Sesshaftmachung von Landarbeitern und innere Kolonisation in Dänemark. Von Dr. Hollmann, landwirtschaftlichem Sachverständigen beim Kaiserlichen Generalkonsulat in St. Petersburg. (mitgeteilt vom Auswärtigen Amt) Das erste Gesetz über die Sesshaftmachung der Landarbeiter in Dänemark datiert vom Jahre 1899. Nach fünf Jahren, im Jahre 1904 ■wurde das Gesetz einer Durchsicht unterworfen, die zu einer Erweiterung und Verstärkung der staatlichen Massnahmen führte, und nach abermals ünf Jahren, im Jahre 1909 wurde das Gesetz wiederum durchgesehen mit dem Ergebnis einer abermaligen Erhöhung der aufzuwendenden Staats­ mittel. Die wesentlichen Bestimmungen des neuen, mit dem 1. April 1910 ln Kraft getretenen Gesetzes sind folgende: Die Berechtigung für die Erwerbung eines Staatsdarlehens zum Er­ werb von Grundbesitz hat jeder Mann oder unverheiratete Frau, die sich wesentlich von der Ausführung von allgemeiner Landarbeit, hierunter uueh Gartenarbeit, für andere gegen Vergütung ernährt, ob er (oder sie) uun im festen Dienstverhältnis steht oder seinen Erwerb als Tagelöhner ezieht oder selbst Pächter einer Stelle von der im Gesetz festgelegten 'össe ist oder gewesen ist; ferner die mit Landarbeitern in wirtschaft- ’c er Hinsicht gleichgestellten Landhandwerker, Ziegeleiarbeiter, Fischer, le nicht direkte Mittel aus dem Staatsdarlehnsfonds für Fischereizwecke Gzogen haben und andere Berufe, die sich teilweise von Landarbeit er­ nähren. Bedingung ist, dass der Antragsteller K die Staatsangehörigkeit besitzt, 2. zwischen 25 und 50 Jahre ist, 3. nicht für eine entehrende Handlung bestraft ist, 4. nicht unzurückgezahlte Armenunterstützung genossen hat, 5. sich vier Jahre als Landarbeiter nach seinem 18. Lebensjahre er­ nährt hat, 6- ein Zeugnis aufweist, dass er ein fleissiger, nüchterner und spar­ samer Mann ist, 7- nachweist, dass er im Besitze eines Vermögens ist, das einem Zehntel des Beleihungswerts der Stelle gleichkommt, 3. nicht mit eigenen Mitteln solche Stelle erwerben kann. Die Stellen, die auf Grund dieses Gesetzes erworben werden, sollen lc d unter 1 Hektar Land umfassen. Archiv IV, 3. 7 Wenn ein Landarbeiter, der obigen Voraussetzungen entspricht, Grundbesitz wünscht und nicht in der Lage ist, solchen anzugeben, so kann er sich an den Kommunalrat wenden, der darauf nach näher bestimmten Vorschriften die nötigen Schritte in dieser Richtung unternimmt. Der Kommunalrat wird zunächst suchen, Angebote von privaten Grund­ besitzern herbeizuführen; gelingt das nicht, so wird er sehen, ob sich in der Kommune Grund und Boden in öffentlichem Besitz finden, der sich für den gedachten Zweck eignet, und danach mit den in Betracht kommen­ den Behörden in Verhandlung treten. Ist eine Stelle ausersehen, so stellt der Landarbeiter durch den Kommunalrat einen Antrag an den Vor­ sitzenden der für den Bezirk eingesetzten Kommission. Der Antrag soll Angaben über die ungefähre Grösse der zu erwerbenden Stelle, über den Preis, zu welchem der Grund und Boden zu haben ist, sowie Pläne über die zu errichtenden Gebäude — falls der Landarbeiter nicht etwa schon im Besitze solcher ist — enthalten. Die gesamten Kosten, welche die Stelle hiernach dem betreffenden Antragsteller machen wird, (der Beleihungswert der Besitzung gegenüber dem Staate) dürfen nur in Gegenden, wo die Bodenpreise besonders hoch sind, die Summe von 6500 Kronen (1 Kr. = 1,12 M.) in keinem Falle abe- die Summe von 8000 Kronen übersteigen. Die Kommission besichtigt darauf die Stelle, untersucht, ob sie sich für landwirtschaftlichen Kleinbetrieb eignet, ob der Preis angemessen ist, ob die geplanten oder die sich etwa schon im Besitz des Arbeiters befindenden Gebäude der Stelle entsprechend sind und gibt darauf dem Antragsteller Bescheid, ob er für die betreffende Stelle ein Staatsdarlehn erhalten kann oder nicht und aus welchen Gründen nicht. Im letzten Falle steht dem Antragsteller die Berufung an den Landwirtschaftsminister frei. Ist alles in Ordnung befunden, und hat der Arbeiter den Bescheid erhalten, dass er qualifiziert ist, die Staatsbeihilfe zum Erwerb der Stelle zu erhalten, sind ferner die nach der Planvorlage für gut befundenen Ge­ bäude vorschriftsmässig aufgeführt und die Besitzung mit dem notwendigen toten und lebenden Inventar versehen, so kann der Arbeiter, indem er sich an die Amtskommission wendet, sein Staatsdarlehn ausbezahlt erhalten, das V10 vom Beleihungswert der Stelle beträgt. Das Darlehen wird auf die gesamte Besitzung mit ihren Gebäuden und ihrem Viehbestand ein­ getragen und mit 3 % jährlich verzinst. In den ersten fünf Jahren ist das Darlehen abtragsfrei; danach werden die letzten 2/n des Darlehens mit 1 % jährlich abgetragen. Wenn dieser Teil des Darlehens abgetragen ist, wird der Rest mit 1 % jährlich abgetragen. Das Darlehen ist unkündbar, solange die betreffende Stelle den Be­ stimmungen des Gesetzes gemäss erhalten wird. An solchen Staatsdarlehen zur Gründung von kleinen Stellen kann der Staat während fünf Jahren jährlich eine Summe bis zu 4 000 000 Kronen aufwenden, die auf die einzelnen Amtsratskreise nach dem Verhältnis der eingegangenen Gesuche verteilt werden. 83

Niemand kann für mehr als eine Stelle Staatsdarlehen erhalten. Die Stelle muss als landwirtschaftlicher Betrieb erhalten bleiben. Der hierfür notwendige Viehbestand sowie totes Inventar und Gebäude sind in Stand zu halten. Der Besitzer ist verpflichtet, der Amtskommission zu jeder Zeit Zutritt zu gewähren, damit sie sich von der Einhaltung dieser Verpflichtung überzeugen kann. Solche Besichtigungen sollen mindestens jedes dritte Jahr abgehalten werden. Der Besitzer ist verpflichtet, Gebäude sowie lebendes und totes Inventar gegen Feuersgefahr in einer staatlich an­ erkannten Feuerversicherung zu ihrem vollen Werte zu versichern. Die Stelle darf nicht zerstückelt oder mit anderem Grundbesitz zusammen- gelegt werden, jedoch kann die Erlaubnis zur Zusammenlegung erteilt werden, wenn die Umstände dafür sprechen, dass der Besitzer seinen Be- rieb erweitere. Die Stelle muss indessen ihren Charakter als landwirt­ schaftlicher Kleinbetrieb bewahren. Die Stelle kann unter der Voraus­ setzung übertragen werden, dass der neue Erwerber die vorhin erwähnten allgemeinen Bedingungen für die Erlangung des Staatsdarlehens erfüllt. tirbt der Besitzer, so kann die Witwe in das Verhältnis des Erblassers ZUr Staatskasse eintreten; geht die Witwe eine neue Ehe ein, so kann Geses Verhältnis nur bestehen bleiben im Falle, dass der Mann die Be­ dingungen zur Erlangung eines Staatsdarlehens erfüllt. Dasselbe gilt für cn Kall, dass eine andere Frau, die eine staatliche Häuslerstelle erworben at* die Ehe eingeht. Die Stellen können nach bäuerlichem Erbrecht, d. h. unter Bevorzugung eines der Erben übertragen werden. Wird das estationsrecht zum Vorteile eines der Kinder ausgeübt, so soll dieses in uas Verhältnis des Erblassers zur Staatskasse eintreten können, sofern er 0 {er’ wenn es eine verheiratete Tochter ist, deren Mann die oben an- ge ährten Bedingungen unter 3, 4 und 6 erfüllt, doch nur für den Fall, dass le mi T estamente für die Miterben angesetzte Summe nicht höher ist als er kuim Tode des Erblassers abgetragene Teil des Staatsdarlehens. ^ Line wesentliche Bestimmung des neuen Gesetzes ist das sogenannte -rgänzimgsdarlehen für solche, die bereits auf Grund der früheren Gesetze Jiidber einer Staatshäuslerstelle sind. Das Gesetz bestimmt hierüber, vass so*chc Ergänzungsdarlehen zur Erweiterung des Betriebes oder zur ervoiisj-gnjjgjjHg der Gebäude bewilligt werden können. Das Ergänzungs- -?en wird zu "An des Betrages berechnet, um welchen der Beleihungs- ,,ei gegenüber den früheren Gesetzen von 1899 und 1904 erhöht ist. Das -wsetz von 1899 hatte den Beleihungswert auf 4000 Kronen und das Gesetz auf 5000 Kronen festgelegt, während das neue Gesetz ihn auf Kronen erhöht. Die Differenz beträgt also im Verhältnis zu dem Ge- ISnn r 1899 2500 Kronen, und im Verhältnis zu dem Gesetz von 1904 0 Kronen. Von diesen können also %o als Ergänzungsdarlehen be- 1 'gt werden, jedoch mit der Massgabe, dass das Darlehen für die auf p.und des Gesetzes von 1899 2100 Kronen und für die auf Grund des Ge- In Z|CS V'°n errichteten Stellen 1400 Kronen nicht übersteigen darf. ”. j.cn Fällen, wo auf Grund besonders hoher Bodenpreise Darlehen be- 1 wurden, die 3600 Kronen beziehungsweise 4500 Kronen überstiegen, 84

darf die Summe des ursprünglichen Darlehens und des Ergänzungs­ darlehens 8000 Kronen nicht übersteigen. Das Ergänzungsdarlehen wird zu denselben Bedingungen gewährt wie das Hauptdarlehen, jedoch so, dass das Ergänzungsdarsehen 51% Jahre nachdem das Hauptdarlehen gewährt wurde, voll abgetragen sein muss. Die praktische Handhabung des Gesetzes vollzieht sich folgender- masscn: Es wird für jeden Amtsratskreis eine Kommission von drei Mit­ gliedern eingesetzt, die für die Errichtung von Stellen für Landarbeiter zu sorgen hat und der die Aufsicht über die errichteten Stellen obliegt. Der Vorsitzende der Kommission wird vom Landwirtschaftsminister, die beiden anderen Mitglieder vom Amtsrat gewählt. Die Wahl gilt auf sechs Jahre; Wiederwahl kann stattfinden. Die Mitglieder der Kommission erhalten als Reisevergütung 1 Krone pro laufende 5 Kilometer oder Eisenbahnfahrkarte III. Klasse, wo solche benutzt werden kann, ausserdem als Tagegeld 6 Kronen, falls die Reise oder Besprechung nicht über 12 Stunden beansprucht hat, sonst 10 Kronen. Ferner erhält der Vorsitzende für die ausgeführten Bureauarbeiten eine Vergütung von 10 Kronen jährlich für jeden von ihm in dem laufenden Finanzjahre zustande gebrachten Darlehnsabschluss. Die Ausgaben für die Kommissionen trägt die Staatskasse. Für die Tätigkeit der Kommissionen gelten folgende Regeln: Bis zum 1. November jeden Jahres lässt der Vorsitzende der Kom­ mission in sämtlichen Zeitungen seines Amtes eine Bekanntmachung ein­ rücken, dass das Gesetz zur Durchsicht beim Vorsitzenden des Gemeinde­ rats offen liegt, dass Exemplare von Gesuchsformularen dort zu haben sind. Sobald der Vorsitzende nun die durch den Gemeinderat eingereich­ ten Gesuche erhält, prüft er dieselben auf die im Gesetz verlangten Be­ dingungen hin und sucht sich etwa fehlende Angaben zu beschaffen und zweifelhafte Angaben nachzuprüfen; dünkt ihm der für die ausersehene Stelle angegebene Beleihungswert zu hoch, so kann er denselben durch Taxation feststellen lassen. Nachdem sodann der Vorsitzende durch das Landwirtschaftsministerium unterrichtet worden ist, welche Summe für seinen Amtskreis im laufenden Finanzjahr zur Verfügung steht, beruft er die Kommission zur gemeinsamen Besprechung und Prüfung der Anträge. Sofern die ausgeworfenen Mittel nicht reichen sollten, alle eingelaufenen Anträge zu befriedigen, so entscheidet die Kommission nach Recht und Billigkeit und verweist die weniger dringenden und weniger würdigen auf das nächste Finanzjahr. Die Abstimmung der Kommission geschieht mit einfacher Stimmenmehrheit, stehen die Stimmen gleich, gibt der Vor­ sitzende den Ausschlag; doch müssen unter allen Umständen zwei Mit­ glieder, worunter der Vorsitzende, anwesend sein. Wenn ein Landarbeiter die Zusage erhalten hat, dass er das Staats­ darlehen erhalten soll und den Wunsch äussert, Vorschuss für Besetzung und Inventarbeschaffung zu erhalten, so soll die Kommission den Sach­ 85 verhalt prüfen und die Entscheidung dem Landwirtschaftsminister anheim­ geben. Im übrigen hat sich die Kommission über die im Gesetz vor­ geschriebene Instandhaltung der Stelle zu informieren und mindestens alle drei Jahre eine Revision abzuhalten. Statistische Erhebungen über die Wirkungen dieser Gesetzgebung ZUr Sesshaftmachung der Landarbeiter liegen vorläufig nur bis zum Jahre 1905 vor. Das Material ist im wesentlichen mit Hilfe von Frage­ bogen durch die Vorsitzenden der für die einzelnen Amtskreise eingesetzten Kommissionen zuwege gebracht. Neben einer Reihe von Fragen bezüglich der persönlichen Verhältnisse des Stellenbesitzers enthält das Frageschema Kragen über die Grösse des Darlehens, über den Wert, die Grösse und den Kaufpreis der Stelle, über die Versicherungssumme der Gebäude, die Grösse und den Wert vom Viehbestand und Inventar. Weiter finden sich lagen über die Arbeitsverhältnisse des Besitzers, über die Verwendung eigener oder fremder tierischer Arbeitskraft im Betriebe, über die Zu­ gehörigkeit des Besitzers zu landwirtschaftlichen Genossenschaften usw. Das Gesetz wurde in der ersten Zeit nicht in dem Umfange aus­ genützt, wie man erwartet hatte, und in den drei Finanzjahren 1900/01, 01/02, 1902/03 wurden die 2 Millionen Kronen, die jährlich zur Ver­ legung standen, nicht ganz verbraucht, jedoch wurde mit der Zeit die Inanspruchnahme des Gesetzes grösser. Folgende Zusammenstellung zeigt !c Zahl der in den Jahren 1900/01 bis 1904/05 gegründeten Stellen und le dafür ausgegebenen Summen an Staatsdarlehen. (Tabelle 1.)

Tabelle 1.

Finanzjahr Zahl der Stellen Staatsdarlehen Kr.

1900—1901 209 713 769 1901—1902 247 860 503 1902—1903 367 1 278 629 1903-1904 551 1 945 126 1904-1905 485 1 732 203 Zusammen 1859 6 530 230 er ' i?S wurden ..Staatshäuser“ in 569 oder 51 % der Kommunen des Landes t efi e*' KUt e*nem Drittel derselben ist nur eine Stelle, in drei Fünf- höV °dCr 2’ in einem Zehntel sind 8 Stellen und darüber errichtet. Die c ste Anzahl, nämlich 21, weist das Amt Randers auf. siedl ''ne ^e'*le von Kragen ist den persönlichen Verhältnissen der An- lg,.ei gewidmet. Von den versandten Fragebogen kamen im ganzen Wort a.USffefüllt zurück, während 45 gar nicht oder nicht genügend beant- 25 u e. }vurden. Es ergab sich, dass etwa 25 % der Besitzer zwischen ungef'h "?ahre aIt waren, während gut zwei Fünftel zwischen 30 und 40, a r e*n Viertel zwischen 40 und 50 und ungefähr 4 % über 50 Jahre 86 alt waren. Von den 1814 Ansiedlern waren 1616 verheiratet, als sie die Häuslerei antraten, 130 heirateten in dem Jahre der Uebernahme. Es hatten also im ganzen über °/io der Ansiedler eine Familie begründet, und zwar ergab sich im Durchschnitt ein Hausstand von 5,04 Personen auf die Häuslerei. Legt man diese Durchschnittszahl für die 1859 Häuslereien zugrunde, so ergibt sich ein Gesamtpersonenstand von rund 9400 Köpfen. Vier Fünftel der Ansiedler waren aus der Klasse der landwirtschaftlichen Tagelöhner hervorgegangen, ein Zehntel hatte in festem Gesindeverhältnis gestanden und ein Zehntel andre Erwerbsquellen angegeben. Unter den letzten waren 20 Dachdecker, 13 Wegeaufseher, 12 Holzschuhmacher, 12 Ziegeleiarbeiter, 11 Fischer, 11 Landpostboten und 7 Forstarbeiter. Besonders wichtige Aufklärung geben die Erhebungen über die Frage, inwieweit aus diesen Häuslerstellen der Landwirtschaft Arbeits­ kräfte Zuströmen. Folgende Uebersicht (Tab. 2) lässt erkennen, inwieweit Tabelle 2.

Arbeitstage Davon Durchschn. Anzahl der Gesamte An­ Größe des Betriebes arbeiteten für Anzahl der Antworten Anzahl der zahl der Arbeitstage auf andere Antworten Arbeitstage den Betrieb

2—4 Tonnen Land 328 311 274 50 367 184 4—6 „ „ 749 702 639 97 407 152 6—8 „ „ 296 267 243 36 014 148 8 u. darüber Ton. Ld. 243 197 182 23 594 130

Zusammen 1616 1477 1338 207 382 155 die Besitzer der Staatshäuslereien für andere arbeiten. In dieser Uebcrsicht wurden fürs erste diejenigen ausgeschieden, welche „andere Erwerbs­ quellen“ als Landwirtschaft angegeben hatten, ferner diejenigen, welche diese Frage überhaupt nicht beantwortet hatten, so dass im ganzen 1616 Personen verblieben. Von diesen hatten 1477 die Frage, ob sie für andre arbeiteten, mit „ja“ beantwortet, und wiederum von diesen hatten 1338 nähere Aufklärung über die ungefähre Zahl der Arbeitstage im Lauf des Jahres gegeben, während 139 geantwortet hatten, dass sie überhaupt nicht Arbeit für andre verrichteten. Da alle diejenigen, welche nicht die Land­ wirtschaft als Haupterwerbsquelle angegeben haben, ausgeschieden sind, so geben die in der weiterstehenden Liebersicht angeführten Zahlen ein einigermassen zuverlässiges Bild, in welchem Umfang die hier in Frage kommenden Häuslerstellen im allgemeinen darauf angewiesen sind, über­ schüssige Arbeitskraft im Dienste des mittleren und des Grossbetriebs auszunutzen. Im Durchschnitt des Landes fielen hiernach jährlich 155 Arbeitstage für andre auf die einzelne Häuslerstelle, und zwar stand die Zahl der Arbeitstage im umgekehrten Verhältnis zur Grösse des Betriebes. Fasst 87 man andererseits die Zahl derjenigen ins Auge, die angegeben hatten, dass sie nicht auf Aussenarbeit für andre ausgingen, so ergeben sich für die Besitzgrössenklassen: 2—4 Tonnen, 4—6 Tonnen, 6—8 Tonnen und darüber folgende Prozentzahlen beziehungsweise: 5, 6, 10, 19 %>. Die Prozent­ zahl derjenigen, die nicht auf Aussenarbeit gingen, war demnach ungefähr viermal so gross in der Besitzgrössenklasse mit über 8 Tonnen Land wie in der Grössenklasse von 2—4 Tonnen Land. Im ganzen ergibt die Untersuchung über die persönlichen und Arbeits­ verhältnisse der Ansiedler, dass diese in der Mehrzahl, ebenso wie sie aus der Klasse der Landarbeiter im engeren Sinne hervorgegangen sind, den Charakter als solche bewahrt haben, jedoch in der Weise, dass dieser um 80 weniger hervortritt, je grösser die Stelle ist. Man darf hiernach an­ nehmen, dass mit der Grösse von 8 Tonnen Land die Maximalgrösse er­ reicht ist, sofern der Hauptzweck der Massnahme, die Beschaffung von ■-0 undbesitzenden Landarbeitern, erreicht werden soll. Während die vorstehenden statistischen Daten die mehr persönlichen Verhältnisse der Ansiedler betrafen, sind weiterhin die Verhältnisse der Stellen selbst, ihre Grösse und ihre Qualität beleuchtet. (Tabelle 3.)

Tabelle 3

Anzahl Zahl Tonnen Gesamtes Gesamt-An­ Tonnen Land Tonnen Hart­ Qröße des Betriebes der Land auf Areal Tonnen zahl Tonnen auf die Tonne korn auf den Betriebe den Betrieb Land Hartkorn * Hartkorn Betrieb

2- 3 Tonnen Land71 178,1 18,95 9,40 2,51 0,27 3- 4 301 1 034,7 99,41 10,41 3,44 0,33 4- 5 487 2 091,1 170,17 12.29 4.29 0,35 5- 6 350 1 865,4 109,43 17.05 5.33 0,31 6- 7 192 1 215,6 56,71 21,44 6.33 0,30 ?-8 ", " 141 1 028,6 38,37 26,81 7.30 0,27 8-12 206 1 992,0 58,27 34,19 9,67 0,28 12-16 ” ” 50 670,8 13.32 50,36 13,42 0,27 16 Und darüber ” 16 319,7 3.32 96.30 19,98 0,21

Zusammen 1 814 10 396,0 567,95 18,30 5,73 0,31 bp aus dieser Uebersicht hervorgeht, beträgt der gesamte Grund- ^esi zder 1814 Häuslereien rund 10 400 Tonnen Land mit rund 568 Tonnen b ar *orn- Die Grösse der Häuslereien schwankt naturgemäss nicht un- cLe!*Je11^ Im Durchschnitt des Landes kommen auf die einzelne Stelle Tonnen Land und 0,31 Tonnen Hartkorn, ein A™ § 4 dcs Gesetzes ist die Bestimmung getroffen, dass die Stellen ____^_drdsse von 3V2 bis 5 Tonnen Land mittlerer Qualität haben sollten, variiert "ixDas ^ Barlkorn" ist ein Katastermass, das nacli der Qualität des Bodens (Die , lonne Hartkorn hat im Durchschnitt des ganzen Landes 17Vs Ton. Ld. °nne Land = 0,55 163 Hektar.) 88

jedoch soll die Grösse nicht unter 2 Tonnen geometrisches Mass und nicht über 8 Tonnen geometrisches Mass sein, ausgenommen in den weniger fruchtbaren Gebieten des Landes. Es geht aus dem Material hervor, dass die untere Grenze scharf eingehalten ist, während die obere Grenze in Gebereinstimmung mit der elastischeren Fassung des Gesetzes in 272 Fällen über das geometrische Mass von 8 Tonnen Land hinausgeht. Es zeigt sich überall deutlich ein Zusammenhang zwischen der Grösse und Qualität der Stelle, indem diese, durch die Zahl der Tonnen Land auf die Tonne Hartkorn ausgedrückt, mit der zunehmenden Grösse der Stelle ge­ ringer wird. Diese Tatsache findet auch einen charakteristischen Aus­ druck in den Preisen, die für den Grund und Boden der verschiedenen Grössenklassen gezahlt wurden. (Tabelle 4.) Tabelle 4.

Bodenpreis für die Größe der Stelle Tonne Land 2—3 Tonnen Land 718 Kronen 3—4 „ „ 605 4—5 „ „ 507 5—6 „ „ 392 6—7 „ „ 326 7—8 „ „ 276 8—12 „ „ 200 12—16 „ „ 139 16 und darüber Tonnen Land 83

Im Durchschnitt betrug der Bodenpreis für die Tonne Land 364 Kronen. Ucber die Höhe des geschätzten Werts der Stellen und ihres Steuer­ werts, die Kosten der Gebäude und verschiedene andre Verhältnisse, gibt nachstehende Ucbersicht einen Uebcrblick, wobei jedoch zu bemerken ist, dass diese Angaben sich nur auf 1623 Stellen beziehen. (Tabelle 5.)

Tabelle 5. Anzahl Betriebe...... 1 623 Gesamtes Areal...... 9 202,5 Tonnen Land Gesamtes Hartkorn...... 507,30 „ Hartkorn Gesamter Bodenpreis (ohne Gebäude) 3 347 677 Kronen Kosten der Gebäude...... 2 971 270 „ Gesamter Schätzungswert (bei Aufnahme des Darlehns)...... 6 526 562 Gesamtsumme der Staatsdarlehen . . . 5 700 527 „ Gesamte Versicherungssumme der Ge­ bäude ...... 4 144 067 Gesamter Steuerwert...... 6 394 480 Bodenpreis für die Tonne Land . . ■ 364 „ Bodenpreis für die Tonne Hartkorn . . 6 599 „ 89

Schätzungswert für den Betrieb (bei Aufnahme des Darlehns)...... 4 021 Kronen Steuerwert für den Betrieb...... 3 940 Staatsdarlehn in Prozenten des Schätzungs­ werts ...... 87,35 Prozent Der durchschnittliche Schätzungswert der einzelnen Stelle bei der Aufnahme des Staatsdarlehens lag hiernach etwas über die auf 4000 Kronen festgesetzte Maximalgrenze. Das Staatsdarlehen betrug im Durchschnitt 7,35 % des Schätzungswerts, während bekanntlich die durch das Gesetz bestimmte Höchstgrenze 90 % ist. Die Versicherungssumme der Gebäude etrug im Durchschnitt 2553 Kr. für die einzelne Stelle. Im ganzen machte >e Versicherungssumme der Gebäude 63% des gesamten Schätzungs­ wertes bei Aufnahme des Darlehens aus. Wie oben erwähnt, hat der Staat in den 5 Jahren 1900-01 bis 1904-05 lrrt tanzen 6 Millionen Kronen an Staatsdarlehen vergeben. Die ausge­ wogene Summe ist zwar von Jahr zu Jahr gestiegen, hat jedoch den durch cas besetz vorgesehenen Betrag von 2 Millionen Kronen in keinem Jahre erreicht. Von den 1856 Stellen sind 85 im Wege des freien Verkaufs und 4 im ^ ege des Zwangsverkaufs in andere Hände übergegangen. Bei den letz­ en erlitt die Staatskasse einen Verlust von insgesamt 3860 Kr. Kapital und 560 Kr. Rente. Tabelle 6 ------—------2—4 4—6 6—8 8 u. darüber Tonnen Tonnen Tonnen Tonnen Zusammen Land Land Land Land

Anzahl der Antworten . 297 695 289 236 1 517

Gesamtes Areal. 991,3 3 325,2 1 948,6 2 602,4 8 867,5 Gesamtes Hartkorn . ' 95,68 237,10 80,89 64,25 477,92 Gesamte Stärke der Vieh- haltungr; Pferde 74 242 141 185 642 Kühe, Rinder und Kälber 832 2 082 952 848 4714 ^chweine und Ferkel. . 1 134 2 540 919 758 5 351 HChuafe UnJ Lämmer . . 69 185 154 314 722 kühner und Küchlein . . 8 090 18 347 6 677 5213 38 327 durchschnittlicher Vieh- Pferde3"0 ^ den Bctrieb: 0,2 0,3 0,5 0,8 0,4 Rindvieh 2,8 3,0 3,3 3,6 3,1 Schweine 3,8 3,7 3,2 3,2 3,5 Schafe 0,2 0,3 0,5 0,5 Hühner ...... 1,3 27 26 23 22 25 90

Die bisherigen Fragen standen im wesentlichen im Zusammenhang mit den positiven Vorschriften und Bestimmungen des Gesetzes selbst; die folgenden statistischen Daten dagegen betreffen die wirtschaftliche Lage der Ansiedelungen, insbesondere die Stärke der Viehhaltung der ein­ zelnen Stellen, die Art der benutzten tierischen Arbeitskraft, die Teilnahme der Stellenbesitzer an der allgemeinen landwirtschaftlichen Genossen­ schaftsbewegung. Geber die Viehhaltung der Stellen gibt die umstehende Gebersicht Aufschluss. Sie umfasst 1517 von den 8156 Stellen und zeigt neben dem Areal und Hartkorn derselben die absolute Stärke der Viehbesetzung, wie auch deren durchschnittliche Stärke für die einzelne Stelle. (Tabelle 6.) Es betrug demnach die Viehbesetzung für die einzelne Stelle im Landesdurchschnitt 0,4 Pferde, 3 Stück Rindvieh, zwischen 3 und 4 Schweinen, 0,5 Schafe und 25 Hühner. Es fragt sich, ob diese Viehhaltung, zum mindesten was die Zahl angeht, für zufriedenstellend angesehen wer­ den kann. Zur Beleuchtung dieser Frage ist die Viehhaltung auf 100 Ton­ nen Hartkorn für den Landesdurchschnitt nach der Viehzählung von 1903 zum Vergleich angezogen. (Tabelle 7.)

Tabelle 7.

Viehhaltung auf 100 Tonnen Hartkorn Durchschnitt des Landes auf den Staats­ nach der Viehzählung häuslereien 1905 von 1903

Pferde . . 127 134 Rindvieh. . 481 986 Schweine . 381 1 120 Schafe . . 229 151 Hühner . . 3 021 8 020

Verglichen mit dem Landesdurchschnitt, ist demnach die Viehhaltung auf den Staatshäuslereien zahlenmässig bedeutend intensiver. Die grössere Intensivität kommt fast ausschliesslich auf Rindvieh, Schweine und Hühner, während die Pferdehaltung nicht so weit von der Regel abweicht und die Schafhaltung bedeutend geringer ist als in der Landwirtschaft im ganzen. Die prozentweise Verteilung der Haustiere zeigt Tabelle 8. Auf den Staatshäuslereien machen Rindvieh und Schweine — also der eigentlich produktive Teil des Viehbestandes im engeren Sinne — einen grösseren Prozentsatz aus als für den Landesdurchschnitt. Man kann also sagen, dass die Viehhaltung auf den Staatshäuslereien bedeutend intensiver ist, als in der dänischen Landwirtschaft im Durchschnitt, und dass sie eine höhere produktive Zusammensetzung aufweist, als der ge­ samte Viehbestand des Landes. Indessen geht es streng genommen nicht 91

an, die Viehbesetzungen der Staatshäuslereien mit sämtlichen Landwirt­ schaftsbetrieben über einen Kamm zu scheren, da man weiss, dass der Kleinbetrieb im allgemeinen eine viel intensivere Viehhaltung hat, als der

Tabelle 8.

Viehhaltung für das ganze Land für die Staatshäuslereien 1903 1905

Pferde . . 10,4% 5,6% Rindvieh. . 39,5% 41,3% Schweine . 31,6% 46,8% Schafe . . 18,8% 6,3%

Grossbetrieb. Man müsste vielmehr die Staatshäuslereien mit landwirt­ schaftlichen Kleinbetrieben der gleichen Grösse zusammenstellen. Eine solche Zusammenstellung ist zwar nicht möglich auf Grund der Ergebnisse der Viehzählung vom Jahre 1903, weil diese eine Ermittelung über das Ver­ hältnis der Intensivität der Viehhaltung zur Betriebsgrösse nicht vornahm, wohl aber ist ein Vergleich auf Grund der Viehzählung vom Jahre 1898 möglich. Die folgende Gebersicht zeigt eine solche Zusammenstellung der Viehhaltung auf den Staatshäuslereien mit der Viehhaltung der landwirt­ schaftlichen Kleinbetriebe in der Betriebsgrössenklasse von 2—4 Scheffel Hartkorn, und zwar einmal, wie sie im Jahre 1898 faktisch war und zwei­ tens wie sie sich auf Grund der durch Statistik festgestellten Zuwachs­ prozente schätzungsweise für das Jahr 1903 gestellt haben würde. (Tabelle 9.) Tabelle 9.

Betriebe Staats­ mit 2—4 Schfl. mit 2—4 Schfl. Hart­ häuslereien Hartkorn korn (Schätzung) 1905 1898 1903

Pferde . . 134 167 181 Rindvieh. . 986 891 940 Schweine . 1 120 720 899 Schafe . . 151 666 543 Hühner . . 8 020 7 641 10 071

Die Uebersicht zeigt, dass, abgesehen von der Pferde- und Schafhal­ tung, die Viehhaltung auf den Staatshäuslereien im ganzen grösser war als hi der ihnen am meisten entsprechenden Betriebsgruppe nach der Vieh­ zählung von 1898. Es muss dabei hervorgehoben werden, dass die Staats- — 92 häuslereien ja sämtlich sehr jungen Datums sind und namentlich die zuletzt errichteten noch nicht die Viehbesetzung erreicht haben dürften, die als die normale gerechnet werden kann. Diese Vermutung wird bekräftigt durch die Tatsache, dass eine starke Vermehrung des Viehbestandes statt­ gefunden zu haben scheint. Es mögen zur Beleuchtung dessen einige Stichproben angeführt werden. So ist für 316 Häuslereien, die in den Jahren 1900/01—1901/02 errichtet wurden, die Zahl der Pferde von 31 auf 143, des Rindviehs von 662 auf 1039, der Schweine von 529 auf 1084, der Schafe von 146 auf 208 und der Hühner von 4392 auf 8377 gestiegen. Die entsprechenden Zuwachsprozente waren 361, 57, 105, 43 und 91. Für 610 Häuslereien, die in den Jahren 1902/03—1903/04 errichtet wurden, war die Zahl der Pferde von 82 auf 277, des Rindviehs von 1272 auf 1921, der Schweine von 1264 auf 2119, der Hühner von 7901 auf 15 267 gestiegen. Die entsprechenden Zuwachsprozente waren 128, 51, 68 und 93. Heber die Art und Beschaffung der benutzten tierischen Arbeitskraft lagen im ganzen 1804 Antworten vor. Im ganzen fanden sich 678 oder etwa 38 % der ge­ samten Staatshäusler, die ihren Betrieb mit eigenem Gespann betrieben. Es machte sich in dieser Richtung ein gewisser Unterschied zwischen Jüt­ land und den Inseln bemerkbar. Auf den Inseln waren es nur 28%, die nicht fremdes Gespann benutzten, in Jütland dagegen etwa 42%. Ein anderer charakteristischer Unterschied zeigt sich insofern, als in Jütland 70 Häusler Kühe als Zugtiere ausschliesslich oder teilweise benutzen, wäh­ rend auf den Inseln diese für den Kleinbetrieb zweifelsohne angezeigte Methode ganz unbekannt zu sein scheint. Es scheint auch in dieser Richtung der Genossenschaftsgedanke Form zu gewinnen, insofern sich manche Häusler mit Nachbarn zusammentun, um das volle Pfluggespann zuwege zu bringen. Im übrigen muss hierzu bemerkt werden, dass die Pferdehaltung — die Häusler halten durchweg die leichten russischen Pferde — den Betrieb im allgemeinen drückt und wohl kaum möglich wäre, wenn nicht reichlich Gelegenheit zum Neben­ verdienst mit dem Gespann, insbesondere Milchfuhren zur Genossen­ schaftsmolkerei, gegeben wäre. Zum Schlüsse seien einige Angaben über die Teilnahme der Staats­ häusler an der allgemeinen landwirtschaftlichen Genossenschaftsbewegung mitgeteilt. Von den 1814 Häuslern, von denen der Fragebogen beantwortet war, waren 1654, also über neun Zehntel, Mitglieder einer Genossen­ schaftsmeierei, in Jütland waren es 90 und auf den Inseln 93 %. Ein Drittel war Mitglieder einer Genossenschafts-Schweineschlachterei, und zwar auf den Inseln 41 und in Jütland 27%. Mitglieder eines Eierkreises waren auf den Inseln 35%, in Jütland etwa 16%, für das ganze Land 21%. 14 Staatshäusler waren Mitglieder eines Kontrollvereins. Ausser­ dem sind mir folgende statistische Angaben, aus denen das wirtschaftliche Gedeihen der Staatsansiedelungen hervorgeht, von dem Vorsitzenden der Ansiedelungskommission für das Amt Randers zur Verfügung gestellt: 93

Bei der Abschätzung von 35 Betrieben fanden sich: Im Jahre Pferde Kühe und Jungvieh Schafe Schweine 1900 ... 6 71 31 52 Bei der Besichtigung der 35 Betriebe fanden sich: 1904 ... 11 85 12 19 101 1906 ... 25 86 22 14 89 Bei der Abschätzung von 52 Betrieben fanden sich: 1901 ... 9 104 9 34 63 Bei der Besichtigung der 52 Betriebe fanden sich: 1904 ... 27 123 25 22 167 1907 ... 44 118 45 20 197 Bei der Abschätzung von 107 Betrieben fanden sich: 1902 ... 9 210 7 71 192 Bei der Besichtigung der 107 Betriebe fanden sich: 1905 ... 44 250 77 19 226 1908 ... 80 295 98 22 300 Die Zahlenangaben liefern den Beweis, dass die Ansiedelungen sich ganz bedeutend entwickelt haben, was in der Hauptsache auf die Boden­ verbesserung im Kleinbetrieb zurückzuführen ist. Es ist von Interesse, den Richtungswechsel zu verfolgen, den diese Ansiedelungsgesetzgebung in Dänemark durchgemacht hat. Die Gesetz­ gebung leitet ihren Ursprung aus dem Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften her, der sich seit Mitte der 80er Jahre infolge der Intensi­ vierung der Landwirtschaft und der gleichzeitig zunehmenden Abwande­ rung der grundbesitzlosen Landbevölkerung in die Städte bemerkbar machte. Die Anregung zu dem ersten Gesetz ging denn auch aus den Kreisen der grösseren landwirtschaftlichen Arbeitgeber hervor und in den Beratungen des Gesetzes in den Kammern kommt lediglich die Meinung zum Ausdruck, inwiefern das Gesetz zur Linderung des Arbeitermangels beitragen werde. Bei der Beratung des zweiten Gesetzes vom Jahre 1904 hatte sich die Stimmung, wenigstens in der zweiten Kammer, dahin gewendet, dass das unmittelbare Interesse des Arbeitgebers keinesfalls massgebend für die Gestaltung des Gesetzes sein dürfe, sondern dass es darauf ankomme, einen selbständigen Arbeiterstand auf dem Lande zu schaffen, der auf eigenem Grund und Boden sitze und im wesentlichen davon leben könne, so dass er nur nebenbei, wenn Zeit und Gelegenheit es gestatte, Arbeit ausserhalb zu suchen brauche. Schon damals machten sich in den Kreisen der grösseren Besitzer wie auch bei den vorwiegend konservativen Ele­ menten der ersten Kammer gewisse Bedenken gegen den Gesetzvorschlag der Regierung geltend. Bei der Beratung des dritten Gesetzes vom Jahre 1908 hat das Gesetz einen vollständigen Richtungswechsel vollzogen. Aus dem Gesetz über die Scsshaftmachung von Landarbeitern ist ein Gesetz­ vorschlag über innere Kolonisation geworden, der den Wünschen der linksstehenden Parteien Rechnung trägt und mit seinen nach dieser Rieh- 94

tung gehenden Forderungen bei den Gutsbesitzern und den konservativen Parteien im Reichstag auf Widerspruch stösst. Das Gesetz vom 24. März 1899 beschränkte die Berechtigung auf ein Staatsdarlehen auf „jede“ Mannsperson, die sich wesentlich von der Aus­ führung von Landarbeit für andere ernährt. Das zweite Gesetz vom 22. April 1904 dehnte das Gesetz auch auf Nutzniesser, Pächter und Be­ sitzer von Kleinstellen von der in dem Gesetz festgelegten Grösse, sowie auf Gartenarbeiter, Landhandwerker, Ziegeleiarbeiter und ähnliche aus, die sich teilweise von Landarbeit ernähren. Das neue Gesetz vom vorigen Jahre hat ausserdem noch Fischer hin­ zugefügt und das Gesetz auf Frauen ausgedehnt. Und während das erste Gesetz von 1899 die Bedingung stellte, dass der Darlehnssucher sich zum mindesten in den letzten fünf Jahren als Landarbeiter ernährt habe, hier­ unter die Zeit der Ableistung der Wehrpflicht mitgerechnet, hat das neue Gesetz diesen Zeitraum auf vier Jahre eingeschränkt. Aber nicht nur der Kreis der Darlehnsberechtigten ist nach und nach grösser geworden, son­ dern auch der Umfang der Stellen selbst erweitert worden. Das Gesetz von 1899 setzte die Grenzen für die Grösse der Stellen auf 2—8 Tonnen Land fest. Das Gesetz von 1904 erweiterte die Maximalgrenze für „magere Gegenden“ auf 12 Tonnen Land, und in dem neuen Gesetze hat man die Maximalgrenze ganz fallen lassen und nur eine Minimalgrenze von 1 ha (= 1,8 Tonnen Land) festgesetzt. Die Maximalgrösse wird demnach in Zukunft allein von dem Beleihungswerte bestimmt, d. h. dem gesamten Wert der Besitzung mit den zugehörigen Gebäuden, Viehbestand und In­ ventar. In dem ersten Gesetz war bestimmt, dass dieser Beleihungswert 4000 Kronen nicht übersteigen dürfe, das Gesetz von 1904 erhöhte die Summe auf 5000 Kronen und das neue Gesetz erhöhte ihn wiederum auf 6500 Kronen, gestattet ausserdem, dass diese Summe in Gegenden mit be­ sonders hohen Bodenpreisen überschritten wird und setzt die absolute Maximalgrenze erst bei 8000 Kronen fest. Da somit nicht nur der Kreis der Darlehnsberechtigten erweitert, sondern auch die Darlehen selbst erhöht wurden, so müsste notwendiger­ weise auch die für den Zweck des Gesetzes ausgeworfene Gesamtsumme erhöht werden. Das erste Gesetz hatte eine jährliche Summe von zwei Millionen Kronen ausgeworfen; das zweite Gesetz erhöhte diese Summe auf drei Millionen und das neue Gesetz erhöht sie auf vier Millionen Kronen und trifft ausserdem die Bestimmung, dass der nicht verbrauchte Betrag der für das Jahrfünft 1905—1910 ausgeworfenen Summe auch in dem näch­ sten Jahrfünft verbraucht werden kann. Und endlich ist eine Bestimmung eingefügt, dass ausser diesen Summen jährlich eine Viertelmillion Kronen für die Ucbcrführung von Leihhäusern mit Grundbesitz in Privatbesitz auf­ gewandt werden kann. Insgesamt wird der dänische Staat im Laufe des 15 jährigen Zeitraumes, den diese Gesetzgebung bis jetzt umfasst, eine Summe von 42% Millionen Kronen aufgewendet haben. Wie bereits bemerkt, ist von konservativer Seite scharfe Kritik an dem Gesetz geübt worden, die hier nicht übergangen werden darf, weil 95 — sie für die Beurteilung der Verhältnisse in Dänemark von Bedeutung ist. Man hat eingewandt, das Gesetz müsse nach der bisherigen Entwicklung auf eine schiefe Ebene führen, ja man befinde sich schon auf der schiefen Ebene, wie die wiederholte Erweiterung des Kreises der Darlehnsberech­ tigten und die Erhöhung der Darlehnssumme beweise. Der Stützpunkt dieser Kritik liegt in der Tatsache, dass das Staatsdarlehen eine Gabe aus der Staatskasse in sich schlicsst, so lange diese nicht selbst Darlehen zu 3 % erhalten kann. So geht aus den Staats-Rechenschaftsberichten für 1906—1908 hervor, dass die Staatskasse in diesen Finanzjahren Obligatio­ nen erster Hypotheken auf Staatsstellen im Betrage von 5,8 Millionen Kronen zu einem Kurs von 80 % verkauft, also für diesen Betrag einen Verlust von 20 % oder 1 155 000 Kronen erlitten hat. Es darf nicht ganz übersehen werden, dass eine solche Gabe von seiten des Staates ja auf Kosten der Steuerzahler gegeben wird, von denen manche vielleicht nicht besser gestellt sind als die Darlehnsempfänger. Das Bedenkliche aber wird darin erblickt, dass der Staat diese Wohltätigkeit nicht nur auf eine einzelne Gesellschaftsklasse, sondern sogar auf einen Teil derselben be­ schränke. Was man den ländlichen Arbeitern einräume, könne man schliesslich den städtischen Arbeitern und anderen gleichgestellten Klassen nicht verweigern, und das sei die schiefe Ebene, auf der kein Halt zu finden sei. Dass diese Gesetzgebung eine steigende Belastung der Staatskasse mit sich bringt, ist nicht zu leugnen. Einmal muss man mit der Möglich­ keit rechnen, dass auf Darlehen, die % o des Wertes betragen, mit der Zeit bedeutende Verluste entstehen können. Der Kommissionsbericht an­ lässlich der Behandlung des neuesten Gesetzes im Reichstag hebt aller­ dings hervor, dass der Staatskasse bisher nur ein Verlust von 6870 Kronen erwachsen ist; aber man darf hieraus noch keine Schlüsse ziehen, teils weil die grösseren Darlehnssummen erst in den letzten Jahren ausgegeben sind — bis 1906 waren nur 6% Millionen ausgeliehen —, teils weil die Dar­ lehen ja in den ersten fünf Jahren abtragsfrei sind. Die Hauptsache ist indessen, dass ja notwendigerweise in jedem Falle, selbst bei vollkommen normaler Abwicklung der Hypotheken, der Staatskasse Verluste er­ wachsen müssen, wenn diese sich mit 3 % begnügt für Gelder, die sie selbst zu höherem Zinsfusse zu leihen genötigt ist. Wenn der Staat das Geld zur Begründung von Klcinstellen durch Aufnahme von Anleihen auf­ bringen muss und diese nur zu einem Zinsfuss von 3% % erlangen kann, so ist einleuchtend, dass die gesamte Summe, welche von den Stellen­ inhabern jährlich an Zinsen und Abträgen eingeht — 3,4 % während un­ gefähr 47 Jahren, wobei die ersten 5 Jahre noch abtragsfrei sind — kaum ausreicht, um die Zinsen zu decken, die der Staat einerseits zu bezahlen bat. Wenn die Hypothek vollständig abgetragen und damit die Aktiva der Staatskasse verschwunden sind, wird von den Passiven der Staats­ kasse noch nichts abgetragen sein, m. a. W. die Staatsschuld wird die volle Höhe der verausgabten Darlehnssumme haben, ohne irgend etwas zur Verzinsung und Amortisation. Natürlich werden sich die Verhältnisse 96 weniger extrem gestalten, wenn es dem Staat möglich ist, Anleihen zu einem niedrigeren Zinsfuss als 3Vä % zu erlangen. Aber während das bei der Anleihe von 1897 der Fall war — woraus sich die Bestimmungen des ersten Gesetzes von 1899 erklären — war der Zinsfuss bei den Staats­ anleihen von 1900 und 1901 bereits 3V0 beziehungsweise 3% %, und billi­ gere Anleihen wird der Staat voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht erlangen können. Auf diese Punkte stützten sich wesentlich die Einwände der rechts­ stehenden Parteien bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage, und wenn die Regierungsvorlage auch trotzdem Gesetz geworden ist, so sind damit doch die Bedenken nicht aus der Welt geschafft. So lange die Ge­ setzgebung zur Sesshaftmachung der Landarbeiter sich in dem Rahmen hielt, der durch das allgemeine Interesse der Landwirtschaft gegeben war, hatten die Massnahmen selbst mit Darbringung von Opfern von seiten der Allgemeinheit ihre volle Berechtigung, je mehr sie aber diesen ursprüng­ lichen Zweck aus dem Auge verlor und eine Gesetzgebung vorwiegend im Interesse eines Standes wurde, um so mehr lässt sich ihre Berechtigung bezweifeln; denn es ist sehr zweifelhaft, ob bei der starken Verteilung des Grundbesitzes in Dänemark noch eine Forderung der Bildung von Klein­ grundbesitz als Selbstzweck berechtigt ist Das Urteil der Landwirte geht in Dänemark im allgemeinen dahin, dass die in dem ersten Gesetz festgelegte Grösse der Stellen vollkommen dem Zweck des Gesetzes, der Sesshaftmachung der Landarbeiter entsprach und dass sowohl die Aus­ dehnung des Kreises der Darlehnsberechtigten als auch die Erhöhung der Darlehnssumme und die daraus folgende Vergrösserung der Stellen ein Fehler war. Indessen ist diese Kritik ja kein Hindernis, die praktischen Erfolge der Ansicdlungstätigkeit und deren günstigen Einfluss auf die länd­ lichen Arbeiterverhältnisse in vollem Umfange anzuerkennen. Die Erfolge der Ansiedlungstätigkeit sind in Dänemark auch zu einem grossen Teil auf die allgemeinen Massnahmen zur Förderung des Klein­ grundbesitzes zurückzuführen. Es wird in Dänemark ein ganz bedeu­ tender Teil der zur Förderung der Landwirtschaft ausgeworfenen Summen auf die Hebung des Kleingrundbesitzes zur Prämiierung der Kleinbetriebe, Prämiendarlehn für bestimmte Verbesserungen (z. B. die Anlage von Jauchebehältern) und Studienreisen von Kleinstellenbesitzern aufgewandt. Bis vor zwei Jahren wurden die für diese Zwecke bewilligten Staats­ mittel von den allgemeinen landwirtschaftlichen Organisationen verteilt, die Sonderausschüsse für die sogenannte »Hausmannssache" gebildet hatten. In diese Sonderausschüsse wurden in der Regel neben grösseren Besitzern auch Hausleute gewählt. Jetzt haben die teilweise aus politi­ schen Gründen betriebenen Absonderungsbestrebungen der Hausleute da­ zu geführt, dass die eigenen Organisationen der Hausleute diese Mittel verteilen. Die polnischen Land- und Parzellierungsbanken im Jahre 1910. Von Regierungsrat Schilling- . Wie schon im Jahre 1909, so hat auch im verflossenen Jahre der Verband der polnischen Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften für die Stärkung und Vermehrung der Parzel­ lierungsbanken eine Sympathiekundgebung erlassen. Auf dem Verbands­ tage am 13.—15. September 1910 wurde folgender Beschluss gefasst: „Der Qenossenschaftstag betont wiederum, dass er das Bestehen der Landbanken für unbedingt erforderlich hält, die vor allein den Handel mit dem Grund und Boden in rechtmässiger Weise leiten, die Käufer und Verkäufer vor Ausbeutung schützen, beim Verkauf und Kauf ehrlich vermitteln und die Hypotheken der kleinen Grundbesitzer regulieren sollen. Die Volksgesamtheit muss sich darum bemühen, dass in jedem Kreise eine Landbank bestehe, die in ihrem Bezirke nach diesen Grundsätzen zu arbeiten hat.“ Im Anschluss hieran hat im Oktober 1910 unter dem Vorsitz des jetzt verstorbenen Verbandskurators Wawrzyniak eine Versammlung von Vertretern der Parzellierungsbanken stattgefunden mit dein Ziele, Erfahrungen auszutauschen und die Genossenschaften einander zu nähern. Von den zahlreichen behandelten Fragen haben folgende ein besonderes Interesse: L Die territoriale Abgrenzung des Tätigkeitsgebietes der ver­ schiedenen Genossenschaften solle zwar nicht durch die Satzungen, wohl aber durch die Praxis angestrebt werden; 2. die Bekanntgabe der parzellierten Flächen in den Jahresberichten solle möglichst vermieden werden und letztere nur das Nötige enthalten; 3. die Genossenschaften sollen nicht untereinander Kredit suchen, sondern den Kredit der Verbandsbank in Anspruch nehmen; 4. den Parzellierungsgenossenschaften solle zwar die Annahme von Depositen nicht untersagt werden, wie die Volksbanken forderten, sie sollten sich aber mit ihnen über die Höhe des Zinsfusses verständigen. Auf künftigen Versammlungen sollen diese und andere Fragen weiter behandelt werden. Die Unterlassungen der Bekanntgabe der erworbenen und verkauften Flächen ist aber bereits in den letzten Jahresberichten ausnahmslos durchgeführt. Auch die polnische Presse hat grosse Zurückhaltung gezeigt, offenbar, um für ein Parzellierungs- Archiv IV, 3. 8 98

gesetz keinen Stoff zu liefern. Die später folgenden Angaben über die verschiedenen Erwerbungen und Verkäufe können daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben; namentlich entzieht sich fast vollständig der Grundstücks-Vermittlungsverkehr, weil die Vermittlungs­ tätigkeit der Banken weder grundbuchamtlich noch in der (Öffentlichkeit in Erscheinung tritt. Während die gewerbsmässigen Grundstücksvermittler zu einer der polizeilichen Aufsicht unterliegenden Buchführung über jedes über­ nommene Geschäft verpflichtet sind, hat die Rechtsprechung eine gleiche Verpflichtung für die polnischen Grundstücksbanken bisher noch nicht angenommen. Entsprechend dem Beschluss des Verbandstages sind die leitenden Kreise eifrig bemüht, das Netz polnischer Grundstücksbanken zu vervoll­ ständigen und auszubauen. Nach der Gründung der Landbanken in Gnesen, Mogilno und Lobsens im Jahre 1909 sind im Jahre 1910 und im Frühjahre 1911 neu hinzugekommen: die spółka ziemska in Görchen, Punitz, Eilehne, Hohensalza und in Schweiz, Culm und Flatow, so dass gegenwärtig 29 polnische Landbanken bestehen. In Oppeln (O.-Schl.) ist eine weitere Neugründung im Werke. Das treibende Element bei den Gründungen sind meist die Geist­ lichen, welche teilweise auch die Leitung im Vorstand übernehmen, z. B. in Prirnent und Berent. Durch päpstliches Dekret vom 18. November 1910 „De vetita clericis temporal! administratione“ ist zwar den katho­ lischen Geistlichen untersagt worden, Aemter der Erwerbsgesellschaften zu führen. Nach einer kirchlichen Bekanntmachung vom 24. Februar 1911 ist aber hiervon für die Diözesen Posen-Gnesen zunächst für eine zwei­ jährige Dauer Dispens erteilt worden. Auch bemerkte hierzu der Orędownik, dass sich das Dekret nur auf Vorstandsämter beziehe, während Aufsichts­ ratsmitglieder ihm nicht unterliegen. An nationalen Erfo 1 gen hat es den polnischen Landbanken auch im verflossenen Geschäftsjahre nicht gefehlt. In der Provinz Posen sind, soviel bekannt geworden ist, ihr neun deutsche Wirtschaften mit rund 1500 Morgen Gesamtfläche zum Opfer gefallen; grösser ist der Verlust in Westpreussen. Hier, und neuerdings auch in Ostpreussen, ent­ falten sie eine umfangreiche Ankaufstätigkeit. Die Posener bank parce- lacyjny beleiht auch daselbst deutsche Güter mit zweiten Hypotheken in der offenkundigen Absicht, diese Güter später zu erwerben. In welchem Umfange die Landbanken bei den Verkäufen deutscher Bauernwirtschaften eine Vcrmittlungs- und Finanzierungsrolle gespielt haben, entzieht sich der Ocffcntlichkeit. Sicherlich ist diese vermittelnde Tätigkeit nicht gering; um die Kosten, die mit einer doppelten Auflassung verbunden sind, zu ersparen, werden vielfach nur Verkaufsaufträge abgeschlossen. Der weit überwiegende Teil der Kauf- und Verkaufgeschäfte der Landbanken geschieht aber zwischen Personen polnischer Nationalität. Auch bildet die Parzellierung nicht mehr die Regel. 99

Einen breiten Raum nehmen bei ihnen die Bank-Kredit­ geschäfte ein. Die sogenannte Hypothekenregulierung pflegt in der Weise zu erfolgen, dass dem Kreditsuchenden eine erste Hypothek der Kreiskasse oder der Landschaft, bisweilen auch der Provinzial-Hilfskasse, eine zweite Hypothek einer polnischen Volksbank (bank ludowy) verschafft und dahinter erforderlichenfalls eine dritte Hypothek aus eigenen Mitteln der Landbank bewilligt wird, für welche aber häufig noch Wechsel verlangt werden. Von den grösseren Land­ banken wird gleichzeitig der Kontokorrent- und Scheckverkehr gepflegt. So kommt es, dass bei verschiedenen Landbanken die Kauf- und Parzellierungsgeschäfte hinter den Hypotheken- und bankmässigen Ge­ schäften in den Hintergrund treten. Die grösste polnische Landbank, die bank ziemski A. G. in Posen, z. B. hat nach ihrer Gewinn- und Verlust- rechnung an Gewinnen erzielt: aus Immobiliargeschäften...... 30,000 M. aus Provisionen ...... 25,000 M. aus dem Zinsenkonto ...... 274,000 M. Der finanzielle Gewinn ist bei der Gesamtheit der Land­ banken im Berichtsjahre gegenüber dem Vorjahre etwas zurückgeblieben (607,000 M. gegenüber 730,000 M.). Mit einigen Ausnahmen konnten aber trotzdem die vorjährigen Dividenden aufrechterhalten und die Reserven wiederum beträchtlich vermehrt werden. Aussergewöhnlich hoch ist der Zuwachs an Depositengeldern mit 1,8 Millionen Mark gewesen gegenüber 1,25 Millionen im Vorjahre. Trotzdem hat sich die Illiquidität bei der Mehrzahl der Land­ banken noch verstärkt. So haben, um nur einige Beispiele heraus­ zugreifen, betragen bei der

Ocschäfts- Aktiv- Grund­ Debitoren u. Depositen guthabcn stücks- Wechsel­ Jahr Hypotheken u. Reserven Konten forderungen M. M. M. M. M.

Spotka roln. parcel. Posen 1909 2 960 000 1 300 000 5 360 000 490 000 680 000 1910 2 960 000 1 440 000 5 770 000 519 000 1 320 000 Bank parcel. Kosten . . . 1909 970 000 380 000 800 000 707 000 1 600 000 1910 1 320 000 440 000 1 000 000 467 000 2 100 000 Bank parcel. Priment . . 1909 187 000 168 000 450 000 245 800 550 000 1910 166 000 197 000 390 000 431 000 530 000 Spółka ziemska Wreschen 1909 —— —— — — —— 1910 12 280 5 600 — 381 000 70 000

Im höchsten Grade gemeingefährlich erscheint das Miss­ verhältnis zwischen den eigenen Mitteln, den Depositen und den über­ nommenen Verpflichtungen bei der bank ziemski in Beuthen, Oberschlesien.

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Bei nur 57 000 Mark eingezahlten Qeschäftsguthaben und Reserven hat die Bank fast 2 Millionen Mark an Spareinlagen angenommen und hat da­ mit für 1 % Millionen Mark Grundstücke sowie 340,000 M. Hypotheken erworben und Y2 Million Mark gegen Schuldschein oder Wechsel aus­ geliehen. Nicht besser steht es mit einigen neueren Banken. Berücksichtigt man nun, dass der Grundstücksbesitz meist zu hohen Preisen erworben worden ist, dass die Hypotheken fast ausnahmslos aus letztstelligen und Restkaufgeldern bestehen und dass auch die Personal­ forderungen häufig von zweifelhafter Güte sind, so wird es auch den Fernerstehenden klar werden, dass wir es nicht mit einfachen Finanzinstituten zu tun haben. Die polnischen Land- und Parzellierungsbanken haben ihre Bedeutung auf poli­ tische m Gebiet e, siewerdenget ragen und gestütztvon der polnischen Volksgemeinschaft; sie sind poli­ tische Kampfinstitute. Nur deshalb genicssen sie die hohen Kredite der polnischen Verbandskasse, nur des­ halb müssen die polnischen Volksbanken ihre reich­ lichen Mittel ihnen zur Verfügung stellen und der pol­ nische Industriearbeiter seine Ersparnisse ihnen an­ vertrauen; selbst die polnische Presse darf sich mit den in ihnen bestehenden Missständen nicht mehr be­ schäftigen. Geber die finanzielle Entwicklung der Banken gibt die Anlage weitere Auskunft. Im einzelnen bietet das Berichtsjahr über die verschiedenen Institute folgendes Bemerkenswerte:

I. Posen: 1. Bank ziemski A.-G. zu Posen: Ihre Grundstückskäufe und -Verkäufe für eigene Rechnung waren nicht erheblich und wurden aus­ schliesslich mit Personen polnischer Nationalität abgeschlossen. Wie schon erwähnt, stammt der Hauptteil der Jahreseinnahmen aus Hypo­ theken- und Bankzinsen. Die Bank versorgt den polnischen Grossgrund­ besitz mit dem nötigen Kredit. Sie ist die einzige unter den polnischen Landbanken, die das auftragsweise Grundstücksgeschäft redlinings- und bilanzmässig in Erscheinung treten lässt; der Jahresumsatz hierin ist mit rund 1 700 000 M. fast doppelt so hoch, als der Umsatz bei den eigenen Immobilien. 2. Związek ziemian E. G. m. b. H. zu Posen (Verband der Landwirte) hat ein günstiges Geschäftsjahr aufzuweisen. Der Rein­ gewinn hat sich von 40 000 auf 60 000 M. gehoben, die Depositen haben sich um mehr als % Million Mark vermehrt. Ebenso weisen auch die eingezahlten Geschäftsanteile und Reserven eine Erhöhung auf, während 1.01

die Mitgliederzahl und die Gesamthaftsumme wiederum etwas zurück­ gegangen ist. Satzungsgemäss erledigt die Bank „die Aufnahme von Landschafts­ und Hypothekendarlehen, vermittelt die Durchführung von Landschafts­ tagen und eröffnet auf der Grundlage des Realkredites für die Mitglieder ein Kontokorrent“. Der Hauptzweck, die Sanierung und Regulierung pol­ nischen Grossgrundbesitzes, insbesondere durch Administration und Ver­ pachtung, unter Umständen auch durch Abparzellierung, wird nicht ge­ nannt, aber tatsächlich geübt. 18 Güter standen unter der Verwaltung der Bank, davon einige pachtweise. Der Flächeninhalt dieser Güter ist dieses Mal nicht mehr angegeben worden. Ausnahmsweise hat die Bank ein polnisches Gut Prusinow, Kreis Jarotschin, für eigene Rechnung in der Zwangsversteigerung erworben, damit es nicht der Ansiedlungs- kommission, welche Mitbieterin war, zufallen sollte. Parzellierungen sind nicht vorgekommen. Die Dividende ist wiederum auf 5 % be­ schränkt worden. 3. Bank parcel a cyjny in Posen. Den aussergewöhnlich hohen Gewinn des Jahres 1909, den sie durch die Aufteilung der schle­ sischen Herrschaft Pschow erzielt hatte, hat die Bank im Jahre 1910 nur zur Hälfte erreicht (120 000 M.), so dass sie nur 10 % Dividende gegenüber 15 % im Vorjahre verteilen konnte. Sie hat auch im letzten Jahre eine eifrige An- und Verkaufstätigkeit entfaltet; im ganzen hat sie für eigene Rechnung 18 Wirtschaften mit 3400 Morgen Flächeninhalt erworben, davon 1300 Morgen aus deutscher Hand und an etwa 52 polnische Käufer weiter veräussert. In Ostpreussen hat sie 7 Besitzungen mit letztstelligen Hypotheken belieben, neuerdings auch wiederum mehrere Besitzungen erworben. 4. S p o 1 k a r o 1 n i k o w parcelacyjna in Posen. Der Reingewinn hat 54 000 M. betragen, so dass wiederum 6 % Dividende und zwar ohne Inanspruchnahme des Hilfsreservefonds gezahlt werden konnten; ausserdem sind 49 000 M. dem Delkrederefonds zugeführt worden. An Zinsen wurden 60 000 M. vereinnahmt, an Provisionen und durch Parzellierungen (beide Konten sind zum ersten Male zusammen­ geworfen worden) 86 000 M. Da sie für eigene Rechnung nur wenige unbedeutende Geschäfte ausgeführt hat (aus deutscher Hand hat sie nichts erworben), müssen die Vermittlungsgeschäfte (Provisionen) um so grösser gewesen sein. Der Kassenumsatz hat sich von 15 auf 22 Millionen Mark gehoben. Die Bank ist ebenso wie die vorgenannte bank parcel, dauernd in Klagen und Untersuchungen wegen Wuchers und Betruges verwickelt und der polnisch-demokratische „Lech“ bringt zahlreiches Belastungs­ material. So schreibt er über die bank parcel, anlässlich eines Spezial­ falles: „Die prcussische Regierung, welche solche Stützen hat, denkt gar nicht an die Enteignung, sie hat dazu andere Leute, die ohne Lärm 102

und viel gründlicher die polnische Gesamtheit der Erde berauben. Ich frage daher: wann wird endlich die Geduld der Gesamtheit zu Ende gehen, und wann werden wir an die radikale Ausrottung dieses ekel­ haften Geschwüres, das unsern nationalen Organismus zerfrisst, Hand anlegen?“ Die übrige polnische Presse enthält sich aber jeder abfälligen Kritik ihrer Grundstücksbanken. 5. Spółka ziemska in Posen geht, was Geschäftsumfang, Mitgliederzahl, Haftsummen und Reingewinn angeht, weiter dauernd zu­ rück. Wenn das Parzellierungskonto einen Gewinn von 7575 M. auf­ weist, so sind dies offenbar Provisionen für Vermittlung bei Grundstücks- Verkäufen. 6. Spółka ziemska zu Olobok, , hat auch 1910 eine Parzellierungstätigkeit nicht ausgeübt. 7. Dank parcelacyjny zu Prime nt. Der Jahresgewinn ist von 31,000 auf 5000 M. heruntergegangen. Mit der 700 Morgen grossen Wirtschaft im Kreise Schwerin a. W. sitzt sie seit 1906 noch immer fest. Ebenso mit dem 700 Morgen grossen Vorwerk Neukramzig, das sie mit 169 000 M. viel zu teuer gekauft hat. Ihre finanziellen Kräfte sind deshalb aufs äusserste angespannt. 5. Dank parcelacyjny in Schrimm. Die Bank hat sich im Qrundstücksgcschäft sehr betriebsam gezeigt. Sie erwarb vorwiegend im Kreise Schrimm 18 polnische Bauernwirtschaften, von denen sie 12 im ganzen und eine in 3 Teilen weiter veräussert, während sie 5 noch besitzt. Der finanzielle Gewinn von 7400 M. blieb aber gegenüber dem vorjährigen um 5000 M. zurück. Trotzdem die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile und die Reserven sich nur wenig erhöht haben — sie betragen zusammen 55 000 M. —, sind die Anlagewerte nach der Aktiv­ seite der Bilanz wiederum gestiegen (338 000 M. eigene Immobilien, 418 000 M. meist lombardierte Hypotheken, 170 000 M. Wechsel und per­ sönliche Forderungen). 9. Spolka parcelacyjny in Ostrowo erwarb zunächst aus deutscher Hand ein dicht bei Ostrowo belegenes, 416 Morgen grosses, wertvolles Vorwerk Venetia, von dem sic bisher 11 kleinere Parzellen an Polen weiter veräusserte. Ebenso fielen ihr 2 deutsche Bauernwirtschaften in den Gemeinden Fabianów und Loewenfelde zu Opfer, von denen sie die erstem an einen Polen weiter verkaufte und die letztem noch besitzt. Eine polnische Wirtschaft in Czekanowo parzellierte sie an 7 polnische Ad­ jazenten; eine zweite verkaufte sie zum grössten Teil an einen Polen weiter. Der erzielte Jahresgewinn ist mit 8000 M. erheblich höher als im Vor­ jahre. Auch die Mitgliederzahl, die Haftsummen, die Reserven und die Spareinlagen haben sich erhöht; die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile haben sich verdoppelt (36 000 M.). !()3

In weit grösserem Masse haben aber die Anlagewerte zugenommen (rd. 900 000 M. gegenüber 600 000 M. im Vorjahre), so dass die Bank alles andere als liquide ist. 10. Bank par celacyjny in Kosten. Die Bank beendete die Aufteilung des im Vorjahre aus deutscher Hand erworbenen Rittergutes Olszowa III, Kreis Kempen, indem sie 19 Parzellen an polnische Anlieger verkaufte und ein 445 Morgen grosses Restgut an einen Polen weitergab. dessen in Tausch gegebenes 300 Morgen grosses Gut in Moldau, Kreis Namslau, sie zum kleineren Teil an deutsche Anlieger aufteilte und den Rest von 250 Morgen an einen Polen verkaufte. In Dölzig vermittelte sie den Verkauf einer 230 Morgen grossen polnischen Wirtschaft. Schliesslich übernahm sie den Verkauf des polnischen Vorwerkes Treskowo, Kreis Posen-Ost, in Grösse von 1700 Morgen, ohne jedoch wegen allzuhohen Preises für Teile oder für das Ganze Käufer zu finden. Der Jahresgewinn ist mit 25 000 M. erheblich hinter dem Vorjahre zurückgeblieben. Dagegen haben sich die Spareinlagen wiederum gewaltig und zwar um 348 000 M. vermehrt. Ihre finanzielle Lage ist nach wie vor äusserst gespannt: sie besitzt mehr als 1% Mill. M. persönliche Schulden und 1 Mill. M. Hypotheken, welche weiter lombardiert sind. 11. Spółka ziemska in Wreschen, die im Mai 1910 an Stelle der aufgelösten bank parcel, getreten ist. Trotzdem am Jahres­ schluss nur 3700 M. eingezahlte Geschäftsanteile, 1909 M. Reservefonds und 12 280 M. Spareinlagen vorhanden waren, hatte die Bank zwei je 800 Morgen grosse polnische Güter erworben, von denen sie das eine am Jahresschlüsse mit Ausnahme zweier Parzellen noch besass, und das andere mit einem Gewinn von 16 000 M. in zwei Teilen weiter veräussert hat. Unter den Passiven der Bilanz sind über 400 000 M. Kreditoren und Wechselverpflichtungen enthalten. Es dürfte fast beispiellos sein, dass eine so junge und überaus schwach finanzierte Bank, in deren Vorstand nicht ein einziger Landwirtschafts- oder Banksachverständiger vorhanden, und welche soeben erst als Nachfolgerin eines verunglückten ähnlichen Instituts gegründet worden ist, in so weitem Masse Kredit erhält. 12. Spo 1 k a ziemska in P u n i t z , 13. S p o 1 k a ziemska in Goerchen sind erst neu gegründet worden.

II. Regierungsbezirk . 14. Bank ziemska in Grone a. Br. Die Bank hat im Laufe des Jahres ihren satzungsgemässen Zweck, wie folgt, erweitert: „Ankauf und Verkauf von Immobilien, sei es im ganzen oder in Teilen, Hypothekenregulierungen. Gewährung von Darlehen auf Hypo­ theken, Diskontierung von Wechseln, Uebernahme der Finanzierung beim An -und Verkauf von Grundstücken, Beschaffung der hierzu 104

nötigen Geldmittel und Vermittlung beim An- und Verkauf sowie bei der Verpachtung von Immobilien.“ Trotzdem ist das verflossene Geschäftsjahr für sie nicht glücklich gewesen. Der geringe Gewinn von 700 M. musste dem Dubiosenfonds zu­ geschrieben werden. Ausser 2 polnischen Wirtschaften, die sie an drei Polen weitergab, kaufte sie von einem Deutschen im Kreise Bromberg eine 25 Morgen grosse Wirtschaft und verkaufte sie mit 2000 M. Verdienst an einen Polen weiter. Eine früher verkaufte Wirtschaft in Westpreussen musste sie zurücknehmen, da der Käufer zahlungsunfähig wurde. Ebenso besitzt sie noch seit 1909 eine Wirtschaft von 168 Morgen in Westpreussen und eine Wirtschaft von 500 Morgen im Kreise Bromberg. Die hierdurch erlittenen Verluste sind mit 21 000 M. vom Dubiosenfonds abgeschrieben worden. Die Bank hat sich vollständig festgelegt. Aber trotz ihrer pre­ kären Lage verfügt sie noch über fast % Million Mark Spareinlagen. 15. Spółka ziemska in Gollantsch. Die Ende 1909 vom verstorbenen Prälaten Wawrzyniak gegründete Bank wird von dem Propst Duczwal als Vorstandsvorsitzenden geleitet; im Aufsichtsrat sitzen zwei weitere Pröpste. Die im Jahre 1910 entwickelte Tätigkeit ist er­ staunlich. Die Bank hat 10 Wirtschaften mit einem Areal von etwa 1500 Morgen, darunter drei deutsche mit einem Flächeninhalt von etwa 600 Morgen, in den Kreisen Wongrowitz, Schubin, Gnesen, Kolmar, Mogilno erworben, davon 5 im ganzen und die übrigen geteilt weiter verkauft. Ausserdem hat sie den Verkauf von 4 polnischen Wirtschaften mit 415 Morgen Areal vermittelt. Sie hat dadurch mit einem Gewinn von 10 431 Mark abschliessen können und ausserdem den Reserve- und Dubiosen­ fonds mit 25 000 M. dotiert. An Spareinlagen sind ihr in einem Jahre rd. 80 000 M. zugeflossen. Ein bedeutungsvoller Beweis der politischen Arbeit und Geschicklichkeit der polnischen Geistlichkeit! 16. Bank ziemski in Lob sens. Die gleichfalls 1909 gegrün­ dete Bank hat zwei polnische Güter im Kreise Wirsitz in Grösse von 724 und 243 Morgen gekauft und im ganzen weiter gegeben. Ausserdem hat sie noch eine 55 Morgen grosse polnische Wirtschaft erworben, die sie sehr teuer bezahlt hat und noch besitzt. Auf die Geschäftsanteile sind erst 428 M. eingezahlt; dafür besitzt die Bank für 160 000 M. Grundstücke und 22 000 M. persönliche Forderungen. 17. Spotka ziemska in Mogilno ist erst im April 1910 ins Leben gerufen worden. Gegenstand des Unternehmens ist der An- und Verkauf von Grund­ stücken, Beschaffung der dazu notwendigen Geldmittel, Vermittlung beim An- und Verkauf sowie Verpachtung von Grundstücken. Auch bei dieser Bank befindet sich ein Vikar im Vorstand. Sie hat erst den Verkauf zweier polnischer Wirtschaften in Grösse von 93 und 88 Morgen vermittelt, dabei aber nach der Teilbilanz 7000 M. verdient. Jedoch zeigt die Bilanz 1808 M. Spareinlagen, die fälschlicher­ weise unter den Aktiven gebucht sind. 105

18. Bank ziemski in Gnesen ist gleichfalls im April 1910 gegründet worden. Der satzungsgemässe Zweck des Unternehmens ist derselbe wie der der Bank in Mogilno. Der Vorstand wird geleitet von einem Redakteur Kucik. Dem Aufsichtsrat gehört u. a. wiederum ein Propst an. Die Bank hat bereits in den Kreisen Schroda, Posen-Ost, Wit­ kowo, Mogilno polnische Wirtschaften gekauft oder den Kauf vermittelt. 19. Spółka ziemska in Fi lehne, 20. Spółka ziemska in Hohensalza befinden sich gleichfalls erst in der Entwicklung.

III. Provinz Westpreussen. 21. Spoilt a kredytowa in Thorn ist der jetzige Name der alten spółka ziemska, den sie im Juni 1910 angenommen hat, ohne dass jedoch eine Aenderung des Wesens und Zweckes eingetreten wäre. Qrund- stückserwerb und Parzellierung wird auch im neuen Statut als der Haupt­ zweck bezeichnet. Finanzielle Schwierigkeiten scheinen der Grund der Aenderung gewesen zu sein. Der neuen Genossenschaft sind 23 neue Mit­ glieder beigetreten und der Reservefonds ist um 15 000 M. gekürzt wor­ den. Auf dem Grundstücksmarkt hat sie sich noch nicht bemerkbar ge­ macht. 22. Spolka parcelacyjna in Berent hat wiederum mit einem erheblichen Verlust von 15 000 M. abgeschlossen. Mitgliederzahl, Haftsummen, Reservefonds und die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile haben wiederum abgenommen. Die Bank befindet sich offenbar in einer schweren Krisis. Zu ihrem alten Besitz erwarb sie noch drei polnische Wirtschaften, welche sie auch nur zum Teil weiter veräussern konnte. Sie wird von dem Propst Wróblewski geleitet. 23. Spolka ziemska in Tuchei. Die Bank befindet sich noch immer in aufsteigender Entwicklung, wenn auch der Reingewinn wenig abgenommen hat. Die Spargelder haben sich aber um fast 100 000 Mark vermehrt. Sie erwarb in den Kreisen Tuchei, Schwetz, Könitz und Gnesen 9 polnische Wirtschaften, von denen sie 2 im ganzen weitergab und den grössten Teil der übrigen in etwa 40 Parzellen aufteilte. 24. Spolka parcelacyjna in Löbau. Auch diese Bank hat eine Stärkung ihrer Finanzlage erfahren: 87 000 M. Spargelder sind ihr neu zugeflossen, die Haftsummen sind um 10 000 M., die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile um 11 000 M. und die Reserven um 6000 M. gestiegen. Sie erwarb in den Kreisen Löbau, Rosenberg und Neumark 5 Wirtschaften mit 737 Morgen Areal, darunter eine deutsche Wirtschaft von 108 Morgen, und gab sie zum grössten Teil in 23 verschiedenen Parzellen weiter. 25. Spolka ziemska in Culm ist im November 1910 die bis­ herige spolka budowlana (Baugenossenschaft) getauft worden. Ihre Mittel sind bisher noch so gering, dass sie noch keine Grundstücks­ geschäfte gemacht hat. I Of)

26. Bank parcelacyjny in Fiatów 27. Spoika ziemska in Schweiz befinden sich gleichfalls erst in der Entwicklung.

IV. Provinz Schlesien. 28. Bank ziemski (Landbank) in Bcuthen ist im Dezember 1910 die bisherige spolka parcelacyjna umgetauft worden, ohne dass der statutarische Zweck geändert worden ist. Neuerwerbungen sind nicht bekannt geworden. Die Bank besitzt mehrere Güter, welche ihr mit Wz Mill. M. zu Buche stehen und welche sie zum Teil verpachtet hat. Es ist schon hervorgehoben, dass ihre Be­ triebsmittel hauptsächlich aus Spargeldern bestehen, welche sich im Be­ triebsjahre wiederum um 360 000 M. vermehrt haben, und dass anderseits ihre Engagements in Grundstücken, Hypotheken und Personalforderungen (zusammen 2,4 Millionen Mark) so gewaltig und schwer realisierbar sind, dass ihr Geschäftsgebaren allen banktechnischen Grundsätzen geradezu Hohn spricht. V. Provinz Brandenburg. 29. Die Immobilien verkehrsbank in Stcgliz-Ber­ lin, Geschäftsführer Dr. Wladislaus Górski, treibt in Ost- und West- preussen, zum Teil aber auch in Posen, üüteran- und Verkäufe und Par­ zellierungen in grossem Massstabe. Sie unterhält zahlreiche Agenten und in Allenstein eine Zweigniederlassung. Polnische Zeitungen bezeichnen das Unternehmen als eine „rein polnische Firma“, im Berichtsjahre ist der An- bzw. Verkauf von 10 Gütern und Wirtschaften mit einem Areal von rd. 4500 Morgen, welche grösstenteils aus polnischer Hand stammen, be­ kannt geworden. Die Höhe des Betriebskapitals entzieht sich der Ocffent- lichkeit.

*

Es ist ein buntes und wechselvolles Bild, welches die polnischen Land- mid Parzellierungsbanken bieten: nicht immer ist ihre Leitung getragen von dem Geiste nationalen Volkstums, nur dürftig verdeckt wird bei ein­ zelnen die Sucht nach höchst bedenklichen Spekulationsgewinnen und die Skrupellosigkit in der Anwendung der Mittel; verschieden sind sie in der Geschicklichkeit ihrer Operationen, verschieden auch in ihren finanziellen und politischen Erfolgen. Eines wird man aber bei ihnen anerkennen müs­ sen, das Vertrauen und die Beteiligung der polnischen Volksgemeinschaft in der Verfolgung des Weges der Selbsthilfe zur Befestigung und Ver­ mehrung des eigenen Grund und Bodens. * Wie langsam entwickeln sich demgegenüber die deutschen Siedlungsgesellschaften, die selbst in den An­ siedlungsprovinzen trotz Ansiedlungskommission, Mittelstandskasse und 107

Bauernbank wegen der von ihnen zu leistenden Kleinarbeit nicht entbehrt werden können! Auf deutscher Seite hat man sich daran gewöhnt, dass der Staat alle nationalen Aufgaben übernimmt. Sehr zum Schaden der deutschen Sache und der deutschen Bevölkerung! Erst wenn diese dazu kommt, ebenso wie der polnische Bevölke­ rungsanteil, den nationalen Kampf um den Grund und Boden aufzunehmen und sich hierzu auf dem Wege der Selbsthilfe zusammenzutun, wird dem weiteren Vordringen des polnischen Elementes auf die Dauer mit Erfolg begegnet werden können. Anl^g— Uebersicht über die finanzielle Lage der polnischen Land- und Parzellierungsbanken.

Höhe der Höhe Höhe der ein­ Höhe Höhe Ge- Mit- Gesamt- des Lfd. gezahlten der der Name und Sitz der Bank schäfts-|glieder- haft- Jahres- No. Geschäfts-j Reserven i Depositen iahr zahl summe anteile ; gewinnst M. M. M. M. M.

A. Regierungsbezirk Posen. 1. Bank ziemski, A.-G. in Posen...... 1909 — 4 000 000 552 346 2 461 882 243 491 1910 — 4 000 000 618 189 2 526615 252 078 2. Związek ziemiąn, E. G. m. b. H. in Posen...... 1909 556 581 000 194291 88 125 804 756 40 156 1910 542 563 000 216 585 104 639 1 372 933 60 863 4 318 597 242 440 3. Bank parcelacyjny, E. G m. b. H. in Posen...... 1909 1500 967 600 243 815 605 244 1910 1512 1 125 200 282 082 634 115 4 460 045 120 556 40 225 4. Spotka rolników parcelacyjna, E. G. m. b. H. in Posen 1909 477 2 045 500 856 923 566 389 2 965 773 1910 i 474 2 104 000 842 101 i 603 317 2 958 910 54 046 5. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Posen...... 1909 270 271 000 32 660 45 908 1 879 1910 230 231 000 33 966 45 766 — 1 642 26 580 ■----- 6 025 6. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Olobok, Kr. Ostrowo . 1909 141 81 000 75 430 i 1910 140 84 600 78 863 27 233 — 7 818 82 862 187 368 31 184 7. Bank parcelacyjny, E. G. m. b. H. in Priment, Kr. Bomst . 1909 80 174 000 85 233 i 1910 79 178 000 88 587 108 684 166 836 5 310 152 988 12218 8 Bank parcelacyjny, E. G. m. b. H. in Schrimm .... 1909 69 74 000 21 979 26 259 1910 70 77 000 21 933 j 33 020 166 513 7 466 56 108 10 701 9. Spolka parcelacyjna, E. G. m. b. H. in Ostrowo .... 1909 63 99 000 18 690 ; 51 374 1910 72 147 000 36 313 59 507 88 659 18 031 64 389 10. Bank parcelacyjny, E. G. m. b H. in Kosten...... 1909 52 137 000 62 444 319 740 970 941 1910 44 148 000 79 324 357 567 1 319 606 25 011 11. Spolka ziemska, E. G. m. b. H in Wreschen...... 1909 50 52 000 5 885 20 759 — 1910 41 41 000 3 700 1 909 12 280 16 077 1910 \ 12. Spolka ziemska, E. G m. b. H. in Punitz...... neugegründet. 18. Spolka ziemska, E. G. m. b. H. in Görchen...... 1910 |

B. Regierungsbezirk B r o Tiberg. 14. Bank ziemski, E. G. m. b. H. in Crone a. Br . . 1909 246 279 000 1 11 059 82 734 459 979 3 169 1910 235 266 000 : 11 498 61 000 460 910 706 15. Spolka ziemska, E. G. m. b. H. in Gollantsch...... 1909 41 41 000 ! 197 1 506 38 13 157 1910 87 87 000 | 6 785 25 265 79 766 10 431 16. Bank ziemski, E. ü. m. b. H. in Lobsenz . . . 1910 53 53 000 428 262 — 1 427 17. Spolka ziemska, E. O. m. b. H. in Mogilno . . 1910 46 23 000 1 330 111 1 808 7 085 18. Spolka ziemska, E. G. m. b. H. in Gnesen . 1910 48 28 000 ! 1 562 185 828 — 19. Spolka ziemska, E. G. m. b. H. in Filehne . 1910 • neugegrundet. 20. Spolka ziemska, E. 0. m. b H. in Hohensalza...... 1910 C. Provinz Westpreussen. 21. Spółka kredytowa, E. G. m. b. H. in Thorn .... 1909 30 18 000 13 163 44 783 337 842 30 1910 53 39 500 15 096 29 593 348 941 2 721 22. Spółka parcelacyjna, E. G m. b. H. in Berent...... 1909 154 47 500 28 081 69 854 242 804 9 980 1910 143 42 200 22 569 58 531 252 556 15 090 23. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Tuchel...... 1909 52 80 200 40 100 26 723 318 904 12 125 1910 55 89 900 44 950 35 247 414 694 11 710 24. Spółka parcelacyjna, E. G. m. b. H. in Lööau...... 1909 46 17 700 8217 31 729 21 923 8 484 1910 47 27 600 19 268 37 926 108 889 4 259 25. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Culm...... 1910 51 13 000 2 823 628 — 26. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Fiatów...... 1910 ) . J x 27. Spółka ziemska, E. G. m. b. H. in Schwetz...... 1910 } "^gegründet D. Provinz Schlesien. 28. Spolka ziemska, E. G. m. b. H. in Beuthen...... 1909 92 65 400 23 375 34 955 1 537 1741 10 601 1910 100 69 600 21 902 42 010 ä 1 896 113 1 15 427 E. Provinz Brandenbu rg. 29. Immobilienverkehrsbank, Steglitz-Berlin . 1909 ) 1910 • unbekannt. Gesamtsumme 1909 3919 5 030 900 5 721 546 2 645 222 14 837 083 | 730 301 1910 4122 5 429 200 5 831 655 2 885 311 ! 16 636 902 607 574 Rundschau. Die Fortschritte der inneren Kolonisation und der Moorkultur in Pommern. Der Bericht der Landwirtschaftskammer zu Stettin über den Zustand der Landeskultur in der Provinz Pommern für das Jahr 1910 und für den Zeitraum von 1906—1910 erweist ein unverkennbares Fort­ schreiten in der Entwicklung der pommerschen Landwirtschaft. Die mit allen Mitteln geförderte Moorkultur Pommerns sei für den Osten geradezu vor­ bildlich geworden. Grosszügige Pläne sind bereits verwirklicht oder gehen ihrer Verwirklichung entgegen, z. B. die Melioration des Randowbruches, der Leba- niederung und der Oderniederung, auf deren neugeschaffenen weiten Kultur­ flächen der Entwicklung der Viehzucht nahezu unbegrenzte Möglichkeiten sich eröffnen. Im engsten Zusammenhang mit der Erschliessung der Moore steht die innere Kolonisation; viele Quadratmeilen Landes in den pommerschen Mooren warten auf die Ansiedlung von Kolonisten. Auf Anregung der Provinzial­ moorkommission sind viele Kreise schon zur Inangriffnahme der Kultur ihrer Moore übergegangen und es unterliegt keinem Zweifel, dass gerade nach dieser Richtung hin die Entwicklung der Landwirtschaft günstig fortschreiten und auch die Bevölkerungsverhältnisse in vorteilhafter Weise beeinflussen wird. Günstigen Einfluss auf die innere Kolonisation wird insbesondere auch die mit der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft unter Hinzutritt der Provinz und der Kreise neugebildete Landgesellschaft ausüben können. Sie erscheint in erster Linie berufen, eine den allgemeinen Interessen entsprechende Verteilung von Gross-, Mittel- und Kleinbesitz in der Provinz herbeizuführen. Nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung von 1907 betrug die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der Provinz 177 879 mit einer Gesamtwirt­ schaftsfläche von 2 658 352 ha, darunter 1 653 409 ha Ackerland. Im Vergleiche zur Betriebsstatistik von 1895 haben die Grossbetriebe nach Anzahl und Fläche abgenommen; die grossbäuerlichen Betriebe haben sich der Zahl nach vermindert, nach der Fläche eine Vergrösserung erfahren; die mittelbäuerlichen Betriebe haben nach Zahl und Fläche bedeutend zugenommen, die kleinbäuerlichen Be­ triebe sind hinsichtlich der Zahl zurückgegangen, ihre Fläche hat sich aber ver­ mehrt. (Im einzelnen vergl. über die Verschiebungen innerhalb der Besitzgrössen Archiv II 227 ff, insbesondere die Tabelle auf S. 240.) Die Gesamtfläche der von der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft seit Beginn ihrer Tätigkeit im Frühjahr 1903 bis Ende Dezember 1910 zur Aufteilung übernommenen Güter beträgt 32 088,64 ha. Davon sind zur Bildung neuer Renten­ güter verwandt 22 112,66 ha; die Zahl der durch diese Kolonisationstätigkeit neu­ gebildeten Rentengüter beträgt 1278, die sich wie folgt verteilen: Stellenanzahl 142 57 70 167 694 123 25 Flächengrösse in ha bis 2 >4 214—5 5—7/4 7/i—10 10—25 25—100 über 100 Seit Erlass der Rentengutsgesetze wurden in Pommern unter Leitung der Generalkommission bis zum Schlüsse des Jahres 1910 insgesamt 3648 Ren­ tengüter mit 66 008 ha begründet, und zwar: Stellenanzahl 231 205 659 2077 476 Flächengrösse in ha bis 2(4 2 A—5 5—10 10—25 über 25 M. Bücherbesprechungen. Deutschtum und Polentum in politisch-konfessioneller Bedeutung. Im Aufträge der deutschen Vereinigung verfasst von Dr. Johannes Altkemper. Mit einem Geleitwort des Vorsitzenden der deutschen Vereinigung Graf zu Hoens- broech-Haag. Leipzig. Verlag von Duncker & Humblot. 252 S. Preis: 5 M.„ geb. 6 M. Ill

Die Literatur über die Ostmarkenfrage, die von Jahr zu Jahr stärker an­ schwillt, hat durch die Schrift von Altkemper einen schätzenswerten Zuwachs erfahren. Von nur massigem Umfange, verarbeitet sie das grosse Material, das die Statistik, die Landtagsverhandlungen, das amtliche Sammelwerk: „20 Jahre deutscher Kulturarbeit“ und die einschlägigen Werke bieten, in übersichtlicher Weise und gibt ein gutes Bild von der Polenfrage. Ein besonderer Vorzug liegt darin, dass der Verfasser sich nicht mit einer allgemeinen Darstellung begnügt, sondern als Belege eine Fülle von konkreten Tatsachen für die einzelnen Be­ hauptungen anführt, wie z. B. Aeusscrungen der Presse, Erklärungen massgebender Persönlichkeiten. Der Leser wird dadurch in den Stand gesetzt, sich selbständig ein eigenes Urteil über die behandelten Fragen zu bilden. Altkemper bietet uns keine Kampf- und Streitschrift, sondern eine Zusammen­ stellung der Tatsachen, welche für die Beurteilung der Ostmarkenfrage entscheidend sind. Er will auf Grund der Quellen aufklären und möchte vornehmlich diejenigen deutschen Volkskreise gewinnen, die gewohnt sind, die Polenfrage als eine kon­ fessionelle Angelegenheit zu betrachten nach dem Schlagworte: Germani- sierung ist Protestantisierung. Der Kampf um die Nationalität ist mit Geschick und Erfolg von den Polen und ihren Freunden auf das konfessionelle Gebiet über­ tragen und dadurch eine bedauerliche Spaltung und Schwächung in den Reihen des Deutschtums herbeigeführt. Hier aufklärend zu wirken und „besonders diejenigen Kreise zum Nachdenken zu veranlassen, denen infolge der parteipolitischen und konfessionellen Stellungnahme in der Presse bisher eine verzerrte Darstellung ge­ boten wurde“, hat sich die Schrift zum Ziel gesetzt. Indem sie den Kern der Polenfrage, die inneren Ursachen und die geschichtliche Entwicklung eingehend darlegt, weist sie klar nach, dass es sich in dem Streite und namentlich auch bei den Massnahmen der Staatsregierung lediglich um nationale Fragen handelt, dass die Polen seit 1815 niemals aufgehört haben, nationale Selbständigkeit zu erstreben und das Deutschtum zu bekämpfen und zu verdrängen, auch nicht in den sog. Versöhnungsepochen 1815—1830, zur Zeit König Friedrich Wilhelm IV. und später, dass sich die polnische Agitation gegen alles Deutsche richtet, Protestanten und Katholiken, die Konfession nur als Deck­ mantel für die nationalen Bestrebungen benutzt wird und deutsche katholische Geistliche und deutsche Katholiken rücksichtslos bekämpft werden, sobald sie nicht mit den Polen am gleichen Strange ziehen, in gleicher Weise die Zentrumspartei selbst, welche trotz ihrer polenfreundlichen Haltung und trotz Bekämpfung der Regierungsmassnahmen den Polen den Verlust von fünf Reichstagssitzen in Ober­ schlesien und das Herausdrängen aus zwei Stichwahlen in drei heiss umstrittenen Wahlkreisen im rheinisch-westfälischen Industriebezirk verdankt. Es ist hier nicht der Platz, darauf näher einzugehen. Es kann nur empfohlen werden, das Buch selbst nachzulesen, das eine Fülle von Belegen und Tatsachen gibt und durch die objektive Behandlung der Frage von besonderem Werte ist. Hier soll nur noch auf die interessante Feststellung hingewiesen werden, dass der wirtschaftliche Kampf, verbunden mit dem Boykott Deutscher, seinen Anfang schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts genommen hat und mit der Tätigkeit des bekannten Arztes Marcinkowski zusammenfällt — also lange vor Erlass der Ansiedlungsgesetze und vor Gründung des Ostmarkenvereins. Es ist also kurzsichtig von deutscher Seite, wenn von Einstellung der deutschen Ansied- lung das Ende des wirtschaftlichen Kampfes erwartet wird. Das Hauptmittel der Stärkung des Deutschtums erblickt der Verfasser mit Recht in der Ansiedlungstätigkeit. Dass die Novelle zum Ansiedlungsgesetz vom 10. August 1904 die Tätigkeit der polnischen Parzellierungsbanken nur wenig ge­ hindert hat, nimmt auch er an. Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass sie ver­ standen haben, das Gesetz ungestraft zu umgehen. Den Uebergriffen kann nur ein Parzellierungsgesetz Einhalt tun, das zwar in Aussicht steht, aber bisher nicht erlassen ist. Die Tätigkeit der Ansiedlungskommission wird nicht nur in ihrer nationalen Bedeutung, sondern auch nach ihrer sozialpolitischen Wirkung gewürdigt. Hatte doch die Zahl der spannfähigen bäuerlichen Stellen allein von 1859 bis 1880 in der 1 rovinz Posen um 7396 abgenommen. Dem stehen gegenüber 18 127 neue Stellen, welche die Ansiedlungskommission in den beiden Provinzen Posen und West- Preussen bis Ende 1910 begründet hat, zuzüglich 380 Arbeiterstellen, die an •deutsche mietweise überlassen sind. 112

Sehr eingehend wird die Frage der Ansiedlung von deutschen Katholiken behandelt. Ihre Zahl ist bisher gering — im wesentlichen infolge der Schwierig­ keiten, die die Bildung selbständiger deutsch-katholischer Kirchengemeinden unter deutschen Geistlichen verursacht. Dass der polnische Klerus alles tut, tun dies zu verhindern, dafür gibt die Schrift interessante Belege. In mehreren Fällen sah sich die Ansiedlungskommission genötigt, Güter, die für Ansiedlung mit Katholiken bestimmt waren, anders zu verwenden, weil die kirchliche Frage nicht geregelt werden konnte. Ja, die Ansiedlungskommission hat aus diesem Grunde die erste katholische Ansiedlung in Falkenau, , wieder aufgeben müssen und die zuverlässigen Ansiedler nach Lawau versetzt. Die feindliche Haltung der Zen­ trumspartei gegen die Massnahmen der Regierung hindert die Ansiedlung von Katholiken, und die Zentrumspresse, die sich durchaus ablehnend verhält, trägt nicht dazu bei, dass sich Katholiken — namentlich aus dem Westen — in grösserer Zahl um Ansiedlungsstellen bewerben. Trotz der Ansiedlung von überwiegend evangelischen Deutschen hat gleichwohl die Zahl der Katholiken selbst in der Pro­ vinz Posen, wo am meisten besiedelt ist, sowohl absolut als im Verhältnis zu den Evangelischen erheblich zugenommen. Wenn der Verfasser als Erfolg der Ansiedlungstätigkeit feststellt, dass zwischen Grossbetrieb und Kleinbesitz ein sesshafter Bauernstand als Bindeglied geschaffen und dass die Zurückdrängung des Deutschtums gehindert ist, so ist dem gewiss beizupflichten. Es hätte aber den Gegnern der Ansiedlungsgesetzgebung und deren Haupteinwande, dass die Deutschen an Zahl nicht bedeutend zugenommen haben, noch entgegengehalten werden können, dass nicht die Zahl, sondern die Beschaffenheit der Ansiedler entscheidet. Der deutsche Bauer, der, in geschlosse­ nen deutschen Dörfern angesiedelt, wirtschaftlich vorwärts kommt und mit dem Boden verwächst, bedeutet eine ganz andere Stärkung des Deutschtums, als der Handwerker, Kaufmann, Beamte, welche ohne Landbesitz jeden Augenblick der Ostmark den Rücken kehren können. Gerade die Bauernstellen, die in der Haupt­ sache von dem Besitzer und seiner Familie bewirtschaftet werden, bilden ein festes Rückgrat für das Deutschtum und ein unüberwindliches Bollwerk gegen das Polentum. Und ihre Nachkommen werden ein wertvolles Material für die Stär­ kung des deutschen Elements abgeben. Dazu müsste allerdings die Bildung einer deutschen Unterschicht kommen, die Heranziehung von Massen deutscher Arbeiter. Die erfreulichen Anfänge, die die Ansiedlungskommission in den letzten Jahren auf diesem Gebiete aufzuweisen hat, und namentlich die rege Tätigkeit der deutschen Kleinsiedlungsgesellschaften hätten darum ein näheres Eingehen erfordert. In einer 2. Auflage wird dies hoffentlich nachgeholt. Die hohe Bedeutung der Er­ haltung des alten deutschen Besitzstandes und dessen Festigung durch Entschul­ dung, wie sie in Westpreussen durch die Deutsche Bauernbank, in Posen durch die Deutsche Mittelstandskasse in immer zunehmendem Umfange bewirkt wird, wird treffend gewürdigt. Für die Bedeutung der Polenbewegung im rheinisch-westfälischen Industrie­ gebiet würde wichtig sein zu ermitteln, wie stark dort die Masuren vertreten sind. Sie werden offenbar als Polen gezählt. Sie sind evangelisch und die Polen haben sie, wie der Verfasser festste!!!, für ihre nationalen Sonderzwecke nicht ge­ winnen können. Uebrigens hat neuerdings Dr. Döhring (Ueber die Herkunft der Masuren, Königsberg 1910) nachgewiesen, dass die Masuren nicht, wie die Polen behaupten, rein polnischer Herkunft sind, sondern zahlreiche deutsche und preussi- sche Elemente enthalten, die während der polnischen Oberlehnsherrschaft polonisiert worden sind. Auf Grund seiner Untersuchungen kommt Altkemper zu dem Ergebnis, dass der preussische Staat der polnischen Gefahr nicht tatenlos gegenüberstehen kann, dass eine Politik des Gehenlassens, eine sog. Versöhnungspolitik, auf die Polen durchaus nicht versöhnend wirken würde, und dass die bisherige Bodenpolitik der preussischcn Regierung eine nationale und staatliche Notwendigkeit ist. Weiter auf die Sache einzugehen, ist hier nicht der Ort. Es kann nur dringend empfohlen werden, das nähere in der Schrift selbst nachzulesen. Pagenkopf.

Für die Schrlttleltung verantwortlich: Dr. L Maass, Charlottenburg. — Verlag: Deutsche Landbuchhandlung 0. m. b. H., Berlin SW. 11. — Gedruckt In der Buchdruckorci der „Deutschen Tageszeitung“, Berlin SW. II.