeam- (Beifall bei der SPD und bei den ten weiterzuentwickeln. GRÜNEN) (Jörg Hillmer [CDU]: Fangen Sie doch einmal damit an!) Sie haben am allerwenigsten Grund, sich in eine Rolle zu drängen, in der Sie uns Ratschläge ertei- Insofern gibt es für uns auch gar nichts umzuden- len könnten, was als Nächstes unternommen wer- ken - jedenfalls nicht auf der Grundlage Ihrer un- den soll; denn dass Sie das nicht können, meine ausgegorenen Vorschläge. Damen und Herren von der CDU, das haben Sie in (Beifall bei der SPD und bei den Ihrer Regierungszeit praktisch nachgewiesen. GRÜNEN) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Damen und Herren von der CDU, wir haben (Starker Beifall bei der SPD und Bei- hinter Ihnen aufgeräumt. Wir haben mit unseren fall bei den GRÜNEN) Stellenhebungen dafür gesorgt, dass die Polizei- beamtinnen und Polizeibeamten wieder eine beruf- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: liche Karriereperspektive haben. Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Für die FDP- (Beifall bei der SPD und bei den Fraktion hat jetzt der Kollege Jan-Christoph Oetjen GRÜNEN) das Wort. Wir haben mit einem kontinuierlichen Aufwuchs gut ausgebildeter Polizeibeamtinnen und Polizeibeam- Jan-Christoph Oetjen (FDP): ten für den aktuellen Höchststand der Polizisten- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- zahlen seit Gründung dieses Landes gesorgt. gen! Sehr geehrter Herr Kollege Becker, der CDU

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hier wahrheitsfreie Behauptungen zu unterstellen, tisch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und das ist wirklich ein starkes Stück. merken die Menschen im Land. (Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das ist (Beifall bei der FDP und bei der CDU) zutreffend!) Sehr geehrter Herr Kollege Becker, der CDU vor- - Das zeigt, wie weit Sie Herr Kollege Tonne, von zuwerfen, von der Realität abgekoppelt zu sein, ist der Wirklichkeit, die die Menschen in diesem Land wirklich eine schlimme Unterstellung und zeigt, wie täglich erleben, entfernt sind. weit Sie von den Menschen weg sind. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ha- Wir hatten neulich im Ausschuss eine Anhörung ben Sie die Rede eben gehört?) zum Thema Einbruchskriminalität. Die Einbruchs- kriminalität steigt in Niedersachsen deutlich an. Im Übrigen haben Sie hier mit keiner Silbe gesagt, Hunderte und Tausende von Menschen in Nieder- ob die regierungstragenden Fraktionen in diesem sachsen werden jedes Jahr Opfer dieser Ein- Hause die Forderungen, die von den SPD-Innen- bruchskriminalität. Die prozentualen Steigerungen ministern formuliert worden sind, unterstützen. sind dramatisch. Dazu kam hier keine Aussage. Wir müssen also davon ausgehen, dass es möglicherweise weiter- (Angelika Jahns [CDU]: Nach den hin einen Dissens zwischen SPD und Grünen in Worten des Ministers gibt es eine dieser Frage gibt, der nur zu einem führt: dass Sie Steigerung um 13 %!) in Fragen der inneren Sicherheit handlungsunfähig Das ist in der Tat ein bundesweites Phänomen. sind, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Darauf weist der Minister dann immer hin. Nur, (Beifall bei der FDP und bei der CDU) dass Sie darauf reagieren, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, ist überhaupt Seit Jahren sagen wir Ihnen beispielsweise ganz nicht zu erkennen. Wir von der FDP - die Kollegen konkret, dass wir mehr Polizisten in diesem Land von der CDU genauso - weisen seit Jahren auf die brauchen. Sie antworten dann immer darauf: Wir Dynamik in diesem Bereich hin, machen eigene, haben die höchste Kopfzahl in der Geschichte des konkrete Vorschläge, wie wir die Situation verbes- Landes. sern können, wie wir es schaffen können, die Men- (Angelika Jahns [CDU]: Dank unserer schen vor Einbrüchen zu schützen, aber vor allen Vorleistungen!) Dingen auch, wie wir es schaffen können, diejeni- gen, die Einbruchsdelikte begehen, tatsächlich zu Aber wir müssen doch die Anzahl der Vollzeitein- fassen und ihnen dann auch den Prozess zu ma- heiten dauerhaft erhöhen. Wir wollen, dass 1 000 chen. Polizisten mehr dauerhaft im Dienst sind, um die Sicherheit in diesem Lande zu erhöhen, und Sie Dazu hatten wir eine Anhörung im Ausschuss. Herr sagen ganz klar: Das wollen wir nicht; wir stellen Kollege Becker, Sie werden sich erinnern. Das zwar jetzt ein paar mehr ein, aber die werden in ein Kriminologische Forschungsinstitut hat beispiels- paar Jahren durch die Pensionierungszahlen wie- weise gesagt, dass die Vorschläge, die in dem Fall der abgebaut werden. - Verehrte Kolleginnen und von unserer Fraktion eingebracht wurden, sehr Kollegen, wenn wir die öffentliche Sicherheit in dazu geeignet sind, die Aufklärungsquote im Be- diesem Land stärken wollen, dann brauchen wir reich der Einbruchskriminalität tatsächlich zu ver- mehr Polizisten, die diese Aufgabe ganz konkret bessern. Als die Anträge wieder auf der Tagesord- wahrnehmen. CDU und FDP schlagen es in den nung waren, haben Sie gesagt: Okay, lasst uns Haushaltsanträgen immer wieder vor, und Sie heute bitte noch nicht darüber abstimmen; wir lehnen das immer wieder ab. schreiben an einem eigenen Änderungsvorschlag; wir sehen ja auch, dass wir hier Verbesserungsbe- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) darf haben. - Aber bis heute liegt dieser Ände- Auch im Bereich der Terrorabwehr gibt es konkrete rungsvorschlag nicht vor. Vorschläge gerade auch von uns Freien Demokra- ten. Christian Lindner hat neulich das Thema eu- (Angelika Jahns [CDU]: Genau! Lang ropäisches FBI wieder in die Debatte eingebracht. ist das her!) Wir brauchen die Zusammenarbeit der europäi- Es herrscht Funkstille bei SPD und Grünen in der schen Länder; denn wir wissen, dass der Terror an Frage der Einbruchskriminalität. Das ist drama- den Staatsgrenzen nicht haltmacht. Hier brauchen

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wir konkrete Änderungen, damit wir auch dem Heute Morgen wurde in der Fragestunde sehr internationalen Terrorismus beikommen können. deutlich, was alles auf dem Weg ist. Wir bringen Hierzu liegen konkrete Vorschläge, gerade auch notwendige Infrastruktur zur Verbesserung der von den Freien Demokraten, vor. Bitte handeln Sie inneren Sicherheit auf den Weg. - Das ist der eine endlich. Das sind Sie den Menschen in diesem Punkt. Land schuldig. (Beifall bei den GRÜNEN) Vielen Dank. Der zweite Punkt ist: Niedersachsen hat gerade im (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Bereich der Prävention - diesen sprechen Sie gar nicht an, Frau Jahns - bundesweit eine Vorreiter- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: rolle eingenommen. Wir haben auf Initiative der Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Jetzt hat für Grünen die Dokumentationsstelle zur Erforschung die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Frau Ab- von menschen- und demokratiefeindlichen Bestre- geordnete Meta Janssen-Kucz das Wort. bungen, das Landesprogramm gegen Rechtsext- remismus, das Aussteigerprogramm „Neustart“ für Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): Rechtsextreme und Islamisten sowie die Bera- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der tungsstelle zur Prävention gegen neo-salafistische Einstieg war, finde ich, gruselig. Das war ein wildes Radikalisierung, „beRATen“, eingerichtet. Unser Sammelsurium. Es gab Unterstellungen. Ich fand, Ziel ist es, die Spirale von Radikalisierung und es war einiges falsch. Ich will auch sagen: Es war Gewalt zu durchbrechen. billiger Populismus dabei. Wenn Sie so Innenpolitik (Beifall bei den GRÜNEN) machen wollen, kann ich nur sagen: Gute Nacht! (Beifall bei den GRÜNEN) Rot-Grün beherrscht gemeinsam sehr wohl den Dreiklang von Repression, Prävention und Aus- Lieber Kollege Oetjen, in Sachen Einbruchskrimi- stiegshilfen, was rechtsextreme oder radikale reli- nalität ist keine Funkstille. Der Antrag ist in Arbeit, giöse Entwicklungen angeht. wird Ihnen zeitnah zugestellt werden, und dann steigen wir gemeinsam, mit Ihren Anträgen, mit (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) den Ergebnissen der Anhörungen, in die weitere Ich glaube, Sie können noch einiges von uns ler- Beratung ein. Gut Ding will Weile haben. Schnell- nen und sollten nicht immer nur nach Repression schüsse bringen absolut nichts an der Stelle. schreien. Sie sollten einfach einmal ehrlich sein. (Beifall bei den GRÜNEN - Jan- Wenn man sich Ihre politischen Initiativen an- Christoph Oetjen [FDP]: Seit drei Jah- schaut, so ist da nicht viel Substanz. Ich habe we- ren diskutieren wir darüber!) nig gefunden. Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden, dass wir Ich könnte auch einiges zu Ihrer Mitarbeit in den seit Beginn der Regierungsübernahme laufend die Ausschüssen sagen, zu Ihrer Art, jeden kleinen Arbeitssituation der Polizei verbessert haben. Wir Zeitungsartikel als Anlass für eine Unterrichtung zu haben hinter Ihnen hergeräumt. Fakt ist - wenn Sie nutzen. Manchmal hilft es, die Spreu vom Weizen es immer noch nicht glauben, schauen Sie in den zu trennen. Die Suppe, die Sie heute hier gekocht Haushalt -: Wir hatten noch nie so viel Beschäftigte haben, war mehr als ungenießbar. in der Polizei, noch nie so viele Polizeianwärter. Wir haben ein umfangreiches Stellenhebungspro- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der gramm auf den Weg gebracht. Über die Abschaf- SPD) fung der A-11-er will ich gar nicht sprechen. Wir Meine Damen und Herren, der CDU in Nieder- verbessern jetzt den Dienst zu ungünstigen Zeiten. sachsen geht es nicht um mehr innere Sicherheit. Wir haben die Überstunden im Zusammenhang mit Ihnen geht es um Scharfmacherei. den Castor-Transporten ausgeglichen. Die Heilfür- sorge kommt wieder. Und was ich am wichtigsten (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) finde: Alle kannten den in Teilen maroden Zustand Sie überbieten sich laufend mit Forderungen nach vom Fuhrpark bis zu den Dienstgebäuden und Repression, nach der Erhöhung des Strafrahmens, auch der Polizeiinspektionen. Alles das wird jetzt nach unkontrollierter Videoüberwachung, nach laufend modernisiert. Auch die Tablets gehören zu dem Abruf von allen möglichen persönlichen Kom- unserem Modernisierungsprogramm. munikationsdaten. Die reine Verschärfung von

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Strafen hat aber keinen oder nur einen minimalen Wir teilen das Sicherheitsbedürfnis der Menschen, Effekt. aber wir erteilen Ihrem Wettbewerb nach immer schärferen Strafen eine klare Absage. Wir haben Werfen Sie doch einmal einen Blick in die USA. da keinen Dissens. Ich wünsche Ihnen viel Spaß Die Strafen sind dort drakonisch, aber im Ergebnis mit Ihrem Sektierertum. sind 2,3 Millionen Menschen eingesperrt und die Kriminalitätsprobleme nicht gelöst. (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN - Helge Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Limburg [GRÜNE]: Richtig!) Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Notwendig ist doch eine genaue Analyse, vor al- weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesord- lem um durch kluge Präventionsmaßnahmen Straf- nungspunkt liegen nicht vor. Damit ist der Antrag taten zu verhindern. eingebracht und beraten. Meine Damen und Herren, Sie unterstellen uns Wir kommen zur Ausschussüberweisung. immer gern, dass wir ein Misstrauen gegenüber der Polizei hätten. Ich will Ihnen aber etwas sagen: Der Ausschuss für Inneres und Sport soll sich mit Sie sind es, die scheinbar ein Grundmisstrauen diesem Entschließungsantrag befassen. Wer das gegen alle Bürgerinnen und Bürger hegen und unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. - daher laufend nach Strafverschärfung, nach mehr Das ist nach der Geschäftsordnung ausreichend Überwachung, oftmals ohne Rücksicht auf die unterstützt. Rechtslage und den Datenschutz, rufen und Wir kommen damit zu dem für heute nach der schreien. Ihr Misstrauen den Bürgern gegenüber Tagesordnung letzten Tagesordnungspunkt. Ich ist einfach fatal. rufe auf den (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Angelika Jahns [CDU]: Das ist eine Frechheit!) Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: - Das ist keine Frechheit, Frau Jahns. Die niedersächsische Oberschule - Erfolgsmo- Interessant ist, dass sich die CDU jetzt plötzlich dell mit Zukunft - Antrag der Fraktion der CDU - auch noch hinter die Forderung der SPD-Innenmi- Drs. 17/6899 nister stellt.

(Angelika Jahns [CDU]: Weil wir das Zur Einbringung erhält für die CDU-Fraktion der gut finden!) Kollege Kai Seefried das Wort. Bitte, Herr Kollege! - Frau Jahns, ich glaube, da sind noch sehr große Kai Seefried (CDU): Unterschiede zwischen CDU und SPD. Oder läu- ten Sie gerade von hinten herum eine Kehrtwende Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegin- ein? Das wäre vielleicht zu begrüßen. nen und Kollegen! Heute, fünf Jahre nach der Ein- führung der neuen niedersächsischen Oberschule, (Zuruf von Angelika Jahns [CDU]) gibt es in unserem Land mehr Oberschulen als Sie sind de facto nicht in der Lage, hier eine ei- Gymnasien. Nach den Gymnasien werden auf der genständige innenpolitische Position zu vertreten. Oberschule die meisten Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen unterrichtet. Nahezu geräuschlos (Angelika Jahns [CDU] lacht) hat die Oberschule in Niedersachsen alle bil- dungspolitischen Themen, Veränderungen, aber Und jetzt bringen Sie die Norderstedter Erklärung auch immer wieder neue Herausforderungen ge- als CDU-Antrag ein. meistert. (Zuruf von Angelika Jahns [CDU]) Heute, fünf Jahre nach Einführung der Oberschule Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt von rot- in Niedersachsen, kann man also feststellen: Die grüner Innenpolitik stehen die Grund- und Frei- niedersächsische Oberschule ist ein Erfolgsmodell heitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. mit Zukunft.

(Zuruf von Angelika Jahns [CDU]) (Zustimmung bei der CDU)

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Oberschu- die Oberschule im Durchschnitt aller Schulformen le wurde im Schuljahr 2011/2012, aufsteigend, eine besonders geringe Unterrichtsversorgung hat. eingeführt. In diesem Jahr 2016 haben jetzt die ersten Schülerinnen und Schüler an dieser Schule Wenn man all diese Rahmenbedingungen sieht - ihren Abschluss erworben. Gestartet sind wir da- die zusätzlichen Aufgaben und die schlechte Un- mals mit 130 Oberschulen. Heute sind es inzwi- terrichtsversorgung -, ist es heute ein entscheiden- schen fast 280 Oberschulen. der Tag, denjenigen, die dafür sorgen, dass diese Schulform so erfolgreich ist, nämlich den Schullei- Betrachtet man die Schülerzahlen, so besuchen tungen und den Lehrkräften, einen ganz beson- derzeit rund 93 000 Schülerinnen und Schüler in ders großen Dank für ihre Arbeit auszusprechen. Niedersachsen eine Oberschule in den Schuljah- ren 5 bis 10. In den gleichen Jahrgängen der (Beifall bei der CDU) Gymnasien befinden sich rund 150 000 Schülerin- nen und Schüler. 21,7 % eines Jahrgangs wech- Die Oberschulen sind aber auch deshalb so erfolg- seln nach der Grundschule auf eine Oberschule. reich und können auch deshalb so gut diese Auf- Somit kann man heute auch feststellen: Nach den gaben meistern, weil sie vor allem eines sind: Sie Gymnasien ist die Oberschule die beliebteste sollen flexibel sein. Man soll vor Ort die Möglichkeit Schulform in Niedersachsen. haben, auf Entwicklungen reagieren zu können. Genau das war der Ursprung, wie wir es damals (Glocke des Präsidenten) 2011 hier im Parlament geplant und besprochen haben. Wir wollten den Schulen und den Kommu- Was an den Oberschulen besonders auffällt - ich nen vor Ort ein Baukastensystem geben, mit dem habe es eben beschrieben -, ist, dass sie nahezu man flexibel darauf reagieren kann, was man in geräuschlos alle Veränderungen, die auf sie zuge- der Region benötigt, wie die Schule positioniert kommen sind, bewältigt haben. sein soll. Wie soll sie inhaltlich ausgestaltet wer- (Unruhe) den? Wie soll der Unterricht dort gestaltet werden?

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Es ist gerade ein großer Erfolg der Oberschule, dass sie diese hohen Freiheiten und diese Flexibili- Das Stichwort „geräuschlos“ veranlasst mich, Sie tät hat und die Schulen selbst diese auch gestalten um Verständnis zu bitten, dass ich Sie unterbre- können. Genau diese Flexibilität, die der Erfolgsga- che. Das ist nicht geräuschlos - hier im Saal zu- rant dieser Schule ist, wollte die jetzige Landesre- mindest nicht. Die Geräuschlosigkeit sollten wir gierung den Oberschulen nehmen. Im Koalitions- herstellen, damit Herrn Seefried alle lauschen kön- vertrag von SPD und Grünen war vorgesehen, nen. diese Flexibilität zu kippen und die Oberschulen in Wir setzen erst dann fort. Herr Siebels, ich meine Richtung eines integrierten Systems zu bewegen. auch Sie. Gespräche am Rande stören. Und Herr Damit - das will ich an dieser Stelle deutlich sa- Schwarz, bitte auch nicht an der Regierungsbank. - gen - wäre es vorbei gewesen mit dem Erfolgsmo- So, Herr Seefried, bitte! dell und auch mit der Flexibilität - so, wie es SPD und Grüne gern gehabt hätten. Kai Seefried (CDU): (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Mit- Vielen Dank, Herr Präsident. nichten!)

Was an den Oberschulen besonders auffällt, ist, Nach diesem halbherzigen und dann zum Glück wie geräuschlos und unauffällig sie ihre Arbeit auch schnell wieder aufgegebenen Versuch, Teile machen bzw. die neuen Herausforderungen in dieser Pläne mit der Schulgesetzänderung 2015 Niedersachsen angenommen haben. umzusetzen, muss man sagen: Außer diesem Wir wissen heute, dass die Oberschule am meis- einen einzigen falschen Ansatz hat diese Landes- ten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädago- regierung unter SPD und Grünen nicht einen ein- gischem Unterstützungsbedarf beschult, dass wir zigen Handschlag für die Weiterentwicklung und an den Oberschulen aufgrund der Flüchtlingskrise die Begleitung der Oberschule in Niedersachsen die größte Bündelung von Schülerinnen und Schü- getan. lern mit den entsprechenden Herausforderungen, (Beifall bei der CDU - Jens Nacke wie nicht deutscher Herkunftssprache, haben und [CDU]: So ist es!) dass zeitgleich zu all diesen Herausforderungen

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Dabei sollte es doch selbstverständlich sein, dass Wir wollen den Oberschulen gerade auch in der es eben nicht ausreicht, 2011 ein Schulgesetz zu Unterstützung ihrer Flexibilität mehr Möglichkeiten verabschieden und eine neue Schulform auf den geben und den Bereich der Inklusion verstärkt in Weg zu bringen. Es kommt gerade darauf an, eine den Blick nehmen. Wir haben am Dienstag, als wir solche Schule fortlaufend zu begleiten, zu evaluie- über Inklusion gesprochen haben, intensiv disku- ren und zu schauen, wie sich diese Schule entwi- tiert, wie die Rahmenbedingungen der Inklusion in ckelt. - Wo muss ich diese Schule in ihrer weiteren Niedersachsen derzeit aussehen, dass die Schu- Form besser unterstützen, um sie für die Aufgaben len unter den gegebenen Bedingungen total über- für die Zukunft zu wappnen? fordert sind, dass wir die Lehrkräfte überfordern und dass wir den Schülerinnen und Schülern nicht Genau das hat diese Regierung nicht getan und ausreichend gerecht werden. Diese Regierung hat genau deshalb heute unser Entschließungsantrag, seit 2013 keine Konzepte vorgelegt, wie wir die damit wir die Oberschule auf ihrem weiteren Weg Situation verbessern können. begleiten und den erfolgreichen Weg, den sie be- gonnen hat, für die Zukunft ausbauen können. Deswegen wollen wir den Schulen - um Schülerin- nen und Schülern jetzt, ganz akut, besser gerecht Wir fordern deshalb in unserem Entschließungsan- werden zu können - die Möglichkeit geben, eigene trag, für jede Oberschule unabhängig von ihrer Förderschulklassen, eigene Lerngruppen „Lernen“ Größe eine eigene didaktische Leitung vorzuse- einzurichten, um die Schülerinnen und Schüler hen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt für gezielt besser fördern zu können. diese Schulform, weil diese Schule so viele zusätz- liche Aufgaben bekommen hat. Mehr, als dies für Wir wollen, dass der Profilunterrichtet entspre- andere Schulformen in Niedersachsen gilt, muss chend ausgestaltet ist, dass gewährleistet ist, dass auch die Schulleitung an dieser Stelle besser aus- an allen Oberschulen die zweite Fremdsprache gestattet werden und mehr Möglichkeiten haben, unterrichtet wird, dass wir uns wirklich mit den auf die gegebene Situation vor Ort zu reagieren. inhaltlich-pädagogischen und organisatorischen Fragen der Oberschule auseinandersetzen und Wir wollen mit diesem Entschließungsantrag ein damit die Oberschule auf ihrem weiteren Weg weiteres Thema aufgreifen, das für andere Schul- besser begleiten und sie dabei entsprechend för- formen im Sek-I-Bereich genauso interessant ist. dern können. Wir wollen prüfen, inwiefern wir den Schulen noch mehr Unterstützung durch den Einsatz zusätzli- Meine Damen und Herren, die Oberschule hat in chen Unterstützungspersonals und die Einbindung den vergangenen Jahren viele neue Aufgaben von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- übernommen. Dies hat sie gut gemacht. Wir wollen tern geben können. sie aber auch bei diesen Herausforderungen nicht alleine lassen, sondern begleiten. Das muss die Wir greifen in unserem Entschließungsantrag auch Aufgabe dieses Parlamentes sein. Deswegen hof- das aktuelle Thema, das ein Stück weit auch von fen wir auf eine konstruktive Beratung unseres dieser Regierung verpennt worden ist, nämlich wie Antrages. die gymnasiale Ausstattung einer Oberschule aus- sehen soll. Es steht bisher vorgeschrieben für die (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Oberschulen, dass mindestens 27 Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung angemeldet Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: sein müssen, damit man ein gymnasiales Angebot Vielen Dank, Herr Kollege Seefried. - Für die SPD- einrichten kann. Fraktion erteile ich dem Kollegen Uwe Strümpel das Wort. Jetzt hat aber diese Landesregierung die Schul- laufbahnempfehlung am Ende der Grundschulzeit abgeschafft, sodass diese Zahl gar nicht mehr Uwe Strümpel (SPD): greifbar ist. Die Voraussetzung ist gar nicht mehr Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der da; das hat im Ministerium aber anscheinend noch Antrag der CDU zur Oberschule verwundert, hat niemand bemerkt. Deswegen wollen wir für ver- wenig Substanz, zeigt wieder Schwächen im Um- lässliche Rahmenbedingungen für die Schulen gang mit der Statistik und entspricht nicht - wie es sorgen, damit auch das gymnasiale Kursangebot erforderlich wäre - einer zeitgemäßen Pädagogik. oder eigene Klassen gewährleistet werden kön- Er ist letztlich und endlich ein Sammelsurium von nen. Widersprüchen.

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(Beifall bei der SPD und bei den (Kai Seefried [CDU]: Sehr gut! Gute GRÜNEN) Erkenntnis!)

Jetzt muss ich ein bisschen in Geschichte machen: und das, obwohl ca. 100 Oberschulen mit der Min- Nach der Regierungsübernahme im Jahr 2003 - destgrößen von zwei Zügen jetzt oder in den ich kann mich noch gut daran erinnern - wollten nächsten Jahren zu kämpfen haben. Da geht es Sie die Haupt- und die Realschule stärken. Sie schlichtweg um den Erhalt von Schulstandorten. haben deswegen die Orientierungsstufe abge- Das Angebot dieser Schulen sieht natürlich nicht schafft. Dann ist aber das Gegenteil eingetreten. so aus wie das von mehrzügigen Oberschulen. Und auch Ihnen dürfte bekannt sein, dass Ober- Sie haben das Konjunkturprogramm II extra für schulen im Umfeld gut erreichbarer Gymnasien Hauptschulen angelegt - die größte Fehlinvestition! und Gesamtschulen große Probleme haben. Bei uns im Landkreis wurde die Mensa schon nach zwei, drei Jahren nicht mehr besucht, und das ist Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie nun eine durchgehend so. Sie haben da fehlinvestiert. Schulform herausstellen und zum Gegenstand einer Evaluation machen wollen. Vor Ihrem Verbot, (Zustimmung bei der SPD) IGSen zu errichten, haben Sie doch auch keine Nicht nur durch den demografischen Wandel, vor Evaluation durchgeführt! Sie haben einfach ein allem auch durch die Abschaffung der Orientie- Errichtungsverbot ausgesprochen, ohne sich ge- rungsstufe hat die Anwahl von Gymnasien und nau zu erkundigen. IGSen enorm zugenommen. Mir Ihrer plakativen Überschrift ohne Fragezeichen Der Trend zum Gymnasium hat sich mit unserem (Kai Seefried [CDU]: Wollen Sie denn modernen G 9 noch weiter verstärkt. Die Anmelde- ein Fragezeichen setzen?) zahlen steigen ständig. setzen Sie die anderen Schulformen ins Abseits. (Zustimmung bei der SPD) Wir betrachten alle Schulformen als gleichwertig Sie wollen mit Ihrem Antrag, der mehr gymnasiale und nicht nur eine einzige Schulform als förde- Züge an Oberschulen vorsieht, doch nicht etwa die rungswürdig. Gymnasien gefährden? - Schon bei der Einführung (Beifall bei der SPD) der Oberschule hat der Philologenverband davor gewarnt! Und jetzt wollen Sie sie gefährden? - Wir Ein Beispiel für Ihre fehlerhafte Statistik: Sie leiten haben sie ausgebaut. aus den Anmeldezahlen die Beliebtheit der Schul- form ab. An den Oberschulen stehen aber deutlich (Beifall bei der SPD und bei den mehr Plätze zur Verfügung als an den IGSen. Dort GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Da werden noch ganz viele Kinder abgewiesen. müssen Sie selber lachen, Herr Kolle- ge, oder?) (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: So ist das nämlich! Herr Seefried, hören Sie - Nein, darüber muss ich nicht lachen. einmal zu!) Sie haben dann wegen der stark rückläufigen Oberschulen wurden im Schuljahr 2015/16 - da Schülerzahlen aus der Not eine Tugend gemacht haben Sie recht - sehr stark besucht. IGSen mit und sich nach langer Diskussion nicht für die IGS, ihren Einschränkungen - - - sondern für die Oberschule entschieden. Ich habe mich einmal mit Herrn Althusmann unterhalten. Er (Jens Nacke [CDU]: Frau Kollegin, ich hat zugegeben, dass bei Ihnen auch in der Dis- höre sehr genau zu! Aber das macht kussion war, den Weg über die IGS zu gehen. es nicht besser!)

(Petra Tiemann [SPD]: Sie haben sich - Seien Sie doch einfach tolerant! Wir haben unter- nur nicht getraut!) schiedliche Auffassungen. Sie sind mit Ihrer Schulpolitik in den 50er-Jahren, wir sind auf der Gute Schule erfordert gute Lehrer und eine gute Höhe der Zeit. Schulleitung. Das gilt für alle Schulformen, nicht nur für die Oberschule. Ganz deutlich sage ich (Beifall bei der SPD - Jens Nacke aber hier: Gerade für den ländlichen Bereich ist die [CDU]: Ich kann nicht nachvollziehen, Oberschule ein gutes Angebot, was Sie daherreden, Herr Kollege!)

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IGSen mit ihren Einschränkungen haben nur Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: 11 730 Schüler. Wenn es sie im Gesamtangebot Vielen Dank, Herr Kollege Strümpel. - Es folgt eine gäbe, wären dort wesentlich mehr Schüler als an Kurzintervention der CDU-Fraktion. Herr Kollege den Oberschulen. Mehr ist hier einfach nicht mög- Seefried, Sie haben das Wort für 90 Sekunden. lich. Sie vergleichen wieder Äpfel mit Birnen, wie bei der Unterrichtsversorgung. Kai Seefried (CDU): Das ist doch kein Maßstab für die Beliebtheit einer Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Strümpel, man Schulform! Schulen sind beliebt, wenn die Schule merkte Ihren Ausführungen an, wie sehr Ihre Frak- gut funktioniert, wenn sie gute Lehrer hat und eine tion der Erfolg der Oberschule stört und dass Sie gute Schulleitung. Das gilt für alle Schulformen. nicht ertragen können, wie erfolgreich diese Schul- form ist. (Beifall bei der SPD und bei den (Zustimmung bei der CDU - Julia Wil- GRÜNEN) lie Hamburg [GRÜNE]: Das ist über- Man könnte noch viel zu Ihren Widersprüchen haupt nicht der Punkt!) ausführen. Doch kurz vor Plenumsschluss - alle - Es ist eben doch der Punkt. Sie werfen uns hier wollen ja nach Haus - nur noch ein Hinweis, der vor, uns um eine einzelne Schulform zu kümmern. den inhaltlichen und pädagogischen Unterschied An Ihren Ausführungen hat man gemerkt, dass es zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb verdeutlicht: bei Ihnen nur eine einzige Denkweise gibt, und das Sie betonen die Offenheit für Abschlüsse und den ist der dauerhafte Klassenkampf: eine Schule für integrativen Charakter der Oberschule - den wir alle, Gesamtschule gegen alle anderen. Das ist bei übrigens ausgebaut haben; da sind wir weiterge- Ihren Ausführungen deutlich geworden - und nicht, gangen. Dieser integrative Ansatz hält Bildungs- dass Sie für einen gleichberechtigten Wettbewerb chancen offen, fordert und fördert Schülerinnen der Schulformen untereinander stünden. und Schüler zum bestmöglichen Abschluss. Sie aber wollen in Mathematik und Deutsch auf L-, G-, (Zustimmung bei der CDU) E- und Z-Kurse hinaus, also auf ein sehr geglieder- Was wurden da gerade für Argumente herausge- tes, selektives System. Sie wollen im Grunde unter holt! In der Vergangenheit soll ein Konjunkturpro- dem Dach der Oberschule die Hauptschule, die gramm für die Hauptschulen aufgelegt worden Realschule und die Förderschule wiedereinführen. sein. - Da war ich nicht dabei. Es gab ein Haupt- Das ist mit uns nicht zu machen. schulprofilierungsprogramm. Aber das Konjunktur- programm, Herr Strümpel, betraf alle Schulen. Es (Beifall bei der SPD und Zustimmung war Sache der Schulträger, wie sie die Gelder von Julia Willie Hamburg [GRÜNE]) einsetzten. Das war kein Programm, das aus- schließlich für Hauptschulen aufgelegt wurde. Die Übrigens ist das - da spreche ich aus der Praxis - Argumente, die hier bemüht werden, sind also zum an einer zweizügigen - manchmal sogar einzügi- Teil wirklich hanebüchen. gen - Oberschule organisatorisch gar nicht um- setzbar. Eine Frage möchte ich doch in Ihre Richtung stel- len. Sie sagen immer, die Gesamtschulen müssten Ich will es heute nicht zu lang machen. Das waren viele Schüler ablehnen; es herrsche ein unfairer nur einige Beispiele aus ihrem rückwärtsgerichte- Wettbewerb unter den Schulformen. Aber was für ten Antrag. Der Rückwärtsgang ist aber mit uns Schulen sind denn in Ihrer Regierungszeit in Nie- nicht zu machen. Auch Oberschulen müssen inte- dersachsen in größerer Zeit gegründet worden, grativ sein. Wir sind mit unseren methodischen und Gesamtschulen oder Oberschulen? didaktischen Auffassungen zu Integration und In- klusion auf der Höhe der Zeit, für eine bestmögli- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Für che Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in die Oberschule gelten geringere Zu- Niedersachsen. lassungsvoraussetzungen! Das soll- ten Sie vielleicht einmal dazusagen! - Danke. Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Nach vier Jahren Regierungszeit (Beifall bei der SPD und bei den müssen Sie sich das schon zurech- GRÜNEN) nen lassen!)

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Ein allerletzter Satz zu Ihren Ausführungen, Herr (Beifall bei der SPD und bei den Strümpel: Wir machen bewusst kein Fragezeichen GRÜNEN) hinter den Titel unseres Antrages, weil es da kein Fragezeichen gibt. Die Oberschule ist ein Erfolgs- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: modell. Das können Sie nicht kaputtreden. Vielen Dank, Herr Strümpel. - Jetzt erteile ich der (Beifall bei der CDU und bei der FDP) FDP-Fraktion das Wort. Es spricht der Kollege Björn Försterling. Bitte schön! Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank. - Herr Kollege Strümpel möchte ant- Björn Försterling (FDP): worten. Auch er hat 90 Sekunden. Bitte! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 18. Mai 2016 schreibt die Hannover- Uwe Strümpel (SPD): sche Allgemeine Zeitung: Sie können vor Ort nachfragen. Ich bin schon viel „Sie sind klein, arbeiten integriert und haben herumgekommen. Ich lobe die gute pädagogische an mindestens zwei Tagen in der Woche ein Arbeit, insbesondere dann, wenn sie auch integra- verpflichtendes Nachmittagsangebot: In tiv angelegt ist. Das wollen übrigens viele Ober- Hannover geht im Sommer eine neue Schul- schulen; sie treten an uns heran und wollen inte- form an den Start, die integrierte Stadtteil- grativ arbeiten. schule in der Rechtsform Oberschule.“ (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbst in tun das zum Teil auch!) der Landeshauptstadt Hannover hat man irgend- Anders als Sie denken, lobe ich die Oberschulen wann gemerkt, dass die Rechtsform der Oberschu- ausdrücklich. Sie leisten im ländlichen Bereich le, so wie Schwarz-Gelb sie auf den Weg gebracht wirklich gute Arbeit. hat, ein adäquates Mittel ist, die Schulvielfalt zu erhöhen. Allerdings hat man sich in Hannover nicht Zweitens. Beim Konjunkturprogramm gab es eine getraut, die Oberschule dann auch Oberschule zu klare Vorgabe vom Land - das weiß ich noch, weil nennen. wir deswegen mit unserer Mensa an der IGS ge- scheitert sind -, dass mit den Mitteln daraus vor- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Weil nehmlich Hauptschulen auszustatten sind. Bei uns sie auch integrativ arbeitet!) in Helmstedt hat das zwei oder drei Jahre lang funktioniert. Die Hauptschule gibt es gar nicht Das zeigt noch einmal, welche Ideologie dahinter- mehr, weil es nur fünf Anmeldungen gab. steckt und welche Grabenkämpfe hier geführt wer- den. (Jens Nacke [CDU]: Und die Mensa nutzt auch keiner mehr, oder was?) (Filiz Polat [GRÜNE]: Wer ist denn hier gerade ideologisch? Sie!) Drittens - und da sind Sie nicht redlich -: Es geht nicht nur um die abgewiesenen Schüler. Die Hür- Das hat der Kollege Strümpel eben eindrucksvoll den zur Einführung einer Gesamtschule sind doch gezeigt. Ich fühlte mich in die 70er-Jahre zurück- wesentlich höher als für die Oberschule. versetzt, Herr Kollege Strümpel. (Zustimmung bei der SPD und bei den (Beifall bei der FDP und bei der CDU) GRÜNEN) Erkennen Sie doch einfach einmal an, dass die Sie müssen eine Elternbefragung machen. Sie Oberschulen in Niedersachsen tatsächlich ein müssen zehn Jahre lang Statistik machen usw. Die Angebot sind, um die Vielfalt in der Schulstruktur Oberschule hingegen können sie schlichtweg mit zu erhöhen und entsprechende Möglichkeiten zu einem Schulträgerbeschluss einführen. schaffen! Also nochmal: Ich erkenne die Arbeit der Ober- Wir haben damals bei der Erarbeitung der unter- schulen an, aber die Beliebtheit ist nicht eine Fra- gesetzlichen Regelungen zur Oberschule in der ge der Schulform. Natürlich wollen die meisten Tat sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Kollegien Eltern einen bestmöglichen Abschluss. Eine Schu- dort selbst entscheiden können, wie sie arbeiten le ist dann beliebt, wenn sie gute und hervorra- wollen: Wollen sie jahrgangsbezogen arbeiten, gende Arbeit leistet. Das gilt für alle Schulformen in wollen sie schulzweigbezogen arbeiten? Wollen Niedersachsen. sie in der fünften Klasse anfangen, Mathematik

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oder auch schon Englisch zu differenzieren, oder Diese Möglichkeiten haben wir mit der Oberschule wollen sie es in der sechsten Klasse machen? eingeräumt. Da muss man nicht schwarz oder weiß malen, sondern einfach feststellen, dass das Das hat dazu geführt, dass überall dort, wo Ober- eine Ausweitung der Schulvielfalt in Niedersachsen schulen entstanden sind, die Kollegien sich sehr ist. Das ist ein Angebot, von dem viele Schulträger ernsthaft mit diesen Fragen auseinandergesetzt Gebrauch gemacht haben. Das ist ein Angebot, haben: Wie wollen sie die Schule entwickeln, mit von dem viele Schülerinnen und Schüler in Nieder- welchem pädagogischen Konzept wollen sie arbei- sachsen profitieren. ten? Genau darum muss es uns doch gehen: Was ist (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es gut für die Schülerinnen und Schüler? - Und da ist arbeiten viele jahrgangsbezogen!) es gut, wenn die Schulen in Ruhe arbeiten können, Das ist genau das, was wir erreichen wollten. wenn die Lehrer pädagogische Konzepte für die Deswegen hat sich die Oberschule vielfach auch Schule erarbeiten und umsetzen können und wenn durchgesetzt. Die Oberschulen können selbst ent- sich die Politik heraushält. Deswegen ist es richtig, scheiden, welche Fachleistungsdifferenzierungen den Oberschulen mithilfe dieses Antrags mehr sie auf den verschiedenen Niveaus einführen wol- Freiheiten zu geben, anstatt sie zu gängeln, weil len und welche nicht. man sie aus ideologischen Gründen nicht haben will. Herr Kollege Strümpel, ich weiß nicht, ob es Ihnen schon gelungen ist, die Antworten der Landesre- (Beifall bei der FDP und bei der CDU - gierung auf die heutigen Mündlichen Anfragen zu Zuruf von der SPD: Wer gängelt denn lesen. Wenn ja, dann werden Sie festgestellt ha- mit Anträgen?) ben, dass sich rund 40 der 280 Oberschulen ent- scheiden, Mathe und Englisch schon in der fünften Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Klasse leistungsbezogen zu differenzieren. Im Vielen Dank, Herr Försterling. - Ich erteile jetzt der sechsten Jahrgang sind es bereits 126 Schulen in Kollegin Julia Willie Hamburg für die Fraktion Mathe und 127 Schulen in Englisch. - Genau das Bündnis 90/Die Grünen das Wort. wollten wir erreichen: dass die Schule vor Ort ent- scheidet, welche Differenzierung notwendig ist. Im Julia Willie Hamburg (GRÜNE): CDU-Antrag ist nicht die Rede davon, dass die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Differenzierungen ausgeweitet werden sollen, Herr Försterling, es ist wirklich abenteuerlich, (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ihnen dabei zuzuhören, wie Sie die Geschichte Doch! Natürlich fordert er das!) hier gerade für sich neu erfunden haben. sondern davon, dass die Schulen weitere Möglich- (Zustimmung bei den GRÜNEN und keiten bekommen, zu differenzieren. Aber es ist bei der SPD) gar kein schlechter Ansatz, zu sagen: Wenn wir Warum ist die Oberschule denn damals eingeführt schon differenzieren, dann können wir auch so worden? - An den Hauptschulen ist die Zahl der weit differenzieren, dass die Kinder mit einem För- Schülerinnen und Schüler zurückgegangen, und derbedarf Lernen extra in Mathe, Englisch und Sie mussten sich überlegen, wie Sie den Druck dort, wo es für die Grundkompetenzen notwendig vom Kessel kriegen, um nicht Integrierte Gesamt- ist, unterrichtet werden. schulen flächendeckend einführen zu müssen. Erkennen Sie doch die Chancen an, der Ober- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- schule wieder mehr pädagogische Freiheit zuzu- stimmung bei der SPD) gestehen! Haben Sie doch Vertrauen in die Lehr- kräfte an den Oberschulen, das pädagogisch Das war der Ursprung, wie aus einem Geistesblitz Sinnvolle zu machen! Haben Sie doch auch Ver- die Oberschule entstanden ist. trauen in die Schulträger, die landauf, landab von Kann man hier von einem Erfolgsmodell sprechen? dem Rechtsmodell der Oberschule Gebrauch ma- - Sicherlich haben Sie insoweit recht, als dass sich chen, auch, um Schulstandorte im ländlichen die Oberschule flächendeckend ausgeweitet hat Raum zu erhalten! Denn auch Sie müssen doch und angenommen wird. Aber wenn Sie ehrlich zugeben, dass es nicht überall eine drei- oder vier- sind, ist sie doch eigentlich ein Relikt Ihrer abge- zügige Gesamtschule geben kann, sondern dass wählten Schulpolitik, liebe Kolleginnen und Kolle- man auch andere Möglichkeiten braucht. gen.

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(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Kai Seefried (CDU): stimmung bei der SPD) Vielen Dank. - Frau Hamburg, Sie haben den Un- terschied zwischen IGS und Oberschule ange- Was haben Sie damals gemacht? - Sie haben die sprochen, was die Mindestgröße angeht. Dazu die Vielfalt der Schulangebote im Land weiter erhöht. Frage: Halten Sie es für pädagogisch sinnvoll, Sie haben dafür gesorgt, dass Eltern schon gar zweizügige Integrierte Gesamtschulen in Nieder- nicht mehr wissen, an welche Schule sie ihre Kin- sachsen einzuführen? der eigentlich anmelden wollen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist bei einer Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Einheitsschule natürlich leichter!) Frau Hamburg, bitte!

Sie haben damit ein siebengliedriges Schulsystem Julia Willie Hamburg (GRÜNE): geschaffen - einmalig in dieser Bundesrepublik, Das halte ich nicht für sinnvoll. liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmalig schlecht. (Jens Nacke [CDU]: Da sind wir uns (Zustimmung bei den GRÜNEN) einig, Frau Kollegin! Wunderbar!)

Denn diese Zerfaserung sorgt für eine Intranspa- Sonst hätten wir im Schulgesetz die entsprechen- renz für die Eltern. Sie sorgt für eine Unfähigkeit, den Voraussetzungen geschaffen. Wir halten die Schulressourcen sinnvoll zu bündeln. Aber das Schulqualität an dieser Stelle hoch, liebe Kollegin- passt ja in das System Ihrer schwarz-gelben Sor- nen und Kollegen. tiermaschine. (Beifall bei den GRÜNEN) Als die Oberschule 2012 eingeführt worden ist, hat Sie weisen zu Recht darauf hin: Die Oberschulen meine damalige Kollegin eine Anfrage in diesem Land haben sich sehr unterschiedlich gestellt. Die Antwort darauf hat ergeben, dass ein entwickelt. Auch Herr Strümpel hat es ausgeführt: Viertel der Oberschulen, die Sie eingerichtet ha- Viele Oberschulen arbeiten bereits integrativ. ben, noch nicht einmal die niedrigen Vorausset- Wann immer wir Oberschulen besuchen, wird uns zungen erfüllt hat, die Sie an die Schulzulassung gesagt: Bitte, gebt uns doch mehr Möglichkeiten, gestellt haben. Sie brauchen für eine Oberschule integrativ zu arbeiten. eine Zweizügigkeit mit mindestens 48 Schülerin- Ja, die Oberschule wird in den Regionen gut an- nen und Schülern. Ich möchte das einmal den genommen. Man muss aber auch sagen, dass sie Anforderungen gegenüberstellen, die unter Ihrer in der Schulplanung oft den einzigen Weg darstellt, Regierungszeit an IGSen gestellt worden sind. Für um überhaupt noch Schulen zu gründen. Herr sie brauchte man die Fünfzügigkeit mit mindestens Strümpel hat es eben deutlich gemacht, wie niedrig 24 Schülerinnen und Schülern je Zug. Das ist eine die Zulassungsvoraussetzungen für die Oberschu- Ungerechtigkeit, die wirklich ihres Gleichen ge- len sind. sucht hat. Sie macht auch deutlich, wes Geistes Kind die Oberschule war, als Sie sie eingeführt Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: haben. Frau Hamburg, jetzt kommt der Wunsch auf eine (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Zwischenfrage vom Kollegen Försterling. stimmung bei der SPD) Julia Willie Hamburg (GRÜNE): Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Ich möchte vermeiden, dass wir hier in einer Fra- gestunde enden, Frau Kollegin Hamburg, der Kollege Seefried möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. (Jens Nacke [CDU]: Bei Herrn Wa- termann haben wir damit gute Erfah- Julia Willie Hamburg (GRÜNE): rungen gemacht!) Gerne. auch wenn ich mich sicherlich gerne - - -

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Das ist Ihr gutes Recht. Sie können weiterreden. Sie lassen sie zu. - Bitte, Herr Seefried! Bitte!

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Julia Willie Hamburg (GRÜNE): Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesord- nung. Wunderbar, vielen Dank. Wir kommen zur Festlegung von Zeit und Tages- Wir werden deshalb an dieser Stelle Ihrem Vor- ordnung des nächsten Tagungsabschnitts. Der schlag nicht folgen. Natürlich sehen auch wir den nächste, der 42. Tagungsabschnitt ist für Montag, Bedarf, dass Oberschulen weiterentwickelt und für den 12., bis Donnerstag, den 15. Dezember, vor- die Herausforderungen zukunftsfähig aufgestellt gesehen. Der Präsident wird den Landtag einberu- werden. Hier verfolgen wir aber eher das Ziel, fen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat den ihnen die Möglichkeit und die Vielfalt zu geben, Beginn und die Tagesordnung der Sitzung festle- noch stärker integrativ zu arbeiten. Das ist die gen. Richtung, in die wir gehen wollen. Ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit und (Beifall bei den GRÜNEN und bei der einen guten Heimweg. SPD) Die Sitzung ist geschlossen. Deshalb werden wir Ihren Forderungen nicht fol- (Schluss der Sitzung: 13.29 Uhr) gen, die schulzweigbezogene Arbeit der Schulen noch stärker im Gesetz zu verankern oder vorzu- schreiben; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir brauchen keine kleinen KGSen ohne gymnasi- alen Zweig. Auch beim Versuch, hier erneut die Inklusion zu unterlaufen - wir hatten diese Debatte schon am

Dienstag -, werden wir nicht mitgehen. Der Förder- schulzweig wird von uns nicht unterstützt werden. Wir sind für integratives Arbeiten an allen Stellen und stellen die Inklusion ganz nach oben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf all Ihre Unterstellungen in dem Antrag werde ich nicht eingehen. Wir benachteiligen keinerlei Schulform. Wir werden mit Ihnen aber auch nicht den Weg gehen, Schulformen zu bevorzugen. Das ist nicht unser Weg. Wir werden die Oberschulen zukunftsfähig gestalten. Vielen Dank. Ich freue mich auf die Ausschussbe- ratungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der

SPD)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Hamburg. - Weitere Wortmel- dungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratungen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Kultusausschuss mit diesem Entschließungsantrag befassen, mitbera- tend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Ich bitte um Ihr Handzeichen, wenn Sie das so be- schließen wollen. - Das ist so beschlossen.

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