Geschichte Der Pfarrei Amstetten
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Geschichte der Pfarrei Amstetten Von Karlheinz Bauer Im Jahr 1275 erscheint die Pfarrei Amstetten erstmals in der urkundlichen Überlieferung. Dieser Umstand hat folgenden Zusammenhang: Auf der zweiten allgemeinen Synode von Lyon 1274 unter Papst Gregor X. wurde ein neuer Kreuzzug zur Verteidigung des Heiligen Landes beschlossen, der jedoch nicht zustande kam. Zur Bestreitung der Kosten wurde eine Generalbesteuerung des gesamten Klerus angesetzt. Alle Inhaber von kirchlichen Pfründen sollten den zehnten Teil ihrer Einkünfte beisteuern. Dieses Einzugsregister ist der „Liber decimationis“ (= Zehntbuch) der Diözese Konstanz von 1275. In ihm sind alle Pfarreien des damaligen Dekanats Süßen enthalten, zu dem auch Amstetten gehörte. Damit wird ausgesagt, dass Amstetten zu dieser Zeit bereits eine eigene Pfarrei besaß. Allerdings war sie die am schlechtesten besoldete: ganze 15 Pfund Heller waren die Einkünfte des Pfarrers. Zum Glück verbesserte sich dieser Mangel in der Folge erheblich. In späteren historischen Quellen gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass die Pfarrei Amstetten ein besonderes Gewicht innerhalb des Kapitels Geislingen eingenommen hat. 1373 ist Johannes Schatzmann als hiesiger Kirchherr genannt; er war zugleich Dekan des Geislinger Kapitels. Die Bedeutung der Amstetter Pfarrstelle bestätigt auch ein Zahlenvergleich der Pfarrerbesoldungen innerhalb des Kapitels (= Dekanat) Geislingen. Die einzelnen Pfarrerstellen waren früher sehr unterschiedlich dotiert. Das Einkommen eines Pfarrers beruhte in einer Zeit, in der es noch keine Kirchensteuer gab, allein auf Stiftungen der Pfarreimitglieder. Stiftungen waren ein Ausdruck frommen Sinnes der Bevölkerung. Je nachdem, in welchem Ort ein Pfarrer tätig war und wie spendenfreudig sich seine Gemeinde zeigte, saß er auf einer „fetten“ oder „mageren“ Pfründe, bezog er also ein höheres oder niedrigeres Einkommen. Aus dem Jahre 1508, aus der Zeit kurz vor der Reformation, hat sich ein Register des Bistums Konstanz erhalten, das genaue Einblicke in die damaligen Einkommensverhältnisse der Pfarrer und Kapläne im Kapitel Geislingen ermöglicht. Daraus ergibt sich, dass die finanzielle Ausstattung der Pfründen im Durchschnitt sehr bescheiden war. Nicht nur Kapläne, auch viele Dorfpfarrer hatten aus ihrer Pfründe ein so geringes Einkommen, dass sie ihren Lebensunterhalt daraus nicht bestreiten konnten. Drei Viertel aller Geistlichen lebten damals am Rande oder unter dem Existenzminimum. Viele von ihnen versuchten, durch unerlaubte Nebentätigkeiten bis hin zum Ablasshandel ihr Einkommen zu verbessern. Dieser soziale Sprengstoff begünstigte nicht zuletzt die Hinneigung vieler Kleriker zu reformatorischen Ideen. Die schlechte Bezahlung führte außerdem dazu, dass nur schlecht ausgebildete Geistliche bereit waren, solche mageren Pfründen zu übernehmen. Für die seelsorgerliche Betreuung der Bevölkerung war diese Entwicklung mehr als ungünstig. Eine umgekehrte Folge war natürlich, dass nur auf wenigen, besser dotierten Stellen Geistliche mit Universitätsausbildung oder gar mit einem akademischen Grad, etwa dem Doktortitel oder der Magisterwürde, zu finden waren. Die Pfarrei Amstetten schneidet bei diesem Vergleich hervorragend ab. Ihr Pfarrer lag mit einem Jahreseinkommen von 60 Gulden weit über dem Durchschnitt innerhalb des Geislinger Kapitels. Er saß also auf einer „fetten“ Pfründe; außerdem war er im Besitz der Magisterwürde. Es handelte sich damals um den Pfarrherren Magister Johann Hawg (Haug). Dieser Pfarrherr, seit 1493 in Amstetten, muss ein sehr rühriger und einflussreicher Mann gewesen sein. Während seiner Amtszeit wurde 1499 der bereits genannte Umbau der Kirche durchgeführt und gleichzeitig das heutige Pfarrhaus gebaut. Außerdem trat er unerschrocken als Kritiker der spätmittelalterlichen römischen Kirche hervor und wurde damit zu einem Wegbereiter der Reformation in unserer Gegend. Reformation Die Reichsstadt Ulm führte 1531 die Reformation ein, und zwar anfänglich nicht im Sinne Martin Luthers, sondern nach der Lehrmeinung des Schweizer Reformators Ulrich Zwingli. Die Einführung der Reformation geschah in der Reichsstadt Ulm nicht durch einen obrigkeitlichen Akt, sondern kam auf demokratischem Wege zustande. Eine breite Mehrheit, nämlich sieben Achtel der Ulmer Bürgerschaft stellten sich in einer Abstimmung entschlossen auf den Boden der evangelischen Sache. Was das Ulmer Land betraf, so sah der Ulmer Rat auch dort grundsätzlich von einer zwangsweisen Durchführung der Reformation ab. Vielmehr wurde beschlossen, sämtliche Untertanen nach ihren Amtsorten kommen und dort drei Tage hintereinander durch einen Prediger aufklären und für die neue Sache gewinnen zu lassen. Die Amstetter Bevölkerung hörte die Predigten der Reformatoren entweder in Geislingen oder in Nellingen. Der Geislinger Geistlichkeit war schon zuvor der große Umschwung, der sich auch in ihren persönlichen Verhältnissen anbahnte, zum Bewusstsein gekommen. Der Ulmer Rat hatte der gesamten Geistlichkeit eröffnen lassen, dass alle Zinsen und Gülten für die Seelenmessen, Jahrtage, Bruderschaften, die für ihre Pfründen gestiftet seien, von der Obrigkeit übernommen und für die Almosen verwendet werden sollten. Begreiflicherweise erhoben die Betroffenen Einspruch dagegen unter Hinweis darauf, dass es sich dabei um einen wesentlichen Teil ihres Einkommens handle, das durch päpstliches und kaiserliches Recht geschützt sei. Der Rat ging bei seiner Maßregel von der Überlegung aus, dass alle diese Gottesdienste, für welche diese Pfründen gestiftet waren, durch die Reformation hinfällig werden und damit auch ihre Pfründen. Ein besonders hartnäckiger Gegner der Reformation in unserer Gegend war der Pfarrer an der Geislinger Stadtkirche, Dr. Georg Oswald. Er kämpfte leidenschaftlich in Wort und Schrift gegen die neue Lehre und es gelang ihm auch, viele Pfarrer des Kapitels Geislingen gegen die Neuerungen aufzubringen. Der Ulmer Rat bestellte die Pfarrer der Landgemeinden zu einer eigens dafür anberaumten Versammlung nach Ulm, bei der ihnen 18 Artikel zur Stellungnahme vorgehalten wurden. Als dann die Pfarrer über ihre persönliche Haltung zu der neuen Lehre vernommen wurden, stellte sich heraus, dass sich von 67 Pfarrern nur 22 als Anhänger der neuen Richtung bekannten. Unter den Gegnern befand sich auch der Amstetter Pfarrer Kalhart. Er war „papistisch“ gesinnt und erklärte, die Artikel seien wider seinen Glauben, er bleibe bei den Konzilien, d. h. beim alten Glauben. Bei der weiteren Verhandlung über die Frage, wie man sich zu den verhörten Geistlichen stellen sollte, verzichtete der Ulmer Rat ohne weiteres auf diejenigen, die sich zur alten Lehre bekannt hatten. Die anderen wurden aber nicht ohne Prüfung des Einzelfalles in den Kirchendienst übernommen, sondern der Rat hielt sich an eine Auslese der Tüchtigsten und Zuverlässigsten und lud die Gutherzigen und diejenigen, welche erklärt hatten, sie verstehen die neuen Artikel noch nicht recht, zu einer zweiten Prüfung nach Ulm. Das Ergebnis war, dass sämtliche bisherigen Geislinger Geistlichen als unbrauchbar abgelehnt wurden, unter den Laien untergetaucht waren und von da an aus der Geschichte vollständig verschwanden. Nur die Pfarrer von Altenstadt, Bräunisheim, Luizhausen und wenige andere durften in ihren Gemeinden bleiben, erhielten aber die Weisung, sich den Artikeln gemäß zu halten und ihre „Dirne“ zu ehelichen. Der zähe Widerstand, den der streitbare Pfarrer der Geislinger Stadtkirche zusammen mit der Mehrzahl seiner altgläubigen Mitbrüder leistete, um dadurch die religiöse Neuordnung zu hintertreiben, war der Grund, dass sich die Ulmer Reformation von 1531 in unserer Gegend nicht sofort, sondern erst nach Ablauf mehrerer Jahre durchsetzte. So kam 1535 Johannes Lauterer als erster evangelischer Pfarrer nach Amstetten. Neben der Erneuerung des Kirchenwesens zählte zu den Früchten der Reformation die Einrichtung deutscher Schulen. Dazu ist im ältesten Pfarrmatrikel von Amstetten vermerkt: „Anno 1598 10. Martii ist per Senatus Decretum [= Beschluss des Ulmer Rats] den Ambstettern vergunnt worden, weil die Jugend sich gemehrt und der Heilig [= Kirchenpflege] zimmlich vermögend, ein aigne Schul aufzurichten“. Die Gemeinde Amstetten besitzt damit schon seit 400 Jahren eine Schule. Dreißigjähriger Krieg Von den vielerlei Fehden und Kriegsstürmen der Vergangenheit wurde Amstetten wie das ganze Land betroffen, doch eine besondere Brandschatzung und Plünderung des Orts wurde nirgends aufgezeichnet. Lediglich in den Jahren 1610 bis 1612 fallen in den Kirchenbüchern drei Jahre lang verdoppelte Todesfälle auf. Der Pfarrer vermerkte damals im Totenregister „tempus grassantis pestis“ (= eine Zeit der grassierenden Pest), wobei heute nicht mehr zu entscheiden ist, ob es sich damals wirklich um die Schwarze Pest oder um eine andere Seuche gehandelt hat. Außer der möglichen Flucht in die Wälder oder dem gänzlichen Verlassen des Dorfes bot die Befestigung um die Kirche den einzigen Schutz vor aufziehenden Gefahren. Ob und wie oft die Bewohner davon Gebrauch machen mussten, ist nicht überliefert. Die größte Katastrophe, die unsere Gegend jemals in ihrer Geschichte erlebte, waren die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648). Diese überaus bewegte Zeit brachte großes Leid auch über Amstetten. Aus konfessionellen und machtpolitischen Gegensätzen erwachsen, hatte sich der Dreißigjährige Krieg rasch zu einem europäischen Flächenbrand ausgeweitet. Es handelte sich um den ersten Weltkrieg in der Menschheitsgeschichte; seine Kriegsschauplätze lagen überwiegend in Deutschland. Nach der