/ e.V. - Jahresgabe 2008/2009 Goslar/Harz e.V. Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum

Tagesanlagen des Rammelsberges Titelbild: Haspelkaue, Pferdegöpel, Dampfmaschinen in der Energiezentrale und Fördergerüst Rammels- bergschacht (Foto und Bearbeitung: Stefanie Kammer, 2008)

Diese Jahresgabe wurde herausgegeben im Eigenverlag der Fördervereins. Goslar, November 2008

Druck: Papierflieger Clausthal-Zellerfeld Layout: Ulrich Kammer Verfasser: Peter Eichhorn Tagesanlagen des Rammelsbergs Jahresgabe des Fördervereins Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar/Harz e.V.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 1. Räumlich-geschichtliche Entwicklung im Überblick 1.1. Bereiche mit Tagesanlagen 1.2. Fortschritt und Nachhaltigkeit – Lebensdauer der Tagesanlagen 1.3. Aufgaben, Funktionen, Standortbezüge 1.3.1. Tagesanlagen von Schächten 1.3.2. Stollenvorhaus 1.3.3. Aufbereitungsgebäude 1.3.4. Wasserhebung, Wasserbehandlung, Absetzteiche 1.3.5. Sonstige übertägige Infrastruktur 2. Entwicklungsstände im Einzelnen 2.1. Ausgangssituation vor der menschlichen Besiedelung 2.2. Beginn des regelmäßigen Erzabbaus

Jahresstände 1000 n.Chr. bis 2000

1 2 Einleitung Öffentlichkeit präsentiert werden. Das sind naturgemäß Aufgaben unseres Zum ehemaligen Erzbergwerk Ram- Museums. Es bietet seinen Besuchern melsberg gehörte in seiner außeror- Ausstellungen und Führungen an, ver- dentlich langen Betriebsgeschichte mittelt aber auch weitergehende Infor- eine große Zahl von Tagesanlagen. Sie mationen in Form von Veranstaltungen hatten untereinander technisch-organi- und Veröffentlichungen. satorische Verbindungen und bildeten Ensembles, die von Zeitabschnitt zu Unser Museumsförderverein trägt auf Zeitabschnitt sehr unterschiedlich aus- vielfältige Weise zur Erfüllung dieser sahen. Das vorliegende Heft soll einen Aufgaben bei, beispielsweise indem er Überblick geben über dieses bislang das Museum bei der Restaurierung von noch nicht in Form einer eigenständigen historischen Fahrzeugen und bei der Monographie behandelte Thema. Sanierung von unter- und übertägigen Bauwerken unterstützt. Daneben wid- Das Besondere der Rammelsberger men sich einige Vereinsmitglieder der Tagesanlagen ist, dass sie von heraus- Erforschung der Geschichte des Ram- ragender architektonischer Gestaltung melsbergs. Ein Teil der Forschungser- und Geschlossenheit sind und dass sie gebnisse wird publiziert, zum Beispiel in ihrem letzten Betriebszustand voll- in Form von Jahresgaben an die Mit- ständig erhalten bleiben Das waren für glieder. Themen der Jahresgaben waren die UNESCO zwei der ausschlagge- 2004 die unter- und übertage einge- benden Gründe, den Rammelsberg mit setzten Loks und dabei besonders die der zugehörigen Altstadt Goslar in die vereinseigene Diesellok, 2005 die gleis- Liste des Welterbes aufzunehmen. losen Fahrzeuge, 2006 die Schächte und 2007 die Stollen des Rammelsbergs. Mit diesem Prädikat sind allerdings Dieses Jahr sollen es die Tagesanlagen einige Auflagen verbunden. Unter ande- sein. rem sollen die Denkmale erhalten und in angemessener Form einer breiten Danken möchte der Verfasser allen, die bei der Arbeit an diesem Heft mit- gewirkt haben, besonders aber dem ehemaligen Grubenbetriebsführer des Rammelsbergs, Herrn Heinrich Stö- cker, der auch dieses Mal wieder viele Abbildungen und wertvolle Hinweise zum Gelingen des Heftes beigesteuert hat. Sein jahrzehntelanges Bemühen, sowohl untertägige Denkmale zu erhal- ten als auch schriftliche und bildliche Abb. 1: Blick von der Rammelsberger Sachzeugen zu sammeln und zu bewah- Straße zum Rammelsbergschacht. Foto ren, ist für unser Museum und unseren von Stefanie Kammer. 2008 Förderverein von unschätzbarem Wert.

3 1. Räumlich-geschichtliche Entwicklung im Überblick

Unter Tagesanlagen werden gemein- hin alle übertägigen Betriebsteile von Bergwerken verstanden. Die Museums- besucher des Rammelsbergs nehmen vor allem den Gebäudekomplex der Verwaltungs-, Kauen- und Magazin- gebäude wahr, in dem sich der Muse- Abb. 1.2: Besucher auf der Werksstra- umseingang und die Ausstellungen ße. Blick nach Norden. Foto vom Ver- befinden. Außerdem blickt man auf die fasser. 2008 am Hang liegenden Erzaufbereitungs- gebäude mit dem Fördergerüst an ihrer punkte. Im vorliegenden Heft sollen höchsten Stelle (s. Abb. 1.1). trotzdem manche der Steinbrüche kurz beschrieben werden, soweit das zum besseren Verständnis der Geschichte der Tagesanlagen beiträgt.

Aus diesem Grunde sind auch eini- ge Halden und Teile der wasserwirt- schaftlichen Anlagen, zum Beispiel der Herzberger Teich und die wichtigsten Abb. 1.1: Tagesanlagen. Blick von der Wassergräben, in kurzer Form in die Rammelsberger Straße. Foto von Peter Beschreibung aufgenommen worden. Mühr. 2008 Nicht enthalten sind dagegen die inner- halb der Bergwerksgrenzen liegenden Besucher, die die Energiezentrale Waldanpflanzungen, Straßen, Wege, besichtigen, können von dort den Werk- Parkplätze und Gleisanlagen. stattkomplex entlang der Werksstraße sehen (s. Abb. 1.2). Dieser Eindruck ist bereits ziemlich umfassend. 1.1. Bereiche mit Tagesanlagen

Bei genauerer Betrachtung der Das übertägige Betriebsgeschehen Tagesoberfläche des Rammelsbergs hat sich konzentriert auf: fallen neben dem Gebäudekomplex an der Werksstraße noch einige Gebäude • heutige Werksstraße beziehungswei- am Maltermeister Turm auf, aber auch se Gebiet, das sich vom Herzberger Steinbrüche, zum Beispiel der Commu- Teich etwa 500 m nach Norden nion Steinbruch und die Schiefermüh- erstreckt, le. Steinbrüche gelten landläufig nicht • Fläche am Maltermeister Turm als Bestandteile von Tagesanlagen, unterhalb der Halde des Communi- sondern als bergbauliche Gewinnungs- on Steinbruchs und

4 Abb. 1.1.1: Bereiche von Tagesanlagen. Ausschnitt aus einer Landkarte von 1954. Links oben Standort Rammelsberghaus (Rbg.Hs.). Die Ellipsen zeigen links unten den Bereich der heutigen Werksstraße, rechts daneben den Bereich Maltermeister Turm und Communion Steinbruch und rechts oben den Standort der Aufbereitung Bollrich.

• Bollrich (vgl. Kap. 1950, s. Abb. Aufbereitungsstandort genutzt wurde 1.3.4.4 und 1.3.4.5). (vgl. Kap. 1950).

Der Bollrich spielt eine gewisse Son- Auch das letzte für das Erzbergwerk derrolle, weil er sich etwas abseits Rammelsberg erbaute Verwaltungsge- der sonst fast ausschließlich am West- bäude – das Rammelsberghaus – befin- und Nordwesthang des Rammelsbergs det sich nicht im Bereich der anderen liegenden Tagesanlagen befindet und Tagesanlagen. Es steht an repräsenta- außerdem erst nach dem Zweiten Welt- tiver Stelle an der Kreuzung der Ram- krieg erbaut und dann auch fast nur als melsberger und Clausthaler Straße (s. Abb. 1.1.1 und 1.1.2).

Die zeitliche Entwicklung der Tages- anlagen im Bereich der heutigen Werks- straße und unterhalb der Halde vom Communion Steinbruch ist sehr viel- fältig. An beiden Standorten befanden sich während der gesamten Betriebs- geschichte Tagesanlagen. Allerdings haben sich die beiden Standorte recht Abb. 1.1.2: Rammelsberghaus. Sitz diskontinuierlich entwickelt. Sie waren der Bergwerksverwaltung von 1961 bis zeitweise dominant und dann wieder 1990. Foto vom Verfasser. 2008 von untergeordneter Bedeutung.

5 Und es gab Phasen außerordentlich Später kamen Haspelhäuser auf den drangvoller Entwicklungen mit abrup- Schächten hinzu. Nach und nach wird ten Veränderungen, die sich mit Phasen die Umgebung des Erzausbisses mit langer Konstanz abwechselten. verstreut liegenden kleinen Schuppen bebaut worden sein. Das übertägige Betriebsgesche- hen konzentrierte sich wahrscheinlich Im 16. Jahrhundert wandelte sich anfangs auf den Bereich am heutigen das Bild grundlegend. Nun bestimmten Museumsparkplatz unterhalb des Herz- Pferdegöpel für etwa drei Jahrhunderte berger Teichdamms. Dort lag das unte- das Bild. Sie standen bis auf eine mit re Ende des ehemaligen Erzausbisses. Ausnahme des Rathstiefsten Göpels Tagesanlagen waren zu dieser Zeit vor auf dem Höheniveau des Maltermeister allem aus Holz gebaute Schutzhütten Turms. Der Schwerpunkt des über- und Schuppen für Erz und Gezähe. tägigen Betriebsgeschehens wanderte damit dort hinauf, um dann ab dem Ein Erzabbau kann erfahrungsge- späten 18. Jahrhundert schrittweise mäß nicht genau in dem Augenblick wieder hinunter zur heutigen Werks- die Erzmenge liefern, die von den straße verlegt zu werden. Verhüttungsbetrieben beziehungswei- se Erzaufkäufern angefordert wird. Ende des 18. Jahrhunderts setzte am Es muss also Vorratsmöglichkeiten Rammelsberg eine Phase großer tech- gegeben haben. Erz konnte zwar ohne nischer Modernisierungen ein. Insbe- Qualitätseinbußen mehrere Monate sondere sollte die Wirtschaftlichkeit den Witterungseinflüssen ausgesetzt verbessert werden. werden. Es bestand aber die Gefahr eines Diebstahls, wie aus dem Goslarer Wichtig waren für die Entwicklung Bergrecht aus dem 14. Jahrhundert her- der Tagesanlagen vor allem der Bau vorgeht. In beziehungsweise vor diesen der Brandstaubwäsche mit Brandstaub- Schuppen wurde das Erz auch ver- schuppen und Bremsberg (vgl. Kap. messen, bewertet und für den Verkauf 1.3.3.) sowie die Auffahrung der Tages- aufbereitet. Wahrscheinlich haben sie förderstrecke. Sie wurde einschließlich auch schon früher in ähnlicher Form zweier kehrradgetriebener untertägiger existiert. Förderanlagen in den letzen

Gleichzeitig könnten diese Schup- Jahren des 18. Jahrhunderts fertig pen zum Unterbringen von schwerem gestellt und ging kurz nach der Jahr- Gezähe gedient haben, das nicht täglich hundertwende in Betrieb. Das Erz zum Bergdorf und zurück getragen musste nun nicht mehr zum Höhenni- werden sollte, und von Feuerholz. Aus veau des Maltermeister Turms geho- den Betriebsakten des 17. und 18. Jahr- ben werden, sondern nur noch bis zur hunderts ist bekannt, dass zu frisches Tagesförderstrecke. Das Zentrum der Feuerholz unbrauchbar war und eine Tagesanlagen verlagerte sich daraufhin Weile trocken gelagert werden musste. zum Mundloch der Tagesförderstre-

6 cke, das heißt zur späteren Werksstraße war und ist. Alte Tagesanlagen standen (vgl. Kap. 1810). Die Pferdegöpel und oft moderneren Anlagen im Wege und die damit verbundenen Tagesanlagen mussten aus Platzgründen weichen. verloren ihre Bedeutung und wurden nach und nach abgerissen. Meistens bestand die Notwendigkeit, möglichst wirtschaftlich zu arbeiten Nur wenige Tagesanlagen, vor allem und veraltete Anlagen und Gebäude die kleinen Holzhäuser der Wetter- zu ersetzen. Sie „rechneten sich nicht schächte, blieben am Maltermeister mehr“, wenn den Kosten für die Gebäu- Turm erhalten. Auch heute gibt es deunterhaltung keine entsprechenden dort Tagesanlagen, zum Beispiel die Einnahmen gegenüber standen. allerdings zwischenzeitlich mehrfach erneuerten Gebäude des Winkler Wet- terschachtes und die Schmiede am Maltermeister Turm. Die Schmiede wurde in zwei Schritten erweitert und wird seit den 1970er Jahren als Gast- stätte genutzt.

1.2. Fortschritt und Nach- haltigkeit – Lebensdauer der Tagesanlagen

Gewöhnlich haben Tagesanlagen gegenüber manchen untertägigen Anlagen eine kürzere Lebensdauer. Im Rammelsberg gibt es eine ganze Reihe von Stollen, Strecken und Schächten, die mehrere hundert Jahre und viel- leicht sogar über tausend Jahre alt sind. Die Tagesanlagen sind dagegen bis auf Abb. 1.2.1: Haupteingang des Museums. den Maltermeister Turm nicht älter als Foto vom Verfasser. 2008 150 Jahre. Nur einige wenige Wohn- häuser, die für leitende Mitarbeiter und Denkmalpflegerische Gesichtspunkte ihre Familien gebaut worden waren, werden beim Umgang mit alten außer haben eine etwas längere Lebensdauer Dienst gestellten Tagesanlagen erst seit erreicht. sind etwas älter. wenigen Jahrzehnten berücksichtigt. Aber auch dann ist die Bauunterhal- Tagesanlagen wurden abgerissen, tung, vor allem die der größeren Tages- wenn sie nicht mehr gebraucht wurden, anlagen, nur mit einer sinnvollen Nach- wie es auch bei anderen Industriean- nutzung begründbar. Die Rammelsber- lagen zum Beispiel der Metallverhüt- ger Tagesanlagen hatten nach der Ein- tung und -weiterverarbeitung üblich stellung der Erzförderung das „Glück“,

7 Maltermeister Turm Möglicherweise hieß der Turm zuerst Hohe Warte. Auch in ande- Der Maltermeister Turm scheint ren Städten gibt es ähnliche erhöht jahrhundertelang das einzige aus stehende Türme mit diesem Namen. Stein erbaute Gebäude des Rammels- Außerdem erhielten eine nahe gele- bergs gewesen zu sein. Alle anderen gene Grube und ihr Schacht, der waren aus Holz. Sie benötigten daher den um diese Zeit ausgebrannten einen hohen Wartungsaufwand und Eschenstaller Schacht ersetzten mus- hatten nur eine recht geringe Lebens- ste, den Namen Hohe Warte. dauer. Der Maltermeister Turm hin- gegen war dauerhaft haltbar und die Die gedrungene stabile Turm- Gebäudeunterhaltungskosten waren form deutet darauf hin, dass er eine vergleichsweise niedrig. Das machte Schutzfunktion hatte, die die ande- ihn für spätere Umnutzungen inte- ren aus Holz gebauten Tagesanlagen ressant. wohl nicht erfüllen konnten. Seine gedrungene stabile Form erinnert an Der Turm hatte allerdings nicht Wehrtürme, die Anfang des 16. Jahr- von Anfang an seinen heutigen hunderts in Goslar üblich waren und Namen. Den erhielt er erst, als der gegen räuberische oder militärische betriebliche Holzverwalter – der Übergriffe gedient haben. Maltermeister – darin wohnte.

Abb. M.1: Maltermeister Turm, damals „Anleute Turm“ genannt, mit der Schmiede der städtischen Gruben. Oben links Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Just Schreiber aus dem Jahre 1712, unten links Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Heinrich Eggers aus dem Jahre 1735, rechts Ausschnitt aus einer Zeichnung von F. H. Spörer aus dem Jahre 1769

8 Nicht mehr zu ermitteln ist der Anläuteglocke – eine Art Betriebs- Zeitpunkt, wann in seinem Dach die uhr, wie sie auch in anderen Bergre- vieren üblich war – installiert wor- den ist (s. Abb. M.1).

Der Maltermeister Turm ist ein- schließlich seiner Nebengebäude seit den 1930er Jahren an einen Betrieb- sangehörigen als Wohnung vermietet gewesen. Von ihm wurden Getränke an Wanderer ausgeschenkt, was recht Abb. M.2: Maltermeister Turm. beliebt gewesen sein soll. In den Luftbild vom Verfasser. 2008 1970er Jahren verkaufte die Preussag Betrachterstandort etwa hundert die Gebäude an eine Goslarer Inve- Meter über der Schiefermühle, storengruppe, die daraus eine reguläre Blickrichtung Südosten Gaststätte machte (s. Abb. M.2). durch unser Museum gebraucht und Die Entwicklung innovativer Tech- deshalb erhalten zu werden (s. Abb. niken blieb für den Rammelsberg 1.2.1). beschränkt auf die Flotation der beson- ders kompliziert aufzubereitenden Möglich geworden war das nur durch Rammelsberger Erze (vgl. Kap. 1930 die damalige Entscheidung der Stadt und 1938) und auf Untertagetechniken, Goslar, das Rammelsberger Berg- zum Beispiel das Druckluftbohren nach baumuseum zu gründen. Sie konnte 1875 (vgl. Kap. 1880), und der binde- sich dabei auf das starke Engagement mittelhaltige Versatz in den 1970er der Goslarer Bevölkerung stützen. Jahren (vgl. Kap. 1980). Besonders unserer Fördervereinsmit- glieder hatten sich bereits zu Betriebs- Die zuständigen Bergbeamten und zeiten des Bergwerks für eine Muse- die Betriebsleitung diskutierten zwar umsgründung eingesetzt. häufig über neuartige Tagesanlagen, konnten sich aber erst für den Einsatz Jeder Teil der noch bestehenden und entscheiden, wenn andere Bergwerke der bereits abgerissenen Rammelsber- beziehungsweise Bergreviere damit ger Tagesanlagen war für sich betrach- positive Erfahrungen gemacht hatten tet nicht außergewöhnlich für ein Berg- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen werk der jeweils betreffenden Zeit. Im eindeutig dafür sprachen. Weder auf Gegenteil. In fast allen Fällen sind die dem Gebiet der Schachthaspel, Pfer- Tagesanlagen des Rammelsbergs erst degöpel, Bremsberge und schienenge- dann entstanden, als ihre Bauart und bundenen Förderwege noch hinsicht- -form bereits in anderen Bergbaurevie- lich der Kunst- und Kehrräder und ren erprobt worden war. ihrer Wasserversorgungsanlagen ist

9 am Rammelsberg Neuland beschritten gebaute Sieb- und Klaubeanlage ent- worden. sprachen zu ihrer Bauzeit bereits dem üblichen Stand der Technik (vgl. Kap. Pferdegöpel sind schon im späten 15. 1790 und Kap. 1910). Jahrhundert im sächsischen Erzgebirge für die Schachtförderung von Erzberg- Die 1935 etwas weiter nördlich werken verwendet worden, auf den errichtete und bis heute erhalten geblie- Rammelsberger Schächten erst ab dem bene Flotationsaufbereitung war mit den 16. Jahrhundert. Übertägige Kehrräder übereinander am Hang angeordneten gab es bereits im späten 17. Jahrhun- Gebäuden zu ihrer Bauzeit von ihrer dert für den Antrieb von Schachtförder- Bauform und vom Bauprinzip her nicht anlagen. Am Rammelsberg wurde der mehr üblich. Bereits in den 1930er Jah- Bau eines Kehrrades zwar bereits seit ren hatte es sich allgemein durchgesetzt, 1708 im Bergamt diskutiert, aber erst derartige Aufbereitungsanlagen in die Mitte des 18. Jahrhunderts ausgeführt Ebene zu bauen, um Kreisprozesse gün- (vgl. Kap. 1765). Die erste Dampfma- stiger zu gestalten. Der mittels Schwer- schine des Rammelsbergs wurde sogar kraft angetriebene Transport der Erze erst 1875 gebaut (vgl. Kap. 1880). von einem zum nächsten Aufbereitungs- schritt galt als überholt. Die am südlichen Ende der heutigen Werksstraße Ende des 18. Jahrhun- Die Hanglage war trotzdem gewählt derts gebaute Erzwäsche und die 1910 worden, weil zu wenig Platz zur Ver- fügung stand (vgl. Kap. 1938). Ein besonderer Verdienst des Architekten ist die herausragende architektonische Gestaltung der Aufbereitungsgebäu- de und der gleichzeitig entstandenen Verwaltungs-, Sozial-, Werkstatt- und Magazingebäude (s. Abb. 1.2.2).

Unmodern war diese Aufbereitungs- anlage deshalb trotzdem nicht, denn für das Flotieren der außergewöhnlich kompliziert zusammengesetzten und fein verwachsenen Rammelsberger Erze gab es kein einfach zu überneh- mendes Verfahren. Mehrjährige Ver- suche waren notwendig, um das Flo- tationsverfahren für diese besonderen Bedingungen anwendbar zu machen. Diese Rammelsberger Aufbereitungs- Abb. 1.2.2: Architektur Ehrenhof. Foto anlage und das Verfahren waren dann vom Verfasser. 2008 aber auch jahrzehntelang weltweit

10 vorbildlich und wurden kontinuierlich weiter entwickelt.

Unmodern war diese Aufbereitungs- anlage deshalb trotzdem nicht, denn für das Flotieren der außergewöhnlich kompliziert zusammengesetzten und fein verwachsenen Rammelsberger Erze gab es kein einfach zu überneh- mendes Verfahren. Mehrjährige Ver- suche waren notwendig, um das Flo- tationsverfahren für diese besonderen Bedingungen anwendbar zu machen. Abb. 1.3: Tagesanlagen 1953. Ausschnitt Diese Rammelsberger Aufbereitungs- aus einem Wetterriss. Bergarchiv anlage war dann aber auch jahrzehn- Clausthal telang weltweit vorbildlich und wurde kontinuierlich weiter entwickelt. 1.3.1. Tagesanlagen von Schächten 1.3. Aufgaben, Funktionen und Standortbezüge Schächte haben und hatten in der Regel immer mehr oder minder umfang- Die wichtigsten Aufgaben der Tages- reiche Tagesanlagen. Dazu zähl(t)en anlagen stehen im Zusammenhang mit am Rammelsberg

• den Schächten und Stollen (das • die Anlagen und Gebäude für die betrifft besonders Tagesanlagen, die Schachtförderanlagen, zum Beispiel unmittelbar an diese Tagesöffnungen die Handhaspelkauen und Pferde- anschließen), göpel, ein übertägiges Kehrrad und • dem übertägigen Erztransport, zwei Feldgestänge, die Förderge- • der Erzaufbereitung, rüste, ein Dampfmaschinenhaus und • der Versorgung der Grube mit Ener- zwei Gebäude mit elektrischen För- gie, Baumaterial und Versatz, dermaschinen, • der Wasserhaltung und Abwasserbe- • das Gebäude für den ehemaligen handlung, Hauptgrubenlüfter (s. Abb. 1.3.1.1) • der Wetterführung der Grube, und • der Zugänglichkeit der Grube für • die Nebengebäude der Schächte, die Belegschaft, besonders die Huthäuser der alten • der Infrastruktur, den sozialen und Schächte, die vor allem der Aufbe- Verwaltungsaufgaben und wahrung (Behütung) von Gezähe • der Gruben- und Feuerwehr, der und Material dienten sowie von Erz Werkssicherheit, dem Einlass- und bis zu dessen Abtransport, aber auch Pförtnerdienst. als Aufenthaltsräume.

11 Die ältesten Rammelsberger Schäch- Am Rammelsberg waren die älte- te werden nur wenige Meter tief gewe- sten Schächte im Erzlager und nicht sen sein. Noch heute gibt es solche im Nebengestein geteuft worden. Das Schächte im artisanalen Bergbau Afri- hatte den Vorteil, dass bereits beim kas. Sie kommen ohne mechanische Schachtteufen Erz gewonnen wurde Förderanlagen aus (s. Abb. 1.3.1.2). und beim Anlegen und Weiterteufen Ähnlich könnten die ersten Rammels- der Schächte keine unproduktive Zeit berger Schächte ausgesehen haben, verstrich. Nachteilig wirkte sich aus, nur dass hier kleine Schutzhütten not- dass die Zugänge zu den Schächten wendig waren, die über den Schacht- im Tagebautiefsten lagen und dadurch öffnungen standen und die Witterung anfällig wurden gegen Böschungsrut- abhielten. Manche Schächte werden schungen und Wasserzuflüsse. Noch nur mit einer horizontalen Klappe ver- Jahrhunderte später sind innerhalb der schlossen worden sein. Lagerstätte geteufte Schächte im Ram-

Abb. 1.3.1.1: Winkler Wetterschacht. Entwurfs- zeichnungen Schachthalle und Rateau-Gebläse. Skiz- ze vom Verfasser. Gebaut wurde die Anlage in leicht veränderter Form (s. Abb. 1920.6.)

12 melsberg und auch in anderen mitteleu- gesattelt“. Das war durchaus gewollt, ropäischen Erzgruben üblich gewesen. denn damit waren nur sehr kurze Trans- Es wäre dagegen viel aufwendiger und portwege für das zu verhaldende Materi- teurer gewesen, Schächte von der Tage- al notwendig und die Schächte wurden bauböschungsschulter aus zu teufen. dadurch sicherer gegen zudringendes Oberflächenwasser. Die Schachthalden entwickelten sich dann in der Regel von der Schachtaufsattelung hangabwärts. Ein Teil des tauben Haufwerks ist in den ehemaligen Tagebau gekippt worden, der damit teilweise wieder aufgefüllt wurde.

Abb. 1.3.1.3: Einfahrkäh. Ausschnitt einer Darstellung von 1748

Abb. 1.3.1.2: Erzförderung ohne Die ältesten mechanischen Förderan- Mechanisierung im Goldbergbau Tansa- lagen waren manuell betriebene Has- nias. Foto vom Verfasser 1999. Im Vor- pel. Ihre Umhausungen werden als dergrund Jens Pfeifer, dahinter sitzend Haspelhäuser, Hasplerhäuser, Haspler- Silke Svea Eichhorn. kauen oder auch als Handhasplerkauen bezeichnet (s. Abb.1.3.1.4). Auf den im Auch in späteren Jahrhunderten gab 17. Jahrhundert und danach gezeich- es am Rammelsberg immer wieder neten Bildern sind sie mit tief herunter Schächte ohne Förderanlagen. Dazu gezogenen Satteldächern dargestellt (s. gehörten beispielsweise viele der Wet- Abb.1.3.1.5 und 1.3.1.6). Ihr Grundriss terschächte aber auch die Fahrschächte war kaum größer bemessen als es für wie zum Beispiel die Einfahrkäh (s. die Haspler notwendig war. Haspelhäu- Abb. 1.3.1.3). ser gab es am Rammelsberg noch bis in das 19. Jahrhundert hinein. Die Schachtansatzpunkte haben sich mit dem Anwachsen der Schachthalden Tiefere Schächte und größere Förder- gehoben – die Schächte wurden „auf- mengen waren mit Handhaspelanlagen

13 gung konnte über ein Kammradge- triebe auf eine Seilkorbwelle erfolgen. Dabei war der Seilkorb ähnlich wie bei den Handhaspeln direkt über der Schachtöffnung angeordnet (s. Abb. 1.3.1.7).

Abb. 1.3.1.4: Haspler und Haspelkaue. Skizze vom Verfasser allerdings nicht mehr zu bewältigen. Dafür wurden am Rammelsberg ab Mitte des 16. Jahrhunderts Pferdegöpel eingesetzt. Diese bestanden im Wesent- lichen aus einem Pferdeumlauf für ein bis vier Pferde, die an einen so genann- ten Schwankbaum angeschirrt waren. Die senkrechte Welle wurde Schwank- baumwelle genannt. Die Kraftübertra- Abb. 1.3.1.7: Kammradgetriebener Pferdegöpel. Zeichnung von Adam Meltzer. 1805. Die Welle F führt bei Schachtgöpeln bis über die Schachtöff- nung. Dort befindet sich der Seilkorb. A: Schwankbaumwelle B: großes Kammrad D: Schwankbaum E: kleines Kammrad F: Welle zur Seiltrommel

Bei einer anderen Bauart befindet sich der Seilkorb auf der Schwank- baumwelle über dem Pferdeumlauf. Abb. 1.3.1.5 und 1.3.1.6: Haspelkau- Die Seile wurden von dort zu Seil- en der Schächte Tageschacht, Julius scheiben geführt, die über der Schacht- Winkel und Siehdichum. Ausschnitte öffnung in einem Fördergerüst montiert aus Zeichnungen von Joachim Chri- waren (s. Abb.1.3.1.8). Diese Anlagen stoph Buchholtz/1680 und Johann Just ähnelten damit bereits den heutigen Schreiber/1712. Fördergerüsten.

14 übernahmen. Dann werden sich kaum noch Erzvorräte in den Schachthäusern gebildet haben. Ab dieser Zeit wird es kaum noch Erzvorräte in den Schacht- häusern gegeben haben.

Die frühneuzeitlichen Rammelsber- ger Schächte und Pferdegöpel waren sehr feuergefährdet. Gerade in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges sind Abb. 1.3.1.8: Skizze Pferdegöpel nach verheerende Brände aufgetreten. Aber Agricola. Über der Schachtöffnung auch danach wieder wird in den Gos- (links) sind Seilscheiben angeordnet. larer Bergamtsakten immer wieder von Der Seilkorb befindet sich auf der Schachtbränden berichtet. Schwankbaumwelle. Die Göpelgebäude waren aus Holz Wahrscheinlich wurde für die Pfer- und auch der Schachtausbau bestand degöpel des Rammelsbergs bereits fast ausschließlich aus Holz. Das von Anfang an die zweite Anordnung Schachtausbauholz wurde bei den gewählt. Dabei befanden sich der Pfer- meist einziehenden Förderschächten deumlauf und der Seilkorb in einem im Laufe der Jahre sehr trocken. Das kegelförmigen Gebäude. Im heutigen Feuersetzen erzeugte nicht nur an den Sprachgebrauch wäre das die Förder- dafür vorgesehenen Erzgewinnungs- maschine. Das Fördergerüst und die punkten große Wärme, sondern setzte Hängebank befanden sich in einem ab und an auch den Ausbau benach- Anbau mit scheunenähnlicher Bauart. barter Strecken und Schächte in Brand. Die Hängebank war ein stabiler Holz- Dann standen aufgrund der Kaminwir- tisch, auf dem der Stürzer stand. Er kung schnell der gesamte Schacht und hängte eine Kette unter die aus dem auch die Gebäude darauf in Flammen. Schacht gehobene Fördertonne. Wenn Fast alle Göpelgebäude und viele För- nun die Fördertonne wieder herab derschächte des Rammelsbergs sind im gelassen wurde, hing sie an dieser Ket- Laufe der Jahrhunderte Bränden zum te und kippte aus. Opfer gefallen.

Die Erzvorräte sind offensichtlich bis Die Göpelgebäude konnten relativ zum 17. Jahrhundert in den Schacht- einfach wieder aufgebaut werden, auch häusern zwischengelagert worden. wenn das recht teuer war. Für den Aus den Bergamtsakten von Mitte des Schacht bedeutete ein Brand dagegen 17. Jahrhunderts geht hervor, dass die fast immer das Ende der Erzförderung, Fuhrleute, die für den Erztransport von da er aufgrund der fehlenden Stützwir- den Schächten zu den Hüttenbetrieben kung des verbrannten Ausbaus zusam- unter Vertrag standen, nun selbst das menbrach. Er konnte dann bestenfalls Auffördern mit ihren eigenen Pferden noch als Wetterschacht genutzt werden

15 und erhielt dafür nur noch ein einfaches untertägige Kehrräder ersetzt. Letztere kleines Kauenhaus. können noch heute durch unsere Muse- umsbesucher besichtigt werden. Eins der Nach der Ära der Haspel und Pfer- beiden Kehrräder, das Kanekuhler Kehr- degöpel gab es am Rammelsberg kei- rad, ist 1997 unter maßgeblicher Betei- ne Schachtgebäudeformen mehr, die ligung unseres Fördervereins rekonstru- den Rammelsberg so prägten wie die iert worden und lässt sich wieder mit Pferdegöpel. Ihre Zeit war vorbei, weil Aufschlagwasser in Bewegung setzen. sich seit Ende des 17. Jahrhunderts Nach einem Brand im gerade neu geteuf- in anderen Bergbaurevieren der Ein- ten Serenissimorum Tiefsten Schacht satz von Kehrrädern als wirtschaft- (übrigens der dritte Schacht mit diesem licher erwiesen hatte. Daran konnte Namen) und einer deshalb notwendigen auch die Abschaffung der betrieblichen Anpassung der ursprünglichen Planung Pferdehaltung und die Übernahme der ging dieses System 1804 endgültig in Schachtförderung durch die Fuhrleute Betrieb. Übertägige Fördermaschinen nur wenig ändern. gab es am Rammelsberg erst wieder mit der Einführung der Dampfmaschinen. 1750 ließ dann das Bergamt Goslar zwei zentral gelegene Erzförderschäch- Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts te, den Serenissimorum Tiefsten und zeichnete sich ab, dass die Wasserhal- den Kanekuhler Schacht, mit einem tungs- und Fördermaschinen der Zeit um Kehrrad und Feldgestänge ausstatten. 1800 mit ihren Kunst- und Kehrrädern zu Das übertägige Kehrrad lag etwas ver- leistungsschwach waren für den gewach- steckt in einem unauffälligen Gebäude senen Leistungsbedarf. Es war ein großes unterhalb des Herzberger Teichdamms Problem geworden, dass das Erz und die (s. Abb. 1.3.1.9). Grubenwässer aus immer größeren Teu- fen gehoben werden mussten und außer- dem die Mengen zu hebenden Wassers und Erzes größer geworden waren. Das Bergamt und die Betriebsleitung dis- kutierten bereits seit den 1820er Jahren immer wieder über eine neu anzulegende Wasserhaltungs- und Förderanlage mit Dampfmaschinenantrieb. Wirtschaftlich- Abb. 1.3.1.9: Kehrradstube am Herz- keitsberechnungen sprachen jedoch län- berger Teich. Skizze vom Verfasser gere Zeit dagegen. Besonders teuer war die Anlieferung des Brennstoffes, solan- Um die Wende vom 18. zum 19. Jahr- ge Goslar noch keinen Anschluss an das hundert war das Wasserhaltungs- und überregionale Eisenbahnnetz hatte. Erzförderungssystem des Rammelsber- gs komplett umgestellt worden. Unter Die schließlich 1875 auf dem Kane- anderem wurden dabei die Pferdegöpel kuhler Schacht errichtete Dampfförder- und das übertägige Kehrrad durch zwei maschinenanlage war eher unscheinbar

16 Abb. 1.3.1.10: Schachtanlage des Kanekuhler Schachtes um 1877. Ausschnitt aus einem Gemälde von Wilhelm Riepe. Foto von Stefanie Kammer, rechts das Kessel- und Dampfmaschinenhaus, dahinter das Schachthaus und der ursprünglichen Schornstein, links der Maltermeister Turm mit Nebengebäuden oben der Communion Steinbruch

(s. Abb. 1.3.1.10). Ihr Fördergerüst befand sich in dem etwas höheren Gebäude hinter dem lang gestreckten Maschinen- und Kesselhaus (s. Abb. 1.3.1.11).

Abb. 1.3.1.12: Fördergerüst des Ram- melsbergschachtes mit Wagenumlauf- halle (links, obere Etage) und Förder- maschinenhaus (rechts, etwas verdeckt). Foto vom Verfasser 2008

Im 20. Jahrhundert war es dann eher die repräsentative architektonische Gestaltung der Gebäude, die das Äuße- re der Rammelsberger Tagesanlagen bestimmte. Dominante Fördergerüste wie in anderen Bergbaurevieren gab es hier allerdings nicht. Die beiden freiste- Abb. 1.3.1.11: Dampfförderanlage des henden Fördergerüste, von denen nur Kanekuhler Schachtes mit doppelt koni- das des Rammelsbergschachtes erhal- scher Seiltrommel. 1875. Bergarchiv ten geblieben ist, sind eher unauffällig Clausthal. Hervorhebungen durch den angeordnet worden (s. Abb. 1.3.1.12 Verfasser und 1.3.1.14).

17 häuser wurden aber auch als Büros und Wohnungen für Bergbeamte genutzt.

Am Rammelsberg gab es ein Vorhaus am Stollenmundloch der Tagesförder- strecke, das allerdings bereits vor dem Ersten Weltkrieg abgerissen worden ist. Es war bis dahin über hundert Jahre das Zentrum der Rammelsber- ger Tagesanlagen gewesen (s. Abb. Abb. 1.3.1.13: Fördermaschine des 1.3.2). Ein Zeichen dafür war, dass nun Rammelsbergschachtes. Foto von Peter die Anläuteglocke vom Maltermeister Mühr. 2007 Turm in einem Türmchen auf dem Dach des Vorhauses hing.

Abb. 1.3.1.14: Fördergerüst und Tage- sanlagen des Winkler Wetterschachtes um 1970. Foto aus der Sammlung Hein- rich Stöcker

1.3.2. Stollenvorhaus Abb. 1.3.2: Vorhaus 1909. Skizze vom Verfasser Stollenmundlöcher haben in der Regel die Aufgabe, die Zugänglich- Stollenmundlöcher und Schächte keit zu den Stollen zu ermöglichen, sind auch Ausgangspunkte oder sogar aber auch die Eingänge zu verschlie- Zentren diverser Tagesanlagen wie ßen und die oberhalb anschließenden Gleise, Straßen, Wege, Gräben und Böschungen zu stabilisieren. Stollen- Trassen für Rohr- und elektrische Lei- mundlöcher werden gewöhnlich zu tungen. Und natürlich beginnen an den den untertägigen Anlagen gezählt. Eine Erzförderstollen und -schächten die Ausnahme bilden Stollenvorhäuser, die übertägigen Erztransportanlagen. Dazu wie die Huthäuser der Schächte wei- gehören zum Beispiel tergehende Aufgaben haben, zum Bei- spiel die Aufbewahrung von Gezähe, • die Erzabfuhrwege am Hang des Lampenöl und Arbeitskleidung. Vor- Rammelsbergs,

18 • der untere Vorplatz am Winkler Wet- zutage geförderte Erz nach Qualitäten terschacht, getrennt den Blei-, Kupfer- und (später • die übertägigen Bahntrassen auf der auch) Zink-Hüttenbetrieben verkauft Werksstraße, auf dem Werkbahnhof werden. und am Bollrich sowie • diverse Verbindungswege, Werks- Für die Erzaufbereitung und für die straßen und andere Straßen. Erzaufbewahrung, Verladung und für den Abtransport der Erze waren eine ganze Reihe von Tagesanlagen gebaut 1.3.3. Aufbereitungsanlagen worden, zum Beispiel:

Das Erz musste schon immer vor dem • die Erzschuppen an den alten Weitertransport von den Gruben zu den Schächten (vgl. Kap. 1150), Verhüttungsbetrieben aufbereitet wer- • der Brandstaubschuppen (vgl. Kap. den. Einmal sollte kein taubes Gestein 1790), unnötig mit transportiert werden. Des- • das Erzfreilager im Bereich des heu- halb wurde das Erz bereits untertage tigen unteren Werkshofes (vgl. Kap. und dann noch einmal übertage von 1810), taubem Gestein getrennt. Letzteres • die Seilbahnanlage zur Verbindung geschah möglichst nahe am Schacht der Sieb- und Klaubeanlage mit dem beziehungsweise Stollenmundloch (s. Erzfreilager (vgl. Kap. 1910), Abb. 1.3.3.1). Außerdem sollte das • das bis Anfang des 20. Jahrhunderts vor dem Mundloch der Tagesförder- strecke befindliche Erzwaagegebäu- de (vgl. Kap. 1905),

aber auch regelrechte Erzaufberei- tungsgebäude wie

• die Ende des 18. Jahrhunderts gebaute Brandstaubwäsche (s. Abb. 1.3.3.2, vgl. Kap. 1790), • die Anfang des 20. Jahrhunderts gebaute Sieb- und Klaubeanlage (s. Abb. 1.3.3.3 bis 1.3.3.5, vgl. Kap. 1910), • die Mitte der 1930er Jahre gebaute Abb. 1.3.3.1: Aufbereiter („Ausschlä- Flotations-Erzaufbereitungsanlage ger“, rechts im Bild). Ausschnitt aus (s. Abb. 1.3.3.6 bis 1.3.3.8, vgl. einem Gemälde des Annaberger Altars. Kap. 1938) und Geweiht 1521. So ähnlich könnte die • die 1950 gebaute Flotationsanlage frühe Aufbereitungstechnik auch am am Bollrich (s. Abb. 1950.3 und Rammelsberg ausgesehen haben. 1950.4, vgl. Kap. 1950).

19 Bis zum 18. Jahrhundert war viel Erz gen, statt der Bergjungen ältere, nicht verloren gegangen, weil vor allem grob- mehr untertage einsetzbare Bergleute stückiges Erz zu den Verhüttungsbetrie- in der Erzaufbereitung zu beschäftigen. ben geliefert worden war. Ein großer Die Bergjungen wechselten zu häufig, Teil des kleinstückigen Erzes blieb ver- mussten deshalb immer wieder neu mengt mit Asche und Holzkohleresten angelernt werden und brachten anfangs im so genannten Brandstaub zurück. wegen mangelnder Übung schlechte Die Brandstaubhalden wurden erst ab Leistungen. Den älteren Bergleuten dem 18. Jahrhundert gezielt abgeför- sollte besonders im Winter die Arbeit dert und das darin enthaltene Erz den im Freien nicht zugemutet werden. Verhüttungsbetrieben zugeführt. Dafür musste der Brandstaub allerdings in Die Erzwäsche, wie sie nun genannt Erz und taube Bestandteilen getrennt wurde, erhielt ein Wasserrad für die werden. Zu diesem Zweck wurde die mechanischen Aufbereitungsmaschi- so genannte Brandstaubwäsche gebaut nen. Es wurde mit dem Wasser beauf- (s. Abb. 1.3.3.2). Dieses Gebäude schlagt, das aus dem verschlammten befand sich wenige Meter südlich vom Grundablass des Herzberger Teichs heutigen Museumseingang. kam. Die dort erreichbaren Wasser- mengen waren zu spärlich, um für die großen untertägigen Kunsträder genutzt werden zu können.

Die steigenden Erzfördermengen erforderten um die Wende zum 20. Jahrhundert den Bau einer wesentlich größeren Erzaufbereitungsanlage. Sie Abb. 1.3.3.2: Brandstaubwäsche. Aus- befand sich unmittelbar neben dem schnitt aus einem Gemälde von C. Stollenmundloch der Tagesförderstre- Rosenbaum. 1837 cke und hatte einen kleinen Hebe- schacht, durch den das Erz von der Die Aufbereitung der eigentlichen Tagesförderstrecke in die obere Etage Erze geschah auf dem Erzfreilager auf gehoben wurde (s. Abb. 1.3.3.3 und dem Werkshof. Von Hand wurde das 1.3.3.4, vgl. Kap. 1910). geförderte Haufwerk nach Kupfer-, Blei- und kiesigen Erzen getrennt (vgl. Kap. 1810).

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Brandstaubwäsche zum Teil als regu- läres Erzaufbereitungsgebäude umge- nutzt worden, um in der kalten Jahres- zeit witterungsunabhängiger zu sein. Abb. 1.3.3.3: Sieb- und Klaubeanlage Das kam auch dem Wunsch entge- 1910. Skizze vom Verfasser

20 Die 1930er Jahre waren für das Erzbergwerk Rammelsberg und seine Tagesanlagen mit erheblichen Verän- derungen verbunden. 1935 waren im Rahmen des so genannten Rammels- bergprojekts die Investitionsmöglich- keiten für eine komplette Moderni- sierung der Unterharzer Bergwerks-, Hüttenanlagen geschaffen worden. Die Nachfrage nach Erzkonzentraten ließ Abb. 1.3.3.4: Sieb- und Klaubeanlage sich mit der mittlerweile 25 Jahre alten etwa 1920. Foto aus der Sammlung Sieb- und Klaubeanlage allerdings Heinrich Stöcker nicht mehr bewältigen. Sie schaffte den Betrachterstandort auf dem Herzberg gewünschten Mengendurchsatz nicht mehr. Außerdem wurden von den neu Das aufbereitete Erz wurde in För- erbauten Hüttenbetrieben auch besse- derwagen verladen, die mit einem end- re Kupfer- und Blei-Zink-Konzentrate losen Seil auf die eigens dafür neu gefordert. gestalteten Verladerampen des Erzfrei- lagers gezogen wurden. Diese Seilbahn hatte für den östlichen und westlichen Wagenumlauf nur eine gemeinsame Antriebsstation (s. Abb. 1.3.3.5).

Abb. 1.3.3.6: Dächer der Flotationsauf- bereitung zwischen dem Fördergerüst Rammelsbergschacht und der im Bild quer verlaufenden Werksstraße. Luftbild vom Verfasser. 2008 Blick von einer Position etwa 100 m über der Schiefermühle. Links unscharf im Vordergrund ein Handschuh des Verfassers. Rechts mit großem roten Abb. 1.3.3.5: Seilbahn von der Sieb- und Dach die Energiezentrale. Hinter der Klaubeanlage zum Erzfreilager. 1916. Werksstraße (von links nach rechts) die Bergarchiv Clausthal Kaue, die Lohnhalle, der untere Werk- Hervorhebungen durch den Verfasser. shof mit Verwaltungs- und Magazinge- rot: Seilbahnverlauf, Z: Zechenhaus, bäude. Weiter rechts der Cyclator, die Bhf.: Grubenbahnhof, TFS: Stollen- Mammutpumpanlage, Bohrerschmiede mundloch Tagesförderstrecke und die Wagenreparaturwerkstatt.

21 1.3.4. Wasserhebung, Wasser- behandlung, Absetzteiche

Den Grubenhohlräumen des Ram- melsbergs liefen große Mengen Wasser zu, die durch Wasserhaltungsanlagen wieder nach übertage gepumpt werden mussten. Gewöhnlich befanden sich alle In der Regel befanden sich die Abb. 1.3.3.7: Schnitt Flotationsaufberei- Wasserhaltungsanlagen wie Kunsträder tung. 1935. Bergarchiv Clausthal mit ihren Kunstgestängen und Hubkol- benpumpen oder elektrische Kreisel-

Abb. 1.3.3.8: Flotationszellen im heu- tigen Museumsbereich. Foto von Peter Mühr. 2007 Abb. 1.3.4.1: Antriebsmaschine der Die Forschungen auf dem Gebiet der Wasserhaltung Kanekuhler Schacht. großtechnischen Flotationsaufbereitung Oben Schnitt durch Maschinenhaus waren in den 1920er und 1930er Jahren und Schachthalle. Unten Draufsicht auf in der ehemaligen Brandstaubwäsche die maschinelle Einrichtung (nicht im erfolgreich verlaufen. Der Rammels- gleichen Maßstab). Hintergrund: Zeich- berg bekam auf dieser Grundlage eine nungen aus dem Bergarchiv Clausthal. neue Flotationsaufbereitungsanlage. (s. 1875. Links die Kunstdreiecke über dem Abb. 1.3.3.6 und 1.3.3.8). Sie wurde Schacht, in der Mitte der Kurbeltrieb anfangs noch parallel zur alten Sieb- und das Vorgelege, rechts die Einzylin- und Klaubeanlage betrieben, die erst der-Dampfmaschine. In der Draufsicht 1942 abgerissen wurde (vgl. Kap. 1938 ist über den Kunstdreiecken der Repara- und Kap. 1942). turhaspel mit einer Seilscheibe über dem Schacht und rechts davon die zugehörige Einzylinder-Hilfsdampfmaschine abge- bildet und am Kreuzkopf der Hauptma- schine die Kesselspeisewasserpumpe.

22 pumpen untertage. Sie sollen hier nicht weiter erwähnt werden Sie werden deshalb hier nicht weiter erwähnt.

Übertage stand nur die 1875 gebaute und bis in die 1910er Jahre betriebene dampfbetriebene Wasserhaltung des Kanekuhler Schachtes (s. Abb.1.3.4.1, vgl. Kap. 1880).

Wasser, das aus der Grube gepumpt werden musste, enthielt beträchtliche Mengen als Farbstoff nutzbaren Ocker- schlamms. Für die Ockergewinnung gab es seit dem 18. Jahrhundert im Bereich des Breiten Tors unterhalb des Mundlochs vom Tiefen Julius Abb. 1.3.4.2: Ockersümpfe. Plan der Fortunatusstollen die so genannten Erweiterung 1956. Bergarchiv Clausthal Ockersümpfe. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts musste das Grubenwasser zusätzlich behandelt werden, um es in die Vorflut einleiten zu dürfen, zum Beispiel in den Bachlauf der . Die Entschlammung in den Ocker- sümpfen reichte nun nicht mehr aus, obwohl sie 1956 noch einmal erweitert worden sind (s. Abb.1.3.4.2).

Es mussten ein Cyclator (s. Abb. Abb. 1.3.4.3: Tagesanlagen des Ram- 1.3.4.3, vgl. Kap. 1970) und eine Neu- melsbergs. Luftbild vom Verfasser aus tralisationsanlagen gebaut werden, um etwa 75 m Höhe über dem Schrägauf- den pH-Wert und den Schwermetallge- zug. Blick nach Westen. 2008 halt des Abwassers vorschriftsmäßig In der Bildmitte oben ist der Cyclator einzustellen. Die heute noch betriebene als rundes Bauwerk zu erkennen. Neutralisationsanlage befindet sich am Bollrich. westlich der Rammelsberger Straße, gegenüber vom heutigen Museums- In den Aufbereitungsanlagen wurden haupteingang, und auf der Halde im die Abwasser soweit es ging wieder als Norden der Werksstraße. Beide Teiche Prozesswasser genutzt, um darin ent- sind aber wieder verfüllt worden (s. haltene Wertstoffe nicht zu verlieren. Abb. 1938.2, dort T1 und T2). Für Für zwischenzulagerndes Prozesswas- die Entsorgung des unverkäuflichen ser entstanden kleinere Absetzbecken Schlamms, der bei der Flotation anfiel,

23 sind im Gelmketal unterhalb des Boll- • Steinbrüche und andere Anlagen richs große Absetzteiche gebaut worden für die Werksteingewinnung und (s. Abb. 1.1.1, 1.3.4.4 und 1.3.4.5). Versatzbeschaffung, zum Beispiel - den Communion Steinbruch mit seinen Bremsbergen, einer Brecheranlage und zwei Betriebsgebäuden (vgl. Kap. 1790 und 1920), - die Schiefermühle mit einem Schuppen, - den Schiefergewinnungspunkt am Flachen Schacht (vgl. Kap. 1870), aber auch - den Zementbunker und Abb. 1.3.4.4: Absetzteiche Gelmketal. - das Zementsilo (vgl. Kap. Luftbild vom Verfasser aus etwa 200 1980), m Höhe über dem Rammelsberg, Blick • die Grubenholzlagerplätze auf der nach Osten. 2005. Hervorgehoben die Werksstraße mit Gebäuden für die Aufbereitungsanlage Bollrich. Im Hin- Holzlagerung und die Holzim- tergrund die Ortslage Goslar- prägnierung (vgl. Kap. 1905 und 1960), • die Magazine (vgl. Kap. 1870 und 1938), • den Herzberger Teich mit dem ehe- maligen übertägigen Kehrrad und seinem Feldgestänge (vgl. Kap. 1765), • die in Gräben oder offen verlegten Wasserleitungen mit ihren Revisi- onszugängen sowie diverse übertä- Abb. 1.3.4.5: Auslaufbauwerk am unte- gige Leitungs- und Rohrtrassen, ren Absetzteich Gelmketal. Foto vom • das Dampfmaschinen- und Kessel- Verfasser. 2008 haus des Kanekuhler Schachtes (s. Blick nach Westen. Am Horizont der Abb. 1.3.5.1, vgl. Kap. 1880 und Turm der Aufbereitungsanlage Bollrich. 1890), • die Energiezentrale mit Kesselhaus, 1.3.5. Sonstige übertägige Infra- Schornstein, Kohlebunker und strukturanlagen Öltanks (vgl. Kap. 1910 und 1970) und Die untertägigen Bergwerksanlagen • das Umspannwerk 1 (vgl. Kap. hatten einen beträchtlichen Material- 1930). Das Umspannwerk 2 liegt und Energiebedarf. Dafür gab es über- untertage und wird deshalb hier tage nicht weiter beschrieben.

24 Seit 1875 benötigten die Gruben in erheblichem Maße Druckluft für die neu eingeführten Bohrmaschinen. Bereits 1856 war in Freiberg die erste funktionsfähige Gesteinsbohrmaschi- ne gebaut worden. Weiterentwickelte Typen wurden aber seitdem fast nur übertage oder im Tunnelbau und erst ab Mitte der 1860er Jahre vereinzelt im Bergbau untertage eingesetzt. Am Rammelsberg ließ die Bergwerksdirek- tion eine ganze Reihe Forschungsar- beiten zum maschinellen Festgesteins- bohren anstellen. Abb. 1.3.5.2: „Luft-Compressor“ am Kanekuhler Schacht. 1875. Bergarchiv Erzeugt wurde die Druckluft durch Clausthal. Hervorhebungen durch den die Kanekuhler Dampfkraftanlage. Zu Verfasser. Links die Druckluftkessel, in ihr gehörten unter anderem zwei dampf- der Mitte das Vorgelege betriebene Kompressoren, die bereits 1875 eigens für den Antrieb dieser Bohrmaschinen beschafft und aufge- baut worden waren (s. Abb. 1.3.5.1 bis 1.3.5.4 und 1880.5, vgl. Kap. 1880).

Abb. 1.3.5.3: Prinzipzeichnungen „Nas- ser Luft-Compressor“, wie er am Kane- Abb. 1.3.5.1: Gebäude auf dem Kane- kuhler Schacht eingesetzt war. Aus dem kuhler Schacht. Ausschnitt aus einem Lehrbuch der Ingenieur- und Maschi- Gemälde von Wilhelm Riepe. 1877. nenkunde. Julius Weißbach. 1882 Sammlung Rammelsberger Bergbau- Die Wassereinspritzung diente zur museum. Foto von Stefanie Kammer. Abkühlung der komprimierten Luft. 2008. In dem langgestreckten Gebäude befanden sich neben dem „Luft-Com- Diese Kompressorenanlage wurde pressor“ (C) eine Fördermaschine (F), im Laufe der Jahre mehrfach verändert, eine Wasserhaltungsmaschine (W) und bekam zum Beispiel einen eigens dafür die Dampfkessel (K). gebauten Anbau im Nordosten und

25 eine eigene Antriebsdampfmaschine (s. Abb. 1.3.5.4), war aber 1905 bereits weitgehend verschlissen.

Abb. 1.3.5.5: Kraft-Zentrale, heute Energiezentrale genannt. Foto vom Ver- fasser. 2008

Abb. 1.3.5.4: Östlicher Anbau an das Maschinenhaus Kanekuhler Schacht für die Unterbringung der neuen Kompres- soranlage. Zeichnung um 1885. Bergar- chiv Clausthal. Hervorhebungen durch den Verfasser

1907 wurde sie ersetzt durch einen Abb. 1.3.5.6: Körting-Sauggasmotor. Kompressor in der neu errichteten Aus „Entwicklung des niederrheinisch- Kraft-Zentrale auf der Werksstraße (s. westphälischen Steinkohlenbergbaus“. Abb. 1.3.5.5, vgl. Kap. 1905 und Kap. Autorenteam. 1905 1910), der kurz darauf einen zweiten baugleichen Kompressor als Reserve- und elektrische Beleuchtungsanlagen. maschine bekam. Angetrieben wurden Für ihre Versorgung mussten proviso- die beiden neuen Kompressoren von rische Insel-Lösungen gefunden wer- jeweils einem liegenden Einzylinder- den. Zuerst gab es eine ganze Reihe Körting-Sauggasmotor mit 100 PS von Elektrogeneratoren mit verschie- Leistung und Brikett-Gasgenerator (s. densten Antriebsmaschinen: Abb. 1.3.5.6). • Eine 15-PS-Dampflokomobile der Die Elektrifizierung des Rammels- Magdeburger Firma Buckau-Wolf bergs erfolgte relativ spät. Das lag vor zur Elektroenergieversorgung der allem daran, dass Goslar erst 1927/28 an Werkstätten auf dem Werkshof. das überregionale Hochspannungsnetz • Eine liegende Einzylinder-Dampfma- angeschlossen wurde (vgl. Kap. 1930). schine mit stehendem Kessel und ein Um 1900 gab es am Rammelsberg aber Wasserrad mit einem Durchmesser bereits einige kleinere Elektromotoren von 5 m und einer Breite von 0,5 m,

26 beides in der Erzwäsche unterge- bracht und eigens für die Versorgung der Erzwäsche betrieben. • Ab 1906 zwei Wasserturbinen, eine mit 30 PS und eine mit 60 PS. Sie waren im Einsteigeschacht (heute Turbinenschacht genannt) unter der Kraft-Zentrale installiert, nutzen das Aufschlagwasser der abgeworfenen untertägigen Wasserräder und waren Abb. 1.3.5.7: Kraft-Zentrale um 1920. je nach verfügbarer Wassermenge Innenansicht mit den beiden dampfbe- zuschaltbar. triebenen Hanomag-Elektrogenerato- • Ab 1907 zwei Elektrogeneratoren ren. Skizze vom Verfasser (einer mit 44 kW und einer mit 77 kW) in der neuen Kraft-Zentrale an der Werksstraße, angetrieben durch Gebäude für Magazine, Werkstätten, jeweils einen Einzylinder-Sauggas- Verwaltung, soziale und kulturelle Auf- motor (60 beziehungsweise 100 PS) gaben. Dazu zählen mit brikettgefeuertem Gasgenerator, komplett geliefert und montiert von • die Huthäuser und Kauen der alten der Firma Körting. Schächte, • die Betriebswohnhäuser, 1908 wurde geplant, diese verstreut • die Verwaltungsgebäude wie liegenden Anlagen abzuschaffen und - das Bürohaus an der Werksstra- eine zentrale Elektroenergieversor- ße (vgl. Kap. 1850), gung zu bauen. 1909 erhielt die Firma - das ehemalige Zechenhaus (vgl. Hanomag den Auftrag dazu. Bei der Kap. 1905) und gewählten Bauart war der Elektrogene- - das ehemalige Berginspektions- rator gleichzeitig das Schwungrad der und spätere Küchengebäude Antriebsdampfmaschine. Ihre Nenn- (heute Gaststätte und Wohn- leistung betrug 310 PS. Standort war haus, vgl. Kap. 1905), sowie die Kraft-Zentrale. Dort wurde von der - die Lohnhalle und das Ver- Firma Hanomag gleichzeitig ein neu- waltungsgebäude am heutigen er dampfbetriebener Kompressor als Zechenhof (vgl. Kap. 1938) und Ersatz der beiden Körting-Kompres- - das Rammelsberghaus an der soren und der Kanekuhler Kompresso- unteren Rammelsberger Straße renanlage installiert (vgl. Kap. 1910). (s. Abb. 1.1.1 und 1.1.2), Auch diese Maschine erhielt wenige • die Kauengebäude zum Umkleiden Jahre später eine baugleiche Reserve- der Belegschaft (vgl. die Kap. 1850, maschine (s. Abb.1.3.5.7). 1905 und 1938), • die Schmieden, Holz-, Schlosser-, Abgerundet wird das Bild der über- Fahrzeug- und Elektrikerwerkstätten tägigen Infrastrukturanlagen durch die (vgl. die Kap. 1500, 1550, 1830,

27 1850, 1870, 1905, 1910, 1938, 1942, te, die Höhenlinien und die Maße der 1970 und 1980), heutigen Tagesanlagen sind dem ein- • die Pförtnergebäude am Hauptein- schlägigen Risswerk entnommen. Aus gang und am südlichen Eingang älteren bildlichen Darstellungen sind (vgl. Kap. 1938 und 1960) und Form, Größe und Ausrichtung der Has- • die Museumsneubauten (vgl. Kap. pel-, Göpel- und Anfahrhäuser über- 2000). nommen worden und die Vorstellung, wie groß die Schachthalden gewesen sein könnten. 2. Entwicklungsstände im Einzelnen 2.1. Ausgangssituation vor der menschlichen Besiedelung Im Folgenden sind zentralperspek- tivische Skizzen wiedergegeben, die Die Topographie des Rammelsbergs den Rammelsberg von einem fik- und seiner unmittelbaren Umgebung, tiven Betrachterstandort zeigen, der wie sie vor der Zeit der menschlichen sich nordwestlich vom Rammelsberg Besiedelung gewesen sein müsste, lässt auf einer Höhe von mehreren hundert sich heute nicht mehr exakt rekonstru- Metern über der Erdoberfläche befin- ieren. Bereiche, die nur durch natür- det. Dadurch sind sowohl die älteren liche Einflüsse und nicht durch den als auch die neueren Tagesanlagen gut Bergbau, den Wege- und Siedlungsbau, darstellbar. Die Positionen der Schäch- die Forst- und die Wasserwirtschaft

Abb. 2.1: Ursprüngliche Ausbissfläche des Alten Lagers (orange). Zur Orientierung und als Größenvergleich ist hier die Lage der heutigen Altstadt wiedergegeben. Skizze vom Verfasser

28 beeinflusst worden sind, werden sich 2.2. Beginn des regelmäßigen allerdings seitdem nur wenig verändert Erzabbaus haben. Das Rammelsberger Erz ließ sich Der nordwestliche Harz und sein anfangs gut in kleinen Tagebauen Vorland waren von Mischwald und gewinnen. Aus dieser Zeit sind weder in höheren Lagen von Fichtenwald Abbildungen oder Urkunden noch bedeckt. Das Rammelsberger Erz trat andere Bergbaubeschreibungen erhal- in Form des Alten Lagers an der zum ten geblieben. Die späteren bergbau- flachen Harzvorland gerichteten Sei- lichen Aktivitäten haben fast alle Spu- te des Rammelsbergs zutage (s. Abb. ren dieses Tagebaubetriebs überprägt. 2.1). Bewuchs wird sich, abgesehen Die Form und Lage des Erzausbisses von Flechten, Gräsern und niedrigem lässt allerdings erahnen, wie der Tage- Strauchwerk, kaum auf dem Erzausbiss baubetrieb ausgesehen haben wird (s. gehalten haben. Dadurch entstand im Abb. 2.2.1). Bereich des Erzausbisses eine etwa 500 m lange und mindestens 10 bis 15 Das untere Ende des Erzausbisses m breite natürliche Schneise. Sie war lag am östlichen Fuß des heutigen von Weitem zu sehen und wird schon Herzberger Teichdamms und zog sich recht früh die Neugier der Menschen von dort schräg den Berg hinauf etwa geweckt haben. in Richtung des späteren Maltermei- ster Turms. Der Erzabbau wird vermutlich an mehreren räum- lich getrennten Stellen begonnen haben. Der vor- teilhafteste Aus- gangspunkt lag im Tal, denn hier war das Erz rela- tiv gut in Form eines schlitzför- migen Tagebaus erschließbar (s. Abb. 2.2.2). Hier ließ sich schon nach kurzer Zeit eine unterhöhl- Abb. 2.2.1: Vermutliche Lage von Tagebauen entlang der ursprüng- bare Abbauwand lichen Ausbissfläche des Alten Lagers. Skizze vom Verfasser. Rot: herstellen, die vermutliche Tagesanlagen das Hereinge-

29 winnen des Erzes durch Feuersetzen erleichterte (s. Abb. 2.2.3).

Andere Gewinnungsverfahren, zum Beispiel mit Schlägel und Eisen, waren bei dem besonders widerstandsfähigen Rammelsberger Erz viel schwerer anwendbar, zumal in dieser frühen Zeit kaum geeignete Werkzeuge dafür zur Verfügung standen. Das umge- bende Nebengestein, der Wissenbacher Schiefer, ist ebenfalls sehr hart und damit schlecht mit Schlägel und Eisen zu bearbeiten. Hier bereitete jedoch auch das Feuersetzen Probleme, sodass Schiefer nur im unbedingt notwendigen Umfang abgebaut wurde.

Abb. 2.2.3: Abbauwand, die durch Feu- ersetzen entstanden ist. Bauerngrube in Bleiberg/Österreich. Foto Holger Lausch. 2008

Steigung von etwa 1:5. Das ermög- lichte im unteren Bereich einen stu- fenartigen Abbau. Jede Stufe oder Arbeitsebene bildete einen jeweils weitgehend unabhängigen Erzabbau- punkt, eine eigenständige „Grube“. Bei einer Stufenhöhe von jeweils etwa 3,5 bis 5 m hätten auf diese Art fünf oder sechs Gruben betrieben werden können. Abb. 2.2.2: Schlitzförmiger mit einfach- sten Mitteln angelegter Tagebau am Auf dem Plateau hinter dem heutigen Hang einer Goldlagerstätte in Papua- Maltermeister Turm wird an Orten mit Neuguinea 2006. Foto vom Verfasser guter Erzqualität schon bald ein Abbau in Form von mehreren kesselartigen Die natürliche Böschung des Ram- Tagebauen begonnen worden sein. melsbergs hatte, entlang des geneigten Damit ließen sich weitere Abbaupunkte Teils der Ausbissfläche gemessen, eine schaffen. Gegenüber dem Hangabbau

30 Abb. 2.2.4: Vermutliche Tagebauform zu Beginn des regelmäßigen Erzabbaus, Schnitt im Streichen des Alten Lagers. Skizze vom Verfasser grün: ehemalige Tagesoberfläche, orange: Arbeitsebenen und der spätere Maltermei- ster Turm (als Orientierung und Größenvergleich), schwarz: Abbauböschungen war der Erzabbau in diesen Kesselbrü- bruchsohlen waren entsprechend der chen problematischer. Erstens sammelte Mächtigkeit des Erzlagers nur bis zu sich dort Regenwasser, das den Abbau zehn Meter breit. Jede Aufweitung erheblich störte und die Wasserhebung über die Grenzen des Erzlagers hinaus schwierig und teuer machte. Zweitens wäre aufwendig und sehr teuer gewe- bereitete das Feuersetzen Probleme, sen. Zudem befanden sich im Tagebau- denn die Wirkung des Feuers ist eher tiefsten Zufahrtswege, Böschungen, nach oben gerichtet als nach unten. Arbeitsebenen, Rampen, Gräben für die Und drittens musste das Erz und der offene Wasserhaltung sowie Fahrten. Abraum bei fortschreitendem Abbau Nur im Zentralteil hatte das Alte Lager nach der Teufe über große Höhenun- durch das gleichzeitig abgebaute Han- terschiede aufgefördert werden, was gende Trum eine größere Mächtigkeit beschwerlich und ebenfalls teuer war und damit eine Tagebaubreite, die für (s. Abb. 2.2.4). einige wenige Häuser Platz geboten hat. Vermutlich wird es in dieser ersten Betriebsphase kaum Häuser im unmit- Dagegen werden unmittelbar neben telbaren Tagebaubereich gegeben den Gruben mehrere Erzvorratsschup- haben, sondern eher nur einfache pen gestanden haben (vgl. Kap. 1.3.1.). Unterstände zum Aufenthalt bei wid- Die Erzvorratsschuppen beziehungs- rigen Wetterverhältnissen. Die Wohn- weise Huthäuser standen wahrschein- häuser der Bergleute und ihrer Fami- lich auf den Halden tauben Haufwerks, lien befanden sich nur wenige hundert die sich unterhalb des Einschnittes Meter entfernt im Bergdorf, das südlich gebildet hatten, und am Hang neben der heutigen Altstadt Goslars am Fuße dem Einschnitt. Im Bereich des heu- des Rammelsbergs lag. tigen Maltermeister Turms werden sich ebenfalls einige Gebäude befun- In den engen Tagebaugruben war den haben, besonders nordwestlich der kaum Platz für Gebäude. Die Stein- Gruben.

31 1000 n.Chr.

Abb. 1000.1: Vermutliche Lage von Tagebauen um das Jahr 1000 n. Chr. (rot) Skizze vom Verfasser

Für das Späte Mittelalter ist eine derte später als „Sencke am Tage“ (s. große Zahl von Einzelgruben mit Abb. 1000.3) und als Einschnitt sicht- unterschiedlichen Eigentümern und bar waren (s. Abb. 1000.4). Betreibern urkundlich belegt. Das lässt den Schluss zu, dass es auch in der Zeit Bei etwa 500 m Länge der Ausbiss­ um die erste Jahrtausendwende bereits fläche hätten sehr viele solcher Gru- mehrere Dutzend Gruben gegeben ben Platz gefunden (s. Abb. 1000.5). hatte. Wahrscheinlich haben ähnliche Die Zahl der zu einem bestimmten räumliche Verhältnisse geherrscht wie Zeitpunkt gerade aktiven Gewinnungs- heute in manchen artisanalen Bergbau- punkte wird aber auch abhängig gewe- gebieten Afrikas (s. Abb. 1000.2). Dort sen sein von der jeweils herrschenden hat der Grundriss der Claims teilweise Erznachfrage. nur Kantenlängen von drei mal drei Metern. Sie gehören unterschiedlichen Ein untertägiger Erzabbau war zu Eigentümern, wobei jeder Claim als dieser Zeit wahrscheinlich noch nicht in juristisch eigenständige „Grube“ gilt. großem Umfang notwendig geworden, weil übertage genügend Erzreserven Die Einzelgruben des Rammelsber- anstanden. Die Probleme mit der Was- gs bildeten insgesamt einen größeren serhaltung der kesselartigen Tagebaue Tagebau, dessen Spuren noch Jahrhun- hat dagegen bestimmt schon zu dieser

32 1000 n.Chr.

Zeit den Gedanken an einen Entwässe- rungsstollen aufkommen lassen.

Abb. 1000.3: Ausschnitt aus einem Riss Abb. 1000.2: Große Zahl von Einzelun- von 1775. Im unteren Bereich sind über- ternehmern auf engstem Raum. Arti- und untertägige Bergwerksanlagen sanaler Coltanbergbau in Mozambik. abgebildet. Nördlich davon Foto Bundesanstalt für Geowissenschaf- „Eine Sencke am Tage“ – Reste des ten und Rohstoffe. 2007 ursprünglichen Tagebaus.

Abb. 1000.4: Ausschnitt aus einem Abb. 1000.5: Vermutliche Tagebauform, Gemälde von 1837. In der Mitte sind Blick vom Herzberg. In der Mitte grö- die Reste des damals gut erkennbaren ßere Mächtigkeit des Erzlagers durch ursprünglichen Tagebaus als Einschnitt gleichzeitig aufgeschlossenes Hangendes in der Böschung zu erkennen. Trum. Skizze vom Verfasser

33 1150

Abb. 1150.1: Vermutliche Lage des Erztagebaus um das Jahr 1150. Skizze vom Verfasser

Die Aufweitung der Tagebaugruben die Erzvorräte, die übertage abgebaut in Streichrichtung des Alten Lagers werden konnten. Besonders die quali- hat um 1150 einen mehr oder weni- tativ hochwertigen Erzvorräte werden ger durchgehenden Tagebau entstehen recht bald zur Neige gegangen sein. lassen (s. Abb. 1150.2 und 1150.3). In Die Grubenbetreiber waren dadurch der südöstlichen Böschung sind große verstärkt gezwungen, zur untertägigen Mengen tauben Gesteins mit abgebaut Erzgewinnung überzugehen. Diese worden (s. Abb. 1150.4 und 1150.5). Grubenteile bestanden wahrscheinlich Deshalb entstanden erhebliche Hal- anfangs nur aus kurzen Stollen und den direkt unterhalb des Einschnitts Schächten, die von den Arbeitsebenen und nordwestlich der oberen Gruben. der Tagebaugruben aus angelegt wor- Im Gegensatz zu den engen Gruben den waren. boten sich diese beiden Halden für die Errichtung von Vorratsschuppen an. Die Schächte und Stollen benötigten Schutzhütten für ihre Mundlöcher. Die Die Tagebaubereiche auf dem obe- Erzförderung in den Schächten kann ren Plateau und im Einschnitt sind im von Hand oder mit einfachen Haspeln Laufe der Zeit immer mehr zusam- geschehen sein. Unbestimmt ist heute, men gewachsen. Damit verringerten wie viele dieser Mundlöcher damals sich die möglichen Abbaupunkte sowie bestanden, wo sie gelegen und welche

34 1150

Form sie gehabt haben. Wegen der Enge der Tagebaugruben werden es nur kleine Kauen gewesen sein, die den Schachtöffnungen und den dort Arbeitenden Schutz vor der Witterung boten.

Abb. 1150.4: Schnitt durch den Erzta- gebau Altes Lager, wie er um das Jahr 1150 ausgesehen haben könnte. Skizze vom Verfasser, rot: Schachtkaue

Abb. 1150.2 und 1150.3: Reste des ursprünglichen Tagebaus, Blick vom Herzberg. Fotografie um 1900, aus Wilhelm Bornhardt, Geschichte des Rammelsberger Berg- baus. Skizze vom Verfasser zur Verdeut- lichung des im Foto erkennbaren ursprünglichen Tagebaus.

1150.5: Darstellung der etwa drei Kilo- meter südwestlich des Rammelsbergs gelegenen Rahtsschiefergrube um 1900. Aus „Die Gartenlaube“. So ähnlich könnte der ursprüngliche Erztagebau am Rammelsberg ausgesehen haben.

35 1300

Abb. 1300.1: Vermutliche Lage des Erztagebaus um das Jahr 1300. Skizze vom Verfasser

Die Zeit um 1300 war für den Ram- Die Grubenwasserhaltung hatte mit melsberger Erzbergbau ein erster dem etwa auf 300 m NN angelegten Höhepunkt. Die Abbaubereiche am Rathstiefsten Stollen und diversen unteren Ende und auf dem oberen Pumpanlagen die Möglichkeit geschaf- Plateau der ehemaligen Ausbissfläche fen, bereits recht tiefe Gruben anzule- werden eine gemeinsame Tagebau- gen und wasserfrei zu halten. figur in Form eines länglichen Ein- schnitts gebildet haben. Dieser Tage- Jeder Förderschacht wird eine Has- bau hatte eine beträchtliche Größe, pelkaue gehabt haben, wobei die Form die sich durchaus mit der des späteren dieser Haspel wahrscheinlich wie in Tagebaus Schiefermühle vergleichen anderen Bergbaurevieren ausgesehen lässt. haben wird (s. Abb. 1300.3 bis 1300.5 und Abb. 1.3.1.4 bis 1.3.1.6). Wie Die Erzgewinnung wird bereits weit- viele dieser Schächte beziehungswei- gehend nach untertage verlegt worden se Haspelhäuser es gegeben hat, lässt sein, weil übertage die bauwürdigen sich heute nicht mehr feststellen. Auf Erzvorräte zum größten Teil abgebaut den Halden werden weitere Vorratsge- waren. Im Tagebautiefsten wird es bäude entstanden sein. deshalb eine große Zahl von Schäch- ten gegeben haben (s. Abb. 1300.2).

36 1300

Abb. 1300.2: Vermutliche Lage von Schächten, die von der Sohle des Erzta- gebaus mit einer Tonnlage von etwa 45° bis 50° in das Alte Lager hinein geteuft worden waren. Zustand um das Jahr 1300. Skizze vom Verfasser

Abb. 1300.4: Haspler im sächsischen Erzbergbau. Foto von Claus Hugo. Anfang des 19. Jahrhunderts. Aus der Sammlung von Jens Kugler

Abb. 1300.3: Hasplerkaue, wie sie in dieser Art auch am Rammelsberg üblich gewesen war. Zur besseren Erkennbar- keit sind die Haspler im Freien und die Kaue verkleinert daneben dargestellt. Ausschnitt aus einem Gemälde des Abb. 1300.5: Haspelknechte um 1550. Annaberger Altars. Geweiht 1521 Abbildung aus Agricola. De re Metallica

37 1450

Abb. 1450.1: Vermutliche Lage des aufgelassenen Erztagebaus um das Jahr 1450. Skizze vom Verfasser. rot: vermutliche Schutz- und Vorratshütten für das Wieder- aufarbeiten alter Halden

Der Rammelsberger Erztagebau ist ganzen Böschung gleichzeitig passiert im 14. Jahrhundert endgültig an seine sein. Einzelne Tagebaubereiche sind damals technisch und wirtschaftlich wahrscheinlich noch eine gewisse Zeit erreichbare Endteufe geraten. Jeder offen geblieben. der separat agierenden Grubenbesitzer wird nur so viel tauben Schiefer abge- Die Böschungsrutschungen haben baut haben, wie für die Aufrechterhal- den Untertage-Betrieb letzten Endes tung seines Grubenbetriebs unbedingt völlig zum Erliegen gebracht, weil sie notwendig war. Es hätte dagegen einen die Schachtansatzpunkte verschüttet nicht bezahlbaren Aufwand erfordert, hatten. Zu dieser Zeit war die all- die südöstlichen Böschungen flacher gemeine Wirtschaftslage Mitteleuro- anzulegen, denn dafür hätte ein großes pas schlechter geworden und damit Schiefervolumen bewegt werden müs- wahrscheinlich auch die Absatzlage sen. für Rammelsberger Erz. Hinzu kamen Pestepidemien, die die Bevölkerung Die Generalneigungen der Tagebau- und somit auch die Grubenbelegschaft böschungen wurden zu steil und die dezimierten. Die Wasserhaltung der südöstliche Tagebauwand brach herein. untertägigen Gruben konnte das Was- Das wird nicht plötzlich und auf der ser nicht mehr zu Sumpfe halten und

38 1450 der untertägige Erzabbau musste ein- bisses beziehungsweise auf der südöst- gestellt werden. Übrig blieb möglicher- lichen Böschungsschulter des ehema- weise ein geringer Nachlesebergbau in ligen Tagebaus. Manche der heute noch nicht verschütteten Tagebaubereichen bekannten Schächte könnten aus dieser und trocken gebliebenen, noch zugäng- Zeit stammen. lichen untertägigen Grubenbereichen.

Daneben sind alte Halden wieder aufbereitet worden. Sie enthielten geringe Mengen von Erzen, die zur Entstehungszeit der Halden nicht ver- wertbar gewesen waren. Nun wurden sie durch die mittlerweile verbesserten Verhüttungstechniken interessant. Die dabei entstandenen Halden ausge- klaubten und nicht mehr brauchbaren Haufwerks befinden sich noch heute an der Straße zum Maltermeister Turm (s. Abb. 1450.2: Halden, die im 15. Jahr- Abb. 1450.2). hundert durch das Wiederaufarbeiten alter Halden entstanden sind. Foto vom Für die Haldenwiederaufbereitung Verfasser. 2008 sind bestimmt einige wenige Schuppen gebaut worden (s. Abb. 1450.3). Von ihnen sind jedoch keine Abbildungen oder Beschreibungen überliefert. Im Laufe der Jahrzehnte sind die rest- lichen Tagesanlagen wahrscheinlich verfallen.

Erst Ende des 15. Jahrhunderts war es der Stadt Goslar nach jahrzehntelan- gen Versuchen gelungen, große Teile der Gruben in ihren Besitz zu bringen und wieder sümpfen zu lassen. Die alten Schachtansatzpunkte waren ver- schüttet und die Schachtröhren weitge- hend zusammengebrochen. Vermutlich Abb. 1450.3: Aufbereiterinnen auf konnten nur wenige der ehemaligen einem Bild des Annaberger Altars. Tageschächte wieder in Betrieb genom- Geweiht 1521. men werden. Die Tagesöffnungen der So oder so ähnlich könnte auch am neuen, Ende des 15. und Anfang des Rammelsberg die Erzaufbereitung und 16. Jahrhunderts geteuften Schächte die Haldenwiederaufarbeitung ausgese- lagen oberhalb des ehemaligen Erzaus- hen haben.

39 1500

Abb. 1500.1: Vermutliche Lage der Tagesanlagen um das Jahr 1500 (rot). Skizze vom Verfasser M: Maltermeister Turm, Einf.: Einfahrschacht, Schm: Rothe Schmiede Gruben: B: Breidtling, D: Deutsche, E: Eschenstall, H: Hohe Warte, I: Inny, K: Kanekuhle, N: Nachtigall, R: Rathstiefste, V: Voigtsche, W: Julius Winkel, östlich davon Siehdichum und westlich Lüdersüll

Für die Schachtförderung sind nach Die Schmiede für die landesherr- wie vor Handhaspel verwendet worden. lichen Gruben, die Rothe Schmiede, Unmittelbar um die Schächte herum befand sich neben dem Deutschen entstanden neue Halden. Das Halden- Schacht (späterer Serenissimorum material bestand aus Schiefer, der beim Tiefster Schacht) oberhalb des Rath- Auffahren der Schächte und Strecken stiefsten Schachtes. Sie ist bis heute angefallen war, aber auch aus Erzen, namensgebend für den Schmiedeweg, die damals unbrauchbar waren. der vom Röderstollenmundloch zum Maltermeister Turm führt (s. Abb. Die Halden der Gruben Eschenstall, 1500.5). Hohe Warte und Lüdersüll wuchsen zusammen und bildeten ein Plateau, Die Form der Haspelkauen war ver- auf dem der Maltermeister Turm und mutlich nach wie vor recht einfach. eine Schmiede für die städtischen Gru- Erz, Brennholz und Gezähe werden ben erbaut wurden (s. Abb. 1500.2 bis weiterhin in größeren Häusern gelagert 1500.4). worden sein, die möglicherweise im

40 1500 gleichen Stil erbaut waren und an etwa den gleichen Stellen wie im 13. und 14. Jahrhundert standen.

Der Standort von Tagesanlagen am unteren Ende des ehemaligen Erzaus- bisses ist wahrscheinlich nach und nach aufgegeben worden. Jedenfalls tritt er in den ersten bildlichen Dar- stellungen nicht auf. Die Tagesanlagen konzentrierten sich nun auf den oberen Bereich, weil dort auch die Tagesöff- nungen der Schächte lagen.

Abb. 1500.2: Anleut Turm, späterer Abb. 1500.4: Maltermeister Turm. Foto Maltermeister Turm, mit Schmiede der vom Verfasser. 2008 städtischen Gruben auf der Halde der Gruben Eschenstall und Lüdersüll. Aus- schnitt aus einer Zeichnung von Johann Heinrich Eggers. 1755

Abb. 1500.5: Die Rohte Schmiede: Abb. 1500.3: Maltermeister Turm im Schmiede der landesherrlichen Gruben. Jahre 1606. Ausschnitt aus einer Zeich- Ausschnitt aus einer Zeichnung von nung von Zacharias Koch Johann Heinrich Eggers. 1735

41 1550

Abb. 1550.1: Vermutliche Lage der Tagesanlagen um das Jahr 1550 (rot). Skizze vom Verfasser M: Maltermeister Turm, Einf.: Einfahrschacht, Schm: Rothe Schmiede Gruben: B: Breidtling, D: Deutsche, E: Eschenstall, H: Hohe Warte, I: Inny, K: Kanekuhle, N: Nachtigall, R: Rathstiefste, V: Voigtsche, W: Julius Winkel, östlich davon Siehdichum und westlich Lüdersüll

Das 16. Jahrhundert war für den Rammelsberger Erzbergbau eine erneu- te Blütezeit. Die untertägigen Wasser- haltungsanlagen waren wieder in Stand gesetzt und erweitert worden, sodass die tiefsten Grubenteile nach und nach wieder trocken gepumpt werden konn- ten. Die bestehenden Förderschächte wurden tiefer und die wichtigsten von ihnen erhielten anstelle der bis dahin üblichen Handhaspel Pferdegöpel (s. Abb. 1550.2 bis 1550.6). Die Fahr-, Wetter- und Haspelschächte behielten Abb. 1550.2: Pferdegöpel des Rathstief- dagegen die kleinen Kauen. sten Schachtes

42 1550

Abb. 1550.5: Pferdegöpel des Serenissi- morum Tiefsten Schachtes Ausschnitte aus einer Zeichnung von Abb. 1550.3: Pferdegöpel des Voigt- 1759. Aus der Sammlung Heinrich schen Schachtes Stöcker

Abb. 1550.6: Pferdegöpel des Kahne- kuhler Schachtes. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Just Schreiber. Abb. 1550.4: Pferdegöpel des Innier 1712 Schachtes

43 1600

Abb. 1600.1: Tagesanlagen um das Jahr 1600. Skizze vom Verfasser rot: neu angelegter Herzberger Teich in seiner ursprünglichen Größe mit ange- schlossenem Graben zum Mundloch des Stollens M: Maltermeister Turm Gruben: B: Breidtling, D: Deutsche, E: Eschenstall, H: Hohe Warte, I: Inny, K: Kanekuhle, N: Nachtigall, R: Rathstiefste, V: Voigtsche, W: Julius Winkel, östlich davon Siehdichum und westlich Lüdersüll

Die ältesten bekannten bildlichen Die beiden untertage als Antrieb für Darstellungen der Rammelsberger die Wasserpumpen arbeitenden Wasser- Tagesanlagen stammen von Matz Sin- räder erhielten ihr Aufschlagwasser aus cken aus dem Jahre 1574 und Zacha- dem Winterbach, der späteren Abzucht. rias Koch aus dem Jahre 1606 (s. Abb. Anfangs wird ein einfaches Wehr den 1600.2 und 1600.3). Beide enthalten Bach angestaut haben. Von diesem Wehr als eine wesentliche Information, wel- leitete ein Graben und in dessen Fort- che Pferdegöpelhäuser den Zeichnern setzung ein Stollen das Wasser zu den als abbildenswert galten. Wasserrädern. Über die genaue Lage von Wehr, Graben und Stollen ist heute Es kann daneben aber durchaus noch allerdings nichts mehr bekannt. andere Pferdegöpel am Rammelsberg gegeben haben und sicher sind nicht 1561 wurde der Herzberger Teich alle kleinen Schächte mit ihren Haspel- angelegt. Der Teich hatte eine Ablass- häusern und Kauen abgebildet. möglichkeit, den so genannten Grund-

44 1600 striegel, der im Teichtiefsten begann und unter dem Teichdamm hindurch führte. Vom unteren Ende des Grund- striegels führte ein kurzer Graben zum Mundloch eines Stollens, der das Was- ser unter dem Einfahrhaus hindurch zu den mittlerweile zwei Wasserrädern Abb. 1600.3: Tagesanlagen im Jahre leitete. Im Teich stand auf Stelzen ein 1606. Ausschnitt aus einer Darstellung Striegelhäuschen. Von dort konnte über von Zacharias Koch. Abgebildet sind ein Gestänge der Striegeleinlass betätigt (v. l. n. r.) der Maltermeister Turm, die werden (s. Abb. 1600.5). Pferdegöpel der Gruben Hohe Wardte, Voigtsche, Inning, Breidtling, Kanekuhl, Nachtigal, Teutsche (Serenissimorum Tiefste) und Das Alte (Rathstiefste).

Abb. 1600.4: Göpel Rahtstief- ster Schacht. Ausschnitt aus einer Riss- und Schnittdarstel- Abb. 1600.2: Tagesanlagen im Jahre lung aus der 1574. Ausschnitt aus einer Darstellung Mitte des 17. Jahrhunderts. Aus der von Matz Sincken. Abgebildet sind in Sammlung von Heinrich Stöcker der oberen Gebäudereihe die Pferde- göpel der Gruben Hohe Warte (links) und Voigtsche (Mitte) und darunter (v. l. n. r.) die Kaue der Grube Siehdichum, die Schmiede der städtischen Gruben, der Maltermeister Turm, die Kaue der Grube Eschenstall und die Göpel der Gruben Breidling, Kanekuhle und Serenissimorum Tiefste (zum großen Teil verdeckt durch den Schriftzug „Marcktkirche“).

Abb. 1600.5: Herzberger Teich mit Ablassmöglichkeit und den zwei Was- serläufen (Stollen), die das Wasser nach untertage zu den Wasserrädern führten. Rechts am Teichdamm der Überlauf. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Just Schreiber. 1712

45 1650

Abb. 1650.1: Tagesanlagen um das Jahr 1650. Skizze vom Verfasser M: Maltermeister Turm rot: Göpel der Gruben Hohe Warte und Neuer Deutscher Schacht. Abkürzungen für die Schachtnamen wie zuvor (s. Abb. 1600.1). Kunst: das Kunststeigerhaus.

Der Schacht der Grube Eschenstall nun als Neuer Serenissimorum Tiefster war ein Beispiel für einen der ausge- Schacht bezeichnet. Der ausgebrannte brannten Schächte. Er ließ sich danach Schacht hieß daraufhin wieder Deut- nicht mehr wieder herstellen. Seine scher Schacht und diente nur noch Erzförderung übernahm der in unmit- zur Bewetterung. Auch der Schacht telbarer Nähe befindliche Schacht der der Grube Breidling brannte aus und Grube Hohe Warte (s. Abb. 1650.2). blieb nur als Wetterschacht in Funkti- on. Genauso war es beim Schacht der Ein anderes Beispiel ist der Deutsche Grube Breidling, der dann statt des Schacht, seit dem späten 16. Jahr- ehemaligen Göpelhauses eine kleine hundert auch Serenissimorum Tiefster Kaue erhielt (s. Abb. 1650.3). Schacht genannt. Er war ebenfalls aus- gebrannt und damit als Förderschacht Die Wasserhaltung musste Schritt unbrauchbar geworden. Seine Auf- halten mit der Entwicklung der Gruben gaben übernahm ein eigens dafür in nach der Teufe. 1652 wurde ein drittes der Nähe neu geteufter Schacht. Er Kunstrad für den Bulgenschacht gebaut erhielt einen Pferdegöpel und wurde und ein neuer etwas höher gelegener

46 1650

Stollen angelegt, der jetzt Oberer Was- serlauf genannt wurde (s. Abb. 1600.5 und Abb. 1650.4).

Der Kunststeiger und der Kunst- knecht hatten Betriebswohnungen, die sich beide in einem Haus unmittelbar an den beiden Wasserläufen befan- Abb. 1650.4: Oberer Wasserlauf (gelb). den (s. Abb. 1650.5, 1650.6, 1765.3, Zeichnung von 1748 1830.2, 1850.2, 1850.3 und 1905.3). Dieses Haus ist 1962/63 abgerissen worden.

Abb. 1650.5: Kunststeiger- und Feu- erwächterhaus. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Just Schreiber aus dem Jahre 1712

Abb. 1650.2: Kaue der Grube Eschen- stall, die nach dem Grubenbrand kei- nen Pferdegöpel mehr erhalten hatte. Ausschnitt aus einer Nachzeichnung. Original von Joachim Christoph Buch- holtz. 1712

Abb. 1650.6: Kunststeigerhaus, Kaue vom Einfahrschacht und Stollenmund- löcher des Unteren und Oberen Wasser- laufs. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johann Heinrich Krauss aus dem Jahre 1755. Blickrichtung Süden. Braun und hellblau sind untertägige Bauwerke dargestellt.

Abb. 1650.3: Kaue der Grube Breitling. Ausschnitt aus einer Zeichnung von 1759

47 1700

Abb. 1700.1: Tagesanlagen um das Jahr 1700. Skizze vom Verfasser M: Maltermeister Turm rot: neu angelegter Göpel der Grube Lüdersüll und neue Schächte der Grube Richt- schacht (Ri), T: Grube Tageschacht, westlich davon Grube Siehdichum und Winkler Schacht

Das Problem der Schachtbrände Grubeneigentümer nach, mehr Erz setzte sich auch im 18. Jahrhundert zu fördern. Diese Gewinnungspunkte fort. Ein verheerender Brand in der bekamen Schächte im Liegenden des Grube Hohe Warte vernichtete den Alten Lagers und wurden organisa- zugehörigen Schacht (s. Abb. 1700.2), torisch zusammengefasst unter der der sich dann ebenfalls nicht mehr als Bezeichnung Grube Richtschacht (s. Förderschacht verwenden ließ. Er hatte Abb. 1700.4, nicht zu verwechseln fortan nur noch ein kleines Haspel- mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts haus. Seine Aufgaben übernahm die geteuften gleichnamigen Schacht). Grube Lüdersüll, deren Förderschacht Die fünf Tagesschächte dieser Grube dafür einen Pferdegöpel erhielt (s. Abb. waren allesamt verhältnismäßig flach 1700.3). und deshalb nicht mit Pferdegöpeln, sondern nur mit Handhaspeln und Has- Zusätzlich zu den bestehenden Gru- pelhäusern ausgestattet. ben ließ das Bergamt Goslar neue Gewinnungspunkte anlegen. Damit In diesem Zusammenhang entstand kam es dem Wunsch der staatlichen auch die Grube Tageschacht. Sie lag in

48 1700 nordöstlicher Verlängerung der beste- henden Gruben und baute Erze des äußersten nordöstlichen Teils des Alten Lagers ab. Die Grube hatte ebenfalls einen relativ flachen Schacht, der keine Pferdegöpel sondern einen Handhaspel mit Haspelhaus hatte (s. Abb. 1700.5).

Abb. 1700.4: drei Haspelhäuser der neu- en Grube Richtschacht

Abb. 1700.2: ausgebrannte Gruben Eschenstall und Hohe Warte

Abb. 1700.5: Haspelhaus der neuen Gru- be Tageschacht Ausschnitte aus einer Zeichnung von Johann Just Schreiber. 1712

Abb. 1700.3: neuer Göpel der Grube Lüdersüll

49 1740

Abb. 1740.1: Tagesanlagen um das Jahr 1740. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Feldgestänge zwischen dem Göpel der Grube Kanekuhle und dem Serenissimo- rum Tiefsten Schacht, vormals Deutscher Schacht, nachdem der Göpel des Serenissi- morum Tiefsten Schachts abgebrannt war

Nach dem erneuten Brand des ändern. Bei Kunstgestängen, die vor Neuen Serenissimorum Schachtgö- allem dem Antrieb von Hubkolben- pels entschloss sich das Bergamt, ihn pumpen dienten, war das nicht not- nicht wieder aufzubauen. Stattdessen wendig. Hier musste nur eine Hin- und erhielt der Schacht ein Schleppwerk Herbewegung übertragen werden. Bei (ein Feldgestänge), das ihn mit dem Fördermaschinen sollte jedoch wahl- Pferdegöpel des Kanekuhler Schachtes weise eine Links- oder Rechtsdrehung verband. Damit konnte wahlweise die der Seiltrommel beziehungsweise im Erzförderung des einen oder des ande- Schacht eine Auf- oder Abbewegung ren Schachtes mit ein und demselben der Fördergefäße ermöglicht werden. Pferdegöpel betrieben werden (s. Abb. 1740.2). Das Feldgestänge war im Prinzip eine doppelte Ausführung der Kunst- Feldgestänge sind die Weiterent- gestänge. Beide Gestänge hatten in wicklung von Kunstgestängen, hatten ihrer Bewegung eine Phasenverschie- jedoch die Möglichkeit, die Dreh- bung von 90°. Das Schachthaus des richtung der angetriebenen Anlage zu Kanekuhler Schachtes hatte für den

50 1740

Anschluss des Feldgestänges einen gesonderten Anbau und wahrscheinlich ein Kammradgetriebe (s. Abb. 1740.3 und 1740.4)

Abb. 1740.4: Kanekuhler Schacht, Aus- schnitt aus einem Riss von Johann Hein- rich Krauss. 1775 rund: Pferdeumlauf rechteckig: Schachthaus mit Anbau für Abb. 1740.2: Feldgestänge zwischen dem das angeschlossene Schleppwerk zum Kanekuhler und dem Serenissimorum Serenissimorum Tiefsten Schacht Tiefsten Schacht. Ausschnitt aus einer Schnittdarstellung von Johann Heinrich Krauss. 1775 (Nachzeichnung)

Abb. 1740.3: Kanekuhler Schacht. Aus- schnitt aus einer Zeichnung von 1759

51 1765

Abb. 1765.1: Tagesanlagen um das Jahr 1765. Skizze vom Verfasser M: Maltermeister Turm rot: Feldgestänge zwischen Kehrrad und dem Serenissimorum Tiefsten Schacht und die Vergrößerung des Herzberger Teichs über den Gruben: der Communion Steinbruch

1750 waren der Serenissimorum Kehrrad bergauf zum Serenissimorum Tiefste und der Kanekuhler Schacht mit Tiefsten Schacht verlief. Dort schloss einem Kehrrad und einem Feldgestän- das bereits zwischen Kanekuhler und ge ausgerüstet worden. Aus Gründen Serenissimorum Tiefsten Schacht vor- der Kostenersparnis wurde jedoch nur handene Feldgestänge an. Die Kehr- eine Kehrradanlage gebaut. Deshalb rad- und Feldgestänge-Anlage arbeitete konnte, wie zuvor mit dem gemein- bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahr- samen Pferdegöpel, nur wahlweise der hundert, gab aber schon bald Anlass eine oder der andere Schacht betrieben zur Kritik. Als großes Problem stellte werden. sich bald heraus, dass die Anlage nicht leistungsstark genug war, daher konn- Das Kehrrad befand sich übertage ten die anderen Förderschächte bezie- in einem eigens dafür unterhalb des hungsweise ihre Pferdegöpel nicht voll- Damms vom Herzberger Teich errich- ständig ersetzt werden. Zudem erwies teten Haus (s. Abb. 1765.2 bis 1765.4). sich das Feldgestänge als sehr störan- Die Kraftübertragung erfolgte über ein fällig und wartungsintensiv, besonders neu erbautes Feldgestänge, das vom im Winter.

52 1765

Abb. 1765.2: Schnitt entlang des neu angelegten Feldgestänges. Blick nach Norden. Ausschnitt aus einer Schnittdarstellung von Johann Heinrich Krauss, 1775 Links der Herzberger Teich mit dem Kehrradhaus an seiner rechten Seite. Der Teich liegt eigentlich nicht in der Bildebene, ist aber aus Gründen der besseren Verständlich- keit trotzdem eingezeichnet.

Die Gewinnung von Versatzmassen für die Verfüllung untertägiger Hohl- räume war im 18. Jahrhundert ebenfalls umgestellt worden. Bis dahin hatte es mehrere kleinere Steinbrüche am Nordwest- und Westhang des Ram- melsbergs gegeben. Nun konzentrierte sich die Gewinnung auf einen lei- stungsstarken Steinbruch, den Commu- nion Steinbruch.

Abb. 1765.4: Erweiterung des Herz- berger Teichs. Zeichnung aus dem Jahr 1769. Sammlung Heinrich Stöcker dunkleres grün: vorherige Größe helleres grün: Teichform nach der Ver- größerung links oben: Kehrradhaus

Abb. 1765.3: Kehrrad und Kehrradhaus. Blick nach Süden. Skizze vom Verfasser ObW.: Oberer Wasserlauf

53 1790

Abb. 1790.1: Tagesanlagen um das Jahr 1790. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: In der Bildmitte rechts der Bremsberg zwischen Brandstaubschuppen (BS) und Brandstaubwäsche (BW). In der Bildmitte oben der Bremsberg zwischen dem Communion Steinbruch und dem Kanekuhler Schacht (K), darunter der Röstofen.

Als Brandstaub wurde ein Gemenge wechselseitig jeweils ein vierrädriger aus Asche, Holzkohle und feinen Erz- Förderwagen hinauf und einer hinab fraktionen bezeichnet, das sich beim fuhr. Die Räder hatten keine Spur- Feuersetzen auf der Sohle der Abbau- kränze. Die Schienen waren deshalb orte bildete. Das darin enthaltene Erz U-förmig. wurde nach 1775 aus den Brandstaub- halden zurück gewonnen und zusam- Der Communion Steinbruch erhielt men mit dem neu in den Gruben anfal- einen ähnlichen Bremsberg. Er führte lenden Brandstaub in einem eigens zu hinunter zu den Tagesanlagen des diesem Zweck errichteten Schuppen Kanekuhler Schachtes, durch den gesammelt (s. Abb. 1790.3). Von dort Versatz nach untertage gelangte (s. führte ein Bremsberg hinab zur neu Abb. 1790.2, Abb. 1880.2 und Abb. erbauten Brandstaubwäsche (s. Abb. 1.3.1.10). 1790.2 und 1.3.3.2). Der Bremsberg bestand aus zwei größtenteils auf Holz- Ende des 18. Jahrhunderts wurde am böcken montierten Gleisen, auf denen Rammelsberg der Versuch unternom-

54 1790 men, die geförderten Erze unmittelbar neben den Schächten dem ersten Ver- hüttungsschritt zu unterziehen, dem Rösten. Diese Rösthütte hatte einen für damalige Verhältnisse modernen regelrechten Röstofen (s. Abb. 1790.4). Im Gegensatz dazu rösteten die beste- henden Unterharzer Hütten das Erz in Abb. 1790.3: Brandstaubschuppen. Aus- der Art von Meilern in offener Haufen- schnitt aus einer Zeichnung von F. H. röstung. Der Rammelsberger Röstofen Spörer. 1790. bewährte sich, erforderte jedoch zu Im Hintergrund das Feldgestänge zwi- hohe Transportkosten für die anzulie- schen dem Serenissimorum Tiefsten und fernden Brennstoffe. Er wurde deshalb dem Kanekuhler Schacht nach kurzer Zeit wieder abgerissen.

Abb. 1790.2: Künstlerische Darstellung Abb. 1790.4: Zeitgenössische Zeichnung des Rammelsbergs. Melchior Kraus. der Rösthütte. Rechts daneben das 1784 Göpelgebäude des Kanekuhler Schach- Links: der Maltermeister Turm mit tes. Titelblatt Bergbaukunde. Zweiter Schmiedegebäude (links daneben) Band. Georg Joachim Goeschen. 1790 Unter der Bergkuppe: der Bremsberg vom Communion Steinbruch hinunter zum Kanekuhler Schacht. Rechts daneben das dem Zeichner wahrscheinlich etwas zu groß geratene Gebäude: Brandstaubschuppen mit abwärts führendem Bremsberg zur Brandstaubwäsche. Parallel dazu rechts daneben: Feldge- stänge vom Kehrrad (unten) am Pferde- göpel des Rahtstiefsten Schachtes vorbei zum Serenissimorum Tiefsten Schacht (etwas verdeckt dargestellt). Rechts daneben: die Schmiede der lan- desherrlichen Gruben.

55 1810

Abb. 1810.1: Tagesanlagen um das Jahr 1810. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Vorhaus der Tagesförderstrecke, die beiden Vitriolvorratshäuser und die beiden Verladerampen des Erzfreilagers

Ein wesentlicher Teil des 1795 bis gelangte wie das Erz durch die Tages- 1804 eingerichteten Erzfördersy- förderstrecke nach übertage. stems war ein neuer Hauptförderstol- len, Tagesförderstrecke genannt. Ein Vor dem Mundloch der Tagesförder- großer Teil der Tagesanlagen befand strecke wurde 1804 das so genannte sich nun an dessen Mundloch. Die Vorhaus errichtet. Das Mundloch befand Tagesanlagen im Bereich des Malter- sich im Inneren des Gebäudes. Im Unter- meister Turms verloren daraufhin an geschoss waren Büros und im Oberge- Bedeutung. Die Pferdegöpel blieben schoss eine Wohnung für Betriebsbeamte als Reserve-Förderanlagen bestehen. eingerichtet worden (s. Abb. 1810.2). Sie kamen besonders in Zeiten mit zu wenig Kehrrad-Aufschlagwasser und Die erzgefüllten Förderwagen fuhren bei technischen Problemen der neuen durch das Vorhaus und über den neu Anlage zum Einsatz. Der Brandstaub- planierten oberen Zechenplatz zu zwei schuppen und der zugehörige Brems- hölzernen Verladerampen. Das Erz berg wurden abgerissen. Die Brand- wurde dort nach Erzqualitäten getrennt staubhalden waren längst abgebaut für einen späteren Abtransport zwi- und der Brandstaub aus den Gruben schengelagert (s. Abb. 1810.3).

56 1810

Abb. 1810.2: Vorhaus der Tagesförderstrecke um das Jahr 1810. Sammlung Hein- rich Stöcker

Nicht der Witterung ausgesetzt werden durfte der so genannte Kup- ferrauch. Darunter sind vitriolische Sekundärmineralisationen zu verste- hen, deren untertägige Gewinnung neben dem Erzabbau betrieben wur- de. Für die Kupferrauchlagerung ent- standen auf dem unteren Zechenplatz kleinere Schuppen (s. Abb. 1830.3 Nr. 12 und Abb. 1850.4).

Abb. 1810.3: Erzfreilager unterhalb des Vorhauses. Foto aus der Zeit um 1905. So ähnlich werden das Erzfreilager und die Pferdefuhrwerke auch hundert Jahre zuvor ausgesehen haben.

57 1830

Abb. 1830.1: Tagesanlagen um das Jahr 1830. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Unterhalb des Teichdamms rechts das Pulverhaus und links der Kalkofen. In der Bildmitte unten zwei Schmieden, nördlich vom Vorhaus das Teerhaus und zwischen Kunststeigerhaus und Brandstaubwäsche ein Vorratsschuppen

Anfang des 19. Jahrhunderts sind im portieren als Brannt- oder Löschkalk Bereich Vorhaus-Brandstaubwäsche- beziehungsweise Mörtel. Außerdem Erzfreilager mehrere Gebäude gebaut war dadurch der benötigte Mörtel frisch worden. Die Schmieden, die sich bis und schnell verfügbar. dahin am Maltermeister Turm und am Serenissimorum Tiefsten Schacht Ebenso war es damals üblich, größere befunden hatten, wurden aufgegeben Mengen Teer im Bereich des Betriebs- und stattdessen einschließlich eines geländes zu lagern. Teer war damals Vorratsschuppens an der Brandstaub- ein vielseitig eingesetztes Produkt, zum wäsche neu aufgebaut. Dazu kam ein Beispiel als Dichtmittel. Heute ist fast Kalkofen unterhalb des Herzberger völlig in Vergessenheit geraten, dass Teichdamms (s. Abb. 1830.2). Es war damals spezielle Teersorten die wich- damals üblich, den benötigten Brannt- tigsten Schmiermittel waren, woran bei kalk selbst auf dem Betriebsgelände den vielen mechanischen Anlagen des herzustellen. Das sparte Transportpro- Bergwerks ein großer Bedarf bestand. bleme und -kosten, denn ungebrannter Das Teerhaus stand nördlich vom Vor- Rohkalkstein ließ sich einfacher trans- haus (s. Abb. 1830.2 und Abb. 1850.3).

58 1830

Ein übertage sichtbares Zeichen des Es stand etwas abseits der anderen vermehrten Einsatzes der Bohr- und Tagesanlagen unterhalb des Herzberger Sprengtechnik in der untertägigen Teichdamms am Fuße des Herzbergs Erzgewinnung war das Pulverhaus. (s. Abb. 1830.2).

Abb. 1830.3: Ausschnitt aus einem Tage- 10: Schmieden riss, etwa 1850. 11: Vorratsschuppen Es bedeuten 12: Kupferrauchschuppen 1: Wohnhaus für Betriebsbeamte 13: Kalkofen 2: Zechenhaus (Bürogebäude) 14: Deutscher Wetterschacht 3: Pulverhaus (Schwarzpulvermagazin) 15: Kahnekuhler Schacht 4: (Zahl fehlt auf der Abbildung) 16: Innier Schacht 5: Wohnhaus des Kunststeigers und 17: Voigtscher Schacht Kunstknechts 18: Lüdersüller Schacht 6: Brandstaubwäsche 19: Winkler Schacht 7: Vorhaus 20: Schacht der Grube Tageschacht 8: Teerhaus 21: Schächte der Grube Richtschacht 9: Einfahrhaus 22: Maltermeister Turm

59 1850

Abb. 1850.1: Tagesanlagen um das Jahr 1850. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Anbauten hinter und neben dem Vorhaus, daneben des neue Bürohaus

Mitte des 19. Jahrhunderts konzen- fünf Jahre, weil die von Seiten des trierte sich das übertägige Betriebsge- Goslarer Pfarrers erhobene Entschä- schehen weitgehend auf den Zechen- digungsforderung in einer mehrjäh- platz vor dem Vorhaus, das eine zentra- rigen Auseinandersetzung erörtert und le Funktion als Sitz der Grubenleitung geprüft werden musste. hatte. 1871 hatte es einen hinteren und einen seitlichen Anbau erhalten. Südlich vom Vorhaus war ein vor- Dort konnten sich etwa 200 Bergleu- erst einstöckiges Bürogebäude gebaut te umkleiden, was bis dahin in der worden (s. Abb. 1850.4). Ein weiteres zugigen Tagesförderstrecke geschehen Haus, das noch heute als Wohnhaus musste. Der Umkleideraum diente ab genutzt wird, bewohnte zu dieser Zeit 1876 auch als Betstube. Vorher gingen der oberste Betriebsbeamte. Es steht die Bergleute jeden Montag vor der am Fuße des Herzbergs gegenüber vom Schicht zur wöchentlich abgehaltenen heutigen Museumshaupteingang. Andacht in die Clauskapelle. Die alten Gebäude auf den Schäch- Zwischen der Fertigstellung des ten waren um 1850 noch weitgehend Umkleide- und Betraums und seiner erhalten, hatten aber keine Pferdegö- Inbetriebnahme als Betstube vergingen pel mehr. Sie dienten den bis 1910

60 1850

Abb. 1850.2: Gesamtansicht von 1837 von C. Rosenbaum. Das Kassen- und Büro- gebäude scheint kurze Zeit später gebaut worden zu sein, denn rechts neben dem Vorhaus sind an der Böschung bereits Spuren vorbereitender Arbeiten zu erkennen. Die Dampfwolke steht über einem der ausziehenden Wetterschächte. B: Brandstaub- wäsche, E: Einfahrschacht, K: Kunststeigerhaus, M: Maltermeister Turm, R: Rat- stiefster Schacht, S: Schmieden, T: Teerhaus, Vit: Vitriollagerhäuser, V: Vorhaus der Tagesförderstrecke, VS: Vorratsschuppen, Z: Zechenhaus betriebenen sechs Wetterschächten als (Einfahrkäh), durch das nach wie vor Schutz vor der Witterung. Eine beson- die Belegschaft der südwestlichen Gru- dere Bedeutung hatte das Einfahrhaus ben nach untertage gelangte.

Abb. 1850.4: Gebäude im Bereich des Vorhauses. Ausschnitt aus einem Gemäl- de von Wilhelm Riepe aus dem Jahre Abb. 1850.3: Teerhaus (links), Vorhaus 1877. Foto von Stefanie Kammer. (großes Gebäude in der Bildmitte), Büro- Mit rotem Dach von links nach rechts: haus (rechts, hier schon mit Obergeschoss), Werkstatt, Magazin, Vorhaus, Büroge- Einfahrschacht (dahinter) und Wohn- bäude und Kunststeigerhaus. haus von Kunststeiger und Kunstknecht Davor Erzfreilager mit Vitriolvorrats- (rechts). Foto aus der zweiten Hälfte des häusern. Erhöht dahinter der Rathstief- 19. Jhd., Sammlung Heinrich Stöcker ste Schacht.

61 1870

Abb. 1870.1: Tagesanlagen um das Jahr 1870. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm, rot die neuen Gebäude: nördlich vom Vorhaus das Magazin und die Werkstatt, an der Abzucht ein Vorratshaus und eine Schmiede

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden gen. 1870 wurde ein neuer Schacht, der nördlich vom Vorhaus zwei weitere so genannte Flache Schacht geteuft, der Gebäude errichtet: ein Magazin und ausschließlich dem Versatztransport eine Werkstatt. Beide Gebäude waren nach untertage diente. Er war eigent- frei stehend, einstöckig und wurden lich eher ein 50° geneigtes Rollloch, erst 1941 abgerissen. Sie hatten etwa in dem die Versatzmassen selbständig die gleiche Ausrichtung wie das Vor- hinunter rutschten. Der Versatz konnte haus, so dass nun vier Gebäude in einer über ein Gleis antransportiert werden, Reihe vor dem Mundloch der Tagesför- das vom Bremsberg am Kanekuhler derstrecke standen (s. Abb. 1850.4 und Schacht zum Flache Schacht führte. 1870.2). Die Versatzmassen wurden aus den Förderwagen in den Schacht gekippt. Der Kanekuhler Schacht, auf den Diese Kippstelle befand sich in einem sich der Versatztransport konzentrierte, Gebäude, das ein aus Sandstein gemau- war in den 1860er Jahren trotz der ertes Fundament hatte. Darauf stand ein eingeführten Nachtarbeit nicht mehr pultförmiges nach Nordwesten offenes in der Lage, die kräftig gestiegenen Dach (s. Abb. 1870.3). Heute sind Erz- und Versatzmengen zu bewälti- vom Flachen Schacht nur noch Reste

62 1870 des Gebäudefundamentes zu sehen. Sie liegen ziemlich versteckt im Wald (s. Abb. 1870.4). Der zugehörige Tagebau für die Versatzmassengewinnung ist einfacher zu finden. Er befindet sich in der letzten engen Kurve der Straße zum Maltermeister Turm und dient heute als Parkplatz. Seine ursprüngliche Funkti- on ist aber weitgehend in Vergessenheit geraten (s. Abb. 1870.5).

Abb. 1870.2: Gesamtansicht von Westen. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker B: Brandstaubwäsche, E: Erzlager der Abb. 1870.3: Gebäude auf dem Flachen Brandstaubwäsche, H: Holzlager, K: Schacht, Ausschnitt aus zwei Gemälden Kassen- und Bürohaus, M: Maltermeister von Wilhelm Riepe aus dem Jahre 1877. Turm, S: Schmiede, T: Teerhaus, V: Vor- Foto von Stefanie Kammer. Blick nach haus der Tagesförderstrecke, Vit: Vitriolla- Nordosten mit dem Sudmerberg im Hin- gerhäuser, W: Werkstatt tergrund (o.) und nach Südosten (u.).

Abb. 1870.5: „Pferdetränke“, Mundloch Abb. 1870.4: Gebäudefundamentreste des des Stollens vom ehemaligen Versatzstein- Flachen Schachts. Foto von Ulrich Kam- bruch (heute Parkplatz) zum Flachen mer. 2008 Schacht. Foto vom Verfasser. 2008

63 1880

Abb. 1880.1: Tagesanlagen im Jahre 1880. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Tagesanlagen des Kanekuhler Schachtes mit ursprünglichem Schornstein, Ein- hausung des Fördergerüstes, Dampfmaschinen- und Kesselhaus

Anfang der 1870er Jahre fiel die Abb. 1.3.4.1). Zur Kraftübertragung Entscheidung für eine Umrüstung der dienten ein Vorgelege mit Kuppelstan- Erzförderung auf eine zentrale Dampf- gen, zwei Kunstdreiecke und zwei im maschinenanlage. Sie ging 1875 in Schacht hängende Gestänge. Sie wur- Betrieb und lief parallel zu der alten den gleichzeitig als (Hubkolben-) Pum- untertägigen Kunst- und Kehrradanla- penantrieb und als Fahrkunst benutzt. ge, sodass die kostengünstige Wasse- Außerdem trieb die Dampfmaschine renergie weiter genutzt werden konnte. eine Zweizylinder-50 PS-Kompresso- renanlage über ein gesondertes Vorge- Als Standort für die Dampfkraft- lege an (s. Abb. 1.3.5.2 und 1.3.5.3). Im anlage war der Kanekuhler Schacht Kesselhaus waren drei Zweiflammrohr- gewählt worden. Sein Pferdegöpel wur- Kessel untergebracht (s. Abb. 1880.4). de abgerissen und stattdessen ein neues Der zugehörige Schornstein hatte eine Fördergerüst mit Dampfhaspel gebaut Höhe von 35 m. (s. Abb. 1880.2, 1880.3 und 1.3.1.10). Zu der Anlage gehörte außerdem eine 1875 wurde das Bergamt infolge des Dampfmaschine, die die im Schacht neuen Berggesetzes umgewandelt in arbeitenden Wasserpumpen antrieb (s. eine Berginspektion. Sie zog aus dem

64 1880

Bergamtsgebäude am Goslarer Markt aus und erhielt 1876 ihren Sitz im südlich vom Vorhaus stehenden und ursprünglich eingeschossigen Büro- haus, das eigens dafür ein Obergeschoss erhalten hatte. In diesem „Bureau- und Cassen-Local vor dem Rammelsberge“ zog auch die Bergwerkskasse ein (s. Abb. 1870.2). Abb. 1880.3: Kanekuhler Dampfkraftanla- ge. 1875. Bergarchiv Clausthal links das ursprüngliche Maschinenhaus mit (von links nach rechts) Förderma- schine, Wasserpumpenantrieb und Kom- pressor, hinter dem Maschinenhaus: das Schachthaus, rechts: die Dampfkesselanla- ge mit dem ursprünglichen Schornstein

Abb. 1880.2: Kanekuhler Schacht Tage- sanlagen (rechts), Maltermeister Turm (links) und Communion Steinbruch (oben) um 1877. Blick nach Nordosten. Ausschnitt aus einem Gemälde von Riepe. Foto von Stefanie Kammer. 2008 Abb. 1880.4: Maschinen des Kanekuhler Schachtes. 1875. Bergarchiv Clausthal links: die Zweizylinder-Fördermaschine mit 35,5 PS und doppelt konischer Seil- trommel in der Bildmitte: die Einzylinder-Wasser- haltungsmaschine, die über das Vorgelege das Kunstgestänge trieb rechts: ursprüngliche Anordnung der zwei „nassen“ Hubkolben-Kompressoren, ange- trieben von der Wasserhaltungs-Dampf- maschine über ein zweites Vorgelege. Der zunächst geplante zweite Zylinder Abb. 1880.5: Erweiterung der Tagesanla- (rechts unten, hellbraun gezeichnet) wur- gen des Kanekuhler Schachtes. 1877. Berg- de nicht benötigt und deshalb auch nicht archiv Clausthal gebaut.

65 1890

Abb. 1890.1: Tagesanlagen um das Jahr 1890. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Kanekuhler Schacht mit neuem Schornstein, Kühlturm, nordöstlichem Anbau am Maschinenhaus und neuem Gebäude südwestlich vom Kesselhaus.

Am 19. November 1880 hatte ein Hinzu kam noch ein als Werkstatt und Orkan den großen Schornstein der Bürogebäude dienendes quer stehendes Kanekuhler Dampfkraftanlage umge- Gebäude südwestlich vom Kesselhaus worfen. Nur ein etwa zehn Meter hoher (vgl. Kap. 1.3.5., s. Abb. 1.3.5.3) und Stumpf war stehen geblieben. Die ein Kühlturm für die bis dahin ohne Schornsteintrümmer lagen bis dicht Kondensator laufenden Dampfmaschi- an das Schwungrad der Wasserhal- nen. tungsdampfmaschine, hatten aber nur Schäden am Gebäude angerichtet (s. Der zerstörte Schornstein wurde Abb. 1890.2). nicht am alten Standort und in sei- ner ursprünglichen Größe wieder auf- Bereits zuvor waren die Maschi- gebaut, sondern durch einen deutlich nenhalle für die neue, von einer eige- kleineren ersetzt. Das neue Schorn- nen Dampfmaschine angetriebenen steinfundament stand erhöht auf der Kompressorenanlage nach Nordosten Böschung oberhalb des Kesselhauses. verlängert und das Kesselhaus im Süd- Der Schornstein erreichte dadurch an westen für einen vierten Dampfkessel seinem oberen Ende die gleiche Höhe erweitert worden (s. Abb. 1880.6). wie sein Vorgänger (s. Abb. 1890.3 und

66 1890

1890.4). Vom Kesselhaus führte ein Rauchkanal die Böschung hinauf zum neuen Schornstein. Heute sind davon nur noch Fundamentreste erhalten (s. Abb. 1890.5).

Abb. 1890.2: Skizze von dem durch den Orkan umgestürzten Schornstein. 1880. Bergarchiv Clausthal Die Pfeile deuten die vermutete Wind- richtung an.

Abb. 1890.3: Tagesanlagen des Kanekuh- ler Schachtes nach dem Umbau. Aus- schnitt aus einem Foto aus der Samm- lung Heinrich Stöcker Am rechten Bildrand der neue auf der Böschung stehende Schornstein.

Abb. 1890.4: Tagesanlagen des Kanekuh- ler Schachtes mit Schornstein am Hang. Schnittdarstellung von Behme. 1890 Irritieren mag an dieser Darstellung, dass der Bremsberg, der vom darüber liegenden Communion Steinbruch zum Kanekuhler Schacht führt, und der Abb. 1890.5: Fundamentreste des Kane- Schornstein scheinbar zusammen liegen. kuhler Schornsteins. Foto vom Verfasser. Das Vorhaus der Tagesförderstrecke ist 2008, Im Hintergrund der Maltermeister mit „Einfahrt“ bezeichnet. Turm und die Ortslage Goslar

67 1905

Abb. 1905.1: Tagesanlagen im Jahre 1905. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Links die zu einem Gebäude vereinigten Magazin- und Werkstattgebäude, rechts daran angeschlossen das Zechenhaus, dahinter die Waschkaue. Noch weiter rechts das neue Verwaltungsgebäude (Berginspektion).

Im Bereich des Stollenmundloches des Vorhauses. Es diente offensichtlich der Tagesförderstrecke ließ sich der dem Materialtransport (s. Abb. 1905.5). Gleisradius nicht in dem Maße vergrö- Im Jahre 1900 wurden das Magazin- ßern, wie es für den vorgesehenen Ein- und das Werkstattgebäude zu einem satz einer Dampfspeicherlok notwendig durchgehenden Gebäude verbunden. war. Deshalb wurde etwas südlich vom Das Verbindungsbauwerk erhielt einen Vorhaus ein neues Mundloch angelegt, nach Westen zeigenden Dachgiebel. das übrigens noch heute für die Gru- 1901 bis 1904 entstanden zwei weitere benbahnfahrt unserer Besucher genutzt Verwaltungsgebäude. Eins davon, die wird (s. Abb. 1905.2). Wenige Meter so genannte Berginspektion, ist noch vor dem Vorhaus fuhren die vollen För- heute erhalten und wird als Wohnhaus derwagen auf dem Weg zum Freilager und Gaststätte genutzt (s. Abb. 1905.3 durch ein neu errichtetes Waagegebäu- und 1905.4). Das andere, nicht mehr de. Die leeren Wagen fuhren seitlich erhaltene, stand nördlich vom Vorhaus. daran vorbei (s. Abb. 1910.3). Ein drit- Es schloss an das Magazin- und Werk- tes, ebenfalls neu aufgefahrenes Mund- stattgebäude an. Dahinter wurde ein loch befand sich auf der anderen Seite zentrales Kauengebäude errichtet. Bis

68 1905 dahin gab es nur viele verstreut lie- gende Umkleideräume und noch keine durch die Betriebsleitung eingerichtete Waschmöglichkeit für die Belegschaft. Die Kaue hatte einen Anschluss nach untertage, sodass man von der Kaue direkt zur Kabelstrecke und von dort in die Tagesförderstrecke gelangen konn- te. Kaue und Zechengebäude waren im Abb. 1905.4: Berginspektionsgebäude. ersten Obergeschoss durch einen Über- Foto vom Verfasser. 2008 gang miteinander verbunden, unter dem die Werkstraße und das Gleis entlang führten (s. Abb. 1905.5 und Abb. 1910.3).

Abb. 1905.5: Holzplatz. Links das neue Zechenhaus und dahinter die Wasch- kaue. Rechts das Vorhaus mit dem neuen Abb. 1905.2: Neue Stollenmundlöcher südlichen Stollenmundloch der Tages- der Tagesförderstrecke. Nach oben aus förderstrecke. Foto aus der Sammlung dem Bildausschnitt herausführend die Heinrich Stöcker Kabelstrecke. Bergarchiv Clausthal Abb. 1905.6: Zechenvor- platz 1905. Skizze vom Verfasser B: Brandstaub- wäsche, Ef: Einfahr- schacht, Ex: Expidentenge- Abb. 1905.3: Feierliche Grundsteinlegung bäude, K: Kunststeigerhaus, M: Magazin, für das südliche Verwaltungsgebäude S: Schmiede, V: Vorhaus Vit: Vitriol- (Berginspektion) im Jahre 1901. Foto aus lagerhäuser, Vw: Verwaltungsgebäude/ der Sammlung Heinrich Stöcker. Hinter Berginspektion, Wa: Waagegebäude, We: dem Richtfestbaum das Kunststeigerhaus Werkstatt, Wk: Waschkaue, Z: Zechen- und der Damm des Herzberger Teichs. haus mit Übergang zur Waschkaue

69 1910

Abb. 1910.1: Tagesanlagen um das Jahr 1910. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Kraft-Zentrale mit Kesselhaus und Kohlebunker (links), Sieb- und Klaubeanla- ge (rechts daneben) und Erzfreilager (rechts darunter)

1910 wurde das Vorhaus abgerissen für die neuen Kompressoren wurde und dort eine Erzaufbereitungsanlage 1905 bis 1907 eine Kraft-Zentrale erbaut. Diese Sieb- und Klaubeanlage errichtet, später auch Elektrizitäts- oder erhielt das aufzubereitende Erz über die Energiezentrale genannt. Als Antrieb Tagesförderstrecke und einen kleinen der Elektrogeneratoren und Kom- Hebeschacht. Klaubearbeiter sortierten pressoren dienten große Sauggasmo- das Erz von Hand. Eine Seilbahnanlage toren der Firma Körting. Sie wurden transportierte die aufbereiteten Erze 1910 ersetzt durch dampfbetriebene zum Erzfreilager (s. Abb. 1910.4 und leistungsstärkere Maschinen der Fir- 1910.5 und Abb. 1.3.3.3 bis 1.3.3.5). ma Hanomag (vgl. Kap. 1.3.5.). Das Maschinengebäude hat einen runden Die Seilbahnanlage, die Maschinen Turm mit kegelförmigem Dach, in dem der Sieb- und Klaubeanlage und auch ein Kühlwasserhochbehälter unterge- die Fördermaschine des gerade fertig bracht ist. Neben dem Maschinengebäu- gestellten Richtschachtes waren elek- de entstanden 1909/10 ein Kesselhaus, trisch angetrieben. Der Rammelsberg ein Kohlebunker, ein Kühlturm und hatte allerdings noch keinen Anschluss ein großer Schornstein. Nördlich des an ein Fernleitungsnetz. Deshalb und Kesselhauses kamen neue Schlosserei-

70 1910 und Zimmereigebäude hinzu (s. Abb. 1910.3). Ebenfalls elektrisch angetrie- ben wurden die neue Fördermaschine des Winkler Wetterschachtes und der 1910 erbaute Rateau-Grubenlüfter, der seitlich an der Schachthalle stand (s. Abb. 1.3.1.1). Die Tagesanlagen des Winkler Wetterschachtes wurden in diesem Zusammenhang grundlegend erneuert (vgl. Kap. 1920). Abb. 1910.4: Tagesanlagen um 1920. Vorn rechts der Herzberger Teich, links die Ber- ginspektion. In der Bildmitte die Sieb- und Klaubeanlage. Dahinter der Gebäude- komplex Werkstatt-Magazin-Zechenhaus- Waschkaue, links dahinter Kraft-Zentrale und oben rechts der Maltermeister Turm. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1910.2: Tagesanlagen im Jahre 1908 mit Vorhaus und Kraft-Zentrale aber noch ohne Sieb- und Klaubeanla- ge. Blick vom Herzberg. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1910.3: Tageriss der neuen Gleise. Abb. 1910.5: Tageriss. In der Bildmitte Bergarchiv Clausthal rot: Gleise zum die Sieb- und Klaubeanlage mit Tagesför- Erzfreilager, blau: Gleis zum Lok- derstrecke und Kabelstrecke. Links oben schuppen, in dem die Dampfspeicherlok die Berginspektion. Unten rechts das neue Dampf aus dem Kesselhaus übernehmen Zechenhaus und die Waschkaue mit dem konnte Übergang. Bergarchiv Clausthal

71 1920

Abb. 1920.1: Tagesanlagen um das Jahr 1920. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: links die neuen Tagesanlagen des Winkler Wetterschachtes mit Bremsberg vom Communion Steinbruch, rechts Umbau der Brandstaubwäsche zur Flotations-Ver- suchsanstalt“

Das Gebäude der mittlerweile nicht Dieser begann am nordöstlichen Ende mehr benötigten Brandstaubwäsche des Communion Steinbruchs und ende- wurde umgenutzt für die Erforschung te an den Tagesanlagen des Winkler des damals neuartigen Flotationsver- Wetterschachtes (s. Abb. 1920.6). Sie fahrens. Äußerlich erkennbar war das waren 1908 durch den Bau einer neuen an dem in der Mitte erhöhten Dach (s. Schachthalle, eines Förderhaspels und Abb. 1920.3). eines „eisernen Treibebocks“ (Förder- gerüst) erneuerten worden. Haspel und Das im Communion Steinbruch Schacht bekamen je eine Wellblech- gewonnene Material war über hundert halle. Der Winkler Wetterschacht wur- Jahre über den Bremsberg abtrans- de weiter geteuft und im Durchmesser portiert worden, der zum Bereich erweitert. Der Bremsberg erhielt an der Tagesanlagen des Kanekuhler seinem unteren Ende eine Wagenent- Schachtes hinunter führte. Er wurde ladung mit kleinen Bunkern. Wenige mit der Umstellung des Winkler Wet- Meter darüber konnten die Versatzmas- terschachtes auf Versatztransport abge- sen zum Flachen Schacht abgezweigt worfen und durch einen neuen ersetzt. werden.

72 1920

Abb. 1920.4: Gleis zwischen der Werk- statt und der Waschkaue im Jahre 1911. Im Hintergrund die Kraft-Zentrale. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1920.2: Tagesanlagen um das Jahr 1920 von Süden gesehen. Vorn links die Sieb- und Klaubeanlage, Bildmitte: nördliches Verwaltungsgebäude (Zechen- haus), dahinter die Kraft-Zentrale. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1920.5: Tagesanlagen Winkler Wetterschacht (links) und Maltermeister Turm (rechts). Aufgenommen mit Blick nach Südwesten. Etwa 1920. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1920.3: Tagesanlagen um 1925. Vorn rechts Flotations-Versuchsanstalt mit hölzernem Kühlturm, in der Mitte der Gebäudekomplex Werkstatt-Maga- zin-Zechenhaus, dahinter die Kraft-Zen- trale. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1920.6: Tagesanlagen Winkler Wetterschacht aufgenommen mit Blick nach Nordosten. Etwa 1925. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker, Rechts der untere Teil des neuen Bremsberges.

73 1930

Abb. 1930.1: Tagesanlagen um das Jahr 1930. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Umspannwerk 1 (Bildmitte), rechts daneben Anbau an der Kaue als Zugang der Belegschaft zur neuen Gabelstrecke und rechts provisorischer Teich für Wasser aus der Flotations-Versuchsanstalt.

1927/28 bekam der Rammelsberg gangs auf der anderen Straßenseite (s. einen Anschluss an das Überland- Abb. 1938.2: T1). Die Prozesswässer Stromversorgungsnetz. Noch heu- enthielten Stoffe, die im darunter ent- te sichtbares Zeichen dafür ist das lang führenden Rahtstiefsten Stollen Umspannwerk 1 hinter dem heu- blaue, weiße und ocker Sinterablage- tigen Schlossereigebäude (s. Abb. rungen erzeugten. 1930.2). Auch zwischen der Energie- zentrale und dem Kesselhaus kamen Neu war auch ein zweiter Zugang neue Elektroanlagen hinzu (s. Abb. für die Mannschaftsfahrung nach 1930.3). untertage. Er führte von der Kaue zur neu aufgefahrenen Gabelstre- Die Versuchsflotationsanlage im cke (nicht zu verwechseln mit der ehemaligen Brandstaubwäschegebäu- Kabelstrecke). Sie verlief parallel zur de erhielt einen kleinen Teich, der zur Werkstraße und diente der untertage Zwischenspeicherung von Prozess- verlaufenden Verbindung zwischen wässern diente. Er lag etwa gegenü- Tagesförderstrecke und neu aufge- ber des heutigen Museumshauptein- fahrener Bergeschachtstrecke.

74 1930

Auf der Kuppe des Rammelsbergs (Ramseck) hatten sich im Laufe der Jahrhunderte mehrere große und tie- fe Spalten gebildet. Eine Lastenseil- schwebebahn sollte Versatzmassen aus dem Taternbruch zum Ramseck trans- portieren (s. Abb. 1930.4). Tatsächlich gebaut wurden allerdings lediglich eini- ge Stahlgittermasten im oberen Bereich (s. Abb. 1930.4).

Abb. 1930.4: Projektierte Seilschwebe- bahn vom Taternbruch zum Ramseck. Abb. 1930.2: Umspannwerk 1. Vorder- Zur besseren Orientierung ist die Lage und Seitenansicht. Bergarchiv Clausthal der heutigen Tagesanlagen orange darge- stellt. Skizze vom Verfasser

Abb. 1930.5: Reste der nicht voll- endeten Seilschwe- bebahn am Abb. 1930.3: 1925 nachgerüstete Elek- Ramseck. troanlagen. Bergarchiv Clausthal Foto vom unten mit Kreuzen: die beiden Kohle- Verfasser. bunker, darunter das größere Gebäude: 2008 Umspannwerk 1, rechts daneben: ein Wohnhaus

75 1938

Abb. 1938.1: Tagesanlagen um das Jahr 1938. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm, rot in der Bildmitte: neuer Tagesanlagenkomplex mit Rammelsbergschacht, Flotation, Ehrenhof, Magazin, Verwaltung, Lohnhalle, neuer Waschkaue und Lampenstube, am südlichen Werkseingang: Provisorische Kaue nördlich: die neue Schlosserei und zwei außerhalb gelegene Rundeindicker links: Winkler Wetterschacht

Nachdem im Juli 1935 der erste Spa- Pumpen-, Eindicker- und Filtergebäude tenstich für die neue Flotationsanlage (s. Abb. 1938.3 und 1.3.3.7). erfolgt war, konnte bereits Anfang Oktober mit dem ersten Probebetrieb Die Eindicker befinden sich größten- begonnen werden. Die ehemalige Erz- teils innerhalb des Gebäudekomplexes, wäsche beziehungsweise Flotations- nur zwei von ihnen stehen etwas abseits Versuchsanstalt wurde abgerissen und auf der östlichen und westlichen Sei- ihr kleiner Teich zugeschüttet. Statt- te der Rammelsberger Straße (s. Abb. dessen entstand auf der Halde nörd- 1938.2 und 1938.4). Gleichzeitig wurde lich der Werkstätten ein neuer kleiner das neue Verwaltungs- und Magazinge- Teich. bäude erbaut. Beide umschließen den großen Eingangs- oder auch Ehrenhof, Die neue Anlage umfasste sowohl der heute als Museumshaupteingang das Fördergerüst des gerade geteuften dient. Zu diesem Gebäudekomplex Rammelsbergschachts als auch Brech-, gehört auch die Lohnhalle, in die 1998 Sieb-, Bunker-, Mühlen-, Flotations-, die Besucherkasse unseres Museums

76 1938 eingebaut worden ist und die unmittel- bar daneben befindliche neue Kaue (s. Abb. 1938.3).

Die Lücke zwischen der nördlichen Werkstatt und dem Kesselhaus wurde mit dem Neubau der großen Schlosse- reihalle geschlossen. Alle diese Gebäude sind fast unverändert erhalten geblieben Abb. 1938.3: Neue und alte Aufberei- und bilden den wichtigsten Teil unseres tungsanlagen 1936, Blick vom Herzberg. Museums (s. Abb. 1938.5). Die außer- Foto aus der Sammlung Heinrich Stöc- halb des Museums befindlichen Tages- ker, Links das Magazin und das neue anlagen des Winkler Wetterschachtes Verwaltungsgebäude mit Innenhof, wurden bis auf das Fördergerüst abge- Lohnhalle und neuer Kaue. rissen und im Stil der anderen neu- en Gebäude wieder aufgebaut (s. Abb. 1.3.1.15). Die Versatzmassengewinnung am Flachen Schacht wurde ergänzt durch die so genannte Schiefermüh- le, aus der sich der gleichnamige und heute bereits teilweise wieder verfüllte Steinbruch unterhalb des Maltermeister Turms entstanden ist.

Abb. 1938.4: 15m-Eindicker auf der Westseite der Rammelsberger Straße. Foto von Ulrich Kammer. 2008

Abb. 1938.2: Tagesanlagen 1936. Berg- archiv Clausthal, T1: Sicherheitsteich, H: Holzwerkstatt/Zimmerei, U: Umspannwerk 1, K: Kesselhaus mit Esse und Kohlebunker, E: Energiezen- trale, M: Magazin, F: Flotationsauf- bereitung, W: Werkstatt/Schlosserei/ Schmiede, Z: Zechenhaus, R: Rammels- bergschacht, S: Sieb- und Klaubeanla- ge, V: Verwaltung (Berginspektion), K: Abb. 1938.5: Bau der Schlosserei. Foto Kunststeigerhaus aus der Sammlung Heinrich Stöcker

77 1942

Abb. 1942.1: Tagesanlagen im Jahre 1942. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm, rot: im Norden das Holzlager, die Holzwerkstatt, die Wagenreparaturwerkstatt und die Bohrerschmiede. nordwestlich der Energiezentrale die Mammutpumpanlage und noch weiter nord- westlich die Garagen. südlich der neuen Aufbereitungsanlage die Lampenstube und die provisorische Kaue, rechts (am Herzberg) das Barackenlager

Für die in großen Mengen anfallenden schmiede und eine Wagenreparatur- Aufbereitungsabgänge bestanden im werkstatt (s. Abb. 1942.3), Garagen Bereich der Tagesanlagen und im Tal an der Rammelsberger Straße und eine darunter keine ausreichenden Depo- nördlich der neuen Schlosserei erbaute niemöglichkeiten. Deswegen wurden Zimmerei. Das Zechenhaus, die alte im Nachbartal, dem Gelmketal, große Kaue, die alten Werkstätten und das Absetzteiche angelegt (s. Abb. 1942.2). alte Magazin wichen der neu ange- Die Aufbereitungsabgänge wurden mit legten Werkstraße, die in dieser Form einer so genannten Mammutpumpan- bis heute erhalten geblieben ist. Am lage durch eine Rohrleitung dorthin Stollenmundloch der Tagesförderstre- gepumpt. Das Pumpengebäude und der cke stand seit 1939 ein flaches Gebäu- dazu gehörende Eindicker existieren de, in dem eine Lampenstube einge- noch heute (s. Abb. 1942.3). richtet worden war. Dieses Gebäude wurde seit 1958 als Zementbunker Unmittelbar nördlich der Mammut- und seit 1975 als Garage benutzt (s. pumpanlage entstanden eine Bohrer- Abb. 1942.4).

78 1942

Übrig blieb dagegen die eigentlich nur für die Bauphase der 1930er Jahre gedachte provisorische Kaue unmittel- bar südlich der ehemaligen Sieb- und Klaubeanlage. In ihr befanden sich nach wie vor Aufenthalts- und Schlafräume für Arbeiter, die nicht zur Stammbe- legschaft gehörten und später auch für Kriegsgefangene (s. Abb. 1942.5). Die provisorische Kaue reichte jedoch bald Abb. 1942.3: von links nach rechts nicht mehr dafür aus. Deshalb wurden Wagenreparaturwerkstatt, Bohrer- unmittelbar unterhalb des Herzberger schmiede und Mammutpumpanlage. Teichdamms vier Baracken gebaut (s. Foto von Ulrich Kammer. 2008 Abb. 1942.6).

Abb. 1942.2: Absetzbecken im Gelmke- tal. Foto vom Verfasser. 2008 Abb. 1942.4: Flotationsanlage und Abbrucharbeiten ehem. Werkstatt. Links unter dem Fördergerüst die provisori- sche Kaue (mit Fachwerkfassade) und rechts daneben die Lampenstube. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1942.5: Umnutzung der Provisori- Abb. 1942.6: Barackenlager unterhalb schen Kaue als Gefangenenlager. Bergar- des Herzberger Teichdamms. Foto aus chiv Clausthal der Sammlung Heinrich Stöcker

79 1950

Abb. 1950.1: Tagesanlagen im Jahre 1950. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: unten (nordwestlich) die erweiterten Direktionsgaragen oben (südlich neben der Aufbereitung) die neue Schwerspatflotation

1943 wurde eine Schwerspatflota- die einen erheblich größeren Anteil tionsanlage gebaut, die sich an der tauber Beimengungen aufwiesen, als Stelle befand, an der auch heute noch das bis dahin fast ausschließlich abge- die Schwerspatflotationshalle steht. Sie baute Lagererz. Die bestehende Auf- war jedoch kleiner als die heutige. In bereitungsanlage konnte im Bereich der Gebäudelücke zwischen Lampen- der Werkstraße nicht erweitert wer- stube und Filtergebäude befand sich den. Dafür stand dort nicht genügend unter dem Straßenniveau ein Beschi- Platz zur Verfügung. Stattdessen wurde ckungstrichter für diese Anlage (s. ergänzend zur bestehenden Anlage am Abb. 1950.2). Bollrich eine zweite Flotationsanlage errichtet, die der Banderzaufbereitung Die gute Metallnachfrage und beson- diente (s. Abb. 1950.3 und 1950.4). ders die verbesserten Aufbereitungs- verfahren ließen Ende der 1940er Jahre Am nördlichen Ende der Werkstra- Erzvorkommen des Rammelsbergs in ße wurde ein Holzlager gebaut. Das das bergbauliche Interesse rücken, die Gebäude war bereits von einem ande- bis dahin als nicht bauwürdig gal- ren Eigentümer an anderem Ort genutzt ten. Das waren so genannte Banderze, gewesen, wurde dort nach dem Kauf

80 1950 gezielt demontiert, zum Rammelsberg transportiert und dort in gleicher Form wieder aufgebaut.

1950 erfolgte der Umbau der an der Rammelsberger Straße gelegenen Gara- gen. Dort entstanden weitere Garagen für die PKWs der Direktion (s. Abb. 1950.5 und 1950.6). Die Schiefermüh- le wurde erweitert und bekam nach Abb. 1950.4: Eingangsansicht Aufberei- und nach die Form eines großen Trich- tung Bollrich. Foto von Ulrich Kammer. ters. Schrapperanlagen förderten den 2008 gesprengten Schiefer in den Trichter hinein.

Abb. 1950.2: Schwerspatflotationsanlage 1943. Bergarchiv Clausthal Abb. 1950.5: Garagen an der Rammels- berger Straße. Foto von Ulrich Kammer. 2008

Abb. 1950.3: Entwurfszeichnung Boll- Abb. 1950.6: Entwurfszeichnung Gara- rich. 1950. Bergarchiv Clausthal gen. 1950. Bergarchiv Clausthal

81 1960

Abb. 1960.1: Tagesanlagen im Jahre 1960. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Im Norden das Holzimpägniergebäude, im unterer Teil und im südlichen Bereich der Aufbereitung die Schwerspatflotation (unten) und Nachmahlung (oben) und südlich davon die Gebäude des neuen südlichen Werkseingangs.

1951 wurde auf dem Holzplatz im die Nachmahlung von Kupfer- und Norden der Werkstraße das Gebäude Bleierz (s. Abb. 1960.3), für das Imprägnieren von Grubenholz • Erweiterung der Ockersümpfe (s. gebaut (s. Abb. 1960.2), in dem sich Abb. 1.3.4.2) und heute die Werkstatt unseres Förderver- eins befindet. Ebenfalls 1956 erfolgte der Abriss der provisorischen Kaue. Sie hatte 1956 war ein Jahr mit vielen übertä- zum Schluss als Baulager gedient. An gigen Bauprojekten, zum Beispiel: ihrer Stelle wurden 1957 ein Pförtner- gebäude, ein Grubenwehrraum, eine • Vergrößerung des Holzplatzes Teeküche und eine neue Lampenstu- im Norden der Werkstraße durch be gebaut, alles im Stil der anderen Abtrag erheblicher Haufwerksmen- Gebäude (s. Abb. 1960.4 und 1960.5). gen aus der Böschung, Zusammen mit der Kaue und dem • Anbau eines Gebäudes an der Süd- Röderstollen waren das 1989 die ersten seite der Aufbereitungsanlage im Gebäude unseres Museums. Höhenniveau der Mühlenbühne für

82 1960

Die gestiegene Nachfrage nach Schwerspat zum Beispiel durch die Erdölindustrie hatte das Interesse auf den bislang nicht in Abbau genom- menen so genannten Grauerzkörper gelenkt. Die 1943 im unteren Bereich der großen Aufbereitungsanlage ein- gerichtete Schwerspatflotation wurde 1959 wesentlich erweitert. Ihre untere Etage bildet erst seitdem eine einheit- liche Gebäudefront mit der Lampen- Abb. 1960.4: Abriss Baulager und Neu- stube und der unteren Etage der großen bau des südlichen Werkseingangs. Berg- Flotationsanlage (s. Abb. 1960.6). archiv Clausthal

Abb. 1960.2: Lageplan Imprägnierge- bäude auf dem erweiterten Holzplatz. Bergarchiv Clausthal Abb. 1960.5: Gebäude am südlichen Werkseingang. Foto von Ulrich Kammer. 2008

Abb. 1960.6.: Riss und Vorderansicht Abb. 1960.3: Nachmahlung. Bergarchiv neue Schwerspatflotationsanlage. Berg- Clausthal archiv Clausthal

83 1970

Abb. 1970.1: Tagesanlagen im Jahre 1970. Skizze vom Verfasser, orange: Maltermei- ster Turm, rot (von links nach rechts): Erweiterung des Holzschuppens, Erweiterung der Holzwerkstatt und Erweiterung der Flotationsanlage

Die aus dem Jahre 1942 stammen- (zum Beispiel 1957 ein Bagger und eine de übertägige Tankstelle wurde 1969 Planierraupe). Die Tagebauerstreckung modernisiert, seitdem kaum verändert wuchs innerhalb weniger Jahre rasant und ist noch heute in Betrieb. Ende (vgl. unterschiedliche Tagebaugröße der 1990er Jahre ist sie entsprechend auf der Skizze und auf dem Foto, Abb. der neuen Sicherheitsbestimmungen 1970.1 und 1970.2). Die Flotations- denkmalgerecht umgebaut worden. Die anlage erhielt im Süden eine Erwei- im Kesselhaus untergebrachte Zentral- terung (s. Abb. 1970.3) und ebenso heizungsanlage wurde von Steinkoh- die Holzwerkstatt und das Holzlager. len- auf Ölfeuerung umgestellt. Die Auf dem unteren Werkshof entstand beiden Öltanks existieren noch heute. der so genannte Cyclator. Er hatte die Sie stehen hinter dem Kesselhaus (s. Aufgabe, die Qualität des Wassers, Abb. 1970.5). Bereits 1956 war in der das in die Abzucht eingeleitet werden Schiefermühle begonnen worden, das sollte, entsprechend den gestiegenen Abbauverfahren vom Trichterbau mit Anforderungen an die Wasserreinheit Schrapperbetrieb umzustellen auf einen zu verbessern (s. Abb. 1970.4). Die regelrechten Steinbruchbetrieb mit Belegschaftszahl war zwischenzeitlich mehreren Steinbruchsohlen, auf denen erheblich gestiegen. Deshalb wurde Fahrzeuge für das Bohren, Sprengen die Kaue um ein Baufeld nach Süden und Abfördern des Schiefers arbeiteten verlängert.

84 1970

Abb. 1970.2: Tagesanlagen 1970. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1970.3: Erweiterung Flotationsan- lage. Bergarchiv Clausthal

Abb. 1970.5: Öltanks hinter dem Kes- selhaus. Luftbild vom Verfasser. 2008 links unten die Energiezentrale rechts neben den beiden Öltanks der Kohlebunker rechts oben das Schlossereigebäude links von der Werkstraße von links nach rechts Mammutbaggeranlage mit Abb. 1970.4: Cyclator. Foto vom Verfas- Eindicker, Bohrerschmiede und Wagen- ser. 2008 reparaturwerkstatt

85 1980

Abb. 1980.1: Tagesanlagen im Jahre 1980. Skizze vom Verfasser, orange: Maltermei- ster Turm, rot: Cyclator auf dem unteren Werkshof. Erweiterungsbau mit Glasdach hinter der Schlossereihalle. Zementsilo am südlichen Werkseingang.

Die Versatztechnik für die ausge- Die Betankung der mittlerweile erzten Abbauhohlräume wurde in den erheblich angewachsenen Flotte unter- 1970er Jahren umgestellt von binde- tage eingesetzter Fahrzeuge erforderte mittellosem Versatz auf zementhaltigen eine Dieselrohrleitung nach untertage. Versatz. Damit ließ sich das Abbauver- Sie begann übertage an einem eigens fahren wesentlich effektivieren, denn dafür im Bereich des Werkstraßen- die ausgeerzten und wieder versetzten pförtnergebäudes unmittelbar am Kammern wurden dadurch so standfest, Werkszaun errichteten Dieseltank. Die dass die dazwischen stehen gelassenen anliefernden Tankfahrzeuge mussten Erzfesten ebenfalls abgebaut werden nun nicht mehr auf das Werksgelände konnten. fahren (s. Abb. 1980.4). Die verbes- serte Lehrlingsausbildung erforderte 1975 entstand im Bereich vor dem auch bessere Werkstätten. Dazu wurde Stollenmundloch der Tagesförderstre- die Schlosserei um einen Lehrlings- cke ein Zementsilo (s. Abb. 1980.2 bereich erweitert. Dieser Gebäudeteil und 1980.3). Die Zement anliefernden befindet sich von der Werkstraße gese- Fahrzeuge konnten direkt bis dort hin hen hinter der Schlosserei. Es hat ein fahren. Ausgehend vom Silo begann großflächig verglastes Dach, das die eine Rohrleitung, durch die der Zement Möglichkeiten unseres Museums, dort mit Druckluft nach untertage gepumpt größere Veranstaltungen durchzufüh- wurde. ren, sehr verbessert.

86 1980

Der in den 1950er Jahren auf der Hal- de nördlich der Werkstraße entstandene Holzschuppen wurde 1961 vergrößert. 1972 kam dort ein Fahrzeugunterstand hinzu, der 1975 verlängert wurde (s. Abb. 1980.5).

Abb. 1980.2: Tagesanlagen 1980. Blick vom Herzberg. Foto aus der Sammlung Heinrich Stöcker

Abb. 1980.4: Dieseltank am Südeingang. Foto vom Verfasser. 2008 Oben im Bild das Fördergerüst vom Rammelsbergschacht

Abb. 1980.5: Nördlicher Bereich der Werkstraße. Luftbild vom Verfasser. 2005 Links im Bild die große Schlossereihalle, Abb. 1980.3: Zementsilo. Foto von Ulrich in der Bildmitte der Holzplatz und ganz Kammer. 2008 rechts die Holzgebäude auf der Halde.

87 2000

Abb. 2000.1: Tagesanlagen im Jahre 2000. Skizze vom Verfasser orange: Maltermeister Turm rot: Links das Eingangsbauwerk zum Untergrundbahnhof und rechts die Museums- gaststätte.

Die Aufwendungen für die Gebäu- blieb vorerst durch die PREUSSAG deunterhaltung waren in den 1980er genutzt), die Teeküche, der Gruben- Jahren deutlich verringert worden, weil wehrraum und das Werkstraßenpfört- das Ende des Bergwerksbetriebs abseh- nergebäude. Kurz darauf kam die große bar wurde. Nach der Einstellung der Waschkaue hinzu, die mit erheblichem Erzförderung im Jahre 1988 wurden Aufwand saniert werden musste. die Tagesanlagen im Bereich Werk- straße Schritt für Schritt in das Eigen- Die Tagesanlagen des Winkler Wet- tum des 1989 gegründeten Museums terschachtes übernahm der Harzer übernommen. Das Museum begann Knappenverein als Vereinsheim. Den daraufhin mit der denkmalgerechten südlichen Teil der Räume vermietet Gebäudesanierung und der Umnutzung er seitdem weiter. Das Haus des Ein- für den Museumsbetrieb. fahrschachtes erwarb der Harzclub. Er verschloss den Schacht und nutzt das Anfangs gehörten von den Tages- Gebäude ebenfalls als Vereinsheim. anlagen nur die kleinen Gebäude am südlichen Ende der Werkstraße zum Zur räumlichen Trennung vom Muse- Museum. Das waren der südliche Teil umsbesucherbereich und nicht öffent- der Lampenstube (der nördliche Teil lich zugänglichem Teil der Werkstraße

88 2000 wurde 1993 ein zweites Rollgittertor im Bereich nördlich der Lampenstu- be gebaut, das jedoch 1998 nach der entsprechenden Erweiterung des Besu- cherbereichs bis einschließlich Aufbe- reitungsgebäude und Energiezentrale weiter nach Norden versetzt wurde.

Zur gleichen Zeit übernahm das Museum auch die große Schlosserei- Abb. 2000.2: Museumsgaststätte. Im halle, die Holzwerkstatt, das Holzlager, Spiegelbild die Aufbereitungsgebäude. den Kohlebunker und das Umspann- Foto von Ulrich Kammer. 2008 werk 1. Das Umspannwerk 1 wurde als Museumsmagazin umgebaut. Noch geben worden, jedoch vorerst noch nicht in Museumsnutzung übernom- ohne die obere Etage, das heißt ohne men war die E-Zentrale mit ange- Wagenumlauf, Fördermaschinenhaus schlossener Elektrikerwerkstatt. Beide und Fördergerüst des Rammelsberg- kamen erst 1998 dazu, gleichzeitig mit schachtes. Die großen Aufbereitungs- den restlichen Gebäuden im Bereich hallen sind nach sehr aufwendigen der Werkstraße. Die Nutzung der Elek- Dach-, Fassaden-, Fenster- und Beton- trikerwerkstatt für Museumszwecke fundamentsanierungen mit zusätzlichen wurde allerdings bis Anfang 2008 auf- Sicherheitseinrichtungen ausgerüstet geschoben. Zur Zeit wird dort die Lok- und als Besucherbereiche hergerichtet werkstatt unseres Museums aufgebaut. worden. Ab 1998 konnte unser Muse- um auch die restlichen Aufbereitungs- In der Holzwerkstatt und im Holzla- gebäude in den Besucherbereich ein- ger sind Büros und Museumsmagazine binden. entstanden. Die große Schlossereihalle und die anschließende Schmiede sind zu Ebenfalls 1998 übernahm unser Veranstaltungsräumen umgebaut wor- Museum die Gebäude am Ehrenhof. den. Die offenen Unterstände hinter der Es richtete im Magazingebäude eine großen (Haben Sie nicht schon öfters Ausstellung zum Thema Geschichte die „große“ Halle genannt, gibt es auch des Rammelsbergs ein. Zugleich konn- eine kleine?) Schlossereihalle erhielten te das Provisorium mit dem Besuche- Rolltore, um dort Räume für muse- reingang an der südlichen Werkstraße umstechnische Nutzungen zu schaffen. beendet werden. Der Haupteingang am Auf dem Holzplatz entstanden in Form zentralen Werkshof wurde nun auch eines Holz-Schleppdaches Unterstell- Museumseingang und die Lohnhalle möglichkeiten für witterungsempfind- zum Eingangs- und Kassenbereich. liche Fahrzeuge von untertage. Zur Hannoveraner Weltausstellung Bereits 1995 waren die Aufberei- EXPO 2000 war die besuchergerechte tungsgebäude an das Museum über- Umnutzung der Tagesanlagen des Ram-

89 2000

Die BGG betreibt am Rammelsberg noch Projekte in den Bereichen Gru- benwasserbehandlung und Schiefer- mühle. In absehbarer Zeit wird von der BGG ein bereits begonnener neu- er Stollen mit Mundloch am Bollrich fertig gestellt, der die Ableitung der Grubenwässer zur Neutralisationsan- lage übernimmt und damit die bislang Abb. 2000.3: Besucherausgang aus der dafür im Museumsbereich betriebenen Ausstellung im U-Bahnhof. Im Spiegel- Pumpen und Rohrleitungen ablöst. Im bild Fördergerüst vom Rammelsberg- gleichen Zeitraum wird die BGG die schacht. Foto von Stefanie Kammer. Verfüllung der Schiefermühle beenden. 2008 Ziel ist dabei unter anderem, die Stand- sicherheit der Böschung, und damit melsbergs, der 1995 dezentrales Objekt des Maltermeister Turms und seiner der EXPO geworden war, weitgehend Nebengebäude zu erhalten (s. Abb. abgeschlossen. Seit 1992 waren Aus- 2000.4 und 2000.5). Nach Abschluss stellungen und Besucherbereiche im dieser beiden Maßnahmen werden südlichen Teil der Lampenstube, in auch die bislang noch nicht vom Muse- der großen Waschkaue, in der Aufbe- um genutzten Tagesanlagen für muse- reitungsanlage, in der Energiezentrale ale Nutzungen zur Verfügung stehen. und im Magazingebäude entstanden. Neuerdings werden diese Gebäude und Neu erbaut worden waren eine Muse- Anlagen bereits in die denkmalpfle- umsgaststätte seitlich an der Lohn- gerischen und Sanierungsarbeiten des halle und ein Zugangsgebäude von Museums eingeschlossen. der Werkstraße zum darunter liegenden Ausstellungsbereich im U-Bahnhof (s. Nahezu unbemerkt von der Öffent- Abb. 2000.2 und 2000.3). lichkeit erfolgte seit den frühen 1990er Jahren die vollständige Umstellung der Teile des am Haupteingang gelegenen Infrastruktur. Das wurde notwendig, Verwaltungsgebäudes, die Werkstätten weil die Bergbauanforderungen und westlich der Werkstraße, die Mam- -bedingungen von denen, die ein Muse- mutbaggeranlage und der untere Werk- um mit viel Publikumsbetrieb hat, zu bahnhof können vorerst noch nicht in unterschiedlich sind. Zum Beispiel war den Museumsbetrieb einbezogen wer- die alte Trinkwasserversorgungsan- den. Diese Gebäude und Anlagen sind lage, die einen Wasserlösungsstollen der Bergbau Goslar GmbH (BGG), oberhalb des Herzberger Teichs nutzte, die zwischenzeitlich von der TUI, der für einen Museums- und Besucherbe- Nachfolgerin der letzten Bergwerksei- trieb nicht mehr zulässig. Das Museum gentümerin PREUSSAG AG Metall, benötigte deswegen einen Anschluss gegründet worden ist, zur Weiternut- an das Goslarer Trinkwassernetz. Die zung gestattet. alte Elektroenergieversorgung war für

90 2000

Als Ergebnis der bisherigen übertä- gigen Projekte unseres Museums ist fast der gesamte Komplex der Tages- anlagen denkmalgerecht saniert und für Besucher zugänglich gemacht worden. Für die kommenden Jahre bleiben im Bereich der Tagesanlagen neben der kontinuierlichen Gebäudeerhaltung nur noch wenige grundlegende Sanierungs- Abb. 2000.4: Schiefermühlenverfüllung aufgaben, sodass sich unser Museum Stand 2005. Luftbild vom Verfasser verstärkt Projekten zuwenden kann, die der Attraktivitätssteigerung für unsere viel größere Leistungen ausgelegt, als Besucher dienen. unser Museum brauchte. Allein die Blindleistung der Transformatoren war größer als der Elektroenergiebedarf des Museums. Ein 380V-Netz existierte noch nicht und musste neu eingerichtet werden. Das alte 500V-Netz benöti- gte eine neue Travo-Station. Die alte Dampf-Heizungsanlage Gebäu- de musste auf Warmwasser umgestellt werden. Für die Mitarbeiter des Muse- ums entstanden neue Büros, Wasch- und Umkleideräume im Bereich der großen Schlossereihalle, weil die ehe- maligen Waschkauen zu Besucherbe- reichen umgenutzt worden waren. Für alle Gebäude mussten neue Telefon-, Blitzschutz-, Sicherheits- und Alarm- anlagen installiert werden.

Abb. 2000.5: Schiefermühlenverfüllung Stand 2008. Luftbild vom Verfasser

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