Die Vor- und Frühgeschichte Thesen In ihrem Bemühen, der heimischen Region ein langes Alter und eine große Be- deutung innerhalb der deutschen und europäischen Geschichte zu geben, haben Heimatforscher gelegentlich nicht vorhandene Belege konstruiert oder vorhan- dene überinterpretiert. Demgegenüber ist die Grundthese der hier vorgelegten Untersuchungsergebnisse, dass die Erschließung der Hofer Region erst spät und zunächst nur sehr schwach erfolgte. Diese These stand am Anfang der Forschungen über die Erschließung der Hofer Region. Schon 1885 las man im „Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Vorgeschichte“, dass die prähistorische For- schung an der oberen auf die Epoche der slawischen Einwanderung be- schränkt sei. Vor dem 7. Jahrhundert nach Christus sei die Region siedlungsfrei gewesen. 3 Diese Position wird mit Modifikationen bis heute vertreten. 4 Ober- franken, so der zuständige Archäologe des Landesamtes für Denkmalpflege in Memmelsdorf bei Bamberg, Björn-Uwe Abels, zerfalle geologisch entlang der „Fränkischen Linie“ in einen westlichen Sektor, das „Deckgebirge“, und einen östlichen, das „Grundgebirge“, bestehend aus Fichtelgebirge, Münchberger Masse, Vogtland und dem Osten des Frankenwaldes. Das Grundgebirge weise durchschnittlich größere Höhen auf und habe ein raueres, siedlungsfeindliches Klima. 5 „Waldarme Gäulandschaften waren seit früher Zeit mehr oder weniger kontinuierlich besiedelt, während die Waldgebiete und Talhänge bis in das Hochmittelalter siedlungsfeindlich geblieben sind,“ heißt es in einem aktuellen Handbuch zur frühen fränkischen Geschichte. 6 Gegen diese Position erhob sich der Widerstand der Heimatforscher, bisweilen unterfüttert von der Vorstellung, hier wollten Auswärtige aus ohnehin vielfach bevorzugten Gebieten der missachteten Heimat auch noch ihren historischen Boden unter den Füßen wegziehen. Heinrich Jahn aus Hof wollte im Vogtland eine epochemachende Region erblicken. Die Menschen der Bronzezeit, so ar- gumentierte er, benötigten aus technischen Gründen Kupfererze mit geringem Zinnanteil, die man im Vogtland häufig findet. Existenz gibt Evidenz, schloss Jahn, die Ur-Vogtländer gehörten „zu den Vorkämpfern der Kulturrevolution, die das Steinzeitalter überwunden hat, sie haben an einem der größten Fort- schritte der Menschheit mitgewirkt“. 7

3 Arnd Kluge, Von dunklen Zeiten – Zur Vor- und Frühgeschichte des bayerischen Vogtlands, in: Hofer Heimatbuch. Führer durch das Museum Bayerisches Vogtland, Hof 1996, S. 29-31, hier: S. 29. 4 Vgl. Björn-Uwe Abels, Die vorchristlichen Metallzeiten, in: Oberfranken in vor- und früh- geschichtlicher Zeit, 2. Auflage, Bayreuth 1996, S. 65-160, hier: S. 104, 122. 5 Vgl. Björn-Uwe Abels, Archäologischer Führer Oberfranken (Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern. Franken, 2), Stuttgart 1986, S. 9. 6 Wilhelm Störmer, Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268 (Dokumente zur Ge- schichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, II 1), München 1999, S. 37. 7 Kluge, Zeiten, S. 29. Karl Bedal, vielfach dekorierter Künstler, Denkmalpfleger und Heimatforscher, vermutete ein vorgeschichtliches Vermessungsnetz, in dem vorgeschichtliche Fundstätten, Bodendenkmäler, Kirchen und Burgen sich in einem charakteristi- schen Abstand von jeweils 6,75 km oder einem Vielfachen dieses Wertes befän- den. 8 Bedauerlicherweise zeigt das schlichte Nachmessen auf der Wanderkarte, dass diese Theorie unhaltbar ist. Während Bedal davon ausging, dass die vorge- schichtlichen Vermesser auf Entfernungen von 100 km und mehr Messtoleran- zen unter 1 % einhielten, scheinen sie sich bei kurzen Entfernungen manchmal schwer geirrt zu haben. Wer die Messpunkte angelegt haben soll und zu wel- chem Zweck, war auch Bedal nicht klar. Seine Rückschlüsse aus mittelalterli- chen oder neuzeitlichen Befunden (Kirchen, Schlösser, Sagen, Steinkreuze und Kreuzsteine, Orts- und Flurnamen) auf ältere Perioden bleiben phantastisch, weil nicht belegt wird, warum sie zulässig sein sollen. Wichtige Stellen, von de- ren Begehung in der vorgeschichtlichen Zeit wir aus Bodenfunden wissen, fin- den in Bedals Liniennetz keinen Platz. In der Tat besaßen die Kelten ein eigen- ständiges System der Entfernungsmessung, das bis in die römische Kaiserzeit reichte; es basierte allerdings auf „Leugen“ mit einer Länge von ca. 2,2 km. 9 In der Nachfolge Bedals betätigt sich Alfred Völkel aus , der den „Kelten auf der Spur“ ist. Er fand im östlichen Frankenwald „überall Kelten“. 10 Die Na- men natürlicher Formationen leitete er aus dem Keltischen ab, ermittelte Stein- wälle, Dreieckssteine, einen Obelisken und die Steinreihe der „Langenbacher Apostel“ und nahm an, dass alle diese Gegenstände keltische Hinterlassenschaf- ten seien. Eine baumbestandene Hügelkuppe mutierte zum „typischen Bild einer Kultstätte“. In unseren esoterikfreundlichen, keltenkultigen Zeiten fallen derar- tige Äußerungen auf fruchtbaren Boden. Ohne bislang ein abschließendes Urteil fällen zu können, ist nach ersten Befunden davon auszugehen, dass viele der von Völkel beobachteten Phänomene natürliche Ursachen oder mittelalterlichen Ur- sprung haben. 11 Dem Köditzer Lehrer und Heimatforscher für den Altlandkreis Hof, Hans Hof- ner, kommt das Verdienst zu, die Diskussion um die vorgeschichtliche Besied- lung der Hofer Region versachlicht zu haben. Er versuchte um 1960 in mehreren Veröffentlichungen, alle in der Literatur publizierten Funde aus vorgeschichtli- chen Epochen zusammenzustellen. Zusammen mit späteren Nachträgen Hofners

8 Vgl. Karl Bedal, Rätselhafte Verbindungen zwischen vorgeschichtlichen Fundstätten, Bo- dendenkmälern, Burgen und Kirchen, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1993, S. 67-92; Karl Bedal, Die ‚Zwölf Apostel‘ bei Langenbach. Eine vorgeschichtliche Steinset- zung?, in: Frankenwald, 1993, S. 71-73; Karl Bedal, Die ‚Zwölf Apostel‘ und der Denkmal- schutz, in: Frankenwald, 1998, S. 142-145. 9 Janine Fries-Knoblach, Die Kelten. 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte, Stutt- gart 2002, S. 133. 10 Alfred Völkel, Wie spitz ist der Spitzberg? Es kann alles ganz anders gewesen sein: Was sich hinter den deutschen Namen von Bergen, Hügeln und Leithen verbirgt, in: Frankenwald, 2002, Heft 4, S. 7-9, sowie mehrere Artikel in der Frankenpost. 11 Ich danke Norbert Hübsch vom Historischen Verein für Oberfranken für wertvolle Hinwei- se. und einiger anderer, insbesondere den Grabungen des Münchberger Heimatfor- schers Karl Dietel, ergibt sich daraus ein charakteristisches Bild, das allen Spe- kulationen die Nahrung nimmt. Seit 1980 werden Lesefunde und Grabungser- gebnisse von Professor Abels in den Zweijahresbänden der „Geschichte am Obermain“ publiziert. Die folgende Tabelle stellt die bekannt gewordenen vor- geschichtlichen Tatsachen aus der Hofer Region zusammen. Bei der Interpreta- tion der Tabelle ist zu berücksichtigen, dass die Zuverlässigkeit der älteren Nachrichten teilweise fragwürdig ist; insbesondere die Zuweisung von Fundge- genständen zu Epochen ist oft zweifelhaft. Epochengrenzen werden von den Au- toren unterschiedlich gezogen. Hier wird einer Einteilung Abels gefolgt: Alt- und Mittelsteinzeit (bis ca. 4500 v. Chr.), Jungsteinzeit (ca. 4500-1800 v. Chr.), Bronzezeit (ca. 1800-1300 v. Chr.), Urnenfelderzeit (ca. 1300-750 v. Chr.), Hallstattzeit (ca. 750-450 v. Chr.), Latènezeit (ca. 450 v. Chr. – 0), Römische Kaiserzeit (1.-5 Jahrhundert n. Chr.).

Tabelle 1: Vorgeschichtliche Befunde der Hofer Region

Fundort Fundart Quelle Alt- und Mittelsteinzeit Hof-Leimitz: Wartturmberg Blattspitze, nordischer Feuerstein, Präsolutreen 1, S. 1 4 20 ca. 100.000 Jahre alt 3, S. 27 Hof-Leimitz: Wartturmberg zwei Abschlagstücke aus Feuerstein, ca. 90.000 3, S. 27 Jahre alt 20 Hof-Fauna nordischer Feuerstein, ca. 90.000 Jahre alt 20 Hof: Geigengrund ockerfarbener, patinierter Schaber, Präsolutreen 1, S. 1 4 ca. 80.000 Jahre alt 3, S. 27 um Hof Felsgesteinwerkzeug: drei Schaber 3, S. 27 Schwarzenbach/Saale, Feuerstein-Faustkeil 1, S. 1 Fletschenreuther Weg 4 ca. 50.000 Jahre alt (?) 3, S. 27 bei Stammbach Rohling aus Feuerbergjaspis mit Schlagspuren 8 (ca. 20.000 Jahre alt) Rudolphstein/Saale Geröllhaue vogtländischen Typs, Serpentin 1, S. 2 4 Mittelsteinzeit 2, S. 30 um 5000 v. Chr. 11 Waldstein Klingen und Schaber (Mittelsteinzeit) (siehe 6 auch Jungsteinzeit) bei Tennersreuth (Nähe zwei Fundorte 8 Stammbach) ein relativ großer trapezförmiger Mikrolith des 19, S. 12 spätesten Mesolithikums

Jungsteinzeit Bad Steben Streitaxt 2, S. 41 Köditz: Silberberg Wetzstein, 12 cm trichterförmig durchbohrt, 1, S. 5 unsichere Datierung 4 Münchenreuth spitznackiges Steinbeil aus heimischem Serpen- 10 tin, ca. 2000 v. Chr., „Glockenbecherleute“ Hof-Unterkotzau: Pfriemen mit Fadenrinne, Felsgestein 3, S. 27 Saalegeröll (siehe auch Hallstattzeit) Hof-Unterkotzau kleines Hammerbeil (3,5cm), gebohrt 3, S. 27 Döhlau eine wohl endneolithische, beidkantig retuschierte 17, S. 10 Spitze Oberkotzau: Saaleschutt schnurkeramisches Rechteckbeil 5 Oberpferdt/Silberbach blattförmige Hornsteinspitze, schnurkeramisch 1, S. 5 4 Steindolch, Feuerstein 3, S. 27 Oberpferdt/Silberbach Hornsteinschaber, schnurkeramisch 1, S. 5 4 Klinge oder Schaber, Feuerstein 3, S. 27 Silberbach Streitaxt 2, S. 41 schnurkeramische Axt 8 Thiemitzbach bei Naila ungebohrtes Steinbeil, Diabas 1, S. 5 4 ungebohrtes, geschliffenes, zweischneidiges Beil 3, S. 27 (Gneis?) (am Buchberg) Steinbeilfragment 1, S. 5 4 zerbrochenes, gebohrtes Steinbeil, Vorderteil 3, S. 27 schnurkeramisches Beil 9 24, S. 40 Helmbrechts Einsatzbeil aus Grauwacke 8 Kleinschwarzenbach bei Steinbeil aus Kieselschiefer 14, S. 156 Helmbrechts: Kirchberg 24, S. 41 Pfeilspitze aus Plattensilex 26 Staatsstraße zwischen Steinbeil 26 Helmbrechts und Volk- zwei Silexklingen 26 mannsgrün Pilgramsreuth durchbohrtes Steinbeil, Lydit 1, S. 3 Hammerbeil, gebohrt, Hornblendeschiefer 3, S. 27 4 Markersreuth Streitaxt 2, S. 41 Sparneck: Saaletal ein rohes, mit Spitze und Griffende versehenes 9 Werkzeug aus Rhön-Phonolith Waldstein Klingen und Schaber (siehe auch Mittelsteinzeit) 9 Röhrigeinzel bei Stamm- Steinbeil (Schuhleistenkeil) 7 bach 15, S. 11 bandkeramische Kultur 8 bei Tennersreuth (Nähe randretuschierte Pfeilspitze, Bruchstück eines 8 Stammbach) Steinbeils, Keramikscherben aus der bandkera- 13 mischen Kultur Steingeräte aus Silex, Chalzedon und Amphibolit, 16, S. 11 darunter das Bruchstück eines Steinbeils und eine schöne randretuschierte Pfeilspitze zwischen Stammbach und Einsatzbeil aus Diabas 8 Marktschorgast

Bronzezeit Hof-Unterkotzau: Mündung Mahlstein (siehe auch Urnenfelderzeit) 3, S. 28 der nördlichen Regnitz Leimitz/Haidt Hockergrab; keine näheren Angaben 1, S. 11 3, S. 28 4 Oberkotzau-Fattigau Mahlstein (siehe auch Urnenfelderzeit) 3, S. 28 (unweit Trafohaus) Oberkotzau: Am Bühlig bronzezeitliche Keramik mit Fingertupfendekor 18, S. 16 Schwarzenbach/Saale- zwei Halsringe, Bronze (siehe auch Hallstattzeit) 3, S. 28 Oberkotzau Regnitzlosau ältester Keramikfund, handgeformtes Napffrag- 3, S. 28 ment, 1 cm stark, mit Nageleindrücken bei Naila angeblich „Bronzeerzgruben“, zinnarme Kupfer- 3, S. 28 erze gegraben (Angabe nach Witte), um 1800- 1600 v. Chr.

Urnenfelderzeit Hof-Unterkotzau Mahlstein (siehe auch Bronzezeit) 1, S. 12 4 Döberlitz zwei Lappenbeile, mittelständig, nur eines 1, S. 12 geborgen (siehe auch Hallstattzeit) 4 Oberkotzau Urnen, ausgegraben beim Abbau der Burgwälle 1, S. 12 im 18. Jahrhundert (siehe auch Hallstattzeit) 4 Oberkotzau-Haideck Zierschale (verschollen) 1, S. 12 4 Oberkotzau: Ziegelei mittelständiges Lappenbeil (siehe auch Hallstatt- 1, S. 12 zeit) 4 Oberkotzau-Fattigau Mahlstein (siehe auch Bronzezeit) 1, S. 12 4 Unterweißenbach bei mittelständiges Lappenbeil 1, S. 12 Helmbrechts 4 9 24, S. 40f Kemlas bei Naila Bruchstücke von Gefäßwandungen 21

Hallstattzeit Eisenbühl Urne mit Brandresten ausgeackert (Brand- 3, S. 28 bestattung) (ca. 850-700 v. Chr.) Saalenstein, Ruinenabhang Bronzeziernadel 1, S. 13 Saalenstein Kupfergriff mit Löchlein, eventuell auch Gewand- 3, S. 28 spange (ca. 700-550 v. Chr.) Hof-Unterkotzau Steinpfriemen mit Nagelrinne im Saaleschutt 1, S. 13 (siehe auch Jungsteinzeit) Steinpfriemen mit Fadenrinne im Saaleschutt 4 Hof-Unterkotzau deformierte Spinnwirtel oder kleiner Steinhammer 1, S. 13 im Saaleschutt (verloren) 4 Oberkotzau-Fattigau Bronzehalsringe, beim Bau der Eisenbahn- 1, S. 13 strecke gefunden (siehe auch Bronzezeit) 4 Oberkotzau zwei Urnen mit Knochen beim Burgwallabbruch 3, S. 28 1728 gefunden (siehe auch Urnenfelderzeit), dazu Grabbeigaben Oberkotzau: Ziegelei Bronzelappenbeil (siehe auch Urnenfelderzeit) 3, S. 28 4 Bronzegewandnadel mit vier festen Ösen und 3, S. 28 darin beweglichen vier Ringen (ca. 700-550 v. Chr.) Döberlitz zwei Lappenbeile, davon eines mit Stiel wieder in 3, S. 28 die Aufschüttung des Dorfteiches geworfen (ca. 700-550 v. Chr.) (siehe auch Urnenfelderzeit) Regnitzlosau keramische Scherben mit Nageleindruck 1, S. 13 4 12 Osseck am Wald kleines Gräberfeld 15, S. 17 22 23

Latènezeit Heidberg-Saalenstein- Ringwallbefestigung 3, S. 29 Steinelburg Brunnenthal frühe Schmelze, Grube am Göstrabach 1, S. 16 frühe Eisenschmelze am Göstrabach 3, S. 29 4 Hof: Ziegelei am Theresien- Gewandnadelrest aus Eisen 1, S. 16 stein 3, S. 29 4 Hof: Ziegelei am Theresien- Keramik 3, S. 29 stein Rothenbürg Ringwallbefestigung 3, S. 29 Sparneck Gussrohling 1, S. 16 4 Rohling eines Gusses 3, S. 29 Kornberg Ringwallbefestigung 3, S. 29

Römische Kaiserzeit Joditz Einzelfund Münzen 1, S. 18 4 25, S. 26 Hof Einzelfund Münzen 1, S. 18 4 zwei Einzelfunde Münzen 25, S. 26 Schwarzenbach/Saale Einzelfund Münzen 1, S. 18 4 25, S. 26

Quellen: 1 Hans Hofner, Verzeichnis der vorgeschichtlichen Funde in Nordoberfranken samt den Funden um Roßbach-Asch und im südlichen Sachsen nach dem Stand vom Dezember 1961, Manuskript, Stadtarchiv Hof, M 125 2 Björn-Uwe Abels, Archäologischer Führer Oberfranken (Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern. Franken, 2), Stuttgart 1986 3 Hans Hofner, Die Vorgeschichte des nördlichen Oberfrankens in neuer Sicht, in: Kul- turwarte, 1958/59, S. 26-30 4 Hans Hofner, Die Stellung des Frankenwaldes und seiner Randlandschaften in der Vorgeschichtsforschung, Sonderdruck aus „Frankenwald“, 1962 5 Otto Vogt, Frühgermanische Schnurkeramiker an der Schwesnitzmündung in die Saa- le, in: Erzähler. Beilage zum Hofer Anzeiger, Nr. 14, 8.8.1963 6 Die Ausgrabungen am Waldstein, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 8, 15.8.1992 7 Karl Dietel, Ein neuer vorgeschichtlicher Fund im Münchberger Land, in: Heimatka- lender für Fichtelgebirge und Frankenwald 1982, Hof 1981, S. 110f 8 Werner Geigner, Die Steinzeit in Nordostoberfranken, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 8, 1993 9 Karl Dietel, Steinzeitmenschen auf dem Großen Waldstein, in: Blätter vom Fichtelge- birge und Frankenwald, Nr. 10, 12.10.1963 10 Hans Hofner, Ein neuer vorgeschichtlicher Fund im Landkreis Hof, in: Kulturwarte, 1964, S. 210f 11 Hans Hofner, Ein neuer Steinzeitfund, in: Kulturwarte, 1959/60, S. 207-209 12 Johannes Richter, Eine neue Fundstelle der frühen Eisenzeit bei Regnitzlosau, in: Kul- turwarte, 1958/59, S. 55-57 13 Werner Geigner, Neue Zeugen aus der uralten Zeit, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 3, 26.3.1994 14 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 1, 1977-1978, in: Ge- schichte am Obermain, 1979/80, S. 145-198 15 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 3, 1981-1982, in: Ge- schichte am Obermain, 1983/84, S. 1-69 im Anhang 16 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 7, 1989-1990, in: Ge- schichte am Obermain, 1991/92, S. 1-64 im Anhang 17 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 8, 1991-1992, in: Ge- schichte am Obermain, 1993/94, S. 1-88 im Anhang 18 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 9, 1993-1994, in: Ge- schichte am Obermain, 1995/96, S. 1-81 im Anhang 19 Björn-Uwe Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken, 10, 1995-1996, in: Ge- schichte am Obermain, 1997/98, S. 1-100 im Anhang 20 Hans Hofner, Ein neuer Fund aus der Altsteinzeit, in: Hofer Anzeiger 26.8.1980 21 Otto Knopf, Zur Geschichte des Frankenwaldes, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 1, 1985 22 Karl Dietel, Ein hallstattzeitlicher Friedhof bei Osseck am Wald, Gemeinde Regnitzlosau, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1984, S. 67-77 23 Karl Dietel, Ein Brandgräberfeld bei Osseck am Wald, in: Kulturwarte, 1982, S. 83f 24 Otto Knopf, Das Helmbrechtsbuch. Die Stadt und ihre Ortsteile, Helmbrechts 1996 25 Grzegorz Filas, Römische Spuren in Oberfranken, in: Archiv für Geschichte von Ober- franken, 2003, S. 7-51 26 Überbleibsel aus dem Mittelalter, in: Frankenpost vom 13.8.2005, S. 10

Die Tabelle ist sicherlich unvollständig, da nicht alle Funde öffentlich bekannt werden. Ältere Fundnennungen sind vielfach ungenau und nicht mehr überprüf- bar, da die Gegenstände verloren gegangen sind. Oftmals ist die zeitliche Ei- nordnung unklar. Eine geografische Auswertung der Funde, welche über die bloße Zuordnung zur Region hinausgeht, ist angesichts der geringen Zahl der Nennungen gegenwärtig noch nicht möglich. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich einige Schlüsse aus dem Inhalt der Tabelle in Verbindung mit der allgemeinen Fachliteratur ziehen. Zunächst fällt auf, wie gering die Zahl der Befunde im Vergleich mit anderen Gegenden Ober- frankens ist. 12 Dies dürfte nicht allein an einem etwaigen Desinteresse der ein- heimischen Bevölkerung oder der Landes-Denkmalpfleger an der Hofer Region liegen. Wenn einige Forscher meinen, Fundkonzentrationen „deuten zur Zeit noch mehr auf den Wohnsitz eines engagierten Sammlers hin als auf bevorzugte Siedlungskammern,“ 13 so ist dies allenfalls ein Teil der Wahrheit, da die syste- matischen Grabungen in der Hofer Region das Bild der Fundleere bislang kaum modifiziert haben. Man muss die geringe Funddichte in erster Linie auf den niedrigen Begehungs- und Besiedlungsgrad der Region zurückführen, wenn auch davon auszugehen ist, dass in der Zukunft weitere Belege ermittelt werden.

Alt- und Mittelsteinzeit Die eingangs formulierte Extremposition, die Region sei bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. menschenleer gewesen, kann dank der bisherigen Funde zurückgewiesen werden. Wann der erste Mensch die Hofer Region betrat, ist aus den archäologi- schen Funden nicht eindeutig zu ermitteln. Die ältesten menschlichen Überreste, die in Deutschland gefunden wurden, sind mehr als 600.000 Jahre alt. 14 Da man aus der Kronacher, Coburger und Lichtenfelser Gegend altsteinzeitliche Funde kennt, die ebenso wie die von Hofner datierten Funde aus Hof und Schwarzen- bach/Saale ein Alter von 50.000 bis 100.000 Jahren aufweisen, 15 ist Hofners Da- tierung als möglich einzuschätzen. Man darf also vermuten, dass bereits in dem genannten Zeitraum einzelne Menschengruppen die Hofer Region durchstreif- ten. Ob vorher bereits Menschen die Region betreten haben, ist nicht bekannt. Die sich über mehr als zwei Millionen Jahre abwechselnden Eis-, Kalt- und Warmzeiten erlaubten keine kontinuierliche Begehung der Region.16 Siedlungs- spuren einer Warmzeit wurden von Gletschern der folgenden Eiszeit zerstört oder weggeschoben. Auch auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, gegen 18000 v. Chr., war die Region offenbar aus klimatischen Gründen unbesiedelt. In der späten Altsteinzeit (gegen 10000 v. Chr.), als das Klima wieder wärmer wurde, dehnte sich das Revier der Menschen abermals nach Oberfranken aus. „Bevor- zugt schlugen sie ihre Zelte an sandigen Plätzen über den Wasserläufen und im Mündungsgebiet von Bächen und Flüssen auf. Hier waren die Lager vor Über- schwemmungen sicher, und der leichte, oft etwas geneigte Boden sorgte dafür, daß Niederschläge rasch und ohne Schaden anzurichten versickern oder abflie-

12 Vgl. auch die viel reichhaltigeren archäologischen Funde im sächsischen Vogtland, kartiert in: Der Vogtland-Atlas, 2. Auflage, Chemnitz 2004, S. 31. 13 Christian Zürchner, Die Steinzeit in Oberfranken, in: Oberfranken in vor- und frühge- schichtlicher Zeit, 2. Auflage, Bayreuth 1996, S. 25-64, hier: S. 45. 14 Ernst Probst, Deutschland in der Steinzeit. Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordsee- küste und Alpenraum, München 1991, S. 32. 15 Zürchner, Steinzeit, S. 30-35. 16 Vgl. Probst, Deutschland, S. 29. ßen konnten.“ 17 Aus der Mittelsteinzeit gibt es wieder einige Funde aus der Ho- fer Region zu vermelden.

Jungsteinzeit Reichhaltiger wird die Fundsituation in der Jungsteinzeit. Im Zuge der „neolithi- schen Revolution“ verließ die Menschheit das Entwicklungsstadium der „Jäger, Fischer und Sammler“ und wurde sesshaft. Man darf sich die Sesshaftigkeit in der heimischen Region allerdings nicht vorstellen wie im „fruchtbaren Halb- mond“ Ägyptens und des Nahen Ostens, wo Bewässerungstechniken zur Entste- hung von Städten, Staaten und Hochkulturen führten. Bis zur Völkerwande- rungszeit war es hier vielmehr üblich, dass Siedlungen nach einigen Jahren, wenn die durch Brandrodung unterstützte natürliche Bodenfruchtbarkeit nach- ließ, aufgegeben und im Nah- oder Fernbereich neu gegründet wurden. 18 Die Siedlungen waren provisorisch angelegt, ihr Hauptbaustoff war Holz, weshalb sich kaum Siedlungsspuren bis zur Gegenwart erhalten haben. Nur in seltenen Fällen gelingt es, verkohlte Reste der Ständer von Langhäusern oder den Inhalt von Abfallgruben zu entdecken, meist muss man sich mit steinernen oder kera- mischen Überresten begnügen. Letztere geben keinen sicheren Hinweis darauf, ob der Fundplatz durchziehenden Horden oder Siedlern diente. Obwohl aus der Hofer Region eine nennenswerte Anzahl jungsteinzeitlicher Fundstücke bekannt ist, fehlt bislang ein eindeutiger Hinweis auf einen Siedlungsplatz aus dieser Epoche. Eventuell kann man aus der Vielzahl der Schlagplätze um Stammbach – an denen Steinwerkzeuge hergestellt wurden – auf länger bewohnte Siedlungen schließen. 19 Woher die Jungsteinzeitler in die Hofer Region kamen, ist bislang nicht bestimmbar. Die bei einzelnen Fundstücken gelungene Zuordnung zur li- nienbandkeramischen (ca. 5500 – 4900 v. Chr.), stichbandkeramischen (ca. 4900 – 4500 v. Chr.), schnurkeramischen (ca. 2800 – 2400 v. Chr.) oder Glockenbe- cher-Kultur (ca. 2500 – 2200 v. Chr.) ist wenig aussagekräftig, da diese Kultu- ren in weiten Teilen Deutschlands und der westlichen und östlichen Nachbar- länder anzutreffen waren. 20

Bronze- und Eisenzeit Aus den folgenden Epochen, der Bronze-, Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit, welche ungefähr die letzten zwei Jahrtausende vor Christi Geburt umfassen, sind wiederum etliche Fundstücke bekannt. Die Vielfalt der Fundstü- cke nimmt erheblich zu: Mahlsteine, einzelne Gräber und Grabbeigaben (even- tuell bei Hof-Leimitz oder Hof-Haidt, in Oberkotzau, Eisenbühl und Osseck am

17 Zürchner, Steinzeit, S. 37ff (Zitat: S. 39). 18 Hansjörg Küster, Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München 1998, S. 122. 19 Werner Geigner, Die Steinzeit in Nordostoberfranken, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 8, 1993; Werner Geigner, Neue Zeugen aus der uralten Zeit, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, Nr. 3, 26.3.1994. 20 Probst, Deutschland, S. 249, 272, 397. Wald), Keramik und Schmuck geben Hinweise auf das Bestehen von Siedlun- gen. Ob die Häufung der Funde an der Saale eine historische Aussage enthält oder als Zufall zu gelten hat, ist angesichts der statistisch nicht signifikanten Zahl der Funde noch nicht zu entscheiden. Für eine Siedlung in Flussnähe sprachen in der Hofer Region die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser, der Überblick über die Landschaft von einer erhöhten Flussterrasse aus, die Fruchtbarkeit des Bo- dens in Überschwemmungslagen, die Nähe vieler Wege, auf denen die Men- schen wanderten, zu Flüssen (wohl aus Orientierungsgründen) und vielleicht die Tradition einer Siedlungsstelle, nicht jedoch die Brauchbarkeit des Flusses selbst als Transportweg, wie am Main oder an der westoberfränkischen Regnitz/Red- nitz, da in der Hofer Region keines der Fließgewässer jemals über längere Stre- cken schiffbar gewesen ist. 21 Auch einer weiteren populären Vermutung muss entgegen getreten werden, nämlich der von der Lage der Siedlungen an Altstraßen zum Zweck des Stra- ßenbaus oder der Straßensicherung für den Handel. Von Straßen kann im Hofer Raum für die vorgeschichtliche Zeit ohnehin nicht die Rede sein, es gab keinen Straßenbau und keine geregelte Straßenunterhaltung, es handelte sich bestenfalls um Trampelpfade. Den damaligen Handel kann man sich nicht klein genug vor- stellen. Die verstreuten Siedler waren nahezu autark, einen lokalen oder regiona- len Handel gab es nicht. Spezialisierte Fernkaufleute transportierten geringfügi- ge Mengen hochwertiger Waren in der Art von Karawanen. Die Fernverkehrs- verbindungen durch die Hofer Region waren bis zum Mittelalter bedeutungslos, da sie in alle Himmelsrichtungen in schwach besiedelte und wirtschaftlich wenig entwickelte Gebiete führten. Lagen die Siedlungen der Hofer Region an Wegen, so waren sie weder Stationen im Fernhandel noch gar Institutionen der militäri- schen Straßensicherung – welche administrative Kraft hätte diese organisieren sollen? Ihre Lage rührte vielmehr von den Pfaden der Immigranten aus den um- liegenden Landschaften her oder wurde aus praktischen Gründen der sporadi- schen Kommunikation mit Nachbarn gewählt. Vergleiche der heimischen Fund- gegenstände mit anderen Fundorten und die Ermittlung des Herkunftsortes ihres Materials lassen die Vermutung zu, dass bereits in vorgeschichtlichen Zeiten die Nord-Süd-Richtung die entscheidende Wanderrichtung für die Hofer Region darstellte, während sich der West-Ost-Verkehr zwischen dem Main und Böhmen südlich des Fichtelgebirgs-Nordkammes abspielte. In einem geringen Umfang könnte es einen Austausch zwischen der Hofer Region und dem Frankenwald entlang der dortigen Bäche gegeben haben. 22

21 Vgl. Abels, Metallzeiten, S. 88; Hans Edelmann, Zusammenhang zwischen Boden und Siedlung vom östlichen Gebiet am Obermain aus gesehen, in: Geschichte am Obermain, 1951, S. 4-7. 22 Vgl. Hans Hofner, Die Stellung des Frankenwaldes und seiner Randlandschaften in der Vorgeschichtsforschung, Sonderdruck aus „Frankenwald“, 1962; Geigner, Steinzeit; Johannes Richter, Eine neue Fundstelle der frühen Eisenzeit bei Regnitzlosau, in: Kulturwarte, 1958/59, S. 55-57, hier: S. 56; Hans Hofner, Ein neuer Steinzeitfund, in: Kulturwarte, 1959/60, S. 207- Ob der Bergbau auf Kupfer, Zinn oder Eisen in dieser Zeit bereits Ansiedlungen in der Hofer Region motivierte, muss dahingestellt bleiben; noch sind keine zu- verlässigen Belege dieser häufig geäußerten Vermutung bekannt. 23 Nahezu aus- schließlich lebte man von Ackerbau und Viehzucht. Da es in einem nach heuti- gen Maßstäben äußerst menschenarmen Mitteleuropa viele Regionen gab, in de- nen man diesem Erwerb mit mehr Gewinn nachgehen konnte, liegt es nahe, dass die Bevölkerungszahl der Hofer Region winzig blieb. Wahrscheinlich wird man mit einer Größenordnung von ein paar hundert Einwohnern im gesamten Gebiet nicht weit daneben greifen. Einen schönen Beleg für diese Einschätzung stellt das zu Beginn der 1980er Jah- re von einem Team um Karl Dietel erforschte Gräberfeld der Hallstattzeit bei Osseck am Wald dar. Dietel fand fünf Brandgräber mit einfachen Grabbeigaben. Die zugehörige Siedlung, die nicht gefunden wurde, „scheint, gemessen an der geringen Größe des Friedhofes, nicht lange bestanden zu haben. Wahrscheinlich handelte es sich nur um ein einzelnes Gehöft“. 24 Der Vergleich mit einem we- sentlich größeren Friedhof im Altmühltal, der in dieselbe Epoche zu datieren ist und genau erforscht wurde, ergibt – bei einem Durchschnittsalter von etwa 30 Jahren - eine Schätzung der Einwohnerzahl und Verweildauer. 25 Geht man mit Dietel von einem einzelnen Hof mit sechs Bewohnern aus, so resultiert eine Verweildauer von ca. 24 Jahren, bei achtzehn Bewohnern 8 Jahre usw. Man hat zwar mancherorts beobachtet, dass nur die soziale Elite in festen Gräbern bestat- tet wurde, 26 was eine höhere Einwohnerzahl oder längere Verweildauer ergäbe, doch selbst wenn man die Rechenergebnisse verdoppeln oder verdreifachen würde, um diesen Faktor zu berücksichtigen, bliebe Osseck am Wald eine kleine und vorübergehende Ansiedlung. Die Ausstattung der Gräber weist aber nicht auf eine elitäre Position der Verstorbenen hin. Über die Herkunft und den Charakter der Kelten, welche die Ossecker Gräber vielleicht belegten, gehen trotz intensiver Forschungen in der jüngsten Vergan- genheit die Meinungen der Wissenschaft nach wie vor weit auseinander. Es handelte sich wohl um eine Anzahl von Völkern mit einer gemeinsamen Spra- che, aber ohne geschlossene politische Organisation, die um die Mitte des ersten Jahrtausends in schriftlichen Quellen als Bewohner großer europäischer Land- striche aufscheinen. Möglicherweise waren sie bereits seit der Urnenfelderzeit in Mitteleuropa ansässig, wie archäologische Vergleiche von Grabfunden vermuten lassen. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr., nach anderen Autoren später, jedenfalls

209, hier: S. 208; Karl Dietel, Ein neuer vorgeschichtlicher Fund im Münchberger Land, in: Heimatkalender für Fichtelgebirge und Frankenwald, 1982, Hof 1981, S. 110f; F. W. Singer, Hendelhammer – ein mittelsteinzeitlicher Fundplatz im Fichtelgebirge, in: Kulturwarte, 1964, S. 202-209, hier: S. 205. 23 Vgl. Richter, Fundstelle, S. 56. 24 Karl Dietel, Ein hallstattzeitlicher Friedhof bei Osseck am Wald, Gemeinde Regnitzlosau, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1984, S. 67-77 (Zitat: S. 77); Karl Dietel, Ein Brandgräberfeld bei Osseck am Wald, in: Kulturwarte, 1982, S. 83f. 25 Vgl. Sabine Rieckhoff/Jörg Biel, Die Kelten in Deutschland, Stuttgart 2001, S. 178. 26 Rieckhoff/Biel, Kelten, S. 211f; Fries-Knoblach, Kelten, S. 190f. vor Christi Geburt, verschwanden die Kelten wieder aus der mitteleuropäischen Geschichte. Inwieweit dies als Abwanderung oder als Überformung durch ande- re Kulturkreise zu deuten ist, ist umstritten. In der Hofer Region wird der kelti- sche Stamm der Helvetier angenommen. Stark befestigte Höhensiedlungen wie die Ehrenbürg bei Forchheim oder die Heunischenburg bei Kronach sind hier nicht bekannt. Auch an der Bildung der „oppida“ in spätkeltischer Zeit, stadt- ähnlicher Bergbefestigungen, die politische und militärische Mittelpunkte bilde- ten und ein verhältnismäßig dicht besiedeltes Umland mit Dörfern und Einzel- gehöften organisierten, nahm die Hofer Region nicht teil. Die nächstgelegenen „oppida“ befanden sich bei Staffelstein, auf dem Kleinen Gleichberg in Thürin- gen, bei Kelheim und bei Manching, also in großen Entfernungen, ein Hinweis auf die geringfügige keltische Besiedlung der Hofer Region, die kein „oppidum“ tragen konnte. Zu dem Befund, dass aus der römischen Kaiserzeit keine kelti- schen Überreste in der Hofer Region bekannt sind, passt die aus der Antike überlieferte und archäologisch untermauerte „Helvetiereinöde“, die sich infolge des „Verschwindens“ der Helvetier in den zwei Jahrhunderten vor Christi Ge- burt in einem Gebiet vom Rhein bis nach Böhmen gebildet haben soll. Die ober- fränkische Besiedlung konzentrierte sich auf das Main-Regnitztal mit den un- mittelbar anschließenden Höhenzügen. 27

Römer Zumindest in der Hofer Region scheint die „Helvetiereinöde“ nicht nur auf eine kulturelle Überformung, sondern auf eine tatsächliche Abwanderung zurückzu- führen zu sein. Die Hofer Region lag jenseits des römischen Limes und – anders als West-Oberfranken - weit entfernt vom römischen Einflussbereich. 28 Die ra- ren römischen Münzfunde in der Region sind nicht auf Ansiedlungen einer ro- manischen Bevölkerung zurückzuführen, sondern Hinterlassenschaften von Händlern, die aus dem römisch beherrschten Gebiet kamen. 29

27 Vgl. Rieckhoff/Biel, Kelten; Fries-Knoblach, Kelten; Rudolf Reiser, Die Kelten in Bayern, Rosenheim 1994; Björn-Uwe Abels, Die Kelten in Oberfranken, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1993, S. 55-65; Störmer, Franken Völkerwanderungszeit, S. 38; Abels, Me- tallzeiten, S. 134. 28 Störmer, Franken Völkerwanderungszeit, S. 39f.; Walter Sage, Frühgeschichte und Früh- mittelalter, in: Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, 2. Auflage, Bayreuth 1996, S. 161-280, hier: S. 163-183; Grzegorz Filas, Römische Spuren in Oberfranken, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 2003, S. 7-51. Grabungen am Rauhen Kulm, 25 km südöstlich von Bayreuth gelegen, erbrachten in jüngster Zeit ähnliche Befunde: Zwischen den vorge- schichtlichen Funden vor Christi Geburt und fränkischen Relikten des 8. bis 10. Jahrhunderts klafft eine Jahrhunderte lange Fundlücke. Vgl. Hans Losert/Erik Szameit, Archäologische Untersuchungen am Rauhen Kulm in der nördlichen Oberpfalz, in: Das archäologische Jahr in Bayern 2004, Stuttgart 2005, S. 126ff. 29 Hofner, Stellung. Zu einem ähnlichen Befund kommt die Forschung für das benachbarte sächsische Vogtland. (Ernst Eichler/Volkmar Hellfritzsch/Johannes Richter, Die Ortsnamen des sächsischen Vogtlandes. Herkunft – Entwicklung – Bedeutung, Teil II (Schriftenreihe des Vogtlandmuseums Plauen, 53), Plauen 1985, S. 25.) Germanen Auch für eine Besiedlung durch Germanen spricht nicht viel. Die Feststellung, im sächsischen Vogtland fehlten bis zum 8. Jahrhundert bis auf einige Gewäs- sernamen jegliche Siedlungsindikatoren, vielmehr habe sich der Wald wieder ausgebreitet, lässt auch für die Hofer Region nicht allzu viel Besiedlung erwar- ten. 30 Die ältere Forschung und die von ihr teilweise immer noch abhängige neuere Heimatforschung sahen und sehen dies anders. Im 6. Jahrhundert, heißt es in einer Schrift aus dem Jahr 1937, habe es bereits eine seit Jahrhunderten eingesessene deutsche (!) Bevölkerung in der heimischen Region gegeben. 31 In den angrenzenden Frankenwald seien die Germanen im 4./5. Jahrhundert einge- wandert, meint man aus einigen Ortsnamen abzuleiten. 32 Als Urahnen der Hofer Region wurden die Varisker angenommen. Man inter- pretierte eine Stelle in der berühmten Schrift des römischen Beamten Tacitus vom Ende des 1. Jahrhunderts über die Germanen. Dort heißt es: „Neben den Hermunduren wohnen die Narister und weiterhin die Markomannen und Quaden.“ 33 Das Volk der Narister oder Varisker, das auch von anderen antiken Schriftstellern erwähnt wird, wurde im 19. Jahrhundert zum Namengeber der variskischen Gebirgsfaltung, die sich von den Vogesen quer durch die deutschen Mittelgebirge bis in die Sudeten in einem großen Bogen erstreckt. Man fügte der lateinischen Übersetzung für den Ortsnamen „Hof“, dem Wort „curia“, das Bei- wort „variscorum“ (wörtlich: „der Varisker“) hinzu und verwendete „variscia“ als Synonym für „Vogtland“. 34 Leider ist der genaue Wohnsitz der Varisker un- bekannt; die vagen Andeutungen der antiken Schriftsteller lassen sie „am Fuße des Fichtelgebirges und Böhmerwaldes“ vermuten, ohne dass sich ihr Siedlungs- raum präziser beschreiben ließe, wenn auch manche Autoren genau wissen wol- len, die Varisker seien in der Oberpfalz und im Fichtelgebirge ansässig gewe- sen. 35 Ebenfalls mehr dem sprichwörtlichen „horror vacui“ als der geschichtlichen Wirklichkeit verpflichtet sind die verbreiteten Ansichten über die Hermunduren oder Thüringer. Die Hermunduren sollen gegen Christi Geburt, als die Marko- mannen nach Böhmen abzogen, mit Erlaubnis der Römer einen Teil des Markomannenlandes in dem Dreieck zwischen Rhein, Main und Donau besetzt haben. Sie besiedelten einen Landstrich zwischen Sächsischer Saale, Naab, Do-

30 Eichler/Hellfritzsch/Richter, Ortsnamen II, S. 25. 31 Ernst Dietlein, Die Slaweneinwanderung im Lichte deutscher Geschichte, in: Alt-Hof. Heimatgeschichtliche Beilage für Hof und Umgebung, 1937, S. 68-70, hier: S. 68. 32 Werner Pittermann, Ortsnamen im Frankenwald. Von verschiedenen Volksstämmen besie- delt, in: Aus der Fränkischen Heimat. Beilage zur Bayerischen Rundschau, 11/2000. 33 Tacitus, Germania, hrsg. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1973, S. 29. 34 E. Zimmermann, Ist der lateinische Name des Vogtlandes richtiger Variscia oder Varistia zu schreiben?, in: V. Bericht des nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Geschichts- und Landeskunde in Hof, Hof 1909, S. 95-98. 35 Tacitus, Germania, S. 56 (Kommentar des Herausgebers). Vgl. Rud. Schwenk, Zur Vorge- schichte des Vogtlandes, in: II. Bericht des nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Ge- schichts- und Landeskunde in Hof, Hof 1900, S. 35-40, hier: S. 36. nau, Altmühl, Tauber, Fränkischer Saale, Werra und Unstrut. „Unsere Gegend fiel also ganz in das Gebiet der Hermunduren.“ Nachfolger der Hermunduren an den alten Wohnsitzen wurden die Thüringer, die 531 von den Franken in einer Schlacht an der Unstrut besiegt wurden. „Der Süden des Thüringerreiches und damit auch unsere Gegend kam (531) unter fränkische Herrschaft.“ 36 Man hat sogar wegen der sprachlichen Ähnlichkeit Ortsnamen identifiziert, die auf Thüringergründungen zurückgehen sollen (z.B. Dürrenwaid bei Geroldsgrün), wie auch den Familiennamen Döring, der – Jahrhunderte, bevor es überhaupt Familiennamen gab – einen Angehörigen der alten Thüringer bezeichnet haben soll. 37 Bedauerlicherweise sind diese Auslegungen der wenigen schriftlichen Hinweise, die von antiken und frühen fränkischen Schriftstellern gegeben wurden, unzu- treffend. Ebenso wenig können sprachgeschichtliche Untersuchungen als Nach- weis der Siedlungskontinuität herangezogen werden. Erwin Herrmann und Adolf Gütter schlossen aus der Existenz vordeutscher Gewässernamen, deren Überlieferung setze eine durchgehende – wenigstens rudimentäre – Besiedlung nach der Völkerwanderungszeit voraus. 38 Die Literatur nennt aus der Hofer Re- gion und ihrer Umgebung Main, Eger, Rodach, Saale, Selb, Elster, Naab und Regnitz, vielleicht auch Thron- und Döbrabach, welche germanischen oder vor- germanisch-alteuropäischen Ursprungs seien. 39 Diese Argumentation überzeugt nicht, da Fluss- und Bergnamen nicht zwingend Siedlung, sondern lediglich Durchzug voraussetzen: Flüsse und Berge sind die markanten Objekte einer mentalen Landkarte in einer Zeit ohne Ortschaften und (ausgebaute) Straßen, die ein Nah- oder Fernwanderer kennen muss, um sich notdürftig orientieren zu können. Ihre Benennung erleichtert die Weitergabe der Informationen von einer durchziehenden Gruppe an eine andere. Wären die genannten Völkerschaften in einer erwähnenswerten Dichte in die Hofer Region gekommen, um sich hier festzusetzen, so hätten sie archäologi- sche Fundstücke in größerer Zahl produzieren müssen. Ihre Hinterlassenschaften

36 Schwenk, Vorgeschichte, S. 37-40 (1. Zitat: S. 38, 2. Zitat: S. 40). 37 Otto Knopf, Zur Geschichte des Frankenwaldes, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Fran- kenwald, 1/1985. 38 Erwin Herrmann, Zur mittelalterlichen Siedlungsgeschichte Oberfrankens, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, 1979, S. 1-21, hier: S. 1; Adolf Gütter, Die –aha-Namen im Nordteil des einstigen bairischen Nordgaues, in: Nominum Gratia. Namenforschung in Bay- ern und Nachbarländern. Festgabe für Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein zum 60. Geburtstag, München 2001, S. 89-97, hier: S. 90f. 39 Ernst Schwarz, Sprache und Siedlung in Nordostbayern (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, IV), Nürnberg 1960, S. 20-23; Herrmann, Siedlungsgeschichte, S. 1; Adolf Gütter, Einstämmige germanische Gewässernamen im Norden des einstigen bairischen Nordgaues, in: Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge, 1989, S. 57-84; Jürgen Udolph, Namenkundliche Studien zum Germanenproblem (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 9), Berlin/New York 1994, S. 113ff, 921; Adolf Gütter, Der Flußname „Eger“, der Raumname „Egere“ und das frühdt. Namengut im Nordteil des einsti- gen bair. Nordgaues, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1999, S. 9-22, hier: S. 13, 17f; Richard Seuss, Döbra: ein keltischer Name?, in: Frankenpost vom 18.6.2005. sind jedoch ausgesprochen dürftig. 40 In Hans Hofners Listen der vorgeschichtli- chen Funde werden lediglich eine Lanzenspitze aus dem Saaleschutt bei Hof- Unterkotzau und eine Pfeilspitze mit großen Widerhaken vom Saalenstein er- wähnt, beide Objekte mit unsicherer Zeitstellung. 41 Weitere Funde germanischer Provenienz aus der Hofer Region sind nicht bekannt geworden. Auch die Gra- bungen am Waldstein brachten das Ergebnis, dass zwischen den dort gemachten steinzeitlichen und den mittelalterlichen Funden eine Jahrhunderte lange Fund- lücke klafft. 42 Zum Beginn des Frühen Mittelalters scheint die Hofer Region tatsächlich seit Jahrhunderten siedlungsfrei gewesen zu sein. Zwar wanderten seit dem 1. Jahr- hundert v. Chr. germanische Völkerschaften wie die Sueben, Alemannen, Mar- komannen und Thüringer von der nach Oberfranken ein, allerdings wohl nicht in die Hofer Region. Sie setzten sich in den seit alters beliebten Räumen im Westen Oberfrankens, im Main- und Regnitztal samt Randbereichen und südlich des Fichtelgebirges fest. In diesen Räumen gab es auch während der Völkerwanderungszeit Siedlungskontinuität, das westliche Oberfranken wurde niemals ganz verlassen, denn die Siedler fanden hier gute landwirtschaftliche Bedingungen und den Anschluss an Fernverbindungen. 43 Um die Frage, wer die Siedlungsleere des heimischen Raumes ausgefüllt habe, sind heftige Streitigkeiten entbrannt. Favorisierten die einen eine Besiedlung durch die Franken von Westen her, so die anderen eine durch die Slawen aus dem Osten.

Franken Die Zugehörigkeit der Hofer Region zum Regierungsbezirk Oberfranken legt – so könnte man bei flüchtiger Betrachtung meinen – eine enge Bindung an die historischen Franken nahe. Oben wurde bereits die Ansicht zitiert, seit 531 sei die Hofer Region fränkisch gewesen. Diese Spur führt jedoch in die Irre.

40 So schon Karl Dietel, Münchberg. Geschichte einer Amts- und Industriestadt, Band I, Münchberg 1963, S. 17f. 41 Hans Hofner, Verzeichnis der vorgeschichtlichen Funde in Nordoberfranken samt den Fun- den um Roßbach-Asch und im südlichen Sachsen nach dem Stand vom Dezember 1961, Ma- nuskript, Stadtarchiv Hof, M 125, S. 17. 42 Karl Dietel, Der Große Waldstein im Fichtelgebirge. Natur – Gegenwart – Geschichte (Das Fichtelgebirge. Schriftenreihe zu seiner Geschichte, Natur und Kultur, 1), Wunsiedel 1987, S. 44f. Einen ähnlichen Befund gibt es für das benachbarte thüringische Gebiet. Aus der Völ- kerwanderungszeit sind dort nur sehr wenige Funde, meist Einzelfunde, bekannt. Vgl. Peter Sachenbacher, Neuere archäologische Forschungen zu Problemen der mittelalterlichen Land- nahme und des Landesausbaus in Thüringen östlich der Saale, in: Im Dienste der historischen Landeskunde. Beiträge zu Archäologie, Mittelalterforschung, Namenkunde und Museumsar- beit vornehmlich in Sachsen. Festgabe für Gerhard Billig zum 75. Geburtstag, dargebracht von Schülern und Kollegen, Beucha 2002, S. 25-34, hier: S. 26. 43 Vgl. Abels, Führer, S. 85-92; Abels, Metallzeiten, S. 143f; Störmer, Franken Völkerwande- rungszeit, S. 38; Sage, Frühgeschichte, S. 163-199. Eine nennenswerte merowingische Kolonisation in Ost-Oberfranken gab es nicht. 44 Die Merowinger begannen, ausgehend von ihrem Herrschaftszentrum im Pariser Becken, seit dem 5. Jahrhundert damit, das Gebiet des heutigen Franken zu unterwerfen, und besiegten – wie erwähnt – die Thüringer im Jahr 531. Wir wissen nicht genau, wie die Merowinger nach dem Sieg über die Thüringer den fränkischen Raum politisch organisierten. „Auf jeden Fall werden die Merowin- ger versucht haben, Vertrauenspersonen in wichtige rechtsrheinische Positionen zu bringen.“ Herrschaftsmittelpunkt und Missionsgebiet der Merowinger im heutigen Franken war die Region um Würzburg; diese hing mit den ebenfalls von den Merowingern organisierten Gebieten um Erfurt und um Fulda zusam- men. Im 8. Jahrhundert griff man nach Eichstätt aus bis an die Grenze zu Bay- ern. 45 Gegen 700 ließen die Merowinger durch die von ihnen abhängigen Her- zöge der Hedenen ein Gebiet beherrschen, das sich über das spätere Bistum Würzburg bis vor Bamberg und über große Teile Thüringens sowie nach Süden bis zur Frankenhöhe (Bad Windsheim, Burgbernheim, Rothenburg) und viel- leicht bis zum Spessart erstreckte. 46 Die Karolinger, welche bekanntlich um Aachen ihr Zentrum besaßen, nahmen seit dem 8. Jahrhundert den Osten ihres Herrschaftsbereiches stärker in den Blick. In Thüringen reichte fränkisches Besitztum im 8. Jahrhundert bei Rudols- tadt und Orlamünde bis an die Sächsische Saale, ohne sie zu überschreiten. 47 Die Karolinger kümmerten sich auch um die Erschließung Oberfrankens jenseits des Hedenengebietes. Gegen 720 übernahmen sie die Herrschaft der Hedenen. Im Diedenhofener Kapitular von 805 werden Hallstadt bei Bamberg, Forchheim, Premberg an der Naab und Regensburg als Grenzmärkte angegeben, über die kein Waffenhandel mit den nördlich und östlich davon lebenden Slawen erfol- gen sollte. Am Ende des 10. Jahrhunderts war die östliche „Grenze“ des karolin- gischen Gebietes in Oberfranken nicht mehr bei Bamberg/Forchheim zu finden, sondern bei Kronach, Kulmbach und Creußen. 48 Fränkische Siedler drangen im 9. Jahrhundert bis an die Westabhänge von Fichtelgebirge und Frankenwald vor. 49

44 Sage, Frühgeschichte, S. 220. 45 Störmer, Franken Völkerwanderungszeit, S. 42-47 (Zitat: S. 44). 46 Wilhelm Störmer, Franken bis zum Ende der Stauferzeit, in: Edel und Frei. Franken im Mittelalter, Stuttgart 2004, S. 17-49, hier: S. 21. 47 Sachenbacher, Landnahme, S. 26. 48 Sage, Frühgeschichte, S. 233; Störmer, Franken Völkerwanderungszeit, S. 66-74; Störmer, Franken Stauferzeit, S. 21, 23. Selbstverständlich stellt die Embargolinie von 805 keine präzi- se „Grenze“ im modernen Sinne dar; man muss auch ein Stück weit jenseits der Linie mit fränkischen Einflusszonen und Besitzungen rechnen. (Vgl. Rupprecht Konrad, Früher Adel am Obermain, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1980, S. 19-43, hier: S. 39.) 49 Klaus Peter Dietrich, Territoriale Entwicklung, Verfassung und Gerichtswesen im Gebiet um Bayreuth bis 1603 (Schriften des Instituts für fränkische Landesforschung an der Univer- sität Erlangen. Historische Reihe, 7), Kallmünz 1958, S. 9f. Am Ostrand des Fichtelgebirges soll es bereits in der Mitte des 8. Jahrhunderts mehrere Ortschaften gegeben haben. (Karl Als Karl der Große in der Endphase der Sachsenkriege (794 bis 804) eine größe- re Zahl Sachsen deportieren ließ, um deren Widerstandskraft zu brechen, schick- te er auch welche in das Bistum Würzburg. Untersuchungen von Ortsnamen las- sen Ansiedlungen von Sachsen im Rangau, im Radenzgau und in der (später so genannten) „regio Egere“ annehmen; die Hofer Region blieb frei von Sachsenor- ten. 50 Der Radenzgau, benannt nach den west-oberfränkischen Flüssen Regnitz/Red- nitz und 889 zum ersten Mal urkundlich belegt, umfasste zunächst nur das frän- kische Siedlungsgebiet um die spätmerowinigischen Königshöfe Hallstadt und Forchheim. Von hier aus erweiterte sich der Radenzgau im Zuge der Ostsied- lung der Franken allmählich nach Osten; um 1035 zählte Seulbitz bei Bayreuth zum Radenzgau. 51 Die Hofer Region gehörte aber nicht zum Radenzgau, wie vermutet worden ist. 52 Ihre Gerichtsbarkeit blieb trotz der Vereinigung mit dem Radenzgau im Bamberger Diözesanverband nach 1007 von der des Radenzgaus unabhängig. 53 Noch im Jahr 1230 unterschied der Andechs-Meranier Otto VII. die Hofer Region von seinen sonstigen Besitzungen in Franken, die im Radenz- gau lagen: Er schenkte dem Stift Dießen Einkünfte „in Franconia et in Rekkinz“. 54 Erwin Herrmann behauptete ohne nähere Begründung (wohl infolge des Na- mens), der Ort Straas bei Münchberg sei ein karolingischer Stationsort an einer Altstraße gewesen. 55 Dies scheint jedoch aus der Luft gegriffen zu sein, da keine weiteren Orte der Region aus dieser Zeit bekannt sind und man sich den Zustand und die Frequentierung der damaligen Altstraßen in der Hofer Region nicht er- bärmlich genug vorstellen kann. Auch der Vermutung, Ortsnamen auf –dorf wiesen auf eine fränkische Besiedlung hin, muss entgegengetreten werden: „Von den –dorf-Namen als ‚fränkischem‘ Namengrundwort kann an sich keine

Heinz Mayer, Die Forstgeschichte des Fichtelgebirges (Forstliche Forschungsberichte Mün- chen, 167), München 1998, S. 17f.) 50 Adolf Güttler, Sachsensiedlungen in Mittel- und Oberfranken, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1990, S. 57-84; Adolf Gütter, Die Ortsnamen „Sachsen“, „Sachsenheim“ und Sachsendorf“. Namenzeugnisse für die Ansiedlung von deportierten Sachsen in der Zeit der Sachsenkriege Karls des Großen im ostfränkischen Raum, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 2004, S. 7-21. 51 Dietrich, Entwicklung, S. 12f; Fred Händel, Fragen der Hofer Frühgeschichte im Überblick, in: Kulturwarte, 1969, S. 2-6, hier: S. 2. 52 Vgl. Dietel, Münchberg, S. 45f. 53 Arnold Freiherr von Dobeneck, Reichsgebiet und Hochgerichtsgebiet Regnitzland, in: Ar- chiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, 24. Band, 3. Heft, Bayreuth 1911, S. 211-217, hier: S. 212 (Rezension der Dissertationen der Brüder Walther und Hans Warg über das Regnitzland aus dem Jahr 1910). 54 Günter Dippold, Die Städtegründungen der Andechs-Meranier in Franken, in: Die Andechs-Meranier in Franken. Europäisches Fürstentum im Mittelalter. Ausstellung in Bam- berg vom 19.6. bis 30.9.1998, Mainz 1998, S. 183-195, hier: S. 187. 55 Erwin Herrmann, Zur Siedlungsgeschichte der Obermainlande, in: Blätter vom Fichtelge- birge und Frankenwald, 17/1983. Rede sein.“ 56 Ein Blick auf die Landkarte bestätigt dies: Ortsnamen auf –dorf oder –dörflein kommen ebenso wie Namen auf –reuth bzw. –roth im gesamten heutigen Landkreis Hof vor. Da sich, wie noch auszuführen sein wird, die Be- siedlungswellen in der Hofer Region bis zum 13. Jahrhundert stets nur in Teil- gebieten des Landkreises mit jeweils markanten geografischen Schwerpunkten abspielten, ist eine zeitliche Zuordnung der Orte mit diesen Namensendungen nicht möglich. Die Hofer Region erfuhr lediglich marginale Berührungen mit den Franken. Möglicherweise fand im Nailaer Revier Gelegenheitsbergbau statt. 57 Am Großen Waldstein und in einer Flur etwa 1500 m südsüdöstlich von Weißdorf wurde Keramik des 8. oder 9. Jahrhunderts gefunden. 58 Von einer karolingischen Ko- lonisation in der Hofer Region kann nicht gesprochen werden. 59 Auch eine bayerische Besiedlung während der Frankenzeit gab es hier nicht. Adolf Gütter zeigte, dass frühdeutsche Ortsnamen auf –ingen, -heim und – hausen im heutigen Bayern und seinen Nachbarlandschaften größtenteils da auf- treten, wo slawische Ortsnamen fehlen. Er führte Ortsnamen dieser Art auf die bayerische Besiedlung vor etwa 750 zurück. Mit der Ausnahme von Schwingen

56 Hugo Steger, Sprachraumbildung und Landesgeschichte im östlichen Franken. Das Laut- system der Mundarten im Ostteil Frankens und seine sprach- und landesgeschichtlichen Grundlagen (Schriften des Instituts für fränkische Landesforschung an der Universität Erlan- gen-Nürnberg, 13), Neustadt/Aisch 1968, S. 492. 57 Vgl. Konrad Tyrakowski, Die Auswirkungen der mittelalterlichen Montanwirtschaft auf die Naturlandschaft und die Besiedlung des südöstlichen Frankenwaldes, in: Jahrbuch für fränki- sche Landesforschung, 1995, S. 21-43, hier: S. 27f. 58 Sage, Frühgeschichte, S. 251. Karl Dietel datiert die Funde seiner Grabungen am Waldstein in das 11. Jahrhundert und jüngere Epochen. Einige Metallteile und Keramikscherben könnten bis in das 7. Jahrhundert zurückreichen, was Dietel als Hinweis auf eine Begehung, nicht Be- siedlung des Waldsteins in der merowingischen oder karolingischen Epoche wertet. (Karl Dietel, Frühmittelalterliche Funde am Waldstein, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Fran- kenwald, 11/1965; Karl Dietel, Der Waldstein im Spiegel seiner Geschichte und im Lichte neuer Ausgrabungen, in: Blätter vom Fichtelgebirge und Frankenwald, 7 und 8/1967.) Der Waldstein diente in jener Zeit noch nicht als Ausgangspunkt der Besiedlung in der Hofer Re- gion, sondern als Rastplatz derjenigen, die (vorzugsweise in West-Ost-Richtung) das Fichtel- gebirge bereisten, zum Beispiel karolingischer Truppen. (Hubertus Habel, „... und die Berge sind Erde und Stein, die Wälder Holz“. Menschen und Wälder im hohen Fichtelgebirge: ein mentalitäts- und wirtschaftsgeschichtliches Beziehungsgeflecht. Begleitheft zur Naturpark- Ausstellung im Bauernhausmuseum Schwärzerhaus in Grassemann, Wunsiedel 1992, S. 10.) Die Züge Karls des Großen gegen die Slawen 804-806 berührten das Fichtelgebirge. (Mayer, Forstgeschichte, S. 17f.) 59 In der Schrift 1337-1987. 650 Jahre Stadt Lichtenberg. Festschrift, Lichtenberg 1987, S. 33 und 78, wird von einer karolingischen Gründung Lichtenbergs zu Beginn des 9. Jahrhunderts ausgegangen. Hier habe eine Grenzfeste des karolingischen Reiches samt kaiserlicher Frei- stätte (Asyl) gestanden. Kein einziges schriftliches Dokument belegt diese von Schriftstellern des 18. und 19. Jahrhunderts übernommene Anschauung. Der älteste bekannte urkundliche Beleg der Freistätte stammt aus dem Jahr 1489. (Ebenda, S. 19.) Auch die jüngste Burggra- bung in Lichtenberg erbrachte keinen Hinweis auf ein Bestehen der Burganlage vor dem 14. Jahrhundert. (Hartmut Endres, Alpha und Omega einer Burg: Ausgrabungen in Lichtenberg, in: Das archäologische Jahr in Bayern 2004, Stuttgart 2005, S. 164ff.) bei Schwarzenbach an der Saale und Neuhausen bei Rehau gibt es solche Orts- namen in der Hofer Region nicht. 60

Slawen Nicht genauer als die Franken sind die Slawen in der Hofer Region historisch fassbar. In den letzten einhundert Jahren ist kaum eine Forschungsfrage so um- stritten gewesen wie diese. Sie wurde von manchen als ein Merkmal des „Volkstumskampfes“ zwischen Tschechen und Deutschen angesehen, der vor allem in der Zwischenkriegszeit ausgetragen wurde, dessen Spuren sich aber bis heute auf beiden Seiten der Staatsgrenze finden lassen. 61 In der Hofer Region schlugen die Wellen hoch: Man sprach von der „Lüge vom Slawenland“ 62 , und wer auf „Slawensuche“ ging, wurde verspottet. 63 Vor allem Heinrich Schuberth engagierte sich hier. In Artikeln in den heimatkundlichen Beilagen der Zeitun- gen und den Mitgliederzeitschriften der Heimatvereine polemisierte er gegen die Anwesenheit von Slawen in der Hofer Region. Da er in der kleinen Gemeinde der Heimatforscher längst isoliert war, ließ er 1953 und 1958 auf eigene Kosten zwei Broschüren drucken, die seine Thesen verfochten. 64 Er behauptete, für die von anderen Forschern genannten Orts- und Bachnamen der Region von angeb- lich slawischer Herkunft deutsche Erklärungen zu finden, indem er mittelhoch- deutsche Worte suchte, deren Verwendung als Orts- oder Bachname sinnvoll erscheint und die in der Mundart der Region ähnlich klingen wie der schriftlich überlieferte Name. Schuberth schloss: „Kein einziger Orts- und Flurname des nördlichen Oberfrankens besitzt Beweiskraft für das einstige Vorhandensein slawischer Siedlungen in diesem Gebiete." 65 Schuberths Arbeiten veranschauli- chen, wohin die Methode der Orts- und Flurnamenanalyse führen kann, wenn sie nicht von intimen Kenntnissen der alten Sprachen, einem ausgewogenen Sinn für verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und dem Abgleich mit ande- ren historischen Erkenntnissen, auch zu Nachbarregionen, geprägt ist. 66 Ähnlich wie Schuberth arbeitete Hermann Grießhammer, der sich in der Frankenpost in „Spekulationen über verborgene sprachliche Ursprünge, die vermutlich auf den

60 Gütter, Eger, S. 18ff. 61 Herwig Wolfram, Reichsbildungen, Kirchengründungen und das Entstehen neuer Völker, in: Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie, hrsg. von Alfred Wieczorek und Hans-Martin Hinz, Band 1, Stuttgart 2000, S. 342-353, hier: S. 342. 62 G. Franke, Die Lüge vom Slavenland. Flurnamen auf itz nicht slavisch, sondern deutsch, in: Alt-Hof. Heimatgeschichtliche Beilage für Hof und Umgebung, 1936, S. 19-22. 63 Heinrich Schuberth, Auf Slawensuche in Woja, in: Erzähler. Beilage zum Hofer Anzeiger, 1/1961. 64 Heinrich Schuberth, Ein Beitrag zur Besiedlungsgeschichte des nördlichen Oberfrankens, Hof 1953; Heinrich Schuberth, Das Slawenproblem für das nördliche Oberfranken, Hof 1956. 65 Schuberth, Beitrag, S. 50. 66 Vgl. Karlheinz Hengst, Nach Germanen-Rausch nun Kelten-Kult?, in: Erzgebirgische Hei- matblätter, Heft 1/2007, S. 12-15. einstigen Bergbau [im Frankenwald] zurückgehen“, erging. 67 War Schuberths Bezugssystem die „nationale“ Größe der germanisch-deutschen Kultur, so woll- te Grießhammer mit der frühen Anwesenheit slawischer Bergleute die histori- sche Größe des Frankenwaldes belegen. Beide fanden, was sie suchten ... Nur auf den ersten Blick weniger radikal als Schuberth gab sich Ernst Dietlein in seiner Hofer Stadtchronik. Er akzeptierte die Existenz einiger weniger Slawensiedlungen, wandte sich aber vehement gegen die „Mär vom Slawenland“. Die Slawen seien mit ausdrücklicher Erlaubnis der Thüringer und Franken, zum großen Teil als Kriegsgefangene, in das Land gekommen und hät- ten sich, da auf einer primitiven Kulturstufe stehend, den Deutschen angepasst und unterworfen. Wäre nicht die Uneinigkeit und Maßlosigkeit der deutschen Stammesführer gewesen, hätte eine Masseneinwanderung von Slawen nie statt- finden können; immerhin erwiesen sich die deutschen Siedler in der Heimat als wirksames Bollwerk gegen die Gefahr aus dem Osten. 68 Aus Dietleins Position liest man – trotz seines Bemühens um die Würdigung der zeitgenössischen wis- senschaftlichen Literatur zum Thema – die Topoi der slawischen Minderwertig- keit und Gefährlichkeit, der Uneinigkeit der deutschen Führer und der Standhaf- tigkeit der Heimat heraus. Die ideologische Brille des überzeugten Nationalsozi- alisten trübte den klaren Blick auf die Fakten. Diese sollen im Folgenden so weit wie möglich aus den widerstreitenden Argumentationszusammenhängen heraus- geschält werden. Die allgemeine Literatur zur Slawenfrage gibt einige Hinweise, die bei der örtli- chen Recherche von Nutzen sein können. Die Herkunft der Slawen ist bis heute umstritten. 69 Vermuten die einen ihre Urheimat am Nordrand der Karpaten, ge- hen andere bei der Suche nach dem Ausgangspunkt der Slawenwanderungen bis zum Altai-Gebirge, aus dem viele Völkerschaften gen Westen marschiert sein sollen. 70 Wie der Ursprung, so sind die Wege der Slawen nach Europa nicht ge- nau bekannt. Die Sammelbezeichnung „Slawen“ kommt zuerst in der Mitte des 6. Jahrhunderts in Byzanz vor. Ebenfalls aus dem 6. Jahrhundert datieren die ältesten slawischen Funde östlich der Saale und auf dem Gebiet der heutigen

67 Frankenpost vom 10.7.2004. Kritik an diesem Artikel durch Siegfried Pokorny in der Fran- kenpost vom 4.9.2004. 68 Ernst Dietlein, Allgemeine Stadtgeschichte bis zum Jahre 1603 (Chronik der Stadt Hof, I), Hof 1937, S. 66-75. 69 Zum Folgenden: Jürgen Udolph, Studien zu slavischen Gewässernamen und Gewässerbe- zeichnungen (Beiträge zur Namenforschung. Neue Folge, Beiheft 17), Heidelberg 1979; Heinrich Kunstmann, Die Slaven. Ihr Name, ihre Wanderung nach Europa und die Anfänge der russischen Geschichte in historisch onomastischer Sicht, Stuttgart 1996; Sebastian Brather, Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germani- schen Altertumskunde, 30), Berlin/New York 2001; Sage, Frühgeschichte, S. 215ff. 70 Die frühere „West-These“, welche die Urheimat der Slawen auf polnischem Gebiet gesucht hat, scheint in der Slawistik nicht mehr vertreten zu werden. (Vgl. Ernst Schwarz, Die slawi- sche Einwanderung in Ostdeutschland, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, 1975, S. 205-213.) Tschechischen Republik. Im 6. oder frühen 7. Jahrhundert standen die Slawen also, von der Hofer Region aus betrachtet, „ante portas“. Da sie von ihrer Ur- heimat wie von ihren Wanderungen das Leben in gebirgigen Regionen gewohnt waren, waren sie technologisch befähigt, in der Hofer Region sesshaft zu wer- den. 71 Bei Enoch Widmann, dem Hofer Stadtchronisten vom Ende des 16. Jahrhun- derts, kommen Slawen nicht vor. Abgesehen von einigen wundersamen „Histör- chen“ beginnen Widmanns regionale Überlieferungen mit den Andechs- Meraniern im 13. Jahrhundert. Da Widmanns Gewährsleute für die Regionalge- schichte im 15. und 16. Jahrhundert lebten, gab es also in Hof schon im 15. Jahrhundert keine Erinnerung mehr an eine Anwesenheit von Slawen. 72 Die früheste Erwähnung von „Wenden“ und „Slawen“ in Oberfranken geschieht in der fränkischen sogenannten Fredegar-Chronik aus dem 7. und 8. Jahrhun- dert. Sie berichtet von einem fränkischen Kaufmann Samo aus dem hessischen Hennegau, der zum Handeltreiben das Gebiet der Wenden aufsuchte, denen er gegen die Awaren half. Daraufhin machten ihn die Wenden zu ihrem „König“. In einer Schlacht bei „Wogastisburg“ in den Jahren 622 oder 623 wurde der neue Konkurrent von den Merowingern angegriffen, die ihm jedoch unterlegen waren. „Wogastisburg“ wurde von der Forschung neben vielen anderen Plätzen u.a. bei Banz und bei Forchheim gesucht, das Reich des Samo zu lokalisieren gelang nicht. 73 Aus der Schlacht bei Wogastisburg abzuleiten, „dass im Jahre 624 nach Chr. Geburt die Slaven ... [in unserer Gegend] eingezogen seien“, ist eine Überinterpretation. 74 Die bereits erwähnten Slawenzüge Karls des Großen in den Jahren 805 und 806 berührten die Hofer Region offenbar nicht. Im Jahr 816 zog Karls Nachfolger, Ludwig der Fromme, gegen die Sorben, die westlich der Elbe etwa zwischen Eger im Süden und Halle im Norden saßen. 75 Auch er blieb außerhalb der Regi- on. In Schriftstücken Karls des Großen und Ludwigs des Frommen werden 14

71 Die „Behauptung, die Slaven hätten die Höhenzüge den Deutschen überlassen und wären selbst nur den Tälern gefolgt, läßt sich nicht aufrecht erhalten.“ (Margarete Bachmann, Die Verbreitung der slavischen Siedlungen in Nordbayern, Erlangen 1926, S. 71.) 72 Vgl. Enoch Widmann, Chronicon oder Historische beschreibung dessen so sich zum Hof Regnitz, nach erbawung der stadt, auch ettwan sonsten zu getragen, unnd zu wissen notwen- dig ist, Manuskript, Hof 1592 mit Nachträgen bis 1602 (Stadtarchiv Hof, Bestand BX, Nr. 133). 73 Joseph Schütz, Fredegar: Über Wenden und Slawen, in: Jahrbuch für fränkische Landesfor- schung, 1992, S. 45-59. 74 Schwenk, Vorgeschichte, S. 35 (Zitat), 40. In Verbindung mit der slawischen Interpretation des Namens Schwesnitz (oder Schwandewitz) für eine Ansiedlung am gleichnamigen Fluss im heutigen Oberkotzau hat man in der Schlacht bei Wogastisburg sogar den Nachweis für die Urzelle Oberkotzaus sehen wollen. (Vgl. Hans-Ulrich Zeidler, Der Markt Oberkotzau. Ein heimatgeschichtlicher Streifzug, in: 750 Jahre Markt Oberkotzau 1234-1984, Oberkotzau 1984, ohne Seitenzählung.) In Wirklichkeit dürften die Verhältnisse viel einfacher liegen: Die Gegend Oberkotzaus, die an dem Fluss liegt, erhielt den Flurnamen „an der Schwesnitz“ oder „in der Schwesnitz“. Als der Ort wuchs, wurde daraus ein Ortsteilname. 75 Störmer, Franken Völkerwanderungszeit, S. 66. Kirchen in der „terra sclavorum“ erwähnt. Diese Slawenkirchen befanden sich vermutlich in Staffelstein, Scheßlitz, Baunach, Pretzfeld, Hallstadt, Seußling, Mühlhausen, Wachenroth und Lonnerstadt sowie im Steigerwald, keine von ih- nen in der Hofer Region. 76 Wo genau die 849 zum ersten Mal genannte Sorbenmark lag, ist unbekannt, eine präzise Grenzziehung für die „Marken“ des frühen Mittelalters ist – auch wenn dies immer wieder versucht wurde - ohnehin nicht anzunehmen. 77 Das Fehlen von Slawennennungen für die Hofer Region aus dieser Epoche ist ebenso wenig ein schlagendes Argument gegen ihre Anwesenheit wie ein Be- weis dafür. Es lässt aber zumindest den Schluss zu, dass die Slawen – sollten sie in der Hofer Region gesiedelt haben – entweder so schwach waren, dass sie für Merowinger oder Karolinger keiner Beachtung wert waren, oder dass sie der fränkischen Kultur so angepasst waren, dass sie über keine eigene Identität ver- fügten. Die Westslawen besaßen zunächst keine eigene Aristokratie. Sie mussten zum Teil noch im 9. Jahrhundert Auswärtige zu Stammesführern berufen, wie es mit dem Wirken des Franken Samo im 7. Jahrhundert beispielhaft gezeigt wurde. Die slawische Westwanderung wurde von Sippenverbänden getragen, während slawische „Staaten“ (im mittelalterlichen Sinne) erst im 9. und 10. Jahrhundert entstanden. 78 Von daher liegt die militärische Bedeutungslosigkeit der Slawen für die fränkischen Herrscher auf der Hand. Die Anpassungsthese ist hingegen abzulehnen. Helmut Schröcke, ein Außensei- ter der Zunft, leugnete die Unterschiede zwischen Germanen und Slawen. Seiner Meinung nach haben die Slawen einen gemeinsamen Ursprung mit den germa- nischen Vandalen, die nach Oberfranken eingewanderten „Wenden“ seien Van- dalen gewesen, die aus Osteuropa in Richtung Westen unterwegs waren. Die germanische Verwandtschaft zwischen Franken, Bayern und Wenden erkläre die lautlose Integration der Wenden in den fränkischen Herrschaftsbereich. 79 Scheinbar slawische Orts- und Flurnamen, so Hermann Grießhammer, der ins

76 Schwarz, Sprache, S. 357f (nach Freiherr von Guttenberg). Ferdinand Geldner kam zu teil- weise abweichenden Orten: Amlingstadt, Bischberg, Eltmann, Isling, Kasendorf, Kirchschletten, Ludwag, Marktgraitz, Modschiedel, Ober- und Unterhaid, Reuth, Seußling, Trunstadt und Ützing, bis auf Kasendorf (Landkreis Kulmbach) sämtlich in den Landkreisen Bamberg, Haßberge und Lichtenfels gelegen. (Hans Losert, Die slawische Besiedlung Nord- ostbayerns aus archäologischer Sicht, in: Vorträge des 11. Niederbayerischen Archäologentages, Buch 1993, S. 207-270, hier: S. 214-218.) Trotz der Abweichungen im Detail stimmen beide Ansichten dahingehend überein, dass sich die Slawenkirchen weit von der Hofer Region entfernt und in erster Linie im Westen Oberfrankens befanden. 77 Vgl. Händel, Fragen, S. 2; Brather, Archäologie, S. 96; August Strobel, Zur Frühgeschichte der Stadt Schwarzenbach an der Saale, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1979, S. 93-154, hier: S. 143f. 78 Kunstmann, Slaven, S. 52f; Brather, Archäologie, S. 55. 79 Helmut Schröcke, Germanen – Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes, 2. Auflage Wiesbaden 2000, insbesondere S. 209ff. gleiche Horn blies, seien in Wirklichkeit ostgermanische. 80 Diese Ansichten sind von der archäologischen Forschung widerlegt worden. Archäologische Zeugnisse belegen die Anwesenheit slawischer Bevölkerung in Böhmen, im sächsischen und thüringischen Vogtland und im westlichen Ober- franken - in Nachbargebieten der Hofer Region - seit dem 6. oder 7. Jahrhun- dert. 81 Hatte es lange Zeit Schwierigkeiten gegeben, slawische Spuren im archä- ologischen Fundgut nachzuweisen, so hat man in der jüngsten Zeit eine typisch slawische Form der Keramik identifiziert, die im Forchheimer, Hallstadter und Bamberger Raum gefunden wurde. 82 In der Hofer Region hat man hier bisher überhaupt nichts dergleichen gefunden: keine Gräber, keine Keramik, keine Waffen, keinen Schmuck, keine Brandreste von Gebäuden, keine Wehranla- gen. 83 Im Jahr 1728 wurden in Oberkotzau bei Bauarbeiten zwei angeblich sla- wische Urnen gehoben, die beim Öffnen zerfallen sein sollen. 84 In der Tat haben die Westslawen in Böhmen, Mähren und an der Elbe im 6. und 7. Jahrhundert die Urnenbestattung gepflegt. 85 Leider wurden die Überreste des Fundes nicht aufgehoben, so dass dieser interessante Bericht nicht mehr überprüft werden kann. Die bisherigen archäologischen Kenntnisse stützen die Anwesenheit sla- wischer Bevölkerung in der Hofer Region also nicht. Die Literatur ist voll von Behauptungen über typisch slawische Flur- und Sied- lungsformen wie den Rundling oder das Straßendorf. Diese Theorien, obwohl bis zur Gegenwart häufig wiederholt, wurden schon in den 1920er Jahren wider- legt. Scheinbar slawische Siedlungsweisen lassen sich auch weit außerhalb des slawischen Gebietes finden. Vielfach sind slawische Siedlungsformen von spä- teren Siedlern überformt worden, eventuell fanden die Slawen in einigen Ge- genden germanische Siedler vor, so dass sich deren Siedlungsformen vermisch- ten. Die zumeist ältesten Belege von Siedlungsformen, die Katasteraufnahmen des 19. Jahrhunderts, sind keine zuverlässigen Hinweise auf die frühmittelalter- liche Besiedlung, da in den dazwischen liegenden Jahrhunderten zahlreiche, oft nicht mehr nachvollziehbare Veränderungen eingetreten sind. Man denke nur an Wüstungen, Neugründungen oder die Aufteilung großer Bauernhöfe in mehrere kleine, aber auch an den Wandel der Agrarverfassung vom Feudalismus zum Individualeigentum. Die Slawen bedienten sich unterschiedlicher Siedlungsfor-

80 Hermann Grießhammer, Sprachenwirrwarr in Nordostoberfranken, in: Blätter vom Fichtel- gebirge und Frankenwald, Nr. 1/1996. 81 Nach Sachenbacher, Landnahme, S. 27, wanderten Slawen erst im 8. Jahrhundert in das Gebiet um Orla, Weiße Elster und Pleiße ein. 82 Sage, Frühgeschichte, S. 215-229; Abels, Führer, S. 98; Eichler/Hellfritzsch/Richter, Orts- namen II, S. 25ff; Losert, Besiedlung, S. 210, 244, 248. 83 Dietel, Münchberg, S. 18ff. 84 August Goldfuß/Gustav Bischof, Physikalisch-statistische Beschreibung des Fichtelgebir- ges, 1. Teil, Nürnberg 1817, S. 244; Archiv der Freiherrn von Kotzau (in Privatbesitz), Nr. 531. 85 Brather, Archäologie, S. 256. men je nach den Gegebenheiten der Landschaft und ihren Haupterwerbszwei- gen. 86 Eine andere Methode ist die Differenzierung der Volksgruppen nach ihren Steu- erzahlungen. Im Gebiet um Altenburg zahlten im 12. Jahrhundert die Slawen gewöhnlich den Schoberzehnten, deutsche Siedler hingegen den Scheffelzehn- ten. 87 Freiherr von Guttenberg vermutete, der „Markgrafenscheffel“ könne etwas mit der slawischen Siedlung zu tun haben. 88 Ernst Zeh hatte den Markgrafen- scheffel im Stiftungsbrief für die Rehauer Pfarrei vom Jahre 1470 gefunden. Dort werden von den Zehntleistungen für den Pfarrer diejenigen Äcker befreit, die bereits den Pfaffenscheffel an die Hofer Urpfarrei und den Markgrafenschef- fel zu entrichten haben. Zeh schloss, der Markgrafenscheffel, den er auch bei anderen – seiner Ansicht nach – slawischen Siedlungen fand, sei aus einer „ural- ten Slavensteuer“ hervorgegangen. 89 Der Markgrafenscheffel ist dokumentiert gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Urbar des Hofer Klaraklosters. 90 Das Klos- ter erhielt jährlich sieben Fuhren Getreide, teils Korn (Roggen), teils Hafer, ins- gesamt ungefähr 70 Scheffel. Die Fuhren wurden geliefert aus 1) Rehau, Kühschwitz und Draisendorf, 2) Zöbern und Blosenberg in Sachsen, 3) Venzka (bei Hirschberg), Tiefendorf und Hohendorf, 4) Trogenau und Hartmannsreuth, 5) Trogen und Unterkotzau, 6) Joditz und Köditz sowie 7) Osseck bei Hof und Eppenreuth einschließlich Seifriedsreuth. Von diesen Orten wird nur ein Teil von Ernst Schwarz als slawisch eingestuft. Falls es sich um eine alte Abgabe an den Markgrafen und seine Vorgänger handelte, müsste sie in der Hofer Amtsbe- schreibung zu finden sein, in welcher der Burggraf von Nürnberg (der spätere Markgraf zu Brandenburg) nach dem Erwerb des Regnitzlandes im Jahr 1373 seine Einnahmen aus diesem Gebiet notieren ließ. 91 In der Amtsbeschreibung werden zwar Frondienste (ohne nähere Ausführung ihrer Art oder ihres Um- fangs), Steuern (in Geldwert), Mengenabgaben an „Futterbete“ und gelegentlich ein Fastnachtshuhn erwähnt, von einem Markgrafenscheffel oder ähnlichen

86 Bachmann, Verbreitung, S. 22-27; Rudolf Fischer, Zur Namenkunde des Egerlandes. Die slawischen Ortsnamen des Egerlandes und ihre Auswertung für die Lautlehre und Siedlungs- geschichte (Forschungen zur sudetendeutschen Heimatkunde. Allgemeine Reihe, 9), Reichen- berg/Leipzig 1940, S. 69-78. 87 Eike Gringmuth-Dallmer, Untersuchungen zum Landesausbau des 11./12. Jahrhunderts im östlichen Deutschland, in: Siedlungen und Landesausbau zur Salierzeit, Band 1 (Römisch- Germanisches Zentralmuseum. Monographien, 27), Sigmaringen 1991, S. 147-162, hier: S. 153f. 88 Erich Freiherr von Guttenberg, Probleme der älteren Geschichte des Regnitzlandes, Vortrag in Hof 1951 (Stadtarchiv Hof, M 145), S. 3. 89 Ernst Zeh, Heimatkunde des bayrischen Bezirksamtes Rehau. Ein Beitrag zur deutschen Volkskunde, 1. Band, Rehau 1916, Nachdruck Rehau 1987, S. 170f (Zitat: S. 170). Diese Be- stimmung findet sich ebenfalls im Hofer Landbuch von 1502. (Ediert von Christian Meyer in: Quellen zur Geschichte der Stadt Hof. Neue Folge, Hof 1896, S. 49-208, hier: S. 182.) 90 Das Urbar des Klosters St. Klara in Hof, hrsg. von Hans Hofner, Bayreuth 1980, S. 17-22. 91 Die Hofer Amtsbeschreibung, ein Dokument zur Geschichte des Regnitzlandes, hrsg. von Hans Hofner, in: 20. Bericht des Nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Geschichts- und Landeskunde, Hof 1962, S. 3-48. Leistungen der Lehensleute ist aber nirgends die Rede. Ein bestimmtes Muster der Abgabenverteilung nach Art oder Höhe über die in der Amtsbeschreibung aufgeführten Orte ist nicht zu erkennen, man kann aus den Einträgen der Amts- beschreibung keine Rückschlüsse auf die Slawenzeit ziehen. Der Markgrafen- scheffel lässt sich nicht auf das Lehenssystem der Amtsbeschreibung abbilden. Da er ausschließlich aus dem Herrschaftsgebiet der Vögte abgeliefert wurde, könnte seine Entstehung auf die Vögte zurückzuführen sein. Müller vermutete, dass es sich um eine Schenkung an das Klarakloster aus dem Jahr 1348 gehan- delt habe, die vom Markgrafen von Meißen herrühre. Gertrud von Uttenhofen, die das Klarakloster 1348 wieder gründete, war zuvor mit dem Marschall des Markgrafen von Meißen verheiratet gewesen. 92 Ebenso wenig ist der „Pfaffenscheffel“ geeignet, auf der Suche nach Slawen zu helfen. Der Pfaffenscheffel diente der Finanzierung der Hofer Lorenzkirche, der Urpfarrei der Region. Eine Anzahl Dörfer hatte die Verpflichtung, diese Steuer aufzubringen, während andere den Zehnten zahlten. Da die Lorenzkirche sicher aus der nachslawischen Periode stammt und die Einziehung der Steuer eine ent- wickelte politische Organisation des Pfarrsprengels voraussetzt, kann keine Verbindung des Pfaffenscheffels zur slawischen Zeit bestehen. 93 Der Ausfall der schriftlichen, historisch-geographischen, archäologischen und finanzgeschichtlichen Quellen verweist auf die Orts- und Flurnamenforschung. Die Behauptung, Ortsnamen auf –itz oder unter Verwendung der Silbe „Kulm“ verrieten slawischen Ursprung, die bis zur Gegenwart wiederholt geäußert wird, gilt seit langem als widerlegt. 94 Den Stand der Wissenschaft repräsentiert das bekannte Werk von Ernst Schwarz aus dem Jahr 1960. 95 Schwarz zufolge sind die Namen der meisten kleineren Bäche der Hofer Region slawischen Ur- sprungs. 96 Von diesen Gewässernamen sind zahlreiche Ortsnamen abgeleitet, für

92 Rudolf Müller, Das Chronicon der Altenstadt von Hof und seine kultur-, sozial- und rechts- geschichtliche Bedeutung, in: Die Hofer Altstadtchronik. Chronik der Gemeinschreiber der Hofer Altenstadt 1670-1790 (52. Bericht des Nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Ge- schichts- und Landeskunde), Hof 2005, S. 343-384, hier: S. 354f. 93 Vgl. Ernst Dietlein/Adolf Jäger, Kirchengeschichte (Chronik der Stadt Hof, IV), Hof 1955, S. 12f. 94 Dietel, Münchberg, S. 22f; Ernst Eichler/Gundhild Winkler, Genetivische Ortsnamen auf –itz in Nordbayern, in: Nominum Gratia. Namenforschung in Bayern und Nachbarländern. Festgabe für Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein zum 60. Geburtstag, München 2001, S. 71-76, hier: S. 71f. So noch Werner Pittermann, Ortsnamen im Frankenwald. Von verschiedenen Volksstämmen besiedelt, in: Aus der Fränkischen Heimat. Beilage der Bayerischen Rund- schau, Nr. 11/2000. 95 Schwarz, Sprache. Joseph Schütz (Frankens mainwendische Namen. Geschichte und Ge- genwart, München 1994) verfasste einen „Anti-Schwarz“. Er interpretierte die slawische Her- leitung etlicher Namen anders als Schwarz und meinte außerdem einige weitere slawische Orte in der Hofer Region zu finden, die Schwarz nicht aufgeführt hatte. Die hier interessie- rende ungefähre geographische Verteilung der slawischen Ortschaften innerhalb der Region und der geschätzte Umfang der slawischen Besiedlung der Region werden von Schütz’ Ände- rungen nur marginal berührt. 96 Schwarz, Sprache, S. 200, 208, 308-318. die natürlich nicht automatisch eine slawische Zeitstellung anzunehmen ist; sie könnten in nachslawischer Zeit unter Verwendung des Bachnamens gebildet worden sein. 97 Außerdem nennt Schwarz eine Anzahl Ortsnamen, die er aus der urslawischen Sprache ableitet:

Tabelle 2: Slawische Ortsnamen nach Ernst Schwarz

Ortsname slawische Herleitung Seite bei Schwarz Parallelort bei 98 Ahornberg Übersetzung von slaw. 335 Tirschenreuth „klen“ zu dt. „Ahorn“ Benk Flussbank oder Bergwerk 295 Bayreuth Dobeneck debenky (kleine Eiche) 243f Oelsnitz Döberlitz Dobril (Personenname) 242 Tirschenreuth: Döberein Döhlau Talgrund 293 Bayreuth Draisendorf Personenname 192 Ebermannstadt Fattigau Bat (Personenname) 236 Feilitzsch Byl (Personenname) 236 Fletschenreuth Bratis (Personenname) 233 Förbau Föhrenwald 236 Eger: Förba Göhren Berg 288 Bad Berneck Isaar Brand(rodung) 224 Brand(rodung) 224 Jehsen Esche 291 Plauen: Jößnitz Joditz Personenname 292 Kotzau (Ober-, kotec (Bude) oder chotec 205 Neustadt/Waldnaab Unter-) (Personenname) Kühschwitz kosovici 264 Lehsten, Lösten Hasel 282 Wunsiedel: Lehsten Mödlareuth, Mödlen- Modljuta (Personenname) 295 reuth Nentschau slawischer Ortsname 280 Reichenbach/ Vogtland: Netzschkau Osseck umzäunter Viehpferch 205 Pretschenreuth Personenname 186 Ebermannstadt: Pretzfeld Prex Übergang 186 (Regnitz-)losau Rodung 271 Plauen und Elster- berg: Losa; Pegnitz, Stadtsteinach, Eger und Nabburg:

97 Dietel, Münchberg, S. 25. 98 Ermittelt aus folgender Literatur: Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs Bayern mit al- phabetischem Ortsregister (Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern, LXV), München 1904; Ernst Eichler/Volkmar Hellfritzsch/Johannes Richter, Die Ortsnamen des sächsischen Vogtlandes. Herkunft – Entwicklung – Bedeutung, Teil I (Schriftenreihe des Vogtlandmuse- ums Plauen, 50), Plauen 1983; Georg Friedrich, – deutsch oder slawisch?, in: Der Selbitzer Bockpfeifer, 1963, S. 78, 81ff; Fischer, Namenkunde. Losau Rehau Resov (Rodung) 268 Seulbitz Personenname 270 Bayreuth: Seulbitz, Kirchenlaibach: Selbitz, Gera: Silbitz Tauperlitz Bergbauname 248 Töpen Rodungsname 248 Trogen, Trogenau Personenname 191 Eger: Trogau Ullitz 99 Gasse 297 Vierschau unbekannte Herleitung 237 Weinzlitz Personenname 250 Woja slawischer Ortsname 251 Wölbattendorf Personenname 244 Zedtwitz Sebud (Personenname) 258 Zettlitz Siedlung 257 Bayreuth, Eschenbach, Bad Berneck, Lichtenfels, Stadtsteinach

Zieht man von Schwarz‘ Liste die Orte ab, für die „Parallelorte“ (Orte mit dem- selben oder einem sehr ähnlichen Namen) in einer der für die mittelalterliche Besiedlung Hofs relevanten Gegenden ermittelt werden können, für die also eine Namensübertragung aus einer anderen Gegend nicht auszuschließen ist, und au- ßerdem das in der neueren Forschung anders gedeutete Wölbattendorf, 100 so ergibt sich für die verbleibenden Orte eine charakteristische geographische Ver- teilung: Sie liegen fast ausschließlich in der östlichen Hälfte der Hofer Region (am Rande des Rehauer Forstes und im Tal der südlichen Regnitz) sowie in ei- nem Streifen am Nordrand der Region.

Karte 1: Slawenorte in der Hofer Region

(nach Schwarz, abzüglich „Parallelorte“ und Wölbattendorf)

99 Schwarz meint den Flurnamen, die Ansiedlung bei Hof entstand erst im 18. Jahrhundert. 100 Der slawischen Deutung Schwarz‘ und Schütz’ widerspricht Karlheinz Hengst, Irrungen zum Erbe der Mainwenden – eine onomastische Korrektur, in: Nominum Gratia. Namenfor- schung in Bayern und Nachbarländern. Festgabe für Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein zum 60. Geburtstag, München 2001, S. 77-88, hier: S. 82-85. Dabei handelt es sich kaum um einen Zufall oder ein methodisches Artefakt. Die Geographie der Walpoten-Siedlung, der ersten größeren deutschen Siedlungs- welle in der Hofer Region im 11. und 12. Jahrhundert, passt dazu beinahe wie Positiv und Negativ einer Gussform (siehe unten). Die Hofer Amtsbeschreibung, die vor 1421 angelegt wurde, zählt rund 200 Na- men von Bauernfamilien im Amt Hof auf. Unter diesen fallen die Familien „Beheim“ in Osseck am Wald, Prex, Fohrenreuth und Haag, ein „Jan“ in Unter- kotzau und ein Bauer „Windisch“ in Hadermannsgrün auf. 101 Sollte es sich um späte Nachfahren von „Böhmen“ und „Wenden“ gehandelt haben? Die geographische Lage der Slawenorte ist ein guter Hinweis auf ihre Entste- hung. Sie scheinen sowohl von den nördlich der Hofer Region siedelnden Sor- ben als auch von den östlich zu findenden böhmischen Slawen gegründet wor- den zu sein, denn sie befinden sich im Schnittpunkt von deren Ausdehnungsrich- tungen. Auch für das Egerland ist eine slawische Besiedlung aus Norden und Osten anzunehmen. 102 Eine präzisere Bestimmung der Herkunft der Gründer für einzelne Orte oder gar eine zeitliche Schichtung der slawischen Besiedlung, wie sie Freiherr von Guttenberg für die Kulmbacher Region vorgenommen hat, wäre aber angesichts der dürftigen Überlieferung zu gewagt. 103 Wie erwähnt, besaßen die Westslawen bis zum 9. Jahrhundert keine eigene Aris- tokratie. Aus der Hofer Region und ihrer Umgebung sind sogar während der ge- samten Slawenzeit keine slawischen Anführer namentlich überliefert; zu einer Stammesorganisation kam es hier nicht. Man darf die slawische Einwanderung

101 Ohne Verfasser, Die ältesten Bauerngeschlechter im Hofer Lande. Ein Beitrag zur bäuerli- chen Familienforschung, in: Alt-Hof. Heimatgeschichtliche Beilage für Hof und Umgebung, 1937, S. 41-44. 102 Hermann Braun, Geschichte des Egerlandes, Halle o.J. (um 1936), S. 16. Vgl. Rudolf End- res, Slawen in Franken, in: Historischer Verein Bamberg, Berichte, 139, Bamberg 2003, S. 25-38, hier: S. 27. Dieser Aufsatz erschien in leichter Abwandlung unter dem Titel „Die Slawenfrage in Nordostbayern“ bereits in: Geschichte am Obermain, 1987/88, S. 39-48. 103 Vgl. Erich Freiherr von Guttenberg, Land- und Stadtkreis Kulmbach (Historisches Orts- namenbuch von Bayern. Oberfranken, 1), München 1952, S. 28*f. - Höllerich führte sie in Anlehnung an Schwarz und Guttenberg für den ehemaligen Landkreis Rehau und die Stadt Selb durch. Allein aus sprachlichen Gründen kam er zu dem Ergebnis, Slawen seien erst ab der Mitte des 8. Jahrhunderts in die Region eingewandert. (S. 15*f) Dies steht in auffälligem Kontrast zu der Anwesenheit der Slawen in den Nachbargebieten seit dem 6. Jahrhundert. Sollten diese zwei Jahrhunderte lang an der Grenze zur Hofer Region verharrt haben, ohne weiter vorzurücken? Auch Aussagen der Art, die slawischen Siedler hätten sich auf Initiative fränkischer Landesherren niedergelassen (S. 16*), oder der Schluss, dass eine einige Kilome- ter von anderen slawischen Orten entfernte Siedlung wegen des Abstandes nur eine spätere deutsche Gründung mit der Übernahme eines slawischen Flurnamens gewesen sein könne (S. 23*), entbehren jeglicher historischen Begründung. Man wird derart detaillierte, pseudo- präzise Aussagen über den Fortgang der slawischen Siedlungstätigkeit solange als spekulativ zurückweisen müssen, bevor nicht neue Forschungsmethoden eine tiefere Begründung zulas- sen. (Reinhard Höllerich, Rehau - Selb. Ehemaliger Landkreis Rehau und ehemals kreisfreie Stadt Selb (Historisches Ortsnamenbuch von Bayern. Oberfranken, 3), München 1977.) End- res meinte zu Recht, hier begännen „bereits die Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten“. (Endres, Slawen, S. 28.) als Werk einzelner Sippen ansprechen, ohne dass es eine Steuerung durch eine zentrale Instanz gegeben hätte. Die Tatsache, dass sich in vielen Fällen Perso- nennamen in den Bezeichnungen slawischer Siedlungen manifestiert haben, weist ebenfalls in diese Richtung. Ihren Namen erhielten die Siedlungen vom Sippenältesten, der die Anlage der Siedlung leitete. Auffallend ist, dass nach dem Abzug der „Parallelorte“ nur noch etwa 20 Slawenorte in der Hofer Region übrig bleiben. 104 Heinrich Kunstmann schätzte für das 6. Jahrhundert eine slawische Population von 100.000 bis 150.000 Per- sonen – verteilt auf das gesamte östliche Europa. 105 Für die Jahrtausendwende wird eine Zahl von 2 Millionen Westslawen angenommen. 106 Da wundert es nicht, dass die Westwanderung der Slawen in der Mitte der Hofer Region ver- ebbte und der westliche Rand des slawischen Gebietes dünn besiedelt blieb. Die slawischen Siedler ließen jeweils einige Kilometer Raum zwischen ihren Sied- lungen, um sich bei der Nutzung des Landes nicht gegenseitig zu stören. 107 Sie wirtschafteten recht extensiv, mit einer Viehzucht, die eine große Waldweide voraussetzte. Zwei Orte, deren Name als „Viehpferch“ gedeutet wird (Osseck am Wald und Osseck bei Hof), zeigen die Bedeutung der Viehwirtschaft. Mög- licherweise siedelten die Slawen bereits fest, wechselten aber ihre per Brandro- dung gewonnenen Ackerfluren, indem sie sie, sobald nach einigen Jahren die Bodenfruchtbarkeit nachließ, wieder dem Wald überließen und in der Nähe ein neues Stück rodeten. Ebenfalls denkbar ist eine „wilde“ Feld-Gras-Wirtschaft: Nach mehrjähriger Nutzung als Acker wurde das Land dem wilden Bewuchs überlassen und als Viehweide genutzt, bis es sich für erneuten Ackerbau erholt hatte. 108 Die Forschung ist sich einig, dass die Slawensiedlungen winzig gewesen seien. Schwarz betonte, „daß man sich diese slawischen Frühdörfer nicht klein genug vorstellen kann. Er werden oft genug nur Hütten gewesen sein, deren Zahl erst allmählich gewachsen ist.“ 109 Fischer schätzte ein slawisches Dorf im Egerland auf ca. 50 Einwohner. 110 Lecziejewicz geht um das Jahr 1000 von einer durch- schnittlichen Bevölkerungsdichte der Westslawen von 4 bis 4,5 Menschen je km 2 aus. 111 Freiherr von Guttenberg berechnete für das Kulmbacher Land den

104 Eine Gruppenbildung, wie sie Freiherr von Guttenberg annahm, kann ich in der geographi- schen Verteilung der Siedlungen nicht erkennen. (Vgl. Freiherr von Guttenberg, Probleme,S. 4.) 105 Kunstmann, Slaven, S. 55. 106 Lech Lecziejewicz, Herkunft und Gliederung der Westslawen, in: Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie, hrsg. von Alfred Wieczorek und Hans- Martin Hinz, Band 1, Stuttgart 2000, S. 234-238, hier: S. 238. 107 Nach Lecziejewicz, Herkunft, S. 235, umfassten die von westslawischen „Nachbarschafts- verbänden“ genutzten Areale bis zu 10 km 2. 108 Brather, Archäologie, S. 171. 109 Schwarz, Sprache, S. 377. 110 Fischer, Namenkunde, S. 75. 111 Lecziejewicz, Herkunft, S. 238. Umfang eines slawischen Weilers auf ein bis fünf Höfe. 112 Eine ähnliche Unter- suchung, deren älteste Quellen (Lehenbuch des Burggrafen, Hofer Amtsbe- schreibung) vom Ende des 14. bzw. Anfang des 15. Jahrhunderts, also lange nach der Slawenzeit, stammen, steht für die Hofer Region noch aus. Eine erste, flüchtige Durchsicht des Materials bestätigt aber die Aussagen von Fischer und Freiherr von Guttenberg der Tendenz nach. Über eine slawische Bevölkerungs- zahl von einigen hundert bis maximal 1.000 Personen dürfte die Hofer Region bis gegen das Jahr 1000 nicht hinausgekommen sein.

112 Freiherr von Guttenberg, Probleme, S. 3; Freiherr von Guttenberg, Kulmbach, S. 24*. - Die Fußnoten 112 bis 115 befinden sich auf der nächsten Seite.