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R E P O R T MAINZ S E N D U N G: 17.09.2013 http://www.reportmainz.de

Wahlkampf auf Staatskosten: Wie die Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten den Sommer verbringen

AutorInnen: Sandra Fiene Oliver Heinsch Ulrich Neumann

Kamera: Ulrich Hohensee

Thomas Schäfer André Schmidtke Dirk Schwarz Oliver Steffens

Schnitt: Kirsten Thorisch

Moderation Fritz Frey:

À propos Wahl. Unsere Politiker – und darunter jede Menge Bundestagsabgeordnete – sie sind ja gerade im Dauereinsatz.

Permanent werben sie für sich. Aber das tun sie nicht alleine. Selbstverständlich werden sie unterstützt. Aber von wem eigentlich?

Von ihren Parteifreunden? Das wäre in Ordnung. Nicht in Ordnung aber wäre es, wenn Bundestagsabgeordnete ihre Mitarbeiter als Wahlkampfhelfer einsetzen würden. Denn die dürfen ihren Abgeordneten nur bei der Parlamentsarbeit unterstützen, und nur dafür werden sie bezahlt – übrigens von uns Steuerzahlern. 2

Sandra Fiene, Oliver Heinsch und Ulrich Neumann haben sich in den Wahlkampf gestürzt. Sie wollten sehen, wo sie denn nun herkommen, die vielen Helfer all derer, die wir am Sontag wählen sollen.

Bericht:

Erste Station unserer Wahlkampfbeobachtung ist Nürnberg. Wir sind in der Wahlkampfzentrale des fränkischen SPD-Abgeordneten . Heute ist Großkampftag, sagt seine Mitarbeiterin.

O-Ton,:

»Raus auf die Straße. Unser Hauptziel heute ist, noch einmal ordentlich die Werbetrommel zu rühren für die Abschlusskundgebung mit Frank-Walter Steinmeier und die Leute einzuladen und anzusprechen und doch nochmal ein paar Tausend Flyer unters Volk zu bringen.«

Uns interessiert hier das Wahlkampf-Team hinter dem Abgeordneten. Erstaunliches erfahren wir: Hier sind mindestens vier vom bezahlte Mitarbeiter neben den Ehrenamtlichen voll im Wahlkampf eingespannt. Und die Leiterin seines Büros vor Ort bezeichnet sich sogar selbst als Campaignerin.

Frage: Was haben Sie so für eine Stundenwoche?

O-Ton, Bettina Zauhar, Abgeordneten- Mitarbeiterin:

»Ja, wir machen schon jeden Tag 10-12 Stunden Wahlkampf, und wenn‘s hochkommt, kommt der Samstag mit der gleichen Stundenzahl. Die Hauptaufgabe ist natürlich, den Wahlkampf für den Kandidaten vor Ort zu managen.«

Der Abgeordnete und seine Mitarbeiterin von Tür zu Tür im Wahlkampf. Vom Bundestag, also auf Staatskosten bezahlte Mitarbeiter im Wahlkampf – darf das sein, ist das rechtens?

Jeder Bundestagsabgeordnete bekommt eine Mitarbeiterpauschale für die Beschäftigung persönlicher Mitarbeiter. 20.000 Euro im Monat inklusive Sozialleistungen, bezahlt vom Bundestag.

Im Abgeordnetengesetz heißt es: Diese Mitarbeiter dürfen den Abgeordneten nur bei deren parlamentarischer Arbeit helfen, also keine Parteiarbeit und keinen Wahlkampf machen.

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Merkwürdig: Der Abgeordnete Burkert scheint damit kein Problem zu haben.

O-Ton, Martin Burkert, SPD, Bundestagsabgeordneter:

»Während des Wahlkampfes zieht man seine Mitarbeiter, die ja sonst im Betreuungswahlkreis, im Wahlkreisbüro und in Berlin sind, schon zusammen. Die helfen alle mit. Die wollen auch alle beschäftigt werden – klar!«

Später erklärt uns Martin Burkert schriftlich, sein Team würde sich auch ehrenamtlich engagieren. Im Übrigen sei alles rechtmäßig.

Zweite Station der Wahlkampfbeobachtung von REPORT MAINZ – die CDU in Ludwigsburg. Auch hier sind Abgeordneten-Mitarbeiter voll im Wahlkampf eingespannt. Sie ist die Leiterin des Wahlkreisbüros.

O-Ton, Julia Hölz, Abgeordneten-Mitarbeiterin:

»Achtzig Prozent Wahlkampf und zwanzig Prozent Wahlkreisarbeit im Moment.«

Das Wahlkreisbüro des CDU-Abgeordneten . Hier treffen wir noch zwei weitere bei ihm angestellte Mitarbeiterinnen aus Berlin. Jetzt sind sie hier in seiner Wahlkampfzentrale.

O-Ton, Steffen Bilger, CDU, Bundestagsabgeordneter:

»Also hier laufen sicher alle Fäden zusammen. Das kann man auf jeden Fall sagen, gerade in den Wahlkampfzeiten.«

O-Ton, Julia Hölz, Abgeordneten-Mitarbeiterin:

»Das Kernteam ist nicht ehrenamtlich. Das ist hier beschäftigt.«

O-Ton, Steffen Bilger, CDU, Bundestagsabgeordneter:

»Also es ist sicher ein Vorteil jemand Erfahrenes dann auch als Hauptamtlichen zu haben.«

Frage: Und auch im Wahlkampf dann zu haben?

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O-Ton, Steffen Bilger, CDU, Bundestagsabgeordneter:

»Ja, ganz klar.«

Halten wir fest: Vom Bundestag bezahlte Mitarbeiter machen Wahlkampf für ihre Abgeordneten.

Was er davon hält, fragen wir den bekannten Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim. Seit mehr als drei Jahren forscht er zu diesem Problem.

O-Ton, Professor Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler:

»Wenn Abgeordneten-Mitarbeiter zum Wahlkampf herangezogen werden, dann läuft das auf eine verschleierte Parteienfinanzierung aus der Staatskasse hinaus, weil die Parteien entsprechende Aufwendungen ersparen. Und die ist eindeutig rechts- und verfassungswidrig.«

Dritte Station unserer Wahlkampfbeobachtung – wir sind in Aachen bei Bündnis 90/Die Grünen. Auch hier das gleiche Geschehen.

O-Ton, Jonas Paul, Abgeordneten-Mitarbeiter:

»Es ist natürlich auch kein politisches Geschäft in Berlin im Moment groß. Das wird wahrscheinlich bei den anderen Parteien nicht anders sein. So dass wir jetzt vor allem im Wahlkampf eingebunden sind.«

Frage: Auch die anderen Mitarbeiter?

O-Ton, Jonas Paul, Abgeordneten-Mitarbeiter:

»Die anderen Mitarbeiter im Wahlkreisbüro sind auch eingebunden.«

Frage: Überstunden müssen Sie hier alle ehrenamtlich machen?

O-Ton, Jonas Paul, Abgeordneten-Mitarbeiter:

»Nein. Nein. Überstunden machen wir alle. Es wird entweder bezahlt oder wir machen es mit Freizeitausgleich. Also ehrenamtliche Überstunden in meinem Job mache ich nicht.«

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Professor von Arnim rechnet uns vor: Wenn nicht mal die Hälfte der 4.400 Abgeordneten-Mitarbeiter Wahlkampf macht, entsteht dem Steuerzahler ein Schaden von mindestens 15 Millionen Euro.

O-Ton, Professor Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler:

»Das liegt auch daran, dass es an den Kontrollen fehlt. Hier besteht praktisch eine völlige Kontrolllosigkeit. Nicht einmal der Bundesrechnungshof darf die Abgeordneten- Mitarbeiter überprüfen.«

Vierte Station unserer Wahlkampfbeobachtung. Wir sind bei der FDP in Reutlingen, bei . Das Thema ist offenbar heikel für die Partei. Dabei war der Drehtermin fest vereinbart.

O-Ton, Pascal Kober, FDP, Bundestagsabgeordneter:

»Machen Sie die Kamera aus. Kein O-Ton ist freigegeben und kein Bild ist freigegeben.«

Wir reisen nach zu den Linken. Hier dürfen wir den Wahlkampf von Steffen Bockhahn und seinen Mitarbeitern drehen. Nach den Dreharbeiten heißt es plötzlich: Alle Mitarbeiter seien ehrenamtlich tätig. Das hörte sich vorher allerdings ganz anders an:

O-Ton:

»Gerade im Wahlkampf, da wird eben gerade das gemacht, was anliegt.« O-Ton:

»Also im Wahlkampf, da gibt es auch kein Etepetete. Da hängt jeder Plakate auf, da verteilt jeder Zettel.«

O-Ton, Steffen Bockhahn, Die Linke, Bundestagsabgeordneter:

»Also wer seinen Wahlkampf ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich machen kann, der hat entweder verdammt viele finanzielle Ressourcen, um sich einen parallelen Stab anzuschaffen, oder er hat den Wert seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verstanden.«

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O-Ton, Professor Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler:

»Da es sich bei der Verwendung von Abgeordnetenmitarbeitern für den Wahlkampf um eine zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel handelt, liegt hier der Tatbestand der strafrechtlichen Untreue nahe. Hier müssen meines Erachtens die Staatsanwaltschaften ermitteln.«

Abmoderation Fritz Frey:

Und noch ein Grund, warum die gängige Praxis problematisch ist. Sie verschafft den im Bundestag vertretenen Parteien einen Wettbewerbsvorteil, und zwar den Parteien gegenüber, die nicht im Parlament vertreten sind. Und das entspricht nicht der Vorstellung von Chancengleichheit, die es in einer funktionierenden Demokratie braucht.