Von Heilbronn an Den Bodensee Der Bau Der Ersten Eisenbahn in Württemberg

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Von Heilbronn an Den Bodensee Der Bau Der Ersten Eisenbahn in Württemberg Von Joachim Guderlei, Biberach Von Heilbronn an den Bodensee Der Bau der ersten Eisenbahn in Württemberg Die Politik Württembergs nach 181 5 Friedrich von Württemberg durch Paktieren und Tak­ tieren erfolgreich daran gearbeitet, sein Land zu arron­ Nahezu alle Staaten im Deutschen Bund standen dieren. Er musste dabei allerdings hinnehmen, dass das nach dem Sieg über Napoleon Bonaparte vor den glei­ Großherzogtum Baden ebenso wie das Königreich Bay­ chen Aufgaben und Herausforderungen: Die Revoluti­ ern einen Zugang zum Bodensee erhielt. In der Zeit onskriege und die Napoleonischen Kriege hatten in allen nach 1815 und bis zum ersten Spatenstich beim Bau Staaten zu enormen Staatsschulden geführt. Es galt, die der württembergischen Eisenbahn im Jahr 1844 waren Finanzen zu ordnen und die Schulden zu reduzieren. viele wirtschaftliche, politische und technische Proble­ Ein Chronist aus dem 19. Jahrhundert errechnet allein me zu lösen, bevor der Eisenbahnbau Wirklichkeit wer­ für die Stadt Biberach und die Landschaft einen Schaden den konnte. von drei Millionen Gulden aus den Kriegen zwischen Württemberg war auch nach den Zugewinnen durch 1792 und 1815. ' Eine Verordnung aus dem Jahr 182 1 den Reichsdeputationshauptschluss und den Wiener regelte die Übernahme der Schulden der ehemaligen Kongress ein überwiegend agrarisch strukturiertes Land Reichsstädte durch das Königreich Württemberg. Die ohne wesentliche Bodenschätze und ohne wichtige Stadt Biberach erhielt 170 000 Gulden und 8500 Gulden Schifffahrtswege geblieben. Das neu hinzugekommene Zinsen, die spitälische Landschaft zur Abzahlung ihrer Gebiet zwischen Ulm und Bodensee galt im Vergleich zu Schulden 80000 Gulden. 2 Das Beispiel aus der kleinen „Altwürttemberg" als reich, auch weil im alten Teil Stadt Biberach mag zeigen, wie groß insgesamt das Pro­ Württembergs durch die Realteilung die Erwerbsmög• blem der Staatsschulden für Württemberg war. So wurde lichkeiten in der Landwirtschaft immer schlechter einige Jahrzehnte später die Frage, wie man den Bau von geworden waren. Hinzu kam, dass die „Neuwürttember• Eisenbahnen finanzieren sollte, nicht nur für Württem• ger" überwiegend katholisch waren, während das berg ein Problem, das in den verschiedenen Ländern auf Königshaus selbst und „Altwürttemberg" protestantisch unterschiedliche Weise gelöst werden sollte. mit stark pietistischer Prägung waren. Württemberg hat, wie Baden und Bayern durch den Gleichzeitig bestand in Württemberg die Sorge, in Reichsdeputationshauptschluss 1803 und den Wiener der Konkurrenz zwischen dem Nachbarn Baden im Kongress 1815 profitiert. Durch die Säkularisation und Westen und Bayern im Osten zu unterliegen. Baden die Mediatisierung entstanden das Großherzogtum hatte den Rhein als wichtige Schifffahrtslinie und Nord­ Baden und die Königreiche Württemberg und Bayern Süd-Verbindung, der den Handel erleichterte. Bayern als Flächenstaaten. Die Klöster und deren Besitz wur­ verfügte mit Donau und Main ebenfalls über schiffbare den den jeweiligen Staaten zugeordnet, die weltlichen Flüsse, die in den 30er-Jahren durch den Ludwigskanal Herren und die Reichsstädte verloren ihre Eigenschaft miteinander verbunden werden sollten. Sowohl die als Reichsstände und mussten in Württemberg König Sorge, von den Nachbarn wirtschaftlich und verkehrs­ Friedrich huldigen. Im Bereich des heutigen Landkrei­ technisch abgehängt zu werden, als auch die Topografie ses Biberach gab es bis 1803 über 40 verschiedene bestimmte die Politik Württembergs in der ersten Hälfte Reichsstände, die bis 1810 alle württembergisch wur­ des 19. Jahrhunderts. Georg von Morlok, einer der maß• den. Aus der Reichsstadt Biberach wurde 1802 geblichen Eisenbahningenieure, meinte im Jahr 1889 im zunächst eine badische, 1806 eine württembergische Rückblick auf den Eisenbahnbau, dass „die ungewöhn• Oberamtsstadt. Heilbronn war als Reichsstadt 1803 lich günstige geographische Lage Württembergs zwi­ württembergisch geworden. Erst damit erhielt schen bedeutenden Hauptstädten und Handelsmetropo­ Württemberg so überhaupt einen Zugang zum schiffba­ len und an bestehenden frequenten Handelsstraßen ren Teil des Neckars und stand so in Verbindung zur einen ergiebigen Durchgangsverkehr" 3 gewährleiste. Schifffahrt auf dem Rhein. Ulm, 1810 ebenfalls zu Damit umreißt Morlok das verkehrstechnische und ver­ Württemberg gekommen, war traditionell der Aus­ kehrspolitische Ziel, das eine künftige Eisenbahnstrecke gangspunkt für die Auswanderer, die aus der Region haben müsse, nämlich eine Verbindung zwischen den und weit über die Region hinaus donauabwärts nach Nachbarstaaten Baden und Bayern zu schaffen. Württem• Siebenbürgen oder in das Banat auswanderten. Mit berg würde nur so den Anschluss an die großen Metro­ dem Erwerb Ulms und des Ulmer Gebiets erhielt polen und Handelszentren finden. Er nimmt Bezug auf Württemberg nun auch einen Zugang zum schiffbaren die spätere Hauptlinie, die von der badischen zur bayri­ Teil der Donau. Zwischen 1803 und 1810 hatte König schen Grenze führen sollte. Und er verspricht sich B' 48·49 Gewinne durch den Reiseverkehr durch Württemberg Schlayers nicht ausgesprochen wird: eine Stärkung der sowie durch den Transport von Gütern mit der Eisen­ Ost-West-Verbindung zwischen Baden und Bayern und bahn. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts der Hinweis sowohl auf den Eisenbahnbau in Frank­ gab es allerdings noch andere Pläne. Schon unter König reich als auch auf die Verbindung zum Schwarzen Friedrich hatte der Ausbau von Chausseen begonnen, Meer lassen vermuten, dass von Schlayer eine Stärkung Pläne für eine Kanalverbindung zwischen Rhein, Donau der süddeutschen Staaten und Österreichs gegen ein und Bodensee existierten über eine lange Zeit neben den immer stärker werdendes Preußen im Blick gehabt Plänen für den Eisenbahnbau. haben könnte. Eitel verweis t darauf, dass die Frage einer kleindeutschen oder großdeutschen Lösung nach Württembergs Rolle als Durchgangsland zwischen 1848/49 das einzige politische Thema gewesen sei, das Ost und West öffentlich diskutiert werden durfte. 5 Auch bei der württembergischen Regierung und in weiten Teilen der Anders als Baden, das auch durch eine andere Spur­ Bevölkerung in Oberschwaben gab es Sympathien für breite zunächst den Durchgangsverkehr in Nord-Süd­ eine großdeutsche Lösung. Richtung eher behinderte als förderte, setzte der Auch die Sorge, die wirtschaftliche Entwicklung württembergische Staat von Anfang an auf die Eisen­ könnte so an Württemberg vorbeiverlaufen, war durch­ bahn als wichtige Verbindung in Ost-West-Richtung aus berechtigt. Um 1840 war von einer Industrialisie­ und auf die Funktion Württembergs als Durchgangs­ rung in Württemberg noch nicht viel zu spüren. 1828 land. Georg von Morlok gibt den Vortrag des Innen­ war in Württemberg die Gewerbeordnung neu gefasst und Kultministers von Schlayer vor den Ständen am 7. worden. Nun konnte jeder Meister beliebig viele Gesel­ März 1842 ausführlich wieder: ,,Ihnen gegenüber zeig­ len, Lehrlinge und auch ungelernte Arbeiter einstellen. te sodann der Vortrag, welche Ausdehnung der allge­ Aus kleinen Handwerksbetrieben entwickelten sich meine und deutsche Verkehr in der damaligen und hier und da handwerklich strukturierte kleine Fabriken, nächstfolgenden Zeit nehmen, welche Einwirlrnng auf die oft nur einige wenige Arbeiter beschäftigten. Neben die württembergischen Verhältnisse er ausüben werde, einer ganzen Reihe von kleineren Tuchfabriken, Spin­ weil auch anderweitige Verbindungen im Norden von nereien und Webereien gab es in Württemberg auch Deutschland angelegt werden und Anschlüsse an die­ einige kleinere Eisenhütten. 1835 wurde das Eisen­ selben anzustreben seien. Weiter leitete er aus diesen schmelzwerk „Wilhelmshütte" in Schussenried gegrün• Verhältnissen ab, dass eine vom Rhein an die Donau det. Die Maschinenfabrik Esslingen entstand im März und weiterhin an den Bodensee zu führende Südbahn 1846 und lieferte in den folgenden Jahrzehnten die unentbehrlich sei, wie eine von Baden durch Württem­ Lokomotiven für die „Königlich Württembergischen berg nach Ulm gehende Linie die kürzeste Verbindung Staatseisenbahnen". Weber und Wehling stellen fest, in einer Verkehrsbahn höherer Ordnung bilde; und dass der deutsche Südwesten im ganzen 19. Jahrhun­ zugleich einer ausserordentlichen, bis an die Küsten dert bis hinein ins 20. Jahrhundert ein Auswanderungs­ des Atlantischen und Schwarzen Meeres reichenden land war und die Industrialisierung durch „natürliche Verlängerung fähig sei. "4 Standortnachteile, Rohstoffmangel, enge Märkte und Zunächst sieht von Schlayer Württemberg in Kon­ politische Zäsuren" verzögert worden sei. 6 Württem• kurrenz zu anderen deutschen Staaten, die zu diesem berg war ein Agrarland und blieb dies bis mindestens Zeitpunkt in ihren Bemühungen um eine Eisenbahn 1920. Erst dann „konnte ein Gleichstand der Beschäf• schon wesentlich weiter fortgeschritten waren. Er tigtenzahlen in Landwirtschaft und Gewerbe erreicht fürchtet, wichtige Hauptlinien könnten an Württem• werden." 7 Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­ berg vorbeiverlaufen und Württemberg würde von der derts kommen Standortfaktoren wie Raum für Indu­ Entwicklung in Deutschland abgehängt. Dann spannt strieansiedlungen oder die Verfügbarkeit von ausgebil­ er den Bogen recht weit, indem er darstellt, eine Ver­ deten Arbeitskräften zum Tragen. Gerade für die Textil­ bindung durch Württemberg würde ein wichtiges Bin­ industrie mit ihren Heimarbeiterinnen und für die deglied für eine Bahnlinie vom Atlantik zum Schwar­ Landwirtschaft zwischen Ulm und Bodensee
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