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Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 1, 2009

Green New Deal INFORMATIONEN DER HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG

Der besondere Tipp

Transatlantische Konferenz Blogs Campus-Tour Green New Deal – Investieren in die Zukunft Baustellen der Globalisierung Wissen, was wirkt. Campustour 2009 7. Mai 2009, 11 bis 18 Uhr www.baustellen-der-globalisierung.blogspot.com 23. April – 26. Juni 2009 Beletage der Heinrich-Böll-Stiftung Rainer Falk nimmt im Blog «Baustellen der Globa­ An rund 25 Hochschulen in ganz Deutschland Gibt es gemeinsame Ziele, Strategien und politi­ lisierung» – eine Koproduktion des Informations­ macht die Campustour halt. Die Themen sind viel­ sche Instrumente für Europa und die USA, um briefs Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E) und fältig: Klimawandel und Energieversorgung, Fi­ nachhaltige Antworten auf die multiplen Krisen zu der Heinrich-Böll-Stiftung – u. a. die Unterregulie­ nanzkrise, Demokratie und europäische Integration. finden? Wie könnte ein transatlantischer « Green rung der globalen Finanzmärkte und die mangelnde Wissenschaftler/innen, Studierende, Prominente New Deal » aussehen? Mit Gästen aus Obamas demokratische Legitimität in internationalen Insti­ aus Politik und Wirtschaft kommen miteinander ins Thinktank CAP, Washington D.C. tutionen wie der UN oder der Welthandelsorganisa­ Gespräch – bei Workshops, Diskussionen, Partys tion in den Blick. u.v.m. Publikation Infos unter www.boell.de/campustour Klima – eine Gerechtigkeitsfrage? Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung www.klima-der-gerechtigkeit.de der Gemeingüter. Hrsg. von Silke Helfrich und Aktuelle Entwicklungen rund ums Klima beobach­ 1989 – Europa im Aufbruch Heinrich-Böll-Stiftung im oekom Verlag, München ten Lili Fuhr, Referentin für Internationale Klima- Veranstaltungen, Ausstellungen, Texte und 2009, 288 Seiten, 24,90 Euro und Ressourcenpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung, Publikationen rund um den Jahrestag auf Der Sammelband zeigt die Vielfalt unserer Ge­ und der Ökologieexperte Jörg Haas in dem Blog www.boell.de/1989 meingüter und welch ungeheures Potenzial in ihnen «Klima der Gerechtigkeit» steckt. Mit Beiträgen u. a. von David Bollier, Elinor Eingebrannte Bilder Ostrom, Richard Stallman, Sunita Narain, Pat Russlandblog 29. Mai – 2. Juli 2009 Mooney und Peter Barnes. www.russlandblog.boell.de Ausstellung von Ernst Volland im Foyer der Jens Siegert, Büroleiter in Moskau, analysiert und Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin Dossier auf www.boell.de kommentiert in seinem Blog das russische (meist Eröffnung am 29. Mai um 18 Uhr, politische) Leben Mo – Fr von 9 – 20 Uhr Wege aus der Weltwirtschaftskrise Die Heinrich-Böll-Stiftung verfolgt den Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise, beleuchtet mögliche Unsere Themenportale im Netz Frauen- und Geschlechterpolitik Ursachen und Folgen aus nationaler und internatio­ Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Internationale Konferenz: Religion Revisited naler Perspektive und sucht nach Lösungen. Geschlechterdemokratie 6. – 7. Juni 2009 www.gwi-boell.de Frauenrechte und die politische Veranstaltungen zur Instrumentalisierung von Religion. Wirtschafts- und Finanzkrise Website zu Migration/Integration/Diversitiy Infos unter: www.gwi-boell.de www.migration-boell.de In der Beletage der Heinrich-Böll-Stiftung 28.4. Buchvorstellung: Bericht zur Lage der Kommunalpolitische Infothek Gender Welt 2009 www.kommunale-info.de Love me Gender – Gender is Happening 30.4. Krisengespräche: Investitionen in die Zu­ 6. – 11. Juli 2009 kunft oder Schuldenmacherei? Weiterbildungsakademie Green Campus Unter diesem Motto veranstaltet das Gunda-Wer­ 7.5. Internationale Tagung: Green New Deal www.greencampus.de ner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung eine 25.5. Krisengespräche: Lets Make Money – Happening rund um Geschlechterfragen. In Diskus­ Film und Gespräch sionen und Workshops, Tanz, Theater, Film und 9.6. Internationale Tagung: Paradiese in der Videopräsentationen werden Lebenskonzepte, Le­ Krise. Transparenz und neue Regeln für bensweisen, Visionen und Utopien mit Genderbezug Regulierungs- und Steueroasen präsentiert, diskutiert, kritisiert und zelebriert. 17.6. Podiumsdiskussion/Studienvorstellung: Infos unter www.gwi-boell.de Grüne Wege aus der Autokrise

Mehr Infos unter www.boell.de Umschlag: Fancy/Veer/Corbis EDITORIAL 3

Green New Deal

Lesefrüchte auf dem Rückfl ug von Washington: In inmitten einer Transformationskrise des Kapitalismus. Diese der Financial Times beschreibt Paul Kennedy die Ausgabe von Böll.Thema leuchtet aus, wie die Weichen Richtung Umrisse des « Neokapitalismus nach dem Exzess »: Zukunft gestellt werden können. « Wir werden ein höheres Maß an staatlicher Im Zentrum steht die Idee eines « Green New Deal », die weltweit Intervention in die Märkte erleben und höhere als Antwort auf die Doppelkrise von Wirtschaft und Umwelt Steuern. Die animalischen Kräfte des Marktes diskutiert wird. So unterschiedlich die Konzepte auch sein mögen, werden künftig von einer Vielzahl nationaler und internationaler die unter diesem Titel segeln, so haben sie doch einen gemeinsamen Zoowärter überwacht und gezähmt. » Einen Trost immerhin hält das Kern: Erstens geht es um einen großen Sprung in Richtung einer Zentralorgan der Londoner City für seine erschreckten Leser bereit: nachhaltigen Ökonomie. Darunter fallen der Ausbau des öffentli­ « Der Kapitalismus wird modifi ziert, aber er wird nicht verschwinden. chen Verkehrs, die ökologische Sanierung von Gebäuden, eine breit Wie die Demokratie hat er ernste Gebrechen, aber alle anderen angelegte Förderung erneuerbarer Energien und umweltfreund­ Systeme sind schlimmer. » Ein weiterer Leitartikel fordert eine licher Technologien. Zweitens geht es um mehr Chancengleichheit « globale Politik zur Rettung des globalen Kapitalismus »: Globalisie­ und soziale Teilhabe, vor allem durch massive Investitionen in rung verlange eine kohärentere internationale Regulierung. Bildung und berufl iche Qualifi zierung. Und schließlich geht es In der Washington Post entdeckt Harold Meyerson das « Modell darum, den globalen Kapitalismus in ein globales Regelwerk Deutschland » als Vorbild für einen « besseren Kapitalismus »: hier einzubetten und den Rückfall in Protektionismus und Nationalismus dominiere immer noch die Industrie über den Finanzsektor, langfris­ zu verhindern. tige Wertsteigerung über die Jagd nach kurzfristigem Profi t. Die Die ungeheuren Summen, welche jetzt die Regierungen zur Vertretung der Beschäftigten in den Aufsichtsräten sorge für eine Ankurbelung der Wirtschaft mobilisieren, müssen genutzt werden, ausgewogenere Unternehmenspolitik, die Einkommen seien um die Fundamente für ein zukunftsfähiges Wirtschafts- und gleichmäßiger verteilt, die soziale Sicherung großzügig bemessen – Sozialmodell zu legen. Wird diese historische Gelegenheit verpasst, und dennoch (oder gerade deshalb) seien deutsche Unternehmen erben die folgenden Generationen außer horrenden Staatsschulden auf dem Weltmarkt ausgesprochen wettbewerbsfähig. Als zweites auch noch einen riesigen Berg ungelöster Probleme. Dieser Appell Referenzmodell dient Skandinavien mit seinem gut ausgebauten richtet sich nicht nur an Regierungen und Parlamente. Wir brauchen Dienstleistungssektor, in dem gut qualifi zierte Arbeitskräfte gutes einen großen gesellschaftlichen Aufbruch, wenn wir die Krise Geld verdienen. Auch wenn das Bild vom deutschen stakeholder nutzen wollen, um den Kapitalismus zu erneuern und die Welt zu capitalism etwas zu hell strahlt, ist die Umkehrung der Maßstäbe verbessern. bemerkenswert, an denen die Zukunftsfähigkeit wirtschaftlicher Systeme gemessen wird. Nimmt man noch die grüne Welle hinzu, die gegenwärtig durch --- die USA rollt – Ausbau erneuerbarer Energien und Förderung umweltfreundlicher Technologien in großem Stil –, zeichnen sich Ralf Fücks

Foto: Ludwig Rauch die Umrisse eines Paradigmenwechsels ab. Wir befi nden uns Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung 4 INHALT

1/09 RALF FÜCKS REINHARD BLOMERT SEITE 4 SEITE 14 Seit 1996 Vorstandsmitglied der Hein­ Sozialwissenschaftler am WZB, Leiter rich-Böll-Stiftung und Mitglied der der Redaktion des Leviathan. Er lehrt Grundsatzkommission von Bündnis 90/ Wirtschafts- und Finanzsoziologie in Die Grünen. Veröffentlicht regelmäßig Graz, Paris und Berlin. Jüngste in Tages- und Wochenzeitungen. Veröffentlichung: « Wie aus der Sub- prime-Krise eine richtige Wirtschaftskri­ se wird », in: Jensen/Schröter/Stehr, « Mehrwertiger Kapitalismus », 2009.

CHRISTOPHER FLAVIN & ROBERT ENGELMAN SEITE 6 GOING GREEN Christopher Flavin ist Präsident des UDO E. SIMONIS Worldwatch Institute Washington, Ro­ SEITE 18 bert Engelman Vizepräsident. Schwer­ Zeitenwende Forschungsprofessor für Umweltpolitik 4 — Was vergeht und neu entsteht punkte der Arbeit: Demographie, Um­ beim WZB. Mitglied des Wissenschaftli­ Von Ralf Fücks welt, zivile Konflikte. chen Beirats der Bundesregierung für 6 «Der Klimawandel ist die atemberaubende Chance, die sich als globale Umweltveränderungen. unlösbares Problem maskiert» Von Christopher Flavin und Robert Engelman

9 Der Karottenmob — Durch Kaufkraft zum Klimaschutz Von Till Kötter TILL KÖTTER 10 Die erschöpften Begriffe SEITE 9 Text und Zeichnung von Johannes Stüttgen ARNE JUNGJOHANN Seit 2008 Projektkoordinator der Trans­ SEITE 19 atlantic Climate Policy Group im Washingtoner Büro der Heinrich-Böll- Seit 2007 Leiter der Programme für BLICK IN DIE GESCHICHTE Stiftung. Umwelt und Globalen Dialog im Washingtoner Büro der Heinrich-Böll- 12 Wie 1929 … oder grundverschieden? — Was die Stiftung. Jüngste Veröffentlichung: Weltwirtschaftskrise vom heutigen Crash unterscheidet «A Changing Climate » (www.boell.de). Von Joscha Schmierer

14 Das Reformprogramm des amerikanischen New Deal — Der Pakt zwischen Arbeitnehmern, Unternehmern und Staat in den 1930ern JOHANNES STÜTTGEN Von Reinhard Blomert SEITE 10 Künstler, Vortragsreisender, ehem. GERD ROSENKRANZ 18 Ein halbes Jahrhundert Umweltpolitik — Meilensteine auf dem Meisterschüler und Freund von Joseph SEITE 20 Weg zum Green New Deal Beuys. Jüngste Publikation: «Der Seit 2004 Leiter Politik und Öffentlich­ ganze Riemen: Joseph Beuys – der Auf­ Von Udo E. Simonis keitsarbeit bei der Deutschen Umwelt­ tritt als Lehrer an der Kunstakademie hilfe. Jüngste Publikation: «Bewe­ Düsseldorf 1966 –72», Köln 2008. gung im Energiestreit – reicht die Zeit?» AUF ZUKUNFT GESETZT In: « Sichere Energie für das 21. Jahr­ hundert », hrsg. von Jürgen Petermann. 19 Made in America — Obama will die USA ökologisch 2. Aufl age 2008. modernisieren, die Wirtschaft ist längst dabei Von Arne Jungjohann

20 «Walk the talk!» — Gerd Rosenkranz im Gespräch mit JOSCHA SCHMIERER Renate Künast SEITE 12 22 «ERENE» – ein Deal, bei dem alle gewinnen — Stimulus für Publizist, von 1999 – 2007 im Planungs­ eine nachhaltige Energieversorgung in Europa stab des Auswärtigen Amts. Jüngs­ te Publikation: « Keine Supermacht, nir­ SEITE 22 Von Michaele Schreyer gends. Den Westen neu erfi nden », Ber­ Vizepräsidentin des Netzwerks Europäi­ lin 2009. sche Bewegung Deutschland. 1999 – 2004 Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für den EU- Rauch) Borstelmann/argum), Blomert (WZB Mitteilungen), Simonis (Ute Boeters), Steiner (UNEP), Unmüßig (Bettina Keller), Maennel (Ludwig Autorenfotos: Privat, außer: Fücks (Ludwig Rauch), Flavin & Engelman (Worldwatch Institute), Stüttgen (D. Mönig), Schmierer (B. INHALT 5

Haushalt und die Betrugsbekämpfung. Böll-Stiftung. Jüngste Publikati­ Jüngste Publikation: (zus. mit Lutz on: (mit Martina Hanf) «Thomas Mez) ERENE. Eine Europäische Ge­ Brasch: Ich merke mich nur im Chaos». meinschaft für Erneuerbare Energien. Interviews 1976 – 2001, Frankfurt Eine Machbarkeitsstudie . 2009.

ACHIM STEINER FELIX GROBA SEITE 23 SEITE 31 Untergeneralsekretär der Vereinten Promotionsstudent am Center of Econo­ Nationen und Exekutivdirektor des UN- mic and Social Research des Deutschen Umweltprogramms (UNEP) in Nairobi. Instituts für Wirtschaftsforschung.

23 Grüne Streifen am Horizont — Über das Konzept «Global Green BARBARA UNMÜSSIG HANNES KOCH SEITE 24 SEITE 32 New Deal» vom UN-Umweltprogramm Von Achim Steiner Seit 2002 Vorstandsmitglied der Hein­ Freier Korrespondent (www.die-korres­ rich-Böll-Stiftung. Jüngste Veröf­ pondenten.de). Seine Themen: nationa­ 24 Chinas Konjunkturprogramm – und was wir darüber wissen fentlichung: (gem. mit Rainer Falk) le und internationale Wirtschafts- und Von Barbara Unmüßig « Kurswechsel im Rezessionsjahr. Neue Finanzpolitik. Jüngste Publikation: Chancen für Global Governance? », Aus­ « Soziale Kapitalisten », Berlin 2007. gabe 1/2009 des Informationsbriefs Weltwirtschaft und Entwicklung. DIE SUCHE NACH DEM REELLEN KAPITALISMUS

26 «Wann, wenn nicht jetzt?» — Überlegungen für ein nachhaltiges Wirtschaften Von Hanns Michael Hölz

MICHAELA WUNDERLE 28 «Was fehlt, ist der politische Wille» — Vorschläge zur & CHRIS MESS Neuordnung der Finanzmärkte HANNS MICHAEL HÖLZ SEITE 33 Von Thomas Jorberg SEITE 26 Michaela Wunderle ist freie Journalistin Vorstandsvorsitzender von «econsense», und Übersetzerin, Chris Mess Informati­ ker und Moderator beim Frankfurter dem Forum Nachhaltige Entwicklung VON UNTERNEHMERN, BANKIERS UND KONSUMENTEN der deutschen Wirtschaft. Konzernbe­ Lokalradio X (www.radiox.de). auftragter für das Nachhaltigkeits-Ma­ nagement-System der Deutschen Bank. 30 Verantwortung übernehmen, mit Einschränkungen rechnen — Er gehörte zum Advisory Council von Wie der Unternehmer Max Schön mit der Wirtschaftskrise UN-Generalsekretär Kofi Annan. umgeht Von Annette Maennel

31 Das Risikokapital traut sich — Porträt von John Doerr, IRENE SCHÖNE Finanzier der Grünen Revolution SEITE 34 Von Felix Groba Seit 1998 Mitglied im Aufsichtsrat der 32 Die Lehre kommt allmählich in den Vorstandsetagen an — THOMAS JORBERG UmweltBank AG, Nürnberg. Jüngste SEITE 28 Veröffentlichung: « Towards better ener­ Unternehmen orientieren sich zunehmend an sozialer und gy effi ciency – Should we follow the Eu­ ökologischer Nachhaltigkeit Seit 1986 in der GLS-Bank, seit 1993 ropean example? » In: Green Building Von Hannes Koch dort im Vorstand und seit 2003 Magazine, Volume 18, 2008. Vorstandssprecher. 33 Kennst du Utopia.de? — Michaela Wunderle sprach mit Chris Mess über das Internetportal für strategischen Konsum 34 Der Naturverbrauch gehört in die Berechnung der Kosten — Integrierte Bilanzierung: die etwas andere Buchführung Von Irene Schöne

ANNETTE MAENNEL SEITE 30 DIE STIFTUNG UND DER GREEN NEW DEAL Seit 2005 ist die Journalistin Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Heinrich­ 36 Investieren in die Zukunft: « Green New Deal » — Aktuelle Projekte und Veranstaltungen der Heinrich-Böll-Stiftung 6 GOING GREEN Zeitenwende VON RALF FÜCKS Was vergeht und neu entsteht.

Es gibt solche Krisen und solche. Manche gehen vorüber, ohne Wenn von Marktversagen gesprochen wird, muss man im gleichen bleibende Spuren zu hinterlassen, andere markieren eine histori­ Atemzug vom Staatsversagen reden. Denn es obliegt den Staaten, sche Zäsur. Man braucht nicht viel prophetisches Vermögen, um die Ordnung der Märkte zu gewährleisten, und es waren die vorauszusagen, dass die gegenwärtige Erschütterung der Weltwirt­ Regierungen, die im Zuge der Standortkonkurrenz ganze Bereiche schaft als Zeitenwende in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ein der Finanzindustrie aus ihrer Regelungskompetenz entlassen haben. beinahe 25-jähriger Wachstumszyklus geht zu Ende, der die fast Es ist abwegig, dass jedes Medikament aufwändige Zulassungsver­ eine Milliarde Menschen in den emerging countries aus der gröb­ fahren durchlaufen und jedes Auto vom TÜV zugelassen werden sten Armut gezogen hat, während zugleich an der Spitze der muss, während Finanzprodukte, welche ganze Volkswirtschaften sozialen Pyramide eine sagenhafte Akkumulation von Reichtum aushebeln können, ohne jede Risikovorsorge in Umlauf gebracht stattfand – nicht nur in der Alten Welt, sondern gerade auch bei den werden konnten. Neureichen in China, Russland, Indien oder Brasilien. Die Krise offenbart die Gebrechen der Globalisierung: den Getrieben wurde dieser Zyklus durch eine globale Liberalisierung Mangel an globaler Regulierung, die extremen Ungleichgewichte in der Märkte, eine sprunghafte Zunahme des Welthandels, vor allem der Weltwirtschaft, die ungleiche Verteilung von Vorteilen und aber durch eine fi eberhafte Expansion des Finanzsektors. Dort Risiken. Ganze Gesellschaften, die sich in den letzten Jahren zu wurde das große Geld verdient und das große Rad gedreht, das jetzt bescheidenem Wohlstand emporgearbeitet hatten, drohen in den die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds geführt hat. Gestern Überlebensmodus zurückgeworfen zu werden. Ein Rückfall in waren Wall Street und Londoner City noch das Doppelherz des ökonomischen Nationalismus (vulgo Protektionismus) würde die globalen Kapitalismus, heute sind sie das Epizentrum der Krise. Probleme nur verschärfen. De-Globalisierung ist keine Utopie, Ausgelöst wurde der globale Crash durch das Platzen der Immobili­ sondern ein Schreckgespenst. Nicht nur wegen der damit verbunde­ enblase in den USA, mit der Scheinwerte geschaffen wurden, auf nen weltweiten Wohlstandsverluste, sondern weil eine ökonomische die weitere Kredite gezogen werden konnten. Mit ihr ist auch ein Fragmentierung auch den politischen Nationalismus anfachen Wachstumsmodell kollabiert, das von der Ausweitung der öffentli­ würde – die 30er-Jahre lassen grüßen. chen und privaten Verschuldung getrieben wurde. Gefordert ist jetzt mehr Kooperation und Koordination. Aktuell Der Turbokapitalismus hat den Bogen überspannt. Die Zeiten müssen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank wundersamer Kapitalvermehrung durch immer neue Finanzproduk­ gestärkt werden, um ihre Rolle als globale Feuerwehr spielen zu te sind vorüber. Zukünftig wird es wieder mehr darum gehen, können. Auch das ist nicht ohne politische Reformen zu haben. Es sinnvolle Dinge herzustellen und Dienstleistungen anzubieten, die führt kein Weg daran vorbei, den aufsteigenden Wirtschaftsmächten einen Mehrwert für den Kunden schaffen, als mit spekulativen und den Entwicklungsländern eine faire Mitsprache in diesen Geschäften schnell reich zu werden. Die ökonomische Leitfi gur der Institutionen zu geben. Die Zeit der westlichen Hegemonie über die Zukunft wird nicht der Investmentbanker sein, sondern der Unter­ Weltwirtschaft geht zu Ende. Wir müssen lernen, Macht und nehmer (oder die Unternehmerin), der einen Beitrag zum gesell­ Wohlstand zu teilen, um einen Kampf aller gegen alle zu vermeiden. schaftlichen Fortschritt leistet. Statt der Fixierung auf kurzfristige Auch die Defi zite der EU werden von der Krise gnadenlos Profi tmaximierung wird es um nachhaltigen Wertzuwachs gehen. aufgedeckt. Wir haben einen Binnenmarkt und eine weitgehend Der Kapitalismus der Zukunft wird moralischer sein – weil auf gemeinsame Währung, aber keine europäische Koordination der Dauer nur verantwortliches Handeln Wohlstand schafft. Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dabei sind die europäischen Volkswirtschaften längst auf Gedeih und Verderb miteinander GLOBALE REGELN FÜR GLOBALE MÄRKTE verfl ochten. Solidarität mit den Ländern, denen jetzt das Wasser bis Marktwirtschaften sind höchst voraussetzungsvolle Systeme. Sie zum Hals steht, ist kein Altruismus, sondern ein Akt der Vernunft. erfordern Transparenz, Machtbegrenzung durch Wettbewerb, Dazu gehören aber auch verbindliche Regeln, die fiskalische effektive Preisbildung, Eigentümerhaftung und eine Balance von Disziplin erzwingen und einen Steuerwettlauf zu Lasten der Gewinn und Risiko. Werden diese checks & balances außer Kraft Gemeinschaft verhindern. Wenn die EU ihre Chance nutzt, wird sie gesetzt, läuft das System aus dem Ruder. Genau das ist passiert. gestärkt aus der Krise hervorgehen. Versagen die europäischen GOING GREEN 7

$38,1 Gesamtsumme Rettungspaket (in Milliarden) 69% davon grüne Investitionen

$581,2 34%

$63,4 $825 19% $253,6 20%* 16% $13,9 14% $32,9 10% $9,9 8% $27,4 $476 7% $101,4 $6,8 2% 2% 1% 0%

Südkorea China Deutschland US EU Spanien Frankreich UK Australien Japan Italien Indien

«Zwanzig Prozent!» In seinem Bericht, der am 18. Februar 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, erklärt der Ökonom und Umweltbeauftragte Großbritanniens, Lord Stern, dass zwanzig Prozent der staatlichen Ausgaben zur Konjunkturankurbelung für grüne Investitionen bereit gestellt werden sollten. Quelle: HSBC Center for Climate Change

Regierungen, droht eine Erosion der Gemeinschaft und ein Ausein­ baren Energien im großen Stil, die Entwicklung einer neuen anderbrechen der Eurozone. Generation umweltfreundlicher Produkte und Technologien, die Umstellung auf biologische Rohstoffe und Verfahren und der Bau DOPPELKRISE VON ÖKONOMIE UND ÖKOLOGIE von Häusern, die zu Netto-Energieerzeugern werden. Mit anderen Was die gegenwärtige Situation von allen vorausgegangenen Worten: es geht um ein grünes Wirtschaftswunder, das massenhaft Erschütterungen der Weltwirtschaft unterscheidet, ist das Zusam­ sinnvolle Beschäftigung schafft. mentreffen der ökonomischen mit der ökologischen Krise. Nicht nur die Geld- und Warenkreisläufe sind gestört, auch das Ökosystem ist GREEN NEW DEAL aus den Fugen, von dem das menschliche Leben auf diesem Die Unsummen, die jetzt von den Regierungen weltweit für die Planeten abhängt. Der Klimawandel ist der schlagende Beweis Ankurbelung der Konjunktur ausgeworfen werden, müssen genutzt dieser Krise. Schwindende Ölvorräte, Überfi schung der Meere, werden, um die Fundamente für ein nachhaltiges Wachstum zu Wasserknappheit und Verlust fruchtbaren Ackerlands sind weitere legen. Wenn wir diese Gelegenheit verpassen, geraten wir in eine Alarmsignale. Deshalb gibt es auch keinen Rückweg zum Wirt­ doppelte Falle: wir sitzen dann auf riesigen Schuldenbergen, die schaftswachstum alten Typs. den staatlichen Handlungsspielraum gerade dann begrenzen, wenn Die Parallelen, die zu dieser Doppelkrise von Umwelt und die ökologische Krise sich zuspitzen wird. Wirtschaft geführt haben, sind frappierend. Beide beruhen auf Investitionen in grüne Technologien sind Pflichtprogramm massiven Anleihen auf die Zukunft: einmal in Form von pekuniären Nummer eins. Pfl ichtprogramm Nummer zwei sind Investitionen in Schulden, mit denen der Konsum fi nanziert wurde, zum anderen in Menschen, vorrangig in Erziehung, Bildung und berufl iche Qualifi­ Form von ökologischen Schulden. In beiden Fällen handelt es sich zierung. Wir können damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe um die Externalisierung von Folgekosten zu Lasten künftiger schlagen: Bildung ist der Schlüssel für Chancengerechtigkeit und Generationen: genieße heute, zahle später. Diese Form einer sozialen Aufstieg, also für eine gerechtere Gesellschaft. Und ruinösen Schuldenökonomie muss endlich aufhören. Das heißt zugleich sorgen wir dafür, dass Europa trotz des demographischen auch: Die Preise müssen die ökologischen Kosten wiedergeben, Wandels eine kreative, dynamische Gesellschaft bleibt, die ihren damit der Markt die richtigen Signale an Investoren und Konsumen­ Wohlstand auch in Zukunft bewahren kann. ten geben kann. Die Instrumente dafür sind bekannt: Sie heißen Wenn wir es klug anstellen, dann nutzen wir die Krise für einen

Öko-Steuern und Verknappung der CO2-Emissionen, die als Kosten großen gesellschaftlichen Aufbruch Richtung Ökologie und Fairness. für Unternehmen und Verbraucher zu Buche schlagen müssen. Ob wir das einen « Green New Deal » nennen oder einen Pakt für die Angesichts des drohenden Kollapses der Biosphäre geht es um Zukunft: Wichtig bleibt, dass wir jetzt alle Kräfte mobilisieren, um nichts weniger als eine grüne industrielle Revolution: eine sprung­ als Gesellschaft besser aus der Krise herauszukommen, als wir hafte Steigerung der Ressourceneffi zienz, den Übergang zu erneuer­ hineingegangen sind. --- 8 GOING GREEN

«DER KLIMAWANDEL IST DIE ATEMBERAUBENDE CHANCE, DIE SICH ALS UNLÖSBARES PROBLEM MASKIERT»

VON CHRISTOPHER FLAVIN & ROBERT ENGELMAN WORLDWATCH INSTITUTE WASHINGTON DC

Welch schöner Satz von John Gardner, dem Gründer der amerikani­ schen Bürgerorganisation «Common Cause»! Doch die Erde heizt sich unschön auf, die Gletscher schmelzen, das ewige Eis taut, die Ozeane werden sauer. Die Warnungen der Wissenschaftler werden hartnäcki­ ger: Die Welt muss ihren Kurs schneller ändern. Und das mitten in der größten Wirtschaftskrise seit 1929. Christopher Flavin und Robert Engelman vom renommierten Washingtoner Worldwatch Institute haben in ihrem Bericht «Zur Lage der Welt 2009»1 die zehn wirtschaft­ lichen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zusam­ mengestellt, denen wir uns stellen müssen, um Klimastabilität dennoch zu erreichen. Schauen wir sie uns an. GOING GREEN 9

1. LANGFRISTIGES DENKEN Durch die Evolution hat sich der Mensch so entwickelt, dass er mit Das Worldwatch Institute ist eine 1974 gegründete unabhängige For­ unmittelbaren Bedrohungen gut umgehen kann – seien es die schungsorganisation. Ihr Ziel ist es, Einsichten und Ideen zu erzeugen und wilden Tiere, denen die ersten Menschen in den Ebenen Afrikas zu verbreiten, die es Entscheidungsträgern ermöglichen, unsere Gesell­ schaft ökologisch nachhaltig umzubauen. Worldwatch sucht innovative begegneten, sei es die Finanzpanik, die die Welt Ende 2008 in den Lösungen und betont dabei die Zusammenarbeit von Regierungen, privatem Griff nahm. Der Klimawandel hingegen ist ein besonders tückisches Unternehmertum und zivilen Akteuren. Problem: Nach menschlichem Zeitmaßstab treten seine Auswirkun­ Die Worldwatch-Berichte « Zur Lage der Welt », die jetzt im 25. Jahr gen erst ganz allmählich auf, und mit den schlimmsten Folgen erscheinen, sind weltweit richtungsweisend in der Diskussion über eine werden sich vermutlich Menschen auseinandersetzen müssen, die nachhaltige Entwicklung. Sie werden in 36 Sprachen übersetzt. In noch gar nicht geboren sind. Um dieses Problem zu lösen, müssen Deutschland erscheint der Report in Zusammenarbeit von Heinrich-Böll- wir auch die Zukunft als unsere Verantwortung begreifen und die Stiftung und Germanwatch. Folgen unserer heutigen Entscheidungen für künftige Generationen bedenken. Wie die Ägypter Pyramiden und die Europäer Kathedra­ len bauten, die Jahrtausende überdauerten, müssen wir anfangen, so zu handeln, als ob die Verantwortung für die Zukunft des Planeten noch über unsere begrenzte Lebensspanne hinaus unsere Sache ist.

2. INNOVATIONEN Die Welt muss Technologien entwickeln und verbreiten, die die Produktion und die Nutzung kohlenstofffreier Energie maximieren, während zugleich die Kosten minimiert und die Verbraucherfreund­ lichkeit optimiert werden. (Verbraucherfreundlichkeit ist wichtig, denn die Leichtigkeit, fossile Brennstoffe zu transportieren, zu lagern und zu nutzen, gehört zu ihren großen Vorzügen, nicht allein ihr Preis.) Ein wirksamer Klimapakt wird Anreize bieten, die die technologische Entwicklung beschleunigen und die sicherstellen, US-Emissionen doppelt so hoch sind wie die anderer Industrieländer. dass erneuerbare Energien und andere emissionsarme Technologien Änderungen des Lebensstils sind nötig, einige davon mögen heute in allen Ländern der Erde eingesetzt werden, unabhängig davon, ob extrem unattraktiv erscheinen. Aber im Endeffekt sind die Dinge, diese die Kosten bezahlen können oder nicht. Beim Einsatz fossiler ohne die zu leben wir wohl lernen müssen – übergroße Autos und Energien müssen wir die Energieeffi zienz entscheidend steigern und Häuser, statusorientierter Konsum, billige Weltreisen, Fleisch zu

den Ausstoß von CO2, Methan, Stickstoffoxiden und Treibhausgasen, jeder Mahlzeit und das alles jederzeit verfügbar –, keine unabding­ die aus der Kühlung und den verschiedensten industriellen Prozes­ baren Güter oder gar in der Mehrzahl der Fälle das, was Menschen sen herrühren, senken. Die Möglichkeiten, schnelle und kostenarme glücklich macht. Die Älteren unter uns und viele unserer Vorfahren Emissionssenkungen vorzunehmen, sind zahlreich und meistens haben in Kriegszeiten freiwillig größere Opfer akzeptiert. Dies ist noch unerschlossen. zwar kein Krieg, aber es könnte mal einer werden.

3. DEMOGRAPHIE 5. ERHALT NATÜRLICHER LANDSCHAFT Es ist unumgänglich, den weltweiten Dialog über das Bevölkerungs­ Wir müssen den Ausstoß von Kohlendioxid oder anderen Treibhaus- wachstum neu zu eröffnen und eine Politik sowie Programme zu gasen durch die Beschädigung oder Vernichtung von Wäldern und unterstützen, die zur Verlangsamung und schließlich zur Umkehr Böden reduzieren. Boden und Vegetation können sehr wirkungsvoll des Wachstums beitragen. Dabei muss sichergestellt sein, dass Kohlenstoffe und Treibhausgase aus der Atmosphäre absorbieren. Frauen selbst entscheiden, ob und wann sie Kinder bekommen. Bei richtiger Behandlung kann der Boden allein jährlich etwa 13 Ein wirklich umfassendes Klimaabkommen würde sowohl die Prozent aller von Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen Folgen des Klimawandels für gefährdete Völker anerkennen wie aufnehmen. In dem Ausmaß, in dem wir das Land zu einer effekti­ auch den langfristigen Beitrag, den langsameres Wachstum und eine veren Senke für diese Gase machen, können wir Emissionen auf kleinere Weltbevölkerung bei der Reduzierung zukünftiger Emissio­ dem Niveau halten, wie es für unser Wohlergehen notwendig ist. nen innerhalb eines gerechten klimapolitischen Rahmens spielen. Möglicherweise wirft eine aktive Senke jedoch geringere Erträge ab. Und es sollte die Verpfl ichtung erneuern, die die Staaten der Welt Und jede Senke muss mit « Abfl ussstopfen » gesichert werden, um bei 1994 eingegangen sind: nämlich das Bevölkerungsproblem nicht veränderten Bedingungen den Wiedereintritt der Treibhausgase in durch Druck auf die Eltern anzugehen, weniger (oder mehr) Kinder die Atmosphäre zu verhindern. zu zeugen, als sie wünschen, sondern indem auf die Bedürfnisse der Frauen in Bezug auf Familienplanung, Gesundheit und Erziehung 6. STARKE INSTITUTIONEN gehört wird. Die letzten Monate des Jahres 2008 haben schmerzlich das gefährli­ che Ungleichgewicht zwischen einer frei treibenden Weltwirtschaft 4. VERÄNDERUNG DES LEBENSSTILS und einem regulativen System bloßgelegt, das nur ein Flickentep­ Das Erdklima kann nicht allein durch Technologie gerettet werden. pich unterschiedlicher nationaler Systeme ist. Und wenn es je ein Auch die Art, wie wir leben, muss sich ändern – und je länger wir globales Phänomen gegeben hat, dann ist es das Klima. Die Vorstel­ damit warten, desto größere Opfer werden nötig sein. Dass in den lung fällt in der Tat nicht schwer, dass das Klimaproblem langfristig USA Wohnhäuser und Autos in den vergangenen Jahrzehnten eine politische Entwicklung hin zu einer Weltregierung vorantreiben immer größer wurden, ist ein wesentlicher Faktor für die Steigerung könnte. Bei der momentan starken öffentlichen Abneigung gegen

Foto: NASA der Treibhausgasemissionen und der Hauptgrund dafür, dass die eine solche Idee bleibt uns vorerst nur die Regulierung durch die 10 GOING GREEN

Vereinten Nationen, die multilateralen Banken und die wichtigen 10. MOBILISIERUNG FÜR DEN WANDEL nationalen Regierungen. Neue Institutionen und Finanzmittel Die wachsende Angst vor dem Klimawandel mobilisierte die Politik. werden nötig sein, aber wahrscheinlich braucht es erst ein wachsen­ Die Gegner umweltpolitischer Maßnahmen weisen gern auf die des öffentliches Bewusstsein oder eine dramatische Verschlechte­ immensen Kosten der Emissionsreduzierungen hin. In einer Zeit rung des Klimas, um die Widerstände für ihre Installierung und ernsthafter Wirtschaftsprobleme nimmt die Kraft eines solchen Durchsetzung zu überwinden. Arguments zu. Einige, die sich erst spät von der Realität des Klimawandels überzeugen ließen, sind vom Leugnen des Problems 7. DAS GEBOT DER GERECHTIGKEIT direkt zur Verzweifl ung übergegangen. Die wirksamste Antwort auf Ein dauerhaftes und erfolgreiches Klimaabkommen wird Mechanis­ beide Reaktionen besteht nach den Worten von John Gardner, dem men fi nden müssen, die fi nanziellen Lasten und potenziellen Gründer von «Common Cause» (eine Bürgerorganisation, welche

Unannehmlichkeiten gerecht zu verteilen. Die CO2-Emissionen pro die Partizipation der Bürger stärken und die Politiker an ihren Kopf sind in den Vereinigten Staaten beinahe fünfmal so hoch wie in Versprechen messen will), darin, die globale Erwärmung als Mexiko und mehr als zwanzigmal so hoch wie in den meisten « atemberaubende Chance, die sich als unlösbares Problem maskiert Ländern südlich der Sahara. In der Vergangenheit haben hauptsäch­ hat », zu sehen. Die Lösung des Klimaproblems wird die größte lich die wohlhabendsten und am stärksten industrialisierten Länder Gründungswelle neuer Industrien und Jobs auslösen, die die Welt die Fähigkeit der Erde, Treibhausgase aufzunehmen, in Anspruch seit Jahrzehnten gesehen hat. genommen. Entsprechend sollten die geringen verbliebenen Ende November 2009 wird die Welt vor dem Probelauf stehen: Kapazitäten den sich entwickelnden Ländern vorbehalten sein. In Werden die rund 200 Einzelstaaten, die sich in Kopenhagen treffen, diesen Ländern leben die meisten Menschen und sie tragen für die um ein neues Klimaabkommen zu vereinbaren, sich auf ein neues Verursachung des Problems nur wenig Verantwortung – das muss Protokoll einigen, das eine Vision und einen Fahrplan enthält? ein gerechtes Klimaabkommen berücksichtigen, obwohl es richtig Globale Herausforderungen gibt es ja schon genug: Werden die ist, daran zu erinnern, dass ein kleiner, aber wachsender Teil ihrer weltweite Finanzkrise und der Konfl ikt im Nahen Osten die Führer Bevölkerungen inzwischen schon große Kohlenstofffußabdrücke der Welt in Beschlag legen? Wird der neue amerikanische Präsident hinterlässt. Zeit genug haben, die USA wieder in eine Führungsposition zu bringen? Wird die weltweite Nord-Süd-Spaltung, die die Klimage­ 8. WIRTSCHAFTLICHE STABILITÄT spräche der vergangenen Jahre behindert hat, überwunden werden? Im Herbst 2008 begann die Weltwirtschaft zu straucheln und damit Viele Probleme, aber eines ragt über alle anderen heraus: Der stellt sich die Frage: Sollte eine Welt, die wirtschaftlich harten Klimawandel ist keine gesonderte Angelegenheit, die man unabhän­ Zeiten entgegengeht, ihre Belastung noch durch die Kosten erhöhen, gig von allen anderen angehen könnte. Die Weltwirtschaft treibt den die der Paradigmenwechsel von den fossilen zu den erneuerbaren Klimawandel ganz wesentlich an und die wirtschaftlichen Strategi­ Energien mitsichbringt? Sollte wertvolles Land als bloßer Kohlen­ en müssen revidiert werden, wenn das Klima jemals stabilisiert stoffspeicher genutzt werden? Doch wir müssen anerkennen: Jedes werden soll – und die menschlichen Bedürfnisse erfüllt werden Klimaabkommen, das weltweite Prosperität voraussetzt, ist zum sollen, für die die Weltwirtschaft letztendlich da ist. Scheitern verurteilt. Und da der Wunsch immer größerer Teile der Wir können uns einen Fehlschlag der Kopenhagener Klimakonfe­ Weltbevölkerung nach Wohlstand immer mehr der begrenzten renz nicht leisten. Das Ergebnis des Treffens wird in den Geschichts­ Ressourcen beansprucht, müssen wir das Klima der Zukunft büchern verzeichnet werden – und in der dauerhaften Zusammen­ abwägen gegen eine Gegenwart mit Hunger und Armut. Ein setzung der Atmosphäre, die uns allen gemeinsam ist. tragfähiges internationales Klimaregime muss Mechanismen schaffen, die in wirtschaftlich schwachen wie blühenden Zeiten Übersetzung: Jochen Schimmang gleichermaßen funktionieren. Und ein starker Pakt kann nur auf der --- Grundlage von Prinzipien und Innovationen aufgebaut werden, die die langfristigen Kosten anerkennen und ihnen Rechnung tragen.

9. POLITISCHE STABILITÄT Eine Welt, die mit Krieg und Terror beschäftigt ist, ist nicht in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auf eine ferne Zukunft zu richten. Aber genau diese Einstellung ist nötig, um weitere Klimaveränderungen zu verhindern und mit den schon erfolgten fertig zu werden. Ein Klimapakt soll zu präventivem Handeln ermutigen, um die Unsi­ cherheiten zu mindern, die durch den Klimawandel hervorgerufen oder verschärft werden. Aber bevor die Nationen nicht Wege finden, gewaltsame Konfl ikte zu entschärfen und die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass der Terrorismus ganze Gesellschaften aus dem Konzept bringt, werden Prävention und Anpassung an den Klima­ wandel nur eine untergeordnete Rolle spielen. Positiv gesehen, bietet die Aushandlung eines effektiven Klimaabkommens den Ländern, die sie nutzen, die Gelegenheit, in Frieden zu leben und über die engen Grenzen ihrer Interessen hinauszublicken auf ihre Abhängigkeit vom Rest der Welt. Und die Menschheit als eine einzige verletzliche Gattung zu erkennen – und nicht als eine 1 Der vollständige Bericht « Zur Lage der Welt 2009. Ein Planet vor der Überhitzung » Ansammlung von Nationen, die in einem ebenso nutzlosen wie vom Worldwatch Institute ist ab 28. April erhältlich bei der Heinrich-Böll-Stiftung: endlosen Wettbewerb gefangen sind. www.boell.de GOING GREEN 11 Der Karottenmob Durch Kaufkraft zum Klimaschutz

VON TILL KÖTTER

PARTY IN EINEM KALIFORNI­ SCHEN KD-MARKT: DER SIEGER IM ENERGIESPAREN WIRD GEFEIERT. SCREEN­ SHOT AUS DEM CARROTMOB­ VIDEO (HTTP://CARROTMOB. ORG/ABOUT)

« Das ist positive Kooperation. Die beste Firma gewinnt. Der Verbraucher gewinnt. Und die Umwelt gewinnt.»

Boykott ist Vergangenheit. Carrotmob ist Zukunft. Mit organisierter größte Engagement für Energieeffi zienz. Das brachte Brent einen Kaufkraft versucht diese junge amerikanische Bewegung, Einzel­ Sieger und David Geld: Am vereinbarten Tag folgten hunderte händler für den Klimaschutz zu gewinnen. Die Idee ist einfach, sagt Unterstützer Brents Aufruf, standen geduldig Schlange vor dem KD- Carrotmob-Initiator Brent Schulkin: « Für Geld machen Firmen Markt, um dann gezielt zu kaufen, was sie sonst bei der Konkurrenz alles. » Bringt Klimabewusstsein Profi t, dann denken Unternehmen erstanden hätten. um, sparen Energie oder investieren in Solarzellen. Gemeinsam Für den KD-Markt ging die Rechnung auf. Anstelle der üblichen können Verbraucher einen wirtschaftlichen Anreiz setzen: Indem 2000 Dollar spülte die Kaufaktion des Carrotmob an diesem Tag sie ihre Einkäufe organisieren, schaffen sie Kaufkraft und Verhand­ 9276,50 Dollar in die Kasse. Geld genug, um sämtliche Lichtanlagen lungspotential. Wettbewerb wird neu defi niert. Honoriert wird das des Ladens zu sanieren und somit in Zukunft 887 KW/h Strom zu Unternehmen mit dem stärksten Umweltbewusstsein. Lassen sich sparen. David und Lee sind von der gemeinsamen Aktion begeistert: amerikanische Firmen darauf ein? « Das ist positive Kooperation. Die beste Firma gewinnt. Der Verbrau­ Brent hat es ausprobiert. In seiner Heimatstadt San Francisco cher gewinnt. Und die Umwelt gewinnt. » Und so will der Karot­ besuchte er 23 Getränkeläden und erzählte von seinem Vorhaben, tenmob wachsen. Nicht nur Einzelhändler, sondern große Unter­ ein umweltbewusstes Netzwerk von Verbrauchern zu schaffen. Sein nehmen sollen in Zukunft um die Kaufkraft des umweltbewussten Netzwerk würde den Laden belohnen, der den höchsten Anteil Verbrauchers buhlen. Brent nutzt dafür das Internet (http://carrot­ seiner Umsätze in Energiesparmaßnahmen investiere. mob.org). 2586 Mitglieder zählt seine Gruppe auf Facebook bereits. Die Angebote reichten von anfangs zehn Prozent zu letztlich 22 Weitere Netzwerke entstanden vor kurzem in Helsinki, Finnland, Prozent am Gesamtumsatz. David Lee vom KD-Markt zeigte das und sogar in Karachi, Pakistan. --- 12 GOING GREEN

Die erschöpften Begriffe

VON JOHANNES STÜTTGEN KÜNSTLER UND FREUND VON JOSEPH BEUYS GOING GREEN 13

«Ich behaupte, daß dieser Begriff SOZIALE PLASTIK eine völlig neue Kategorie … ist. Ich schreie sogar: es wird keine brauchbare Plastik mehr hienieden geben, wenn dieser SOZIALE ORGANISMUS ALS LEBEWESEN nicht da ist. Das ist die Idee des Gesamtkunstwerkes, in dem JEDER MENSCH EIN KÜNSTLER ist.» Joseph Beuys, 1982

Die Eigendynamik der Globalisierung ist nicht unbedingt identisch am Ende die Natur, gegen das System, längst auf die Seite des mit der des kapitalistischen Systems samt seiner ideologischen Menschen geschlagen – nur, der hätte es noch nicht begriffen? Ein Begriffl ichkeit. Insofern hat auch die dramatisch sich zuspitzende in der Tat phantastischer Gedanke, der die Begriffe NATUR, ökologische Problematik einen eigentümlichen Doppelcharakter, MENSCH und FREIHEIT, frei vom System, in ein ganz neues Licht den zu erkennen die Voraussetzung ihrer Lösung ist. Einerseits ist rückte! Frei vom System? Der Mensch immerhin hat das System sie die Folge der auf der Doktrin der hemmungslosen Profitmaximie­ gemacht, es ist seine genuine Freiheitsproduktion, gegen die Natur. rung basierenden, also kapitalistisch ausgerichteten Ökonomie, die Eine Freiheitsproduktion allerdings, die die Freiheit selbst aufhebt. von den Staatssystemen mitgetragen wird. Andererseits markiert sie Das System hat die Freiheitsmaxime längst für sich usurpiert und den äußersten Punkt der Entfaltung des innersten anthropologi­ spielt sie gegen ihren eigenen Generator aus. schen Urkonfl ikts Mensch-Natur, mithin der Freiheitsfrage. Der Mensch steht vor der Frage seiner BEGRIFFE. In ihrer Dieselbe Unterscheidung gilt für die Globalisierung. Zweifellos ist herkömmlichen, neuzeitlichen Form sind sie alle erschöpft – allem sie das systemimmanente Charakteristikum schlechthin in Konkur­ voran der FREIHEITSBEGRIFF und alle an ihm ausgerichteten renz mit der « von Natur aus » Begriffe wie KAPITAL/ globalisierten Natur. Darüber ARBEIT/STAAT/DEMO­ hinaus aber liegt es in der KRATIE/GELD/ÖKONO­ « Natur des Menschen », sich MIE, die sich in des Men­ in der Menschheit als schen eigenem Produkt, dem « ganzer » zu erfüllen, dies System, gegen die Natur, im konkret auf der Erde und Zuge der Globalisierung ins über sie hinweg. Das NICHTS aufl ösen. In ihrer schließlich läuft auf die finale Aufl ösung blockieren sie, Frage einer Übereinstim­ paradox, die Zukunft – solan­ mung von Mensch und Natur ge jedenfalls, wie der Mensch, hinaus. Aber genau dafür hat das Freiheitswesen, an ihnen das herrschende System festhängt, d. h. – paradox – keine Lösung. Unlösbar ist unfrei ist. Hier blitzt am diese Frage dennoch nicht. äußersten Punkt der Not des Dieser weitgehend bisher Menschen Innerstes auf: ein ausgeblendete Doppelcharak­ BEGRIFF, der IM BEGRIFF ter der Globalisierung stellt IST, sich aus seiner verkürz­ die systembedingte Überein­ ten Form zu BEFREIEN: der kunft und Überzeugung Freiheitsbegriff selbst in infrage, der Mensch-Natur- seiner höheren, erweiterten Konfl ikt sei identisch mit der Form. Geltend mit ihm macht System-Umwelt-Kollision. sich auch ein höherer Begriff Die Bodenlosigkeit dieser von NATUR. Grundüberzeugung der Hinter alldem steht die spätkapitalistischen Moderne Globalisierung als NOCH zeigt sich am Parallelvorgang NICHT BEGRIFFENER der nicht minder dramatisch BEGRIFF ihrer gebotenen werdenden Mensch-System-Kollision. Hier zeichnet sich eine bislang stimmigen Form – Joseph Beuys: die « Soziale Plastik » 1. Die Frage verdeckte und umso erstaunlichere Übereinstimmung, wenn auch nach der Stimmigkeit der Form ist seit altersher die Frage der Kunst. ex negativo, zwischen Mensch und Natur ab. In gleichem Maße, wie Sollte am Ende in ihr der Schlüssel der Erweiterung der Begriffe das System über die Natur herfällt, fällt es über den Menschen her verborgen sein? Diese Idee hat den Anschein des Verrückten. Das und höhlt dessen innerste Bestimmung aus, dessen Würde, Rechte, Verrückte an ihr ist die Verrückung eines Peripheriepunkts ins selbstbestimmte Arbeit und Teilhabe an ausreichender Versorgung. Zentrum. Die ökologischen Katastrophen führen vor, dass das mit der Natur nicht zu machen ist, parallel damit spitzt sich die Frage zu, ob das der Mensch mit sich machen lässt. --- An diesem Punkt steht der Begriff MENSCH selbst zur Dispositi­ 1 Mit dem Begriff « Soziale Plastik » versuchte Joseph Beuys, seine Vorstellung einer gesellschaftsverändernden Kunst zu erläutern. Er schließt in sein Kunstkonzept das on, das subjektive Selbstverständnis des Menschen ebenso wie seine menschliche Handeln, das auf die Strukturierung und Formung der Gesellschaft ausge­ objektive, in die Globalisierung sich emanzipierende Form. Hat sich richtet ist, mit ein. Zeichnung: Johannes Stüttgen 14 *

BLICKIN DIE 1

GESCHICHTE WIE 1929 … ODER GRUNDVERSCHIEDEN?

VON JOSCHA SCHMIERER

Was die Weltwirtschaftskrise 1929 vom heutigen Crash unterscheidet

Auf seiner ersten Pressekonferenz im Weltwirtschaftskrise erinnern, deren Beginn Einzelne gegangen werden – der Crash ist Weißen Haus zog Barack Obama einen auf den Oktober vor achtzig Jahren datiert da, er zieht seine Weiterungen. Wie weit dramatischen Vergleich und legte sich fest: wird, bleibt für Selbstzufriedenheit kein werden sie gehen? « Meine Administration erbte ein Defi zit von Platz. Die Republik ist herausgefordert, die Um hier Antworten zu fi nden, muss auch über einer Billion Dollar. Zugleich erbten wir Europäische Union wird getestet. Werden der Ökonom nach dem politischen Kontext aber die gewaltigste wirtschaftliche Notsitu­ die internationalen Integrationsbemühun­ fragen. Der größte Unterschied zwischen ation seit der Großen Depression. Wenn zu gen, die in der Globalisierung ihre Grundla­ 1929 und heute besteht darin, dass die wenig oder gar nichts getan wird, wird sie ge fi nden, sich gegen die Gefahren der Weltwirtschaftskrise damals auf den zu einem noch größeren Defi zit an Jobs, Fragmentierung, die der Globalisierung politischen Trümmern ausbrach, die der Einkommen und Vertrauen führen. Dieses immanent bleiben, behaupten können? Erste Weltkrieg hinterlassen hatte. Die Defi zit könnte aus der Krise eine Katastro­ 2009 wird kein Jahr guter Erinnerung, Bemühungen, zur Vorkriegssituation phe werden lassen. Und ich weigere mich, sondern ein Schlüsseljahr für die Zukunft. zurückzukehren, hatten sich in den 20er- dem tatenlos zuzusehen. So lange ich in Es wird sich entscheiden, ob der Crash in und bis in die 30er-Jahre hinein auf die diesem Amt bin, werde ich alles, was den USA in eine weltweite Depression Rückkehr zum Goldstandard und zu festen notwendig ist, unternehmen, damit dieses übergeht, gar in die politische, vielleicht Währungsbeziehungen konzentriert. Der Land wieder Tritt fasst. » Und notwendig sogar militärische Konfrontation von Versuch, den Weltmarkt wiederherzustellen, scheint zunächst, vor weiteren Schulden Mächten und neuen Blöcken mündet oder scheiterte nicht zuletzt an den Schuldver­ nicht zurückzuschrecken. Mit dem Hinweis ob die globale Integration institutionell hältnissen, die der Krieg zwischen Deutsch­ auf die Große Depression mahnte der gestärkt aus der Krise hervorgeht. Die Welt land und den Siegermächten, aber auch US-Präsident die Mitglieder des Kongresses steht nicht nur klimapolitisch, sondern auch zwischen Großbritannien und den USA zu Einigung und Eile bei der Verabschiedung politisch-klimatisch auf der Kippe. hinterlassen hatte. Die polarisierten des Antikrisenprogramms: « Die stärksten Ökonomisch lässt sich ein Crash zwar Machtverhältnisse standen im Widerspruch Demokratien (…) überleben, wenn Leute nicht exakt voraussagen, wenn es aber zu zum Wunsch, zu den ausbalancierten jeder Herkunft und jedes Bekenntnisses ihm gekommen ist, lässt er sich ganz gut Wirtschafts- und Währungsbeziehungen vor einen Weg fi nden, kleinere Differenzen erklären. Es geht ihm immer eine manische dem Krieg zurückzufinden. zugunsten eines größeren Vorhabens Phase voraus, mit den Hoffnungen, dass die Brach also die Weltwirtschaftskrise in hintanzustellen. Dieser Prüfung werden die Wertsteigerung von Besitztiteln gegenüber einer zerklüfteten Nachkriegslandschaft Vereinigten Staaten in diesem Winter voller den Gewinnerwartungen in Produktion und aus – das Kriegsende war gerade mal zehn Elend unterzogen. » Handel den Vorrang erringt. Bei Aktien etwa Jahre her –, so machten die politischen In Deutschland sind für 2009 schöne wird nicht mehr auf die Dividende gesetzt, Reaktionen aus ihr eine Zwischenkriegskrise. Gedenktage vorgesehen – an das Inkraft­ sondern auf den Profi t bei ihrem Verkauf. Nach dem Scheitern einer Rückkehr zum treten des Grundgesetzes und den Mauerfall. Aus Geld scheint mehr Geld zu machen zu Goldstandard zielten die Mächte auf die Wenn aber die aktuellen Ereignisse an die sein und das grenzenlos. Hier muss nicht ins Errichtung eigener Wirtschafts- und * 15

Währungsblöcke. Statt der Rückkehr zum 1989 beendete zwar einen Krieg, aber da freien Weltmarkt der Vorkriegszeit trium­ dieser nicht militärisch ausgetragen wurde, phierten nicht nur in Deutschland Protektio­ hinterließ er kein vergleichbares politisches nismus, Abwertungswettlauf und Festungs­ Trümmerfeld wie der Erste Weltkrieg, diese denken. In Wirtschaftsimperien wurde der « Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ». Die Ausweg gesucht und der lässt sich nicht Aufl ösung des Sowjetimperiums hatte nicht beschreiten ohne imperiale politische Macht. die Form einer militärischen Niederlage. Die Die entgegengesetzten, aber teilweise sich als Sieger des Kalten Krieges verstan­ durchaus gleichartigen Wege aus der Krise den, konnten keine Reparationen fordern. führten in Aufrüstung und Krieg. Erst der Mit dem Ende der europäischen Imperien Krieg, die Katastrophe, beendete eine Krise, hat sich das Verhältnis von kapitalistischer die in die Depression und machtpolitische Weltwirtschaft und der politischen Form, in Rivalität geführt hatte. der sie sich entfaltet, geändert. Die Vorstel­ Ben Bernanke, der amerikanische lung von Autarkie ist mit Imperien ver­ Notenbankchef, ist einer der besten Kenner knüpft, bietet aber für Staaten keine der Weltwirtschaftskrise von 1929. « Die Perspektive. Zwar besteht zwischen der Depression », so schreibt er im Vorwort zu Staatenwelt mit ihren Grenzen und Souve­ einer Sammlung von « Essays on the Great ränitäten und der Weltwirtschaft in ihrer Depression », « war eine unglaublich drama­ transnationalen Vernetzung ein Spannungs­ tische Episode, eine Zeit (…) der wilden verhältnis, dem die Gefahr der Fragmentie­ Währungsspekulation, voller Sturmwolken rung innewohnt. Durch Kooperation unter des Krieges, die sich im Hintergrund Staaten ist es jedoch regulierbar. zusammenzogen. » Trotz internationaler Institutionen wie In « Entfernte Verwandtschaft » hat der IWF, Weltbank und WTO können Staaten Historiker Wolfgang Schievelbusch auf die über ihre Antikrisenmaßnahmen freilich die Kriegsrhetorik hingewiesen, mit der der transnationalen Netze zerreißen und die Depression im jeweils eigenen Land zu Leibe internationale Integration sprengen. Die gerückt wurde: Rückgriff auf den Ersten Weltwirtschaft bleibt währungspolitisch den Weltkrieg, Vorgriff auf den Zweiten. Schie­ Staaten ausgeliefert. Das Zusammentreffen velbusch meint, einen « wundersamen von internationaler Verschuldung der USA Parallelismus » in den Antikrisenprojekten und ihrer Souveränität über die internatio­ und –mobilisierungen von Faschismus, nale Reservewährung enthält eine Menge Nationalsozialismus und New Deal zu Sprengkraft. Da Stützungsmaßnahmen für erkennen: « Alle drei bedurften zur Überwin­ die nationale Wirtschaft in Staatsform und dung ihrer Wirtschaftskrise einer Rüstungs­ damit innerhalb von Staatsgrenzen stattfin- konjunktur und letztlich des Krieges. » Dass den, ist ihr Übergang zu Protektionismus auch in den USA erst der Krieg ein Ende der fl ießend. Sie können damit zur Quelle Arbeitslosigkeit brachte, weiß natürlich heftiger Streitereien unter Staaten werden. auch Ben Bernanke. Zwar hätte sich nach Damit sind nur einige der Punkte VERSTÖRT: AKTIONÄRE AM SCHWARZEN Roosevelts Amtseinführung im März 1933 benannt, an denen Staaten Brüche in der DIENSTAG 1929 IN DER NEW YORKER WALL die wirtschaftliche Lage verbessert – zwi­ Weltwirtschaft herbeiführen und verschär­ STREET schen 1929 und 1933 war das Nationalpro­ fen und damit die Bedingungen schaffen dukt real um fast dreißig Prozent gesunken können, unter denen der Crash zur Depres­ –, « aber die Arbeitslosigkeit blieb das ganze sion ausufert, welche die Weltwirtschaft Jahrzehnt über zweistellig. Die Beschäfti­ versumpfen lässt. Dennoch macht gerade gung erholte sich erst mit dem Zweiten der Vergleich mit 1929 die viel günstigeren Weltkrieg. » Die Weltwirtschaftskrise hatte politischen Bedingungen deutlich, unter die Hoffnungen, an die Ansätze einer über denen die Weltgesellschaft heute mit der den Weltmarkt vermittelten Globalisierung Krise umgehen kann. Noch ist die Welt nicht wieder anknüpfen zu können, pulverisiert. in neue Blöcke auseinandergebrochen, sie Die imperiale Rivalität wurde potenziert zeichnen sich nicht einmal ab. Noch kann und verbaute vollends die Möglichkeiten die Kooperation der Staaten die Form bilden, einer kooperativen Überwindung der Krise. in der eine Depression vermieden wird. Seit 1989 und der vorausgehenden Wenn es der neuen US-Administration Öffnung Chinas gibt es im Wortsinn eine gelingt, ihre teuren Rettungsprogramme Weltwirtschaft. In einer globalisierten Welt nicht mit protektionistischer Abschottung zu globalisiert sich auch die Krise. Das uner­ fl ankieren, kann sie eine führende Rolle wartet schnelle und tiefe globale Ausgreifen spielen, um « Sturmwolken des Krieges » gar des Crashs folgt dieser Logik. Insofern geht nicht erst aufkommen zu lassen. Die USA das Ausmaß heute noch über die Dimension sind zur Finanzierung ihrer Programme des Crashs von 1929 hinaus. Aber der nicht zuletzt auf China angewiesen. Protek­ Foto: Edward N. Jackson, Foto freigegeben politische Kontext ist völlig verschieden. tionismus trüge suizidale Züge. --- 16 **

BLICKIN DIE 2

GESCHICHTE DAS REFORMPROGRAMM DES AMERIKANISCHEN NEW DEAL

VON REINHARD BLOMERT

Der Pakt zwischen Arbeitnehmern, Unternehmern und Staat in den 1930ern

Der Börsenaufschwung 1924 –1929 hatte zur New Era geführt, die Hoover hatte anfangs versichert, die Depression bestehe nur in der Vorstellung huldigte, dass man nur genügend Aktien kaufen der Fantasie. Er appellierte an die Unternehmer, keine Arbeiter zu müsse, und sei es mit Schulden, um reich und unabhängig von entlassen und die Löhne nicht zu kürzen, denn Arbeit sei keine eigenem Arbeitseinkommen zu werden. Der Boom beruhte auf Ware, und die größten Schocks sollten die Gewinne, nicht die Löhne falschen Versprechungen, auf Handel mit verbrieften faulen treffen. Doch während der Präsident einen Fonds aufl egte, der Krediten, Schwindelgeschäften und Gaunereien, die 1929 ein Konzernen, Banken und Versicherungen günstige Kreditschöpfungs­ dramatisches Ende fanden. möglichkeiten bot, und auch der Farm Board den Bauern großzügi­ Die Depression, in welche die Krise das Land stürzte, hatte ge Kredite gab und Weizenexporte subventionierte, beschwor er die jedoch tiefere Ursachen. Im Weltkrieg hatte die US-Landwirtschaft Gefahren, die eine direkte Hilfe für Arbeitslose mitsichbringen für die steigende Lebensmittelnachfrage der Alliierten produziert. würden. Die sozialpolitischen Maßnahmen, die er ergriff, be­ Der Exportmarkt brach weg und ab 1921 kämpften die Farmer mit schränkten sich auf die Unterstützung öffentlicher Arbeiten nach Absatzschwierigkeiten. Immer mehr mussten Ländereien und Höfe dem Vorbild des englischen Almosensystems aus der Zeit von verpfänden. Da sich die Exportchancen nicht besserten, konnten die Königin Elizabeth I. Hatte Hoover vor der Wahl jedem amerikani­ Hypotheken nicht zurückgezahlt werden, und nun wurden auch die schen Bürger zwei Autos in der Garage versprochen, erfuhren diese Hypothekenbanken von der Krise betroffen. Ab 1921 verschwanden nun im Grunde dieselbe Behandlung wie die Armen im England des jährlich rund 600 Banken und mit ihnen die Spardepositen. Von den 16. Jahrhunderts. 30 800 Banken des Jahres 1921 gab es 1933 nur noch 15 200. Die Hoover-Regierung wartete vergeblich auf ein Ende der Eine weitere Krisenursache war die extensive Rationalisierung in Depression. Nach vier Jahren entschieden sich die Wähler für der Industrie in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre. Die Produktivität Franklin D. Roosevelt. Von März bis Juni 1933 erließ der neue stieg. Zwar sanken die Löhne nicht, wohl aber die Zahl der Beschäf­ Präsident eine Welle von Gesetzen zur Regulierung der Märkte, tigten und damit die Nachfrage. Die Schere zwischen Kaufkraft und gefolgt von einem steten Strom von Maßnahmen, die die Wirtschaft Produktivitätssteigerung öffnete sich immer weiter und damit fielen stabilisieren sollten. all die großen und irrealen Erwartungen, die zum Aufstieg der Zunächst nahm sich Roosevelt der Bekämpfung unsolider Banken Börsen beigetragen hatten, in sich zusammen. Verkaufsausfälle, an. Ihr Widerstand gegen die Reformen wurde durch die öffentliche sinkende Absatzzahlen und Entlassungen – die Konsumkurve sank, Anhörung der Banking and Currency Commission gebrochen, die die Zukunftsprognosen verschlechterten sich. Dann investierte Wall auch den letzten Winkel der Wall Street durchleuchtete und nicht Street nicht mehr. Der Zirkel war geschlossen. allein geschäftliche Gaunereien und Schiebereien aufdeckte, Die Schlangen der Arbeitslosen vor den Suppenküchen wurden sondern den Granden der Wall Street auch Steuerhinterziehung länger. Vor 1933 gab es noch keine Arbeitslosenstatistiken, aber aus nachwies – etwas, wofür die Amerikaner kein Verständnis aufbrach­ den Zahlen privater Organisationen und der Kommunen ergibt sich ten. Die Finanzmarktreform mit der Einrichtung der Börsenaufsicht eine Arbeitslosigkeit, die unter Präsident Hoover von 3,2 Millionen (Securities and Exchange Commission – SEC) und der Einführung im Januar 1930 auf 13,25 Millionen im April 1933 stieg, um dann des Trennbankensystems (Glass-Steagull-Act) führte dazu, dass es langsam zu fallen. Jahrzehnte dauern sollte, bevor es wieder zu Bankenskandalen kam. ** 17

FRANKLIN D. ROOSEVELT FRÖHLICHES TREIBEN IN DER GROSSEN DEPRESSION: BEIM TENNESSEE VALLEY PROJECT ENTSTAND DAS FREIZEITGELÄNDE BIG RIDGE STATE PARK

Am 18. Mai 1933 unterzeichnete der Präsident das Gesetz zur Lebensmittelmärkten heraufsetzen zu können. Und sie erhob Gründung der Tennessee Valley Authority. Damit entschied er die Steuern auf die lebensmittelverarbeitende Industrie, die den Bauern Frage, ob die öffentliche Hand auch Energieversorger sein darf. in Form von Boni transferiert wurden. Roosevelt hatte schon als New Yorker Gouverneur die Position Roosevelts Maßnahmen wurden zwar vom Kongress befürwortet, vertreten, dass Energieversorgung nur unter einer Bedingung in aber die Gerichte erschwerten die Durchführung. Im Januar 1935 privater Hand bleiben darf: Es müsse gewährleistet sein, dass die erklärte das Oberste Gericht einen Teil der New Deal-Gesetze für Kunden nur den niedrigsten Preis zahlen müssten, der den Investo­ verfassungswidrig. Von Januar 1935 bis Mai 1936 verwarf es ren noch einen fairen Ertrag ermöglichte. Dieses Prinzip sollte nach weitere elf Gesetze (darunter die Mindestlohnregelung und die seiner Amtsübernahme mit dem Public Utility Holding Act 1936 Höchstarbeitszeit). Auch Teile des Agricultural Adjustment-Gesetzes, Leitkurs der amerikanischen Energieversorger werden, deren Preise mit dem der Nichtanbau von Gütern wie Baumwolle, Weizen, Reis bis zum Beginn der Ära Bush sen. in den meisten Bundesstaaten und Tabak prämiert und Verarbeitungsbetrieben eine Steuer nach diesem Prinzip kontrolliert wurden. auferlegt worden war, erklärte es für verfassungswidrig. Das Staudammprojekt am Tennessee, das gegen Klagen privater Die USA waren damit aus einer Wirtschaftskrise in eine Verfas­ Stromversorger durchgesetzt wurde, war ein Großprojekt, das sungskrise geraten. Im November 1936 wurde Roosevelt mit mehrere Flüsse und Täler umfasste und nach neuesten Erkenntnis­ überwältigender Mehrheit wiedergewählt. Inzwischen hatten sich sen geplant und « mit der Natur, nicht gegen sie » gebaut wurde. jedoch die Mehrheiten verändert. Eine Reihe der höchstrichterlichen Strom und Wasser sollten vor allem den Gemeinden, den Bürgern Anti-New-Dealer trat zurück, andere starben und Roosevelt konnte und Bauern zugute kommen, die sich sonst die Leitungen nicht das Gericht mit neuen, freundlicher gesinnten Richtern besetzen. hätten leisten können. Sein New Deal fand in der Folge auch auf Seiten der Justiz die Neben diesen und ähnlichen Großprojekten fanden auch notwendige Unterstützung – staatliche Kompetenzen wurden auf Vorschläge für das direkte staatliche Eingreifen bei der Festlegung allen Ebenen gestärkt, Eingriffe des Bundes in die Wirtschaft von Löhnen, Produktion und Beschäftigung Zustimmung und zwar bildeten keinen Tabubruch mehr, sondern eine von allen gesell­ sowohl in der Geschäftswelt als in der Arbeiterschaft. Diese mussten schaftlichen Gruppen erwünschte Unterstützung des Gemeinwohls. Mindestlöhnen und den im Umfang begrenzten Produktionsvolumi­ Die Volkswirtschaft der USA hatte nicht an Knappheit gelitten, na zustimmen, welche die « unfaire Konkurrenz » beenden sollten. sondern an einer Überproduktion, die zur Verschwendung von Die Instrumente der National Recovery Administration bestanden Ressourcen geführt hatte. Der New Deal war eine Lösung für die einerseits in der Verkürzung der Arbeitszeit und der Erhöhung der ökonomischen Probleme. Doch die Ideen des New Deal gingen Löhne durch Anerkennung der Tarifhoheit der Gewerkschaften darüber hinaus: Man fi ndet in ihnen auch die Handschrift der (Labor Relations Act, Wagner Act), andererseits in der Verschonung amerikanischen Naturschutzbewegung 1. Der New Deal: also ein der Unternehmer von Anti-Trust-Gesetzen. Sie konnten sich nun gutes Vorbild für einen Green New Deal? zusammenschließen, um Preise abzusprechen. Die Agricultural 1 Präsident Franklin D. Roosevelt ließ viele von seinem Vetter Theodor Roosevelt gegrün­ Adjustment Administration (AAA) unterstützte die Landwirtschaft dete Nationalparks ausbauen und führte Jagdscheine ein, um die Wildpopulation vor dem

Fotos: Tennessee Valley Authority; Elias Goldensky, Library of Congress durch die Drosselung der Produktion, um die Preise auf den Aussterben durch ungeregelten Abschuss zu bewahren.--- E TE K C18K H *** DIE BLIIN HICC 3 SGE Fotos (l–r): AVANIR NIKO/AFP/Getty Images; ANTONIO SCORZA/AFP/Getty SIMON MAINA/AFP/Getty Images *** 19

Unter Beobachtung. Die Umweltkonferenzen der Politi­ ker finden stets im Licht und unter Druck der Öffentlich­ keit statt. In Rio de Janeiro sind zur Eröffnung des Welt­ gipfels am 30.5.1992 Hunderttausende zusammenge­ strömt, die Beratungen der NGOs verlaufen parallel zu denen der Politik. Journalisten fragen William Reilly, Direktor der US-Environmental Protection Agency, nach den Taten der USA gegen den Klimawandel. Und US-Senator Barack Obama darf 2004 der Umweltaktivis­ tin und ersten afrikanischen Nobelpreisträgerin Wangari Maathai bei ihrem Kampf gegen die Versteppung helfen, einen Baum zu pflanzen. Doch die Zeiten symbolischer Aktionen sind vorbei, bei der UN-Konferenz in Kopenha­ gen Ende November 2009 wird der entscheidende Durch­ bruch in der globalen Klimapolitik erwartet. 20 ****

BLICKIN DIE 4 GESCHICHTE Ein halbes Jahrhundert Umweltpolitik

Meilensteine auf dem Weg zum Green New Deal

Aufl ebendes Bewusstsein 1952 Nobelpreis für (« Ehrfurcht vor dem Leben ») MIT IHREM BUCH BEGANN DIE 1962 Rachel Carson: « Silent Spring » (Der stumme Frühling). Mit AMERIKANISCHE UMWELTBEWEGUNG: dem Erscheinen dieses Buches begann die US-amerikanische RACHEL CARSON. Öko-Bewegung. 2004 Nobelpreis für Wangari Maathai (« Waldschutz ») 2007 Nobelpreis für IPCC (« Klimawandel ») und Al Gore (« Klimaschutz »).

Folgenreiche Umweltkatastrophen AUFRÄUMARBEIT IN SEVESO. 1976 Seveso. Schwerer Störfall durch Emission des hochgiftigen DIE EXPLOSION IN EINEM CHEMIEWERK Stoffes TCDD mit gravierenden gesundheitlichen Schäden SETZTE DIOXINE FREI UND ERFORDERTE (Chlorakne); gesetzliche Konsequenzen: Störfallverordnung, DIE EVAKUIERUNG DER MENSCHEN AUS DER GESAMTEN REGION. Chemikaliengesetz, Seveso-Richtlinie. 1984 Bhopal. Freisetzung von Methylisocyanat mit schweren Schädigungen von Mensch und Tier. 1986 Tschernobyl. Die nukleare Umweltkatastrophe führte zu einer weltweiten Re-Aktivierung der Anti-Atom-Bewegung.

Bedeutende internationale Beschlüsse 1972 Erste UN-Umweltkonferenz in Stockholm. Globales Erwa­ chen. Gründung des UN-Umweltprogramms (UNEP); Bericht an den Club of Rome: « Limits to Growth» (Grenzen des Wachstums). Das Buch über Ressourcenverknappung und ökologische Grenzüberschreitung war nicht nur in Deutsch­ land ein Bestseller. 1982 UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro. Ratifi zierung des globalen Reformwerks « Agenda 21 » und Annahme bedeuten­ der UN-Konventionen (Klima, Biodiversität, Wüstenausbrei­ tung, Chemikalien) mit vertraglicher Verankerung des Nach­ UMWELTKONFERENZ IN haltigkeits- und des Gerechtigkeitsprinzips. RIO. DIE «AGENDA 21» 1987 Montreal. Protokoll zur Drosselung, später zum Ausstieg aus WURDE HIER RATIFIZIERT.. Produktion und Nutzung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW); historisch der Beginn des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft. 1994 Reform der wichtigsten Umweltfi nanzinstitution (Globale Umweltfazilität – GEF II), Einrichtung der Kommission zur Nachhaltigen Entwicklung (CSD). 1997 Vereinbarung und Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz.

Effektive Gesetze DAS ERNEUERBARE-ENERGIEN­ 2000 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Urfassung und Novel­ GESETZ (EEG) FÜHRTE ZU EINEM lierung. Erfolgreichste institutionelle Innovation für Umwelt­ ERSTEN BOOM DER SOLAR­ schutz und nachhaltige Entwicklung. INDUSTRIE. 2008 Angepasste Übernahme des EEG in mehr als fünfzig Ländern.

Zusammengestellt von Udo E. Simonis Fotos (von unten nach oben): National Geographic/Getty Images; picture-alliance/dpa; picture-alliance/maxppp; AP AUF ZUKUNFT GESETZT 21

Made in America VON ARNE JUNGJOHANN HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG, BÜRO WASHINGTON

der ökologischen Modernisierung zusam­ Obama will die USA men. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. ökologisch modernisieren, So sind im Konjunkturpaket insgesamt mehr die Wirtschaft ist längst als achtzig Milliarden Dollar für die Ökologi­ sierung der Infrastrukturen vorgesehen: 18 dabei Milliarden für den Ausbau der Energienetze, mehr als 22 Milliarden für Altbausanierung und Energieeffi zienz, 16 Milliarden für die Bahn und mehr als 20 Milliarden für erneuerbare Energien. Doch Geld allein wird für einen echten Strukturwandel nicht ausreichen. In einem atemberaubenden Tempo hat Obama in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit per präsidialer Vollmacht die Umweltbehörde tagsüber der überschüssige Strom aus den EPA gestärkt und den Bundesstaaten grünes Autos zurück ins Netz gespeist. Der Verkauf Licht dafür gegeben, strengere Verbrauchs­ zur nachfragestarken Mittagszeit beschert standards für PKWs einzuführen. Die harten Google nicht nur gute Umsätze, sondern Auseinandersetzungen über Amerikas hilft dabei, das oft überlastete kalifornische grünen Kurs stehen allerdings noch bevor. Stromnetz zu stabilisieren. Zwar verfügen die Demokraten in beiden Aber es sind nicht nur die üblichen Kammern des Kongresses über eine Mehr­ Verdächtigen aus dem Silicon Valley, die von heit, doch werden Debatten zur Einführung sich reden machen. Der Öl-Milliardär T. einer erneuerbaren Energienquote, zum Boone Pickens plant massive Investitionen Aufbau des Emissionshandels oder zur in Windkraft, um die Abhängigkeit von Beteiligung der USA an einem internationa­ Ölimporten zu reduzieren. Der Republikaner Dieser Tage staunt man nicht schlecht als len Klimavertrag auch im demokratischen will einen Wind-Korridor errichten, der sich Europäer in Washington. Da wird ein Lager höchst kontrovers diskutiert. von der kanadischen Grenze bis nach Konjunkturprogramm von rund 790 Und was macht die Wirtschaft? Kaliforni­ West-Texas zieht. Dass dabei gutes Geld zu Milliarden Dollar just in dem Land ange­ en hat schon zu Zeiten der Bush-Regierung verdienen ist, steht außer Frage. Schon schoben, in dem den Märkten noch immer die Grüne Revolution ausgerufen. Das heute speisen Windfarmen in Texas den grundsätzlich viel zugetraut, dem Staat aber Start-up-Unternehmen Project Better Place Strom fast zum Nulltarif ins Netz, weil die gerne misstraut wird. Und während im hat das so einfache wie brilliante Konzept Windlage so ertragreich ist und die Anlage deutschen Konjunkturpaket die einzig entwickelt, Elektroautos wie Handys zu über die Steuererstattung der Investition umweltrelevante Maßnahme eine zweifel­ vermarkten: verkauft werden Strom und bereits gegenfi nanziert wurde. hafte Abwrackprämie für Altautos ist, Batterien über die Vertragslaufzeit, das Auto Nach acht Jahren umweltpolitischer werden in den USA schon bald Milliarden in von Nissan gibt es fast für lau dazu. Israel, Durststrecke ist die grüne Aufbruchstim­ die ökologische Modernisierung des Landes Dänemark und Hawaii werden als Pionier­ mung in den USA mit den Händen greifbar. investiert. Verkehrte Welt? märkte ab 2011 in Angriff genommen. Das Investitionspaket mit seinen Milliarden Schon im Wahlkampf hat Barack Obama Keine fünf Meilen von Project Better für grüne Infrastrukturen wird von vielen die ökologische Innovation und den Umbau Place entfernt investiert der Web-Riese aus der Umweltbewegung schon jetzt als des Energiesystems ins Zentrum seiner Google Millionen in die intelligente Nutzung historischer Meilenstein gefeiert. Die innenpolitischen Agenda gerückt. Statt in erneuerbarer Energien. Den Mitarbeitern Mischung aus viel Geld, neuem politischen Zeiten der Wirtschaftskrise den Umwelt­ wird ein Bonus beim Kauf eines Plug-in- Willen und einer kreativen business commu­ schutz hintanzustellen, denkt die neue Hybrids gezahlt. Über Nacht werden die nity legt den Grundstein für ein grünes US-Administration die wirtschaftliche mit Batterien der Fahrzeuge aufgeladen, Amerika. --- 22 AUF ZUKUNFT GESETZT

« Walk the talk! Den Mut haben, Krise und Strukturwandel gemeinsam anzugehen. »

Gerd Rosenkranz sprach mit der Spitzenkandidatin von Bündnis 90 / Die Grünen Renate Künast AUF ZUKUNFT GESETZT 23

Das Ergebnis ist bekannt. Droht eine Neuauflage? « Alle reden von der Wirtschaft, wir reden vom Klima »? Wie die meisten Menschen lernen auch die Grünen aus Fehlern. Klimaschutz ist eine absolute Notwendigkeit. Aber es gibt ja noch eine andere Dimension. Selbst der Unternehmensberater Roland Berger kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der heute schon 1,8 Millionen Umweltarbeitsplätze bis 2020 verdoppeln lässt. Die Grünen zeigen, wie man das erreicht. Bei den erneuerbaren Energien und in der ökologischen Landwirtschaft haben wir das schon bewiesen. Jetzt nehmen wir uns die Chemiebranche, die Automobilindustrie und den Maschinenbau vor.

Die Grünen als Wirtschaftspartei, das wäre ja mal was Anderes. Frau Künast, Das liegt gar nicht so fern, wie Sie meinen. Es gibt in Deutschland eine Wirtschaftspartei für die Besserverdiener, eine andere zum Erhalt der alten Strukturen und schließlich eine zur Sicherung sinnloser Subventionen. Wir sind die Partei, die auf eine nachhaltige, im Krisenmanagement der Bundesregierung kommen Umwelt und klimaverträgliche Wirtschaftspolitik für die mittlere und lange Sicht Klimaschutz faktisch nicht vor. Wird die Weltwirtschaftskrise auch zu setzt. Da füllen wir eine Lücke. einer Konjunkturkrise für die Umweltpolitik? Jedenfalls kommt es mir vor, als würde ein Vorhang gelüftet und es In der Krise ändert sich das Verhältnis von Politik und Wirtschaft. Die erscheint eine Bundesregierung ohne Konzept und ohne Ziel. Früher Wirtschaft kommt als Bittsteller und eröffnet der Politik ungeahnte galt ja gerade der Kanzlerin Klimaschutz als zentrales Politikfeld. Gestaltungsmöglichkeiten … Davon fi ndet sich im Krisenmanagement der Regierung nichts … ja, Möglichkeiten, nur nutzt die Bundesregierung sie nicht. Die wieder. Rettungspakete werden in den Bankzentralen entworfen, die sie erst notwendig gemacht haben. Und in großen Anwaltskanzleien, die Greift die Regierung nicht nur eine verbreitete Stimmung auf, die von der Industrie dafür bezahlt werden. So sieht das Primat der lautet: Jetzt geht es um Arbeitsplätze, alles andere muss angesichts Politik derzeit aus. Die Politik der Regierung orientiert sich zu wenig der Dimension der Krise warten? am Gemeinwohl, sie muss aufhören, die Autorenschaft für Zukunfts­ Aber eine solche Reaktion missachtet die Gesetze der Naturwissen­ gesetze in die Hände derjenigen zu legen, die in der Automobilindu­ schaften. Der Klimawandel macht ja keine Pause, weil wir uns in strie, bei der Chemie oder in der Energiewirtschaft immer nur eine Finanzkrise manövriert haben. Es ist ein fundamentaler Fehler, weitermachen wollen wie bisher. Das derzeitige Krisenmanagement Klima- und Wirtschaftskrise gegeneinander auszuspielen. Beides läuft darauf hinaus, dass wir der jungen Generation Schulden in gehört zusammen. Wer heute Geld für den Erhalt von Arbeitsplätzen beispielloser Dimension hinterlassen und sie dafür nicht einmal eine in die Hand nimmt, wird morgen bereuen, wenn er daran nicht modernisierte Wirtschaft erhält. ökologische Bedingungen geknüpft hat. US-Präsident Barack Obama stellt sich hin, nennt die Krise eine Wirtschaftswissenschaftler plädieren dafür, Maßnahmen zur Stützung Chance und alle sind begeistert. Warum ist so etwas in Deutschland der Konjunktur und solche zur Beschleunigung des Strukturwandels undenkbar? auseinanderzuhalten. Auch Barack Obama ist kein Wunderheiler. Aber er hat den Mut, Das halte ich für kurzsichtig. Natürlich wirken strukturverändernde Krise und Strukturwandel zusammenzudenken. Da spielt er in einer Eingriffe nicht von heute auf morgen. Aber jede Stützung der anderen Liga als die Bundesregierung. Er hat im Wahlkampf Konjunktur muss eine zweite Dividende erbringen – für Ökologie, Wechsel und Neubeginn versprochen. In den USA gibt es die Klima und Ressourcenschutz. Die chemische Industrie hatte mit Aufforderung « Walk the Talk! » Angela Merkel tut nicht, was sie sagt, ihrer Pestizidlastigkeit ja schon vor der Krise Probleme. Da müssen sondern macht Versprechungen für das Jahr 2050. Das ist der die nun neue Schwerpunkte setzen. Die Autoindustrie muss Autos Unterschied. bauen, die die Leute auch noch kaufen können, wenn das Barrel Öl im nächsten Aufschwung 200 Dollar kostet. Sonst sind die Arbeits­ Hand aufs Herz, ist das tatsächlich vorrangig eine Frage der Regie­ plätze spätestens dann weg. rung? Oder reagieren die Deutschen auf Krisen einfach anders als die Amerikaner? Immerhin, die Regierung nimmt für die energetische Gebäudesanie­ Der Eindruck, dass drüben etwas Anderes geschieht als hier, trügt ja rung erheblich mehr Geld in die Hand. nicht. Trotzdem bin ich erst überzeugt, wenn Obama sich auch Das ist ja richtig, bleibt aber gleichzeitig halbherzig, weil es nicht durchsetzt gegen die Beharrungskräfte im eigenen Land, etwa im abgesichert ist durch klare Energieeffi zienzstandards, insbesondere Zusammenhang mit dem Kyoto-Folgeprotokoll. In Deutschland für den Gebäudebestand. Man muss den Mut haben, die Mieter mit brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über die Wirtschafts- entsprechenden Rechten auszustatten, wenn die Vermieter nicht von und die Klimakrise. Das kann die Politik nicht alleine. Ich halte es sich aus Wärme dämmen. Das würde Arbeit schaffen und die Kosten für wichtig, in diesem Wahljahr auch die Grundprämissen unseres für die Warmmiete dämpfen. Das wäre dann kein Strohfeuer, Lebens und Wirtschaftens zu thematisieren. Wie wollen wir in sondern eine echte Richtungsänderung. Zukunft leben? Wie schaffen wir es, nicht länger auf Kosten der Jungen zu leben und auf Kosten derjenigen, die am anderen Ende Ihre Partei zog im Einheitsjahr 1990 unter der Parole « Alle reden von des Globus schon heute die Folgen unserer Lebensweise zu spüren Foto: Joachim Loch Deutschland. Wir reden vom Wetter » in den Bundestagswahlkampf. bekommen? --- 24 AUF ZUKUNFT GESETZT «ERENE» – ein Deal, bei dem alle gewinnen

VON MICHAELE SCHREYER EHEMALIGE EU-KOMMISSARIN

Stimulus für eine nachhaltige Energieversorgung in Europa

Eindringlicher, aber auch ermutigender Diese neue Gemeinschaft muss also die hätte das Plädoyer von Al Gore auf dem Kompetenz haben, Weltwirtschaftsgipfel in Davos für einen durch die Förderung von Forschung, « Green stimulus » nicht ausfallen können: den Bau von Demonstrationsanlagen, ein Plädoyer für Maßnahmen, weltweit die der Gründung gemeinsamer Energieversorgung auf erneuerbare Ener­ Unternehmen, gien umzustellen. Konkret hieß das bei Al der Entwicklung eines gemeinsamen Gore, ein umspannendes intelligentes Fördersystems für Investitionsanreize Stromnetz zu schaffen, mit dem sauberer Strom zum Beispiel aus den sonnigen zur Errichtung eines europäischen Verbund­ Staaten des amerikanischen Südwestens netzes beizutragen und so einen Binnen­ und aus den Windkorridoren der Bergregio­ markt für erneuerbare Energien zu schaffen. nen zu den großen Städten und den Orten «ERENE» wäre ein Deal zwischen Staaten des Verbrauchs transportiert wird. Ein der Energie-Avantgarde. Ein Deal zwischen Stromnetz, das in der Lage ist, Nachfrage denjenigen, die über weit mehr Potenzial für wie Angebot effi zient zu managen. die Erzeugung von grünem Strom verfügen, Es ist genau diese Idee, die auch «ERE­ als sie selbst brauchen, und denen, die das NE» (Europäische Gemeinschaft für Erneu­ Ziel des vollständigen Umstiegs nicht, erbare Energien) zugrundeliegt. Europas zumindest nicht ökonomisch erreichen Reichtum ist seine Vielfalt. Auch im Energie­ können. Ein Deal, in denen die einen das bereich. Aufgrund seiner klimatischen, Know-how, die industrielle Kapazität oder geologischen, hydrologischen Vielgestaltig­ zukünftige Strombedarf. Es ist Europa also die Finanzen einbringen und andere ihre keit verfügt Europa über alle erneuerbaren möglich, den Strombedarf vollständig aus erneuerbaren Energiequellen. Es ist ein Deal, Energiequellen: Wind, Wasser, Sonne, erneuerbaren Energien zu decken. bei dem alle gewinnen: mehr Energiesicher­ Erdwärme, Biomasse. Aber natürlich sind Bisher wird in der EU nur ein kleiner Teil heit, wachsende Unabhängigkeit von den diese räumlich nicht gleich verteilt, sondern dieses Potenzials genutzt. Im Jahr 2005 fossilen Ressourcen mit schwankenden und in regional unterschiedlichen Konzentratio­ waren es im Durchschnitt gerade mal zehn im Trend steigenden Preisen, moderne nen und Kombinationen anzutreffen – mit Prozent. Auch wenn seither das Tempo beim Technologien, zukunftsträchtige Arbeits­ dem höchsten Potenzial für Wasserkraft in Ausbau erneuerbarer Energiequellen stieg, plätze und eine Verringerung der immensen Skandinavien und den Zentralalpen, für ist klar: Europa beginnt gerade erst, seine Risiken des Klimawandels. Solarkraftwerke in den Mittelmeerstaaten, eigenen reichhaltigen erneuerbaren «ERENE» – das könnte ein faszinierendes Geothermie im Südosten Europas, für Energiequellen zu nutzen. Modellprojekt, ein « grüner Stimulus » in Windkraft entlang den Küsten und mit den Die EU hat nun beschlossen, dass bis zum Europa sein, ein Projekt mit hoher Rendite, höchsten Biomassepotenzialen im Norden Jahr 2020 der Anteil erneuerbarer Energien das konjunkturelle Impulse mit einem und Nordosten. am Gesamtverbrauch zwanzig Prozent ökologischen Strukturwandel verbindet und Zusammen, so die detaillierte Analysen erreichen soll. Das ist erfreulich. Durch das die großen Vorteile gemeinsamen des Deutschen Zentrums für Luft- und nationale Aktionspläne sollen die jeweiligen europäischen Handelns nutzt. Der Wettbe­ Raumfahrt, verfügen die Mitglieder der Ziele erreicht werden. Den Mitgliedstaaten werb um die besten grünen Ideen wurde Europäischen Union, dazu Norwegen, Island jedoch, die vorangehen und all ihren Strom von den USA jetzt eröffnet. Mit «ERENE» und die Schweiz, über ein Potenzial an aus erneuerbaren Energiequellen decken könnte Europa die Nase vorn behalten. grünem Strom, das erheblich größer ist als wollen, soll mit «ERENE» diese Möglichkeit der gesamte heutige und wohl auch gegeben werden. Download der Studie: www.boell.de/erene--- AUF ZUKUNFT GESETZT 25

Grüne Streifen am Horizont VON ACHIM STEINER DIREKTOR DES UN-UMWELTPROGRAMMS

Das Konzept «Global Green New Deal», welches das UN-Umweltprogramm (UNEP) im Oktober 2008 auf den Weg gebracht hat, ist eine direkte Reaktion auf die aktuelle Wirtschafts- und Beschäftigungskrise. Wenn die Konjunkturpro­ gramme des Green New Deal jedoch klug eingesetzt werden, könnten sie weit reichende Transformationsprozesse auslösen und Voraussetzungen für die dringend benötigte nachhaltige « Grüne Wirtschaft » des 21. Jahrhunderts schaffen. Zum Stand der Dinge.

Weltweit wurden zur Bekämpfung der aktuellen Krise 2,5 bis drei Auch in Südafrika hat die regierungsgestützte Initiative Working Billionen Dollar mobilisiert. Zusammen mit den Billionen Investo­ for Water mit ihren gut 30 000 Beschäftigten erkannt, welche rengeldern, die in den Depots darauf warten, gewinnbringend Chancen die Krise birgt. Das Land wendet jährlich sechzig Millionen eingesetzt zu werden, bieten sie eine Chance, die noch vor einem Dollar für die Bekämpfung invasiver, gebietsfremder Pflanzenarten Jahr undenkbar gewesen wäre: die Chance, einen effi zienten und auf. So sollen Bäume und Sträucher wie die nichteinheimische intelligenten Kurs einzuschlagen, der nicht nur die Probleme von Akazie zurückgedrängt werden, weil sie eine Gefährdung der heute, sondern auch die sich abzeichnenden Bedrohungen – Klima­ einheimischen Tierwelt, von Wasservorräten, Ackerland und der wandel, Ressourcenknappheit, Biodiversitätsverluste, wichtigen Touristenziele darstellt. Die « Ernte » dieser invasiven Wassermangel – angeht. Pfl anzen stellt vierzig Millionen Tonnen Brennstoff für Kraftwerke In den USA will Präsident Obama mit einem großen Teil seines bereit und entsprechen rund 5000 zusätzliche Arbeitsplätze und ca. 825-Milliarden-Dollar-Konjunkturpakets erneuerbare Energien 500 Megawatt neu gewonnenen Strom – dies entspricht zwei ankurbeln, Eigenheime wärmedämmen und das ineffiziente Prozent des landesweiten Elektrizitätsbedarfs. Stromversorgungsnetz des Landes verbessern. Damit könnten Es zeigt sich, dass einige Länder Umweltinvestitionen bewusst als schätzungsweise fünf Millionen sogenannte Green-Collar-Jobs Chancen für einen Wiederaufschwung betrachten. Andere sind geschaffen und ein Motivationsschub für die Bauwirtschaft und die unsicher, ob sich Investitionen in Ökosystemleistungen wie die Technikbranche ausgelöst werden. Zugleich würde Amerika wieder Kohlenstoffeinlagerung in Wäldern oder in erneuerbare Energien an die Aufgabe herangeführt, ernsthaft den Klimawandel zu für die achtzig Prozent der Bevölkerung Afrikas, die ohne Stromver­ bekämpfen und Energiesicherheit herzustellen. sorgung leben, auszahlen. Wieder andere wissen einfach nicht, wie Auch Südkorea, das zum ersten Mal seit gut fünf Jahren Arbeits­ sie auf den Zug aufspringen können. plätze verliert, hat jenseits der trostlosen Konjunktur den « grünen Anfang Februar hatte die UNEP einige Wirtschaftswissenschaftler Streifen am Horizont » ausgemacht. Die Regierung von Präsident Lee zum Sitz der UNO in New York eingeladen. Dort wurde eine Myung-Bak will 38 Milliarden Dollar in ein Beschäftigungspro­ Strategie für einen Global Green New Deal ausgearbeitet, der auf gramm investieren, das die Reinigung der vier wichtigsten Flüsse die unterschiedlichen nationalen Herausforderungen reagieren und des Landes und die Verringerung von Katastrophenrisiken durch Regierungschefs wie Ministern aus aller Welt helfen soll, Konjunk­ den Bau von Uferverstärkungen und Wasseraufbereitungsanlagen turprogramme zu entwickeln, die an mehreren Fronten parallel auf vorsieht. Zu den Elementen dieses Green New Deals gehört zudem die Probleme antworten. der Aufbau umweltfreundlicher Verkehrsnetze. Ein Hochgeschwin­ Wenige Tage später wurden diese Empfehlungen den über digkeitszug und Hunderte Radwegkilometer sind geplant sowie die hundert Umweltministern vorgestellt, die auf der Ratssitzung der Erzeugung von Energie aus dem auf Abfalldeponien entstehenden UNEP und dem globalen Umweltforum in Nairobi anwesend waren. Methangas. Das kurz- wie langfristig ausgerichtete Maßnahmenpa­ Ihre Reaktionen zeigen, dass der GND Fahrt aufnimmt. ket umfasst auch Investitionen in die Autoindustrie zur Weiterent­ Auf die Frage, warum Großbritannien ausgerechnet in Rezes­ wicklung der Hybridfahrzeugtechnik. sionszeiten in Windkraft und Elektroautos investiert, bekannte sich Ähnliche Beschäftigungspakete im Sinne eines Green New Deal Premierminister Gordon Brown klar zum Rettungsboot des Global wurden in China, Japan und Großbritannien geschnürt. Wichtig Green New Deal: « Die Umwelt », so Brown, « ist Teil der Lösung. » sind solche Maßnahmen auch für sich entwickelnde Volkswirtschaf­ ten wie Kenia oder Laos – nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern auch zur Armutsbekämpfung und zur Schaffung neuer Erwerbsquel­ --- len in Zeiten ungewisser Rohstoffpreise und -exporte. Übersetzung: Andreas Bredenfeld 26 AUF ZUKUNFT GESETZT

Chinas Konjunkturprogramm – und was wir darüber wissen

VON BARBARA UNMÜSSIG

China mit seinem gigantischen Binnenmarkt, seiner Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen und den weltgrößten Währungsreserven in Höhe von fast 1,6 Billionen Euro gilt als besser gewappnet gegen die Folgen der Finanzkrise als alle anderen Schwellenländer. Binnen dreißig Jahren zu einer der größten Wirtschaftsnationen aufgestiegen, ist das Land eine der tragenden Säulen der Weltwirtschaft geworden. Wie stark ist Chinas Wirtschaft nun tatsächlich von der Krise betroffen und welche Maßnahmen ergreift die Regierung?

Kursstürze an der Börse und heftige Verluste seiner milliarden­ In den Boomjahren wurde zu wenig in die Landwirtschaft und schweren Anlagen bei US- und EU-Banken zeigen: Auch China war Infrastruktur auf dem Land investiert. Millionen Bauern haben in riskante Geldgeschäfte auf den internationalen Finanzmärkten Ackerland an Industriezonen verloren, oft ohne dafür angemessen involviert. Der größte Teil der chinesischen Devisenreserven ist in entschädigt zu werden. Die Verseuchung von Boden und Wasser, relativ sichere US-amerikanische Schuldverschreibungen angelegt. Erosion und Überschwemmungen sind weitere Probleme. Die Die staatliche Kontrolle des Kapitalverkehrs, die solide Finanzierung Führung unter Hu Jintao hat seit 2005 die Entwicklung der ländli­ der Banken und der meisten Unternehmen hat Schlimmeres chen Regionen betrieben, die Bauern von Steuern befreit und verhindert. Gebühren für die neunjährige Pfl ichtschule abgeschafft. Jetzt aber Gleichwohl bekommt China die Finanzkrise massiv zu spüren. kommt die Wirtschaftkrise auf dem Land als Krise der Kaufkraft an, Der Einbruch der Nachfrage aus den USA hat Chinas Exportsektor da Millionen von Wanderarbeitern weniger oder gar kein Geld mehr hart getroffen, und der ist für vierzig Prozent des chinesischen nach Hause schicken können. Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. « Es sind Chinas ineffizientes Die Aktion « Haushaltsgüter für Bauernland » soll da kurzfristig Wachstumsmodell und die unausgeglichene ökonomische Struktur, Abhilfe schaffen. Für Fernseher, Waschmaschinen, Klimaanlagen, die die Wirtschaft der Volksrepublik verwundbar machen », sagt Yu Mikrowellen und Mopeds bekommen Käufer vom Staat 13 Prozent Yongding, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und -politik an des Preises bar ausgezahlt. 1,7 Milliarden Euro will die Regierung der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Jetzt besteht 2009 für dieses Programm ausgeben, um die Überkapazitäten der die Chance, diese überfällige Umstrukturierung voranzutreiben, den Elektronik- und Haushaltsgerätehersteller abzubauen. Angesichts Binnenmarkt auszubauen und eine höhere Wertschöpfung in der der Exporteinbußen von 25,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahres­ Exportproduktion ins Auge zu fassen. monat mag dies hilfl os anmuten, aber Chinas Regierung hat noch Mitte März hat die Weltbank die Wachstumsprognosen für andere Karten im Ärmel. Chinas Wirtschaft erneut nach unten korrigiert, auf nur noch 6,5 Im November 2008 hat sie ein Konjunkturprogramm von rund Prozent. Auch die chinesische Führung setzt nicht mehr auf Wachs­ 458 Milliarden Euro angekündigt. Die größten Posten sind für tumsraten im zweistelligen Bereich, doch verspricht sie für 2009 Infrastruktur, Wohnungsbau und die Entwicklung der ländlichen einen Anstieg des BIP um acht Prozent. Das braucht China, um Regionen vorgesehen, darunter auch für den Aufbau der vom zusätzliche Jobs zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit in den Städten Erdbeben verwüsteten Gebiete in der Provinz Sichuan. Vierzig liegt offi ziell bei 4,2 Prozent, andere Quellen gehen von neun bis Milliarden Euro wollte man zunächst für Umweltschutz und zwölf Prozent aus. 1,5 Millionen Universitätsabgänger sind ohne Energieeffi zienz bereitstellen. Das World Resources Institut lobte Arbeit und sieben Millionen weitere werden 2009 auf den Arbeits­ dann auch das Konjunkturpaket als einen Schritt in Richtung markt drängen. Vor allem aber haben nach offi ziellen Angaben 26 « grüner » Umgestaltung der chinesischen Wirtschaft. Millionen Wanderarbeiter ihre Beschäftigung in den Fabriken für Kritiker in und außerhalb Chinas dagegen bemängelten den Exportgüter verloren und fi nden in ihren Dörfern nun keine hohen Anteil an Infrastrukturprojekten und den vergleichbar Lebensgrundlage mehr. Das gefährdet den sozialen Frieden. Schon kleinen Anteil an Investitionen in Humankapital. Die heftigste Kritik im letzten Jahr gab es gewaltsame Proteste vor den Fabriken. betraf die mangelnde Transparenz. Nach der Ankündigung des AUF ZUKUNFT GESETZT 27

Pakets im November formierte sich eine landesweite Bewegung, die im Internet die Offenlegung von Details forderte. Medien unter­ stützten die Kampagne und ein Shanghaier Anwalt drohte unter Berufung auf ein neues Transparenzgesetz mit einer Klage, sollten die zuständigen Behörden nicht genaue Zahlen über die Verwen­ dung der Gelder auf den Tisch legen. Selbst die staatliche Nachrich­ tenagentur Xinhua stellte sich hinter die Bewegung. Schließlich kündigte die Regierung an, nach der Abstimmung im Nationalen Volkskongress Details zu veröffentlichen. Der jährlich stattfi ndende Volkskongress, Chinas gesetzgebende Versammlung, tagte Mitte März. Hauptthema: Die Verabschiedung von Haushalt und Konjunkturpaket. Mehr als 400 von 2898 Abgeordneten stimmten gegen das Paket oder enthielten sich. Diese ungewöhnlich hohe Zahl für das Einparteienparlament ist womög­ lich eine Reaktion auf die mangelnde Transparenz. Hu Shuli, Chefin des renommierten Finanzmagazins Caijing, bescheinigt der diesjäh­ rigen Versammlung zwar ganz erhebliche Fortschritte bei der Offenlegung des Haushaltes, fordert aber viele weitere Verbesserungen. In den ersten Tagen nach Ende der Versammlung liegen Details über das Konjunkturpaket noch nicht vor, aber die bisher bekannten Zahlen sind aktualisiert worden und zeigen, dass die Kritik am Paket aufgegriffen wurde: Die Investitionen in Bildung und Soziales wurden massiv erhöht. Fast verdreifacht wurden die Mittel für den Aufbau der Gesundheitsversorgung und des Erziehungssystems – von 4,6 auf 17 Milliarden Euro. Auch für Forschung und Innovation soll deutlich mehr bereit gestellt werden. Statt wie ursprünglich angekündigt 18,3 Milliarden Euro werden jetzt 31 Milliarden Euro dafür zur Verfügung stehen: Peking ist entschlossen, den langfristi­ Foto: © DAVID GRAY/Reuters/Corbis gen Umbau der Wirtschaft in Angriff zu nehmen, weg von der Werkbank der Welt hin zu einer wissens -und serviceorientierten Wirtschaft. Die Mittel für Infrastruktur und Verkehr wurden dafür reduziert, machen aber noch immer den größten Posten aus. Auch die Ausgaben für den Umweltschutz wurden im Zuge dieser EIN WANDERARBEITER AUF JOBSUCHE LIEST DIE AUSHÄNGE EINER INOFFIZIELLEN JOBBÖRSE IN ZHENGZHOU. AUCH DIE DÜRRE TREIBT DIE Neuschnürung des Konjunkturpakets um vierzig Prozent gekürzt. BAUERN VOM LAND IN DIE STÄDTE, WO SIE WEGEN DES ZUSAMMEN­ Die Finanzkrise kann Chinas Entwicklungsdilemma nicht BRUCHS DES EXPORTS KAUM NOCH ARBEIT FINDEN. aufl ösen. Die Regierung gibt im Zweifel der Entwicklung seiner ärmsten Provinzen und damit der sozialen Stabilität Vorrang vor dem Umweltschutz. Ein radikales Umdenken wird es hier nicht geben. Die Investitionen in Infrastruktur und Innovation beinhalten aber immer noch Chancen für einen Green New Deal. Der Ausbau der Eisenbahn und die Förderung von Energie- und Ressourceneffi­ zienz sind hierfür erste gute Ansätze. Immerhin noch 24 Milliarden Euro sind für den direkten Umweltschutz gedacht. Entscheidend ist jetzt nicht nur, für welche konkreten Maßnah­ men die Mittel fl ießen werden, sondern ob China in der Lage sein wird, diese sinnvoll umzusetzen. Der Teufel liegt im Detail, meint Yu Yongding. Wenn das Konjunkturpaket nicht die Nachfrage von Haushalten und kleineren Betrieben ankurbelt, sondern die Provinz­ regierungen zu weiteren kurzsichtigen Investitionen animiert, dann wird es scheitern. Bereits vor dem Volkskongress hat das Umweltministerium grüne Richtlinien für Direktinvestitionen aus dem Ausland angekündigt. Die sind im Februar 2009 um mehr als dreißig Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Doch als Land mit dem größten Binnen­ markt der Welt wird China attraktiv für Investoren bleiben und weiterhin einen nennenswerten Beitrag zur globalen Wirtschaftsent­ wicklung leisten. Ob diese Entwicklung für künftige Generationen vertretbar sein wird, hängt davon ab, ob wir alle unsere Konsum- und Produktionsmuster tiefgreifend ändern können. Die Gelegen­ heit dazu ist da. --- 28 DIE SUCHE NACH DEM REELLEN KAPITALISMUS «Wann, wenn nicht jetzt?»

VON HANNS MICHAEL HÖLZ DEM VORSTANDSVORSITZENDEN DES FORUMS NACHHALTIGE ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

INTERDEPENDENZEN – PROBLEM UND LÖSUNG ZUGLEICH. Überlegungen für ein nachhaltiges «Schneepfl üge für Guinea » – unter diesem Titel schreibt Wirtschaften Bartholomäus Grill, Mitglied im Afrika-Beraterkreis des Bundespräsidenten, in der Zeitschrift Internationale Politik (12/07), warum die Entwicklungshilfe der letzten fünfzig Jahre gescheitert ist. Unzählige Initiativen, Organisationen, Projekte suchen nach Lösungen. « Einen Masterplan, der in einer aus den Fugen geratenen Welt menschenwürdige Verhältnisse herstellt, gibt es nicht. Doch es wird allmählich Zeit, Entwicklungspolitik jenseits der humanitären Selbstverpfl ichtung als globale Strukturpolitik zu begreifen », so das Fazit des langjährigen Afrika-Kenners. Ja, wir brauchen eine globale Strukturpolitik – nicht nur mit Blick auf Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern mit Blick auf die ganze Welt. Man muss kein begnadeter Analytiker sein, um zu erkennen, dass all unsere Probleme zusammenhängen – sich gegenseitig bedingen. Die stete Ausbeutung von Umwelt, Menschen und Wirtschaftskapital führt zu einem immer größeren Verlust an Stabilität. Doch in der Gestaltung dieser Interdependenzen liegt auch die Lösung: Wir müssen zu einer Harmonisierung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Faktoren gelangen und so zu mehr Stabilität im globalen Maßstab.

Das ökonomische Modell des 20. Jahrhunderts stößt an seine Grenzen – an die Grenzen der Kapazität, was die Verbesserung der Lebensbedingungen der 2,6 Billionen Armen betrifft, und an die Grenzen der Umwelt. Können wir die kapitalistische Dynamik nutzen, um eine ökologi­ sche Neuausrichtung zu erreichen – also den Tiger reiten? Lässt sich die Krise durch die Beschneidung ihrer Exzesse bewältigen? Was wären mögliche Alternativen?

Die Fragen, die die Böll.Thema-Redaktion an mich stellte, NACHHALTIGKEIT ALS MAXIME sind Fragen, die jede für sich ein eigenes Buch rechtferti­ Das kann nicht im Eiltempo geschehen. Was wir allerdings gen und die vielen Wissenschaftlern bereits schlafl ose schnell brauchen, ist eine Änderung unseres Denkens. Wir Nächte bereiten. « I stand here today humbled by the task brauchen neue Handlungsmaxime – für jeden Einzelnen, für before us», sagte Präsident Barack Obama bei seiner Unternehmen, Regierungen, globale Organisationen und Amtseinführung, und so geht es wohl uns allen angesichts Initiativen. Die Maxime, die der Komplexität der Herausforde­ der weltweiten Herausforderungen. rungen am besten gerecht wird, ist die der Nachhaltigkeit. Wer nachhaltig handelt, hat die drei Faktoren Mensch, Wirtschaft Die Aufgaben sind bekannt, defi niert, diskutiert – doch und Umwelt gemeinsam im Bewusstsein und ist ständig über die Lösungen herrscht kaum Einigkeit. Wen wundert bemüht, sie in Einklang zu bringen. Weil Geld hier eine große dies bei der schier unermesslichen Komplexität und den Rolle spielt, können gerade Unternehmen entscheidend dazu kaum zu erfassenden Interdependenzen einer globalisier­ beitragen, dass der Nachhaltigkeitsgedanke zum globalen New Deal wird. ten Welt. Im Folgenden möchte ich deshalb nur einige wenige – vielleicht symptomatische – Aspekte beleuchten. DIE SUCHE NACH DEM REELLEN KAPITALISMUS 29

ENORME CHANCEN FÜR UNTERNEHMEN So liegen die wirtschaftlichen Chancen nachhaltigen Handelns zum Beispiel in der Entwicklung innovativer, problemlösender WOHLSTAND FÜR ALLE Produkte. Allein die Bereiche Energiegewinnung und Energieef­ Es ist die große Gestaltungsaufgabe unserer Zeit, einen fairen fi zienz eröffnen ein immenses Feld, das täglich nach Ideen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und verlangt: von neuen Techniken über regenerative Energien zu ökologischen Ansprüchen zu fi nden und dabei die drängenden klimaschonenden Produkten, Fahrzeugen und Gebäuden – Herausforderungen zu bewältigen, denen wir uns gegenüber weltweite Aufgaben, die neue Arbeitsplätze und neue Indust­ sehen – insbesondere Armut, Überbevölkerung, Klimawandel riebranchen hervorbringen können. Ein langfristiges Engage­ und Umweltzerstörung. ment und Erfolg auf diesen und weiteren nachhaltigen Muss man dazu « den Tiger reiten », um ein Stichwort der Sektoren ist schließlich das beste Mittel gegen Rezession und Eingangsfragen aufzunehmen? Nein, einen kapitalistischen Instabilität. Tiger reitet man nicht, man bändigt ihn – nach wie vor – mit Zur Nachhaltigkeit gehört selbstverständlich das aktive einer sozialen Marktwirtschaft. Da sollte man keine Alternative Wahrnehmen sozialer Verantwortung sowie Offenheit und zulassen. Die Kunst liegt in der Ausgestaltung – und da üben Transparenz der Gesellschaft gegenüber – also die Werte des wir bereits seit sechzig Jahren. Es gilt, im Rahmen der sozialen « guten Regierens » (Corporate Governance, Global Governance), Marktwirtschaft ein solides, auf Nachhaltigkeit orientiertes die sich weltweit durchzusetzen beginnen. Dazu gehört auch Fundament zu bilden – für das einzelne Unternehmen wie für ein vorausschauendes und umfassendes Risikomanagement, die Wirtschaft als Ganzes –, auf dem sich ein stabiles Wert­ das wirtschaftliche und soziale Risiken für das Unternehmen schöpfungssystem entwickeln bzw. erhalten kann. Eine neue frühzeitig erkennt und entsprechend gegensteuert. Um Ära kann zeigen: Nachhaltigkeit und Erfolg sind kein Gegen­ Reputationsrisiken wird sich ein wirklich nachhaltiges Unter­ satzpaar. Nachhaltigkeit wird sich vielmehr als Erfolgstreiber nehmen übrigens nicht mehr kümmern müssen: Das Einhalten der neuen Zeit etablieren. der Handlungsmaxime schließt in der Regel Fehlverhalten und Auch in der aktuellen Wirtschaftskrise sollten nachhaltige unethisches Handeln aus. Konzepte die Konjunkturprogramme der Staaten bestimmen. Die Maßnahmen dürfen nicht nur eine kurzfristige Stimulation auslösen. Sie müssen vielmehr geeignet sein, Handlungen und Projekte zu initiieren, die Innovationen und Effizienzsteigerun­ gen nach sich ziehen – die uns auch nach der Krise zur Verfü­ gung stehen und weiter bringen. GLOBALE REGULIERUNGEN Wohlstand für alle – weltweit. So vermessen es klingt, dies Die Auswirkungen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise muss unser Ziel sein. So nannte denn auch Jeffrey D. Sachs, hat in diesem Ausmaß kaum jemand vorausgesehen, Börsen- Leiter des Earth Institute an der Columbia Universität New York, Crashs werden selten prognostiziert. Am Abend vorher gehen sein aktuelles Buch « Common Wealth ». Es sei allen empfohlen, alle noch ruhig ins Bett. Ein Vorwarn- und Kontrollsystem ist die an Fakten interessiert sind, an Analysen, Synthesen und also die conditio sine qua non eines neuen Zeitalters. Gefordert Prognosen. Ein Leitfaden für eine tiefere Diskussion, als sie hier sind die Einführung besserer Überwachung, von Sicherheits- möglich war. und Transparenzbestimmungen für Finanzinstrumente sowie Bleiben wir optimistisch und halten wir es mit Robert eine stärkere Aufsicht über Finanzinstitute, Fonds und finanzi­ Kennedy: « There are those who look at things the way they are, elle Zweckgemeinschaften. Für einen fairen Wettbewerb sollten and ask why … I dream of things that never were, and ask why alle Akteure die gleichen, international geltenden Regeln not?» befolgen. Dies kann deshalb keine Aufgabe sein, die national oder auch europäisch zu lösen ist. Nur ein globales Regelwerk verspricht hier eine dauerhafte tragfähige Lösung. Eine --- Aufgabe, die etwa beim Internationalen Währungsfonds gut aufgehoben wäre – ein IWF mit neuer Struktur und erweiterter Kompetenz. So global und effi zient wie möglich – das muss der Gestaltungsfokus bei der Bildung einer solchen neuen Instituti­ on sein. Der erste Finanzgipfel der G20-Staaten in Washington letzten November war dazu ein wichtiger Schritt. Er lässt hoffen, dass der zweite Gipfel in London im April 2009 den Durchbruch bringen wird. Und vor allem der Initiative der deutschen Bundeskanzlerin für eine « Charta für nachhaltiges Wirtschaften », in der Prinzipien für eine neue Weltfinanzarchi­ tektur festgeschrieben werden sollen, ist dabei Erfolg zu wünschen. 30 DIE SUCHE NACH DEM REELLEN KAPITALISMUS « Was fehlt, ist der politische Wille » VON THOMAS JORBERG VORSTANDSSPRECHER DER GLS-BANK

Vorschläge zur Neuordnung der Finanzmärkte

Weltweit wird weiterhin versucht, mit öffentlichen Mitteln Banken zu stabilisieren. Das ist notwendig, um weitere Panikreaktionen zu verhindern, die den bereits vernichteten Vermögenswerten von vierzig Billionen Euro (laut Asiati­ scher Entwicklungsbank) noch folgen könnten. Mit der gleichen Intensität müsste die Politik jetzt eine Neuordnung der Finanzmärkte betreiben, ansonsten verstärken die schon ergriffenen Maßnahmen nur die Ursachen des Crashs und führen zu noch größeren Krisen. Hier einige Vorschläge zur Verbesserung des Ordnungsrahmens der Finanzmärkte.

Die Pakete zur Stabilisierung der Banken sind alternativlos, aber sie Finanzprodukte und Finanzunternehmen, die nur dem Selbst­ können eben nur etwas gegen die Symptome ausrichten. Nur die zweck dienen, durch Spekulation Geld mit Geld zu verdienen, konsequente Veränderung des ordnungspolitischen Rahmens könnte sollten schlichtweg verboten werden. Diese Aktivitäten setzen auf die Risikoübernahme durch die Staaten im Nachhinein legitimieren. tatsächliche, vermutete und oft selbst beeinfl usste oder sogar Oberstes Ziel aller Handlungen sollte die Fokussierung der Finanz­ verursachte Preisänderungen beim Handel von Devisen, Aktien, wirtschaft auf ihr eigentliches Kerngeschäft sein: die Finanzierung Immobilien oder Rohstoffen. Die Ursache der momentanen Finanz­ der Realwirtschaft. Dazu sechs Punkte: krise ist im Wesentlichen in diesem Bereich zu fi nden. Dazu gehören beispielsweise Leerverkäufe, das Verleihen von Aktien und andere 1. DIFFERENZIERTER UMGANG MIT REGULIERUNG Tätigkeiten von Hedgefonds, der Handel mit verbrieften Kreditfor­ Das klassische Bankgeschäft mit der direkten Kundenbeziehung derungen und anderes mehr. zwischen Einleger und Bank auf der einen Seite und Kreditnehmern und Bank auf der anderen Seite zeigt sich in der momentanen Krise 2. BESCHRÄNKUNG DER GRÖSSE EINZELNER BANKEN als der eigentlich stabilisierende Faktor des Marktes. Dieses der Finanzinstitute oder spezielle Produkte dürfen in ihrer absoluten Realwirtschaft unmittelbar dienende Bankgeschäft ist in den letzten Größe oder Struktur weder global noch national systemgefährdend zehn Jahren allerdings unter Druck geraten, sowohl was die sein. Begrenzende Kennziffern sind gefragt, wie etwa das maximale Struktur der Geschäfte als auch was die Zinsmargen angeht. Im Verhältnis der Bilanzsumme einer Bank zum Bruttosozialprodukt gleichen Zeitraum hat die Regulierung der klassischen Bankgeschäf­ eines Landes. Die Daumenregel « too big to fail » hat Institute bisher te in fast jährlichem Rhythmus zugenommen. Von der dadurch dazu angeregt, überproportional zu wachsen und zugleich extreme verursachten Bürokratisierung bei entsprechendem Kostendruck Risiken in Kauf zu nehmen. Aus dem Geschehen in Island hätten waren insbesondere Banken in der Größenordnung der Sparkassen Lehren gezogen werden müssen und Finanzdienstleister hätten ihre und Genossenschaftsbanken betroffen. In diesem klassischen Größe, Geschäfts- und Risikopolitik überdenken sollen. Das Bankgeschäft ist insofern eher eine Deregulierung notwendig. Gegenteil ist jedoch der Fall, wie die Fusion von Commerzbank und Einige Finanzinstrumente, zum Beispiel die Derivate, dienen der Dresdner Bank beweist. Bereits eine der beiden Großbanken kann Realwirtschaft mittelbar, zum Beispiel durch die Absicherung von bei einem Zusammenbruch systemgefährdende Auswirkungen Zinsänderungs- und Währungsrisiken. Solche Instrumente sind haben. Fusioniert man nun beide Banken, vergrößert man mögli­ sinnvoll und notwendig, um ungleichgewichtige Risiken der cherweise das Problem. Kooperation, nicht Konzentration stabilisiert unterschiedlichen Finanzmarktteilnehmer auszugleichen und im den globalen Markt. einzelnen Institut steuerbar zu machen. Allerdings ist eine Abgren­ zung zu rein abstrakten, nicht der Realwirtschaft dienenden 3. ERFASSUNG DER VERMÖGENSINFLATION Instrumenten schwierig. Insofern ist gerade in diesem Bereich eine Bei den Vermögenswerten, insbesondere bei Grund und Boden, verstärkte Regulierung, Standardisierung und Kontrolle erforderlich. Immobilien, Aktien und Rohstoffen, war bis zum Ausbruch der Krise DIE SUCHE NACH DEM REELLEN KAPITALISMUS 31

Die GLS-Bank « Verluste aus der Finanzkrise: keine », so ließ sich Thomas Jorberg, Chef der GLS-Bank, Anfang März vom Berliner Tagesspiegel zitieren. Und während die Deutsche Bank Verluste von fast vier Milliarden Euro einräu­ men musste, war die Bilanzsumme der GLS-Bank um knapp dreißig Pro­ zent gestiegen. Allein 2008 eröffneten rund 7000 Anleger neue Konten. 1974 gegründet, hat die Bank inzwischen 62 000 Kunden. « Die Krise », so Jorberg im Tagesspiegel, hat dem 1974 gegründeten Institut den « größten Wachstumssprung seiner Geschichte beschert ». Das Personal der Filialen in Hamburg, Frankfurt, Freiburg, Bochum, , München und Berlin wurde um vierzig Personen aufgestockt. Die 1974 gegründete GLS-Bank finanziert ausschließlich soziale, öko­ logische und kulturelle Unternehmen und Initiativen mit konkretem real­ wirtschaftlichen Bezug. Vom Girokonto über sozial-ökologische Geldanla­ gen bis hin zu Finanzierungen und Vermögensmanagement bietet die GLS- Bank alle Angebote einer modernen Bank. Transparenz gehört zum Konzept: In der Kundenzeitschrift Bankspie­ gel werden alle Kredite veröffentlicht. Zusätzlich legt die Bank ihre Eigen­ anlagen offen.

eine enorme Infl ation zu beobachten. Die extremen Wertschwan­ Dass die vorrangig kapitalorientierte Marktwirtschaft soziale und kungen haben zu erheblichen realwirtschaftlichen Verzerrungen ökologische Probleme verursacht, ist bereits in den letzten Jahr­ geführt, beispielsweise zu einer oft maßlosen Verteuerung von zehnten deutlich geworden. Ihre ökonomische Leistungsfähigkeit Wohnraum oder zu Hunger durch gestiegene Nahrungsmittelpreise. galt allerdings bislang als unstrittig. Mittlerweile ist deutlich, dass Es besteht seit vielen Jahrzehnten eine globale Übereinkunft, dass auch aus ökonomischen Gründen eine Neuordnung erforderlich ist. Infl ation bei Gütern und Dienstleistungen bekämpft und durch Dazu ist der gängige Leitsatz « Was der Wirtschaft dient, ist auch gut unabhängige Notenbanken gemessen, kontrolliert und gesteuert für den Menschen » zu ändern in « Nur was dem Menschen dient, ist werden soll. Es ist dringend erforderlich, dass für die Infl ation bei Aufgabe der Wirtschaft ». Die Zuspitzung der Armutskrise, der den Vermögenswerten Vergleichbares geschieht. Klima- und Finanzmarktkrise bietet eine einmalige Chance, wenn der Ordnungsrahmen entsprechend verbessert wird. Es gibt bereits 4. RATING-AGENTUREN UND TRANSPARENZ eine Vielzahl sinnvoller Beispiele und Lösungsvorschläge sowohl Rating-Agenturen sollten nicht mehr in die Entwicklung von zum Finanzmarkt, zur Ökologie- bzw. Energiefrage als auch zur Finanzprodukten eingebunden werden. Zudem sollten sie verpflich­ sozialen Verteilung. Das Konzept des Grundeinkommens, die tet sein, neben der monetären Bonitätsprüfung auch Aussagen Bepreisung der Naturnutzung, der soziale und ökologische Umbau darüber zu machen, wie Investitionen realwirtschaftlich verwendet der Steuersysteme, der Vorrang regenerativer Energien, Regulierun­ und welche sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen dabei gen und Verbote rein spekulativer, abstrakter Finanzgeschäfte und berücksichtigt werden. Dieser Regelung muss eine entsprechende vieles andere mehr könnte hier genannt werden. Es fehlt zudem Transparenzverpfl ichtung für Banken und Finanzinstitute keinesfalls an empirischen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass gegenüberstehen. wir dringend einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel brauchen, und es fehlt auch nicht an Vorschlägen für Maßnahmen 5. OFFSHORE-FINANZPLÄTZE für einen solchen Wandel. Die Offshore-Finanzplätze müssen geschlossen bzw. ausgegrenzt Was fehlt, ist der politische Wille und entsprechende Umset­ oder in einen neuen Rahmen eingebunden werden. zungsschritte. Die ideologischen, materiellen oder politischen Besitzstandswahrer müssen ihre gewohnten Positionen verlassen, 6. BILDUNGS- UND AUFKLÄRUNGSKAMPAGNE um voraussetzungslos an den notwendigen Umbau unserer gesell­ Um eine Kehrtwende am Finanzmarkt zu bewirken, sind nicht nur schaftlichen Systeme und Verhaltensweisen heranzugehen. Dies Politik und Finanzinstitute gefragt, sondern auch ein kritisches trifft die Politik genauso wie die Wirtschaft, die Medien ebenso wie Bewusstsein der Kunden, das neben kurzfristigen, rein renditeorien­ alle Bürger. Die Barrieren für die notwendigen Veränderungen tierten Anlagekriterien auch nachhaltige ökonomische wie soziale liegen letztendlich nicht in ökonomischen oder systemischen und ökologische Entwicklungen berücksichtigt. Eine breit angelegte Zwängen, sondern bestehen in den Köpfen und Herzen von uns Aufklärungskampagne könnte dazu beitragen. allen. --- 32 DIE NEUEN UNTERNEHMER, BANKIERS UND KONSUMENTEN

Verantwortung

MAX SCHÖN IST STAHL-, übernehmen, mit RÖHREN- UND WERKZEUG­ GROSSHÄNDLER UND GLEICHZEITIG VORSITZEN­ DER DER DEUTSCHEN Einschränkungen GESELLSCHAFT DES CLUB OF ROME. SEINE DEVISE: AUF SOLCHE rechnen ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN ZU SETZEN, DIE SICH MIT DEN VON ANNETTE MAENNEL ANFORDERUNGEN DES KLIMASCHUTZES VEREINBA­ REN LASSEN.

Wie der Unternehmer Max Schön mit der Wirtschaftskrise umgeht

Er trägt sie wieder. Es ist seine Lieblingskrawatte, beige mit hellblau­ auch an den Gesetzen. Dänemark kennt kein Kündigungsgesetz mit en Streifen, die in Plasbergs « Hart aber fair » bekannt wurde. Sozialauswahl. Was den Vorteil hat, dass bei kleinsten Konjunktur­ Seitdem mag er sie noch mehr. anstiegen schneller wieder eingestellt wird. Die Angst vor einem « Rein in die Schulden, raus aus der Krise » hieß die Sendung, zu teuren Stellenabbau bleibt aus. Und das Arbeitslosengeld – auch der neben dem Unternehmer Max Schön auch der saarländische dies eine dänische Besonderheit – beträgt neunzig Prozent des Ministerpräsident Peter Müller eingeladen war. Der beschwor das Gehalts. Wunder der Abwracksteuer. Danach wurde der 48-jährige Max Wenn Schön darüber spricht, kommt er richtig in Fahrt: Die Schön nach seiner Meinung zu dieser Geldspritze aus Steuermitteln bürokratischen Hürden für Unternehmer sind zu hoch, da bleiben gefragt. Schön, dessen Unternehmen gerade kräftig unter der Innovationen und Flexibilität aus, Verantwortung wird wegdelegiert. Finanzkrise leidet, band seinen Binder demonstrativ ab mit den Am besten an den Staat, wie es die derzeitige Krise schonungslos Worten, dass der Staat genauso gut verfügen könne, dass ab morgen zeigt. Doch das Risiko soll der Unternehmer tragen – in guten wie in alte Krawatten in den Müll geworfen werden sollten und der Kauf schlechten Zeiten. Die drei Familien der Sanistål-AG haben jetzt aus einer neuen mit fünfzig Euro gestützt werde – damit hätte man Privatvermögen aus « guten Zeiten » investiert. Auch das ist ein Teil dann etwas für die Textilindustrie getan. Denn « das, was jetzt an der Verantwortung, die ein Familienunternehmer übernehmen muss. Konjunkturpaketen geschnürt wird, entfacht großenteils nur ein Ob es gut geht, wird sich zeigen, denn die Prognosen für 2009 sind Strohfeuer und damit kann man die Krise kaum bewältigen». Und düster: Die Aufträge werden um dreißig Prozent zurückgehen, das von Krisen versteht Max Schön einiges. lässt sich auch nicht über Kurzarbeit oder längere Produktionszeiten Der hoch gewachsene Mann musste nach dem Tod seines Vaters abfedern. mit nur 23 Jahren den Großhandel für Stahl, Werkzeuge, Sanitär « Investitionen in eine zukunftsfähige Gesellschaft heißt, langfris­ und Heizung in Lübeck übernehmen. Aus der Traum, noch ein oder tig zu denken. Zum Beispiel, in nachhaltige Energieeffizienz, zwei Semester Musik zu studieren. Er schaffte es, sein mittelständi­ Bildung und Wissen zu investieren und mehr Eigenkapitalbildung sches Unternehmen auszubauen und durch die damalige Bau- und bei Bürgern und Unternehmen zu ermöglichen. » Das hat Schön bei Werftenkrise zu steuern. Dann bebte es das erste Mal: Ein Testa­ Plasberg vertreten und wurde dort gleich in eine Schublade mit mentsfehler brachte über Nacht ein gutes Dutzend Teilhaber zutage, Renate Künast von den Grünen gesteckt. Doch bei den Grünen die ausgezahlt werden wollten. Das kostete viel Geld. Er brachte kommt Schön die Freiheit zu kurz: « Die Freiheit des Einzelnen und sein Unternehmen in die dänische Firma Sanistål A/S ein und die damit einhergehende Verantwortung für Entscheidungen wurde Miteigentümer der dänischen Familien-Aktiengesellschaft. müssen gestärkt, das Unternehmertum darf nicht behindert Dann wurde es das zweite Mal eng: Die Baukrise Mitte der Neunzi­ werden. » ger verschonte auch die Max Schön AG nicht. Freiheit und Verantwortung bedeuten aber auch, den Begriff Und heute? « Im September 2008 hatten wir das beste Konzerner­ Wohlstand auf den Prüfstand zu stellen. Schön weiß, wovon er gebnis » – die Stahlbranche boomte – « nur sechs Wochen später spricht: Er trägt gemeinsam mit seiner Frau auch die Verantwortung stand die größte Entlassungswelle an: In Dänemark wurden von für fünf Kinder zwischen zehn und 18 Jahren. Am Küchentisch wird insgesamt 2500 Beschäftigten der Sanistål-AG 250 Leute gekün­ über die Krise gesprochen – auch über die ernste Lage des Unterneh­ digt. » Die knapp 200 Arbeitnehmer der Max Schön Gruppe sind mens und dass sie alle mit Einschränkungen rechnen müssen. Wie bislang nicht betroffen. Doch das deutsche Geschäft wird schwieri­ reagieren sie darauf? « Ich kann nur ehrlich sein. Teilen heißt eben ger. Dennoch: Seiner Meinung nach sind die skandinavischen auch: In guten Jahren gibt es mehr, in schlechten weniger. » Länder besser auf Krisen vorbereitet als Deutschland. Und das liegt --- Foto: Bundesregierung DIE NEUEN BANKIERS, KONSUMENTEN UND UNTERNEHMER 33

Das Risikokapital traut sich

VON FELIX GROBA

Porträt des Finanziers der grünen Revolution, John Doerr

John Doerr, der neue Finanzier der grünen umweltfreundlicher Technologien, Güter Revolution in den USA, ist ein Kind des und Dienstleistungen. So hat Doerrs Microchips. Er fi nanzierte Unternehmen wie Unternehmen seit 2006 ein GreenTech Compaq, Netscape, Sun Microsystems, Fondvolumen von 600 Millionen Dollar Amazon.com und Google. Jetzt nutzt er aufgebaut In den sechs Jahren zuvor Talent und Netzwerk, um Millionen in junge investierte er 270 Millionen in rund zwei grüne Technologieunternehmen zu Dutzend junge Technologieunternehmen, investieren. deren Ziel die Reduzierung von Treibhaus­ Der Elektroingenieur begann seine gasemissionen ist. Silicon-Valley-Karriere 1974 bei dem kleinen Doerr gewann den Umweltaktivisten und Chiphersteller Intel, der kurz vor dem Ex-US-Vizepresidenten Al Gore als Unter­ Durchbruch stand. 1980 wechselte der nehmenspartner. Gemeinsam gründeten sie Harvard-Absolvent zur Investmentfirma 2007 das Greentech Innovation Network, Kleiner Perkins Caufi eld & Byers (KPCB). Als dessen Aufgabe die gezielte Förderung und Partner verantwortete er die Finanzierung umfangreiche Finanzierung von grünen von jungen Technologie- und Kommunikati­ Technologien und Unternehmen ist. Die onsunternehmen und wurde so zum heute neueste Idee des Investmenthauses ist es, in bedeutendsten und einflussreichsten Kooperation mit Think Global, einem AUFTRITT DES MULTIMILLIONÄRS: IM Risikokapitalgeber für global führende JANUAR 2009 BELEGTE JOHN DOERR DEN norwegischen Elektrofahrzeughersteller, Technologieunternehmen. ERSTEN PLATZ DER «MIDAS LISTE» DES 50 000 Elektroautos auf amerikanische Doerr denkt weiter, Doerr denkt grün. Als FORBES MAGAZINS. Straßen zu bringen und ein entsprechendes Mitgründer der Lobbyorganisation TechNet regionales Versorgungsnetzt aufzubauen. war er eine treibende Kraft hinter der John Doerrs Berufung in das Economic Einführung des Emissionshandelssystems in Recovery Advisory Board im Februar 2009 Kalifornien. Darüber hinaus steht der aktive zeigt, welche Bedeutung Präsident Obama Unterstützer der Demokraten hörbar und grünen Technologien bei der Bekämpfung fi nanzstark für nachhaltiges Wirtschaften der Wirtschaftskrise beimisst. Foto: AP/Paul Sakuma und setzt dabei vor allem auf die Förderung --- 34 DIE NEUEN UNTERNEHMER, BANKIERS UND KONSUMENTEN

Die Lehre kommt allmählich in den Vorstandsetagen an

VON HANNES KOCH

Unternehmen orientieren sich zunehmend an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. Trotzdem: Der Fortschritt bleibt eine Schnecke

Es gibt Anlass zur Hoffnung. Mehr Unter­ litik. Die Firmen müssen ihre eigenen Worte dass teilweise mehr als zehn Prozent aller in nehmen als früher berücksichtigen in ihrer ernst nehmen – sonst würden sie sich der den Supermärkten angebotenen Produkte Geschäftspolitik soziale und ökologische Öffentlichkeit und Politik gegenüber zu ein Siegel für ökologische oder soziale Standards. Selbst Robin Goudsblom, angreifbar machen. Qualität tragen. Vorstand der Discount-Kette Lidl, räumte Auch in der Organisation der Unterneh­ Das sind gute Nachrichten. Und trotzdem kürzlich « große Fehler » ein und beschwor men lässt sich der Sinneswandel nachwei­ ist der Fortschritt eine Schnecke. Die den fairen Umgang mit seinen Mitarbeitern. sen. Ein Indikator ist hier die Zertifizierung weitaus meisten Siegel bezeugen eine Den Beteuerungen des Lidl-Vorstandes mag nach der Norm ISO 14001. Um die Urkunde bestimmte ökologische Qualität. Mit man glauben oder nicht. In jedem Fall sind entsprechend der Richtlinien der Internatio­ sozialen Standards sieht es dagegen sie ein Beleg dafür, dass viele Unternehmen nal Organization for Standardization (ISO) schlechter aus. Selbst, wenn sie existieren, umdenken. Dazu trägt auch die Finanz- und zu erhalten, müssen die Firmen darstellen, darf man bezweifeln, dass sie überall Wirtschaftskrise bei. Wie die vergangenen wie sie den Schutz der Umwelt in ihrem eingehalten werden. Das Glück, in den zwei Jahre beweisen, führt das Streben nach Management verankern. Der Zuwachs ist europäischen Niederlassungen der großen maximalem Profi t zu maximalen Risiken für eindrucksvoll: Zwischen 1999 und 2007 hat Textilhändler zu arbeiten, haben die Firmen und die Gesellschaft insgesamt. sich die Zahl der zertifi zierten Firmen mehr wenigsten Beschäftigten. Die meisten Diese Lehre kommt auch in den Vorstands­ als verzehnfacht. Weltweit wurde das arbeiten in den Zuliefererbetrieben irgend­ etagen an. ISO-Zertifi kat an über 154 000 Unterneh­ wo rund um den Globus, die die Kontrolleu­ Ingo Schoenheit, Chef des Instituts men vergeben. re selten oder nie besuchen. Schlechte Markt-Umwelt-Gesellschaft (Imug), sieht Alleine von 2006 bis 2007 kamen gut Löhne, überlange Arbeitszeiten und auch Fortschritte auf drei Ebenen: « Ökologische 26 000 Firmen hinzu. Interessanterweise Kinderarbeit sind dort an der Tagesordnung. und soziale Aspekte spielen eine größere hielt China den Spitzenplatz mit 30 000 Bis hohe Sozialstandards für die Mehrheit Rolle in der Unternehmenspolitik, aber auch ausgezeichneten Betrieben. Es folgten Japan der Beschäftigten weltweit gelten und nicht in der Organisation und der Praxis der (28 000) und Spanien (14 000). Deutsch­ nur für eine Minderheit in den reichen Firmen ». land stand 2007 mit knapp 5000 ISO-Unter­ Industrie-ländern, ist es ein weiter Weg. Diese Einschätzung liegt nahe – kommt nehmen auf dem achten Platz. Auch doch seit Beginn der 2000er-Jahre kein hierzulande ist über die Jahre ein Zuwachs Konzern mehr ohne dicke Selbstdarstel­ zu beobachten. --- lungsbroschüren aus, die sein Handeln Die Frage ist nun, ob die Veränderungen gegenüber Menschen und Umwelt ins beste auf den Ebenen der Firmenpolitik und des Licht rücken. Sollte die Sozial- und Öko- Managements in der Praxis tatsächlich Euphorie der Wirtschaft mehr sein als umgesetzt werden. Einen Hinweis gibt die Schminke? Entwicklung auf dem Bio-Markt. Dieses Ja, das ist sie. Leicht belegbar ist dies auf Segment wächst in Deutschland stärker als der Ebene der Bekenntnisse. Die Zahl der der konventionelle Einzelhandel und hat Selbstverpfl ichtungen, Verhaltenskodizes inzwischen einen Marktanteil von gut sechs und Nachhaltigkeitsberichte der Wirtschaft Prozent erreicht. Eine Untersuchung des nimmt stetig zu. Dies hat aber auch Auswir­ Imug-Instituts unter den größten Einzel­ kungen auf die praktische Unternehmenspo­ händlern hat im Oktober 2008 ergeben, DIE NEUEN KONSUMENTEN, BANKIERS UND UNTERNEHMER 35

Warst du schon mal auf der Internetseite von Hier heißt es: Stellen Sie Ihr Leben auf Utopia.de? Nachhaltigkeit um, das ist weniger Aufwand, Kennst du Ja. [Klickt die Seite an] So ’ne Plattform für als Sie denken… die, ich sag mal, Bio-Bourgeoisie. Utopia.de … kostet meist nicht viel, bringt Spaß … Ja, Utopia.de kombiniert gefällige Zeitphänomene: man ist hip, hebt sich von anderen ab. Das Community, Öko-Shopping-Info, Life-Style ist irgendwie elitär. Dafür brauchst du Zeit, mit gutem Gewissen. hat nicht jeder. Da ist der Anspruch, Avant­ ? garde zu sein. Und der Begriff « Utopist » Utopia.de existiert seit ungefähr anderthalb birgt eine gewisse Hybris – Utopie ist ein Jahren und hat ca. 40 000 angemeldete großes Wort. Bin ich Utopist, nur weil ich « Utopisten ». Wenn du eine besonders bei einer Internet-Community mitmache? Michaela Wunderle nachhaltige Idee hättest, könntest du sprach mit Chris Mess, Informatiker « Utopist der Woche » werden. Ist es keine Utopie, die Welt im nachhaltigen und Moderator beim Frankfurter Ja, Öko ist hip. Ich fi nde interessant, dass es Sinn verändern zu wollen? Schauen wir mal nicht um das hippieske Reduce! Re-use, Lokalradio X, über das Internetportal bei « Produkten ». Hier heißt es: « Kauf dir Recycle! geht, sondern um Hedonismus mit eine bessere Welt – Basic ». für strategischen Konsum gutem Gewissen. « Geiz ist geil » hasse ich – Wahnsinn! Ich muss also nur Geld auf den Geiz ist eine Todsünde. Tisch legen, aber weder mich verändern noch mich politisch engagieren. Mir ist das Utopia.de spricht von « strategischem zu einfach. Das ist was für « Lohas » [Leute Konsum », der ethisches Wirtschaften mit lifestyle of health and sustainability]. erzwingen soll und das, durch das Internet, Nachhaltigkeit ist ja okay, aber warum so’n sogar global. Label? Weil es eine Marketing-Zielgruppe Stimmt, durch E-Mail-Aktionen konnten ist! schon Arbeitsbedingungen in Bangladesh verändert werden. Konsumboykott hat Wenn die Utopia-Community bestimmte verhindert, dass Lidl bei Basic einsteigt. Produkte für gut befindet, ist das indirektes Marketing? Umgekehrt könnte bewusster Konsum eine Könnte man so sehen. nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in der Welt fördern. Gehen wir ins Utopia-Forum. Da Utopia.de schreibt, dass nur auf Nachhaltig­ gibt ’s Tipps zum nachhaltigen Lebensstil. Hier keit getestete Produkte ins Netz gestellt zum Beispiel: – Wie ernähren wir uns besser, werden. Die Daten werden veröffentlicht. Rezepte mit saisonalem Gemüse, nicht teuer. Hier, ein « Sneaker mit gutem Gewissen » für Utopia.de sucht den Dialog mit den Produzen­ nur 30 Euro … ten und Unternehmern. Schauen wir, welche A und O ist dabei, dass du Utopia.de Firmen im Boot sind. vertrauen kannst. [klickt « Unternehmen » an] Die GLS-Bank … das Gemüse-Abo … Osram … Vaillant … Lass uns die Profile der Utopisten ansehen, Tegut …. was sind das für Leute? Hier, da nennt sich einer « Blumenhund » – Toyota darf werben …. ein Zivildienstleistender! [liest]. Zwanzig … weil die Autos mit Hybridantrieb zur Jahre, fi ndet Öko gut, hat aber wenig Geld Marktreife gebracht haben. für Bio … das hier ist ein Gebäudereiniger … und da ist einer, der gegen große Marken ist, Gehen wir zu Dr. Dilemma, Ratgeber für den der sucht Kontakt. Oder vielleicht auch nur Alltag. ein Selbstdarstellungsforum! Welche Themen gibt’s da … soll ich meinen Kindern Fastfood geben … oder … das hier, Hältst du am Verdacht des Elitären fest? soll ich Zeitung lieber online-lesen? Was ist « Elitär » war wohl das falsche Wort. Jeden­ schlimmer, Papiermüll oder Datenmüll? Oh, falls wünsche ich der Plattform alles Gute. Dr. Dilemma, das ist ja Peter Unfried von der 40 000 kritische Konsumenten sind aber taz!! Auch kein Öko in mundgestricktem nicht genug, um einem Global Player wie Schafwollpullover. Nestlé gefährlich zu werden.

Das Problem wird qualifi ziert erörtert. [Liest die Antwort] « Darf ich meine Zeitung --- online lesen? » Sinnvoll ist die Diskussion über die Frage, neu aber nicht. Wer eine Anfrage bei Google startet, könnte mit der Energie zwei Tassen Kaffee kochen. Information: www.radiox.de 36 DIE NEUEN BANKIERS, UNTERNEHMER UND KONSUMENTEN

Naturverbrauch gehört in die Berechnung der Kosten VON IRENE SCHÖNE AUFSICHTSRATSMITGLIED DER UMWELTBANK AG

Integrierte Bilanzierung: die etwas andere Buchführung

Das Emission Trading Scheme (ETS) der EU scheint gescheitert zu ein anderer Ausdruck für Natur ist. Darauf hat Karl Polanyi in « The sein. Der Emissionshandel sollte einen marktwirtschaftlichen Anreiz Great Transformation » bereits 1944 hingewiesen. zur Einsparung von Treibhausgasen bieten. Herstellern von Stahl, Seit Luca Pacioli 1494 die doppelte Buchführung erfand, wurde Zement oder Strom wurden limitierte Verschmutzungsrechte für von der Ökonomik lediglich eine Berichterstattung über den

Treibhausgase gewährt. Investieren sie in die Einsparung von CO2, Produktionsfaktor Kapital für nötig gehalten. Doch heute, gut 500 können sie die nicht benötigten Rechte an andere verkaufen, die Jahre später, macht der drohende Klimawandel eine Erweiterung mehr emittieren. Die Umwelt würde entlastet. der Berichterstattung erforderlich: Auch ein Rechenschaftsbericht Nun stellt sich heraus, dass die Firmen ihre Emissionsrechte nicht über die Nutzung der Natur ist nötig. deswegen verkaufen, weil sie Emissionen eingespart haben, sondern Die Integrierte Bilanzierung ist in einen ökonomischen und einen weil sie wegen der globalen Krise weniger produzieren. Sie verkau­ ökologischen Teil gegliedert. Die ökonomische Bilanzierung folgt fen, weil sie die Rechte aufgrund ihrer Wirtschaftslage nicht den gesetzlichen Vorschriften und endet mit einem finanziellen benötigen nicht, weil sie in effi ziente Technologien investiert hätten. Jahresergebnis, einer Zahl, die fortschreibbar und sowohl mit den Eine Entlastung der Umwelt fi ndet nicht statt. Vorjahren als auch mit den Ergebnissen anderer Organisationen

Das war nicht vorgesehen, klagt Mark Lewis, CO2-Analyst der vergleichbar ist. Deutschen Bank, im Guardian vom 28. 1. 2009. Er bemängelt, dass Die ökologischen Informationen werden – wie in der Umweltge­ die EU mit diesem Instrument lediglich « heiße Luft» und wenig setzgebung – in Größen wie Fläche, Hohlmaß, Gewicht, Druck, Nutzen für die Umwelt produziert hätte. Was Anreiz für Investitio­

nen in CO2-sparende Technologien sein sollte, sei zu einer bloßen Geldumverteilungsaktion geworden. Die Bilanz zeigt: Wenn ein marktwirtschaftliches Instrument «Der drohende Klimawandel macht eine Erweiterung eingeführt wird, das einen direkten fi nanziellen Vorteil bietet, der Berichterstattung erforderlich: Auch ein Rechen­ während das Ziel der Umweltentlastung indirekt bleibt, ist Fehlsteu­ schaftsbericht über die Nutzung der Natur ist nötig.» erung die Folge. Die Frage stellt sich, ob es ein geeigneteres

Instrument gibt, CO2-Einsparungen zu erreichen. Ein geeigneteres Instrument wäre die Integrierte Bilanzierung. Diese setzt ein ökologisches Verständnis vom Wirtschaften als Lautstärke angegeben, denn im Austausch zwischen Natur und wechselseitigen Austauschprozess zwischen Natur und Mensch Mensch machen in Geld ausgedrückte Daten keinen Sinn. Für ihre voraus. Austauschprozesse hat die Natur kein Tauschmittel entwickelt. Geld Die Einführung einer direkten Berichterstattung über die ist eine kulturelle Größe, eingeführt zur Erleichterung des Aus­

CO2-Einsparung in Form der integrierten Bilanzierung ist nicht nur tauschs zwischen Menschen. durch das Kyoto-Protokoll begründet, das für Deutschland bis 2012 Der ökologische Teil der Bilanzierung wird in die drei Bereiche eine Emissionssenkung um 21 Prozent gegenüber 1990 vorsieht. Sie Betriebs-, Produkt- und Humanökologie gegliedert: lässt sich auch aus dem herleiten, was traditionell unter Ökonomie Zur Betriebsökologie gehören Daten wie: Nutzung von regenerati­ verstanden wird: die rationale und rationelle Kombination der ven und nicht-regenerativen Ressourcen für Energie und Wärme, Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Boden, wobei Boden nur Trink- und Abwasser, Materialnutzung, Entsorgung, Recycling, Lärm, DIE NEUEN BANKIERS, UNTERNEHMER UND KONSUMENTEN 37

Die UmweltBank AG, Nürnberg Die Kredite verteilen sich wie folgt: Solar 47 Prozent, Baufi nanzierung 29, 1997 erhielt die UmweltBank die Vollbank-Lizenz. Als einzige Bank Deutsch­ Wind- und Wasserkraft 16, Biomasse/Biogas und ökologische Landwirtschaft lands richtet sie ihre Geschäftsstrategie nach zwei gleichberechtigten Zielen acht Prozent. aus: finanzielles Wachstum bei Wachstum von Umweltentlastung. Zur Kont­ Aufgrund solider Kundenstruktur verzeichnete die UmweltBank auch 2008 rolle des ökologischen Ziels hat die UmweltBank AG einen Umweltrat bestellt. nur geringe Ausfälle. Das Bruttoergebnis betrug knapp zehn Millionen Euro, Die UmweltBank AG ist unabhängig. Sie gehört rund 8000 Privatpersonen. der Jahresüberschuss nach Steuern rund 6,7 Millionen Euro (6,5 Millionen Für jeden Kredit gilt: je ökologischer das Vorhaben, desto günstiger die Fi­ 2007). nanzierung. Jede Kreditvergabe ist in der Regel doppelt gesichert, durch die Anlage selbst und durch die Einspeisevergütung. Für ihre Geschäftspolitik hat die UmweltBank AG mehrfach Auszeichnungen erhalten: Trotz globaler Finanzkrise behauptete sich die UmweltBank auch 2008: 2002 die Bestnote AAA beim Nachhaltigkeitsrating der Züricher Das haftende Eigenkapital stieg auf 78 Millionen, die Bilanzsumme auf Kantonalbank 1,16 Milliarden Euro (+ 12,9 Prozent), das Geschäftsvolumen auf 1,27 2005 Aufnahme in die TOP 20 der weltweit besten Nachhaltigkeitsaktien Milliarden Euro (+ 13,3 Prozent). 2009 den « Goldenen Bullen für Nachhaltigkeit», vorgeschlagen hatte das Die Zahl der Kunden wuchs von 60 096 auf 69 046 (+ 14,9 Prozent). Euro Greentec Journal. 11 106 Umweltvorhaben wurden finanziert. Die Kreditsumme überschritt mit 1,01 Milliarden Euro erstmals die Milliardengrenze.

Landschaftsschutz usw. Über die Eigenproduktion von Strom, die Durch die Integrierte Bilanzierung wird erreicht, dass das Nutzung von Abwärme, Abfallvermeidung, Boden- und Gewässer­ ökologische Handlungsziel gleichberechtigt neben das ökonomische schutz sowie Luftreinhaltung wird informiert. Ziel tritt. Damit wird das Einsparen von Treibhausgasen von einer Bei der Produktökologie werden alle auf die Produkte bezogenen allgemeinen politischen Willenserklärung zur individuellen Daten aufgeführt, unterschieden nach dem Aufwand für Herstellung Verantwortung. und Nutzung. Die Daten sollen über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes Aufschluss geben. Vier Schritte zur Förderung der Integrierten Bilanzierung: Durch die Fortschreibung dieser Daten können Informationen 1. Umweltorganisationen legen Rechenschaft über ihren Umgang gewonnen werden, die helfen, die Langlebigkeit, Reparaturfreund­ mit der Natur ab, indem sie ihr ökologisches Profi l in ihre Bilanz lichkeit und Recyclierfähigkeit zu erhöhen. integrieren. Umwelt-NGOs werden an erster Stelle genannt, weil Im Bereich Humanökologie wird über den Umgang mit internen hier Klimabewusstsein nicht erst geschaffen werden muss. Anspruchsgruppen (Entwicklung der Arbeitsplätze, ÖPNV-Leistun­ 2. Politische Institutionen, Ministerien, Schulen, Krankenhäuser,

gen, ökologische Nahrungsmittel in Kantinen usw.) berichtet. Bei Kindergärten etc. verpfl ichten sich, eine CO2-Bilanz aufzustellen. Da den externen Anspruchsgruppen wird die Verantwortung des es das Ziel von Politik ist, die Umwelt zu entlasten, stellt die

Unternehmens gegenüber den Eigentümern, Lieferanten, Kunden CO2-Bilanz lediglich ein neues Instrument dar, aber kein neues Ziel. und Öffentlichkeit dargestellt. So baut die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion aus.

Die ökologischen Informationen enden ebenfalls mit einer Zahl, 3. Alle Verbraucher erstellen eine eigene CO2-Bilanz und richten nämlich den eingesparten Tonnen Kohlendioxyd (nach den bisheri­ ihr persönliches Handeln an der Einsparung von Treibhausgasen gen Möglichkeiten). aus: Autofahren kann durch ÖPNV-Nutzung ersetzt, Fleischkonsum reduziert, Gemüse aus regionalem ökologischen Anbau verzehrt Ein Beispiel für den ökologischen Teil der Integrierten Bilanzierung werden …

ist die CO2-Bilanz der UmweltBank AG, Nürnberg: 4. Bilanzierungsvorschriften für Organisationen und Unternehmen Das integrierte Jahresergebnis setzt sich aus dem ökonomischen werden um eine CO2-Bilanz erweitert. Das Bilanzrechtsreformgesetz Profi t (ausgedrückt in Geld) und dem ökologischen Profi t (ausge­ (vom 18. Oktober 2005) lässt solche nicht-fi nanziellen Leistungsin­

drückt in eingesparten Tonnen CO2) zusammen. Beide Zahlen dikatoren ausdrücklich zu. zusammen zeigen den Öko-Zuwachs einer Organisation oder eines Unternehmens pro Geschäftsjahr. Eine noch zu gründende Plattform von Umweltorganisationen kann

Die Integrierte Bilanzierung befriedigt nicht nur das Informati­ die CO2-Bilanzen auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen sowie onsbedürfnis über eine Organisation oder ein Unternehmen nach erzielte Einsparerfolge testieren und veröffentlichen. Mit diesem innen und außen – das ökonomische und das ökologische Ergebnis Nachweis könnte Organisationen, Unternehmen und Bürgern lassen sich mit dem Erfolg anderer Firmen vergleichen. Darüber eventuell ein Bonus als Anreiz gewährt werden. Die Aufstellung hinaus vermittelt die Integrierte Bilanzierung auch den Anreiz, die einer Integrierten Bilanzierung erfordert Arbeit – wenn dieser konkrete Einsparung von Treibhausgasen zum Handlungsziel zu Aufwand aber ins Verhältnis zur Klimakatastrophe gesetzt wird, machen. wird schnell klar, wie sinnvoll diese Arbeit ist. --- 38 DIE STIFTUNG UND DER GREEN NEW DEAL

Investieren in die Zukunft: « Green New Deal » Aktuelle Projekte und Veranstaltungen der Heinrich-Böll-Stiftung

Impressum Immer mehr Menschen fordern zur Bewälti­ Auf der Tagung « Green New Deal – Inves­ gung der Krise einen Green New Deal. Das tieren in die Zukunft » am 7. Mai wollen wir Herausgeberin Konzept des Green New Deal gewinnt seine u. a. mit Vertretern des Center of American Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin Attraktivität aus der Verknüpfung von Progress diskutieren, wie ein gemeinsamer T 030 – 2 85 34 – 0 ökologischen und sozialen Zielen. Im Kern transatlantischer Green New Deal aussehen F 030 – 2 85 34 – 109 geht es darum, mit massiven Investitionen könnte: Haben wir die gleiche Vision einer E [email protected] www.boell.de/thema in den ökologischen Strukturwandel, in Welt nach der Krise? Gibt es gemeinsame Bildung und Qualifi zierung, Wissenschaft Ziele, Strategien und politische Instrumente Redaktionsleitung und Forschung die Fundamente einer für Europa und die USA, um nachhaltige Elisabeth Kiderlen zukunftsfähigen Gesellschaft zu legen. Antworten auf die multiplen Krisen zu Redaktionsassistenz Der Green New Deal appelliert an den fi nden? Welches Freiheits- und Glücksver­ Susanne Dittrich Geist von Chancengleichheit, Fairness, sprechen verbinden wir in Deutschland mit Mitarbeit Bürgerlichkeit und Selbstvertrauen. Doch dem Green New Deal? Ralf Fücks Annette Maennel (V.i.S.d.P.) wie können wir die Wirtschaftskrise In einer Reihe zur ökologischen Transfor­ bewältigen und zugleich das Fundament für mation deutscher Schlüsselindustrien Gestaltung ein ökologisch und sozial nachhaltiges werden wir untersuchen, welche staatlichen blotto design, Berlin Wirtschaftsmodell legen? Was heißt das im und unternehmerischen Weichenstellungen Druck Hinblick auf die aktuellen Konjunkturpro­ jetzt erforderlich sind, damit nachhaltige agit-Druck, Berlin gramme und die notwendige Ordnungspoli­ Jobs entstehen und die Wende zu einer Papier tik? Wie vermeiden wir, dass die Konjunk­ umweltverträglichen Produktionsweise Inhalt: Envirotop, 100g/m2 matt hochweiß, Recyclingpapier aus 100 % Altpapier turimpulse von heute zur Absatzkrise von gelingt. Mit der Studie « Grüne Wege aus der Umschlag: Tauro Offset, 170g/m2 morgen führen und am Ende nur den Autokrise » stellen wir die Vision des Bezugsbedingungen Regierenden im Wahlkampf nützen? « grünen Automobilbauers von morgen » vor zu bestellen bei oben genannter Adresse Die Heinrich-Böll-Stiftung geht in und diskutieren ihre Umsetzungschancen Veranstaltungen, Studien und Publikationen mit Wirtschaftsvertreter/innen, Politiker/ der Frage nach, wie ein Green New Deal innen und Bürger/innen. Unsere Studie zur ausgestaltet werden kann, der einen «Grünen Chemie» zeigt die Potenziale der grundlegenden Wandel einleitet. Nicht nur Chemiebranche und wie diese im Wettbe­ die Kapitalausstattung der Banken und werb um die umweltverträglichsten Unternehmen soll sich verbessern, sondern Produkte bestehen kann. auch die Teilhabe und die Aufstiegschancen der Menschen. --- INFORMATIONEN DER HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG

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Konzepte Bisher sind u.a. erschienen: ERENE – Für eine Europäische Gemeinschaft Erneuerbarer Energien Langfristiges Ziel: der Ausstieg aus der Abhängigkeit von Öl, Gas und Uran. 3/07 1/08 Vorrangige Aufgaben der geplanten Gemeinschaft sind der Aufbau eines ge­ samteuropäischen Stromnetzes, die Errichtung eines europäischen Binnenmark­ tes für erneuerbare Energien und umfangreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung. Die Machbarkeitsstudie von Michaele Schreyer und Lutz Mez kann kosten­ frei unter www.boell.de/erene heruntergeladen werden

Das ‹ Greenhouse Development Rights ›-Modell (GDR) Das Modell schlägt ein System der fairen Lastenverteilung von Klimaschutzleis­ tungen vor, bei dem alle Länder ihren Beitrag leisten müssen. Aber die Anstren­ gungen und Kosten werden so verteilt, dass die Entwicklungsländer Armutsbe­ kämpfung und die Umsetzung der Menschenrechte prioritär verfolgen können. Die neue Welt(un)ordnung Autoren: Paul Baer, Tom Athanasiou, Sivan Kartha und Eric Kemp- Außenpolitik nach dem BiodiversitätBi di ität Benedict (in engl. Sprache) Ende des Kalten Krieges Bedrohung und Erhalt Download: www.boell.de/publikationen

2/08 3/08 Publikationen Zur Lage der Welt 2009. Ein Planet vor der Überhitzung Hrsg. vom World­ watch Institute in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und German­ watch im Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2009, 320 Seiten, 19,90 Euro

Kapitalismus 3.0 – Ein Leitfaden zur Wiederaneignung der Gemeinschafts­ güter Von Peter Barnes. Hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung im VSA-Verlag, Berlin 2008, 208 Seiten, 18,80 Euro

Hoffnungsträger 1325. Eine Resolution für eine geschlechtergerechte Frie­ dens- und Sicherheitspolitik in Europa Hrsg. im Ulrike Helmer Verlag vom What’s left Menschenrechte sind Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung, Königstein/Ts., Oktober Mit wem geht die nicht teilbar 2008, 272 Seiten, 25 Euro neue Zeit?

Unsere Bücher und Schriftenreihen finden Sie unter www.boell.de/thema www.boell.de/publikationen Böll Thema 1/09 Green New Deal

«Es fehlt keinesfalls an wissenschaftlichen Erkenntnis­ sen, dass wir einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel brauchen, und es fehlt auch nicht an Vorschlä­ gen für Maßnahmen für einen solchen Wandel. Was fehlt, ist der politische Wille. Die ideologischen, mate­ riellen oder politischen Besitzstandswahrer müssen ihre gewohnten Positionen verlassen, um voraussetzungslos an den notwendigen Umbau unserer gesellschaftlichen Systeme und Verhaltensweisen heranzugehen. Dies trifft die Politik genauso wie die Wirtschaft, die Medi­ en ebenso wie alle Bürger. Die Barrieren für die not­ wendigen Veränderungen liegen nicht in systemischen Zwängen, sondern bestehen in den Köpfen und Herzen von uns allen.» Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS-Bank

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist len politischen Richtungen des eine Agentur für grüne Ideen und Sozialismus, des Liberalismus Projekte, eine reformpolitische und des Konservatismus heraus­ Zukunftswerkstatt und ein gebildet hat. internationales Netzwerk mit Organisatorisch ist die Heinrich­ weit über hundert Partnerprojek­ Böll-Stiftung unabhängig und ten in rund sechzig Ländern. steht für geistige Offenheit. Mit Demokratie und Menschenrechte 27 Auslandsbüros verfügt sie durchsetzen, gegen die Zerstö­ über eine weltweit vernetzte rung unseres globalen Ökosys­ Struktur. Sie kooperiert mit 16 tems angehen, patriarchale Landesstiftungen in allen Bundes­ Herr schaftsstrukturen überwin­ ländern und fördert begabte, den, in Krisenzonen präventiv den gesellschaftspolitisch engagierte Frieden sichern, die Freiheit des Studierende und Graduierte im Individuums gegen staatliche und In- und Ausland. Heinrich Bölls wirtschaft liche Übermacht Ermunterung zur zivilgesell­ verteidigen – das sind die Ziele, schaftlichen Einmischung in die die Denken und Han deln der Politik folgt sie gern und möchte Heinrich-Böll-Stiftung bestim­ andere anstiften mitzutun. men. Sie ist damit Teil der «grünen» politischen Grundströ­ mung, die sich weit über die Bundesrepublik hinaus in Ausein­ andersetzung mit den traditionel­ www.boell.de