Richard Wagner

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Richard Wagner APuZAus Politik und Zeitgeschichte 63. Jahrgang · 21–23/2013 · 21. Mai 2013 Richard Wagner Martin Geck Lassen sich Werk und Künstler trennen? Udo Bermbach Wagners politisch-ästhetische Utopie und ihre Interpretation Sven Oliver Müller Richard Wagner als politisches und emotionales Problem Dieter Borchmeyer Richard Wagners Antisemitismus Eberhard Straub Wagner und Verdi – Nationalkomponisten oder Europäer? Anno Mungen Wagner-User: Aneignungen und Weiterführungen Hanns-Werner Heister Zu den politischen Dimensionen von Musik Editorial Auch 200 Jahre nach seiner Geburt gehört Richard Wagner zu den kontroversesten deutschen Künstlergestalten. Einerseits gilt er vielen als musikalisches Genie, das sich nicht nur mit dem Zyklus Ring des Nibelungen und anderen Opern, sondern auch mit dem Festspielhaus auf dem „Grünen Hügel“ in Bayreuth ei- nen Platz in der Musikgeschichte sicherte. Andererseits – und das unterscheidet ihn von anderen Größen der Musikhistorie – hinterließ er allerlei programmatische Schriften, die ihn nur „schwer verdaulich“, für manchen gar ungenießbar machen. Berüchtigt ist vor allem sein Aufsatz über „Das Judenthum in der Musik“, den er gleich zwei Mal veröffentlichte: 1850 un- ter dem Pseudonym K. Freigedank sowie in leicht abgewandelter Form 1869 unter vollem Namen. Sein unzweideutig manifestier- ter Antisemitismus sowie der Umstand, dass er erklärter Lieb- lingskomponist Adolf Hitlers war, führten dazu, dass er mitunter als „Prophet“ des Diktators gedeutet wird, dieser wiederum als Wagners „Vollstrecker“. Die unverhohlene Sympathie von Wag- ners Bayreuther Erbwaltern mit den Machthabern zur Zeit des Nationalsozialismus trug zu dieser Sichtweise erheblich bei. Inwiefern auch Wagners musikdramatisches Werk antisemitisch belastet ist, ist bis heute umstritten. Politisch lässt sich sein Opus in verschiedene Richtungen deuten – ihn eindeutig zu vereinnah- men, fällt schwer. Wagners Opern können höchsten ästhetischen Genuss bereiten, sind jedoch kaum von der philosophisch-politi- schen Gedankenwelt ihres Schöpfers zu trennen. Sowohl Wagner selbst als auch die Geschichte seiner Rezeption eignen sich somit als aussagekräftige historische Quellen – nicht nur für die musi- kalische, sondern auch für die politische und historische Bildung. Johannes Piepenbrink Martin Geck von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution, die sich mir nun unter der Form eines mutigen und sieg- reichen Volkskampfes, frei von allen den Fle- Lassen sich Werk cken der schrecklichen Auswüchse der ersten französischen Revolution, darstellte.“ und Künstler Als junger Komponist schließt er sich der Bewegung „Junges Deutschland“ an, um sich in diesem Kontext für den von der staatlichen trennen? Zensur verfolgten und inhaftierten Jour- nalisten Heinrich Laube einzusetzen. Kein Wunder, dass er sich knapp zwei Jahrzehn- Essay te später, inzwischen zum Dresdner Hof- kapellmeister avanciert, mit der bürgerli- er will, mag es für prägend halten, dass chen Revolution von 1848/1849 identifiziert WRichard Wagner im Frühjahr 1813, vor und am Dresdner Aufstand teilnimmt, in- nunmehr 200 Jahren, in die Befreiungskriege dem er Flugblätter verteilt und – aller Wahr- hineingeboren wurde: scheinlichkeit nach – bei der Beschaffung von Martin Geck Als er am 22. Mai im Handgranaten hilft. Dr. phil., geb. 1936; Professor Gebäude des Leipzi- em. für Musikwissenschaft an ger Gasthauses „Zum Nach gescheiterter Erhebung findet er der Technischen Universität roten und weißen Lö- sich als steckbrieflich gesuchter Aufrührer Dortmund; Gründungsheraus- wen“ zur Welt kommt, im Schweizer Exil wieder. Nachdem er an- geber der Richard-Wagner- hallt dort noch der fänglich versucht hat, dem gepanzerten Sys- Gesamtausgabe (1966); Autor Lärm der Schlacht bei tem nunmehr mit den feurigen Pfeilen seiner des Buches „Richard Wagner. Bautzen nach, die für Schriften – unter ihnen „Die Kunst und die Biographie“ (2012); TU Dort- Napoleon Bona parte Revolution“ (1849) – gefährlich zu werden, mund, Emil-Figge-Straße 50, die Wendung zum verabschiedet er sich zunehmend von der in 44227 Dortmund. Schlechteren einleite- den Dresdner Tagen beschworenen „Göttin [email protected] te; schon bald darauf Revolution“, um stattdessen auf die natio- muss er sich von deut- nale Karte zu setzen. In diesem Sinne sieht schem Territorium zurückziehen. Wie auch er es nicht als Verrat an, sich seit 1864 vom immer: Der junge Wagner wächst – wie der bayerischen König Ludwig II. mäzenieren zu gleichaltrige Schriftsteller Georg Büchner – lassen: Er gibt sich der Illusion hin, als po- als politischer Mensch heran. Als Pennäler litischer Berater zu einer in seinen Augen verdient er sich bei seinem Schwager Fried- gesünderen Verfasstheit von Staat und Ge- rich Brockhaus – dem Lexikon-Brockhaus – sellschaft beitragen zu können. Auf realpoli- acht Groschen pro Bogen mit der Korrek- tischer Ebene muss er zwar bald resignieren; tur der neu bearbeiteten Beckerschen Welt- jedoch gelingt es ihm, für seine ersten Bay- geschichte: „Nun lernte ich zum ersten Male reuther Festspiele von 1876 breite Kreise von das Mittelalter und die französische Revolu- Adel und Bürgertum zu interessieren, wenn tion genauer kennen, da in die Zeit meiner nicht gar zu begeistern. In „Villa Wahnfried“ Korrekturarbeiten gerade der Druck derjeni- äußerlich zur Ruhe gekommen, zeigt der gen beiden Bände fiel, welche diese verschie- Bayreuther Wagner eine politisch ambivalen- denen Geschichtsperioden enthielten.“ te Haltung: Einerseits setzt er sich derart kri- tisch mit den Größen „Staat“ und „Kapital“ Von den Korrekturen zur Lektüre der auseinander, dass er Michail Bakunin, den „Leipziger Extrablätter“ überwechselnd, ist anarchistischen Weggefährten aus Dresd- Wagner mit der Pariser Juli-Revolution von ner Tagen, unverändert als einen „wilden 1830 befasst. In „Mein Leben“ erinnert er und noblen Kerl“ rühmen kann. Anderer- sich: „Mit Bewußtsein plötzlich in einer Zeit seits neigt er in seinen kulturphilosophischen zu leben, in welcher solche Dinge vorfielen, Spätschriften zu reaktionären und chauvi- mußte natürlich auf den siebzehnjährigen nistischen, gelegentlich gar verschrobenen Jüngling von außerordentlichem Eindruck Statements. Zudem beharrt er bis zuletzt auf sein. Die geschichtliche Welt begann für mich seinem antisemitischem Ressentiment. Was APuZ 21–23/2013 3 bedeutet das alles für unsere Gegenwart? Be- chenden Faschismus: Was ein „distanzierter schädigt es auch das Bild des Künstlers und Beobachter“ an „Kulturgütern überblickt, das Komponisten Wagner? ist ihm samt und sonders von einer Herkunft, die er nicht ohne Grauen bedenken kann“. Wer möchte leugnen, dass unter diesem Gesichts- Wagner – Kind seiner Zeit winkel speziell das Werk Wagners in den Blick gerät! Jedoch ist an diesem Punkt Nachdenk- Als kürzlich ein japanischer Kollege bei mir lichkeit geboten; das Beharren auf Extrempo- zu Besuch war, fiel sein Blick auf das Titel- sitionen führt nicht weiter: Ebenso wenig, wie bild der gerade aktuellen „Spiegel“-Ausga- man Wagner hier aus der Schusslinie nehmen be (14/2013). Es zeigt Richard Wagner mit kann, indem man das – ja durchaus vorhande- einem kleinen, feuerspeienden Drachen im ne – Unpolitische an seiner Kunst ins Zentrum Arm. Sein Kommentar: „Bei uns in Japan ist der Betrachtung rückt, kann man ihn zum der Drache ein Glücksbringer und ein Hel- Vorläufer Hitlers machen. Tendenziell gese- fer der Menschen.“ Der Drache des „Spiegel“- hen, war er einer von Hitlers Stichwortgebern; Titels wirkt zwar nicht gerade unsympa- doch von solchen gab es ein ganzes Heer. thisch, doch als Glücksbringer wird man ihn sicher nicht deuten. Und das soll man auch Nehmen wir als Beispiel das Phänomen des nicht. Die intendierte Zielrichtung verrät der Chauvinismus und militanten Nationalismus. Hefttitel: „200 Jahre Richard Wagner. Das Dieses triumphierte ganz allgemein in der Zeit wahnsinnige Genie“. Damit ist man schnell zwischen dem deutsch-französischen Krieg – und das entspricht dann auch einem Haupt- von 1870/1871 und dem Ersten Weltkrieg auch strang der Titelgeschichte – bei Adolf Hitler: in England und Frankreich – freilich extrem Der wird dann gleich mit in die Schublade im wilhelminischen Kaiserreich. Doch aus- mit dem Etikett „wahnsinniges Genie“ oder gerechnet an diesem Punkt ist Wagners Hal- „Drachenzüchter“ gesteckt – was zwar nicht tung ambivalent. Natürlich gibt es bei ihm Intention der Autoren ist, den Lesern gleich- nationalistische Töne – zum Beispiel im Lo- wohl unterschwellig suggeriert wird. hengrin. Heinrich Mann hat in seinem kurz vor dem Ersten Weltkrieg geschriebenen Ro- Wenn ich mich der Parallelsetzung Wag- man „Der Untertan“ satirisch dargestellt, wie ner–Hitler verweigere, so nicht deshalb, weil der Titelheld Diederich Heßling anlässlich ei- ich Wagner in Schutz nehmen, sondern weil nes Besuchs dieser Oper sich ausschließlich ich Hitler nicht verharmlosen will. An Hit- an diesen nationalistischen Tönen erfreut: ler denken, heißt an die Tötungsmaschine- „Diederich hielt sich (im Gegensatz zu seiner rie denken, die er als „Führer“ in Gang ge- Braut Guste, M. G.) mehr an den König unter setzt und zu verantworten hat. Das hat zwar der Eiche, der sichtlich die prominenteste Per- irrwitzige Züge, ist deshalb aber nicht zurei- sönlichkeit war. Sein Auftreten wirkte nicht chend als das Werk eines einzelnen Wahn- besonders schneidig; (…) aber was er äußer- sinnigen zu erklären. Wenn wir schon von te, war vom nationalen Standpunkt aus zu be- Hitlers „Wahnsinn“ sprechen, müssen wir grüßen. ‚Des Reiches
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