Dreikampf Der Wagner-Damen
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Kultur MAURICE WEISS / OSTKREUZ (O.); ELY JEAN-ERIC / MAXPPP (U.); THOMAS PFLAUM THOMAS / VISUM (M.) (U.); JEAN-ERIC / MAXPPP ELY (O.); WEISS / OSTKREUZ MAURICE Festspielleitungskandidatinnen Nike Wagner, Eva Wagner-Pasquier, Premierengäste vor dem Bayreuther Festspielhaus, Kandidatin Katharina FESTSPIELE Dreikampf der Wagner-Damen In Bayreuth stellt sich die Machtfrage neu: Festspielchef Wolfgang Wagner möchte seine Tochter Katharina als Nachfolgerin durchsetzen – und könnte daran scheitern. Dem Festival drohen weitere Jahre der Stagnation. Von Moritz von Uslar in Juli-Vormittag in Bayreuth. Noch der deutschen Kulturgeschichte bestaunen: kaum 50 Meter vom Festspielhaus entfernt, zwei Wochen sind es bis zur Eröff- Seit den Zeiten von König Ludwig II. wird setzt sich ein silbergrauer Audi TT in Be- Enung der 96. Bayreuther Festspiele in Bayreuth der immergleiche Kanon aus wegung. Am Steuer die Wolfgang-Gattin mit Katharina Wagners Neuinszenierung zehn Musikdramen Richard Wagners wie- Gudrun, 63, silberhaarig, übers Lenkrad der „Meistersinger von Nürnberg“, doch derholt. Seit Eröffnung der Festspiele im gebeugt. Sie parkt vor dem Festspielhaus. hier, vor dem Festspielhaus, herrscht Frie- Jahr 1876 hat die Leitung lediglich viermal Vor dem Festspielbüro erscheint ein alter den: eine unheimliche Friedlichkeit. gewechselt, immer lag sie in den Händen Herr auf Krücken. Er wackelt bedenklich. Ein Rentnerpaar hat auf einer Parkbank der Komponistenfamilie. Aber er steht. Frau Wagner kommt ihrem Platz genommen, stützt sich auf die Geh- Und seit 1951, der Gründung von Neu- Mann nun im Rückwärtsgang entgegenge- stöcke, schaut. Im Hof vor den Probebüh- Bayreuth, steht den Festspielen der Richard- fahren. Dem Festspielleiter wird in den Wa- nen lagern die abgesägten Baumstümpfe Wagner-Enkel Wolfgang vor, seit dem Tod gen geholfen. Das Auto dreht einen Bogen aus Tankred Dorsts „Siegfried“ vom vori- seines Bruders Wieland 1966 als alleiniger und fährt hinab in die Stadt. Festspiellei- gen Jahr. Da bläst eine einsame Trompete Intendant – ganze 56 von 131 Jahren ruhen tung, man sieht es, findet in Bayreuth 2007 ein „Meistersinger“-Motiv. Von noch wei- die Festspiele also in den immer selben also so statt, dass Frau Gudrun, die inoffi- ter weg, aus der Tiefe des Bühnenraums, Händen eines künstlerischen Leiters, Herr- zielle Chefin, ihrem Mann, dem noch offi- jauchzt ein Sopran. Ab und an rieselt ein schers, Chefs. Am 30. August wird Wolf- ziellen Chef, gelegentlich ein wenig hilft. Blatt auf die Tempo-30-Zone vor dem Fest- gang Wagner 88 Jahre alt. Nach sechs Jahren Pause ist der Macht- spielhaus, dann kommt ein Gärtner der Und das Rentnerpaar sitzt immer noch kampf um die Nachfolge des greisen Fest- Bayreuther Stadtreinigung mit einer Greif- da und guckt: Himmel, passiert hier noch spielleiters Wolfgang Wagner wieder ent- zange und hebt es auf. was? Heute? Morgen? Noch dieses Jahr? brannt. 2001 hatte der Stiftungsrat der Bay- So könnte man ewig sitzen und ein ein- Eine Kleinigkeit passiert dann doch reuther Festspiele Eva Wagner-Pasquier, zigartiges, schier unglaubliches Kontinuum noch: Vom Privathaus Wolfgang Wagners, Wolfgangs Tochter aus erster Ehe, mit der 130 der spiegel 29/2007 ENRICO NAWRATH / ENONAVA.DE ENRICO NAWRATH Wagner bei „Meistersinger“-Probe: Es geht um das Renommee des wichtigsten Opernfestivals der Welt Mehrheit von 22 zu 2 Stimmen zu seiner che geistige Wachheit“ des Festspielleiters. Da der alte Herr Eva und Nike als Fest- Nachfolgerin ernannt – eine Entscheidung, Er hat ja auch alle Hände voll zu tun. spielleiterinnen erklärtermaßen ablehnt, er- die der Chef, der mit dem Vertragsprivileg Zurzeit ist Wolfgang Wagner mit der In- gibt sich ein ähnliches Patt wie schon 2001: „Festspielleiter auf Lebenszeit“ ausgestat- thronisierung von Katharina, 29, der Toch- Es ist der Dreikampf der Wagner-Damen – tet ist, nur zu ignorieren brauchte, um wei- ter aus zweiter Ehe mit Frau Gudrun, als mit dem Unterschied, dass an Stelle der da- ter im Amt zu bleiben. seiner Nachfolgerin beschäftigt. Sein so ab- mals chancenlosen Ehefrau Gudrun nun Seither ruhte die Nachfolgefrage, und gehobenes wie wirkungsvolles Statement die junge, noch unerfahrene Tochter Katha- mit ihr ruhte die künstlerische Brillanz. zu dieser Angelegenheit lautet: „Sie soll rina als Wolfgangs Favoritin antritt. Immerhin, es geht um das Renommee Bay- es werden. Wenn sie denn kann und will.“ Kaum zu ergründen sind die Mittel, de- reuths als wichtigstes Opernfestival der Katharina Wagner selbst, derzeit in den ren sich Wolfgang Wagner zur Durchset- Welt: Der legendäre „Jahrhundert-Ring“ Endproben ihrer „Meistersinger“, beende- zung seiner Pläne bedient. Und dunkel und in der Regie des jungen Patrice Chéreau? te Spekulationen über ihre Bereitschaft, undurchschaubar müssen seine Mittel auch 2006 lag er schon 30 Jahre zurück. Kaum dem Vater zu folgen, nach monatelangen bleiben, weil längst weder er noch ein an- eine Neuinszenierung des „Ring des Nibe- Dementis in der Fachzeitschrift „Das deres Mitglied der Familie allein über die lungen“, außer der von Harry Kupfer (1988 Opernglas“ mit den Worten: „Wenn die Regelung seiner Nachfolge bestimmt. Und bis 1992), konnte seither überzeugen. Hei- Bedingungen stimmen und das Vertrauen daran trägt Wolfgang Schuld. ner Müllers „Tristan“, Wolfgangs letzte da ist, würde ich es mir nicht nur zutrauen, 1973 hatte der damals 53-jährige Fest- visionäre Regiebesetzung – 14 Jahre her. ich würde es dann auch machen.“ spielleiter – man muss es heute als die Lars von Triers „Ring“, als Wolfgangs Be- Die Kandidatur Katharinas musste visionäre Glanzleistung seiner Regent- freiungsschlag gegen seine Kritiker geplant, zwangsläufig die erneute Meldung von Nike schaft bezeichnen – das Familienunter- scheiterte nach zwei Jahren der Vorberei- Wagner, 62, Tochter des Wolfgang-Bruders nehmen der Festspiele in eine Stiftung tungen an den Kräften des Regisseurs oder Wieland, und von Eva Wagner-Pasquier, 62, überführen lassen. Seither bestimmt nicht an der schlechten Arbeitsatmosphäre. als potentiellen Nachfolgerinnen nach sich die familiäre Erbfolge über die künstleri- Christoph Schlingensiefs „Parsifal“ schließ- ziehen: Erst vergangene Woche haben sie sche Leitung, sondern die „Richard-Wag- lich, als sichere Skandalnummer für die ihre Bereitschaft signalisiert. Nike, Leiterin ner-Stiftung Bayreuth“, der ein Rat aus Festspiele 2004 eingekauft, schockte weni- des Kunstfests Weimar, erklärt: „Der Ge- 24 Mitgliedern vorsitzt, deren wichtigste ger wegen seiner Psychedelik oder wilden danke an die Festspiele hat mich nie ver- der Bund, der Freistaat Bayern, die Stadt Opulenz, sondern weil sogar alte Wagne- lassen.“ Eva, derzeit künstlerische Beraterin Bayreuth und der Verein „Gesellschaft der rianer ihm viel Hübsches und Interessantes beim Festival von Aix-en-Provence – als Freunde von Bayreuth“ entsenden. Wolf- abgewinnen konnten. einzige Bewerberin verfügt sie über lang- gangs Coup bestand darin – so weit ging Mittlerweile wird dem greisen Wolfgang jährige Musiktheatererfahrung, sie arbeite- seine Selbstlosigkeit dann doch nicht –, eine deutlich geschwächte Gesundheit te an Opernhäusern in London, Paris, Ma- dass er sich, wie in den Mietverträgen nachgesagt – er leide an den Folgen eines drid und New York –, erklärt am Telefon: der Festspiele GmbH mit dem Stiftungsrat Schlaganfalls, an Arthritis, Schwerhörig- „Ja, ja. Natürlich würde ich es machen.“ festgehalten, zum Festspielchef auf Le- keit. Im Pressebüro der Festspiele preist Und lacht. Und seufzt: „Ich bin ja auch nie benszeit ernennen ließ. Verträge! Der man dagegen die noch immer „erstaunli- zurückgetreten.“ Fluch seiner eigenen Seilschaften – da liegt der spiegel 29/2007 131 JOCHEN QUAST / AP JOCHEN QUAST „Rheingold“-Szene (Inszenierung von Tankred Dorst 2006): Kaum ein „Ring“ der vergangenen Jahrzehnte konnte überzeugen der oft zitierte Vergleich mit dem Götter- hen die Büsten von zwölf Klassikern der die Schulter geguckt hat. Wenn Katharina vater Wotan nah – hat den Festspielleiter deutschen Kunst, von Kleist, Goethe, die Meister korrigiert, sagt sie „Hört mal, längst eingeholt. Schiller bis zu Bach, Beethoven und Jungs …“ oder „Jungs, so geht es nicht!“ Es ist exakt jener unselige Vertrag auf Schinkel – der bildungsbürgerliche Kunst- Ihre Sprache klingt frisch, direkt, sympa- Lebenszeit, der Bayreuth, allen tapferen kanon also, den die zwölf Meister vor dem thisch schusselig, sie lacht gern laut. Erneuerungen zum Trotz, heute zu einem Eindringling, dem kühnen Kunst-Punk und Viel ist auf den Proben über das „Meis- Hort der Vergangenheit macht, zu einer Freigeist Walther von Stolzing, im Laufe tersinger“-Konzept der Katharina Wagner Geisterstätte des vordemokratischen und der Oper bewahren und behaupten wollen. nicht zu erfahren. Sicher, das historische absolutistischen 19. Jahrhunderts. Und so Seitlich der Bühne liegen die zwölf Kunst- Nürnberg ist bei ihr kein Ort, sondern eine ein Leben dauert. Es dauert an. giganten in zweiter Ausfertigung als schau- Geisteshaltung. Im Zentrum ihrer Insze- Kein Wunder also, dass der Ruf nach derhaft aussehende Schwellköpfe bereit: nierung soll nicht die Liebesgeschichte, son- frischem Blut immer lauter ertönt. Die Sie werden den Hans Sachs im zweiten dern der Diskurs um avancierte Kunst ste- „Bild“-Zeitung begrüßt Katharina schon Aufzug in seiner Schusterstube aufsuchen hen. Das alles allerdings ist seit Wieland als „neue Herrin vom Grünen Hügel“. An- und ihm übel mitspielen – ein Sinnbild Wagners „Meistersinger“-Inszenierung von sonsten wird die Tochter gern