ZILLERTALER Einwanderer Ins Riesengebirge Im Jahre 1837
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Ullrich Junker ZILLERTALER Einwanderer ins Riesengebirge im Jahre 1837 im Selbstverlag erschienen April 2006 Ullrich Junker Mörikestr. 16 D 88285 Bodnegg 2 01 Titel Zillertaler Einwanderer Vorwort Viele der heutigen Besucher des Riesengebirges sind erstaunt, wenn sie unter der Schneekoppe unvermutet Häuser im typischen Stil der Tiro- ler Berghöfe antreffen. Nur wenige wissen noch, dass diese tatsächlich von Tirolern erbaut wurden, die 1837 als Glaubensflüchtlinge nach Schlesien kamen und als „Zillertaler Inklinanten“ in die Geschichte ein- gegangen sind. Schon in den ersten Jahren der Reformation kam Tirol und damit auch das Zillertal mit dem lutherischen Gedankengut in Berührung. Ob- wohl bereits 1560 ins Land gerufene Jesuiten eifrig „ketzerische“ Bücher verbrannten und im Jahre 1617 der Salzburger Erzbischof in Zell, Hart und Mayrhofen sogar Hausdurchsuchungen nach verbotenen lutheri- schen Büchern veranlasste, konnte trotz weiterer ständiger Versuche der Protestantismus in Tirol nicht völlig unterdrückt werden. Das „Josephinische Toleranzpatent“ aus dem Jahre 1781, das nicht- katholischen Religionsgemeinschaften unter bestimmten Bedingungen gewisse Freiheiten einräumte, gab auch den Protestanten im Zillertal endlich neue Hoffnung. Da Tirol aber zum Zeitpunkt des Erlasses vo- rübergehend zu Bayern gehört hatte, wurde hier die Wirksamkeit des To- leranzgesetzes von den Gegnern der Protestanten bestritten. Darüber hin- aus wurde ihr Bekenntnis zum Protestantismus nicht anerkannt und als Hinneigung (Inklination) zu einer „akatholischen“ Glaubenslehre be- zeichnet, die der Klerus in diesem Landesteile nicht tolerieren wollte. Die „Zillertaler Inklinanten“ wurden zunehmend drangsaliert. So durften sie als „Sektierer“ nicht mehr heiraten und auch der Kauf von Liegenschaften war ihnen untersagt. Ihre Verstorbenen durften sie nicht mehr in geweihter Erde, also nicht auf dem kirchlichen Friedhof bestat- ten. Gegen diese und weitere Drangsalierungen wehrten sich sie Zillertaler Protestanten mit Eingaben an die Obrigkeit, sogar mit persönlichen Bitt- gesuchen an den Kaiser. Damit gerieten sie in die Mühlsteine einer schwerfälligen Politik und es begann ein aus heutiger Sicht beschämen- des Tauziehen der Amtsträger auf regionaler und nationaler Ebene. Am 12. Jänner 1837 wurde dieses Tauziehen zum Nachteil der Schwächeren mit einer „allerhöchsten Entschließung“ des Kaisers been- det. Auf Bitte der Stände von Tirol, um der Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Einigkeit des Glaubens willen keine „akatholische Gemeinde“ ent- stehen zu lassen, bestätigte Ferdinand „der Gütige" entgegen dem Rat 3 01 Titel Zillertaler Einwanderer seiner obersten staatlichen Behörde die inklinantenfeindliche Entschlie- ßung seines Vaters von 1834: „Diejenigen, welche ihren Entschluß zum Austritte aus der katholi- schen Kirche erklären, haben Tyrol zu verlassen ..!“ Nach einem erneuten politischen Geplänkel über das mögliche Ziel entschieden sich die „Zillertaler Inklinanten“ für die schließlich angebo- tene Auswanderung in das religionstolerante Preußen. Johann Fleidl, ein Sprecher der Auswandererungswilligen, reiste nach Berlin, um am 27. Mai dem künftigen Landesherrn Friedrich Wilhelm III. das Asylge- such seiner Leidensgemeinschaft zu überreichen. Die Auswandernden mussten ihre Herkunft durch Taufzeugnisse be- legen. Die von den örtlichen Vikariaten/Pfarrämtern ausgestellten Tauf- scheine wurden vom k.k. Landgericht Zell am Ziller gesiegelt und die Echtheit der Unterschrift vom k. k. Kreisamt in Schwaz bestätigt. In wei- teren Instanzen bestätigten das Landespräsidium für Tirol die Amtshand- lung in Schwaz und abschließend die k.k. Staatskanzlei in Wien die Taufbriefe. In der weiteren Folge siegelten die Königlich Preußische Ge- sandtschaft in Wien und abschließend der Minister der auswärtigen An- gelegenheiten in Berlin jeden einzelnen der Taufbriefe. Sie sind einzigar- tige zeitgeschichtliche Dokumente. Die Originale befinden sich heute zu einem Buch gebunden unter dem Titel „Taufzeugnisse der im Jahre 1837 nach Schlesien eingewanderten Zillerthaler“ im Pfarrarchiv der Kirche Wang (Kościółek Wang) in Brückenberg (Karpacz) im Riesengebirge. Herrn Pfarrer Edwin Pech sei für die Einsichtnahme in diese Urkunden sehr herzlich gedankt. Im Anhang wurde eine genealogische Bearbeitung der Inklinanten- Familien von Herrn M. Maskus angefügt. Meinem Freund und Forscherkollegen Hans Kober gebührt mein Dank für die fundierte Korrekturlesung. Möge diese Bearbeitung der Zillertaler Protestanten im Riesengebirge den alten und neuen Schlesiern sowie den Heimatforschern eine Grund- lage für die Geschichtsforschung im Riesengebirge sein. Im Frühjahr 2006 Ullrich Junker Mörikestr. 16 D 88285 Bodnegg 4 01 Titel Zillertaler Einwanderer Inhalts-Verzeichnis Seite Wie die Zillertaler nach Schlesien kamen von Dr. Herbert Gruhn 7 – 14 Die Zillerthaler Protestanten und ihre Ausweisung aus Tirol von Dr. Scholz 15 – 23 Reisepass des Johann Fleidl 24 – 25 Taufzeugnisse der im Jahre 1937 nach Schlesien eingewanderten Zillertaler 26 – 65 Familienschicksale der Zillertaler Einwanderer 66 – 67 Fotos 69 – 84 Die 416 Zillertaler Einwanderer von H. Marschner, bearbeitet von M. Maskus 85 – 163 Die Besitzverhältnisse der Zillertaler 164 – 177 Tiroler Bauernhaus 178 – 179 Familien- bzw. Haus- und Vornamen der aus Zillertal in Tirol 1837 Ausgewiesenen. 180 – 184 Literaturverzeichnis 185 – 186 Anlagen: Panorama von Erdmannsdorf Aquarell von A. v. Keller, nach 1858 Ortsplan von Erdmannsdorf vermessen von Schubert 1838/39, gezeichnet von Ehrhardt, 1866 5 02 Inhaltverz. Zillertal 6 02 Inhaltverz. Zillertal Wie die Zillertaler nach Schlesien kamen Von Dr. Herbert Gruhn Mit Feuer und Schwert hatte die Gegenreformation in den Jahren 1585 - 1618 die katholische Glaubenseinheit vollkommen wiederhergestellt. Im be- nachbarten Erzbistum Salzburg, dessen geistliche Landesherren unmittelbare Reichsfürsten waren, hatte sie nicht den gleichen Erfolg. Durch Wort und Schrift blieb vor allem in den Alpentälern der evangelische Gedanke lebendig. Selbst die rücksichtslose Austreibung von 30 000 Protestanten im Jahre 1731 konnte ihn nicht ausrotten. Dieser Zwangsmaßnahme entgingen die Bewohner des fast ganz zu Salzburg gehörenden Zillertals, das mit Enklaven durchsetzt sechs verschiedenen Gerichten unterstand. Diese Verwaltungsvielfalt machte die Durchführung des Auswanderungserlasses unmöglich. Im Zillertal hatte sich das Luthertum von Geschlecht zu Geschlecht erhalten, oft zurückgedrängt, aber immer wieder neue Lebenskraft gewinnend aus der Verbindung mit dem protes- tantischen Ausland, in das die betriebsamen Zillertaler durch ihren ausgedehnten Hausierhandel mit Lederwaren, Öl und Vieh kamen. Am 13. Oktober 1781 hatte der aufgeklärte Kaiser Joseph II. sein Toleranz- patent erlassen. Es gestattete den Lutheranern, Reformierten, und nicht unierten Griechen, Bethaus und Schule zu erbauen, allerdings ohne Turm, Glocke und öf- fentlichen Eingang, Prediger und Lehrer zu berufen, wenn hundert Familien o- der 500 Personen gleichen Glaubens vorhanden waren. Auch sicherte das Patent den Nichtkatholiken bürgerliche Gleichberechtigung zu. Wer sich nach dem 10. Januar 1783 als Nichtkatholik bekannte, hatte sich einem sechswöchigen Unter- richt beim katholischen Pfarramt zu unterziehen. Diese Bestimmungen wurden für das Zillertal durch den Wechsel seiner Staatszugehörigkeit nicht wirksam. Unter Joseph II. gehörte es vorwiegend zum Fürstentum Salzburg, teilweise zu Tirol. Von 1806 – 1816 war es bayrisch, dann kam es ganz zu Tirol und Österreich. Die Geltung des Toleranzpatents wurde 7 03 Wanderer Wie die Zillertaler nach Schlesien kamen angezweifelt, bis es durch ein Hofdekret vom 10. Januar 1832 als allgemeinbin- dend für Tirol erklärt wurde. Diese Entscheidung war dadurch veranlasst worden, dass sich am 26. De- zember 1829 in Mayrhofen sechs Zillertaler zum sechswöchigen Unterricht ge- meldet hatten, da sie als Evangelische leben und sterben wollten. Diesem „un- erwarteten und höchst unbeliebigen“ Vorfall folgten andere in Zell und Finken- berg. Die Wiener Regierung hatte sich nach vielem Hin und Her zwischen den Tiroler Behörden und der katholischen Geistlichkeit zum Abwarten entschlossen in der Hoffnung, die „Verirrten“ würden durch „anhaltende Belehrung“ wieder zur katholischen Kirche zurückfinden. Der erbetene Unterricht wurde ihnen verweigert, dafür aber das Leben so schwer wie möglich gemacht. Doch der Druck vermehrte nur die Zahl der „verrückten Theologen im Bauernkittel“ und steigerte ihre Entschlossenheit im Kampf um das Recht. Als Kaiser Franz im Sommer 1832 Tirol besuchte, überreichten ihm zu Innsbruck drei beherzte Zil- lertaler, Johann Fleidl, Christian Brugger und Bartholomä Heim, eine Bittschrift im Namen der „Bekenner der Augsburger Konfession“. Für 240 Glaubensbrüder baten sie freies Bekenntnis der Lehre ihrer Voreltern, um Aufhebung der Bedrü- ckung durch Behörden und Geistlichkeit und um die Erlaubnis, einmal im Jahr aus einer österreichischen Provinz einen Pastor zur Erteilung des heiligen Abendmahles kommen zu lassen. Was der Kaiser in der Audienz den Bittstellern gesagt hat, ist nicht sicher überliefert, jedenfalls waren sie der Meinung, es sei ihnen alles bewilligt worden. Groß war die Erregung auf der katholischen Seite, und die ständischen Vertreter des Zillertales erflehten in einer Eingabe an den Kaiser Schutz und Aufrechterhaltung des katholischen Glaubens im Land. Über zwei Bittschriften gegensätzlichen Inhalts hatte nun Wien zu entschei- den. Umständlich und langsam wurde wieder der Behördenapparat