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Die SPD Godesberg und Gabriel zwischen Tradition und Neuerfindung Norbert Seitz

„Der Mensch, seine Freiheit, seine Wir- was schon seit geraumer Zeit nicht mehr kungsmöglichkeiten für die Schaffung galt. Theorie und Praxis endlich in Ein- einer vernünftigen Gesellschaft stehen klang zu bringen war ein zentrales Anlie- im Mittelpunkt unserer programmati- gen der Programmmacher. Eine System- schen Vorstellungen.“ Diese Botschaft überwindungsrhetorik sollte nicht mehr hätte auch von jeder anderen demo- der meliorativen Praxis der Partei unein- kratischen Partei stammen können. Sie holbar vorauseilen. kam aber von , dem So nahm sie auf ihrem Geschichte erfolglosenSPD-Vorsitzenden der1950er- machenden Kongress Abschied von eini- Jahre. Gehalten wurde die Rede in Bad gen Denktraditionen. Als Erstes spiel- Godesberg, wo die SPD am 15. November ten marxistische Vorstellungen in der 1959 mit großer Mehrheit ihr Grund- Gesellschaftsanalyse keine Rolle mehr. In satzprogramm verabschiedete, mit dem der damaligen politischen Großwetter- der Wandel der einstigen Klassenpartei lage mitten im Kalten Krieg standen zu einer Volkspartei abgeschlossen wur- Marx’sche Theorie und Sozialismus-Ide- de. ale ohnehin auf dem Index eines ebenso Bis Bad Godesberg galt noch das westorientierten wie kreuzzüglerisch ge- Heidelberger Programm aus dem Todes- stimmten Zeitgeistes. jahr Friedrich Eberts 1925. Der Text war Auch für Leo Bauer, den Chefredak- eher von hehren Vorstellungen zu Eu- teur der Theoriezeitschrift Neue Gesell- ropa und zur internationalen Politik ge- schaft, war der Abschied von Marx eher prägt und hatte gesellschaftspolitisch eine logische Konsequenz als eine herz- an die Grundsatzpositionen des Erfurter zerreißende Angelegenheit: „Ich glaube, Programms von 1891 angeknüpft. Es das Godesberger Programm ist lediglich gab folglich Ende der 1950er-Jahre er- der Abschluss einer Entwicklung inner- heblichen geistigen Revisionsbedarf. Dies halb der sozialdemokratischen Partei, die umso mehr, als die Partei mit ihren al- […] nicht erst ’45 […], sondern längst ten Botschaften und Kassandrarufen bei vorher begonnen hat – die Auseinan- den Bundestagswahlen 1957 mit 31,8 dersetzung mit dem Marxismus. Wie- Prozent eine weitere schwermütig stim- weit hat er noch die Möglichkeit, eine mende Niederlage bezogen hatte und fast Analyse der kapitalistischen Entwick- zwanzig Prozentpunkte hinter Adenau- lung, besonders in Deutschland, zu ers CDU gelandet war, die im Bund und geben?“ in Nordrhein-Westfalen mit absoluter Der „gebrannte“ Ex-Stalinist Herbert Mehrheit regierte. Wehner avancierte zum antimarxisti- Das neue Programm bündelte, was schen Kronzeugen. Hatte man am Vor- ohnehin in der Partei gedacht oder schon abend des Parteitags noch nicht gewusst, praktiziert wurde, und es entrümpelte, ob er für den Programmentwurf oder

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Norbert Seitz

mit der Parteilinken dagegenstimmen wahl, darum auch freie Unternehmer- würde, so kämpfte er hinterher vehement initiative und darum auch freier Wett- für das Programm, konnte Schwankende bewerb.“ umstimmen und sorgte damit für die Dies bedeutete jedoch einen Bruch mit eigentliche Sensation von Godesberg. Er der ehernen Tradition der Partei, in der war es, der den Delegierten deutlich einst Wettbewerb als Sünde wider den machte, weshalb es eine sozialdemokra- Geist des Sozialismus galt und Brüder- tisch vulgarisierte Marx’sche Theorie als lichkeit als oberstes Ziel deklariert wurde. Handlungsanleitung nicht länger geben Der linke Parteiflügel trug schwer an der konnte: „… Weil ich der Meinung bin, neokapitalistischen Wende der Partei, zu- dass der Marxismus als eine Doktrin mal dem Mittel der Vergesellschaftung weder parteibildend noch im Sinne des- keine zentrale Bedeutung mehr zukom- sen, was wir als soziale Demokratie und men sollte. als demokratischer Sozialismus wollen Zumindest gelang es der Parteilinken, müssen, fördernd sein kann.“ den schwammigen Begriff des demokra- Als stellvertretender Parteivorsitzen- tischen Sozialismus im Programm zu ret- der sollte Wehner auch ein halbes Jahr ten. Für die Verfasser des Dokuments um nach dem Programmparteitag im Juni Willi Eichler, Heinrich Deist, 1960 vor dem Deutschen Bundestag das oder Waldemar von Knoeringen jedoch außenpolitische Godesberg noch nach- spielte er aber keine herausragende Rolle reichen. Mit seinem NATO-Schwenk, der mehr. Zum einen hielt man den Begriff Bejahung des bundesdeutschen Wehr- der „sozialen Demokratie“ für ange- beitrags wie auch der angekündigten messener, weil er von der Geschichte als Unterstützung der Bundesregierung in einem offenen Prozess ausgeht und kein außenpolitischen Lebensfragen schien er utopisches Fernziel antäuscht; zweitens seiner Partei den letzten neutralistischen schien der Sozialismus-Begriff historisch Zahn gezogen zu haben. völlig entwertet durch die Praxis kom- munistischer Diktaturen und den Miss- „So viel Markt wie möglich, brauch durch die Nazis. so wenig Plan wie nötig“ Aber schließlich entschied auch ein Die wichtigste inhaltliche Weichenstel- Stück Parteitaktik über die program- lung betraf indes die Systemfrage, das matische Beibehaltung des Sozialismus- heißt die Akzeptanz des marktwirtschaft- Begriffs. Mit der Streichung hätte man lich-kapitalistischen Systems. Die Unter- nämlich den ohnehin schon so deutlich gangserwartung, Ludwig Erhards soziale unterlegenen marxistischen Gegnern eine Marktwirtschaft würde das Land in die totale Niederlage zugefügt und damit Volksarmut führen, hatte sich als giganti- womöglich eine Abspaltung riskiert. sche Fehleinschätzung herausgestellt. In Vom Sozialismus nach Godesberger Bad Godesberg wurde die Losung Pro- Lesart blieb am Ende aber nicht mehr als gramm, die Karl Schiller schon ein paar eine butterweiche Floskel für Gemein- Jahre zuvor ausgegeben hatte: „So viel sinn, die auch von anderen demokrati- Markt wie möglich, so wenig Plan wie schen Parteien hätte geteilt werden kön- nötig.“ Einer der Wortführer jenes Rich- nen. definierte einmal im tungswechsels, Heinrich Deist, hämmer- Rückblick: „Sozialismus im Sinne des te der Delegiertenschar ein: „Wir wissen, Godesberger Programms bedeutet, dass dass es Grenzen für den Eingriff des Staa- im Zweifelsfall das Interesse der Gesell- tes in die Wirtschaft gibt. Darum freie schaft, der societas, vor den Sonderinte- Konsumwahl, darum freie Arbeitsplatz- ressen Einzelner gehen muss.“

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Godesberg und Gabriel

Der Delegierte Heinz Ruhnau, später guten Gründen nicht geneigt, der deut- Hamburger Innensenator, lehnte als ein- schen Nachkriegssozialdemokratie ein ziger Parteirechter das neue Programm programmatisches Korsett zu verpassen. wegen inhaltlicher Unschärfen und der Er fürchtete nämlich ideologischen Zwist Beibehaltung desSozialismus-Begriffs ab. und die unter Linken üblichen Abspal- Er war wie andere der Meinung, dass es tungen auf dem angestrebten Weg zu ei- zur Beschreibung einer „dauernden Auf- ner großen, flügelübergreifenden Volks- gabe“ oder einer „regulativen Idee“ oder partei. Darin dem CDU-Gründer Konrad eines „progressiven Prozesses“ keines Adenauer nicht unähnlich, sollte es bei semantisch überladenen „Ismus“ mehr Wahlprogrammen bleiben. Insofern war bedurft hätte. Brandt auch kein Initiator oder gar Spi- Schließlich war es , der der ritus Rector des Godesberger Programms, Utopie eines erst noch zu vollendenden wie es eine zähe Legende behauptet, auch Zukunftsstaates die visionäre Spannung wenn er mit dessen zentralen Aussagen nahm: „Wir kämpfen nicht gegen den und Absichten natürlich durchaus kon- Staat, sondern um den Staat, und zwar form ging. Erst die ungeheuere refor- nicht um einen Staat in ferner Zukunft, matorische Symbolwirkung von Godes- sondern auch und gerade um den Staat in berg nach außen schien den langjähri- dieser Bundesrepublik, die wir regieren gen SPD-Vorsitzenden im Nachhinein wollen und werden.“ Für die Parteilinke von der Notwendigkeit wenigstens die- war dies zu wenig, sie strebte mehr als ses Programms überzeugt zu haben. einen verbesserten Status quo an, auch wenn dem Brustton der sozialistischen Programme ohne Außenwirkung Überzeugung längst das umstürzlerische Die maßgeblichen Godesberger Refor- Pathos abhandengekommen war. Und mer von vor fünfzig Jahren waren auf- das Ziel einer neuen, besseren Ordnung geklärte Traditionalisten, die in der Emi- entsprang nur noch einer reformistischen gration im Internationalen Sozialisti- Worthülse und nicht mehr dem klas- schen Kampfbund (ISK) entlang der sischen messianischen Versprechen von Lehre des Neukantianers Leonhard Nel- einem Himmelreich auf Erden. son zu einer verschworenen Gemein- Am Ende waren die Befürworter des schaft zusammengefunden hatten. Nach neuen Programms froh, ideologischen 1945 bestens ideologisch gewappnet, tra- „Ballast“ abgeworfen zu haben, während ten sie zum Kampf gegen das marxisti- sich die Gegner um ein Stück Tradition sche Denken in der wiedergegründeten und linke Identität gebracht sahen. Au- Partei an. Darüber hinaus wahrten sie ei- ßerdem kritisierten sie den Programm- sern ihren Traditionalismus auch gegen text als zu weich gezeichnet, unprofiliert solche Reformer und Modernisierer, die und theoretisch ohne Belang. im Geiste schon weiter waren, zum Bei- , damals im zweiten Jahr spiel Willy Brandt, oder Regierender Bürgermeister in Westber- der Homme de Lettres Carlo Schmid, der lin, hat das neue Programm als eine „zeit- sich auf dem Godesberger Parteitag un- gemäße Aussage“ begrüßt und es vor beliebt machte, als er erklärte, die Sozial- allem als eine nützliche taktische Maß- demokratie könne als Partei keine geis- nahme veranschlagt, die es den Gegnern tige Heimat von Menschen mehr darstel- nunmehr schwerer machen würde, sich len. Das habe jene Delegierten „richtig mit einem antisozialistischen „Zerrbild“ ins Herz getroffen“, so die Historikerin auseinanderzusetzen. Nach seiner Rück- Susanne Miller, die nach einem Wort des kehr aus der Emigration war Brandt aus Austrosozialisten Otto Bauer die Partei

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Norbert Seitz

als „Lebensinhalt und Vaterhaus“ emp- Und heute? Godesberg gilt als rückstän- fanden. dig, was die inzwischen völlig obsolete Die SPD-Programme nach Godesberg Anbetung der atomaren Zukunftstechno- waren nur noch Kompromisspapiere logie und die verschwindende Behand- zwischen den widerstreitenden Flügeln lung von Genderfragen angeht. ohne größere Außenwirkung oder spür- baren Wandlungsimpuls. Dies galt nicht Brüche mit Godesberg nur für den „Orientierungsrahmen ’85“ In drei Kernpunkten jedoch hat eine nach- aus dem Jahre 1975, sondern vor allem teilige Abkehr von Godesberg stattgefun- für das nächste Programm nach Godes- den – im Verhältnis zu den Freiheits- und berg – das Berliner Programm von 1989, Menschenrechten, den Kirchen und der das – zu Zeiten des überraschenden Wirtschaft. Mauerfalls verabschiedet – schnell Ma- Erstens stützt sich die SPD-Intelligenz kulatur wurde. Verfasser Erhard Eppler mittlerweile auf keinen antitotalitären beklagte sich noch Jahre danach, dass Freiheitsbegriff mehr, wie er seinerzeit nicht etwa die prinzipientreue Berufung in Zeiten des Kalten Krieges fast täglich auf, sondern eine gewisse Missachtung gestählt wurde. Unter dem Titel der „so- oder Distanzierung von diesem Pro- zialen Freiheit“ wurde über die Jahr- gramm zur Profilbildung von SPD-Poli- zehnte eine Expansion sozialer Ansprü- tikern beigetragen habe. In der Rede che betrieben, gleichzeitig desensibili- von Oskar Lafontaine auf dem Berliner sierte sich der Blick auf die Bürger- und Programmparteitag werde „dieses Pro- Individualrechte beziehungsweise Frei- gramm an keiner Stelle auch nur erwähnt, heiten vom Staat. Insofern ist die pro- geschweige denn zitiert“. Das heißt – grammatische Parole von der „vollen so Eppler beleidigt – „es ist schon ver- Freiheit“ ein gleichmacherisches Täu- schwiegen worden, ehe es beschlossen schungsmanöver. In der Folge hat sich war. Das, was da aufgeschrieben wurde, das Verhältnis zu den Menschenrechten spielte keine Rolle. Es wurde von da an in ein zusehends taktisches verwandelt. konsequent verschwiegen.“ Forciert durch das dramatische Anwach- Auch das jüngste Hamburger SPD-Pro- sen der Ungleichheit in globalisierten gramm von 2007, zunächst als Kompro- Zeiten, halten es manche mittlerweile für miss zwischen Agenda-Befürwortern und gerechtfertigt, bei linken Diktaturen fünfe -kritikern bejubelt, schien bereits im Jahr gerade sein zu lassen und im Falle sozia- darauf in den Tiefen des brandenburgi- ler Wohltaten über vorenthaltene Bürger- schen Schwielowsees versenkt worden zu rechte hinwegzusehen. sein, als Kurt Beck fluchtartig den Partei- Zweitens: Auch der Brückenschlag zu vorsitz niederlegte, Franz Müntefering den Kirchen als weitere zentrale Botschaft zum kurzzeitigen Comeback ansetzte und des Godesberger Programms scheint in von einem programmatisch gestifteten der Sozialdemokratie zusehends seine innerparteilichen Konsens hernach keine Relevanz zu verlieren. Damals überwand Rede mehr sein konnte. Das Hamburger die Partei die klassische linke Posi- Programm hat weder ein „Godesberg der tion, wonach die Religion – wenn schon Globalisierung“ noch eine neue „Erzäh- nicht wie beim alten Marx „Opium fürs lung für die Zukunft“ Deutschlands ge- Volk“ – so doch nur eine „Privatsache“ leistet, die sich auf eine anders organisierte sei. Über die Anerkennung der gesell- soziale Sicherheit zu konzentrieren und schaftlichen Rolle der Kirchen gelang in dem Wegfall von klassischen Arbeits- den 1960er-Jahren der Einbruch in die strukturen Rechnung zu tragen hätte. Wählerschichten der katholischen Arbeit-

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Godesberg und Gabriel

nehmerschaft. Mittlerweile wird aber in Krönig brachte es in der Berliner Republik der SPD zunehmend laizistisch gedacht, auf den Punkt: „Es sollte den Sozial- wie die Konflikte um Kruzifix-Urteile demokraten zu denken geben, dass ihnen oder der Streit um den „Pro-Ethik- oder die Mehrheit der Wähler die Erneuerung Pro-Reli-Unterricht“ in Berlin bewiesen und soziale Ausgestaltung des Kapita- haben. In Multikultizeiten wird gegen- lismus offenbar nicht zutraut, sondern über den christlichen Kirchen allzu diese Aufgabe lieber bürgerlichen Par- schnell die Fundamentalismus-Keule ge- teien überlässt. Womöglich ist die Furcht schwungen. im Spiel, dass zu viele Sozialdemokraten Drittens machte die weltweite Finanz- unterwegs sind, die nie ihren Frieden mit krise seit 2008 deutlich, dass das Ver- dem Kapitalismus gemacht haben.“ hältnis der SPD zur Wirtschaft frei von So förderte die Bundestagswahl vom jedem ordnungspolitischen Schimmer ist. 27. September die bittere Wahrheit zu- Hier hat die Partei ihren perspektivischen tage, dass die SPD auf ureigenem Terrain Anspruch eingebüßt, für den in Godes- besiegt wurde – auf dem Felde der nach berger Zeiten noch Gestalten wie Schiller, wie vor bei den Wählern hoch angesie- Deist oder Gerhard Weisser standen. So- delten sozialen Gerechtigkeit. Der neue ziale Marktwirtschaft wird heute nur Vorsitzende Sigmar Gabriel musste auf noch plump – und im Übrigen auch dem Dresdner Parteitag im November falsch! – auf Staatsinterventionismus jed- eingestehen: „Wir haben eine historische weder Art, ob Keynes, Mindestlöhne Niederlage erlitten, obwohl wir in einer oder Anti-Heuschrecken-Programme, re- Zeit leben, die geradezu nach sozialde- duziert. mokratischen Antworten schreit.“ Doch Während der pragmatische Finanzmi- die Partei ist in all ihren programmati- nister der zurückliegenden Großen Koa- schen Kernpunkten von Konkurrenz um- lition, Peer Steinbrück, an der Seite der geben, das heißt, es gibt kein originäres Kanzlerin Reparaturmaßnahmen durch- Territorium der SPD mehr, das nur sie be- führte, Schutzschirme aufstellen ließ und setzen könnte. Staatshilfen gewährte, überzog seine Auf dem Dresdner Kongress erinnerte Partei derweil ihr etatistisches Konto die Partei nur am Rande an den fünf- und wollte noch mehr. Manche schienen zigsten Jahrestag ihres so erfolgreichen auch ideologisch durchzuknallen, be- Programms. In Erhard Epplers Rückblick schworen die Renaissance des Sozia- schien das geistig am meisten Verzicht- lismus, die Wahrheit von Marx und die bare symbolisch am wichtigsten zu sein: Wiederkehr einer verantwortungsim- die Berufung auf den demokratischen perialistisch überladenen Politik. Dabei Sozialismus als eine „dauernde Auf- wurde gern die welthistorisch veran- gabe“! Ob die gebeutelte Partei die Kraft schlagte „Niederlage des Neoliberalis- aufbringt, im Geiste von Bad Godesberg mus“ in ein Startsignal für den heiß ihre derzeitige Misere zu überwinden ersehnten eigenen Wiederaufstieg um- und einen spürbaren Wandel zu bewir- gedeutet. ken, muss derzeit eher skeptisch beurteilt Doch selten war der Zwiespalt zwi- werden, auch wenn es ihr zu wünschen schen den skeptischen Erwartungen im wäre. Von der Meinungsforschung zu- Volk und dem salvatorischen Selbstver- mindest werden den Werten und Zielen ständnis der Partei größer als ausgerech- der Partei immer noch hohe Zustim- net zu Zeiten des jüngsten Crashs. Jürgen mungsquoten attestiert.

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