Die Tätigkeit Der Deutschen Kleinsiedlungsgenossenschaften in Den Provinzen Posen Und Westpreussen Im Jahre 1911
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Die Tätigkeit der deutschen Kleinsiedlungsgenossenschaften in den Provinzen Posen und Westpreussen im Jahre 1911. Von Regierungsrat Rieche rt, Posen. Das Jahr 1911 bildete für die Genossenschaften, besonders der Provinz Posen, ein Uebergangsjahr. Galt es doch für sie, sich den neuen Bestimmungen des Ministerialerlasses vom 10. September 1910*, die das Verfahren auf eine ganz neue Grundlage stellen, anzupassen und Fühlung mit den neuen Aufsichtsbehörden zu gewinnen. Aber auch die durch den Erlass mit der Durchführung der Klein siedlung betrauten Behörden: die Königliche Ansiedlungskommission und die Mittelstandskasse (in Westpreussen die Bauernbank), bedurften längerer Zeit, um die Bestimmungen des Erlasses in die Praxis zu über tragen und Richtlinien für das künftige Vorgehen aufzustellen. Ueber die Behandlung schwebender Sachen wurde vereinbart, dass diejenigen Kolonien, in denen nur noch wenige Stellen zu begründen waren, unter Vermittlung der Königlichen Generalkommission zum Abschluss gebracht, alle übrigen Kolonien durch die Mittelstandskasse berentet werden sollten. Sodann erwuchs für die Königliche Ansiedlungskommission die Auf gabe, über die allerseits beantragte Prämiengewährung für die nach dem 1. April 1909 errichteten, bereits begründeten Stellen zu entscheiden. Als Ergebnis darf man wohl feststellen, dass Prämien erhielten und künftig erhalten können alle Stellen, welche an Arbeiter (Land-, Gewerbe oder Industriearbeiter) und an Handwerker, die das platte Land ge braucht, verkauft werden, und deren Gebäudeumfang und Einrichtung das für einen Arbeiter oder Handwerker Landesübliche nicht über schreitet. Im allgemeinen sind demnach prämienfähig Einfamilienhäuser mit Stube, Kammer, Küche oder höchstens zwei Stuben und Küche. Da neben wird der Ausbau einer Bodenstube zugelassen. Nicht mit Prämien bedacht werden im allgemeinen Gehöfte, welche Mietswohnungen ent halten. Voraussetzung ist ferner, dass die betreffende Genossenschaft als solche den Bedingungen des Ministerialerlasses entspricht, dass sie ins besondere einen örtlich beschränkten Wirkungskreis hat, gemeinnützig arbeitet und finanziell genügend leistungsfähig ist. Für das Verfahren bildet das Regulierungsverfahren der Mittel standskasse die Grundlage. * Vergl. Archiv Bel. IV. S. 37. Archiv IV, 12. 30 534 Nach dem Jahresberichte der Mittelstandskasse sind bis zum 31. De zember 1911 58 Stellen, bis zum 31. März weitere 17 Stellen berentet, etwa 85 zur Berentung angemeldet. Der Gesamtkaufpreis der berenteten Stellen betrug rund 494 500 M., das staatliche Rentenkapital rund 371 500 M. Der Jahresbericht der Kleinsiedlungsgenossenschaft in Ostrowo spricht sich über das neue Verfahren und seine Unterschiede gegenüber dem früheren wie folgt aus: „Während früher die Rentengutsbildung durch Vermittlung der Generalkommission erfolgte, fällt deren Aufgabe nunmehr der Mittel standskasse zu. Sie vermittelt die Berentung der Stellen durch staat liches Rentenkapital bis zu 75 % des von ihr festgestellten Taxwertes und die finanzielle und rechtliche Begründung des Rentenguts. Das Renten kapital wird aber nicht mehr wie früher von der Königlichen Rentenbank, sondern von der Ansiedlungskommission aus dem Ansiedlungsfonds ge geben. Es wird wie früher mit 3% % verzinst und mit % % im Laufe von etwa 60 Jahren zur Tilgung gebracht. Im übrigen wird der Kauf preis wie früher durch die Anzahlung des Rentengutserwerbers, die auf mindestens Vio des Preises zu bemessen ist, und durch Belastung der Stelle mit einer Resthypothek der Genossenschaft belegt. Ein erheblicher Vorteil des neuen Verfahrens ist es, dass das Renten kapital jetzt bar ausgezahlt wird, während früher der Kapitalbetrag in Rentenbriefen überwiesen wurde, die sich bei dem niedrigen Kurse dieser Papiere nur mit einem Kursverlust von etwa 10 % verwerten Hessen. Ein weiterer Vorteil gegen früher besteht ferner darin, dass für jede Rentenstelle, deren Gründung den staatlich vorgeschriebenen Voraus setzungen entspricht, eine Prämie von 1000 Mark aus dem Ansiedlungs fonds gewährt wird. Diese Prämien stellen ein zinslos gewährtes Dar lehen des Staates dar, dessen Zinsen der Genossenschaft zugute kommen. Aus dem „Ausgleichfonds“, der aus diesen Prämien gebildet wird, werden der Genossenschaft die zur Deckung von Anforderungen öffentlich recht licher und gemeinwirtschaftlicher Natur (Regelung der Gemeinde-, Schul- und Kirchenverhältnisse, Wegeanlagen u. dgl.) erforderlichen Summen freigegeben und dadurch der Genossenschaft zu Eigentum überwiesen.“ Diesen zweifellos sehr hoch einzuschätzenden Vorteilen stehen je doch auch Nachteile gegenüber, als welche hier insbesondere der Fort fall der erleichterten (schriftlichen) Form der Verträge, welche jetzt ge richtlich oder notariell abzuschliessen sind, der Wegfall des niedrig ver zinslichen Zwischenkredits der Seehandlung — statt des 3% prozentigen Kredits der Seehandlung wird ein 5 prozentiger Kredit von der Mittel standskasse gewährt — und die Erhöhung der Kosten des Verfahrens ge nannt werden sollen. Ferner wird vielfach über eine zu enge Fassung der Bestimmungen geklagt. Hier wären gesetzliche und Verwaltungs massnahmen sehr wünschenswert. 535 Von den im Vorjahre tätigen Genossenschaften haben aus den be reits im Vorberichte angeführten Gründen die Genossenschaften in Schild berg und Adelnau sich aufgelöst; die Grunderwerbs- und Kreditbank in Krotoschin hat ihre Siedlungstätigkeit nach Gründung der Kleinsiedlungs genossenschaft Krotoschin-Koschmin aufgegeben. Im Berichtsjahre waren folgende Vereinigungen in den beiden Pro vinzen auf dem Gebiete der Arbeitersiedlung tätig: A. in der Provinz Posen: 1. die Landgenossenschaft in Obornik, 2. „ Landgenossenschaftsbank in Rawitsch, 3. „ Landgenossenschaft in Meseritz, 4. „ Landgenossenschaft in Samter, 5. „ Deutsche Kleinsiedlungsgenossenschaft in Ostrowo, 6. „ Deutsche Besiedlungsgenossenschaft in Strelno, 7. „ Kleinsiedlungsgenossenschaft Znin, 8. „ „ Hohensalza, 9. „ „ Gostyń, 10. „ Siedlungsgenossenschaft Krotoschin-Koschmin, 11. „ Kleinsiedlungsgenossenschaft Pakosch-Bartschin, 12. „ Kleinsiedlungsgenossenschaft Kolmar, 13. „ Posensche Besiedlungsgenossenschaft in Posen, 14. „ deutsche Heimstättengenossenschaft (früher Wohnungsbauge nossenschaft) in Schwersenz, 15. „ deutsche Wohnungsbaugenossenschaft in Opalenitza, 16. „ „ „ „ Kriewen, 17. „ „ „ „ Moschin, 18. „ ,, ,, „ Schroda, 19. „ „ gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft in Frau stadt, 20. der gemeinnützige Bauverein Luisenhain in Posen, 21. die Spar- und Darlehnskasse in Schönlanke, 22. der deutsche Arbeiterwohnungsbauverein in Bromberg, 23. „ „ Beamtenwohnungsbauverein in Posen, 24. die „ Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft in Posen. B. in der Provinz Westpreussen. 25. die Abeggsche Stiftung für Arbeiterwohnungen in Danzig, 26. „ deutsche Besiedlungsgenossenschaft in Strassburg, 27. „ „ „ „ Tuchei, 28. „ „ „ „ Berent, 29. „ „ Wohnungsbaugenossenschaft in Neustadt, 30. „ „ Kleinsiedlungsgenossenschaft in Graudenz, 31. der Eisenbahnverein in Dirschau. 30* 536 Neugegründet sind Ende des Berichtsjahrs die Kleinsiedlungs genossenschaften in Wirsitz und Filehne. Ferner die Kleinsiedlungs genossenschaft zu Dirschau, über welche im Maiheft dieser Zeitschrift bereits berichtet ist. 1. Landgenossenschaft, e. Q. m. b. H. zu Obornik. Mitgliederzahl 213 (201) mit 216 (213) Anteilen; Haftsumme 129 000 M.; Reserven 10 579 (9460) M. Im Geschäftsjahre 1911 hat die Genossenschaft in Obornik aus polnischer Hand ein Grundstück von 5,3080 ha, in Rogasen von der Königlichen Ansiedlungskommission eine Parzelle von 3,4030 ha und in Murowana-Goslin ebenfalls von der Königlichen Ansiedlungskommission eine grössere Parzelle zu Siedlungszwecken erworben. Es wurden vier Arbeiterrentenstellen in Rogasen, zwei in Obornik, zwei in Ritschenwalde und drei in Murowana-Goslin, im ganzen also elf Stellen neu gegründet und besiedelt. Am Ende des Geschäftsjahres betrug die Gesamtbesiedlung 52 Stellen, und zwar 36 in Rogasen, 6 in Obornik, 7 in Ritschenwalde und 3 in Murowana-Goslin. Die Nachfrage nach Stellen mit besserem Acker war ziemlich rege, während Stellen mit geringerm Boden, obwohl entsprechend billiger, weniger begehrt waren. 2. Landgenossenschaftsbank, e. G. m. b. H. in Rawitsch. Mitgliederzahl am Ende des Geschäftsjahrs 107 (110), mit 167 (153) Ge schäftsanteilen von je 200 M., bei einer Haftsumme von 600 M. Die Tätigkeit der Genossenschaft erstreckte sich auch in diesem Jahre auf ihre beiden Kolonien Bärsdorf und Rawitsch. In Bärsdorf sind jetzt 43 Stellen gebaut, davon sind 37 Stellen endgültig verkauft und bereutet, eine Stelle hat die Genossenschaft in der Zwangsversteigerung zurückerwerben müssen, sie ist mit den übrigen fünf Stellen an solche Familien pachtweise vergeben, welche die Absicht haben, sich die er forderliche Anzahlung zu verdienen. Die Rawitscher Siedlung mit acht Arbeiterrentenstellen ist voll ständig durchgeführt. Für 1912 ist die Bildung einer Arbeiterkolonie von sechs Stellen in Same beabsichtigt. Auf die Geschäftsanteile ist seit dem Jahre 1907 regelmässig die höchst zulässige Dividende von 4 % verteilt. 3. Deutsche Landgenossenschaft, e. O. m. b. H. in Mese r it z. Die Genossenschaft, über deren innere Verhältnisse leider Mit teilungen nicht zu erlangen waren, da der Jahresbericht noch nicht fertig gestellt war, hat in Meseritz eine und in Bentschen sechs neue Arbeiter stellen mit rund 2 ha Grösse zum Gesamtkaufpreise von 35 300 M. er richtet; ausserdem hat sie in Meseritz ein Gehöft für einen Musik dirigenten errichtet und eine