'Aktuelle Ereignisse in Der Schweizer Medienarena'
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Zurich Open Repository and Archive University of Zurich Main Library Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zurich www.zora.uzh.ch Year: 2020 Aktuelle Ereignisse in der Schweizer Medienarena Udris, Linards Abstract: Die Schweizer Medienarena ist in einer schwierigen Transformationsphase. Für viele Schweizer Medienhäuser hat sich der Trend der lange anhaltenden Ressourcenschwäche, die auch mit dem Aufstieg der globalen Tech-Intermediäre zusammenhängt, zusätzlich durch die aktuelle Corona-Pandemie und die damit verbundenen Werbeverluste verstärkt. Im Zuge dieser Entwicklungen ordnet sich das Verhältnis zwischen den Akteuren im Schweizer Medienmarkt neu. Die Medienjahre 2019 und 2020 stehen im Ze- ichen vermehrter Kooperation, aber auch neuer Konkurrenzsituationen. Zudem werden medienpolitische Diskussionen befeuert. Die Medienpolitik und (neue) Finanzierungs- und Fördermodelle werden immer stärker daran gemessen, ob und inwieweit sie dieser digitalen Transformation gerecht werden und dem Journalismus zum Überleben helfen. Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-197841 Book Section Published Version The following work is licensed under a Creative Commons: Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0) License. Originally published at: Udris, Linards (2020). Aktuelle Ereignisse in der Schweizer Medienarena. In: Forschungszentrum Öf- fentlichkeit und Gesellschaft (fög). Qualität der Medien. Schweiz – Suisse – Svizzera. Jahrbuch 2020. Basel: Schwabe, 115-119. Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft Qualität der Medien 20Jahrbuch 2020 Schwabe Verlag fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich 115 VIII. Aktuelle Ereignisse in der Schweizer Medienarena Linards Udris VIII.1 Einleitung immer stärker daran gemessen, ob und inwieweit sie dieser digitalen Transformation gerecht werden und ie Schweizer Medienarena ist in einer schwieri- dem Journalismus zum Überleben helfen. Diese Dgen Transformationsphase. Für viele Schweizer Trends werden in diesem Kapitel auf der Grundlage Medienhäuser hat sich der Trend der lange anhalten- von konkreten aktuellen Ereignissen diskutiert. den Ressourcenschwäche, die auch mit dem Aufstieg der globalen Tech-Intermediäre zusammenhängt, zu- sätzlich durch die aktuelle Corona-Pandemie und die VIII.2 Konkurrenz und Kooperation damit verbundenen Werbeverluste verstärkt. Im im Wandel Zuge dieser Entwicklungen ordnet sich das Verhält- nis zwischen den Akteuren im Schweizer Medien- ie Schweizer Medienhäuser reagieren unter- markt neu. Die Medienjahre 2019 und 2020 stehen im Dschiedlich auf die strukturelle Krise im Journa- Zeichen vermehrter Kooperation, aber auch neuer lismus. In einigen Bereichen und Phasen verschärft Konkurrenzsituationen. Zudem werden medienpoli- sich der Konkurrenzkampf zwischen ihnen. In wieder tische Diskussionen befeuert. Die Medienpolitik und anderen Bereichen und Phasen kooperieren sie (neue) Finanzierungs- und Fördermodelle werden vermehrt. Laut einer Befragung des Bundesamtes September 2019 Dezember 2019 Januar 2020 Februar 2020 Neuer Hauptsitz Projekt zum Ringier zurück beim Lancierung Blick TV von Google in Zürich «internationalen Genf» Verband Schweizer Medien April 2020 Mai 2020 Juni 2020 Juli 2020 Vorschlag des Bundesrates Soforthilfe für die Medien Ankündigung Stellenabbau CH Media und nicht SRG zur Medienförderung bei der NZZ SSR erwirbt Sportrechte 116 VIII. Aktuelle Ereignisse in der Schweizer Medienarena für Kommunikation (BAKOM) bei Mitgliedern der verkaufte auch die Swisscom im Februar 2020 ihre Schweizer Medienbranche geht die Mehrheit sogar Anteile an Ringier. So konnte der Streit zwischen davon aus, dass Kooperationen in den nächsten Ringier und dem Verband Schweizer Medien bei- Jahren zunehmen werden (BAKOM, 2020). Offenbar gelegt werden. Auch Ringier beteiligt sich an der Di- setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass grosse gital-Allianz. Teile der aktuellen Probleme durch den Aufstieg der Eine zunehmende Konkurrenz gibt es aber im globalen Tech-Intermediäre entstanden sind, die im Rundfunkmarkt. Dieser wird zunehmend unüber- Publikums- und Werbemarkt dominieren und die sichtlich und umkämpft. Dem Trend der Audiovisua- sich in der Schweiz auch vermehrt physisch Präsenz lisierung folgend, investieren Schweizer Medien- verschaffen: Google mit einem grösseren Hauptsitz in häuser, die ursprünglich aus dem Printbereich Zürich (September 2019), an dem unter anderem an kommen, immer mehr in die Produktion von Videos. der Videoplattform YouTube gearbeitet wird, und Dies trifft besonders auf die beiden reichweiten- Facebook mit der Wahl von Genf als Hauptsitz für die starken Marken 20minuten.ch und blick.ch zu, die im Digital währung Facebook Libra (Sommer 2019) und Vergleich zu anderen Medienmarken eher eine un- dem Ausbau der Büros in Zürich für die Arbeit an terdurchschnittliche Medienqualität anbieten. Dies Virtual-Reality-Projekten (Herbst 2019). ist vermutlich kein Zufall: Die professionelle Produk- Ein erstes Beispiel für mehr Kooperation ist, tion von Videos ist teuer, weshalb kleinere Anbieter dass die Schweizer Medienhäuser im Herbst 2019 wie die Online-Start-ups Republik oder Heidi.News eine Login-Allianz bzw. Digital-Allianz lanciert ha- keine Videoformate (mehr) anbieten und nur res- ben. Seitdem werden Nutzerinnen und Nutzer der sourcenstärkere Anbieter in Videos investieren. Das Newssites aufgefordert, sich persönlich mit einem beste Beispiel ist Blick TV von Ringier, das im Fe- Login zu registrieren. Damit können die Medien- bruar 2020 lanciert wird und neben einem Live-Feed häuser das Nutzerverhalten besser auswerten und einzelne Videobeiträge produziert, die dann auf Daten gewinnen, die sich auch eher für die Vermark- blick.ch eingebettet werden. Auch die Newssite der tung in der Werbewirtschaft eignen. Aktuell ist für Pendlerzeitung 20 Minuten wird laut Medienmit- Nutzerinnen und Nutzer das Registrieren freiwillig; teilung der TX Group vom Dezember 2019 ab 2020 ab 2021 – wegen der Corona-Pandemie mehrere Mo- verstärkt auf das Prinzip «Video first» setzen und nate später als geplant – soll das Registrieren Pflicht mehr Bewegtbilder produzieren. Im Rundfunkmarkt werden. An der Digital-Allianz beteiligen sich nicht mischt 20 Minuten aber auch immer mehr dadurch nur private Medienhäuser, sondern auch die SRG mit, dass es in die Vermarktungsstrategie von Gold- SSR. Diese wird die Aufforderung zum Registrieren bach innerhalb der TX Group eingebunden ist, das ab Herbst 2020 einführen, wenn sie eine neue, einen klaren Fokus auf die Vermarktung von Rund- Sprachregionen übergreifende Digitalplattform vor- funkmedien hat. In einer Broschüre von 20 Minuten stellt. Allerdings wird bei den Digitalangeboten der Advertising AG auf der Website von Goldbach zum SRG SSR auch in Zukunft das Registrieren freiwillig Beispiel werden Werbemöglichkeiten in Autokinos bleiben. aufgezeigt, die im Sommer 2020 stattfinden. Laut Ein zweites Beispiel ist die Rückkehr von Broschüre wird die «Eventserie […] in der ganzen Ringier als Mitglied in den Verband Schweizer Me- Schweiz von 20 Minuten begleitet und intensiv pro- dien im Januar 2020, der unter anderem die grössten motet.» (20 Minuten Advertising AG, 2020). Dies ist privaten Medienhäuser umfasst. Ringier war 2015 im zugleich ein Beispiel für die wachsenden Heraus- Streit ausgetreten, weil sie zusammen mit der SRG forderungen, die Grenzen zwischen klassischer Wer- SSR und Swisscom die Werbevermarktungsfirma bung, «sponsored content» und einer unabhängigen Admeira gegründet hatte. Private Medienhäuser hat- redaktionellen Berichterstattung einzuhalten. Dis- ten vorgeworfen, dass die öffentlich finanzierte SRG kussionen um (vermeintliche) Schleichwerbung ent- SSR und die (teil)staatliche Swisscom durch diesen zünden sich beispielsweise im Juli 2020 nach einem Datenpool Vorteile zulasten der privaten Konkur- Interview von Tennisstar Roger Federer auf SRF und renz erhielten. Nachdem die SRG SSR ihre Beteili- um «native advertising» zum Beispiel im September gung an Admeira 2018 wieder zurückgegeben hatte, 2019 bei der TX Group bzw. Tamedia, als mehr als 117 VIII. Aktuelle Ereignisse in der Schweizer Medienarena 100 Medienschaffende einen Protestbrief an Ver- Unterhaltungssenders 3+ im Oktober 2020 seine leger Pietro schicken. Strategie bestärkt, in der Deutschschweiz ein reich- Eine zunehmend wichtige Rolle im Rundfunk- weitenstarkes Netzwerk im Fernsehbereich aufzu- markt spielt 20 Minuten auch deshalb, weil die TX bauen. Exemplarisch zeigt sich dies im Juli 2020, als Group im November 2019 das konzessionierte Pri- bekannt gegeben wird, dass die SRG SSR ab 2021 vatradio Radio 105 übernimmt und als 20 Minuten keine Livespiele der UEFA Champions League mehr Radio konzipiert. Dies ist bemerkenswert, weil das übertragen wird. Stattdessen werden die bezahl- offenbar eine Strategieänderung ist. Denn 2011 hatte pflichtigen Spiele von Teleclub und die frei emp- Tamedia alle seine privaten Radio- und Fernsehsta- fangbaren Spiele neu von CH Media über die Sender tionen verkauft. Der Neueinstieg in den Rundfunk- 3+ und TV24 sowie über Teleclub Zoom ausgestrahlt. markt über die Marke 20 Minuten ist als Zeichen zu sehen, dass crossmediale Strategien wieder an Be- deutung gewinnen. Crossmediale Strategien sind VIII.3 Ressourcen im Journalismus auch bei CH Media klar ersichtlich, das sein Angebot und Medienförderung an Radio- und Fernsehsendern laufend umbaut, diese um Digitalkanäle ergänzt und zu trimedialen An- ie Ressourcenlage