Pipe, Pirra, Pustertal Erkundungen Der Namenlandschaft Im Brunecker Becken
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Dr. Johannes Ortner Pipe, Pirra, Pustertal Erkundungen der Namenlandschaft im Brunecker Becken Vortrag, gehalten am 7. Februar 2017 in Bruneck 1. Einleitung Kurze Geschichte der Flurnamensammlung Südtirol Situation im Brunecker Becken Pfalzen , Christina Antenhofer, 900 Namen; Publikation: Flurnamenbuch der Gemeinde Pfalzen, Schlern-Schrift, 2001, Datenbank: 792 Gais , Gisela Preindl, 800 Namen; Nacherhebungen in Tesselberg, teils Mühlbach, nun: 953 Bruneck , Gisela Preindl, 900 Namen; Nacherhebungen in Bruneck und Stegen, nun: 1253 Percha , Gisela Preindl, 500 Namen; Nacherhebungen mit J. Passler, nun: 1041 ; Online-Publikation: fluri09 über die Flurnamen von Oberwielenbach und Platten. St. Lorenzen , Petra Steger, 1500 Namen; nun: 1458 Kiens, Christina Antenhofer, 1300 Namen; Datenbank: 1183 Olang , Barbara Kofler, 700 Namen; Datenbank: 1308 Die 5 Gemeinden: 5497 Flur-, Haus-, Hofnamen, Hydronyme, Oronyme, Hodonyme. Die 7 Gemeinden: 7988 Literatur Karl Finsterwalder Neues über Pirra und Ahrn (1934), Der Ortsname Ehrenburg im Pustertal (1948), Das Wallburgen-Leitwort „Piper“ (1951), Woher stammt das ladinische Volkstum in den Dolomiten? (1964), Pustertaler Ortsnamen (1965), Die Lage des „Hagabach, Muntiniusa“ von 1050 und die Sprachgrenze im Pustertal (1966), Der Pustertaler Ortsname Gais in der Sicht der altgermanischen Sprachschöpfung (1969), Die mittelalterliche Geographie des Pustertals bei Cusanus (1970); Publikation der Schützenkompanie Ehrenburg: Flurnamen - Wurzeln der Heimat: Orts-, Hof- und Flurnamen der Gemeinde Kiens (2010). 1 Die Namenkunde, in der Fachsprache Onomastik, ist für einen interdisziplinären Ansatz geradezu prädestiniert, da Flur- und Ortsnamen sämtliche Bereiche der menschlichen Erfahrungswelt abdecken. Besonders aussagekräftig sind Ortsnamen als historische Quellen für die wissenschaftlichen Disziplinen der Archäologie, der Siedlungs- und Agrargeschichte und zuletzt für die politische Geschichte, weil ja schriftliche Quellen, Urkunden, Urbare meist nur ins Frühmittelalter zurückreichen, während Ortsnamen einer oft älteren, sonst quellenlosen Zeit, entstammen. Dies verdeutlicht der gerade im Brunecker Becken mehrfach anzutreffender Flurnamentyp Pipe und Piburg/Piberg/Piper (Percha, Nasen, Rasen). Viele von Ihnen kennen die Jörginer Pipe oder auch die Gaisinger Pipe , bewaldete Kuppen oberhalb der Ortskerne, die von der vorgeschichtlichen Bevölkerung als sichere Zufluchtsstätte besiedelt waren. Der frühbairische Ausdruck Pipe stammt aus dem vorahd. * bi-bûrch „rings umwundene Burg; Wallburg“. Die baiuwarischen Stämme haben also auf ihrem Durchzug durch das Pustertal Ende des 6. Jh. die Wallburgen gekannt und benannt. Die Feldnamen Piburg in Percha, Piberg in Nasen und Pippo in Niederrasen weisen ebenso auch auf nahe Wallburgen hin. Die idg. Vorsilbe * bi „ringsum“ steckt im griechischen amphi , war aber auch in deutscher Zeit flurnamenprägend, indem besonders auf die Notwendigkeit des Einzäunens hingewiesen wurde: so im Pustertaler Paradeflurnamen Peinte . Die Peinte bezeichnete ursprünglich ein eingezäuntes, der Weide vorbehaltenes Stück Feld in Hofnähe, es leitet sich von germanisch * biwentia „rings Umwundenes“ ab > mhd. biunde > umgelautet Peinte , darin steckt also auch unser Wort Wand . Gleichen Ursprungs natürlich auch der Namen Pifang „das ringsum Eingefangene“ ( Maurer -Pifang in Pfalzen, Pifangwiesen oberhalb Ried/Rasen) sowie Pizat < mhd. * bizuni „rings Umzäuntes“ (Weidacher-Pizat in Moos/Lorenzen). Mit dem Beispiel Pipe sind wir weit in die vorgeschichtliche Zeit des Pustertals eingedrungen. Wie keine andere Quelle erschließt sich uns Heutigen die Sprachgeschichte des Alpenraums über die Orts- und Flurnamen. Diese wurden im Laufe der Geschichte den wechselnden vorherrschenden Sprachschichten lautlich angepasst. Im Kern aber haben einige von ihnen die Jahrtausende überstanden. 2 2. Sprachschichten im Alpenraum Vorindogermanisch (vorbronzezeitlich) Tauern „für den Viehtrieb geeigneter Übergang“: Tauerntal (Tesselberg), Kleiner Tauern und Tauern (Weg- und Feldname in St. Lorenzen) ‒ oder aber ein übertragener Name? Ostalpenindogermanisch (Bronzezeit ) Bruneck 1256 als Burg und Mark Bruneke von Bischof Bruno gegründet. Nach C. Kollmann muss der lautliche Ansatz, auf dem sich sowohl die ladinischen ( Bornéch ) als auch deutschen Formen abbilden lassen, anders lauten als traditionell „Eck des Bruno“, nämlich vorrömisch *brunnèkku-, mit einer Basis * brunn- und einem Suffix -èkku-. Die Basis *brunn- könnte auf idg. *bhren- „hervorstehen; Kante“ (IEW, S. 167) zurückgeführt werden. Idg. *bhrn-nó- oder *bhrn-dó- konnte oaidg.B *brunn- ergeben haben, mit der Bedeutung „Hervorstehendes“ und, in Bezug auf die Lage, „Erhebung, Eck“; Benennungsmotiv wäre der jetzige Schlossberg, der sich hart an die Rienz drängt. ( Luftbild ) Ein alternativer Vorschlag wäre idg. *bher- > *bheren- > *bhren- „brennen“ (vgl. IEW, S. 144–145) > oaidg.B *brunn- ergeben und „Gebranntes“ bedeuten. Oaidg.B * Brunnèkku konnte somit entweder „Erhebung , Eck “ oder „Gebranntes (durch Brandrodung?)“ bedeuten. Das Suffix *-èkku -, dessen Herkunft und Bedeutung unklar ist, finden wir in Tirol nur selten, und zwar als *-ècca in Brixlegg und vielleicht auch im Namen Defereggen. Entwicklungskette: Oaidg.B * Brunnèkku > rom. * Brunnèkku > * Brunèku (daraus lad. Bornéch, Bornèch und – mit Suffixwechsel – agordin., cadorin. Bornìch > ital. Brunìco ). Auf deutscher Seite: bei Eindeutschung vor ca. 1100, mhd. * Prúneke oder, bei Eindeutschung nach ca. 1100, mhd. * Prunèke und – mitunter durch Einblendung von Bruno + Eck (Egg) – *Praunegg(e)(n) > nhd. Bruneck (mda. Prunéggn mit Akzentverlagerung auf die zweite Silbe, falls der Name vor ca. 1100 eingedeutscht wurde und demnach ursprünglich * Prúneke lautete). Gais (Murkegel der Gaisinger Felder) Im Gemeindenamen Gais steckt der Hinweis auf den nahen landschaftsprägenden Murkegel. Eine vorrömisch-idg. Silbe * gh əi- „rinnen“ konnte zu * gh əid- „Anschwemmland, Murkegel“ und im Germanischen schließlich zu * geis erweitert werden. Die urkundlich belegten Endungen -es , - 3 ez (Geizes ) sind eine Schwundform des altgermanischen Suffixes -ass . Der Name muss also in altbairischer bzw. voralthochdeutscher Zeit * gait-ass-u „Gelände in der Nähe von Schwemmland, von einem Schuttkegel “ gelautet haben. Dies entspricht völlig der Sachlage, nämlich des alten Dorfes Gais am Rand des fruchtbaren Murkegels der Gaisinger Felder. Schalenstein in der Flur „Gstauda“ bei Luns. Oben: Gesamtaufnahme; unten: Detail. Fotos: J. Ortner. 4 Luns Nach C. Kollmann vorrömisch: oaidg.B * lunssu- „Einsenkung “ < * lṇdʰ- + -tú-, zu idg. *lend ʰ- „sich senken, nach unten geraten“ (LIV, S. 412-3). Der Name Luns wäre demnach urverwandt mit unserem Wort Land . Das Benennungsmotiv dieser drei indogermanisch-bronzezeitlichen Ortsnamen bildet also das Gelände: Einer der besonders zwischen Lorenzen und Bruneck vorkommenden Bichl, dann der Murkegel und eine Senke bzw. Verebnung. Alteuropäische Hydronymie Pirra Der alte Name der Ahr lautete Pirra oder Pirlbach (beim Durchwanderer der Alpen Venantius Fortunatus ist Ende des 6. Jahrhunderts die Stelle ubi Byrrhus vertitur undis überliefert, 1048 Pirra , 1494 das gross wasser , so aus Taufers geeth , 1772 Pirl- oder Achenbach für den Oberlauf). Die beiden Flurnamen Birnlücke am Bachursprung und Birnfelder (Pirreveld , Pirrnveld ) an der Mündung in die Rienz sind jedenfalls die letzten Zeugen des alten Bachnamens. Der Name Pirra bzw. Pirre galt bis ins 11./12. Jahrhundert auch für den Unterlauf der Rienz zwischen Bruneck und Brixen ( Pirnfeld bei Bad Bachgart/Rodeneck), bis sich der ursprünglich nur für die Strecke Drei Zinnen ‒ Brunecker Becken geltende Name Rienz für das gesamte Südtiroler Pustertal durchsetzte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts verschwand auch die Birra ‒ zugunsten des Namens Achenbach. Der Hofname Achenrain in St. Jakob legt davon Zeugnis ab. Nur am Oberlauf, in Prettau, blieb die Benennung Pirlbach wenigstens bis zum 18. Jahrhundert erhalten. Der Grundbach des Volksmunds schien Geografen schließlich zu unscharf, also schuf man für das Ahrntal den Ahrnbach und schließlich „die Ahr“ in Anlehnung an „die Rienz“, „die Etsch“ „die Passer“. Nach Ansicht K. Finsterwalders könnte Pirra zur indogermanischen Wurzel *bhers- „eilen“, erweitert zu * Bhersos > Byrrhus „die eilig Rinnende“ gestellt werden. Rienz Urkundlich Rionzus < Oaidg. * regontsjo- „die Bewässernde, die Benetzende ″ < idg. * regh- „benetzen, bewässern ″ oder doch * rei- „reißen ″? Benennungsmotiv wäre im letzteren Fall der stürzende Wildbach der Schwarzen Rienz unterhalb der Drei Zinnen. Keltisch (Eisenzeit) K. Finsterwalder hat angesichts der keltischen ON Olang (* Aul ākon „Gebiet eines * Aulos “), Luttach (* Lukt ākon „Gebiet eines * Luktos “), Taisten („Gebiet 5 eines * Deketos “ > urkundlich Tesitin ), Prags (* bragos „Morast, Sumpf“), Toblach (* Dubl ākon „Gebiet eines * Duplos “), Innichen (* Indika „die Prächtige, Geschmückte“ > Ahd. Lautverschiebung Indica > Intiha), Vierschach (* Wirisi ākon „Gebiet eines * Wirisios “), Vintl (* Vindolaio „Weißfeld“), sowie das Hydronym Pidig (* budjo „die Gelbe“) als Namengeber des Pustertals den Keltenfürsten Busturos ins Spiel gebracht. Die Erstnennung lautet 1030 in pago Pustrissa und ist „der mittelalterlichen Territorialgeschichte zufolge aus der Benennung des Brunecker Talkessels, also eines einheitlichen nicht allzu großen Raums, hervorgegangen“. Das Wortbildungssuffix -issu sei im Keltischen nachgewiesen. „Ein PN Busturus ist in Norikum, ein Busturo in Pannonien