(TH) „Carl Benz Und Die Technische Hochschule Karlsruhe“
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Universität Karlsruhe (TH) „Carl Benz und die Technische Hochschule Karlsruhe“ Aus Fridericiana Zeitschrift der Universität Karlsruhe Heft 38, Juni 1986 von Hans-Wolf Thümmel, bearbeitet von Oliver Ulrich Kapitel 1 Der große Einfluß, den die Grün- Nicht-Badener, die höchste Frequenz dung der Polytechnischen Schule auf (gegenüber 38 im Jahre 1847, da- Karlsruhe (wie unsere Hochschule an- von 29 Nicht-Badener). Bedeutende fangs hieß) auf die Entwicklung der Unternehmer und Konstrukteure hat- oberrheinischen und deutschen Indu- ten sich hier schon ihr Rüstzeug ge- strie und darüber hinaus gehabt hat, holt, wie z.B. der Gründer der Näh- ist schon oft beschrieben worden [1]. maschinenfabrik Gritzner in Durlach Die 1825 gegründete Lehranstalt [2] Max Gritzner (ein Vetter Redtenba- hatte sich um die Mitte des Jahr- chers), Friedrich König, der Erfinder hunderts unter der Leitung Ferdinand der Buchdruckschnellpresse (König Redtenbachers, des Begründers des und Bauer, Würzburg) oder die Söhne wissenschaftlichen Maschinenbaus in von Firmengründern, die das Ererb- Deutschland, zu einem führenden In- te jeweils zur Weltgeltung führten, wie stitut mit Weltgeltung entwickelt [3]. Oskar Henschel (Henschel und Sohn, Von 1847, dem Jahr der Einrichtung Kassel) oder Heinrich Sulzer-Steiner der mechanisch-technischen Abtei- [6] (Gebr. Sulzer, Winterthur). Nach lung (Maschinenbauschule), bis 1860, Franz Schnabel sind aus Redtenba- als Carl Benz in die Polytechnische chers Hörsaal alle großen Maschi- Schule eintrat, war die Studentenzahl nenbauingenieure der zweiten Hälf- von 348 auf 781 angestiegen [4] (je- te des Jahrhunderts hervorgegangen weils ohne Vorschule), darunter 484 [7]. So hatte auch schon vor Benz ein Ausländer (1847: 133) aus allen Tei- anderer Pionier der Motorisierung zu len der Welt [5] - von Württemberg Redtenbachers Füßen gesessen, Eu- (6) über Amerika (11) bis Java (1); gen Langen, der zusammen mit Ot- zieht man von diesen die Angehörigen to den ersten wirtschaftlich arbeiten- von Staaten des Deutschen Bundes den atmosphärischen Gasmotor kon- (einschl. Luxemburg und Österreich) struiert sowie zu dessen Fabrikation ab, verbleiben immerhin 144 eigent- die berühmte Deutzer Gasmotorenfa- liche Ausländer (davon wiederum 45 brik mitbegründet hatte. Schweizer). Auch die Stadt selbst ist auf vielfäl- Innerhalb des Instituts wies im Stu- tige, wenn auch wohl mehr zufällige dienjahr 1860/61 die Maschinenbau- Weise mit der Entwicklung der Moto- schule mit 195 Schülern, darunter 166 risierung verbunden. Gottlieb Daimler 2 her Gemarkung gelegenes Städtchen (1886 eingemeindet) zur Welt. Seinen Vater verlor er schon zwei Jahre spä- ter. Da die Witwenpension der Mut- ter der wenigen Dienstjahre des Va- ters wegen zum Leben nicht hinreich- te, versuchte die Mutter als Köchin und Zimmervermieterin den Lebens- unterhalt zu bestreiten. Es gelang ihr, Carl ab 1853 den Besuch des Karls- Abb. 1.1: Briefmarke der Reichspost von ruher Lyceums (Gymnasiums) zu er- 1936 zum 50. Jahrestag der Er- möglichen. Wie Carl Benz erzählte teilung des Motorwagenpatents [10], sei es ihr Ziel gewesen, ihn Be- (Farbe: karmin) amter werden zu lassen – wohl wegen der Versorgung. Hierbei dürfte an eine mittlere Verwaltungslaufbahn mit si- fungierte hier als Vorstand der Karls- cherer Versorgung schon beim Eintritt ruher Maschinenfabrik und in ihr lern- und nicht an ein rechts- und staats- te er auch seinen genialen späte- wissenschaftliches Studium (das zu- ren Mitkonstrukteur Maybach kennen. dem den Abschluß des Lyceums mit Carl Benz wiederum hatte schon vor- der Reifeprüfung vorausgesetzt hätte) her, 1864-1866, nach Abschluß sei- mit anschließendem langjährigen un- nes Studiums als Praktikant in dieser bezahlten Praktikantendienst gedacht Firma gearbeitet. worden sein. Andernfalls wäre das Für Benz, der Techniker werden von Benz in seinen Lebenserinnerun- wollte, war es ein Glücksfall, daß es in gen geschilderte lange Ringen mit sei- Karlsruhe eine polytechnische Schule ner Mutter nicht verständlich, ihn statt gab, die zudem noch die erste Adres- Beamter lieber Techniker werden zu se für die Ausbildung zum Maschinen- lassen und dafür auf die Polytech- bauer war. Bei seinen ärmlichen Ver- nische Schule wechseln zu dürfen. hältnissen wäre wohl ein Auswärtsstu- Auch diese bereitete nämlich auf der dium kaum in Frage gekommen. Carl Bauschule und auf der Ingenieurschu- Benz entstammt einer Familie von le technische Beamte für den öffent- Schmieden, die seit dem 17. Jahrhun- lichen Dienst in der Bauverwaltung, dert in Pfaffenrot (heute Gemeinde der Wasser- und Straßenbauverwal- Marxzell) im Nordschwarzwald unweit tung und in der Eisenbahnverwaltung von Karlsruhe ansässig ist [8]. Sein vor – allerdings in langen Studien- Vater verließ nach der Schmiedelehre gängen, denen Staatsprüfungen folg- das Dorf und wurde schließlich Loko- ten. Danach hätte man wohl noch motivführer bei der jungen Badischen eine unentlohnte Praktikantenzeit bei Staatsbahn. C(K)arl [9] Benz kam am der Behörde zu absolvieren gehabt. 25.11.1844 in Mühlburg, damals noch Das strebte Carl nicht an, sondern ein selbständiges, neben der Karlsru- er wählte speziell den Maschinenbau- 3 wissen vermitteln, oder mit den Wor- ten eines ihrer Lehrer: „Sie haben die Aufgabe, die Elemente derjenigen Wissenschaften zu lehren, welche für eine wissenschaftliche Durchdringung der Aufgaben der Praxis notwendig sind. Diese Elemente lehren sie aber in bedeutendem Umfange und bilden Abb. 1.2: Gedenktafel am vermuteten daher nicht bloß Techniker, sondern Geburtshaus von Carl Benz wollen auch den Zwecken der Wissen- in Karlsruhe-Mühlburg (neben schaft genügen, soweit es nur Angeht“ der Hardtschule) [12]. Wer wiederum den für den Be- such der mathematischen Klassen er- forderlichen Bildungsstand noch nicht mitbrachte, mußte zunächst die Vor- kurs, der keine Beamtenlaufbahn er- schule besuchen. öffnete. Die stürmische Entwicklung der Als Benz 1860 vom Lyceum zur technischen Wissenschaften dräng- Polytechnischen Schule [11] wechsel- te jedoch dazu, Unterrichtsinhalte te, handelte es sich bei dieser noch und den organisatorischen Rahmen um eine Art Fachschule, in der all- den neuen Anforderungen anzupas- gemeine Schulbildung und eine ge- sen und dabei die Vermittlung des wisse wissenschaftliche Ausbildung Grundwissens den allgemeinbilden- integriert waren. Die Polytechnische den Schulen zu überlassen. Das ge- Schule gliederte sich in eine Vor- schah in den 60iger Jahren. So wur- schule, drei allgemeine mathemati- de zur Herstellung der Homogenität sche Klassen für die mathematische, kontinuierlich seitens der Schuldirek- naturwissenschaftliche und humani- tion die Herauslösung der nicht zu stische Vorbildung und sieben beson- den technischen Disziplinen passen- dere Fachschulen: der Ingenieurschu- den Post- und der Handelsschule be- le, der Bauschule, der Forstschule, trieben. der chemisch-technischen Schule, der Jährlich stellte Redtenbacher bei Maschinenbauschule, der Handels- der Regierung den Antrag, die Vor- schule und der Postschule. Wer eine schule aufzuheben, auch um damit Fachschule absolvieren wollte, konn- die Stadt, die sich mit der Einrich- te dort nicht sofort beginnen, sondern tung einer höheren Bürgerschule Zeit mußte zunächst, je nach Fachschu- ließ, in Zugzwang zu bringen. Aber le, eine, zwei oder drei mathemati- zunächst blieb der große Erfolg beim sche Klassen besuchen. Diese Klas- Ministerium aus. So wurde in kleinen sen hatten die Funktion, die sonst die Schritten vorgegangen und Jahr für Oberklassen des Gymnasiums wahr- Jahr etwas verändert, mal das Ein- nahmen. Sie sollten das für den Be- trittsalter erhöht, eine Prüfung aufge- such der Fachschule nötige Grund- hoben, ein Fach entfernt, ein ande- 4 Abb. 1.3: Das Gebäude der Polytechnischen Schule um 1855 res eingeführt, die Stundenzahl ver- gen ihr Studium aufnahmen. Bevor ändert u.ä. 1863 schließlich wurden er sich dem Maschinenbau widmen die Vorschule und die 1. Mathema- konnte, mußte er zunächst die bei- tische Klasse aufgehoben und damit den Mathematischen Klassen absol- das Eintrittsalter automatisch auf 17 vieren. Hätte er 1863 begonnen, wä- Jahre erhöht [13]. 1865 erfolgte dann re ihm durch den Wegfall der 1. Ma- die Herauslösung der Post- und der thematischen Klasse zwar ein ganzes Handelsschule und die Verleihung der Jahr erspart worden, er hätte dann al- Hochschulverfassung; die Polytechni- lerdings das Lyceum eine Klasse wei- sche Schule war nun eine techni- ter bis zum 17. Lebensjahr besuchen sche Hochschule und wurde im Ge- müssen, zeitlich also nichts gewon- setz auch so definiert [14], wenn sie nen. 1860 war Voraussetzung für die auch den Namen selbst erst 20 Jahre Aufnahme in die 1. Mathematische später erhielt. Ihr Zweck war nun al- Klasse die Vollendung des 16. Le- lein die „wissenschaftliche Ausbildung bensjahres (1859 genügte noch das für diejenigen technischen Berufsfä- 15.) [15] und die Kenntnisse, „welche cher, welche die Mathematik, die Na- in denjenigen Klassen der Mittelschu- turwissenschaften und die zeichnen- len gelehrt werden, die dem ange- den Künste zur Grundlage haben“. gebenen Alter entsprechen“ [16]. Da Benz auf dem Lyceum eine Vorklas- Benz gehörte zu den letzten, die se und sechs Jahreskurse (vermut- noch unter den alten Voraussetzun- lich von 9) im entsprechenden Alter 5 Abb. 1.4: Carl Benz im „Einschreibebuch“ der Polytechnischen Schule – mit falschem Geburtsdatum und -ort. (Der untere Teil nach einem Abdruck von Siebertz 1943 [Lit.-Verz.] [17], der obere Teil nach einem in jenen Jahren in der Schu- le benutzten Vordruck.)