Die Christuskirche in Mannheim
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Inge L. Buttmi DIE CHRISTUSKIRCHE IN MANNHEIM KIRCHENBAU NACH DEM WIESBADENER PROGRAMM RUPRECHT – KARL - UNIVERSITÄT HEIDELBERG / ZENTRUM FÜR EUROPÄISCHE GESCHICHTS- UND KULTURWISSENSCHAFTEN (ZEGK) INSTITUT FÜR EUROPÄISCHE KUNSTGESCHICHTE (IEK) INAUGURALDISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG Vorgelegt am 28. März 2012/Disputation 27. Juli 2012 1. Gutachter Prof. Dr. Michael Hesse Universität Heidelberg 2. Gutachter Prof. Dr. Matthias Untermann Universität Heidelberg 2 3 Architektur ist Harmonie und Einklang aller Teile, die so erreicht wird, dass nichts weggenommen, zugefügt oder verändert werden könnte, ohne das Ganze zu zerstören. Leo Battista Alberti, 1452 in: De re aedificatoria 4 INHALTSVERZEICHNIS Seite EINLEITUNG 7 I. DAS ENSEMBLE DER CHRISTUSKIRCHE MANNHEIM 1. Baubeschreibung des Zustandes von 1911 1.1 Lage 14 1.2 Grundriss, Querschnitt und Anordnung der Bauten 15 1.3 Außenbau und Gliederung der Fassaden 17 1.4 Beschreibung der Innenräume 20 2. Künstlerische Ausstattung und Ikonografie 2.1 Die Kirchenfassade 23 2.2 Die Anbauten 35 2.3 Der Innenraum 2.3.1 Zentrum und Prinzipalstücke 36 2.3.2 Triumphbogen, Pendentifs und Kuppelzone 40 2.3.3 Die Kirchenfenster 44 2.3.4 Die Emporenpfeiler 47 2.3.5 Liturgisches Gerät 50 II. PLANUNGS- UND BAUGESCHICHTE 1. Planung, Grundstückssuche und Ausschreibung 51 2. Der Wettbewerb 53 2.1. Die Wettbewerbsentscheidung 67 3. Planänderung, Bauausführung und Einweihung 76 4. Denkmalschutz und Denkmalpflege 4.1 Leitvorstellungen, Begriffe, Kriterien u. Spektrum der Maßnahmen 80 4.2 Notdürftige Instandsetzung nach dem 2. Weltkrieg 82 4.3 Instandsetzung und Restaurierung Kircheninnenraum 83 4.4 Technische Verbesserungen 85 4.5 Neuanschaffung der Marcussen-Orgel/Kostenaufstellung 86 4.6 Die Arbeiten am Außenbau 87 5 III. DIE KIRCHENBAUDISKUSSION Seite Abgrenzung, Stilsuche, Liturgiegeschichte, Regulative und Leitsätze 1. Beziehung von Staat und Kirche 89 2. Das Eisenacher Regulativ 92 3. Die liturgische Bewegung 95 4. Gemeindekirche und Gruppenbau 97 5. Zentralraum und Rehabilitierung nachmittelalterlicher Stile 101 6. Das Wiesbadener Programm 106 6.1 Kritik und Akzeptanz des Programms 109 IV. DIE CHRISTUSKIRCHE IN IHREM HISTORISCHEN KONTEXT Stilgeschichtliche Einordnung und Typologie 1. Der Grundriss 113 2. Der Außenbau 119 3. Der Innenraum 128 3.1 Der Kanzelaltar 131 4. Kunst am Bau und christologisches Programm 135 5. Das Gesamtkunstwerk 138 5.1 Die Pläne für die Ausstattung aus der Schradestube 140 6. Technische Innovationen in Konstruktion und Baumaterial 140 7. Der finanzielle Aspekt 143 8. Die Städtebauliche Entwicklung des Oststadtviertels 145 9. Monumentalität 147 10. Repräsentationsarchitektur 149 11. Schrades Christuskirche: Programm, Zitat und Novum 152 12. Architektonische Vernetzung 156 12.1 Der Einfluss der architektonischen Vernetzung auf den Bau der Christuskirche Mannheim 158 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung 160 Der ausführende Architekt der Christuskirche Mannheim 164 Abbildungen 166 Die Bilder sind unterteilt in Abbildungen (ab S. 166) und Figuren (im Text) Die Exponate aus der Schradestube sind mit dem Vermerk „(SchST.)“ gekennzeichnet. Literaturverzeichnis 176 Bildnachweis 184 Anhang: Verzeichnis der Unternehmer 185 Kostenübersicht 188 Daten der Bauausführung 189 Regulative, Programme und Leitsätze 190 6 EINLEITUNG Seit 1860 und mit Beginn der Industrialisierung erlebte die Stadt Mannheim wie kaum eine andere Stadt des Deutschen Reiches ein enormes Wachstum, das sich nach der Reichsgründung explosionsartig beschleunigte.1 Im Jahre 1871 betrug die Einwohnerzahl 39 606 Bürger, sie stieg innerhalb einer Generation um das Vierfache: Das Volkszählungsergebnis von 1905 registrierte bereits 163708 Mannheimer. Die Aufgabe „Großstadt“ ist gleichbedeutend mit der Bewältigung einer Menschenhäufung, wie die obigen Zahlen zeigen, und je weiter diese Zahlen voranschreiten, um so dringender und um so schwieriger wird die Mechanisierung der Grundbedingungen menschlichen Lebens.2 So gingen mit dieser urbanen Agglomeration der Ausbau von Verkehrs- und Industrieanlagen und die Anlage neuer Stadtteile einher, und so änderte sich bis 1907 der städtische Charakter Mannheims zusehends: Während sich in der Innenstadt entlang der Hauptstraßen die großen Kaufhäuser angesiedelt hatten, entstanden in der Peripherie überwiegend von Arbeitern bewohnte Viertel wie der Jungbusch, der durch den Ausbau des Hafens als Wirtschafts- und Wohngebiet an Bedeutung gewonnen hatte. Das Wachstum der Stadt und ihrer Bevölkerung wirkte sich auch auf die Sakralbautätigkeit aus. Zwischen den Jahren 1885 und 1915 wurden in Mannheim elf katholische, neun evangelische Kirchen und eine Synagoge neu errichtet, bzw. es wurden Kirchen durch Umbauten den neuen Bedingungen angepasst.3 Mit dem Bau des Wasserturms (1886-1889), der noch vor der Verabschiedung des Bebauungsplanes für die östliche Stadterweiterung als repräsentatives Wahrzeichen des neuen Stadtteils errichtet worden war, entstand seit den 1890iger Jahren ein beeindruckendes städtebauliches Ensemble rund um den Friedrichsplatz, auf dessen großzügige Gestaltung der Charlottenburger Architekt Bruno Schmitz (1858-1916) - auch mit dem Bau der Festhalle Rosengarten (1899-1903) - maßgeblichen Einfluss nahm.4 Das schon um 1870 geplante Villenviertel der Oststadt wurde mit weit mehr städteplanerischer Phantasie behandelt als die Bebauung der anderen neuen Stadtviertel, die in hohem Maße durch Grundstücksspekulation und maximale Raumausnutzung geprägt waren. Hier nämlich veranstaltete man ein Preisausschreiben, das Reinhard Baumeister5 gewann. Erst in den 90iger Jahren begann der Ausbau des Viertels, das zur bevorzugten Wohngegend der wohlhabenden Oberschicht werden sollte, die sich bewusst von den übrigen neu entstandenen Wohnvierteln abzugrenzen suchte.6 Während dieser Planungsphase überlegte man, in diesem Stadtteil eine der 1 Mannheim seit Gründung des Reiches 1871-1907, Mannheim 1907, S. 163-216. 2 Nur von den Städten Duisburg ( 4,2 fach), Essen (4,26 fach), Düsseldorf (4,5fach) wurde Mannheim überholt. Vgl. hierzu: Fritz Schumacher: Strömungen in deutscher Baukunst seit 1800, Reprint der 1. u. 2. Auflage, Braunschweig/Wiesbaden 1982, S.71 u.72. 3Udo Wennemuth: Geschichte der evangelischen Kirche in Mannheim, Sigmaringen 1996, S. 141 u. 148. Vgl. auch: Liste der Sakralbauten in Mannheim: de.wikepedia.org/wiki. 4 Vgl. Hans Huth (Bearb.): Die Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg. Die Kunstdenkmäler des Stadtkreises Mannheim. Hg. vom Landesdenkmalamt Baden Württemberg, Bd. 1, München 1982, S. 93f. 5 Reinhard Baumeister (1833-1917), seit 1862 Professor für Bauingenieurwesen am Polytechnikum Karlsruhe. Sein 1876 veröffentlichtes Werk „Stadterweiterung in technischer, wirtschaftlicher und polizeilicher Hinsicht galt seither als Grundlage des wissenschaftlichen Städtebaus in Deutschland. 6 Anna-Maria Lindemann: Mannheim im Kaiserreich, Mannheim 1988, S. 35 u. 42. Vgl. ebenso: Christmut W. Präger: Viehweide, Wasserturm und Schmuckplatz. In: Jugendstilarchitektur um 1900 in Mannheim, Mannheim 1986, S. 189, 193 u. 196 ff. 7 Villenbebauung adäquate Kirche in der Nähe des Wasserturms zu errichten, noch bevor sich eine dazugehörige evangelische Gemeinde gebildet hatte.7 Die Planung der Mannheimer Christuskirche fiel in eine Zeit, die von einer Flut von publizistischen Äußerungen zu den umfassender Fragen einer Neustrukturierung im evangelischen Kirchenbau gekennzeichnet ist. Beiträge von Architekten, Theologen und interessierten Laien wurden in Buchform oder in den einschlägigen Zeitschriften veröffentlicht. In seinem Standardwerk „Der deutsche evangelische Kirchenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ beklagt Alfred Wanckel die immer noch andauernden Diskussionen: „Über Kirchenbau im allgemeinen und den protestantischen Kirchenbau im besonderen ist in den letzten Jahrzehnten von Geistlichen, Kunstschriftstellern und ausübenden Baukünstlern viel geschrieben und geredet worden. [....] Noch immer hört man von Meinungskämpfen darüber, ob Langhaus oder Zentralbau, ob Einheitsbau oder Gruppenbau das „einzig Richtige“ sei; ja, es soll heute, im Jahre des Heils 1913, sogar noch Kreise geben, in denen man darüber sich unterhält, ob der „gothische oder der romanische Stil“ für unsere evangelischen Kirchen der geeignetste sei!“8 Seit 1890 hatte im gesamten Deutschen Reich die Zahl der Kirchenbauten beträchtlich zugenommen. „Unsere Zeit steht im Zeichen des Kirchenbaues,“ schrieb Oskar Hossfeld 1893 im „Centralblatt der Bauverwaltung“, „es herrscht die Überzeugung, dass eins der wirksamsten Mittel gegen die immer weiter um sich greifende, auf Zersetzung der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen in der Förderung christlich-kirchlichen Lebens zu suchen....sei“, und stellte weiter fest, gerade im Protestantismus werde der große Bedarf an Kirchen gedeckt, wobei man zunehmend unschematische, situations- und programmbezogene Lösungen zu entwickeln suche.9 Wie die gesamte Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist der evangelische Kirchenbau von zwei Kriterien geprägt: Stil und Funktion, aber auch ein drittes Kriterium, sozusagen als psychologische Komponente, trat bei dieser Bauaufgabe hinzu, nämlich der angestrebte stimmungsmäßige Gehalt des Raumes. Die Stilfrage, die lange Zeit zugunsten der beiden sogenannten „christlichen“ Stile gotisch und romanisch entschieden wurde, war je nach zeitlichem und historischem Hintergrund auch jeweils unterschiedlich begründet und von unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen