Oase Vor Der Haustür
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Thema: Kampf gegen Steueroasen DROGEN IN DER POLITIK GEHEIMDIENSTE IN DER POLITIK Briefkastenfirmen im Visier Wie Terminhatz und Geltungsbedürfnis Eine Kommission äußert sich zur SEITE 1-3 Abgeordnete süchtig machen können SEITE 9 Zukunft der Stasi-Behörde SEITE 13 Berlin, Montag 18. April 2016 www.das-parlament.de 66. Jahrgang | Nr. 16-17 | Preis 1 € | A 5544 KOPF DER WOCHE Steuersündern auf der Spur Panama ist riesengroß Wolfgang Schäuble Kaum ist der Ärger über die „Panama Papers“ und die Machenschaften von Steuerflüchtlingen hochgekocht, schon hat FINANZEN Milliarden-Schäden durch Briefkastenfirmen. Fraktionen kündigen Maßnahmen an sich der deutsche Fi- nanzminister in die erste Reihe der wei Wörter haben die politi- Kämpfer gegen Steu- sche Debatte völlig verän- eroasen und Geld- dert: „Panama-Papers“. Seit wäsche gestellt. In der auszugsweisen Veröffent- seinem 10-Punkte- lichung von 2,6 Terabyte Da- Plan präsentierte ten über Briefkastenfirmen Wolfgang Schäuble Zvon Panama bis Hongkong durch ein in- (CDU) jetzt, wie er ternationales Netzwerk investigativer Jour- gegen die internatio- nalisten ist das Ausmaß der globalen Steu- © picture-alliance/dpa nalen Panama-Profi- ervermeidung, Steuerhinterziehung und teure vorgehen will. Geldwäsche deutlich geworden: Experten So soll der automatische Steuer-Informations- gehen von zwei Millionen Offshore-Fir- austausch der Staaten ausgedehnt sowie die men weltweit aus. Allein die geleakte pana- Überwachung verschärft werden und es soll mesische Kanzlei Mossack-Fonseca war mit Schwarze Listen für nichtkooperative Länder 240.000 Firmengründungen eine Briefkas- geben. Bei der Parlamentsdebatte am vergan- tenfabrik, aber nur die viertgrößte ihrer Art genen Mittwoch drückte der längstgediente Ab- weltweit (Einzelheiten siehe Seite 3). geordnete im Bundestag weiter aufs Tempo und Der französische Wirtschaftswissenschaft- appellierte an die EU, schnell die Voraussetzun- ler Gabriel Zucman schätzt, dass bis gen zu schaffen für den Datenaustausch der 7,5 Billionen US-Dollar in Briefkästen ste- nationalen Firmen-Register. kru T cken. Das wären über 6,5 Billionen Euro und damit mehr als doppelt so viel wie die gesamte deutsche Wirtschaftsleistung in ei- ZAHL DER WOCHE nem Jahr. Laut Zucman könnten bei einer ordnungsgemäßen Versteuerung der Oa- sen-Vermögen 130 Milliarden Euro Steuern 50 mehr hereinkommen. Viele Staaten – auch in der Europäischen Union – könnten da- Milliarden Euro entgehen den Ländern in mit ihre Verschuldungsprobleme lösen der Europäischen Union jährlich mindestens oder wenigstens stark reduzieren und die durch Steuervermeidungssysteme über Stabilitätskriterien wieder einhalten. Briefkästenfirmen überall: Norderfriedrichskoog war deutsche Steueroase. Die Gesetzeslücke, die günstige kommunale Steuern erlaubte, wurde geschlossen. © picture-alliance/dpa Briefkastenfirmen oder Steueroasen. Nach Angaben der EU-Kommission könnte die Harte Reaktionen Entsprechend hart fie- Obergrenze hierbei sogar bei 70 Milliarden len die Reaktionen auf die Veröffentli- Die Sozialdemokraten legten inzwischen hungsmafia ihre dunklen Geschäfte völlig Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Euro liegen. chung der „Panama Papers“ aus. „Das einen 20-Punkte-Plan gegen Steuerhinter- unbehelligt weiter machen kann“, sagte räumte zwar ein, dass beim Kampf gegen EDITORIAL Briefkastenunwesen muss ein Ende ha- ziehung vor. Wagenknecht, die von „organisierter Kri- die Geldwäsche im Inland noch mehr An- ben“, forderte Gerhard Schick (Grüne) in Sahra Wagenknecht (Linke) wunderte sich minalität der Reichen und Mächtigen“ strengungen notwendig seien, zog jedoch ZITAT DER WOCHE einer Aktuellen Stunde des Parlaments in über die plötzliche „Hyperaktivität“ von sprach. eine positive Bilanz der Bemühungen ge- Oase vor der vergangenen Woche. Nicht weniger Bundesregierung und Koalition. Die Regie- gen Steuerhinterziehung und verwies auf hart mit Steuerhinterziehern und –vermei- rung tue so, als sei ihr erst durch die Deutschland Hauptblockierer Grünen- seinen Zehn-Punkte-Plan, bei dem der au- »Bemerkens- dern ins Gericht ging die „Panama Papers“ aufgefal- Fraktionschef Anton Hof- tomatische Informations- der Haustür Unionsfraktion: „Die Pra- len, „dass Briefkastenfirmen reiter erklärte, Deutschland austausch in Steuerfragen wert, wie Sie xis in Panama ist inakzep- nicht dem Postempfang sei „einer der Hauptblo- einer der Schwerpunkte ist. VON JÖRG BIALLAS tabel, verwerflich, asozial »Das Unwesen dienen, sondern für Steuer- ckierer“, wenn es um mehr »Wer Gewinne Über 100 Länder würden uns für blöd und schädigt das Gemein- mit den hinterziehung, Geldwäsche Transparenz gehe. Und auf geheimen sich daran bereits beteili- Beim Mehren des Geldes ist die Moral über- wesen weltweit“, erklärte und andere kriminelle Akti- deutsche Banken würden gen. Eine weitere Maßnah- schaubar. Erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verkaufen.« CSU-Finanzexperte Hans Briefkästen vitäten gebraucht werden“. nicht ausreichend kontrol- Konten me ist, unwillige Länder verboten ist. Wer es schafft, dem Finanzamt Michelbach. Die Veröffent- muss Dagegen sei nichts getan liert. Es fehle eine Bundes- einfriert, auf eine „schwarze Liste“ Steuern trickreich vorzuenthalten, gilt als pfif- Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende lichung der „Panama Pa- worden. Neun von zehn steuerverwaltung, die gro- zu setzen. Angesichts der fig. In dieser Haltung unterscheiden sich Nor- der Linken, zur Haltung der Bundesregie- pers“ stärke den Hand- ein Ende großen Firmen hätten Toch- ßen Konzernen und Super- ist ein Globalisierung würden na- malbürger nicht von Großunternehmen, jeden- rung bei der Debatte im Bundestag über lungswillen der Unions- haben.« terfirmen in Steueroasen. reichen „auf Augenhöhe“ Wegnehmer .« tionale Regelungen im Al- falls sofern Geld in ausreichender Menge vor- Steueroasen fraktion. Das Problem sei Trotz der Veröffentlichun- entgegentreten könne. Au- leingang gar nichts nützen. handen ist. lange erkannt, und man Gerhard Schick (Grüne) gen seien Panama und an- ßerdem sei Deutschland ein Hans Michelbach (CSU) Man brauche globale Rege- Die Leidtragenden sind all jene, die sich keine habe entsprechend gehan- dere Ländern von den „Zentrum der Geldwäsche“, lungen, auch wenn das Sorgen um gewinnbringende Finanzanlagen, delt. Seit der Finanzkrise schwarzen und grauen Lis- weil die Kontrolle nicht sehr mühsam sei. „Und wohl aber um ein auskömmliches Dasein ma- IN DIESER WOCHE seien über 40 Maßnahmen mit starken Re- ten der Steueroasen gestrichen worden. funktionieren würden. Zudem wies Grü- trotzdem muss man es tun“, sagte Schäu- chen: Rentner, Arbeitslose, Geringverdiener. gulierungen weltweit umgesetzt. Michel- Und die Regierung habe auf EU-Ebene Wi- nen-Finanzexpertin Lisa Paus darauf hin, ble. Ein erster Erfolg wird gemeldet: Die Denn jeder Euro, der dem deutschen Fiskus INNENPOLITIK bach verwahrte sich gegen den Vorwurf der derstand gegen Transparenz bei Eigentü- dass ein Teil der ausländischen Anleger ih- Regierung von Panama hat immerhin an- vielleicht legal, aber noch lange nicht legitim Wahlrecht: Norbert Lammert will Zahl der „Tatenlosigkeit“. Deutschland habe im Ge- mern von Briefkastenfirmen geleistet. Jetzt re in Deutschland erzielten Kapitalerträge gekündigt, sich dem automatischen Infor- vorenthalten wird, fehlt im Staatssäckel auch Abgeordneten begrenzt sehen Seite 4 genteil eine Vorbildfunktion bei G 7 und spiele die Regierung den Robin Hood im nicht versteuern müsse. Die Regierung hat- mationsaustausch anschließen zu wollen. zur Unterstützung der Sozialsysteme. G 20 sowie in der OECD. „Wer Gewinne Kampf gegen Steuerhinterzieher, „aber in te dies mit dem schon ab 1929 bestehen- Hans-Jürgen Leersch T Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber nach den WIRTSCHAFT UND FINANZEN auf geheimen Konten einfriert, ist kein Un- Wahrheit haben Sie alles dafür getan, dass den „Ziel, den Finanzplatz Deutschland zu Enthüllungen der „Panama Papers“ mal wie- Luftverkehr Nationales Recht wird an ternehmer, sondern ein Wegnehmer“, sagte die Geldwäsche- und Steuerhinterzie- stärken“, begründet (18/ 7815). Mitarbeit: Eva Bräth der aktuell. Hunderttausende anonyme Brief- europäische Vorgaben angepasst Seite 8 Michelbach, der die Ächtung und Sanktio- kastenfirmen, viele davon keineswegs illegal, nierung dieser „Diebe“ forderte. Das Euro- haben Journalisten in Mittelamerika ausge- EUROPA UND DIE WELT päische Parlament setzte inzwischen sogar macht. Die mutmaßliche Summe des dort ge- Türkei Europaparlament debattiert über das einen Untersuchungsausschuss zu den parkten Geldes ist ebenso beeindruckend wie Abkommen der EU mit Ankara Seite 10 „Panama Papers“ ein. die Prominenz zumindest einiger der Anleger In der Aktuellen Stunde meldete sich auch oder deren Auftraggeber. DAS POLITISCHE BUCH der nordrhein-westfälische Finanzminister In einer Aktuellen Stunde zum Thema haben in Literatur Rezensionen zu einigen Neu- Norbert Walter-Borjans (SPD) zu Wort. Er der vergangenen Woche Vertreter aller Fraktio- erscheinungen der Verlage Seite 14,15 sprach von einer „ganz wichtigen Bot- nen im Bundestag mehr Transparenz bei Geld- schaft“ der „Panama Papers“: Diejenigen, geschäften gefordert. Eine entsprechende Ini- die Geld verstecken, und diejenigen, die tiative hatte Finanzminister Wolfgang Schäu- MIT DER BEILAGE ihnen dabei helfen würden, könnten nicht ble (CDU) zuvor angekündigt. Steuerinforma- mehr sicher sein, „dieses Geschäft im Dun- tionen sollen international ausgetauscht und keln ungestört vollziehen zu können“. Man Schwarzgeld-Register vernetzt werden, um müsse sich aber