Alexanders Revier
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52 FETTUNG BESCHREIBUNG KULTUR &GESCHICHTE ALEXANDERS REVIER „Dürftige Sandnatur“?„Verkümmerte Coniferen“?Der jüngereder Humboldt- Brüderhielt nichtvielvon derNatur um Berlin.Wir findensie wunderschön! Zwei Touren zu Orten,die denWeltreisenden prägten TEXT &FOTOS Dorothee Nolte TOUR 1&2 KULTUR &GESCHICHTE 53 „Gestern Pfaueninsel, viel unterwegs–bei seiner großenRusslandreise TeeinCharlottenhof, Komödie (1829) etwa passierteer658 Poststationen, 12244 undAbendesseninSanssouci, Pferde wurden gewechselt. Fahrräder dagegen kannteernicht,aber mit Sicherheithätte er heute in Berlin,morgen dieseArt der selbstbestimmten Fortbewegung nachPotsdam“ geliebt. Bewegung warsein Leben! Immerhin ist Alexander vonHumboldt es möglich, dassHumboldt die „Laufmaschine“ vonKarlDrais, Vorläuferin des Fahrrads, kannte. UnsereTourbeginnt –natürlich –inTegel, dem Ort, wo die Humboldt-Brüder Wilhelm lexander vonHumboldt,der Weltrei- (1767–1835) und Alexander (1769–1859)auf- sende,Forscher, Kosmopolit, hatüber wuchsen, als Söhne eines Majorsund einer A seine HeimatstadtBerlinoft gespottet. wohlhabendenHugenotten-Nachfahrin. Vom Vorallem die Natur konnteihn,der auf seiner S-BahnhofTegel radeln wirüberHolperpflaster großen Amerikareise (1799–1804)die Urwälder zur Greenwichpromenade, blickenauf den Te- und Vulkane Südamerikas gesehen hatte,nicht geler See und lassen uns vomjungen Alexander beeindrucken. Berlin, diese„verödete, kleine,un- selbst dieLandschaft schildern: „Tegel liegt an literarische Stadt“, warfür ihn „eine moralische demUfereines eineinhalbMeilenlangen Sees, Sandwüste, geziert durch Akaziensträucherund der vonschön angebautenInseln durchschnitten blühende Kartoffelfelder“. Viel lieber lebteer, ist“, schriebereinem Freund mit Mitte zwan- nachdemnach er aus Amerikazurückgekommen zig. „Hügel mit Weinreben, die wir hier Berge war, in Paris. Undals er dann doch,mit nennen, große Pflanzungen vonausländischen Karteund fast 60 Jahren, wiederinBerlin Wohn- Hölzern, Wiesen, die dasSchloss umgeben, und Wegbeschreibung sitz nahm,zauberteersichaus seiner überraschende Aussichten auf die malerischen zu dieser Tour ab Erinnerung „Palmenwälder dahin,wo Ufer des Sees machen diesen Ort zu dem rei- Seite58 verkümmerte Coniferen als Hasenheide zendsten Aufenthalte der hiesigenGegend.“An sichsi bisandie chinesische Grenze in ein- seine eigene Jugend erinnert er sich mit weniger förmifö gemZugedahinziehen“. In Berlin,so positivenWorten: Im väterlichen Hausesei er klagte er,finde er sich„verdammt in solchem „18 Jahrelang gemisshandelt und in einer dürf- Klima ohneallen Genussdes freien Naturlebens, tigen Sandnatur eingezwängt“ worden. außerkranken Pflanzen in Treibhäusern, ausge- Wirerreichen das„väterliche Haus“, nach- stopften Bälgen derzoologischenKabinette und dem wir auf der rotenHafenbrückeweitere desgetrockneten Heus derHerbarien“. Ausblickegenossenund einen Abstecher zur „Dicken Marie“ gemacht haben, jenem ältesten AUFDEM RADIMPOSTKUTSCHEN-TEMPO Beialler Hochachtung für den Gelehrten, der im September seinen 250.Geburtstag feiert: Hier irrte er.Unserezweitägige Radtourführt unsan Orte, an denen Alexander vonHumboldtgewirkt Die „DickeMarie“, hat, und wir werden sehen: Die Natur ist wun- Berlins ältester derschön! Am ersten Tagfolgen wir demLeben Baum, ist benannt des preußischen Freigeists vonTegel über Mitte nach derKöchin bis nach Charlottenburg. Der zweiteTag lässt derHumboldts unsdas „fledermausartigeLeben“ nachvollzie- hen, das Humboldt im Alterführte, als er,Kam- merherr und VertrauterFriedrich WilhelmsIV., den König auf dessen Schlösser begleitete. „Ges- tern Pfaueninsel, TeeinCharlottenhof, Komödie und Abendessen in Sanssouci, heute in Berlin, morgennach Potsdam“ –das wollen wir auch. Mit dem Fahrrad geht das besondersgut,denn wir bewegenuns etwa in demTempo,das eine Postkutsche zu Humboldts Zeiten erreichen konnte. Mit solchen Kutschen warder Gelehrte 54 FETTUNG BESCHREIBUNG Zu Humboldts Zeiten Baum Berlins,der angeblich nachder beleibten Chausseestraße bis zum OranienburgerTor. war hier nur Wald: Köchin der FamilieHumboldt benanntwurde. Wirsuchen uns einen naturnäheren Weg, über Flughafensee in Tegel(o.), Das bezaubernde weiße Schloss, das in Alex- Flughafensee, VolksparkRehberge und entlang früher Sing-Akademie, andersJugend nochein einfaches Jagdschloss des Berlin-SpandauerSchifffahrtskanals, mit heuteGorkiTheater: warund vonKarlFriedrich Schinkel ab 1820für interessanten Ausblicken auf die entstehende Hier hielt Humboldt seine Wilhelm vonHumboldtumgebautwurde,kann Europa-City. Nach unserem Helden istsowohl „Kosmos“-Vorlesungen (u.) im Sommernur montagsimRahmen vonFüh- das „Alexanderufer“ alsauch der„Humboldt- rungen besichtigt werden. Aber der Park,indem hafen“ benannt,indem wir vielleicht sogar das derkleine Alexander Steine und Käfer sammelte, Ausflugsschiff„Alexander vonHumboldt“sehen. ist in derRegel öffentlich zugänglich. Aufjeden Fall nähern wir unsjetzt der Stadt- Wirlassen dasFahrradstehen und gehenzur mitte,inder Humboldt als junger Mann Salons Grabstätte der Humboldt-Familie:Hier liegt besuchte und in den späteren Lebensjahrzehnten auch Alexander begraben. Die Nachbarschaft wissenschaftlichwirkte. Zwischen 1827bis zu sei- des Schlosses, das Alexander gelegentlich als nem Tod1859hatte er seinen Hauptwohnsitz in „SchlossLangweil“ bezeichnet hat, istbis heute Berlin,lebte in verschiedenenMietwohnungen vondem Familiennamen geprägt: vonder „Hum- und schriebanseinem Hauptwerk„Kosmos“. boldt-Mühle“, heute ein Rehazentrum, über die Die Mitte-Tour führt uns,naturgemäß durch „Humboldt-Insel“ mit ihren neu errichteten Stadtverkehr,zunächst zum Gendarmenmarkt: Stadtvillen bis zur „KleingartenanlageHumboldt In der Jägerstraße 22 stand das Stadthaus der e.V. “. Auch an der 1987 errichteten „Humboldt- Humboldts, hier wurdeAlexandervermutlich Bibliothek“ kommen wir vorbei und können dort geboren. Heute ist dort die Akademie der Wis- Denkmälerder Brüder bewundern–Alexander senschaftenbeheimatet, wo Forscheremsig ist mit einemAffen abgebildet. dabei sind, alle Reisetexte Alexandersdigital Wiekam man damals vomSommersitz zugänglich zu machen. Vondort radeln wir der Familie,dem Schloss, zum Stadthaus zum neu errichtetenSchloss, in dessen Vorgän- am Gendarmenmarkt? Alexander schrieb gerbau Alexander gelegentlich zu Gast warund e .d einmal spöttisch, man müsse dafür „die die Märzrevolution 1848 miterlebte.Dassdas vh /a Wüste Saharadurchwandeln“.Die Fahrt Schlossals „Humboldt Forum“dem Austausch ia mit der Kutsche soll zwei bis drei Stunden der Kulturen gewidmet sein wird, hätte ihnsi- ped ki gedauert haben, und sie führtevermutlich cherlich gefreut. Nebenan, im Nikolaiviertel, Wi weitgehendüber die heutigeMüller-und gewinnen wir einen Eindruck vonStadtarchi- TO FO TOUR 1&2 KULTUR &GESCHICHTE 55 Gorki Theater, wo Alexander1827/28mit seinen berühmten „Kosmos“-Vorlesungen ein riesiges, sehr gemischtes Publikum anzog. Wirpassieren die vonWilhelmbegründete Humboldt-Univer- sität mit den beiden Standbildern der Humboldt- Brüder.Nebenan, wo jetzt die Staatsbibliothek Unterden Lindensteht, warzuHumboldts Zei- tendie Akademieder Wissenschaften, deren Mitglied er war. DieheutigeStaatsbibliothek ist stolzeBesitzerinseiner Original-Reisetage- bücher,neun Bände,inSchweinsleder gebunden und 2013 für12Millionen Euroerworben. KUNST IM SCHLOSSPARK Nach allden Eindrücken vonHumboldts wis- Alexander von Humboldt senschaftlichem Leben in Berlin-Mitte sehnen auf Forschungsreise, wir uns wieder nach ein bisschen Natur.Durch 1806 gemalt von den Tiergarten geht es zum Charlottenburger Friedrich Georg Weitsch Torund vondort,anLandwehrkanal und Spree entlang, in den SchlossparkCharlottenburg. Hier warAlexander oft zu Gast,dennFriedrich Wil- helm IV.schätzteihn als anregenden Gesprächs- partner.Umgekehrt fand Alexander das Hofle- tektur und Inneneinrichtung seiner Zeit und ben oftmals langweilig. „UnsereAbende sind besuchen das Knoblauch-Haus:Hiersteht Ale- voneiner Monotonie,umanden Wändenzu xandersSterbebett. Gestorben ist Humboldtmit kratzen”,schriebereinem Bekannten. Womög- fast 90 Jahren allerdingsnicht dort, sondern in lich träumteder –wie er sich selbstbezeichnete seiner Wohnung in der OranienburgerStraße67, –„an den Höfenzahm gewordene Waldmensch unserer nächsten Station –ander Fassade und vomOrinoco“ dann vonden Tropen? im Innenhof erinnern daran zwei Gedenktafeln. Die gibt’shier nur auf Bildern zu sehen: Im Über den Lustgarten stoßen wir vondort auf Neuen Pavillon des Schlossparks hängen zwei dieStraße Unterden Lindenund radeln könig- Bilder vonCarlBlechen, die „Das Inneredes Pal- lich die Prachtstraße hinunter,vorbei an der ehe- menhauses auf der Pfaueninsel“zeigen. Dieser maligen Sing-Akademie, dem heutigen Maxim Glaspalast,den Friedrich Wilhelm III. fürseine ANZEIGE Traumimmobilien im Träume Umland gibt’s bei uns. erfüllen Wir begleiten Sie von ist einfach. Anfang bis Eigentum. mbsdirekt.de 56 KULTUR &GESCHICHTE TOUR 1&2 Humboldt und Bonpland vor dem Chimborazo (l.), Blumenrabatten an denRömischenBädern im Park Sanssouci (o.) Palmensammlungbauenließ, brannte bereits ßen Wannseeund die „Uferpromenade“ errei- 1880 ab,aberHumboldthat ihninvoller Schön- chen –ein sehr schöner,aber in trockenen Zeiten heit erlebt: „Wenn man in dem Palmenhause von auch sehr sandiger Weg, der uns an Humboldts dem hohen Altane bei heller Mittagssonneauf Spottüberden märkischen Sand denken lässt. TIPP die Fülle schilf-und baumartiger Palmenherab Aber die Blicke! Dieser Tagwirdein Fest für die blickt“, schrieberwehmütig, „so ist man auf Au- Augen, eine Wasserwonne und Schlösserschau, genblickeüber