Die Vor- und Frühgeschichte Thesen In ihrem Bemühen, der heimischen Region ein langes Alter und eine große Be- deutung innerhalb der deutschen und europäischen Geschichte zu geben, haben Heimatforscher gelegentlich nicht vorhandene Belege konstruiert oder vorhan- dene überinterpretiert. Demgegenüber ist die Grundthese der hier vorgelegten Untersuchungsergebnisse, dass die Erschließung der Hofer Region erst spät und zunächst nur sehr schwach erfolgte. Diese These stand am Anfang der Forschungen über die Erschließung der Hofer Region. Schon 1885 las man im „Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Vorgeschichte“, dass die prähistorische For- schung an der oberen Saale auf die Epoche der slawischen Einwanderung be- schränkt sei. Vor dem 7. Jahrhundert nach Christus sei die Region siedlungsfrei gewesen. 3 Diese Position wird mit Modifikationen bis heute vertreten. 4 Ober- franken, so der zuständige Archäologe des Landesamtes für Denkmalpflege in Memmelsdorf bei Bamberg, Björn-Uwe Abels, zerfalle geologisch entlang der „Fränkischen Linie“ in einen westlichen Sektor, das „Deckgebirge“, und einen östlichen, das „Grundgebirge“, bestehend aus Fichtelgebirge, Münchberger Masse, Vogtland und dem Osten des Frankenwaldes. Das Grundgebirge weise durchschnittlich größere Höhen auf und habe ein raueres, siedlungsfeindliches Klima. 5 „Waldarme Gäulandschaften waren seit früher Zeit mehr oder weniger kontinuierlich besiedelt, während die Waldgebiete und Talhänge bis in das Hochmittelalter siedlungsfeindlich geblieben sind,“ heißt es in einem aktuellen Handbuch zur frühen fränkischen Geschichte. 6 Gegen diese Position erhob sich der Widerstand der Heimatforscher, bisweilen unterfüttert von der Vorstellung, hier wollten Auswärtige aus ohnehin vielfach bevorzugten Gebieten der missachteten Heimat auch noch ihren historischen Boden unter den Füßen wegziehen. Heinrich Jahn aus Hof wollte im Vogtland eine epochemachende Region erblicken. Die Menschen der Bronzezeit, so ar- gumentierte er, benötigten aus technischen Gründen Kupfererze mit geringem Zinnanteil, die man im Vogtland häufig findet. Existenz gibt Evidenz, schloss Jahn, die Ur-Vogtländer gehörten „zu den Vorkämpfern der Kulturrevolution, die das Steinzeitalter überwunden hat, sie haben an einem der größten Fort- schritte der Menschheit mitgewirkt“. 7 3 Arnd Kluge, Von dunklen Zeiten – Zur Vor- und Frühgeschichte des bayerischen Vogtlands, in: Hofer Heimatbuch. Führer durch das Museum Bayerisches Vogtland, Hof 1996, S. 29-31, hier: S. 29. 4 Vgl. Björn-Uwe Abels, Die vorchristlichen Metallzeiten, in: Oberfranken in vor- und früh- geschichtlicher Zeit, 2. Auflage, Bayreuth 1996, S. 65-160, hier: S. 104, 122. 5 Vgl. Björn-Uwe Abels, Archäologischer Führer Oberfranken (Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern. Franken, 2), Stuttgart 1986, S. 9. 6 Wilhelm Störmer, Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268 (Dokumente zur Ge- schichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, II 1), München 1999, S. 37. 7 Kluge, Zeiten, S. 29. Karl Bedal, vielfach dekorierter Künstler, Denkmalpfleger und Heimatforscher, vermutete ein vorgeschichtliches Vermessungsnetz, in dem vorgeschichtliche Fundstätten, Bodendenkmäler, Kirchen und Burgen sich in einem charakteristi- schen Abstand von jeweils 6,75 km oder einem Vielfachen dieses Wertes befän- den. 8 Bedauerlicherweise zeigt das schlichte Nachmessen auf der Wanderkarte, dass diese Theorie unhaltbar ist. Während Bedal davon ausging, dass die vorge- schichtlichen Vermesser auf Entfernungen von 100 km und mehr Messtoleran- zen unter 1 % einhielten, scheinen sie sich bei kurzen Entfernungen manchmal schwer geirrt zu haben. Wer die Messpunkte angelegt haben soll und zu wel- chem Zweck, war auch Bedal nicht klar. Seine Rückschlüsse aus mittelalterli- chen oder neuzeitlichen Befunden (Kirchen, Schlösser, Sagen, Steinkreuze und Kreuzsteine, Orts- und Flurnamen) auf ältere Perioden bleiben phantastisch, weil nicht belegt wird, warum sie zulässig sein sollen. Wichtige Stellen, von de- ren Begehung in der vorgeschichtlichen Zeit wir aus Bodenfunden wissen, fin- den in Bedals Liniennetz keinen Platz. In der Tat besaßen die Kelten ein eigen- ständiges System der Entfernungsmessung, das bis in die römische Kaiserzeit reichte; es basierte allerdings auf „Leugen“ mit einer Länge von ca. 2,2 km. 9 In der Nachfolge Bedals betätigt sich Alfred Völkel aus Naila, der den „Kelten auf der Spur“ ist. Er fand im östlichen Frankenwald „überall Kelten“. 10 Die Na- men natürlicher Formationen leitete er aus dem Keltischen ab, ermittelte Stein- wälle, Dreieckssteine, einen Obelisken und die Steinreihe der „Langenbacher Apostel“ und nahm an, dass alle diese Gegenstände keltische Hinterlassenschaf- ten seien. Eine baumbestandene Hügelkuppe mutierte zum „typischen Bild einer Kultstätte“. In unseren esoterikfreundlichen, keltenkultigen Zeiten fallen derar- tige Äußerungen auf fruchtbaren Boden. Ohne bislang ein abschließendes Urteil fällen zu können, ist nach ersten Befunden davon auszugehen, dass viele der von Völkel beobachteten Phänomene natürliche Ursachen oder mittelalterlichen Ur- sprung haben. 11 Dem Köditzer Lehrer und Heimatforscher für den Altlandkreis Hof, Hans Hof- ner, kommt das Verdienst zu, die Diskussion um die vorgeschichtliche Besied- lung der Hofer Region versachlicht zu haben. Er versuchte um 1960 in mehreren Veröffentlichungen, alle in der Literatur publizierten Funde aus vorgeschichtli- chen Epochen zusammenzustellen. Zusammen mit späteren Nachträgen Hofners 8 Vgl. Karl Bedal, Rätselhafte Verbindungen zwischen vorgeschichtlichen Fundstätten, Bo- dendenkmälern, Burgen und Kirchen, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1993, S. 67-92; Karl Bedal, Die ‚Zwölf Apostel‘ bei Langenbach. Eine vorgeschichtliche Steinset- zung?, in: Frankenwald, 1993, S. 71-73; Karl Bedal, Die ‚Zwölf Apostel‘ und der Denkmal- schutz, in: Frankenwald, 1998, S. 142-145. 9 Janine Fries-Knoblach, Die Kelten. 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte, Stutt- gart 2002, S. 133. 10 Alfred Völkel, Wie spitz ist der Spitzberg? Es kann alles ganz anders gewesen sein: Was sich hinter den deutschen Namen von Bergen, Hügeln und Leithen verbirgt, in: Frankenwald, 2002, Heft 4, S. 7-9, sowie mehrere Artikel in der Frankenpost. 11 Ich danke Norbert Hübsch vom Historischen Verein für Oberfranken für wertvolle Hinwei- se. und einiger anderer, insbesondere den Grabungen des Münchberger Heimatfor- schers Karl Dietel, ergibt sich daraus ein charakteristisches Bild, das allen Spe- kulationen die Nahrung nimmt. Seit 1980 werden Lesefunde und Grabungser- gebnisse von Professor Abels in den Zweijahresbänden der „Geschichte am Obermain“ publiziert. Die folgende Tabelle stellt die bekannt gewordenen vor- geschichtlichen Tatsachen aus der Hofer Region zusammen. Bei der Interpreta- tion der Tabelle ist zu berücksichtigen, dass die Zuverlässigkeit der älteren Nachrichten teilweise fragwürdig ist; insbesondere die Zuweisung von Fundge- genständen zu Epochen ist oft zweifelhaft. Epochengrenzen werden von den Au- toren unterschiedlich gezogen. Hier wird einer Einteilung Abels gefolgt: Alt- und Mittelsteinzeit (bis ca. 4500 v. Chr.), Jungsteinzeit (ca. 4500-1800 v. Chr.), Bronzezeit (ca. 1800-1300 v. Chr.), Urnenfelderzeit (ca. 1300-750 v. Chr.), Hallstattzeit (ca. 750-450 v. Chr.), Latènezeit (ca. 450 v. Chr. – 0), Römische Kaiserzeit (1.-5 Jahrhundert n. Chr.). Tabelle 1: Vorgeschichtliche Befunde der Hofer Region Fundort Fundart Quelle Alt- und Mittelsteinzeit Hof-Leimitz: Wartturmberg Blattspitze, nordischer Feuerstein, Präsolutreen 1, S. 1 4 20 ca. 100.000 Jahre alt 3, S. 27 Hof-Leimitz: Wartturmberg zwei Abschlagstücke aus Feuerstein, ca. 90.000 3, S. 27 Jahre alt 20 Hof-Fauna nordischer Feuerstein, ca. 90.000 Jahre alt 20 Hof: Geigengrund ockerfarbener, patinierter Schaber, Präsolutreen 1, S. 1 4 ca. 80.000 Jahre alt 3, S. 27 um Hof Felsgesteinwerkzeug: drei Schaber 3, S. 27 Schwarzenbach/Saale, Feuerstein-Faustkeil 1, S. 1 Fletschenreuther Weg 4 ca. 50.000 Jahre alt (?) 3, S. 27 bei Stammbach Rohling aus Feuerbergjaspis mit Schlagspuren 8 (ca. 20.000 Jahre alt) Rudolphstein/Saale Geröllhaue vogtländischen Typs, Serpentin 1, S. 2 4 Mittelsteinzeit 2, S. 30 um 5000 v. Chr. 11 Waldstein Klingen und Schaber (Mittelsteinzeit) (siehe 6 auch Jungsteinzeit) bei Tennersreuth (Nähe zwei Fundorte 8 Stammbach) ein relativ großer trapezförmiger Mikrolith des 19, S. 12 spätesten Mesolithikums Jungsteinzeit Bad Steben Streitaxt 2, S. 41 Köditz: Silberberg Wetzstein, 12 cm trichterförmig durchbohrt, 1, S. 5 unsichere Datierung 4 Münchenreuth spitznackiges Steinbeil aus heimischem Serpen- 10 tin, ca. 2000 v. Chr., „Glockenbecherleute“ Hof-Unterkotzau: Pfriemen mit Fadenrinne, Felsgestein 3, S. 27 Saalegeröll (siehe auch Hallstattzeit) Hof-Unterkotzau kleines Hammerbeil (3,5cm), gebohrt 3, S. 27 Döhlau eine wohl endneolithische, beidkantig retuschierte 17, S. 10 Spitze Oberkotzau: Saaleschutt schnurkeramisches Rechteckbeil 5 Oberpferdt/Silberbach blattförmige Hornsteinspitze, schnurkeramisch 1, S. 5 4 Steindolch, Feuerstein 3, S. 27 Oberpferdt/Silberbach Hornsteinschaber, schnurkeramisch 1, S. 5 4 Klinge oder Schaber, Feuerstein 3, S. 27 Silberbach Streitaxt 2, S. 41 schnurkeramische Axt 8 Thiemitzbach bei Naila ungebohrtes Steinbeil, Diabas 1, S. 5 4 ungebohrtes, geschliffenes, zweischneidiges Beil 3, S. 27 (Gneis?) Helmbrechts (am Buchberg) Steinbeilfragment 1, S. 5 4 zerbrochenes, gebohrtes Steinbeil, Vorderteil 3, S. 27 schnurkeramisches Beil 9 24, S. 40 Helmbrechts Einsatzbeil aus
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