1 60 11. Juni 1963: Fraktionssitzung

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1 60 11. Juni 1963: Fraktionssitzung SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 11. 06. 1963 60 11. Juni 1963: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 4. WP, Ord. 7. 5. 63 – 10. 12. 63 (alt 1034, neu 10). Überschrift: »Kurzprotokoll der Fraktionssitzung vom Dienstag, 11. Juni 1963 15.00 Uhr«. Anwe- send: 121 Abgeordnete. Prot.: List. Beginn: 15.00 Uhr. Tagesordnung s. Anlage.1 1. Politischer Bericht 2. Vorschau auf die letzten Plenarsitzungen vor der Sommerpause. 3. Vorlagen aus den Arbeitskreisen: a) Antrag betr. Studienkommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen für das Beamtenrecht. b) Große Anfrage betr. Auswärtige Kulturpolitik c) Kleine Anfrage betr. Erzbergbau e) Änderungen des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes IV/997 4. Veranstaltung in der Paulskirche 5. Ausschußumbesetzungen und Neubesetzungen. Vermittlungsausschuß G. Jahn wird ordentl. Mitglied (anstelle von K. Wittrock), Gen. Reischl wird Stellv. für den Gen. Jahn. Gen. W. Seuffert wird Stellv. für den Genossen Alex Möller. Ausschuß für Inneres Die Genossen Anders und Lautenschlager werden ordentl. Mitgl. (Plätze sind durch Ausscheiden des Gen. Neubauer und Tod des Gen. Lünenstraß frei). Ausschuß für Kulturpolitik Die Gen. D. Lösche und der Gen. Schmitt-Vockenhausen sollen stellv. Mitglie- der werden (Plätze sind frei). Integrationsältestenrat Es sollen benannt werden: Karl Mommer, Heinrich Deist, Käte Strobel, Ernst Paul, Helmut Rohde und Franz Seume. 6. Nachfolger für Karl Wittrock im Fraktionsvorstand. 7. Die nächsten Termine: Dienstag, d. 18.௔6. um 11.00 Uhr Vorstandssitzung '' '' 15.00 Uhr Fraktionssitzung 8. Verschiedenes. Vor Eintritt in die Tagesordnung übermittelt Fritz Erler allen erkrankten Fraktions- mitgliedern herzliche Genesungswünsche der Fraktion und begrüßt die neu eintreten- 1 TO »für die Fraktionssitzung am Dienstag, d. 11. 6. 1963«. Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 11. 06. 1963 den Fraktionsmitglieder Maibaum und Bäuerle.2 Im weiteren Verlauf der Fraktionssit- zung hält Fritz Erler den Nachruf für den verstorbenen Genossen Lünenstraß. Zu Punkt 1 der TO: Fritz Erler gibt den politischen Bericht (vgl. hierzu Pressemeldung der SPD-Fraktion vom 11. Juni 1963).3 Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion begrüßte heute die An- kündigung von Gesprächen in Moskau über einen Atomversuchsstopp als einen neuen Anlauf und als Zeichen, daß die Sowjetunion den Gesprächsfaden zum Westen nicht abreißen lassen wolle.4 Zu den Gesprächen des britischen Oppositionsführers Wilson in Moskau sagte Erler, es sei erfreulich, daß Wilson es Chruschtschow gegenüber eindeutig abgelehnt habe, Berlin einen anderen Status aufzuzwingen und eine etwaige Anerkennung des Zonenregimes kein Gesprächsthema für ihn gewesen sei.5 Erler berichtete dann über die Deutsch-französische Parlamentarierkonferenz, die klärend gewirkt habe.6 Die deutschen Teilnehmer aller Fraktionen hätten deutlich ge- macht, daß die Bundesrepublik den Deutsch-französischen Vertrag getreu der vom Bundestag beschlossenen Präambel handhaben werde. Auch in der WEU-Versammlung sei das Drängen spürbar geworden, die europäischen Probleme in einer Ministerratssitzung zu erörtern.7 Erler sprach sich in diesem Zu- sammenhang für eine europäische Beteiligung an der strategischen Planung über das Gesamtpotential der Allianz [aus]. Zur Diskussion über die Ausbildungshilfe an Entwicklungsländer kündigte Fritz Erler an, daß die SPD in der heutigen Besprechung von der Bundesregierung die Veröffentli- chung aller Einzelheiten verlangen werde.8 Über die Sache selbst soll im Einvernehmen 2 Wilhelm Maibaum war am 22. 5. als Nachfolger für Lünenstraß und Willi Bäuerle am 31. 5. 1963 als Nachfolger für Wittrock eingetreten. 3 Folgendes aus: »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 168/63 vom 11. 6. 1963, überschrieben »Betr.: Fraktionssitzung«. 4 Präs. Kennedy hatte am 10. 6. 1963 in einer Rede vor der Universität von Washington erklärt, Chruschtschow, Premierminister Macmillan und er hätten verabredet, in Kürze in Moskau auf hoher Ebene über einen Atomteststoppvertrag zu verhandeln; vgl. AdG 1963, S. 10620-16222, bes. 16222. Zur Beurteilung dieser Rede durch den gerade in den USA weilenden Brandt vgl. ders., Begegnungen und Einsichten, S. 77 f. – Zu diesen Verhandlungen siehe Averell W. HARRIMAN, America and Rus- sia in a Changing World. A Half Century of Personal Observation, Garden City (N.Y.) 1971, S. 90 ff. und Marty M. LEPPER, Foreign Policy Formulation. A Chase Study of the Nuclear Test Ban Treaty of 1963, Columbus (Ohio) 1971, passim. 5 Wilson besuchte vom 8.-14. 6. 1963 Moskau und führte dort u. a. Gespräche mit Chruschtschow, Ministerpräsident Alexej Kossygin und Außenminister Andrej Gromyko; vgl. AdG 1963, S. 10650; zur Beurteilung des Auftretens Wilsons durch Brandt und Ollenhauer vgl. »Sitzung des Parteivor- standes am 27. 6. 1963«, in Parteivorstand. Parteirat vom 5. Sept. 1962 bis 28. Juni 1963. 6 Vgl. Nr. 57, bes. Anm. 27. Gemeint sein dürfte jedoch eher die deutsch-französische Konferenz vom 24.-26. 5. 1963 in Bad Godesberg, auf der auch Erler gesprochen hatte. Vgl. Bulletin Nr. 93 vom 29. 5. 1963, S. 819-822. 7 Zur Tagung der 9. Session der Versammlung der WEU vom 4.-7. 6. 1963 in Paris, an der von der SPD u. a. C. Schmid und Erler teilgenommen hatten, und den von ihr ausgesprochenen Empfehlungen vgl. AdG 1963, S. 10617-10619. 8 Zum Problemkomplex dieser militärischen Ausbildungshilfe vgl. Nr. 61, TOP 7. Mit der »heutigen Besprechung« war zweifellos eine informelle Besprechung im kleinen Kreis gemeint und nicht die konstituierende Sitzung des Beirats für Entwicklungshilfe am 11. 6. 1963. Zu letzterem siehe Bulletin Nr. 93 vom 29. 5., S. 818 und Nr. 103 vom 15. 6. 1963, S. 913. Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 11. 06. 1963 mit dem Abgeordneten Kalbitzer dann in der nächsten Fraktionssitzung beraten wer- den.9 Die Verhaftung von Zonenjournalisten sei außerordentlich problematisch.10 Wegen ihrer politischen Bedeutung dürfe sie nicht einzelnen Staatsanwälten überlassen bleiben. In solchen Fällen müsse vielmehr die Bundesanwaltschaft die Sache an sich ziehen. Das wirkliche Problem liege aber in einer Reform des 1951 geschaffenen politischen Straf- rechts.11 Diese Reform des politischen Strafrechts müsse daher der allgemeinen Straf- rechtsreform vorgezogen werden. Beim Schlesiertreffen in Köln sei es durch überspitzte Reden zu Ausbrüchen gekom- men, die der Sache der Vertriebenen und der Sache des deutschen Volkes keinen Dienst erwiesen hätten. Die SPD habe großes Verständnis für die Probleme der Heimatver- triebenen. Ihnen stehe auch selbstverständlich das Recht der Kritik an Fernsehsendun- gen zu. »Die Kritik an Sendungen muß frei bleiben, aber es muß auch kritische Sen- dungen geben«, rief Erler aus.12 Auf den Weg der Meinungsunterdrückung dürfe man sich nicht begeben. Erler umriß noch einmal die Grundsätze sozialdemokratischer Ostpolitik, die sich mit dem im Bundestag einstimmig angenommenen Jaksch-Bericht13 decken. So wie die Bundesrepublik ihr Verhältnis zu Frankreich in Ordnung gebracht habe, so müsse das mit dem Verhältnis zu Polen geschehen. Die Vertreter des freien Deutschland würden am Konferenztisch nach einem Wort Kurt Schumachers mit friedlichen Mitteln um jeden Fußbreit deutschen Bodens ringen. 9 Vgl. Nr. 61, TOP 7. Kalbitzer hatte nach »Der Spiegel« Nr. 24 vom 12. 6. 1963, S. 21 deswegen schon am 8. 6. einen Offenen Brief an Entwicklungshilfeminister Scheel geschrieben. 10 Am 13./14. 5. 1963 waren in der Bundesrepublik und Berlin (West) 26 Journalisten verhaftet worden, darunter 4 Bürger der DDR, die für Medien der DDR tätig waren. Vgl. AdG 1963, S. 10634 sowie Nr. 61, TOP 7. 11 Zur Wiederherstellung und Neufassung des politischen Strafrechts vorrangig durch das 1. Straf- rechtsänderungsgesetz vom 30. 8. 1951 und begleitenden weiteren Gesetzesänderungen vgl. SCHIF- FERS, Bürgerfreiheit, bes. S. 206-286 und 347-361. 12 Beim Schlesiertreffen in Köln vom 10. 6. 1963 war es u. a. zu verbalen Ausfällen von Erich Schell- haus, dem Sprecher der Landsmannschaft Schlesien, und zu tätlichen Angriffen auf den Fernseh- Reporter Jürgen Neven-du-Mont gekommen, der für eine Fernsehsendung vom 7. 5. 1963 über Bres- lau verantwortlich zeichnete. Vgl. »Der Spiegel« Nr. 25 vom 19. 6. 1963: »Bonn. Vertriebene. Zorn im Fackelschein«, S. 17 f. Wenzel Jaksch erklärte in einem Schreiben an das Parteipräsidium vom 28. 6. 1963 (AdsD, Präsidium vom 8. Januar 1962 bis 8. Juli 1963) zu diesem Vorgang, »daß die prote- stierenden Schlesier Opfer einer geplanten Provokation geworden« seien. Er verwahrte sich dagegen, daß »völlig verantwortungslose Fernsehstars wie Neven-du-Mont«, der von den Veranstaltern gar »nicht eingeladen war«, zu »Parteiheiligen« erhoben würden. Hans Stephan, Referent für Vertriebe- nenfragen im Parteivorstand, schilderte den Vorfall so: Als Schellhaus in seinem Referat »falsche Tö- ne in die Kundgebung brachte«, sei vergeblich »versucht worden, ihm das Manuskript wegzuzie- hen«. Es sei dann eine »Erregung« entstanden, die in den »Angriff auf Neven-du-Mont ausgeartet sei«. Dieser könne jedoch »auch nicht völlig freigesprochen werden, weil er ›ständig grinsend‹ auf ei- nem Fernsehturm im Blickfeld der Kundgebungsteilnehmer gestanden habe«. Sitzung des Parteivor- standes am 14. 6. 1963, AdsD, Parteivorstand. Parteirat vom 5. Sept. 1962 bis 28. Juni 1963. 13 Zum sog. Jaksch-Bericht, der am 14. 6. 1961 einstimmig vom Bundestag angenommen wurde (BT Sten. Ber. 49, S. 9367), vgl. Otmar MAIER-HARLOFF, Die Entwicklung einer ostpolitischen Konzep- tion in der Sozialdemokratischen Partei
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