Das Leben von Bergrat Dr.-Ing. Hans-Hermann von Scotti und seine Bedeutung für die Harzer Preussag-Gruben

Jahresgabe 2019 für die Fördervereinsmitglieder Titelbild: Bergrat von Scotti 1934

Diese Jahresgabe wurde herausgegeben im Eigenverlag des Fördervereins. , September 2019

Druck: Papierflieger Clausthal-Zellerfeld Layout: Ulrich Kammer Verfasser: Peter Eichhorn (Kap. 1 bis 8); Ingo Busch (Kap. 9) Das Leben von Bergrat Dr.-Ing. Hans-Hermann von Scotti

und seine Bedeutung für die Harzer Preussag-Gruben

Jahresgabe 2019 des Fördervereins Weltkulturerbe Rammelsberg e.V.

1 Inhaltsverzeichnis

Vorwort...... 5 Einführung...... 7

1. Geburt, Jugend und Schule...... 14 1.1. Elternhaus, Vorfahren und Geburt...... 15 1.2. Jugend und Schulbildung...... 21

2. Studium, Beginn der Offizierslaufbahn und Familiengründung...... 24 2.1. Bergbaustudium...... 25 2.1.1. Beflissenenzeit...... 29 2.1.2. Studium in Freiburg und Berlin, freiwilliges Wehrdienstjahr...... 31 2.1.3. Assistentenzeit...... 39 2.2. Familiengründung...... 45

3. Erster Weltkrieg...... 47 3.1. Kriegsdienst...... 52 3.2. Berufsplanungen während des Kriegs...... 57 3.3. Einstellungen und Meinungen zu Politik und Krieg...... 61 3.4. Addi von Scotti...... 65 3.5. Lebensverhältnisse der Familie Hans-Hermann von Scottis...... 67 3.6. Elterliche Familie und Brüder...... 70

4. Weimarer Republik...... 75 4.1. Rückmarsch von der Front und Entlassung aus dem Militärdienst...... 75 4.2. Übergang in den Zivilberuf...... 77 4.3. In der Berginspektion Grund...... 79 4.4. Preußag-Gründung und Aufnahme der Harzer Berg- und Hüttenwerke in die Preußag...... 81 4.4.1. Problem der Beamtenübernahme in die Preußag...... 82 4.4.2. Bergrat von Scottis berufliche Aufgaben zur Zeit der Weimarer Republik...... 84 4.5. Weltwirtschaftskrise...... 90 4.6. Lebens- und Wohnverhältnisse der jungen Familie von Scotti im Oberharz...... 92

5. Drittes Reich...... 97 5.1. Personelle Änderungen in der Preußagführung zu Beginn des Dritten Reichs...... 98

2 5.2. Planwirtschaft, Fachgruppe Metallerzbergbau und Kriegsvorbereitung.98 5.3. Harzer Berg- und Hüttenwerke im Dritten Reich...... 99 5.4. Funktionen und Aufgaben Bergrat von Scottis im ...... 100 5.4.1. Erzbergwerk Rammelsberg...... 102 5.4.2. Erzbergwerk Grund...... 117 5.5. Funktionen und Aufgaben Bergrat von Scottis im Auslandsbergbau.... 121 5.5.1. und Blei aus Österreich, Rumänien und der Tschechoslowakei... 122 5.5.2. Antimon...... 123 5.5.3. Blei aus Spanien...... 125 5.5.4. Kupfer, Blei und Zink aus Jugoslawien...... 125 5.6. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Zeit bis zum Kriegsbeginn...... 136 5.7. Haltung zu NS-Staat und Krieg...... 136 5.8. Familie, Wohnungen, Privatleben und Kollegen...... 138

6. Nachkriegszeit...... 146 6.1. Neuorganisation der Preußag...... 146 6.2. Zustand und Entwicklung der Erzbergwerke Rammelsberg und Bad Grund...... 148 6.3. Funktionen und Aufgaben Bergrat von Scottis, Mitarbeit in überbetrieblichen Gremien...... 150 6.4. Wohnungen, Familie und Privatleben...... 158

7. Wirtschaftswunderzeit...... 162 7.1. Harzer Preußagwerke im Aufschwung...... 162 7.1.1. Erzbergwerk Rammelsberg...... 163 7.1.2. Erzbergwerk Grund...... 165 7.2. Letzte Arbeitsjahre Bergrat von Scottis...... 168 7.3. Pension, Beraterverträge und Ruhestand...... 171 7.4. Familie, Freunde und Kollegen...... 177

8. Zusammenfassende persönliche Wertung...... 187

9. Faszination von Harzer Münzen und Medaillen...... 198 9.1. Inspiration zum Aufbau einer Münzsammlung in Goslar...... 199 9.2. Konzept und Kostenträgerschaft der Goslar-Sammlung...... 200 9.3. Struktur der Sammlung...... 203 9.4. Wachstum und Anschaffungswerte der Sammlung...... 204 9.5. Auswahl spektakulärer Sammelobjekte Harzer Prägungen mit Bergbaubezug...... 204

3 9.5.1. Münzen und Medaillen mit allgemeinen Bergbaudarstellungen oder Hinweisen auf die Herkunft des Metalls...... 206 9.5.2. Bergwerksbezogene Ausbeutemünzen als Mittel der Dividendenzahlung...... 210 9.5.3 Löser beziehungsweise Schaumünzen...... 213 9.5.4. Randschrifttaler und Rosstaler...... 215 9.5.5 Dukaten/Gepräge aus Harzgold...... 217 9.5.6. Schlussbemerkung zur Auswahl...... 218 9.6. Verbleib der Goslar-Sammlung...... 219 9.7. Vermarktung und aktuelle Werte der Sammlung...... 221 9.8. Bedeutung der Goslar-Sammlung für die Preussag-Sammlung in Hannover...... 222 9.9. Würdigung mit kritischem Rückblick auf das Sammelgeschehen...... 224 9.10. Fazit: Was ist geblieben?...... 226

Veröffentlichungen von Bergrat von Scotti...... 229 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen...... 230 Abbildungsverzeichnis...... 230 Verwendete Literatur...... 237 Danksagung...... 239

4 Vorwort mehreren Wochen werden ausgewählte Grubenbereiche befahren. In der Zwi- Unser Museum hat sich in den ver- schenzeit erfolgt die Aufarbeitung der gangenen Jahren sowohl hinsichtlich ermittelten Daten und die Vorbereitung der Besucherzahlen (deutlich über der jeweils nächsten Befahrung. 100.000 pro Jahr), Ausstellungen und Veranstaltungen, als auch der Denk- Diese Art der Projektarbeit entspricht malsicherungs-, Sanierungs-, Samm- gut den besonderen Möglichkeiten und lungs- und Forschungsvorhaben sehr Interessen unserer Mitglieder. Sie kön- erfreulich entwickelt. Neben den vielen nen ihr bergbauliches Wissen und ihre übertägigen Projekten laufen zurzeit den Rammelsberg und den Bergbau mehrere Projekte zur Erfassung und allgemein betreffenden Erfahrungen Zustandsbewertung der untertägigen und Kenntnisse einbringen und leisten Grubenhohlräume. Ziel ist dabei, die für unser Museum Detailarbeit, für die notwendigen Maßnahmen zur Erhal- unseren Museumsmitarbeiten die Zeit tung der Sicherheit von Besuchern, fehlt. Belegschaft und untertägigem Denkmal besser planen zu können, Möglichkeiten Bei diesen Arbeiten geht es vor zu finden, neue Besucherführungsbe- allem um die Vermessung und Doku- reiche einzurichten und betriebstech- mentation der Hohlräume, soweit sie nische Nutzungen zu verbessern. noch nicht vorliegen, aber auch die Erfassung der Geologie, des Ausbauzu- Unser Förderverein unterstützt unser stands und der technischen Einbauten. Museum dabei aktiv. Im Abstand von Dafür werden der bergbauhistorisch-

Abbildung a.: Befahrungstrupp unseres Fördervereins am 14. April 2018 vor dem Stollenmundloch Bergeschachtstrecke

5 Abbildung b.: Bereich Bergeschachtstrecke (blau hervorgehoben die wichtigsten Bereiche)

Abbildung c.: Beispielhaft ausgewähltes Arbeitsergebnis: Handzeichnung von Hermann Kissling, Seitenansicht Hauptgrubenlüfterraum Bergeschachtstrecke

6 technische Hintergrund erforscht und terraum und weitere Bereiche der Ber- die Ergebnisse so dargestellt, dass geschachtstrecke. sie in die Grubenhohlraumerfassung unseres Museums eingeordnet werden Nicht unerwähnt bleiben soll, dass können. In den letzten zwölf Monaten Mitglieder unseres Vereins seit 25 Jahren ging es beispielsweise um das Füll- aktiv in der Gesellschafterversammlung, ort des Neuen Flachen Schachts, das im Aufsichtsrat und im Wissenschaft- benachbarte ehemalige Sprengstoffla- lichem Beirat unseres Museums mitwir- ger, den untertägigen Hauptgrubenlüf- ken und dort Sitz und Stimme haben.

Einführung Angestellten und Bergbeamten ermög- lichen eine anschauliche und durch Unabhängig von den beschrie- persönliche Details intensivere Darstel- benen Projekten und Aufgaben gibt lung von sonst eher wenig unterhalt- unser Förderverein alljährlich ein Heft samen historischen und technischen heraus, das unsere Vereinsmitglieder Sachverhalten. Deshalb erscheint es und Freunde des Vereins als Jahres- sinnvoll, auch zukünftig über hervorra- gabe erhalten. Dieses Jahr handelt es gende Persönlichkeiten der Rammels- sich um das Lebenswerk des ehema- berger Bergbaugeschichte zu forschen ligen Bergwerksdirektors vom Ram- und Daten zusammenzutragen. melsberg, Bergrat a. D. Dr.-Ing. Hans- Hermann von Scotti, im Weiteren nur Bergrat von Scotti hatte ein Buch Bergrat von Scotti genannt. Bislang verfasst mit dem Titel „Ausbeutetaler waren Lebensläufe noch kein zentrales und Medaillen des Harzer Bergbaus. Thema unserer Vereinsjahresgaben. Beispiele für die Prägekunst früherer Nur im Heft 2014/15 wurde im Zusam- Zeit“. Es wurde aber zu seinen Leb- menhang mit der Beschreibung des zeiten nicht veröffentlicht. Erst 1981, Haus Schulenburger Suchorts auch der 22 Jahre nach seinem Tode, hat es Lebenslauf des namengebenden Grafen seine Tochter, Dr. Hildegard Weber, von der Schulenburg kurz skizziert in überarbeiteter Fassung herausgege- und im vorigen Jahr, bei der Wieder- ben. Ihr Sohn, Dr.-Ing. Hans-Alfred veröffentlichung der 1853er Betriebs- Kochanowski, wollte dieses Buch beschreibung des Rammelsbergs, der erneut auflegen lassen. Dafür schie- Lebenslauf des damaligen Verfassers nen allerdings die Zahl der potenti- und Bergamtsleiters Oberbergmeister ellen Leser und damit auch der wirt- Heinrich Ahrend. schaftliche Anreiz für einen Verleger nicht ausreichend. Deshalb wurde das Darstellungen der Lebensumstände Buch statt einer regelrechten Wieder- von Bergwerksdirektoren, leitenden auflage von unserem Förderverein auf

7 unsere Vereins-Internetseite gestellt. Literatur fast nur in Form zweier Fotos Es kann nun dort vollständig gelesen in Erscheinung tritt, auf denen er in werden. einer Gruppe von Bergleuten in Berg- mannsuniform und mit einem kleinen Bei Gesprächen über dieses Buch Zwei-Finger-Oberlippenbart zu sehen entstand die Idee, das Leben und Wir- ist, wie ihn Charly Chaplin seit 1914 ken Bergrat von Scottis umfassender zu modern gemacht hatte. Diese Fotos beschreiben und dabei seinen Enthusi- wurden in mehrfacher Wiederholung asmus für die Münzen und Medaillen als Illustration von Aufsätzen über das des Harzer Bergbaus besonders her- Dritte Reich benutzt, sogar als Bild- vorzuheben. Die von ihm für die Unter- ausschnitt, auf dem nur er zu sehen ist. harzer Berg- und Hüttenwerke GmbH Außerdem wird sein Name in der Lite- angelegte einzigartige Sammlung ging ratur vor allem im Zusammenhang mit in eine entsprechende Sammlung der dem Rammelsberg als nationalsozia- Preussag AG auf und wurde vor weni- listisches Propagandaprojekt und Ort gen Jahren von der TUI, der Rechts- eines Zwangsarbeiterlagers erwähnt. nachfolgering der Preussag AG, ver- Bliebe es bei dieser Darstellung, würde steigert. Eine kritische und detaillierte das seinem Leben und Wirken nicht Auseinandersetzung mit den Umstän- gerecht werden. den und Zielen dieses Verkaufs steht bislang noch aus. Assessor des Berg- Das trifft übrigens auch auf Bergrat fachs a. D. Ingo Busch hat sich freund- a. D. Paul Ferdinand Hast zu, der in licherweise bereit erklärt, in einem den 1930er bis 1950er Jahren zusam- gesonderten Kapitel die „Vita“ dieser men mit Bergrat von Scotti die Leitung Sammlung zu beschreiben. Er ist dafür der Ober- und Unterharzer Preußag- aufgrund seiner langjährigen Beschäf- betriebe übernommen hatte. Eine aus- tigung mit dieser Sammlung und der führliche Beschreibung seines Lebens von ihm vorgenommenen gründlichen ließ sich noch nicht verwirklichen, weil Inventarisierung und Katalogisierung die dafür notwendige Datenbasis bis- prädestiniert. lang zu große Lücken aufweist. Alle Leser werden hiermit gebeten, soweit Bergrat von Scotti ist heute fast gänz- es ihnen möglich ist, beim Schließen lich in Vergessenheit geraten, trotzdem dieser Lücken zu helfen. er einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Erzbergwerks Ram- Es gibt aber noch mehr wichtige melsberg hatte, und hier sogar zu der Gründe, über Bergrat von Scotti zu Zeit Bergwerksdirektor war, als der schreiben. Er war zur Zeit der Welt- größte Teil der heutigen Tagesanlagen wirtschaftskrise maßgeblich an der unseres Museums entstanden ist. Rettung des Erzbergwerks Rammels- berg vor der Betriebsschließung betei- Es ist auch wünschenswert, etwas ligt, ebenso wie an dem anschlie- ausführlicher über Bergrat von Scotti ßenden Großprojekt zum Ausbau und zu berichten, weil er bislang in der zur Modernisierung dieses Bergwerks

8 Abbildung d.: Bergrat von Scotti 1933 und der angeschlossenen Hütten in metallerzbergbaus viele Jahre lang und . Im Verlauf wesentlich mitbestimmt und später dieses Rammelsberg-Projekts wurde auch von Bergwerken im europä- der Unterharzer Montankomplex zu ischen Ausland. einem der größten und wichtigsten Zentren der deutschen Bunt- und Ein anderer aktueller Grund, gera- Edelmetallurgie entwickelt. Damit de jetzt über Bergrat von Scottis zu war Bergrat von Scotti, wenn ein schreiben ist, dass heute viele junge Vergleich über die vielen Jahrhun- Leute fragen, wie es in Deutschland derte des Rammelsberger Bergbaus im Dritten Reich zu einem totalitären erlaubt sein soll, für dieses Bergwerk System mit so furchtbaren Auswüch- eine der wichtigsten Persönlichkeiten sen, Folgen und moralischen Deforma- überhaupt. Darüber hinaus hat er die tionen kommen konnte. Wer waren die Entwicklung des deutschen Bunt- Mitträger des nationalsozialistischen

9 Unrechtssystems? Wie konnte das alles Wirtschaftsmanager ohne wesentlichen passieren? Was waren die Ursachen? Bruch ihrer Karriere vonstattengehen, ein Phänomen, das sich übrigens auch Heute ist allgemein nur ein ziemlich wieder zur Zeit der Angliederung der diffuses, unpersönliches Wissen über DDR an die Bundesrepublik Deutsch- die damaligen Zustände, Ereignisse land beobachten ließ. und Prozesse vorhanden. Es fehlt der persönliche Bezug. Die Distanz zu den Schließlich ist es heute an der Zeit, damals üblichen Lebenseinstellungen über Bergrat von Scotti zu schreiben, und -bedingungen ist mittlerweile so weil seit seinem Tod eine Zeit von groß, dass es schwerfällt, sich in die ungefähr zwei Generationen verstri- handelnden Personen jener Zeit hinein chen ist. Das gilt unter Historikern als zu versetzen. Ein Ziel dieser Jahres- optimaler Abstand. Einerseits können gabe über Bergrat von Scotti ist es, heute noch einige der damals Beteilig­ ihn als Mensch in jenem System zu ten befragt werden und andererseits beschreiben und am Beispiel seiner erlaubt dieser Abstand einen objek- konkreten Persönlichkeit nachvollzieh- tiven Umgang mit dem Thema, denn bar zu machen, wann und unter wel- es muss bei Wertungen nicht mehr so chen Umständen für ihn der Zeitpunkt stark Rücksicht genommen werden für wichtige Entscheidungen gekom- auf aktuell herrschende gesellschaft- men war und warum er sich in eben liche Verhältnisse und beteiligte Per- dieser Art entschieden hat. sonen.

Damit soll gezeigt werden, dass man Dem Jahresgabenprojekt kam ent- auch heute nicht gefeit ist vor den gegen, dass es bei der Familie Berg- Verführungen durch nationalsozialis- rat von Scottis einen großen Fundus tische Ideen, Populismus und Oppor- schriftlicher Überlieferungen gibt. tunismus mit Systemen, die Menschen Über tausend Briefe, die vor allem dazu bringen, Dinge tun, die eigent- in der Zeit von 1902 bis 1919 von lich ihren Prinzipien zuwiderlaufen. ihm an seine Familie und von seiner Das Wissen darüber und der Vergleich Familie an ihn geschrieben wurden, der damaligen Zeitumstände mit den jeweils mit vielen Seiten Umfang, sind heutigen können die Abwehrhaltung zu einem großen Teil bis heute erhal- gegen totalitäre Ideologien und poli- ten geblieben. Diese außerordentlich tische Parteien stärken, die auch heute umfangreiche Sammlung hat Dr.-Ing. wieder versuchen, humanistische und Hans-Alfred Kochanowski Blatt für demokratische Werte und Normen Blatt gescannt und dem Verfasser zur abzuschaffen. Verfügung gestellt. Alle Briefe sind vom Verfasser von der damals üblichen Eine andere immer wieder gestell- alten deutschen Kanzleischrift bezie- te Frage ist: Wie konnten so große hungsweise deutschen Sütterlinhand- politische Umbrüche, wie 1933 und schrift in lateinische Schrift übertragen 1945, für viele leitende Ingenieure und und dann ausgewertet worden. Es sind

10 allerdings nicht aus allen Jahren Briefe und gefestigt hat. Das wirkte zeitle- erhalten geblieben. Viel geschrieben bens für Bergrat von Scotti prägend wurde in Zeiten der Trennung, zum und richtungweisend. Beispiel als Hans-Hermann von Scotti und seine Frau durch seine monatelan- Bergrat von Scotti war in mehrfacher gen Auslandsbergbauexkursionen und Hinsicht eine bemerkenswerte Persön- besonders durch den Ersten Weltkriegs lichkeit. Er fand als Wissenschaftler getrennt waren. international Beachtung, war welt- gewandt, und in mehreren Sprachen In dieser Zeit haben sie sich fast jeden verhandlungssicher. Bereits vor dem Tag Briefe geschrieben. Darin enthal- Ersten Weltkrieg führte er am Mine- ten sind neben sehr persönlichen Din- ralogischen Institut der Technischen gen auch Informationen über politische Hochschule Aachen die Erzmikrosko- und moralisch-ethische Anschauungen pie ein, indem er die dort schon prak- der Eheleute, ihrer Eltern, Geschwister tizierten Methoden und verwendeten und Bekannten, aber auch Wertungen Apparate der Metall- und Mineralien- und Meinungen. Damit lässt sich ein mikroskopie für die Erzmikroskopie detailliertes Bild von Hans-Hermann anpasste. Er leitete in wirtschaftspo- von Scotti zeichnen, wie es sonst nicht litisch turbulenten und betriebswirt- möglich gewesen wäre. Mehr sach- schaftlich existenzbedrohenden Zeiten, licher Natur sind die ebenfalls erhal- zum Beispiel in der Weltwirtschafts- ten gebliebenen Kriegstagebücher, die krise und nach dem Zweiten Welt- Hans-Hermann von Scotti vom Anfang krieg, als Bergwerksdirektor die Har- bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zer Berg- und Hüttenwerke, besonders geschrieben hat. die beiden Erzbergwerke Bad Grund und Rammelsberg. Nicht nur während Bei der Vorbereitung dieser Jahres- des Nationalsozialismus, sondern auch gabe wurde viel Zeit für diese Briefe unmittelbar davor und danach war er aufgewendet, obwohl der thematische eine treibende Kraft für die Entwick- Schwerpunkt eher auf den vier fol- lung dieser Erzbergwerke. genden Jahrzehnten liegt, also auf der Zeit, in der Hans-Hermann von Er war ein renommierter Lagerstät- Scotti im Harz gelebt und gearbeitet tenkundler und Bergbauingenieur, der hat, besonders in Bad Grund und in oft zur Begutachtung von in- und aus- Goslar. Die Briefe und seine Kriegs- ländischen Bergwerken und Lagerstät- tagebücher zeigen aber sehr anschau- ten hinzugezogen wurde und das sogar lich, wie sich seine Persönlichkeit noch nach seiner aktiven Berufszeit. vom jungen Studenten, späteren wis- Seine Expertisen auf dem Gebiet der senschaftlichen Assistenten und Dok- west-, mittel-, süd- und südosteuropä- tor der Ingenieurwissenschaften und ischen Blei-, Zink-, Kupfer- und Anti- schließlich in vier Jahren Frontein- monerzvorkommen bildeten oft die satz zum gestandenen Hauptmann und Grundlage für Entscheidungen, ob und Artillerie-Batteriechef herausgebildet in welchem Umfang dort Bergwerke

11 Abbildung 1.a.: Hans- Hermann von Scottis Vater Generalleutnant Paul Emil Maria Titus von Scotti 1914 entstehen oder bestehende ausgebaut Während des Studiums absolvierte er werden sollten. als Voraussetzung für die Laufbahn als Reserveoffizier ein freiwilliges Wehr- Bergrat von Scottis Lebenslauf lässt dienstjahr. sich an Hand vieler erhalten geblie- bener Dokumente gut nachvollziehen. Nach Abschluss des Studiums durch Geboren als Sohn des späteren Gene- Ernennung zum Bergassessor und ralleutnants Emil von Scotti und seiner Promotion nahm er eine Tätigkeit als Frau Marie wuchs er in gut situiertem Assistent an der TH Aachen auf und Hause auf. Er hat sein Abitur am Gym- heiratete Adeline Junkermann. Die nasium Küstrin abgelegt und konnte ersten Ehejahre waren geprägt durch darauf aufbauend seinen Wunsch ent- die Geburten der drei Kinder Hilde- sprechend Bergbau und Mineralogie gard (1914), Hans (1917) und Erika an den Universität Freiburg und an (1918), aber auch durch den Ersten den Bergakademien Bonn und Berlin Weltkrieg. Hans-Hermann von Scotti studieren. Er wurde Mitglied der Stu- war vier Jahre lang fast ununterbrochen dentenverbindung Rhenania, der er bis als Artillerieoffizier an der Front. Nach zu seinem Tod eng verbunden blieb. dem Krieg zog er mit seiner Familie in

12 Abbildung 1.b.: Urkunde der Erhebung der Fami- lie Scotti in den erbli- chen Adelsstand den Oberharz, um dort eine Karriere Rammelsbergprojekt beteiligt, in des- als Bergbeamter zu beginnen und Ende sen Verlauf der Unterharzer Berg- der 1920er Jahre Direktor des Preußag- werks- und Hüttenkomplex zu einem Erzbergwerks Bad Grund zu werden. In hochmodernen Betrieb entwickelt wur- dieser Zeit wurde dieses Werk grundle- de. Schwerpunkte waren dabei der Bau gend modernisiert. Herausragend war des größten Zinkverhüttungsbetriebs dabei der erfolgreiche Bau und Betrieb Deutschlands jener Zeit, die Moderni- der ersten großtechnischen Erzflotati- sierung des Blei-Kupferverhüttungs- onsanlage Deutschlands. betriebs, der Bau einer Erzflotations- anlage und das Teufen eines neuen 1933 wurde Bergrat von Scotti zum Hauptförderschachts. Geschäftsführer der Unterharzer Berg- und Hüttenwerke ernannt und zog mit Auch nach dem Ende des Zweiten seiner Familie nach Goslar um. Dort Weltkriegs blieb Bergrat von Scotti war er maßgeblich am sogenannten Geschäftsführer und Bergwerksdirektor

13 Abbildung 1.c.: Adelstitel- verleihungsurkunde, Unter- schrift Kaiser Wilhelm für die Harzer Berg- und Hüttenwerke. begleitete. Anschließend lebte er mit Ihm ist es zu verdanken, dass trotz des seiner Frau noch weitere elf Jahre in drastischen Wechsels der politischen Goslar. Sein Grab findet sich auf dem und Verwaltungsstrukturen der Betrieb städtischen Friedhof in Goslar. in den Ober- und Unterharzer Preußag- Bergwerken ohne erhebliche Brüche Sein Alterswerk, die Münz- und weiterlaufen konnte. 1946 hatte Bergrat Medaillensammlung Harzer Gepräge, von Scotti sein Pensionsalter erreicht. hat er schon 1950 im Auftrag der Die Konzernleitung der Preußag bat Geschäftsführung der Unterharzer ihn aber nachdrücklich, trotzdem weiter Berg- und Hüttenwerke begonnen Geschäftsführer zu bleiben. und bis zu seinem Lebensende wei- ter betreut. Diese Sammlung ist heute In den folgenden Jahren führte zwar nicht mehr erhalten, lebt aber in Bergrat von Scotti die Harzer Preuß- Form von Beschreibungen in Veröf- agbetriebe zu überaus erfolgreichen fentlichungen weiter. Betriebsergebnissen, wobei die allge- mein besser gewordene Konjunktur 1. Geburt, Jugend und Schule und die deutlich gestiegenen Welt- marktpreise für Metalle unterstützend Hans-Hermann Scotti (das „von“ wirkten. Bergrat von Scotti wurde bekam sein Vater erst 1913 anlässlich schließlich erst Ende 1952 pensioniert, des Regierungsjubiläums des Kaisers erhielt aber im unmittelbaren Anschluss verliehen) wurde am 05. September für weitere drei Jahre Beraterverträge, 1883 in Metz als zweites Kind von in deren Rahmen er vor allem Such- Marie und Emil Scotti geboren. Diese und Erkundungsprojekte leitete und Zeit, die sogenannte Gründerzeit, war

14 Abbildung 1.d.: Wappen der Familie von Scotti geprägt durch den zwölf Jahre zuvor zum Deutschen Reich. Verwaltet wurde gewonnen preußisch-französischen Elsass-Lothringen wie ein besetztes Krieg und den damit verbundenen Auf- Gebiet. Metz war Garnisonsstadt und schwung des in diesem Zusammenhang der Ort, in dem Hans-Hermanns Vater, neu gebildeten deutschen Kaiserreichs. Emil Scotti, als Oberleutnant der Infan- Die Wirtschaft florierte. Es kam zu terie stationiert war. vielen neuen (Firmen-) Gründungen. 1.1. Elternhaus, Vorfahren und Metz war Hauptort und Verwaltungs- Geburt sitz von Lorraine (Lothringen), das bis zum Ende des preußisch-französischen Die elterliche Familie Hans-Her- Kriegs noch zu Frankreich gehört hatte. mann Scottis kam sowohl mütterlicher- Es kam dann, wie auch andere Teile als auch väterlicherseits aus Oberschle- Lothringens und das ebenfalls vormals sien. Seine Eltern, Marie Amalie Wil- französische Gebiet Alsace (Elsass), helmine Scotti, geborene Scherbening,

15 Abbildung 1.1.a.: Marie Amalie Wilhelmine und Emil Scotti, die Eltern von Hans- Hermann Scotti und Paul Emil Maria Titus Scotti hatten Schlesien. Dort und im benachbarten 1878 in Lipine/Oberschlesien geheira- Groß-Strehlitz sowie in Ratibor gehör- tet, obwohl Emil Scotti zu dieser Zeit ten im 18. Jahrhundert Bürgermeis- schon in Metz stationiert war. Er war, ter, Kaufleute und Bankiers zu seinen wie auch seine Familie, katholisch, sie Nachkommen. dagegen evangelisch. Bei der Hochzeit trat er zum evangelischen Glauben über. Im 19. Jahrhundert dominierten unter Die Kinder wurden alle evangelisch. Hans-Hermanns Scottis Vorfahren der väterlichen Familie höhere Beamte. Die Familie Scotti hat eine außeror- Sein Großvater, Paul Emil Scotti, gebo- dentlich lange Geschichte. Sie stammte ren 1805 in Ratibor/Oberschlesien und höchstwahrscheinlich aus Schottland gestorben 1868 in Neustadt/Oberschle- und war im 8. Jahrhundert nach Ober- sien, war Kreisgerichtsdirektor in Neu- italien ausgewandert, wo sie in den stadt/Oberschlesien. Seine Großmutter folgenden Generationen den Namen väterlicherseits, Emma Natalie Scotti, Scotti (italienisch für „die Schotten“) geborene Delius, geboren 1812 in Bres- annahm. Zur Familie gehörten dort in lau, war Tochter von Oberlandgerichts- den folgenden Jahrhunderten berühmte rat Christian Friedrich Delius. Grafen und hohe Würdenträger. 1712 zog Johann Inocens Scotti mit seiner Hans-Hermann Scottis Vater, Paul Frau Magdalena von Italien nach Cosel/ Emil Maria Titus Scotti, geboren 1848

16 Abbildung 1.1.b.: Hans-Hermann Scottis Großeltern väterlicherseits in Neustadt/Oberschlesien und gestor- an den Kaiser, über 550.000 Reichs- ben 1929 in Kassel wurde, wie schon mark in Wertpapieren frei verfügen zu erwähnt, 1913 anlässlich des 25jähri- können. gen Regierungsjubiläums Kaiser Wil- helm II. in den erblichen Adelsstand Hans-Hermanns Vater war in seiner erhoben. Er sah übrigens die Verleihung Familie tonangebend. Seine politischen des Adelstitels nicht nur als Auszeich- und moralisch-ethischen Meinungen nung und persönlichen Vorteil, sondern, übernahm der junge Hans-Hermann wie er an seinen Sohn Hans-Hermann offenbar überzeugt und dauerhaft. schrieb, als Verpflichtung für sich und besonders auch für seine Söhne. Das Die häufigen Versetzungen des wirft ein bezeichnendes Licht auf sein Vaters bedingten regelmäßige Umzü- Selbstverständnis, seine Haltung und ge der Familie: seine zurückhaltende Art, wie sie später auch für seinen Sohn Hans-Hermann • 1869 Dienst als Leutnant in Oppeln typisch werden sollte. Die Familie war (heute Opole, südwestlich von Wro- durchaus vermögend. Im Antrag auf claw) Verleihung des erblichen Adelstitels • 1870/71 Einsatz im Preußisch-Fran- schrieb Emil Scotti am 18. August 1910 zösischen Krieg

17 Abbildung 1.1.c.: Tauf- schein von Hans-Her- mann Scotti

• 1872 bis 1878 Dienst in Neisse Elk), Oberstleutnant im Regiments- (heute Nysa, südlich von Wroclaw) stab • 1878 Versetzung nach Metz, dort als • 1900 Übernahme des Kommandos Premierlieutenant Adjutant der 59. über das Infanterie Regiment von Infanterie Brigade Stülpnagel (5. Brandenburgisches • 1883 Versetzung nach Offenbach, Regiment) Nr. 48 in Küstrin an der dort im Range eines Hauptmanns Oder, Beförderung zum Oberst Kompaniechef • 1903 Regimentskommandeur in • 1890 Versetzung nach Magdeburg, Neisse, Beförderung zum General- Adjutant der 7. Division, dort 1891 major Beförderung zum Major • 1906 bis 1908 Chef der 37. Divisi- • 1893 Versetzung nach Bromberg on in Allenstein/Ostpreußen (heute (heute Bydgoszcz), Bataillonskom- Olsztyn) Beförderung zum General- mandeur leutnant • 1897 Versetzung nach Schneide- • 1908 auf eigenen Antrag in den mühl/Pommern (heute: Pila) und Ruhestand gegangen und mit der dann nach Lyck/Ostpreussen (heute: Familie nach Kassel gezogen

18 Abbildung 1.1.d.: Emil und Hans-Hermann Scotti 1889

Hans-Hermanns Scottis Mutter wur- nen und zu Zink verhüttet wurde. de 1859 in Scharley/Oberschlesien Allein das Bergwerk in Scharley hatte als Marie Amalie Wilhelmine Scher- Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 500 bening geboren und ist 1928 in Kassel Mann Belegschaft und förderte unge- gestorben. Sie war Tochter des König- fähr 25.000 t Zinkerz pro Jahr. lichen Bergrats Hermann Scherbe- ning, geboren 1828 in Königsberg/ Die Mutter brachte eine wichti- Preußen, gestorben 1902 in Berlin. ge Komponente in Hans-Hermanns Er war Generaldirektor der Schlesag Grundverständnis ein: Die Rolle und (Schlesische Aktiengesellschaft für Aufgabe der Familie, das Primat Bergbau und Zinkhüttenbetrieb). Die der Familie in allen Angelegenhei- Schlesag betrieb in der Umgebung ten. Das blieb für ihn zeitlebens ein des oberschlesischen Ortes Lipine Grundsatz. Kritik übte er lediglich mehrere Berg- und Hüttenwerke, in an den Überlängen der mütterlichen denen vor allem Zinkblende gewon- Briefe und an der inhaltlichen Seich-

19 Abbildung 1.1.e.: Hans-Hermann Scottis Großeltern mütterlicherseits tigkeit. Diese Art Briefe zu schreiben Hans-Hermann Scotti hatte vier Brü- war aber wohl eher typisch für die der: damalige Zeit und nicht nur für seine Mutter. 1. Eberhard Hermann Friedrich Scotti, geboren 1880, gestorben 1886 In der Familie Scherbening gab 2. Friedrich (Fritz) Karl Hermann es neben ihrem Vater eine Reihe Eberhardt Scotti, geboren 1888, weiterer höherer Bergbeamter. Einer gestorben 1969 der beiden Brüder von Marie Scher- 3. Walther Herbert Franz Sylvester bening war Hüttendirektor in Lipine/ Scotti, geboren 1890, gestorben Oberschlesien und der andere preußi- 1945 scher Generalmajor (gefallen 1914). 4. Hellmut Hans Georg Scotti, gebo- Von den vier Schwestern heirateten ren 1897, gestorben 1979 eine den (späteren) Geheimen König- lichen Bergrat Matthiash und eine Alle seine Brüder, abgesehen von andere einen (späteren) Bergrat, der Hans-Hermanns älterem Bruder Eber- übrigens Generaldirektor der Hiber- hard, der bereits mit sechs Jahren an nia wurde, einer Steinkohlen-Aktien- Diphterie verstorben war, wurden Offi- gesellschaft. ziere. Vater Emil hatte sie auf die

20 Abbildung 1.1.f.: Hans- Hermann und Eberhard 1886

Kriegsschule geschickt und war damit Später sollten auch für Hans-Hermann bei ihnen offensichtlich auf keinen von Scotti Umzüge seiner Familie über Widerspruch gestoßen. In Vorbereitung große Entfernungen bei der Planung auf das spätere Leben gehörte übrigens seiner beruflichen Karriere kein Hin- damals auch, dass sie alle eine sehr derungsgrund darstellen. Hierdurch gute reiterliche Ausbildung bekamen. scheinen auch seine spätere Weltge- wandtheit und seine Vorliebe für Rei- 1.2. Jugend und Schulbildung sen in andere Länder angeregt worden zu sein. Die Familie blieb bei den häu- Die häufigen Wohnortwechsel, die fig wechselnden Wohnorten der feste sich aus dem Offiziersberuf von Hans- Bezugspunkt. Auch das ist schon für Hermann Scottis Vater ergeben hatten, sein Elternhaus typisch gewesen und waren für die Familie anstrengend, wird in vielen der erhalten gebliebenen wurden aber als normal empfunden. Briefe immer wieder betont.

21 Abbildung 1.1.g.: Hans-Hermann mit Fritz und Walter in Schneidemühl 1894

Die Familie ging mit Hans-Her- Einstellung und die preußisch-militä- mann und seinen Brüdern überaus für- rischen Normen und Umgangsformen sorglich um. Das häufige Umziehen des Vaters prägten die Familie und die Familie hat sie eng miteinander wurden von den Söhnen offensicht- verbunden. Die sehr liebevollen Brie- lich nicht hinterfragt. Selbst Hans- fe der Mutter an ihren Sohn Hans- Hermanns Mutter verwendete in ihren Hermann machen das deutlich. Sie Briefen auffällig oft militärische Fach- wurde für ihn Vorbild bei der Wahl ausdrücke und Formulierungen. seiner Ehefrau, wie er später in einem Brief ausdrücklich schrieb. Bis 1902 war Hans Hermann nacheinander an den Gymnasien in Die Erziehung im Hause Scotti Schneidemühl, Lyck und Küstrin. Die stand, wie es Hermann von Scotti in Schulbildung schloss Hermann Scotti einem Mitte der 1930er Jahre selber Ostern 1902 mit Abitur ab. Schon verfassten Lebenslauf ausdrückte, „in während der Zeit an den Gymnasien der guten alten Tradition von Treue, stand für Hans-Hermann sein Berufs- Pflichterfüllung, Kameradschaft und wunsch fest. Er wollte entweder Sparsamkeit“, was „für sein ganzes Offizier werden oder Bergmann. Das Leben prägende Tugenden blieben.“ schrieb er später in einer Rückschau Die national-konservative kaisertreue auf sein Leben.

22 Abbildung 1.2.a.: Hans Hermann 1889

Vorbild war unzweifelhaft sein Hermann seine Erinnerung an einen Vater, der als Generalleutnant die gemeinsamen Ausritt beschrieb und materielle und soziale Grundlage für ihm bescheinigte, er wäre “Soldat im das großbürgerlich-aristokratische Blut“. Diese Einschätzung wird natür- Leben und die gesellschaftliche Stel- lich auch dem Wunschdenken des lung der Familie schuf. Zu ihm hatte Vaters geschuldet gewesen sein. Eine Hans-Hermann, bei preußischen militärische Laufbahn schien unter Steifheit, ein freundschaftlich-respekt- dem Eindruck der damals allgemein volles Verhältnis, das sich übrigens und besonders auch in der elterlichen im Laufe der Jahre noch verstärken Familie Scotti üblichen militärischen sollte. Der Vater war es auch, der viele Euphorie und Kaiserverehrung für Jahre später in einem Brief an Hans- Hans-Hermann vorgezeichnet – seine

23 Abbildung 1.2.b.: Hans- Hermann 1896 (Quarta- ner) auf Lady

Brüder wurden ja schließlich auch alle entwicklung nach dem Gymnasium Offiziere. soweit abgeschlossen, dass er weitge- hend selbständig an einem weit von zu Als Grund, doch nicht Offizier Hause entfernt liegenden Ort erfolg- geworden zu sein, nannte er die Anre- reich ein Studium aufnehmen konnte. gung seines Großvaters mütterlicher- seits, Hermann Scherbening, der ihm 2. Studium, Beginn der als Generaldirektor der Schlesag mit Offizierslaufbahn und dem notwendigen profunden Wissen Familiengründung den Bergmannsberuf nachdrücklich empfohlen hatte. Nach seinem Abitur begann Hans- Hermann Scotti 1902 sein Studium, das Trotz überaus fürsorglicher Behü- er 1914 mit dem akademischen Grad tung durch die Familie und Schule war eines Doktors der Ingenieurwissen- Hans-Hermann Scottis Persönlichkeits- schaften abschloss. 1904/05, das heißt

24 Abbildung 1.2.c.: Hans Hermann bei seiner Konfirmation 1897 während des Studiums, absolvierte er arbeitete, sind viele Briefe erhalten ein „freiwillige Jahr“ beim Militär. geblieben, zum Beispiel fast einhun- dert aus der Beflissenenzeit der Jahre In diesen zwölf Jahren hat Hans-Her- 1907/08 und 64 Briefe aus dem Jahr mann von Scotti die wesentlichen Wei- 1912, als er südspanische Bergwerke chen für sein späteres Leben gestellt. bereiste. In diesen Briefen ist eine Fül- Er nahm eine wissenschaftliche Assis- le von Begebenheiten, Zusammenhän- tentenstelle an der TH Aachen an, gen und persönlichen Einstellungen heiratete Addi Junkermann und beide festgehalten, die seinen Werdegang bekamen ihre erste Tochter Hildegard und die Entwicklung seiner Persön- Marie Adeline. lichkeit zeigen und für sein späteres Leben prägend wirkten. Deshalb wird diese Zeit detaillierter dargestellt, als es vielleicht notwendig 2.1. Bergbaustudium erscheinen mag. Aus seiner Beflisse- nen-, Referendars- und Assessorenzeit, Das Bergbaustudium setzte sich in der er zeitweise weit vom Wohnort Anfang des 20. Jahrhunderts prinzi- der Familie entfernt in Bergwerken piell aus den gleichen Bestandteilen

25 Abbild Abbildung 2.a.: Hans-Hermann Scotti auf Lord, etwa 1903 zusammen, wie es auch heute der Fall eingeordnet. Am Ende der Beflisse- ist. Ein Abiturient ohne nennenswerte nenzeit musste er einen Abschlussbe- praktische Erfahrungen im Bergbau richt, auch Belegarbeit oder Beflisse- wurde nicht ohne Weiteres zum Berg- nenarbeit genannt, einreichen. baustudium zugelassen. Vorgeschaltet werden musste in diesen Fällen eine Das eigentliche Bergbaustudium sogenannte Beflissenenzeit, die man konnte an den Bergakademien erfol- außerhalb des Bergbaus als Vorprakti- gen oder an Universitäten und Hoch- kum bezeichnen würde. In dieser Zeit schulen, die dafür spezielle Institu- hatte der Beflissene in mehreren Berg- te hatten, zum Beispiel für Bergbau, werken vor Ort mitzuarbeiten. Das Geologie, Lagerstättenkunde oder konnten tatsächliche Arbeiten beim Mineralogie. Bergakademien waren Lösen, Laden und Fördern des Hauf- eigentlich nur für die Heranbildung werks sein, bei der Sicherung und von Bergbeamten des Höheren Diens- beim Ausbau untertägiger Hohlräume, tes vorgesehen und unterstanden in der Aufbereitung und so weiter. gewöhnlich den betreffenden Ober- Dabei wurde er Mitglied eines Teams bergämtern. Viele Bergakademien von Bergleuten, eingebunden in das durften keine akademischen Grade, Vergütungssystem und disziplinarisch wie Diplom-Ingenieur oder Doktor

26 Abbildung 2.b.: Familie Scotti in Neisse zu Pferde der Ingenieurwissenschaften verlei- im privatwirtschaftlich geführten hen. Das traf beispielsweise auf die Bergbau für leitende Angestellte und Bergakademie Clausthal zu, die heuti- Beamte üblich war. Die historische ge Universität Clausthal. Deshalb war Entwicklung des deutschen Bergbaus es für die dort Studierenden üblich, hatte dazu geführt, dass die Berg- einige Semester an Hochschulen oder werke einem sehr starken staatlichen Universitäten zu verbringen, um dort Reglement (Berggesetz, Oberbergäm- einen akademischen Grad zu erlan- ter, Berginspektionen) unterlagen oder gen. Oberbergämter und zugehörige sogar gänzlich unter staatlicher Regie Bergakademien ermöglichten aber die geführt wurden. Ausgeübt wurden die- Referendars- und Assessorenausbil- se Regieaufgaben durch Bergbeamte. dung, beides Voraussetzungen für den Die Beamtenausbildung (Referenda- Einstieg in die höhere Bergbeamten- riat) folgte zeitlich nach einem erfolg- laufbahn. Hans-Hermann Scotti hatte reich abgeschlossenen akademischen sich für ein Studium an der Universi- Studium. Das ist übrigens auch heute tät Freiburg und eine Ausbildung am noch für Beamte, zum Beispiel für Oberbergamt Bonn und an der Berg- Lehrer, vorgeschrieben. akademie Berlin entschieden. Zu Beginn der Beamtenausbildung Die Bergbeamtenlaufbahn war für hatte der Diplom-Ingenieur ein Staats- Hans-Hermann Scotti ratsam, weil das examen (Erstes Staatsexamen) abzule- sowohl im Staatsbergbau als auch gen. Danach durfte er als Referendar

27 Abbildung 2.c.: Emil Scotti mit Ehefrau und seinen Söhnen praktische Erfahrungen in den Berg- schreiben zu müssen, eine über tech- werken sammeln. Eingesetzt wurden nische und eine über wirtschaftliche die Referendare an wechselnden Orten und Verwaltungsbelange. Die Refe- und in unterschiedlichen betrieblichen rendarzeit dauerte gewöhnlich zwei Bereichen, zum Beispiel als Steiger Jahre. Nach erfolgreich bestandenem beziehungsweise Bergbauingenieure, Zweiten Staatsexamen konnten die in geologischen Abteilungen oder in Referendare das Patent zum Königli- der Bergverwaltung. Sie hatten dann chen Bergassessor erhalten. schon den Status eines Bergbeam- ten, waren also vereidigt und von der War auch dieses Examen bestanden, zuständigen Bergbehörde als Steiger dann schieden die Bergassessoren erst anerkannt. Diese Anerkennung war einmal aus dem Staatsdienst aus und gewöhnlich mit dem Bestehen einer führten nun den Namenszusatz a. D. mündlichen Prüfung mit Fragen zu (für außer Dienst) im Titel, konnten bergpolizeilichen, bergrechtlichen und sich aber für den Dienst an Oberberg- bergtechnischen Themen verbunden. ämtern, Berginspektionen oder Direk- Über die Referendarzeit war einer tionen staatlicher Bergwerke bewer- Belegarbeit (Referendararbeit) zu ben. Aber auch privatrechtlich geführ- schreiben und einzureichen, um zum te Bergwerke sahen es gern, wenn Zweiten Staatsexamen zugelassen sich Bergassessoren a. D. bei ihnen zu werden. In einigen Fällen war es bewarben, denn dieser Titel stand für auch üblich, zwei Referendararbeiten eine solide Ausbildung.

28 Abbildung 2.1.1.a.: Foto Grube Storch und Schöneberg in Gosenbach um 1900, Fotografie von Peter Weller

Der Weg zum Bergassessor wurde darauf, zum elitären Kreis der Bergas- von vielen beschwerlicher und lang- sessoren zu gehören. wieriger empfunden, als das voran- gehende Bergbaustudium. Bergasses- Die Zahl der deutschen Bergasses- sor zu sein, galt deshalb für viele soren war in den 1910er und 1920er erstrebenswerter als ein Doktortitel. Jahren überschaubar. Es wurde sogar Bergassessoren und Bergräte waren ein Buch herausgegeben und in meh- in der Regel sehr stolz auf ihren Titel reren Neuauflagen aktualisiert, in dem und führten ihn, wie beim Militär, alle preußischen Bergassessoren mit noch vor ihrem akademischen Grad kurzgefasstem Lebenslauf aufgeführt im Namen und das auch noch, wenn wurden. Viele der Bergassessoren sie längst aus dem Beamtenverhält- kannten sich untereinander und pfleg- nis ausgeschieden waren. Ein wenig ten intensive fachliche und private mag das auch damit zusammenge- Kontakte, oft bis ins hohe Alter, wie hangen haben, dass sie als Beamte es auch bei Hans-Hermann von Scotti „auf Lebenszeit“ vereidigt worden der Fall war. waren und sich auch dann noch daran hielten, wenn dieser Eid längst den 2.1.1. Beflissenenzeit Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit verloren hatte. Allgemein Hans-Hermann Scottis Wunsch, waren die akademischen Bergleute Bergmann zu werden, war anfangs damals recht standesbewusst und stolz recht allgemein und nicht auf ein

29 Abbildung 2.1.1.b.: Grube Heinitz, Königliches Steinkohlenbergwerk Neunkirchen/ Saar, Gesamtansicht 1908 bestimmtes Bergbaurevier oder eine ren waren, wie Dr. Kochanowski dem Spezialisierung festgelegt. Aus sei- Verfasser schilderte, in der Familie nen Briefen geht lediglich hervor, von Scotti nicht ungewöhnlich. dass ihm eine Karriere im Höheren Dienst einer Bergbehörde oder in der Im Juni 1902 begann Hans-Her- Direktion eines größeren Bergwerks mann Scotti seine Beflissenenzeit vorschwebte. Grundsätzlich bestand am Oberbergamt Bonn. Seine erste auch damals schon eine weitgehende Schicht verfuhr er auf der Bergisch- Freiheit hinsichtlich der Wahl des Stu- Gladbacher Zinkerzgrube Berzelius. dienortes und -fachgebiets. Hans-Her- Von Juli bis September 1902 war er mann Scotti wählte das Oberbergamt zum praktischen Beflisseneneinsatz Bonn, weil in seinem Zuständigkeits- in die Eisenerzgrube Storch & Schö- bereich Bergwerke unterschiedlichster neberg im Siegerland. Diese Grube Art lagen: Steinkohlen-, Braunkoh- befand sich in Gosenbach, einem heu- len-, Erz-, Kali- und Steinsalzgru- tigen Stadtteil von Siegen. ben. Deshalb war es bei angehenden Bergbaustudenten und Referendaren Vom Oktober 1902 bis März 1903 besonders beliebt. Die ziemlich große war Hans-Hermann Scotti als Beflis- Entfernung zum elterlichen Wohnort sener auf der Steinkohlengrube war für ihn offensichtlich kein Hin- Heinitz bei Neunkirchen im Berg- derungsgrund. Wohnungswechsel von baurevier Saar, einem für damalige einem Ende Deutschlands zum ande- Verhältnis außergewöhnlich großen

30 Abbildung 2.1.2.a.: Corps-Fuchs Scotti, Frei- burger Rhenanen

Bergwerk. 1882 hatte dieses Berg- 2.1.2. Studium in Freiburg werk bereits eine Jahresfördermenge und Berlin, freiwilliges von mehr als einer Million Tonnen Wehrdienstjahr Steinkohle pro Jahr erreicht. Zur Jahrhundertwende war die Grube Ostern 1903 "bezog" Hans-Hermann das größte Saar-Bergwerk. Inzwi- die Universität Freiburg im Breisgau, schen gab es neben den vier Heinitz- wie er sich in seinem Lebenslauf aus- Schächten und den drei Dechener drückte. „Dort verbrachte“ er „vier Schächten auch die Schächte Geis- herrliche Semester" und wurde dort heck I und II, den Bildstock-Schacht aktiver Corpsstudent beim Corps Rhe- und den Mosel-Schacht. 1911 nania, dem er auch lebenslang treu kamen der Eichen-Schacht und der geblieben ist. Marsaut-Schacht hinzu. Inzwischen arbeiteten über 6100 Mann in dieser Das Corps Rhenania Freiburg ist eine Grube. „pflichtschlagende“ (Fechttrainig, um

31 Abbildung 2.1.2.b.: Selbstdarstellung Corps Rhenania Freiburg bei Mensuren Mut und einen gefes- musste. Die meisten Studenten wähl- tigten Charakter beweisen zu können) ten allerdings ihrer Heimatstadt als Studentenverbindung im Kösener Seni- Studienort und wohnten weiterhin bei oren-Convents-Verband und hat auch ihren Eltern. Die, die nicht im Wohnort heute noch sehr viele Mitglieder. Die ihrer Eltern studierten, versuchten bei Corpsmitglieder werden Freiburger Verwandten oder Bekannten unterzu- Rhenanen genannt. kommen. Vor allem für diejenigen, die auch dazu keine Möglichkeit hatten Studentenverbindungen führten und auch nicht von ihren Eltern aus- in gewissem Sinne die Aufgaben der reichend finanziert werden konnten, Familie fort, wenn der Student nach waren Verbindungen mit Verbindungs- der beendeten Schulausbildung von häusern, in denen sie kostengünstig der Familie weitgehend getrennt leben wohnen konnten, interessant. Aber

32 Abbildung 2.1.2.c.: Ein- ladung Hans-Hermann Scottis 1907 zur Recon- stitutionsfeier des Corps Rhenania Freiburg natürlich waren Verbindungen auch le und Familie, bot politische Ori- sonst attraktiv, denn hier wurden neben entierung und Halt in der vielleicht dem Verbindungshaus und preiswerten im Vergleich zur Schulzeit als haltlos Essen auch gemeinsames Studieren und erscheinenden akademischen Freiheit. Feiern geboten - kurz, die soziale Ein- Verbindungen schufen Identifikations- bindung in ein bereits funktionierendes möglichkeiten und förderte die Freund- und erfahrenes Team. Studentenheime, schaft und Kameradschaft. Prämisse die allen Studenten zugänglich sind, blieb bei den meisten Verbindungen gab es damals noch nicht. Finanziert dieser Zeit, wie besonders auch bei der wurden und werden die Corps durch Rhenania, die Festigung des konserva- bereits im aktiven Berufsleben stehende tiv-kaisertreuen Weltbilds. Zusätzlich Corpsbrüder, die „Alten Herren“. ermöglichten sie in höchst attraktiver Form die Aufnahme der Jungstudenten Die Studentenverbindung formte das in die Männerwelt, vor allem aber die Weltbild ihrer Verbindungsmitglieder Erziehung zur Selbstüberwindung bei im gleichen Sinne wie bis dahin Schu- drohender Gefahr und nicht zuletzt zur

33 Abbildung 2.1.2.d.: Hans-Hermann Scotti „als Corpsbursch“

Bewahrung der Haltung bei Feierlich- bunden, nicht nur um fachliche Infor- keiten. Ziel war die Gesellschaftsfä- mationen auszutauschen. higkeit, Voraussetzung für den Erfolg jedes höheren Bergbeamten und leiten- Hans-Hermann unterbrach sein den Bergbauingenieurs. Freiburger Studium für ein freiwilli- ges Wehrdienstjahr. Das mag merk- Und nicht zuletzt halfen die Alten würdig erscheinen und soll deshalb Herren den Studienabsolventen beim kurz erläutert werden. In der Zeit, Einstieg in die berufliche Karriere, ver- als Hans-Hermann Scotti studierte, mittelten Stellen und wichtige Informa- gab es in Deutschland eine allgemei- tionen. Die Corpsbrüder blieben in der ne Wehrpflicht. Je nach Bedarf der Regel ein Leben lang gesellschaftlich einzelnen Wehrkreiskommandos wur- und freundschaftlich miteinander ver- den die jungen Männer eingezogen

34 Abbildung 2.1.2.e.: Hans-Hermann Scotti (Mitte) in Freiburg nach einer Mensur und in einer gewöhnlich recht stren- Gründe dafür waren für Hans-Her- gen Rekrutenausbildung zu Soldaten mann Scotti sicherlich seine durch gemacht. Auch Hans-Hermann Scotti das Elternhaus und besonders durch hätte das früher oder später betrof- seinen Vater bestimmte Affinität zum fen. Alternativ konnten sich geeignete Offiziersberuf. Andererseits galt es in junge Männer freiwillig und unter besser gestellten Familien als angemes- Umgehung des normalen Wehrdienst- sen, nicht einfacher Soldat zu werden, drills zu einem sogenannten Freiwilli- sondern (Reserve-)Offizier. Zwischen gen Jahr melden, einer militärischen Soldaten- und Offiziersdiensträngen Ausbildung, die gewöhnlich mit der bestand so etwas wie ein Klassenunter- Beförderung zum Fahnenjunker und schied und „man“ fühlte sich natürlich damit dem Beginn einer Offizierslauf- zur oberen Klasse gehörig. Dafür nahm bahn endete. „man“ auch eine längere Dienstzeit in

Abbildung 2.1.2.f.: Leut- nantspatent von Hans- Hermann Scotti

35 Die Absolventen des Freiwilligen Jahrs wurden gewöhnlich in den fol- genden Jahren regelmäßig zu einer jährlichen Reservistenübung einberu- fen, bei denen sie mehr oder minder regelmäßig befördert wurden.

Hans-Hermann Scotti "genügte sei- ner militärischen Dienstpflicht", wie er sich selber ausdrückte, als Einjäh- riger Freiwilliger beim 5. Badischen Feldartillerie-Regiment vom 01. Okto- ber 1903 bis 30. September 1904. Anschließend wurde er zum 4. Garde Feldartillerie-Regiment versetzt und setzte sein Studium in Freiburg fort. Er nahm vom 15. Juli bis 08. Sep- tember 1905 (am 02. September 1905 Beförderung zum Vizewachtmeister der Reserve) und vom 01. März bis 25. April 1906 an Reservistenübungen teil. 1907 wurde er zum Leutnant der Reserve des 4. Garde Feldartillerie- Regiments befördert. Im Juli 1908 war er zu einer Reservistenübung auf dem Truppenübungsplatz Döberitz. Im Juli 1914 begann für Hans-Hermann von Scotti eine Reservistenübung, die für ihn mit Beginn des Ersten Weltkriegs ohne Unterbrechung in den aktiven Kriegsdienst überging.

Bereits 1905 hatte Hans-Hermann Scotti von der Universität Freiburg zur Abbildung 2.1.2.g.: Hans-Hermann Bergakademie Berlin gewechselt, um Scotti als Leutnant der Reserve des 4. dort ab Ostern sein Studium fortzuset- Garde Feldartillerie Regiments zen. Am Oberbergamt Berlin bestand Potsdam er am 19. Juli 1907 die Bergreferendar- prüfung „mit Auszeichnung“. Kauf. Es wurde in diesen Kreisen auch als eine Frage der Ehre und der Pflicht- Anschließend an seine Referendars- erfüllung gesehen, Reserveoffizier zu examen begann Hans-Hermann Scotti sein. im August 1907 eine Reise nach Rei-

36 Abbildung 2.1.2.h.: Grube Zabrze, Tagesanlagen chenstein (Niederschlesien, heute Zlo- dort Grubenbefahrung), München und ty Stok, Gold- und Arsenerzbergbau, Österreich (Hochgebirgstour, Großer

Abbildung 2.1.2.i.: Grube Friedrichssegen, Ansichtskarte an Hans-Hermann Scotti von seinen Mitreferendaren, 1907

37 Abbildung 2.1.2.j.: Refe- rendar Hans-Hermann Scotti 1908

Venediger und so weiter) und war dann Im Anschluss an seine Referendars- drei Jahre in folgenden Orten als Refe- zeit unternahm er vom September rendar eingesetzt: bis Oktober 1908 eine geologisch- lagerstättenkundliche Studienreise • September 1907 bis Januar 1908 in nach Ungarn, geleitet von seinem einer Steinkohlengrube in Camphau- Geologie-Professor. Besucht wurden sen (heute Ortsteil von Saarbrücken) unter anderem die Bergakademie • Februar bis Juni 1908 in einer Stein- Schemnitz (heute Banska Stiavni- kohlengrube in Zabrze (Oberschle- ca, Slowakei), die Verwaltung der sien, 1915 bis 1945 in Hindenburg Zwölf-Apostel-Gesellschaft und ein umbenannt) Bergwerk in Brad (heute Hunedora, • August bis September 1908 in der in Rumänien). Vom Oktober 1908 bis Erzgrube Friedrichssegen in Bad August 1909 schrieb er seine Refe- Ems, (Silber-, Blei- und Zinkerz) rendararbeit.

38 Abbildung 2.1.2.k.: Bergassessorenpatent

Nach absolvierter Referendarzeit bewilligt wurde. Dort bereitete er sich reiste Hans-Hermann Scotti im August auf sein Bergassessorexamen (Gro- 1909 drei Tage nach Belgien, um Brüs- ße Staatsprüfung) vor, das er am 11. sel, Antwerpen und Brügge zu besich- November 1911 am Oberbergamt tigen. Die folgenden zwölf Monate Berlin „mit genügend bestanden“ hat, bereitete er sich auf seine Assessoren- übrigens einer durchaus passablen und prüfung vor und unternahm zwischen- damals bei Prüfungen dieser Art als gut zeitlich vom Juli bis September 1910 einzuschätzenden Leistung. eine Reise nach Schweden, um dort an einem internationalen Geologenkon- 2.1.3. Assistentenzeit gress teilzunehmen. Am 16. November 1910 erhielt er nach bestandenem 2. Am 01. Oktober 1912 begann Berg- Staatsexamen das Patent (Ernennung) assessor Scotti an der TH Aachen (heu- zum Königlichen Bergassessor. Danach tige RWTH Aachen) als Assistent am bewarb er sich bei der Königlichen Mineralogisch-Petrographischen Insti- Bergwerksdirektion Saarbrücken um tut. Er „folgte“ damit, wie er sich spä- eine Referendarstelle, die ihm auch ter selber ausdrückte, „seinen wissen-

39 Abbildung 2.1.3.a.:Assistentenvertrag

Abbildung 2.1.3.b.: Hans-Hermann Scotti 1912 in Spanien auf Grube San Miguel

40 Abbildung 2.1.3.c.: Spanienexkursion Übersicht Abbildung 2.1.3.d.: Spanienexkursion Details

41 Abbildung 2.1.3.e.: Doktorurkunde schaftlichen Neigungen für Geologie angelegt, eine Dissertation zu schrei- und Lagerstättenforschung“. Offiziell ben, um dann mit einer Promotion den „beurlaubte“ ihn dafür das Ministerium Grad eines Doktors der Ingenieurwis- für Handel und Gewerbe am 27. Juni senschaften zu erwerben. Die Stelle 1912 „auf sein Gesuch hin, … bis auf war nicht befristet. Professor Klock- weiteres unter Wahrung des Dienstal- mann hoffte sogar, Bergassessor Scotti ters als Bergassessor“ – er blieb also auch nach erfolgreicher Promotion am weiterhin Beamter des Königlichen Institut zu halten. Oberbergamts. Anfang Januar 1912 unternahm Institutsleiter war der berühmte Bergassessor Scotti erst einmal eine Prof. Friedrich Klockmann, der spä- einwöchige Reise nach Goslar und tere Rektor der TH Aachen, bis heu- befuhr dort mit dem damaligen Berg- te bekannt durch „Klockmanns Lehr- werksdirektor des Erzbergwerks, buch der Mineralogie“, herausgegeben Bergrat Wolf, den Rammelsberg. Sein von Ramdohr und Strunz. Bergasses- besonderes Interesse galt der Geologie. sor Scottis Assistentenzeit war darauf Er ahnte damals übrigens noch nicht,

42 Abbildung 2.1.3.f.: Mitteilung Verleihung Borchers-Plakette dass er zwei Jahrzehnte später selber 28.02.1912 Huelva, Vorbereitung auf einmal am Rammelsberg arbeiten und die Exkursionen ins Grubengebiet sogar Bergwerksdirektor werden wür- 08.03.1912 Grube RioTinto de. 10.03.1912 Grube San Miguel 15.03.1912 Huelva In den folgenden Monaten wertete 17.03.1912 Grube San Miguel Bergassessor Scotti in Aachen die mit- 06.04.1912 Sevilla gebrachten Erz- und Gesteinsproben 10.04.1912 Huelva am Institut aus und verfasste seine 18.04.1912 Grube Sotiel Coronada Dissertation mit dem Titel „Beitrag zur 24.04.1912 Grube Mina Castillo- Frage der Entstehung der Schwefelkies- Buitron lagerstätten im Süden der iberischen 28.04.1912 Gruben San Platan, Espe- Halbinsel“. Am 27. Juni 1914 schloss ranza und Goya Bergassessor von Scotti seine Promoti- 30.04.1912 Grube San Miguel on mit „ausgezeichnetem Erfolge“ ab, 04.05.1912 Gruben Peňa d. Hierro wofür er die Borchers-Plakette erhielt, und Santa Rosa und war nun Doktor der Ingenieurwis- 06.05.1912 Granada senschaften. 11.05.1912 Tanger-Cadiz 12.05.1912 12 Huelva Bergbauexcursion Rio Tinto: 15.12.1912 Lissabon-Antwerpen

18.02.1912 Paris Am 12. Januar trat er dann tat- 19.02.1912 San Sebastian sächlich seine Stelle in Aachen an. 21.02.1912 Madrid Er hatte seinen Arbeitsplatz in der 23.02.1912 Huelva Lagerstättensammlung des Instituts.

43 Abbildung 2.1.3.g.: Mikroskopaufnahmen in der Dissertation Bergassessor von Scottis

Prof. Klockmann hatte ursprünglich In den folgenden Jahren und Jahr- die spanischen Erzlagerstätten von zehnten wurden einige ungenaue Infor- Linares als Dissertationsthema vor- mationen über die Ziele, Ergebnis- geschlagen und Bergassessor Scotti se und Methoden dieser Dissertation begann daraufhin, Spanisch zu lernen. veröffentlicht. Deshalb hier nun eine Mitte Januar stellte sich jedoch heraus, von Hans-Hermann von Scotti später dass über die Geologie von Linares selber verfasste Richtigstellung: Prof. bereits einige Veröffentlichungen vor- Klockmann hatte ihn zwar angeregt, handen waren. Professor Klockmann mit einer Dissertation das Thema der orientierte Bergassessor Scotti des- südspanischen sulfidischen Metall- halb auf die Kupfererzlagerstätten im erzlagerstätten näher zu untersuchen, Raum Huelva/Rio Tinto, die er darauf- wobei besonders die Kupfererze von hin von Februar bis Mai 1912 intensiv wirtschaftlichem Interesse waren. Die- bereiste. se Anregung betraf aber nicht die Art

44 und Weise der Laboruntersuchungen Institution, die unter anderem das Ziel oder gar den Hinweis, dafür die Erze hatte, ledige heiratswillige Partner, die mit Mikroskopen zu untersuchen. Bis einen gewissen Bergbaubezug hatten, dahin gab es an diesem Institut auch standesgemäß zusammenzuführen. noch gar kein Mikroskop mit geeigne- Im Oberbergamtsrevier Bonn war das ter Lichtquelle. Mikroskopisch unter- das Bergkränzchen in Wehlen an der sucht wurden dort bis dahin allerdings Mosel. Es handelte sich um eine gesel- schon Metalle und Minerale. Bergas- lige Tanzveranstaltung, die für Hans- sessor Scotti rüstete 1912 ein bereits Hermann Scotti, wie für viele junge am Institut vorhandenes mineralogi- Leute seines „Standes“, von großer sches Mikroskop mit einen Opakillu- Bedeutung werden sollte. minator aus. Damit begann er dort die erzmikroskopischen Arbeiten sowie Hans-Hermann Scotti scheint regel- Ätz- und Anfärbemethoden auf polier- mäßig mit seinen Corpsbrüdern und ten Anschliffen. Kommilitonen beim Bergkränzchen in Wehlen gewesen zu sein. In einem 2.2. Familiengründung Brief vom 08. September 1918 erinner- te er sich, „wie unter meiner Ägide die In fast allen größeren Bergbaure- beiden Gruß-Mädel ins Bergkränzchen vieren gab es eine gesellschaftliche eingeführt wurden, was sich, wie man

Abbildung 2.2.a.: Addi Junkermanns Eltern

45 Abbildung 2.2.b.: Heiratsurkunde sieht, gelohnt hat.“ Er selber lernte dort (In Goslar hatte übrigens jahrzehn- seine spätere Ehefrau Adeline Auguste telang der Barbaraball im Hotel Ach- Junkermann kennen. Sie war am 25. termann, alljährlich organisiert vom Februar 1889 in Düsseldorf als Tochter heute immernoch aktiven Stammtisch von Landgerichtspräsident Junkermann der akademischen Bergleute, unter (Bonn) und seiner Frau Adele, gebore- anderem eine ganz ähnliche Aufgabe. ne Rollfs geboren worden. In erster Linie handelte es sich beim Goslarer Barbaraball natürlich um ein Fünf Jahre später schrieb Adeline Fest zu Ehren der heiligen Barbara, der (Sie nannte sich selber Addi. Dieser Schutzpatronin der Bergleute.) Vorname wurde auch von allen Ver- wandten und Bekannten so verwendet Am 10. Juni 1911, einen Tag vor und soll deshalb auch hier so beibe- seiner Großen Staatsprüfung, verlob- halten werden.) in einem Brief, Hans- ten sich Addi und Hans-Hermann in Hermann Scotti sei ihr am 21. April Berlin und am 25. September 1912 1911 „zugesteckt“ worden und am 24. heirateten sie. Ihre erste gemeinsa- April 1911 sei daraus eine festere Ver- me Urlaubsreise unternahmen sie im bindung geworden. 1917 schrieb sie in August 1913 nach Weggis, Schweiz. einem Brief, dass es „mittlerweile eine Die junge Familie bezog 1913 in stattliche Zahl von Bergkränzchenkin- Aachen eine Wohnung und am 01. dern gibt.“ Februar 1914 kam die gemeinsame

46 Abbildung 2.2.c.: Hildegard im Alter von fünf Monaten mit Vater

Tochter Hildegard Marie Adeline in offizielle Verzeichnis meiner Gefech- Aachen zur Welt. te einsenden.“

3. Erster Weltkrieg Ganz im Gegensatz dazu enthalten die vielen Briefe, die aus der Zeit Hans-Hermann von Scotti war sehr von 1914 bis 1919 erhalten geblie- zurückhaltend, wenn es um die Schil- ben sind, eine Fülle von Einzelheiten derungen seiner Kriegserlebnisse über die Lebensumstände an der Front, ging. An 28. Januar 1918 schrieb er über seine Wünsche und Vorstellun- in einem Feldpostbrief an seine Frau gen, politischen und moralisch-ethi- verächtlich über ein Schreiben des schen Einstellungen, seine Berufs- und Oberbergamtes. „Dringestanden“ hät- Lebensplanung und ganz besonders te nur, „man sollte wieder Heldenlie- über seine Familie. Daraus entsteht ein der über sich selbst singen. Du weißt, sehr detailreiches Bild von seiner Per- wie ich das schätze. Ich werde nur das sönlichkeit und der seiner Frau Addi.

47 Abbildung 3.a.: Hilde- gard mit ihren Eltern 1915

Die Briefe zeigen die soziale Kompe- 404 Briefe aus dem Jahr 1915 tenz von Addi, ihr wachsendes Selbst- 293 Briefe aus dem Jahr 1916 wertgefühl und ihr Standesbewusstsein. 169 Briefe aus dem Jahr 1917 Addi wurde zwar von ihren Eltern und 173 Briefe aus dem Jahr 1918 ihren Schwiegereltern, bei denen sie mit ihren Kindern wohnte, in jeder Der Erste Weltkrieg begann, wie Hinsicht unterstützt, war aber doch in schon erwähnt, als Bergassessor von ihren Entscheidungen oft auf sich selbst Scotti gerade seinen Abschluss als gestellt. Sie schrieb in ihrer Traurigkeit Doktor gemacht hatte und seine all- über die Trennung von Hans-Hermann jährliche Reservistenübung absol- durchschnittlich fast jeden Tag einen vierte. Eigentlich wäre seine Übung Brief an ihn, manchmal sogar zwei. Ein Ende September 1914 planmäßig Teil dieser Briefe ist erhalten geblieben beendet gewesen. So kam er aber, und konnte ausgewertete werden: ohne noch einmal seiner Familie sehen zu können, direkt von seinem 253 Briefe aus den Monaten August Übungsstandort an die Front. Das bis Dezember 1914 Leben der jungen Familie verlief nun

48 Abbildung 3.b.: Hans- Hermann von Scotti mit seinen Kindern 1917 getrennt, abgesehen von den Front- • 1916 im Dezember urlauben. • 1917 im März vier Tage für Tauffei- er seines Sohns Fronturlaub: • 1917 Ende Dezember bis Mitte • 1915 im April (Ostern), zusammen Januar1918 mit seiner Frau und Tochter in Kas- • 1918 im Juli, unter anderem „schöne sel Reise“ mit seiner Frau nach Mün- • 1915 im September zehn Tage, mit chen seiner Frau Fahrt nach Berlin • 1916 im Januar drei Wochen erst in Alle männlichen Verwandten von Kassel, dann in Bonn und zwei Tage Bergassessor von Scotti und seiner in Aachen Frau wurden, soweit sie wehrfähig • 1916 im April in Köln zwei Wochen waren, zum Kriegsdienst eingezogen Weiterbildung über militärischen und die Familie fieberte von Brief Einsatz von Giftgas, seine Frau zu Brief, ob die Männer noch lebten. wohnte währenddessen in einem Sie erlitten Verwundungen, überlebten Kölner Hotel, anschließend etwas einen Schiffsuntergang und gerieten in Urlaub: ein Tag in Kassel und ein Kriegsgefangenschaft, um nur einige paar Tage in Aachen wenige dieser furchtbaren Ereignisse • 1916 im Juli zu nennen. Neben dieser großen nerv-

49 lichen Belastung wurde das Leben der che finanzielle Möglichkeiten und, wie Familie durch die ständige Verschlech- es damals für Familien mit höherem terung der Lebensmittel- und Brenn- Lebensstandard üblich war, über Haus- stoffversorgung stark beeinträchtigt. bedienstete, sodass längere Besuche nicht schwierig waren. Beispielsweise Trotz aller Widrigkeiten, die der Ers- konnte Addi im Herbst 1918 während te Weltkrieg für die junge Familie von der Geburt ihrer zweiten Tochter Eri- Scotti mit sich brachte, fielen doch ka, die sie in Bonn zur Welt brachte, gerade in diese Zeit schöne und wichti- ihren Sohn Hans bei Hans-Hermanns ge familiäre Ereignisse, Entwicklungen Eltern in Kassel unterbringen, die für und Entscheidungen. Das junge Ehe- diese Zeit sogar ein Kindermädchen paar wollte neben der Tochter Hilde- anstellten. gard unbedingt noch weitere Kinder bekommen. Addi nahm dafür Anfang Die Kinder Hans und Erika kamen 1916 eine schwierige Behandlung in in Bonn zur Welt, weil es hier eine einem Krankenhaus auf sich. Es folgten Entbindungsstation, einen Frauenarzt wunschgemäß die Geburten der beiden und eine Säuglingspflegerin gab, mit Kinder Hans (01. Februar 1917) und denen Addi vertraut war und deren Erika (30. September 1918, beide in Hilfe sie gerne in Anspruch nahm. Bonn). In den Sommermonaten, in denen es ihr in ihrer Elternstadt Bonn zu heiß Addi wollte nicht mit ihren Kindern war, versuchte sie jeweils, bei ihren allein in Aachen wohnen bleiben. Dort Schwiegereltern in Kassel zu wohnen. kannte sie kaum jemanden. Die junge Familie hoffte auf ein schnelles Kriegs- Addi achtete darauf, dem Wunsch ende und dachte, dass es für diese Zeit beider Großelternpaare nachzukom- gut wäre, wenn Addi übergangswei- men, die Enkel regelmäßig zu Besuch se in Kassel bei seinen Eltern bleibt. zu haben, aber auch darauf, nieman- Nachdem der Krieg aber doch länger dem zu lange zur Last zu fallen. Als dauerte als erwartet, zog sie mit ihren sie beispielsweise 1917 merkte, dass es Kindern von Kassel nach Bonn zu ihren ihrer Mutter gesundheitlich schwerfiel, Eltern. Im Verlauf des schließlich über die Kinder im Haus zu haben, verkürz- vier Jahre dauernden Kriegs wechselte te sie ihre ursprünglich geplante Auf- sie immer wieder ihren Wohnort zwi- enthaltsdauer. Die Aachener Wohnung schen Bonn und Kassel, immer in der besuchte sie nur noch wenige Tage pro Hoffnung, mit diesen Übergangslösun- Jahr und dann auch nur, um nachzu- gen das Kriegsende zu erreichen. schauen, ob noch alles in Ordnung ist.

Es war für sie ein großes Glück, dass Ursprünglich ging Bergassessor sie sich auf die Hilfe ihrer Eltern und von Scotti davon aus, seine Assisten- Schwiegereltern verlassen konnte. Bei- tentätigkeit an der TH Aachen nach de elterlichen Familien verfügten über dem Kriegsende fortsetzen zu kön- große Wohnungen, überdurchschnittli- nen. Mit jedem weiteren Kriegsjahr

50 Abbildung 3.c.: Weihnachten 1917 in Kassel. Stehend Hans-Hermann von Scotti, rechts neben ihm Addi von Scotti mit Sohn Hans, ganz links Hellmut von Scotti, 3. v. l. Emil von Scotti, im Vordergrund Addi von Scotti mit Tochter Hildegard schwanden auch diese Hoffnungen von Bergassessor von Scotti eine Woh- aber immer weiter. Schließlich ent- nung in Kassel. Das war zwar nicht schied sich die junge Familie, nicht Addis Wunsch, die lieber in der Nähe wieder nach Aachen zurückzukehren ihrer Eltern geblieben wäre. Sie fügte und die Wohnung zu kündigen. Nur sich aber mit der Voraussicht, ohnehin für die vage Möglichkeit, doch wie- bald wieder von Kassel wegzuziehen, der nach Aachen zurückzukommen, wenn Hans-Hermann nach Kriegsen- wollten sie nicht auf unbestimmte Zeit de einen neuen Arbeitsort gefunden die Miete für die Aachener Wohnung haben würde. Bis zum Kriegsende im weiterbezahlen. November 1918 war allerdings noch nicht klar, in welchem Bergbaurevier er Ab Januar 1917 suchten sie eine neue eine Anstellung finden würde. Wohnung in Bonn oder Godesberg, damit sie in der Nähe von Addis Eltern Wohnorte von Addi und ihren Kindern wohnen konnten, ohne ihnen weiter zur • September bis November 1914 in Last zu fallen. Sie fanden jedoch nichts Kassel bei seinen Eltern Hohenzol- Passendes. Im August 1917 lösten sie lernstraße 176 ihre Aachener Wohnung auf und miete- • November bis 1914 Dezember in ten auf Vermittlung eines Corpsbruders Bonn bei ihren Eltern Arndtstraße 15

51 • 16. bis 19. Dezember in Aachen verbergen, lässt sich heute kaum noch in ihrer eigenen Wohnung, Maria- ermessen. Auch in seinen selbst ver- Theresia-Allee 47 fassten Lebensläufen schildert er diese • Dezember 1914 bis Mai 1915 in Zeit nur kurz, aber mit einem gewissen Bonn bei ihren Eltern Stolz auf seinen jahrelangen Einsatz • Mai bis November 1915 in Kassel an vorderster Front, auf seine Aus- bei seinen Eltern zeichnungen, seine Dienstränge und • Dezember 1915 bis Mai 1916 in Dienststellungen und besonders auf Bonn bei ihren Eltern seine Zeit als Chef einer Berittenen • Mai bis August 1916 in Aachen in Artilleriebatterie. der eigenen Wohnung • September bis Dezember 1916 in Die Reservistenausbildung, die Hans- Kassel bei seinen Eltern Hermann von Scotti auf Anraten seines • Dezember 1916 bis August 1917 in Vaters in den vorangegangenen Jahren Bonn bei ihren Eltern absolviert hatte, zahlte sich nun aus. • September bis Dezember 1917 in Hans-Hermann kam zwar zum Kriegs- Kassel in der eigenen Wohnung, beginn direkt an die Front, aber nicht Eulenburgstr. 15 als einfacher Soldat in die Schützen- • Januar bis April 1918 in Bonn bei gräben, sondern, wiederum auf Ver- ihren Eltern mittlung seines Vaters, als Adjutant in • April bis Juni 1918 Erholungsauf- das 5. Garde Artillerie Regiment der 4. enthalt in Kassel-Wilhelmshöhe in Garde Infanterie Division. In diesem der Villa Hermann Regiment hatte übrigens viele Jahre • Juli bis Oktober 1918 bei ihren zuvor auch sein Vater gedient. Bergas- Eltern in Bonn sessor von Scotti war damit gut einge- • Oktober 1918 bis März 1919 in führt und hatte alle Voraussetzungen für Kassel in der eigenen Wohnung eine standesgemäße Offizierskarriere. • 1919 war Bergassessor von Scotti ab Januar in Clausthal und suchte dort Dienstgrade für die Familie eine passende Woh- • ab 11. September 1907 Leutnant nung • ab 03. März 1915 Oberleutnant • ab 15. Februar 1918 Hauptmann 3.1. Kriegsdienst Dienststellungen Im Fragebogen zur Wiederherstel- • Ab Kriegsbeginn Ordonnanzoffizier lung des Berufsbeamtentums schrieb (als dienstjüngerer Offizier seinem Hans-Hermann von Scotti Ende 1933 Kommandeur als Gehilfe beigege- nur knapp: „Vom 2. August 1914 bis ben). 18. Dezember 1918 als Reserveoffizier • Ab Juni 1915 Regiments-Adjutant im 4. Garde-Feldart. Reg. Teilnahme (dem Regimentskommandeur zur an allen Kampfhandlungen des Rgt.s“. Unterstützung beigegeben), nun aber Welche schrecklichen Erlebnisse und schon mit eigenem Ordonnanzoffi- entbehrungsreiche Zeit sich dahinter zier.

52 • 1915 und 1916 ab und an vertre- front verlegt und von Mai 1915 bis tungsweise Batterieführer. zum September 1915 beim sogenann- • Am 01. Februar 1917 Batterieführer. ten Galizien- und Russlandfeldzug • Im September 1917 Entschluss, eingesetzt. Aus dieser Zeit sind von wieder eine Batterie zu übernehmen, ihm Feldpostbriefe erhalten geblieben, trotz seines Ohrenleidens. unter anderen • Vom April 1918 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs vertretungswei- • Mai: aus Cieskowice, Szerzyny, se Führung von Abteilungen (mit Rzeszow, Jaroslaw, Bobrowka, jeweils mehreren Batterien), sonst • Juni: aus Niemirow, Tarnogora, weiter Batterieführer. Wierba, Krasnostaw, Oppeln, • August: aus Koden (Polen), Kos- Auszeichnungen zoly, Klonownica Wielka, aus der • 04.10.1914 Eisernes Kreuz 2. Klasse Gegend nördlich von Brest, aus • 26.02.1917 Eisernes Kreuz 1. Klasse Pokry, Demianicze und Tewli, • 29.09.1918 Ritterkreuz des König- • September: aus Tulicze. lichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern Beispielhaft sei hier eine kurze Passage aus einem der Kriegstage- Vom August 1914 bis April 1915 bücher wiedergegeben: „27.06.1915, wurde sein Regiment an der West- Uhnow/Russland. Wir erreichen noch front eingesetzt. Für diese Zeit waren gerade einen Teil der eiligst abzie- häufige Stellungswechsel und teilweise henden Kolonnen. Die kleine Stadt große räumliche Etappen typisch. Das Uhnow liegt in unserem Streifen. Ich zeigen beispielhaft die Absender seiner mache dort Quartier. Ovationen der Feldpostbriefe aus dem ersten Quartal Bevölkerung, besonders der Juden, 1915: die scheint´s infam behandelt worden sind. Ein Teil von Uhnow brennt. Bald • Januar: aus Douai, Liry, Vouziers entwickelt sich ein reges Leben. Die und Sedan, Juden können sich nicht verleugnen • Februar: aus Auberchicourt, Valenci- und schröpfen uns mit Wucherpreisen ennes, Lille und Bihucourt, (Paket Streichbare 2 M etc.). Eine • März: aus Achiet le Petit und Gour- römisch-katholische, eine griechisch- zeaucourt. katholische Kirche. Kuppelbau. Beide innen recht kostbar.“ Im Gefechtskalender seiner Division stehen für 1914 unter anderem Schlach- Im Herbst 1915 wurde die Division ten bei Fère-Champenoise, bei Arras, wieder an die Westfront verlegt, wo sie an der Yser, bei Ypern und bei Souain- bis zum November 1918 am sogenann- Perthes. ten Frankreichfeldzug teilnahm. Briefe sind unter anderem erhalten geblieben Im Frühjahr 1915 wurde Hans-Her- 1916 aus der Gegend von Senziers, aus mann mit seiner Division an die Ost- der Gegend an der Somme, aus Roge,

53 Abbildung 3.1.a.: 1915 vor der Grodek Stellung (am Scherenfernrohr Graf Schwe- rin, daneben Hans-Hermann von Scotti)

Nesle und Chantnes sowie 1917 aus März 1918 war er bei Gnise, im dem Ham, Eppeville und Laon. Gebiet von Ronges, in Soisonnes, in einem Waldlager in Hartennes süd- Immer häufiger schrieb Hans-Her- lich von Soissones, in Thirny, Cressy- mann, dass er in seiner Feldpost keine sur-Serre, Sarennec und Stenach an Ortsangaben mehr machen dürfe, zum der Maas. Im Gefechtskalender seiner Beispiel am 17. März 1917: „... Batterie Division steht über diese Zeit: hat neue Stellung bezogen, ... darf aber nicht schreiben, wo.“ Im Gefechtska- • 1918 Schlacht bei Soissons und lender seiner Division steht über die Reims, Jahre 1915 bis 1917: • 1918 Abwehrschlacht zwischen Cambrai und Saint-Quentin, • 1915 Herbstschlacht bei Arras Abwehrschlacht in Flandern, • 1916 Schlacht an der Somme Schlacht an der Lys, • 1917 Doppelschlacht an der Aisne • ab 12.11.1918 Räumung des besetz- und in der Champagne ten Gebietes und Marsch in die Hei- mat. In Hans-Hermann von Scottis Kriegs- tagebüchern sind dagegen für die Jahre Auch wenn Hans-Hermann nicht, 1917 und 1918 detaillierte Ortsangaben wie die Infanteriesoldaten zu Sturm- überliefert. Seine Batterie wurde häufig angriffen in das gegnerische Maschi- um- und bei Schlachten eingesetzt. Ab nengewehrfeuer geschickt wurde, war

54 Abbildung 3.1.b.: Ober- leutnant Hans-Hermann Scotti 1916 sein Frontdienst bei der Artillerie doch über Jaroslau hinausgekommen, überaus gefährlich, schwer und entsa- schlechte Stellung, Sumpfland, viel gungsreich. Auch unter den Offizieren Wald und Sand. Infanterie muss und Soldaten seines Regiments gab es erhebliche Verluste verkraften.“ Er zahlreiche Verluste. Ab und an schrieb hat ein Feldbett angeschafft gegen er seiner Frau etwas über die widrigen das viele Ungeziefer. „Russenquar- Bedingungen, die er erleben musste. tiere sind unbeschreiblich dreckig Im Folgenden ein paar Beispiele aus und stinken. Fünf Offiziere beerdigt. seinen Briefen: Zertrümmerte Häuser, kein Fen- ster ganz. Munitionskolonnen mit • 22. Mai 1915: „Drei Wochen müden Pferden, unendlicher Staub.“ Geschoss auf Geschoss und Kämpfe • 25. Mai 1915: Seine beiden Pferde im Gebirge. Nun für 2 Tage Ablö- durch Granaten tot. Sein Bursche sung durch das X. Korps. Nicht mit Beinverletzung im Lazarett.

55 • 26. Mai 1915: Sein Gepäck ist zer- Außer ihm ist sein gesamter Stab tot schossen, braucht fast alles neu, legt durch Volltreffer eines Schuppens. ausführliche Liste bei. • 18. Oktober 1918: Schwere Verluste • 06. Juli 1915: „Milliarden Ungezie- gehabt, besonders unter den Offizie- fer. Heftiger russischer Gegenan- ren. "So wie jetzt sah unser Regi- griff.“ ment noch niemals aus." • 15. Juli 1915: Es gibt so viele Flie- gen, dass er sich zum Schlafen ein Der Giftgaskrieg war für Hans- Taschentuch über das Gesicht legt. Hermann von Scotti allgegenwärtig. • 19. Juli 1915: Gestern war schwer Bereits im September 1915 schrieb und verlustreich, auch einen Offizier er in sein Kriegstagebuch, dass „die verloren. Engländer“ durch einen Gasangriff bei • 08. Juni 1916: Er hat wieder sein St. Auguste Erfolge erzielt hätten und Pferd verloren. „die Front bei Lens auf zehn Kilome- • 13. März 1917: Er klagt über viele ter Länge eingedrückt“ wäre. Im Juni Ratten. 1916 berichtete er von Gasangriffen • 12. Mai 1917: Seine Abteilung hatte der französischen Truppen. Das Gas große Verluste. käme bis Champrien. „Kein Mann gas- • 14. Juni 1917: Sein Quartier ist krank geworden, obwohl man das Gas abgebrannt. stark riechen konnte. Masken haben • 09. September 1917: Er hofft, end- sich tadellos bewährt. Man war vorbe- lich eine Tür für seinen Unterstand reitet, weil eine Erkundungsabteilung zu bekommen. Gasflaschen im feindlichen Graben • 13. Dezember 1917: Einer seiner festgestellt hatte. Auch vor unserer Nachbarbatterieführer ist gefallen. Front liegen Gasflaschen.“ Am 21. • 30. Juni 1918: Sein „Gesicht ist März 1918 leitete er einen Angriff bei noch nicht wieder ganz schön, wird St. Quentin. „Vorbereitung: Zwei Stun- aber zum Urlaub wieder.“ den Beschuss der feindlichen Batterien • 23. Juli 1918: Am 18. wieder hef- mit Blau- und Grünkreuz.“ (Blaukreuz tigen französischen Angriffen aus- war Bezeichnung von Giftgasgranaten gesetzt, „unsere Linien eingedrückt mit Kampfstoffen, die den Nasen- und und zurückgenommen“, Angriff auf Rachenraum sehr stark reizten. Grün- Reims war „wenig schön“. Große kreuz war Bezeichnung für Granaten Verluste auf seinem Gefechtsstand. mit Lungengiften, vor allem Phosgen.) • 14. September 1918: Er schläft in „Eine halbe Stunde nach Feuerbeginn einer 70 cm breiten Hängematte. unangenehmer Gasgeruch auch bei uns Üblich sind zwei bis drei Etagen bemerkbar, der einen in die Maske übereinander. zwingt. Wohl eigenes Gas zurückge- • 18. September 1918: Viele neue weht.“ Am 12. August 1918 war sei- Gesichter unter seinen Kanonieren. ne Artilleriebatterie bei der Abwehr • 04. Oktober 1918: Mittags besuchte eines französischen Angriffs beteiligt. ihn sein Bruder Hellmut mit verbun- „Feind drängt weiter. Empfindlicher denem Kopf und verbundenem Arm. Mangel an leichter Feldhaubitzenmu-

56 nition, nur Gelbkreuz, zu dessen Ver- ten Kohlenrevier Pas-de-Calais, spe- wendung ich mich entschließe … ent- ziell im Revier Lens. Dicht neben uns scheidende Waldstücke und Schützen- liegt die durch die große Explosion gräben.“ (Gelbkreuz: Giftgasgranaten von 1906 noch bekannte Musterze- mit Senfgas, das unter anderem starke che Courrieres. Die Gruben machen Hautreizungen auslöst.) einen guten Eindruck. Alles weitläufig gebaute Anlagen. Arbeiterdörfer gut 3.2. Berufsplanungen während gebaut, aber monoton. Ein Kanalsys- des Kriegs tem durchzieht das ganze Gebiet. Die weiter rückwärts gelegenen Gruben Bergassessor von Scotti scheint stehen zum Teil unter Dampf (Wasser- bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit haltung). Die vor der Front liegenden dem Gedanken gespielt zu haben, nicht sind recht arg zerschossen. Oberber- dauerhaft seine Assistentenstelle am grat Ziervogel hat den Auftrag, die Institut für Mineralogie an der TH für uns nicht in Betracht kommenden Aachen behalten beziehungsweise eine Gruben zu demontieren.“ Noch in den Hochschulkarriere beginnen zu wollen. letzten Kriegstagen befuhr Bergrat von Scotti die „nahegelegene Grube Land- Im April 1914 schrieb Addi an ihn: rei. 250 m Teufe, 8 m mächtiges Erz, „Und über Meggen und den Gosla- Grube ist stillgelegt.“ rer Rammelsberg wird die Sache noch fertiggemacht. Gut, dass Du es mal Im April 1916 schrieb Addi, sie hät- erwähntest, ich hätte gar nicht mehr te niemandem etwas von seiner Idee daran gedacht, dass Du das doch erzählt, vielleicht in einem privatwirt- damals vorgehabt hast.“ Im Oktober schaftlichen Unternehmen anzufangen, 1914 schrieb sie „von einem Bergin- wenn es keinen Krieg gegeben hät- spektorhäuschen mit Garten“ zu träu- te, er jetzt aber im Staatsdienst blei- men. ben wolle. Sie wäre "übrigens mehr für Erzgruben im Siegener Land, als In einem Brief vom Januar 1915 Camphausen. Aber wenn schon, wenn erwähnt er, sich nach seiner wissen- wir nur wieder zusammen sind, ob in schaftlichen Tätigkeit zu sehen (Das Posemuckel oder in Hindenburg oder muss aber wahrscheinlich mehr im im annektierten Polen oder derglei- Zusammenhang mit seinen schreck- chen." „Ihre Sehnsucht“ wäre, „später lichen Erlebnissen an der Front gese- einmal aufs Land ziehen ..., auch wenn hen werden.) und in einem Brief vom es nur als Berginspektor wäre“. (Sie Februar 1915, in Lille im Geologi- subsummierte übrigens in den Briefen schen Institut gewesen zu sein. In sei- ihre eigene Person häufiger unter dem nen Kriegstagebüchern beschrieb er Begriff "Berginspektor".) Befahrungen von Bergwerken, die im Frontbereich lagen, zum Beispiel am Professor Klockmann muss von 04. Oktober 1915: „Wir befinden und diesen Absichten Bergassessor von zurzeit in dem für Frankreich wichtigs- Scottis gewusst haben oder er hat es

57 geahnt. Schon im Dezember 1914 hat- Er hätte gedacht, er würde als Ber- te Bergassessor von Scotti an Addi ginspektor gesucht mit der Perspek- geschrieben: „Klockmann meinte, dass tive, schnell Oberbergamtsleiter zu wir dann wohl nicht mehr lange in werden, „weil so viele Lücken in die Aachen bleiben würden.“ Im Oktober Reihen der Bergleute gerissen wur- 1915 schilderte Professor Klockmann den“, freut sich aber, dass Bergrat von in einem Brief an Hans-Hermann die Scotti in Aachen bleibt und dadurch Situation an seinem Institut. „... auf der die freundschaftlichen Beziehungen Hochschule“ sähe es „einsam aus. Von und der Kontakt zur Hochschule wei- den Bergleuten ist außer mir nur noch ter gepflegt werden könne, "beste Dannenberg da. Herbst ist in Koblenz. Wünsche für zukünftige Laufbahn." Schermann (sein Sohn ist vor Ypern gefallen) ist in Liebau. Hausmann ist Im Juni 1916 schrieb Addi, noch nach Berlin berufen worden, jetzt aber nicht zu wissen, wohin es später Landsturmkompanie. Wandhoff ist geht, "nach Camphausen oder…?" auch draußen." Sie hätte die „Glückauf-Zeitschrif- ten aus den Umschlägen genommen Es fanden keine bergmännischen und die Annoncen durchgesehen.“ und geologischen Vorlesungen mehr Im Dezember 1916 „dachte“ Addi statt, „etwas Mineralogie vor Damen über einen „Civil-Posten im Bergbau und neutralen Ausländern“, die vom nach“ (gemeint ist hier ohne Beam- Institut herausgegebenen Hefte wer- tenstatus). Er solle sich deswegen im den „dünner, Bücher nicht mehr Urlaub persönlich in Berlin im Minis- geschrieben, keine Wissenschaft mehr. terium melden, „nur kurzer Zwischen- Über das, was herausgekommen ist, stopp in Bonn und Gepäckabladen, werden Sie sich nach Ihrer Rückkehr kurz darauf weiter nach Berlin und schnell unterrichten. ... Schade, dass dann über Kassel zurück nach Bonn, Sie nach glücklicher Heimkehr wohl Bentz hat das auch gemacht: ist nach gleich vom praktischen Staatsdienst kurzer Einarbeitung in Berlin an den in Anspruch genommen werden, sonst Main gegangen.“ Addi legte einen wäre das eine schöne Aufgabe für Brief von Bergassessor Bentz bei, Sie." indem er von großen Schwierigkeiten schreibt, noch während des Kriegs In einem Brief vom Oktober 1915 vom Militärdienst in den Bergbau zu ist die Rede von einer "Angelegen- wechseln. heit Weidtmann-Eickhoff". Es han- delte sich dabei vermutlich um eine Noch im Mai 1917 muss die Beset- vakant gewordene Stelle in Aachen, zung der Stelle „von Eickhoff“ in der die aber in den erhalten gebliebenen Schwebe gewesen sein. Addi fragte, Briefen nicht weiter beschrieben wird. was wäre, wenn ihm diese Stelle Professor Klockmann schrieb, darauf angeboten würde. Es wäre doch „eine vorbereitet zu sein, Bergassessor von der besseren Privatstellen.“ Es wür- Scotti nach dem Krieg zu "verlieren". den „überall Geologen gesucht.“

58 Im Oktober 1917 überlegte Addi er Hauptmann geworden sei.“ „Die nach Bonn zu gehen, wenn die Koh- Stellen werden von jungen felddienst- len (Heizmaterial) nicht mehr reichen, fähigen Assistenten weggenommen, „aber vielleicht ist dann schon Frieden wenn auch nur vorübergehend.“ Addi und es geht nach Saarbrücken oder drängte darauf, dass er „in eigener Oberschlesien.“ Sache über das Oberbergamt an das Ministerium schreibt.“ Im November 1917 fragte Addi, ob er schon „gemeldet“ habe, dass er nicht Die daraufhin folgenden Bemühun- Assistent bleiben wird, und ob das Addi gen scheinen Erfolg gehabt zu haben. für ihn tun soll. Er soll auch nach Berlin Er bekam eine Anstellung in der Berg­ zum Ministerium schreiben, „wo jetzt inspektion Dudweiler, die aber in den bestimmt die Friedensstellen verteilt erhalten gebliebenen Briefen nicht werden, denn wir müssen doch wirk- näher beschrieben wird. (Dudweiler ist lich mal angestellt werden“. Es „wäre ein damals selbständiger Ortsteil Saar- uns doch auch wie Hinubas (gemein- brückens, in dem die Grube Camp­ same Bekannte?) gegangen, dass man hausen lag.) Anfang Dezember 1917 gewusst hätte, wo hinziehen, aber das schrieb Bergassessor von Scotti an kam wohl, weil sie schon eine Stelle Addi, er „will klären, ob das nur eine hatten? Na aber vielleicht stellen sie Anstellung auf dem Papier ist, ohne uns auch jetzt an und lassen Dich von dass die innerdienstliche Beschäfti- jemand vertreten. ... und von Velsen gung davon berührt würde, oder ob (wird) sich sicher eine schöne Stelle es seine Friedensanstellung bedeutet, für uns aussuchen, vielleicht auch wo … möchte von Addi eine Abschrift Du reklamiert wirst.“ Sie erwähnte, des Anstellungsbriefs.“ Er fragt, ob ein gemeinsamer Bekannter sei „in Addi die Information darüber nur in Enzdorf stellvertretender Berginspek- der Zeitschrift Glückauf gelesen hät- tor geworden“ und überlegte „warum te, „denn eigentlich hätte (ihm) das Bergassessor Pfeiffer k. w. ist und drau- Oberbergamt oder das Ministerium ßen eine Batterie hatte, und sie gerade an die Feldadresse geschrieben haben auf ihn gekommen sind.“ müssen.“

Sie fragte Ende November 1917 Er dachte aber trotzdem über andere erneut, ob er „gemeldet“ habe, nicht an Anstellungsmöglichkeiten weiter nach. der Hochschule zu bleiben. Sie vermu- Von Addi wollte er wissen, ob das tete, er würde nicht bei Stellenbeset- Oberbergamt Bonn vielleicht schon zungen berücksichtigt, weil er „nicht aufgelöst sei, „die technische Leitung auf der Liste steht, oder warum nimmt der Saargruben liege ja in der Hand man einen viel Jüngeren …?“, Sie „ver- der Saarbrücker Grubendirektion, die stehe das nicht, dass man nicht auf Dich Aachener Gruben wären dagegen sepa- kommt. … Die Assistentenstelle ist rat, bliebe noch die Bergpolizei, die mehr hinderlich als Vorteil“. Er wollte das Oberbergamt ausübt, ferner hätte doch ohnehin „Schluss machen, wenn das Oberbergamt noch rechtsrheinische

59 Gebiete unter sich, (Siegen), fraglich fest: „Anstellungsaussichten schlecht, sei, ob die Siegerländer Revierbeamten Aachen und Saarbrücken französisch, von Bonn aus weiter instruiert wür- müssen doch noch Geologen werden, den.“ Für ihn „wären das Aachener und wo bleibt das Oberbergamt?“ das Saarrevier fraglich, Oberschlesien – die Bergbeamten wegen Stellenmangel Neben diesen Überlegungen schrieb brotlos.“ er in seinen Briefen an Addi immer wieder über Ideen, ins Ausland zu Im März 1918 schrieb Professor gehen, zum Beispiel Anfang 1917 über Klockmann, dass die Bindung Berg- eine Geologenstelle in Mesopotami- assessor von Scottis zur Hochschu- en (Zweistromland, heute Irak). Addi le und zum Mineralogischen Institut war damit jedoch nicht einverstanden. leider abgerissen sei, er aber auf ein Mesopotamien sei “zu weit weg“. Ende weiterhin freundschaftliches Verhältnis März schrieb sie ihren Eltern erleich- hofft. Bergassessor von Scotti sei auch tert, die Mesopotamien-Pläne „schei- nach dem Krieg am Institut willkom- nen in´s Wasser gefallen“ zu sein. Im men. Der schrieb daraufhin, noch nicht Dezember 1917 schätzte Bergasses- zu wissen, wann er aus dem Insti- sor von Scotti ein: „Auslandsdienst tut ausscheiden will, „wahrscheinlich kommt für den Deutschen nicht mehr demnächst“, jedenfalls könnte Profes- in Betracht.“ Trotzdem bat er seinen sor Klockmann schon einen anderen ehemaligen Kommilitonen Hans Arlt, Assistenten einstellen. Das Oberberg- für ihn weiter nach Stellen im Aus- amt wollte er dementsprechend infor- landsbergbau zu suchen. Im April 1918 mieren. schrieb Arlt, vier Bergassessoren stün- den auf einer Liste für Steinkohlen- Die Kriegsentwicklung machte gruben im Donezbecken, einer davon schließlich die Pläne, nach Dudwei- sei Bergassessor von Scotti. Sollte er ler zu gehen, zunichte. Im Oktober Interesse haben und abkömmlich sein, 1918 schrieb Bergassessor von Scotti soll er sich melden. an Addi: "sie werden uns einen Teil von Saarbrücken wegnehmen. Geht Arlt habe mit dem Berghauptmann dann noch Oberschlesien verloren, gesprochen. Man suche „Bergasses- kann ich vor meiner Anstellung mei- soren, die gerade Offiziere sind, zum nen Abschied nehmen, man könnte Hüten von Steinkohlenbergwerken in dann noch Soldat werden, aber wenn Serbien (Nisch). Man hätte acht Berg- die Armee auf 1/4 verkleinert wird? assessoren benannt“, einer davon sei Dann könnte ich wieder bei Klockmann Bergassessor von Scotti. Assistent werden! Aber wer sagt, dass Aachen deutsch bleibt?“ Auch nachdem Bergassessor von Scotti schrieb sein Schwiegervater von fünf in Bonn Addi: "Er rät mir, wenn ich wirklich ausgeschriebenen Berginspektorstellen Absichten hätte, selbst Schritte zu tun. berichtet hatte, stellte Bergassessor von ... würde ja sagen, wenn ich angefor- Scotti Ende Oktober 1918 enttäuscht dert würde, kenne zwar die Verhält-

60 nisse kaum, fände das zwar interessant, 3.3. Einstellungen und käme mir aber vor wie ein Fahnen- Meinungen zu Politik und flüchtiger.“ Er wollte Arlt fragen, ob Krieg das nur zwei bis drei Monate dauern würde und gab zu Bedenken, dann aber In der Familie von Scotti herrschte "seine schöne Batterie (zu) verlieren“. vom Anfang bis zum Ende des Ers- ten Weltkriegs eine einvernehmliche Ende April 1918 schrieb er an Arlt Meinung, was außen- und innenpoli- wegen der „serbischen Sache“. Er solle tische Dinge betraf. Tonangebend war den Berghauptmann ansprechen und nach wie vor Hans-Hermanns Vater, in gleicher Angelegenheit Dr. Bärtling Generalleutnant Emil von Scotti. Sei- von der Geologischen Landesanstalt ne Sicht, die mit der des kaiserlichen Berlin, ob man dort mehr darüber wis- Generalstabs übereinstimmte, wurde se und dass er nicht abgeneigt wäre. nicht in Frage gestellt. In keinem der Arlt antwortete, dass Bergassessor von vielen Briefe ist auch nur andeutungs- Scotti zusammen mit zehn bis elf ande- weise eine leise Kritik zu finden. Eher ren Bergassessoren für einen Ukraine- schon wurden die Bemühungen des Einsatz „namhaft gemacht“ worden sei. Generals, doch noch aktiv im Krieg Bergassessor von Scotti schrieb Addi, eingesetzt zu werden, skeptisch gese- dass das nun schon die zweite derar- hen. tige Liste wäre, auf der er steht und er sich nun persönlich an die betreffenden Gegenüber der obersten militäri- Stellen wenden müsste. Aber er beton- schen und politischen Führung blieb te auch wieder: „das sähe aber wie Bergassessor von Scotti nur solange Drückebergerei aus und das möchte unkritisch, wie sie militärische Mittel ich nicht. Fordert man mich an, dann zur Durchsetzung politischer Ziele ein- gehe ich.“ Die militärische Lage ließe setzte. Bis zum Beginn der Friedens- aber vermuten, so schrieb er, dass das und schließlich Kapitulationsverhand- mit dem Ukraine-Einsatz ohnehin noch lungen finden sich keine kritischen eine Weile dauert. Bemerkungen in den Briefen an seine Frau oder in den Briefen von ihr an Im Oktober 1918 schrieb er: „wir ihn, auch nicht in Briefen an die Eltern sind jetzt im Erzbecken von Brieg, und an Bekannte. wie unzählige Bergassessoren, werde mich gleich mal umsehen und nach In einem Brief vom Februar 1918 Schnass (vermutlich ein Corpsbruder schrieb er seiner Frau: „Das bedrängte von ihm, Anmerkung des Verfassers) Vaterland fordert abermals den ganzen erkundigen“ und er hätte „eine sehr Einsatz der Persönlichkeit und die Par- interessante Grubenbefahrung gemacht tei wird siegen, die sich eben ganz ein- bei zwei ihm bekannten Bergassesso- setzt. So wollen wir diesen schweren ren, Mühlefeld und Mühlbach, … man Tagen gefasst entgegengehen; manch denke sich, was diese Leute im Krieg einer wird die hellen Strahlen der Sie- mitgemacht haben." gessonne nicht erblicken, die er so heiß

61 Abbildung 3.3.a.: Ausschnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an seine Frau vom 15 Februar 1918 ersehnt und für die er brav und eyfer- warten, welche Demütigungen uns freudig gekämpft hat ...“ noch beschert werden sollen ... vor den Untergang haben die Götter den Hier wiederholt er nicht nur offizielle Hochmut gesetzt! Ich bin neugierig, Durchhalteparolen. Es handelt sich um wie sich die inneren Umgestaltungen einen privaten Brief, der nicht für Dritte bei uns im Bergfach geltend machen bestimmt war. Er hat auch nicht der werden, schwer erkämpfter Nutzen ist Wahrung des Briefgeheimnisses miss- die Ausschaltung des Militarismus.“ traut, denn er schrieb im selben Brief unter anderem sehr vertrauliche private Mit Beginn der Friedensverhand- Dinge. Wahrscheinlich wollte er seiner lungen wandelte sich auch Hans-Her- Frau gegenüber keine Schwäche zeigen manns unkritische Einstellung. Durch- und sie beruhigen (s. Abb. 3.3.a.). aus scharf analysierend und weitsichtig schrieb er über die militärpolitische Seine Bekannten ließen in ihren Lage Deutschlands und die Zukunfts- Briefen dagegen durchaus despektier- aussichten im September 1918. Er liche Äußerungen, Kritik und sogar hielt „die österreichische Friedensnote Sarkasmus und antimilitaristische für unzeitgemäß, wird vom Feind als Gedanken anklingen. Im Oktober Schwäche ausgelegt, schadet uns nur.“ 1918 schrieb ihm sein Corpsbruder Frieden erwartet er für Herbst 1919, von Junkau, er „war in , „sonst Abfindungen (lothringesches als die neue Regierung eingesetzt Eisenerz, Kali, Petroleum). Kampf nur wurde“ und habe „in München die um status quo ante“ und glaubt, dass Umwälzungen miterlebt. Gestern das erreichbar ist, „wenn die Heimat- beim preuß. Gesandten gewesen. Ein- stimmung aushält.“ Diese Meinung blick in das Getute unserer Götter, wird aber nicht unbedingt nur das die bisher die Geschicke unseres Vol- Resultat seiner eigenen Analysen und kes zu leiten hatten: Mit welchem Überlegungen gewesen zu sein, son- Erfolg sehen wir jetzt! -, mit banger dern wahrscheinlich eher die Meinung Furcht muss man nun der weiteren der höheren Offiziere, mit denen er im Entwicklung ... entgegensehen und Stab zu tun hatte.

62 Abbildung 3.3.b.: Aus- schnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an seine Frau vom 21. Oktober 1918

Seine Familie dachte offensichtlich hohlenem Revanchismus "Es gibt eben wie er. Addi schrieb ihm Ende Sep- jetzt eine schwere Zeit, der später tember 1918 „wir hätten längst Frieden einmal ein Befreiungskrieg folgt, wor- haben können gegen ein Stück vom in und Frankreich zerfallen Elsass, nun wird´s mehr“. Im Oktober und Calais wird hoffentlich der Anlass 1918 schrieb Bergassessor von Scotti dazu sein." (s. Abb. 3.3.b.) an Addi „an Waffenstillstand“ dachte er „nach den letzten Wochen. Die Entente Bergassessor von Scottis Einstellung soll ja enorme Bedingungen gestellt zu den neuen politischen Verhältnissen haben (Helgoland, Kaiser-Wilhelm- in Deutschland, zum Ende des Kai- Kanal, Rheinbrücken, Abtretung von serreichs und zur neuen sozialdemo- Elsass-Lothringen und der Kolonien). kratisch dominierten Reichsregierung Gottlob Absage von unserer Seite. Wir waren eindeutig. Jeglichen (sozial-) können uns doch nicht ganz aufgeben. demokratischen Wandel in Deutsch- Folge sind Angriffe. Friedenshoffnun- land oder innerhalb seines Regiments gen müssen wir uns eben noch eine lehnte er ebenso strikt ab, wie Rück- Weile aus dem Kopf schlagen, sonst sichtnahmen auf die riesigen Verluste sind wir dem Feinde ausgeliefert und der Truppe oder auf den Hunger der er wird bald auf deutschem Boden Zivilbevölkerung. Die von ihm in sei- stehen.“ Ein paar Tage später schrieb er nen Briefen festgehaltenen militärpo- „Hoffen auf Remis und festen Frieden. litischen Überlegungen blieben davon Sie werden uns einen Teil von Saarbrü- unberührt. Anfang November 1918 cken wegnehmen“ und dann mit unver- schrieb er „Unruhen in vielen deut-

Abbildung 3.3.c.: Aus- schnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an seine Frau vom 08. Oktober 1918

63 Abbildung 3.3.d.: Aus- schnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an seine Frau vom 08. Oktober 1918 schen Städten, das fordert den Feind Am 20. Oktober 1918 schrieb Berg- geradezu dazu auf, weitere Forderun- assessor Scotti seiner Frau von sei- gen zu stellen.“ nem Rückmarsch von der Front in die Heimat: „Bei mir ist alles in bester Im Dezember 1917 schrieb er, im Ordnung. Mit klingendem Spiel und Regiment würde die Stimmung „vergif- mit schwarz-weiß-roten Fahnen geht´s tet“. Es kämen Forderungen auf, die vor durch die Dörfer.“ einigen Wochen „undenkbar“ gewesen wären: „Mitbestimmungsrecht für den 3.4. Addi von Scotti inneren Batteriedienst.“ „Es ist schwer, gegen diesen Strom anzuschwimmen“ Die Rolle der Frauen in Gesellschaft und er „will so schnell wie möglich und Familie wandelte sich im Verlau- den Offiziersrock ausziehen, auf den er fe des Ersten Weltkriegs zwangswei- so stolz gewesen war.“ Seinem Bruder se, besonders, wenn die Ehemänner Hellmut rät er „zu Abitur und dann im Krieg waren. Die Versorgung der Forstmann.“ „Walter und Fritz sind zu Familien wurde ausschließliche Auf- alt zum Umsatteln.“ gabe der Frauen und das bei gravierend schlechter werdenden Versorgungsbe- Im Oktober 1918 schrieb er, erstaunt dingungen. Außerhalb der Familien zu sein, was innenpolitisch „im Reich“ konnte aber von einer Gleichstellung vor sich geht. "gänzliche Sozialdemo- noch keine Rede sein. kratisierung", … "da werde ich wohl meinen schönen Hohenzollern (Orden) Die Möglichkeiten, sich beispiels- bald ablegen müssen" und "traurig, weise um die finanziellen Belange der traurig." (s. Abb. 3.3.d.) Familie zu kümmern, waren damals

64 bei weitem noch nicht so einfach, wie Antwort bekommen hatte, kaufte sie heute. Frauen waren damals grund- selbständig eine Kriegsanleihe für 500 sätzlich nicht rechtsfähig, konnten Reichsmark. In einem Brief teilte sie beispielsweise weder eigenständig stolz mit, dafür jährlich 20% Zinsen zu Arbeitsverträge abschließen oder auch bekommen. Im selben Brief fragte sie, nur auf der Bank Geld abheben. ob er Schulden gemacht habe. „Wenn er das Geld vom Geburtstag schon auf- Die kriegsbedingte Abwesenheit gebraucht haben sollte, dann würde sie Bergassessor von Scottis machte letzte- ihm 100 Mark schicken, aber er müsse res aber dringend notwendig. Er stellte auch etwas sparsam sein.“ seiner Frau deshalb Vollmachten aus. Bereits im Juni 1916 kümmert sie sich Anfänglich äußerte sich ihre Schwie- beim Finanzamt recht selbstbewusst germutter in ihren Briefen noch recht um die Steuermodalitäten der Familie, traditionell über Addi. Im August zum Beispiel um zu viel bezahlte Steu- 1915 zeigte sie sich in einem Brief ern, und erwirkte 20 Mark Steuernach- an Bergassessor von Scotti „stolz, wie lass. Sie plante die vorgesehene Zeit sich Addi unter Hans-Hermanns Hand in Kassel und die Anschaffung von immer mehr zu dem entwickelt, was Kleidung für den Winter, auch für das die Frau dem Mann sein soll.“ Im vorgesehene zweite Kind. November 1915 schrieb sie, sie neh- me „stets freundlich alle Ratschläge Die finanziellen Entscheidungen an“ und „sollte sich aber von den lagen nach und nach vollständig in aufgeregten Tanten fernhalten.“ Ihr ihrer Hand. Nachdem sie im Oktober Schwiegervater schrieb, sie sei „eine 1916 zweimal schriftlich nachgefragt junge selbständige Frau ohne eige- hatte, ob sie weitere Kriegsanleihen ne Häuslichkeit und damit verbun- zeichnen soll oder nicht, aber keine dene Beschäftigung - wie alle ihre

Abbildung 3.4.: Addi und Hans-Hermann von Scotti mit ihren Kindern Hildegard und Hans 1917

65 Leidensgefährtinnen - auch herzlich Addis politische Einstellung ent- zu bedauern.“ Im August 1916, als sprach weitgehend der von General- Addi von einem Aufenthalt in ihrer leutnant von Scotti. Ihr Schwiegervater Aachener Wohnung zurückgekehrt war sprach häufig mit ihr über militär- und nach Kassel, schrieb er, dass es gut außenpolitische Themen und beide gewesen wäre, dass „sie in Aachen gingen auch zu politischen Abendvor- war und sich als Hausfrau fühlen und trägen. Im November 1917 fasste Addi betätigen konnte, Genugtuung.“ Im in einem Brief an Bergassessor von April 1916 attestierte Emil von Scotti Scotti nicht ganz ernst gemeint zusam- seiner Schwiegertochter bereits eine men: „gestern Abend Vortag über lobenswerte „innerliche Vertiefung und U-Boote gehört, die Engländer haben Lebenseinstellung.“ 2.500 Schiffe, versenkt werden 150 pro Monat, neu gebaut 50, der Krieg dauert Nach der Geburt des dritten Kin- also noch 25 Monate.“ des fragte Addi in einem Brief an Hans-Hermann von Scotti, ob er „trau- Sozialdemokratische Ansichten rig ist, dass es wieder nur ein Mädel waren ihr völlig fremd. Sie verwendete geworden ist“. Er antwortet aber schon das Wort sozialdemokratisch abwer- vor Erhalt ihres Briefs „gestern auf tend, zum Beispiel in einem ihrer dem Gefechtsstand zwischen militäri- Briefe vom Juni 1916 aus Aachen schen Telegraphensprüchen Mitteilung „nachmittags kam die neue Amalie über glückliche Geburt erhalten, große (Hausmädchen). Sie ist ganz nett Freude übers neue Töchterchen.“ zu Hilde, aber vielleicht auch etwas sozialdemokratisch, wie die Lisbeth Aus heutiger Sicht erscheint es damals.“ In einem Brief vom Oktober merkwürdig, wie Addi immer wieder 1917 bezeichnete sie die Kasseler Zei- und von verschiedenen Seiten gelobt tung als „zu sozialdemokratisch“ und wurde für ihr intensives Zeitungslesen. im November 1917 schreibt sie über Das war damals offensichtlich ganz einen Bekannten ihrer Schwester, „… und gar nicht für Frauen selbstver- versteht sich nicht gut mit Erich und ständlich. Ihre Schwiegermutter ging dessen Bemerkungen, besonders sei- das offenbar sogar schon etwas zu nen sozialdemokratischen Ansichten. weit. Sie schrieb im August 1916, Addi Ernst und Rudolf hatten sich ja auch wäre „eine interessierte Zeitungsle- schon darüber geärgert. Eigentlich ist serin, soll aber auch hübsche Bücher er ein feiner Kerl, aber es fällt auf die zum Lesen bekommen und Verkehr Familie Junkermann zurück.“ mit anderen jungen Frauen“ haben. Addi dankte Bergassessor von Scotti Den deutschen Kriegszielen scheint in einem Brief vom Oktober 1917, er Addi nicht ablehnend gegenüber hätte sie „auch immer dazu gebracht, gestanden zu haben, trotz aller Wid- die Zeitung zu lesen“. Sie empfand rigkeiten, die der Krieg für sie und nun aber das „Wissen von Offizieren ihre Familie brachte. In einem Brief zu einseitig.“ vom Mai 1917 schreib sie an Hans-

66 Hermann von Scotti „fabelhaft, dass ernsthaften finanziellen Probleme. In immer von neuem angegriffen und den beiden elterlichen Familien war alles versucht wird." Sie betonte aller- es üblich, ein Hausmädchen und zeit- dings regelmäßig, das Kriegsende her- weise auch eine Köchin im Haushalt beizusehnen. angestellt zu haben. Zusätzlich gab es im Hause von Scotti noch einen Im Juli 1916 schrieb sie ihm in einem Angestellten für die Pferde und den Brief, sie wäre mit Irmgard bei Neu- Pferdestall. Auch die junge Familie hoffs (gemeinsame Bekannte in Bonn) von Scotti hatte, soweit sie in der gewesen, die "ärgerliche Ansichten eigenen (Miet-)Wohnung in Aachen über den Krieg äußerten". Addi stritt wohnte, ein Hausmädchen. sich auch 1917 noch ab und an mit Frau Neuhoff über Politik und Krieg. Über Allerdings wurde bereits im Sep- Frau Neuhoff urteilte sie "im Großen tember 1914 absehbar, dass Berg- ist sie ja ganz gut patriotisch." assessor von Scotti längere Zeit an der Front bleiben würde und Addi Wenig objektiv erscheint ein Brief mit der Tochter Hildegard solange von ihr vom November 1917, in dem zu seinen Eltern nach Kassel ziehen sie über „Kriegsgewinnler“ schimpft, würde. Deshalb musste das Aachener „wie z. B. die, die das Haus mit Koloni- Hausmädchen entlassen werden. Erst alwarengeschäft in Aachen gegenüber Oktober 1918, als die junge Familie (von ihrem ehemaligen Wohnhaus) wieder eine eigene (Miet-)Wohnung gekauft haben.“ Das Äußern kaum zu bezog (in Kassel), stellte sie erneut begründender Vorurteile war damals ein Hausmädchen ein. Zusätzlich gab nicht unüblich, zum Beispiel, wenn es noch ein Kindermädchen und für es um scheinbar jüdisches Aussehen die ersten Lebensmonate der Kinder ging. So schrieb Addi im Dezember eine spezielle Säuglingsbetreuerin. an Bergassessor von Scotti „gestern mit Walter gesprochen, seine Braut Nicht überliefert ist die Höhe der ist 24 und etwas dunkel, dem Foto finanziellen „Zulage“, die die junge nach vielleicht jüdisch, aber sehr nied- Familie zur Hochzeit von den Eltern lich, temperament- und gefühlvoll und bekommen hatte. Sein Bruder Fritz sehr vermögend.“ Heute lässt die geäu- bekam 1917 zu seiner Hochzeit von ßerte Vermutung „vielleicht jüdisch“ seinem Vater eine einmalige Zula- erschrecken, weil man weiß, was damit ge von 50.000 Reichsmark und eine zwanzig Jahre später verbunden war. jährliche Zulage von 2.000 Reichs- mark. 3.5. Lebensverhältnisse der Familie Hans-Hermann von Bergassessor von Scotti erhielt noch Scottis bis 1918 sein Assistentengehalt von der TH Aachen. Addi mahnte ihn im Okto- In der Zeit des Ersten Weltkriegs ber 1917, bei der TH Aachen nachzu- bestanden für die junge Familie keine fragen, ob nicht von dort eine Kriegs-

67 Abbildung 3.5.: Wohn- haus der Familie Gene- ral von Scotti in Kassel (1. Etage) zulage und ein Kindergeld gezahlt wer- aber von Jahr zu Jahr weniger wurde. den müsse. Zusätzlich erstatteten sie der jungen Familie Sonderausgaben, zum Beispiel Zusätzlich erhielt Bergassessor von Reise- und Umzugskosten oder Kran- Scotti seinen Wehrsold. Als Haupt- kenhaus-, Arzt- und Zahnarztrechnun- mann im aktiven Kriegsdienst waren gen. das 600 Reichsmark pro Monat plus 50 Reichsmark pro Kind und Monat. In den Zeiten, in denen Addi bei 1916 schrieb Addi an ihn, dass ihre den Eltern wohnte, hatte sie keine zu zahlende Gemeindesteuer bemes- Ausgaben für Unterkunft und Lebens- sen worden wäre für ein Einkommen mittel. Sie schrieb im Oktober 1914 zwischen 650 und 900 Reichsmark pro an Hans-Hermann, dass ihr sein Vater Monat. Zum Vergleich: ein Gefreiter nicht einmal erlaubte, die Briefmar- bekam im Ersten Weltkrieg pro Monat ken zu bezahlen. Zusätzlich machten 40 Reichsmark Sold. ihr die Eltern noch Geldgeschenke zu besonderen Anlässen, wie Geburten Trotz dieser überaus guten finanzi- und schickten Hans-Hermann Zigar- ellen Situation steuerten sowohl die ren, Wein und Kleidungsstücke an die Eltern von Bergassessor von Scot- Front. tis als auch seine Schwiegereltern monatlich der jungen Familie einen Addis regelmäßigen monatlichen nicht unbedeutenden Betrag bei. Wie Ausgaben beliefen sich vor dem Krieg viel das genau war, lässt sich nicht auf ungefähr 150 bis 200 Reichs- mehr ermitteln, aber es scheinen in mark. Im Oktober 1916 schrieb Addi, der Regel jeweils 50 Reichsmark pro dass den monatlich Einnahmen von Monat gewesen zu sein. Ende 1914 720 Mark im Durchschnitt Ausgaben waren es von seinen Eltern noch 900 von 475 Mark gegenüberstehen wür- Reichsmark pro Vierteljahr, was dann den. Es handelte sich vor allem um

68 die Miete für die Aachener Wohnung, Mutter erstmals „auch im Inlande sind Löhne der Hausmädchen, Kleidungs- nun Kriegsnöte zu bemerken, Verteu- stücke und eine Kur. Bergassessor von erungen“. Wahrscheinlich wollte die Scotti verbrauchte an der Front etwas Familie den Sohn nicht damit behel- mehr als 100 Reichsmark pro Monat. ligen. Das überschüssige Geld legte Addi in Wertpapieren an, besonders aber in Erst 1916 häufen sich in den Brie- Kriegsanleihen. Mitte 1918 besaßen fen Hinweise, wie schlecht es der Addi und Hans-Hermann Wertpapie- Bevölkerung ging. Im Mai schrieb re zu einem Nominalwert von 5.100 sein Vater, es würden Fleischzuteilun- Reichsmark. gen festgesetzt. Vieles sei überhaupt nicht mehr zu bekommen, „aber es Trotzdem sind in Addis Briefen wird durchgehalten. Preise erhöhen immer wieder Sparsamkeit und sogar sich. Manches ist vom Markt ver- ein gewisser Neid auf Bekannte und schwunden. Es gibt Lebensmittelkar- Verwandte zu bemerken. Im April 1916 ten für Butter, Brot und wohl auch schreibt sie über Bergassessor von bald Fleisch. Es wird viel gejammert Scottis ehemaligen Kommilitonen Arlt, im Lande, aber Notwendigkeit durch- „… will im Sommer mit Frau und Kind zuhalten ist klar.“ Addi schrieb im nach Berlin. Geld müssen die haben!“ Juni 1916 „Es gibt schon 14 Tage und über seinen Bruder Fritz anlässlich keine Kartoffeln mehr, auch nicht auf seiner Beförderung zum Hauptmann Lebensmittelkarten. Stimmung in der „… was die Leute Geld sparen können, Bevölkerung ist schlecht. … nur 1/2 auch Rudolf da in Belgien. Nur wir Pfund Kartoffeln pro Person und Tag, sind arme Schlucker." Eine gemeinsa- kein Schmalz, keine Eier, kein Zwie- me Reise mit ihrer Schwiegermutter in back, kein Gemüse.“ Addi fragte „wie die Schweiz, die ihr Bergassessor von die Bevölkerung zurechtkommt, die Scotti im Juni 1918 empfohlen hatte, nicht über ausreichend Geld verfügt. hielt sie für zu teuer. Es gab schon Aufläufe. Ohne Jopo (das Hausmädchen) wüsste sie nicht, Trotz ihrer guten finanziellen Ver- wie es werden würde.“ und „es man- hältnisse spürte die Familie von Scotti gelt vor allem an Butter und Fett, die Auswirkungen des Kriegs auf die man lebt hauptsächlich von Kartoffeln Lebensmittel-, Heizstoff- und Beklei- und Gemüse, hoffentlich bleibt der dungsversorgung ziemlich drastisch. Aushungerungsplan Englands ohne 1914 schrieben sowohl Addi als auch Unruhen und Meuterei in der Bevöl- ihre Eltern und Schwiegereltern noch kerung.“ nichts über kriegsbedingte Engpässe. Allerdings beanstandete Generalleut- Ende November 1916 begannen nant von Scotti, dass dieses Jahr kein die Weihnachtsvorbereitungen. Addi Lametta am Weihnachtsbaum wäre, nur schrieb „Gänse kosten ab 40 Mark, Kerzen und Tannenzapfen. Im Februar Tante Gertrud hat 2 á 80 Mark gekauft. 1915 schrieb Bergassessor von Scottis Hans-Hermann soll Butter mitbrin-

69 gen“, wenn er Fronturlaub bekommt, 3.6. Elterliche Familie und denn die Versorgung an der Front war Brüder zum Teil besser, als in der Heimat. Im Gegenzug schickte Vater Emil von In den meisten Feldpostbriefen fin- Scotti seinem Sohn Zigarren an die den sich mehr oder minder detaillierte Front, die er für 40 Pfennig pro Stück Schilderungen des Schicksals, das die „gehamstert“ hatte. drei Brüder Bergassessor von Scottis und die beiden Brüder Addis im Krieg In den Briefen von 1917 ist regel- zu erleiden hatten. Beschrieben wird mäßig von der sich verschlimmernden auch, wie empathisch die Familien von Versorgungslage die Rede, nun auch Scotti und Junkermann waren, wenn bei der Kohlenversorgung. Bergasses- es um die Familienmitglieder ging und sor von Scottis Mutter erwähnt in einem wie sie halfen, wo sie konnten. Der Brief vom April 1917, dass sie „gegen in diesen beiden Familien traditionelle die Allgemeinheit über Mittel verfü- familiäre Zusammenhalt sollte in den gen", so "dass noch Alles einzurichten" Jahren 1944 bis 1946 in der Familie von sei. Gemeint war die Beschaffung von Scotti noch einmal und in stärker aus- Lebensmitteln zu sehr hohen Preisen. geprägter Form in Erscheinung treten. „Fräulein Betty (das Hausmädchen) geht auf alles ein.“ In merkwürdigem Generalleutnant Emil von Scotti, Gegensatz dazu schrieb Addi im Mai wollte trotz seiner bereits vor dem 1917 „Bekannte aus Aachen klagten Krieg auf eigenen Wunsch erfolgten über schlechte Lebensmittelversor- Außerdienststellung nun doch wieder gung. Es gäbe nur etwas für Leute mit aktiv am Krieg teilnehmen oder sich viel Geld, da nützten auch Hausdurch- wenigstens in einer angemessenen Art suchungen nicht viel.“ nützlich machen. Im Oktober besich- tigte er ein Lager mit 6.000 fran- Addi musste sich, nachdem sie ihre zösischen, englischen und russischen Mietwohnung in Kassel bezogen hatte, Kriegsgefangenen. Im Januar 1915 verstärkt selber um ihre Haushalts- schätzte er ein, sich wohl in Berlin im versorgung kümmern. Alle Zimmer Kriegsministerium persönlich vorstel- konnte sie nicht heizen. Im Dezem- len zu müssen, um „ein Kommando“ ber 1917 schreib sie, sie „besorge 25 zu erhalten. Bergassessor von Scottis Zentner Kohlen, die aber nicht mehr Mutter schrieb in einem Brief, er „lei- gebracht werden. Brauche deshalb det darunter, nicht verwendet zu wer- einen Ponywagen, ferner noch einige den.“ Er selber schrieb auch „bedrückt Zentner Holzklötzer und Rüben…“. (zu sein), nicht eingesetzt zu werden, Hauptmann Hans-Hermann von Scotti will deshalb nach Berlin fahren.“ Das schrieb im September 1918, er hätte tat er dann Anfang Februar 1915. Er „einen gewandten Mann, der ihm alles habe dort „seine Bereitschaft zu seiner besorgt.“ Den würde er „beauftragen, Verwendung im Kriege angemeldet, 10 Pfund Butter an Addis Mutter zu … keinerlei Aussichten oder Zusagen schicken und kleine Schuhchen.“ – Ende der Bemühungen.“

70 Im September 1916 erreichte ihn 1914 arbeitete ihre Mutter noch viel noch einmal eine Anfrage vom Gene- für das Rote Kreuz. Sie reiste auch ralkommando, ob er in Görlitz dip- im September 1915 nach Kassel zu lomatische Verhandlungen über Grie- den Eltern ihres Schwiegersohns. Der chenland führen würde. Vorab wurde Vater musste schon im Sommer 1915 ihm die Frage gestellt, ob er französisch für drei Wochen nach Bad Reichenhall könne – „fließend musste er ja vernei- zur Kur. Addi schrieb Anfang Mai nen, außerdem sollen die Griechen ja 1917, ihre Mutter würde erkältet im auch wieder herausgegeben werden, Bett liegen, und bräuchte nun auch womit die Sache ins Wasser fallen dringend eine Kur. Nach Pfingsten würde.“ fuhren dann Addis Eltern gemeinsam vier Wochen zur Kur nach Bad Ems. Bergassessor von Scottis Mutter Das wiederholten sie 1918. Ihr Vater „kümmert sich um Hinterbliebene von hätte 1918 während der Kur Schüttel- Gefallenen, viel Aufregung, das geht frost und Fieber bekommen und muss- nicht spurlos an ihr vorbei“, wie sein te deshalb etwas länger in Wildungen Vater im September 1914 schrieb. Addi bleiben. schrieb im Oktober 1916: seine „Mutter ist von 2 bis 6 wieder im Soldatenheim, Die Brüder von Bergassessor von dann abends Kriegerfrauenversamm- Scotti Fritz, Walter und Hellmut sowie lung.“ seine Schwäger Rudolf und Ernst (Addis Brüder) wurden ebenfalls Auch, wenn seine Eltern in den ers- bereits 1914 zum Kriegsdienst ein- ten Kriegsjahren noch ziemlich aktiv gezogen. Im Briefverkehr zwischen waren, zum Beispiel öfter Gesell- Bergassessor von Scotti und seiner schaften zu Hause empfingen, Reisen Frau, seinen Eltern, Schwiegereltern 1916 nach Funkenhagen (Westpom- und Brüdern nimmt das einen großen mern, Schwiegereltern von Sohn Fritz) Teil ein. Dabei wird in dramatischer und 1917 nach Düsseldorf und Bonn Form deutlich, dass sein Kriegsschick- unternahmen und der Vater regelmäßig sal in dieser Familie keine Ausnahme zur Jagd ging, machte sich doch ihr bildete, sondern eher typisch war, nur, Alter langsam bemerkbar. Immer öfter dass alle seine Brüder hauptberuflich mussten sie zur Kur oder in ärztliche Offiziere waren, er also der einzige Behandlung. Sie fuhren dafür zum Bei- Reserve-Offizier blieb. spiel jedes Jahr einige Wochen nach Bad Wildungen und sein Vater darüber Fritz von Scotti, hatte 1907 sein hinaus im Herbst 1918 nach Bad Sal- Abitur bestanden und war danach Fah- zungen. nenjunker, 1908 Leutnant und 1911 Abteilungsadjutant geworden und Addis Eltern ging es ähnlich. Ihr als solcher 1914 in dem Krieg gezo- Vater war anfangs noch ab und an „zu gen. Im November 1914 wurde er Gericht“ (er war, wie bereits erwähnt, Oberleutnant, 1915 Batterieführer, Landgerichtspräsident gewesen) und 1916 Hauptmann und ab Juli 1918

71 Abteilungsführer der Feldartillerie der Dragoner verloren.“ Im August stand Deutschen Jägerdivision. 1921 wurde seine Batterie vor Brest-Litowsk, kurz er nach Verwendung in verschiedenen darauf vor Lemberg und Ende August Abwicklungs- und Übergangsstellen in an der Brückenkopfstellung bei Haliz. die Reichswehr übernommen. Er hat dort „wieder viel durchgemacht, scheußliche Rückzugsgefechte“. Bereits im September 1914 kam er an die Westfront, im November 1914 an Seiner Ehe war kein langes Glück die Ostfront und ab Februar 1915 in die beschieden. Es fehlte der gemeinsa- Karpaten. Im Februar 1916 verlobte er me Haushalt, das Zusammenleben, die sich mit Esther Marie von Rhade. Seine gemeinsamen Interessen, die gegen- Eltern fuhren im Februar 1916 zum Gut seitigen Aufmerksamkeiten. Sie waren der zukünftigen Schwiegereltern, um bis Ende 1917 nach der Hochzeit über- die neue Familie kennenzulernen. Sie haupt erst das zweite Mal zusammen. schilderten in einem Brief, dass es sich Bereits Anfang 1918 wurde ihre Ehe um eine alteingesessene ehrwürdige geschieden. 1919 heiratete er Hertha Familie handelt. Das große Gut habe Schuckmann in Kolberg. Sie brachte der älteste Sohn vor Kurzem übernom- aus erster Ehe mit dem gefallenen Flie- men. Seine Brüder „stehen im Feld“ gerhauptmann Wilcke einen Sohn mit, (Kriegsdienst). Das Haus sei einfach der 1913 geboren worden war. und geräumig, stehe in einem Natur- park und habe einen großen Hof. Alles Walter von Scotti, war nach dem zeige einen gediegenen wirtschaftli- Abitur Fahnenjunker beim Dragoner chen Wohlstand. Regiment in Hofgeismar geworden und Esther Maries drei Schwestern erhielten „ganz anständige aber nicht • 1909 zum Leutnant befördert, übermäßige Mitgift“, wodurch eine • im Oktober 1914 Regimentsadju- minimale Unwirtschaftlichkeit des tant, landwirtschaftlichen Betriebs bestehe, • im August 1915 Oberleutnant, „aber Fritz hat genug Geld. Eine der • 1916 Führer einer Schwadron, Schwestern ist verheiratet mit Leutnant • im August 1918 Rittmeister und der Reserve Schmidt (in Fritz´Alter), • 1918 verheiratet mit Irmgard von der ein Gut mit in die Ehe bringt. Eine Falkenhausen, Tochter eines Ritter- ist verheiratet mit Freiherr von Schlief- gutsbesitzers. fen aus Fritz´ Regiment, auch ein Guts- Seine Kinder waren: besitzersohn, eine ist verlobt mit Ober- • Severin, geboren 1919, leutnant Stöltke, Fritz´ Intimus“. • Stephanie, geboren 1921 und • Alexander, geboren 1926. Im Kriegsdienst hat Fritz schreck- liche Dinge miterleben müssen. Im Er wurde von seiner Mutter als „für Juni 1916 schreibt er: „seit zehn Tagen einen Scotti außerordentlich tempera- im Schützengraben, in drei Tagen 56 mentvoll und impulsiv“ beschrieben. Er

72 absolvierte wie sein Bruder Fritz schon Familiensinn gesprochen. Muss dafür zu Friedenszeiten die Kriegsschule und aber mal ein kleiner Umweg gemacht kam auch gleich zum Kriegsanfang an werden, dann ist es damit aus.“ Seine die Westfront, war im Oktober „bei Mutter schrieb das der Verliebtheit der Lille mit seinem Regiment ziemlich ins beiden zu. Im März 1919 sind Walter Feuer geraten“ und schrieb im Novem- und Irmgard dann aber doch bei seinen ber von neun Tagen Schützengraben- Eltern zu Besuch gewesen. gefecht. Der Kaiser war anschließend zur Besichtigung gekommen, hat ihm Hellmut von Scotti war zum Kriegs- persönlich die Hand gegeben und mit beginn noch Gymnasiast und noch zu ihm gesprochen. Im Januar 1915 war jung, um zum Kriegsdienst eingezogen Walter in Stivoort bei Hasselt an der zu werden, nahm aber bei wöchentli- holländischen Grenze. Anfang Februar chen Jugendwehrübung teil und wurde waren ihm bei Brabant, nördlich von dort Zugführer. Seine Musterung wur- Namur „im Schützengraben die nassen de für Mitte August 1915 erwartet und Sachen am Leibe angefroren.“ das Einziehen des 1896er Jahrgangs für Anfang August. Sein Abitur musste auf Nach einer Schulung in Küstrin kam die Zeit nach dem Krieg verschoben er an die Ostfront nach Wytkowycz, werden. Sein Vater lancierte Hellmuts hatte dort schwere Tage im Schützen- Gesuch auf Annahme als Fahnenjun- graben, große Verluste durch schwere ker im 4. Garde Feld Artillerie Regi- Artillerie. Im September war er in ment, dem Regiment seines Bruders Kurland, bekam dort das Eiserne Kreuz Hans-Hermann, was schließlich auch Erster Klasse. Im Oktober war seine gelang. Im Dezember 1915 absolvierte Einheit eingeschlossen und konnte erst Hellmut in Potsdam die Kriegsschule nach 16stündigem Gefecht eine Brücke einschließlich Fähnrichsexamen. Sein bilden und freikommen, viele Verletzte, Vater hatte ihn am Tag vor dem Exa- sein Rittmeister ist auch gefallen. Bei men in Potsdam Major von Kleim der Flucht vor den Russen hatte er, wie und Hauptmann von Manteuffel vorge- alle Offiziere, im Sumpf sein Pferd stellt. Hellmut hatte in der Kaserne ein verloren. Zimmer und einen „Putzkameraden“. Im März 1916 absolvierte er eine Aus- Im Januar 1917 kam er nach Belgien bildung in Jüterbog und kam Ende Juni an die Westfront. Ende 1917 verlobte er als Unterfähnrich an die Westfront. sich mit Irmgard. Noch im Dezember Bei der Bahnfahrt zur Front hatte er kam Walter wieder an die Westfront, in Aachen drei Minuten Aufenthalt. nach Charleville. Im Juni 1918 heiratete Dort warteten Addi und Hildegard auf er und nahm anschließend vier Wochen ihn, um noch einmal mit ihm sprechen Hochzeitsurlaub. Kritik kam von sei- zu können. Seine Freundin Irmgard nem Bruder Hans-Hermann. Er „findet Scherm war auch mit an der Bahn. es gar nicht nett, dass Irmgard und Walter die Eltern in Kassel geschnit- Im Juli 1916 bekam Hellmut einen ten haben. Da wird immer so viel von Streifschuss, wurde aber bald darauf

73 wieder einsatzfähig. Er schilderte die 16. Infanterieregiments vermisst. Sein dramatischen Verluste seines Regi- Frau Annaberta erlitt darauf einen Ner- ments. Im Oktober 1916 wurde er zum venzusammenbruch. Erst drei Wochen Fähnrich und im Januar 1917 bei einer später kam von Paris die Nachricht Weiterbildung in Jüterbog zum Leut- über einen Gefangenen namens Alfred nant befördert. Anschließend ging er Junkermann und weitere zwei Woche wieder an die Front in das Regiment später die Berichtigung, dass es sich von Bergassessor von Scotti. Sein Vater um Rudolph Junkermann handelt und freute sich über das gute Verhältnis der er in Gefangenschaft in Orleans sei. beiden. Im Juni 1918 wurde er in die Schweiz nach Arosa überführt, durfte dort aller- Im Herbst 1917 hatte Hellmut „sehr dings ein eng umrissenes Gebiet nicht anspruchsvolle Zeiten hinter sich verlassen. Im Juli 1918 begab er sich mit dem Bau neuer Stellungen und in Zürich zu intensiven ärztlichen beschwerlichen Wegen, ... nun auch Behandlung seiner Nerven. noch abgezogen von der 5. und Ver- tretung bei der 7. Batterie“, kam im Ernst Junkermann, der ältere Bruder Oktober zu einem Kursus von der von Addi, war schon vor dem Krieg bei Front zurück, war aber schon Ende des der Marine und unter anderem 1905 in Monats wieder an der Front eingesetzt. Tsingtau/China. Zu Kriegsbeginn war er in Kiel stationiert und wurde bei Im Mai 1918 hatte Hellmut die Spa- Fahrten auf der Nord- und Ostsee ein- nische Grippe, an der im Ersten Welt- gesetzt. 1916 wurde er zum Korvetten- krieg hunderttausende deutsche Sol- kapitän befördert. In diesem Jahr muss daten und bis 1920 weltweit bis zu 50 er besonders viel durchgemacht haben. Millionen Menschen gestorben sind. Sein Kreuzer Rostock und 15 Mann Er überlebte die Grippe und wurde sind in der Skagerrakschlacht verloren im September Abteilungsadjutant, im gegangen. Er schilderte knapp: „Torpe- Oktober leicht verwundet, überstand dotreffer Maschinenraum. Mit Schlag- aber den Ersten Weltkrieg, sodass er seite noch etwas geschleppt worden im Februar 1919 sein Abitur nachholen von einem Torpedoboot. Dann wie- konnte. der englische Schiffe. Selbstversen- kung und an Bord eines Torpedoboots Rudolph Junkermann, der jüngere gegangen.“ Bruder von Addi, war seit Kriegsbe- ginn Infanterieoffizier an der West- Er nahm 1917 an Weiterbildungen front, berichtete 1915 von schweren zum Thema Torpedoboote teil und Kämpfen in den Schützengräben wurde danach auf dem Großlinien- und starkem Beschuss. 1917 wurde schiff König eingesetzt. Im Novem- er Ordonnanzoffizier beim Stab des ber 1918 kam es auf der SMS König 16. Infanterieregiments, das zu die- zu einem dramatischen Matrosen- ser Zeit östlich von Laon lag. Ende aufstand, bei dem die Offiziere das Oktober wurde der gesamte Stab des Schiff gegen die eigene Mannschaft

74 verteidigten. Im Dezember fuhr die te es erst 1937 fort, dann allerdings SMS König unter dem Kommando von zuerst mit einer Zusammenfassung der Ernst Junkermann nach Scapa Flow, Jahre von 1926 bis 1936, sodass es wo dieses Schiff zusammen mit der auch über diese Zeit eine von ihm per- restlichen deutschen Hochseeflotte sönlich verfasste und gewertete Dar- in englischem Gewahrsam interniert stellung gibt. wurde. Er schrieb: „… bewacht von englischen Schiffen, die für ihre Leute 4.1. Rückmarsch von der Besichtigungsfahrten veranstalten und Front und Entlassung aus dem die Deutschen anglotzen wie Tiere im Militärdienst Zoo, erniedrigend“. Alle Schiffe ver- senkten sich dort im Juni 1919 selbst, Das Ende des Kriegs und den Beginn um sie der endgültigen Inbesitznahme der Weimarer Republik erlebte Bergas- durch die Siegermächte zu entziehen. sessor von Scotti als Hauptmann an der Westfront an der Spitze seiner Artil- 4. Weimarer Republik leriebatterie, 4. Regiment der 5. Gar- de Infanterie Division der II. Armee. Nachdem die junge Familie Berg- Er führte „seine Batterie“ mit allem assessor von Scottis ihre ersten fünf militärischen Zeremoniell in die Hei- Ehejahre weitgehend getrennt ver- mat zurück, fühlte sich als militärisch bracht hatten, konnte sie 1919 dau- ungeschlagener Offizier eines unge- erhaft zusammen wohnen. Bis dahin schlagenen Regiments und war stolz, hatten sie noch einen intensiven Brief- die vier Jahre Fronteinsatz überlebt und wechsel geführt. Die aus dieser Zeit den großen militärischen, physischen erhalten gebliebenen Briefe schätzten und psychischen Herausforderungen und bewahrten sie schon damals als getrotzt zu haben. wertvolle Möglichkeit zur Erinnerung an die vergangene Zeit. Am 17. November schrieb er seiner Frau: "Wir marschieren in vollster Ord- 1921 legte Hans-Hermann ein soge- nung mit allen Kokarden und Abzei- nanntes Weihnachtsbuch an, in das er chen in die Heimat. … heute Mosel alljährlich um die Weihnachtszeit in überschritten, schwarz-weiß-rote Fah- einer beschaulichen Stunde eine kurze nen im ersten deutschen Dorf.“ Drei Rückschau auf das gerade vergangene Tage später lag sein Regiment im Dorf Jahr niederschrieb. Diese Erinnerun- Rappweiler, zwanzig Kilometer nord- gen sind zwar viel straffer gefasst, als östlich von Mettlach. Von dort schrieb die Frontbriefe, und enthalten auch er seiner Frau: "die alte Garde duldet nicht die Fülle persönlicher Einschät- keine roten Abzeichen, auch die ande- zungen, ergänzen aber die sonst recht ren Fronttruppen sind tadellos, nur die nüchterne Aktenlage um die eine oder Etappenmannschaften sind schlimm.“ andere emotionale Wertung. 1925 bis (s. Abb. 3.3.d.) Das Regiment seines 1936 hat er sein Weihnachtsbuch vorü- Bruders Walter habe er zuletzt am bergehend nicht weitergeführt. Er setz- 13. November gesehen. "Sein General-

75 Abbildung 4.1.: Haupt- mann Hans-Hermann von Scotti in Uniform kommando war schon ganz rot!!" Am in Kassel bei 21. November schrieb er aus dem Dorf seiner Familie. 1936 schrieb er rück- Castel: „man grault sich vor dem bol- blickend auf diese Zeit und mit sicht- schewistischen Deutschland und möch- lichem Stolz, er habe bei der "Verab- te in dieser guten Gegend bleiben“ und schiedung zur Demobilisierung" die am 30. November: "Ein feines Weih- Erlaubnis erhalten, weiterhin seine nachtsgeschenk, das sich das deutsche Regimentsuniform zu tragen. Volk bereitet hat!" Die Ergebnisse der Friedens- bezie- Das Ziel des Rückmarschs seines hungsweise Kapitulationsverhandlun- Regiments war Potsdam. Am 24. gen entsprachen nach seiner Ansicht November schrieb er: „gestern hier nicht der militärischen Konstellation eingerückt, … letzte militärische Akti- zwischen Entente und Achsenmächten on, … gebe meine 6. Batterie ab, … zum Kriegsende. Er schrieb schon zu die Offiziere werden fast alle entlas- dieser Zeit, wie bereits zitiert, von sen, auch der Regimentskommandeur, einer zukünftig vor(her)zusehenden er hätte nicht richtig durchgegriffen.“ militärischer Revanche. Die Entlassung zog sich dann aber noch einen Monat hin und es wur- 4.2. Übergang in den de sogar fraglich, ob Hans-Hermann Zivilberuf von Scotti über Weihnachten Urlaub bekommen würde. Schließlich war Bis zu seiner Entlassung aus dem er dann doch Weihnachten zu Hause Kriegsdienst wusste Bergassessor

76 von Scotti immer noch nicht, wo er Am 14. Dezember 1918 hatte es wenige Tage später eine zivile Arbeit dann geklappt. Er schrieb: „war gerade aufnehmen soll. Eigentlich hatte er bei Oberberghauptmann Althaus. Er einen Anstellungsvertrag von der Ber- meinte anfangs, ich sollte ohne Familie ginspektion Dudweiler. Dieses Gebiet nach Südwest (Afrika)." Er hätte das war aber französisch geworden. Dort aber abgelehnt. „Dann fragte er, ob ich war eine Anstellung eines deutschen (nach) Oberschlesien wollte; ich wink- Bergassessors nun kaum noch mög- te auch da ab, schließlich einigten wir lich. Fraglich war, ob ihn das Ober- uns auf eine Clausthaler Hütte. Er will bergamt Bonn (die für Dudweiler und morgen ... erfragen; es ist also noch Saarbrücken zuständige Oberbehörde) nicht sicher." In einem Schreiben vom übernehmen würde. Es war schließlich 24. Dezember 1918 teilte dann das auch für andere, deutsch bleibende Ministerium für Handel und Gewerbe Bergbaureviere zuständig, wie das Sie- in Berlin Bergassessor von Scotti offi- gerland. ziell mit, dass er „an die Oberharzer Werke für Clausth.-Hütte überwiesen“ Am 17. November 1918 schrieb worden sei. Seine jährliche Vergütung Bergassessor von Scotti an seine Frau: betrage monatlich 3.450 Reichsmark „wenn doch die Anstellung nur käme! zuzüglich einer Kriegsteuerungszulage Also nun nicht Saar-Revier. Dein Vater von 250 Reichsmark. Saarbrücken und könnte doch mal fragen, ob das Ober- Bonn seien informiert. bergamt in Bonn bleibt usw. Falls wir nach Potsdam kommen, werde ich Wenige Tage später ist Hans-Her- gleich mal ins Handelsministerium mann aus dem Militärdienst entlas- gehen und das Personaldezernat aufsu- sen worden und nach Kassel zu seiner chen.“ Am 02. Dezember scheint eine Familie gefahren, womit auch die Reihe Antwort gekommen zu sein. Er schrieb: der Briefe vorerst abreißt und erst Mitte „Also Dudweiler! Wie hatten wir uns Januar 1919 wieder beginnt. Zu dieser immer ins Saar-Revier gewünscht! Zeit war Bergassessor Hans-Hermann Aber nun – besetztes Gebiet!“ von Scotti schon als Beamter der Hüt- teninspektion Clausthal angestellt. Addi Am 04. Dezember fuhr er, wie er schrieb ihm aus Kassel nach Clausthal, schrieb: „gleich heute Nachmittag nach dass von Dudweiler eine Trauungszu- Berlin …, in der Hoffnung, jemanden lage angekommen sei. Hans-Hermann im Ministerium anzutreffen, leider ver- schilderte seinen Tagesablauf und dass geblich, nur Unterbeamte, die keine er „immer erst gegen 09:00 Uhr auf der Auskunft über Anstellung … geben Hütte sein muss.“ konnten, will Montag wieder hinge- hen …wollte den Oberberghauptmann Das 1901 erbaute Hütteninspektions- sprechen.“ Bislang wisse er nur, dass er gebäude befand sich in der Marktstra- nicht nach Dudweiler gehen wird, „das ße 935 (heute Silberstraße 1, Büro für Saarland steht bereits unter französi- Studentenangelegenheiten). Dort hatte scher Zwangsverwaltung.“ der Hüttendirektor seine Wohnung und

77 Abbildung 4.2.: Bleihütte Clausthal sein Büro. Bergassessor von Scottis ligen schlechten Verfügbarkeit von Arbeitsplatz befand sich dagegen nicht, Arbeitsmöglichkeiten überhaupt eine wie man heute annehmen würde, im freie Stelle im Montanwesen zu finden. Haus der Hütteninspektion, sondern in Und schließlich war ihm diese Stelle der Frankenscharrnhütte Clausthal. vom preußischen Oberberghauptmann persönlich vermittelt worden, was er Ende Januar 1919 schrieb Vater von wohl nicht ausschlagen wollte. Scotti, Hans-Hermann würde sich schon eingewöhnen. Er freue sich Addi schrieb ihm Ende Januar 1919, schon, im Sommer zu Besuch nach Bergrat Wolff sei „ja vom Rammels- Clausthal zu kommen und den Betrieb berg zum Salzamt Dürrenberg über- kennen zu lernen. Bergassessor von wiesen, zwar, lese ich gerade, nur kom- Scotti wird die Anstellung im Hütten- missarische Verwaltung der Werksdi- amt Clausthal wohl nicht als optimal rektorenstelle...“. Der Harz scheint angesehen haben. Eine Beamtenstelle aber die Gegend gewesen zu sein, in im Hüttenwesen entsprach Bergasses- der die junge Familie bleiben wollte. sor von Scottis Ausbildung, Kenntnis- Ende März schrieb Addi, der Harz sei sen und Erfahrungen nur bedingt. Sein ihr „lieber als Waldenburg.“ Dienstantritt bei der Hütteninspekti- on Clausthal war offenbar eher seiner Die Arbeit Bergassessor von Scot- Zwangslage geschuldet, bei der dama- tis auf der Silberhütte war weni-

78 ger geprägt von einer konstruktiven mit technisch-organisatorischen Auf- Betriebsentwicklung, sondern eher von gaben befassten, und Hilfsarbeiter, die der notdürftigen Überbrückung der vornehmlich mit juristischen Angele- Nachkriegsprobleme. Es mangelte an genheiten betraut wurden. Arbeitskräften, an der Versorgung der Belegschaft mit Nahrungsmitteln, an Auch der Begriff Berginspektion ist Brennstoffen für die Hütte und am heute nicht mehr geläufig und soll Absatz für die Hüttenprodukte. deshalb kurz erläutert werden. Für die Aufsicht über die staatlichen Harzer 4.3. In der Berginspektion Bergwerke und Hüttenbetriebe gab Grund es bis in die 1860er Jahre Bergäm- ter, zum Beispiel in Goslar, Zellerfeld Allen Beteiligten muss von vorn her- und Clausthal. Sie beaufsichtigten die ein klar gewesen sein, dass Bergasses- Betriebe nicht nur, sondern verwalteten sor von Scotti nicht langfristig in der sie auch, wie es eine Betriebsleitung Silberhütte bleiben würde, sondern auf tut (Direktionsprinzip). Damit lagen eine Möglichkeit zum Wechsel in die sowohl die betriebswirtschaftliche und Berginspektion wartete. Und tatsäch- organisatorisch-technische Führung als lich erhielt er bereits am 30. August auch die behördliche Genehmigung in 1919 vom Minister für Handel und einer Hand. Juristisch ist das aber sehr Gewerbe in Berlin eine „Überweisung fragwürdig, denn der Antragsteller und in gleicher Eigenschaft an die Bergin- die zulassende Behörde sind in die- spektion Grund der Oberharzer Berg- sem Fall ein und dieselbe juristische und Hüttenwerke“, wurde also in den Person. Geändert wurde das in Preu- Bergbau versetzt, und zwar, wie zuvor ßen, zu dem das ehemalige Königreich in der Hütteninspektion, wiederum als Hannover seit 1866 gehörte, durch den „ständiger technischer Hilfsarbeiter“. Erlass des Allgemeinen Preußischen Berggesetzes von 1865. Sein Einsatz als Hilfsarbeiter erscheint aus heutiger Sicht merkwür- Es nahm vorweg, was heute Rechts- dig, denn heute wird darunter gewöhn- norm ist: Die Trennung von Bergbe- lich ein nicht vollwertiger Arbeiter, zum hörde und Bergwerksverwaltung. Die Beispiel ein Handlanger verstanden. Bergämter wurden aufgelöst bezie- Deshalb hier eine kurze Begriffserläu- hungsweise umgewandelt in Bergins- terung. Man unterschied in den Berg- pektionen, denen nur noch die Inspek- behörden zwischen Beamten der Unte- tion der Bergwerke und Hütten (die ren, Mittleren, Gehobenen und Höhe- „bergpolizeilichen“ Aufgaben) blieb. ren Laufbahn. Alle Höheren Beamten, Die Betriebsverwaltung bekamen die bis auf die Berginspektionsleiter und jeweiligen Betriebseigentümer übertra- den Oberbergamtspräsidenten wurden, gen. Es gab nun eine ganze Reihe von unabhängig von ihrem Dienstrang, Harzer Berginspektionen. 1876 wurde als Hilfsarbeiter bezeichnet, wobei es die Berginspektion Clausthal/Silbern- Technische Hilfsarbeiter gab, die sich aal nach Grund verlegt und 1887, nach

79 Abbildung 4.3.: Gebäu- de der Berginspektion Grund

Zusammenlegung mit der Berginspek- unabhängigen Staaten, zu 4/7 dem tion St. Andreasberg, umbenannt in Königreich Hannover und zu 3/7 dem Berginspektion Grund. Sie hieß übri- Herzogtum Braunschweig. Letzteres gens nicht Berginspektion Bad Grund, war 1866 nicht, wie Hannover, zu weil der Bergstadt Grund der Status Preußen gekommen, sondern unab- eines Kurortes/Bades erst 1906 zuer- hängig geblieben. Für eine Änderung kannt wurde. der Betriebsverwaltung hätte deshalb ein Staatsvertrag zwischen Preußen Für die Ober- und Unterharzer Berg- und Braunschweig geschlossen wer- werke und Hütten vollzog man die den müssen. Das dauerte aber Jahre. förmliche Trennung zwischen Betriebs- Der Erste Weltkrieg und die schwere führung und Berginspektion etwas Nachkriegszeit brachten weitere Ver- halbherzig. In Ermangelung einer pas- zögerungen. So lange blieb alles beim senden juristischen Person unterstell- Alten. te man die Betriebsverwaltungen, nun Bergreviere genannt, doch wieder dem 1920 wurde Bergassessor von Scotti Direktor des Oberbergamtes Clausthal, zum Bergmeister der Berginspektion nahm sich aber vor, später eine bessere Grund ernannt und war speziell für Regelung zu finden. Das geschah 1912, die Grube Bergwerkswohlfahrt zustän- indem die Oberleitung aller Oberharzer dig. Dieser Titel beziehungsweise Berg- und Hüttenwerke vom Ober- Dienstrang passt nicht in die außerhalb bergamt losgelöst und dem Geheimen des Harzes übliche Folge der berg- Bergrat Max Ehring als Direktor über- behördlichen Dienstränge. Im Harzer tragen wurde. Das Oberbergamt wurde Bergbau war er aber schon jahrhun- dadurch eine reine Aufsichtsbehörde. dertelang gebräuchlich. Die Mitglie- der der Bergämter, die sogenannten Das betraf aber nicht alle staatli- Bergoffizianten, wurden in Bergbeam- chen Harzer Berg- und Hüttenwerke. te „vom Leder“ (für den technischen Ein Teil, im Wesentlichen betraf das Bereich zuständig) und in Bergbeamte den Rammelsberg und seine Hütten- „von der Feder“ (für den juristischen betriebe, gehörten zwei voneinander und betriebswirtschaftlichen Bereich

80 zuständig) eingeteilt. Oberster Berg- GmbH für die Oberharzer Werke beamter vom Leder war der Berg- und eine für die Unterharzer Werke meister. Er leitete den Grubenbetrieb. gegründet werden. Genannt wurden Bergmeister von Scotti war also in sie Oberharzer Berg- und Hüttenwerke den Rang eines Technischen Leiters (OHBW) und Unterharzer Berg- und der Berginspektion aufgestiegen. Seine Hüttenwerke (UHBW). Daneben gab 1921 erfolgte Ernennung zum Bergrat es noch die Preußag-Zweigniederlas- prädestinierte ihn zur Übernahme der sung Oberharz als Verwaltung der rein Leitung der gesamten Berginspektion, preußischen Betriebe. sobald diese Stelle neu zu besetzen sein würde und kein dienstgradälterer Die beiden Bad Grunder Bergwerke Beamter aufrücken konnte oder sollte. Grube Hilfe Gottes und Bergwerks- wohlfahrt gehörten zum Geschäftsbe- 4.4. Preußag-Gründung und reich dieser Zweigniederlassung. Sie Aufnahme der Harzer wurden nun zusammengefasst zum Berg- und Hüttenwerke in die Preußag Übrigens gab es seit Gründung der Preußag immer wieder Irritatio- Der preußische Landtag verabschie- nen hinsichtlich der Schreibweise dete am 09. Oktober 1923 das Gesetz Preußag oder Preussag. Beide zur Übertragung der Verwaltung und Schreibweisen waren gebräuch- Ausbeutung des staatlichen Berg- lich, wobei üblicherweise die mit werksbesitzes an eine Aktiengesell- „ß“ als korrekt empfunden wurde. schaft. Daraufhin wurden zwei staat- Aber nicht alle Schreibmaschinen liche Bergwerksaktiengesellschaften hatten ein „ß“. Außerdem war diese gegründet. Eine davon war die Preu- Schreibweise weder in Großbuch- ßische Bergwerks- und Hütten-Akti- staben, noch im Englischen mög- engesellschaft (Preußag) mit Steinkoh- lich. Es kam regelmäßig zu Ver- le-, Erz- und Salzbergwerken, aber wechselungen, besonders bei Laien. auch Salinen, einem Kalkwerk, einem Nach dem Zweiten Weltkrieg Bernsteinbergwerk und weiteren Berg- wurde auch bei Firmenmitarbeitern bauaktivitäten. Hauptsitz war seit der die Schreibweise mit doppeltem „s“ Firmengründung im Dezember 1923 üblich, aber erst 1964 erfolgte die Berlin. Neben der Berliner Firmen- offizielle Änderung von Preußag zentrale wurden Zweigniederlassungen in Preussag AG. Dementsprechend in Hindenburg (Zabrze), Königsberg, wird die Schreibweise im folgenden Clausthal und Schönebeck gebildet. Text mit ß verwendet.

Die Länder Preußen und Braun- schweig schlossen 1924 einen Staats- Erzbergwerk Grund. 1923 hatte es vertrag, der ihre gemeinsam betriebe- 806 Beschäftigte im Grubenbetrieb nen Harzer Berg- und Hüttenwerke einschließlich 55 Grubenbeamte und betraf. Infolgedessen konnte je eine Angestellte sowie 631 Aufbereiter ein-

81 schließlich 25 Beamte und Angestell- Aus der Zeitschrift „Glückauf. Berg- te, zusammen also 1437 Mann Beleg- und Hüttenmännische Zeitschrift“, Nr. schaft. 11, 60 Jahrgang vom 15. März 1924, S. 210 unter „Persönliches“: 4.4.1. Problem der Beamten- übernahme in die Preußag In den Dienst der Preußischen Berg- werks- und Hütten-Aktiengesellschaft Für die neu gebildeten Betriebsver- in Berlin sind beurlaubt worden: waltungen wurden durch die Neure- gelungen viele Angestellte benötigt. In ...von den Oberharzer Berg- und Hüt- den Berginspektionen wurden dagegen tenwerken in Clausthal der Direktor, viele Beamte nicht mehr gebraucht, Geh. Bergrat Ehring, und die Berg- weil die Betriebsverwaltungsfunktio- räte Mühlbach und Bodifée, nen abgegeben wurden. Die Bergbeam- von der Berginspektion in Clausthal ten, zu denen auch Bergrat von Scotti der Direktor, Oberbergrat Burchardt, gehörte, konnten sich nun entscheiden, die Bergräte Barry, Cornelius und ob sie mit der Preußag ein regelrechtes Hast sowie Bergassessor Seume, Angestelltenverhältnis eingehen, oder von der Berginspektion Lautenthal der Bergbeamte bleiben wollen. Direktor, Oberbergrat Klossowski, und der Bergrat Edelmann, Dabei ergaben sich allerdings Kom- von der Berginspektion in Grund der plikationen. Es wurde Besitzstands- Direktor, Oberbergrat Wiederhold, wahrung festgelegt. Eine Übergangs- die Bergräte Rubach und Dr. Ing. regelung besagte, dass jeder Betrof- von Scotti sowie Bergassessor fene für bis zu fünf Jahren aus dem Vogel, Staatsdienst beurlaubt und in dieser von dem Hüttenamt in Clausthal, Zeit als Angestellter der Bergwerke Oberbergrat Fischer, sowie die arbeiten kann. Innerhalb dieser Frist Bergräte George und Sauerbrey, von konnte er jederzeit seine Rückkehr in dem Hüttenamt Lerbach der Direk- den Beamtenstatus erklären. Alle, die tor, Oberbergrat Brathuhn... danach bei der Preußag blieben (das waren in allen Preußagbetrieben durch- Es folgen Angaben zu anderen Berg- schnittlich etwa ¾ der Betroffenen), revieren verloren ihren Beamtenstatus, behiel- ten aber ihre Versorgungsansprüche. Der Übergang vom Beamtenstatus Das betraf auch Bergrat von Scotti. zum Angestelltenverhältnis lief aller- Er wurde am 15. März 1924 „in den dings nicht reibungs- und irritations- Dienst der Preußischen Bergwerks- und los, wie in Bergrat von Scottis weih- Hütten-Aktiengesellschaft beurlaubt“ nachtlichen Erinnerungen zu lesen ist: und 1928 in das Angestelltenverhältnis „Zu Weihnachten 1924 Kündigung des übernommen, wie er 1933 in einem Vertrages für alle Beamten der Preuß- Fragebogen zur Wiederherstellung des ag, um Gehaltskürzung zu erreichen. Berufsbeamtentums schrieb. Später zurückgenommen.“

82 Von den Harzer Bergbeamten blieb unter Ernennung zum Bergwerksdi- nur ein kleiner Teil in den Bergbehör- rektor die Leitung der Berginspektion den. Bergrat Cornelius wurde zum Bei- Grund der Preußischen Bergwerks- spiel später Leiter des Bergamts Goslar und Hütten-A.G., Zweigniederlassung Süd und dort Erster Bergrat. Oberharzer Berg- und Hüttenwerke, übertragen worden.“ Das galt zum 01. Im Februar 1925 schloss Bergrat Januar 1929 und endete erst 1940, als von Scotti einen Dienstvertrag mit der er zum Geschäftsführer berufen wurde. Preußag ab mit einer Laufzeit von zwei Sein Nachfolger in Bad Grund wurde Jahren. Sein Jahresgehalt betrug 9.000 dann Dr. Hans-Joachim Salau. Reichsmark zuzüglich einer Prämie von jährlich bis zu 2.000 Reichsmark, Im 1933er Fragebogen zur Wieder- eines Wohngeldzuschusses von jährlich herstellung des Berufsbeamtentums 1.000 Reichsmark und eines Heizkos- schrieb Bergrat von Scotti tenzuschusses im Werte von 190 Zent- nern Koks. Ihm stand ein vierwöchiger bei „Art der Stellung: Bergwerksdi- Jahresurlaub zu. rektor“, bei „Anstellung als: Direktor der 1927 starb in Bad Grund Bergrat Berginspektion­ Grund“ und Edelmann. Seine Stelle wurde nicht neu bei: „Wann in das Angestelltenverhält- besetzt. Stattdessen wurde Bergrat von nis eingetreten? 15./21. Dezember Scotti mit dessen Aufgabenbereich, das 1928“. heißt mit der Leitung der Oberharzer Preußagbetriebe, betraut, vorerst aller- In der 1929er Todesanzeige seines dings ohne offizielle Anordnung oder Vaters, Emil von Scotti steht als Titel Verfügung. Die folgte erste 1928. Am von Hans-Hermann von Scotti: „Berg- 24. November 1928 starb der Direktor rat und Bergwerksdirektor Bad Grund“. der Berginspektion Grund, Oberbergrat Die Beurlaubung aus dem Beamten- Wiederhold. In der Zeitschrift „Glück- dienst beziehungsweise Umsetzung zur auf, Berg- und Hüttenmännische Zeit- Preußag zog für Bergrat von Scotti nach schrift“, Nr. 51, 64. Jahrgang vom 15. sich, nicht mehr befördert zu werden. Dezember 1928 steht unter der Rubrik Er blieb also Bergrat. Seinem geleis- Persönliches: „Bergrat von Scotti ist teten Beamteneid entsprechend fühlte

Abbildung 4.4.1.: Schreiben des Minis- teriums für Handel und Gewerbe vom 12. Dezember 1928, das Ausscheiden Bergrat von Scottis aus dem Staatsdienst betreffend

83 er sich aber zeitlebens als Beamter und Praktikern, unter letzteren Bergrat von führte den Titel Bergrat fortan stolz mit Scotti. dem Zusatz „a. D.“ (außer Dienst) wei- ter. Das war allgemein üblich und wurde Im November 1922 schickte die von vielen von der Preußag übernom- Berginspektion Grund ein von ihm menen ehemaligen Beamten so gehand- verfasstes kleines Heft über mik- habt. roskopische Untersuchungen von Erzfeinschliffen Harzer Erze an die 4.4.2. Bergrat von Scottis Berginspektion Lautenthal und an berufliche Aufgaben zur Zeit die Staatlichen Oberharzer Werke in der Weimarer Republik Clausthal.

Die Aufgaben Bergrat von Scottis Daneben ging es für Bergrat von entsprachen nach seiner Versetzung in Scotti mehr und mehr um bergbau- die Berginspektion Grund endlich sei- und erzaufbereitungstechnische ner Ausbildung und seinen Neigun- Angelegenheiten. In seinem Weih- gen: Lagerstättensuche und -erkundung nachtsbuch schrieb er, dass ihn die sowie Bergwerks- und Erzaufberei- von ihm geplante Einführung der tungstechnik. Vorerst war er vor allem neuartigen Flotationstechnik sehr mit der Planung und Beaufsichtigung beschäftigte. (Dabei wird das Erz der Suche nach neuen Erzreserven sehr fein gemahlen, dann im Wasser- beschäftigt. bad aufgeschäumt und der Schaum, in dem sich der Wertstoff sammelt, Im April 1922 bedankte sich die abgeschöpft.) ERDA (Institut für angewandte Geo- physik Göttingen) in einem Brief an 1922 wurden in Bad Grund die ers- die „Staatlichen Oberharzer Berg- und ten beiden Flotationsaufbereitungssys- Hüttenwerke Clausthal“ ausdrücklich teme installiert, gebaut von der EKOF für die Hilfe bei der Vorbereitung eines (Erz- und Kohle-Flotations GmbH). geophysikalischen Projekts in (Bad) Die Anlagen bestanden jeweils aus Grund. Namentlich erwähnt wurde zwölf Zellen und waren zunächst als da­rin ein Gespräch in der Berginspek­ Hilfsanlage für metallreiche Abgänge tion mit Oberbergrat Wiederholt, Berg- der herkömmlichen Aufbereitungsan- rat Rubach und Bergrat von Skotti lage eingesetzt, die mit den bis dahin (fälschlich mit „k“). üblichen Techniken nicht genutzt wer- den konnten. Das war damals Neu- Im September 1922 berief die Gesell- land für Aufbereitungstechniker. Bad schaft Deutscher Metallhütten- und Grund wurde deutschlandweit Vor- Bergleute einen Ausschuss für Geo- reiter auf diesem Gebiet. Das Flota- physikalische Untersuchungsmetho- tionsverfahren erwies sich als sehr den, besetzt mit vier Vertretern wis- gut geeignet. Deshalb sollten fortan senschaftlichen Einrichtungen, Hoch- alle Feinschlämme flotiert werden. schulen und Universitäten und vier Die ersten Flotationsversuche mit

84 Abbildung 4.4.2.a.: Einer von Bergrat von Scottis Rissen der Grube Hilfe Gottes im Taschenbuchformat

Grunder Erz waren erst zwölf Jahre In diesem Zusammenhang wurde zuvor unternommen worden, damals auch für die Erzaufbereitungsanla- allerdings noch ohne befriedigende ge Bergwerkswohlfahrt am Meding- Ergebnisse, übrigens durchgeführt in schacht eine ähnliche Anlage geplant. der Versuchsanstalt am Rammelsberg 1924 erhielt sie zwei Flotationssys- in Goslar. Erst Anfang der 1920er Jah- teme. Die vorgeschaltete Rohrmühle re war der Durchbruch gelungen, vor war mit Flintsteinen als Mahlkörpern allem durch den Einsatz von Xantha- gefüllt und ermöglichte eine Zer- ten (Holzöl) und die Entwicklung der kleinerung des Erzes auf <0,1 mm. selektiven Flotation (verschiedene 1925 wurde eine ähnliche Anlage für Metallkonzentrate als Endprodukte). die Erzaufbereitungsanlage der Gru- Im Anschluss ging es um die völlige be Hilfe Gottes errichtet. Sie diente Umstellung der Bad Grunder Erzauf- der Aufbereitung alter, bis dahin in bereitungsanlagen. Schlammteichen lagernder metallrei-

85 Abbildung 4.4.2.b.: Bergrat von Scottis mik- roskopische Aufnahmen von Bad Grunder Erz cher Schlämme. Schließlich wurden Zum Beispiel wurden die beiden bis alle durch den laufenden Bergwerks- dahin getrennt arbeitenden Gruben betrieb geförderten feinverwachsenen Bergwerkswohlfahrt und Hilfe Gottes Erze aufgemahlen und flotiert. Wie vereinigt, was in vielen später ver- auch schon in der Aufbereitungsanla- fassten Nachrufen ausdrücklich als ge Bergwerkswohlfahrt wurden dar- sein Verdienst bezeichnet wird. Dafür aufhin auf der Grube Hilfe Gottes die erhielten unter Tage mehreren Soh- bis dahin benutzten Rundherde größ- len fördertechnische Verbindungen. tenteils stillgelegt. Ab 1925 gelangten Das Abbaugeschehen verlagerte sich 25-30% der geförderten Erze in die nach und nach weiter nach Westen. Flotation und nur die gröberen, wenig Dort wurden neue Erzlagerstättenteile verwachsenen in die herkömmliche, vermutet und unter Leitung Bergrat traditionelle Aufbereitung. von Scottis gesucht. Ab 1923 wur- de auch die Aus- und Vorrichtung Im Grubenbetrieb hatte sich in wieder verstärkt betrieben, die im Bad Grund unter Bergrat von Scot- Ersten Weltkrieg und in der Nach- ti ebenfalls Wesentliches geändert. kriegszeit nahezu eingestellt worden

86 Abbildung 4.4.2.c.: Flotationszellen in Bad Grund, Foto aus einem Bericht Bergrat von Scotti über die neue Bad Grunder Erzaufberei- tung, 1924 waren (Ausrichtungsbauwerke sind scher Erzvorkommen, wie beispiels- relativ langlebige Grubenhohlräume, weise vom 08. bis 16. April 1926 Vorrichtungsbauwerke dagegen kurz- in Österreich. Dafür unternahm er lebig und nur für den unmittelbaren Besichtigungen in Villach, Mitterberg Erzabbau gedacht). und im oberen Drautal und einen Besuch der Verwaltung der Bleiberger 1925 schrieb Bergrat von Scotti in Bergwerksunion. seinen weihnachtlichen Erinnerungen: „beruflich-dienstlich voll ausgefüllt, Bis 1929 konzentrierte Bergrat von Fülle von Gedanken und Projekte – da Scotti den Abbaubetrieb im Bereich gibt es keinen Büroschluss.“ 1925 bis Bergwerkswohlfahrt auf die guten 1930 ging es beispielsweise um den Erzanbrüche auf dem Hauptgangbe- Um- und Ausbau der Elektroenergie- reich, besonders auf der 15. Sohle. versorgung und dabei vor allem um Die Vorrichtung auf der 9., 13. und den Anschluss an das Überlandnetz 14. Sohle lief planmäßig nach Westen des Großkraftwerks Hannover. Das fortschreitend. Auf der Grube Hilfe Betriebsgeschehen wurde neu struk- Gottes konzentriert Bergrat von Scotti turiert. Das war verbunden mit einer die Abbaupunkte auf den Isaakstanner erheblichen Reduzierung der Beleg- Gang (im Dritten Reich umbenannt schaftszahl: bis 1926 Verminderung in Eichelberger Gang), denn dort gab auf 940 Mann. Das entsprach einem es auf der 4. bis 12. Sohle sehr gute Rückgang um 34,5%. 1928 war die Erzanbrüche. Belegschaftsstärke auf insgesamt nur noch 805 Mann zurückgegangen. 1930 schrieb Bergrat von Scotti in Auch in der Erzaufbereitung wurden seinen weihnachtlichen Erinnerungen: weiterhin große Anstrengungen zur „Beruflich ein schönes Jahr mit Plä- Rationalisierung unternommen. nen des jungen Bergwerksdirektors: Flotationsanlage, Fördermaschine.“ In Daneben begannen für Bergrat von den Jahren 1930 und 1931 erfolgte Scotti 1926 Begutachtungen ausländi- im sogenannten Werk III der Neu-

87 Abbildung 4.4.2.d.: Bergrat von Scotti 1929 bau einer Flotationsanlage durch das in Bad Grund. In dieser Zeit gelang Krupp-Gruson-Werk. Damit begann ihm der Ausbau dieses Werks zu einer die Herstellung reiner Bleierz- und neuzeitlichen Betriebsanlage. Durch Zinkerzkonzentrate, statt des bis dahin seine Initiative begann der Aufschluss üblichen Blei-Zinkerz-Mischkonzen- des Westfeldes der Grube Hilfe Gottes trats – erstmalig in Deutschland, wie mit Erzmitteln, wie sie kaum jemals Bergrat von Scotti in einer Reihe von im Oberharz bekannt geworden sind Veröffentlichungen stolz berichtete. und die Erschließung weiterer bedeu- Alle Setzmaschinen, Herde und Spitz- tender Blei-Zinkerzvorräte im Bereich kästen konnten anschließend außer der Grube Bergwerkswohlfahrt. Betrieb genommen werden. Außerdem arbeitete er erfolgreich im GDMB-Ausschuss für Erzaufbe- Er sprach noch Jahrzehnte später reitung mit (Gesellschaft Deutscher immer besonders gern von seiner Zeit Metallhütten- und Bergleute).

88 Abbildung 4.4.2.e.: Bergrat von Scotti begrüßt die zum Bergdankfest angetretene Belegschaft der Grube Hilfe Gottes, 1930

Nur mündlich überliefert ist eine beitern gesehen wurde. Demzufolge Begebenheit, die der damalige Bad hatte Bergwerksdirektor von Scotti sei- Grunder Grubenbetriebsführer Ober- nen Mitarbeiter Franz Ehring zu sich steiger Fleisch seinem Sohn, dem spä- bestellt. Ehring, ein überaus engagier- teren Goslarer Bergamtsleiter, erzählt ter junger Bergassessor, hatte peinlich hat. Sie illustriert sowohl die wohl- genau darauf geachtet, dass die Steiger wollende Haltung Bergrat von Scottis pünktlich ihre Büros zu den täglich seinen Steigern gegenüber als auch, vorgeschriebenen Befahrungen aller durch die Art der Überlieferung, wie untertägigen Betriebspunkte verlassen. Bergrat von Scotti von seinen Mitar- Bergrat von Scotti verbat sich das mit

Abbildung 4.4.2.f.: Bergrat von Scotti und Bergassessor Franz Ehring 1933

89 den Worten, Ehring „soll ihm nicht Ende 1929 begann die Weltwirt- seine Steiger proletisieren“. schaftskrise. Zwischen der Reichsre- gierung und den betreffenden Ländern Von Obersteiger Fleisch stammt auch wurden Subventionen für den Metal- eine Beschreibung Bergrat von Scot- lerzbergbau ausgehandelt, zunächst tis als zurückhaltender, auf Haltung zwischen Preußen und der Reichsre- bedachter Vorgesetzter. Bergrat von gierung zur Erhaltung des rheinischen Scotti habe den Eindruck gemacht, Bleierzbergbaus in der Eifel (Gewerk- sich stets mehrmals zu überlegen, wem schaft Mechernich), nicht aber für den er die Hand gibt und wem nicht. Das ist Harz. offensichtlich im Sinne von höflicher Zurückhaltung zu verstehen. Bergrat Aus Sicht Bergrat von Scottis bezie- von Scotti wollte lieber im Hintergrund hungsweise der Harzer Preußagbetrie- bleiben und sich nicht aufdrängen. be stellten sich die politischen Rah- menbedingungen, wie sie durch die 4.5. Weltwirtschaftskrise oft wechselnden sozialdemokratisch und liberal dominierten Reichs- und Die letzten Jahre der Zeit der Wei- Länderregierungen vorgegeben wur- marer Republik gestalteten sich für den, unvernünftig dar. Betriebsgewinne Bergrat von Scotti schwierig. In den aus Zeiten guter Metallweltmarktprei- 1920er Jahren hatte es zwar auch schon se mussten zu einem großen Teil für extreme Preisschwankungen auf dem die Finanzierung anderer, defizitärer Metallweltmarkt gegeben, bedingt Betriebe an die Preußaghauptverwal- durch Konjunkturrhythmus, Angebot tung abgeführt werden, statt im Harz und Nachfrage. Tendenziell fielen die ausreichende Rücklagen für Zeiten Blei- und Zinkweltmarktpreise durch schlechter werdender Metallpreise zu die weltweit in Aufbereitung und Ver- bilden. Es war erklärtes politisches Ziel hüttung eingeführten neuen Verfah- der Reichs- und Länderregierungen, zu renstechniken, wodurch sich nun die zeigen, dass ein Staatskonzern gegen- Metalle günstiger produzieren ließen. über vergleichbaren privatwirtschaft- 1925 bis 1929 ließen die Preise um lich geführten Unternehmen konkur- ein Drittel nach. Die Gewinnspanne renzfähig ist und sogar noch reichlich der Harzer Preußagbetriebe wurde in Gewinne abwirft, die der Staat dann für dieser Zeit geringer. Sie konnte anfangs andere Zwecke einsetzen kann. noch durch Rationalisierungen positiv gehalten werden. Allgemein wiesen die Die Preußag sollte sich als sozi- deutschen Montanbetriebe allerdings al vorbildlicher Konzern präsentieren, im internationalen Vergleich gravieren- was die Schließung unwirtschaftlicher de Nachteile auf. Dazu gehörten über- Unternehmensbereiche und die damit mäßig gewachsene Lohn- und Sozi- verbundenen Massenentlassungen alkosten sowie schlechter werdende ausschloss. Für die Preußag war das Lagerstättenverhältnisse. Der Oberharz schwierig, denn eigentlich ließen eini- arbeitete bereits ab 1927 defizitär. ge ihrer Betriebe, wie zum Beispiel

90 das Steinkohlenrevier Barsinghausen/ Die Bergwerksdirektion in Bad Obernkirchen, keinen wirtschaftli- Grund versuchte zwar, den Preissturz chen Betrieb zu. Sie hätten, von rein während der Weltwirtschaftskrise durch betriebswirtschaftlichem Standpunkt erheblich vergrößerte Fördermengen aus gesehen und ohne Querfinanzie- aufzufangen: 1928 waren es 80.000 t/a, rung von gewinnbringenden Betrieben, 1929 95.000 t/a und 1930 104.000 t/a. wie dem Rammelsberg, bereits zu die- 1932 ließ sich die Stilllegung der Auf- ser Zeit geschlossen werden müssen. bereitungsanlage der Bergwerkswohl- fahrt aber nicht mehr aufschieben. Die Bis 1929 ließ sich das aus Harzer Erze mussten nun von der Grubenab- Sicht noch verschmerzen. Aber dann teilung Bergwerkswohlfahrt unter Tage kamen auch die Harzer Preußagbetrie- zum Achenbachschacht gebracht und be in eine wirtschaftliche Schieflage, dort zur Aufbereitungsanlage der Gru- denn die Weltmarktpreise für Blei und be Hilfe Gottes gehoben werden. Am vor allem für Zink fielen im Zusam- 16. Juni 1932 wurde allen Bergleuten menhang mit der einsetzenden Welt- der Grubenabteilung Bergwerkswohl- wirtschaftskrise dramatisch. In den fahrt gekündigt, was allerdings zwei Jahren zuvor hatten die UHBW noch Wochen später aufgrund einer Ent- 10 Millionen RM an die Gesellschafter scheidung der Konzernzentrale wieder ausschütten und 8 Millionen RM in die zurückgenommen wurde. Modernisierung ihrer Werksanlagen investieren können. 1930 machten die Es gab trotzdem einige Entlassun- UHBW jedoch fast eine halbe Millio- gen, so dass die Belegschaftsstärke nen RM und 1931 sogar mehr als 3,5 auf insgesamt 664 Arbeiter, 13 Auf- Millionen RM Verlust. bereiterinnen und 48 Angestellte, also zusammen 721 Beschäftigte fiel. 1928 Die Stimmung im Oberharzer Berg- waren es noch 905 gewesen. Außerdem bau war ohnehin schlecht. 1930 hatten mussten die Löhne gesenkt werden, die Oberharzer Werke nur noch etwa die für unter Tage Arbeitende von durch- Hälfte der Beschäftigtenzahl von 1924. schnittlich 7,07 M/Schicht auf 5,88 M/ Im Frühjahr 1930 wurde der Beschluss Schicht und für übertage Arbeitende zur lange diskutierten Schließung des von durchschnittlich 5,82 M/Schicht defizitären, im Wesentlichen erschöpf- auf 5,07 M/Schicht. ten Clausthaler Bergbaus gefasst. 1930 folgte die Stilllegung der Gruben der Bis 1931 war noch versucht worden, Berginspektion Clausthal und 1931 der durch gewagte Bilanzierungen den Gruben der Berginspektion Lautenthal. Schein eines wirtschaftlich florieren- Bis 1932 brachen die Blei- und Zink- den Unternehmens zu wahren. Man weltmarktpreise um weitere 2/3 ein. hoffte, durch zukünftig wieder steigen- Ab 1932 konnten auch die Gruben der de Weltmarktpreise auch bald wieder Berginspektion Grund nur noch durch höhere Verkaufserlöse erzielen zu kön- Subventionen am Leben gehalten wer- nen. Diese Hoffnungen zerschlugen den. sich aber. Die Weltmarktpreise fielen

91 Abbildung 4.6.a.: Goslarsche Straße 7 in Zellerfeld sogar dramatisch weiter. Die UHBW betriebe bereit, nachdem sie von der konnte fällige Kreditrückzahlungen NSDAP unter Druck gesetzt wurde. in Höhe von 5 Millionen RM nicht Die mittlerweile NSDAP-dominierte begleichen. Statt sich nun auf die Hil- Braunschweiger Landesregierung hat- fe der Reichs- und Länderregierungen te einseitig Hilfe zugesagt. Zeitungs- verlassen zu können, musste Bergrat schlagzeilen wie „Klagges rettet den von Scotti 1932 erleben, wie die sozi- Rammelsberg – Preußens rote Regie- aldemokratisch dominierte Reichsre- rung am Pranger“ waren typisch für gierung, offensichtlich handlungsunfä- die Stimmung im damaligen rechts- hig, hin und her lavierte. Eine Rettung konservativen Lager (Klagges war ein wurde weder für das Erzbergwerk Bad von der NSDAP gestellter Minister in Grund noch für das Erzbergwerk Ram- Braunschweig). melsberg in Aussicht gestellt. Die Bad Grunder Bergwerksdirektion und die 4.6. Lebens- und Wohnver- Goslarer Geschäftsführung reichten hältnisse der jungen Familie deshalb bei der zuständigen Bergbe- von Scotti im Oberharz hörde Betriebsschließungspläne für die beiden Erzbergwerke ein und verkün- Nachdem feststand, dass Bergas- deten die Entlassung der Belegschaften. sessor von Scotti sein Anstellungs- verhältnis in der Hütteninspektion Die Reichsregierung war 1932 nur Clausthal zum 1. Januar 1919 begin- zu einer Rettung der Harzer Preußag- nen kann, richtete die junge Familie

92 ihre Wohn- und Lebensverhältnisse danach aus. Bergassessor von Scotti verbrachte die wenigen Tage von sei- ner Entlassung aus dem Militärdienst bis zu seinem Dienstbeginn zusammen mit seiner Familie in der Kasseler Wohnung.

Danach ging er, vorerst allein, nach Clausthal. Addi wollte noch mit den drei Kindern in ihrer Kasseler Woh- nung bleiben, bis er eine passende Wohnung in Clausthal gefunden haben würde. Er bezog in Clausthal vorerst ein Zimmer in der Bergstraße 218 (heu- te Burgstätter Straße 3).

Addi schrieb ihm am 21. Januar 1919 nach Zellerfeld „Ein herzinniges Glückauf in Erinnerung an die schönen letzten Wochen." Sie hoffte, dass er es mit seiner "vorläufigen Behausung Abbildung 4.6.b.: Ausschnitt aus einem gut getroffen" hat. Er müsste doch nun Brief von Addi vom 08. Februar 1919

Abbildung 4.6.c.: Stadtplan Grund mit Berginspektion 93 Abbildung 4.6.d.: 1965 Berginspektionsgebäude Bad Grund schon wissen, welche Wohnung sie stalt (Wäscherei). Zusammen mit sei- bekommen „und wie sie ist.“ ner Mutter plante sie bereits die Umge- staltung der Wohnung und schrieb mit Seine Wohnungssuche war bereits Humor, „die drei großen Prunkzimmer am 20. Januar 1919 erfolgreich. Er hat- sparen wir uns für die Direktorenstelle te das Haus in der Goslarschen Straße auf." 400 in Zellerfeld ausgesucht (heute Goslarsche Straße 7). Addi fragte in Der Auszug der Vormieter erfolgte ihrem Brief vom 23. Januar 1919, ob am 1. April. Im Stadtarchiv Clausthal das Zimmer neben der Küche heizbar liegt die Abmeldung Bergassessor von sei und dadurch als Kinderspielzimmer Scottis wegen Umzug nach Zellerfeld, zu nutzen wäre, ob vielleicht in die ausgestellt für den 10. April 1919 (übri- Mansarde Schränke passen und dieses gens fälschlich „Skotti“ geschrieben). Zimmer als Schlafzimmer nutzbar sei, Im Zellerfelder Melderegister wurde plante Esszimmer, „Kinderanziehzim- Addi von Scotti am 10. und 11. April mer“ usw., fragte nach Wasserleitungen 1919 als zugezogen erfasst und am 15. und wo überall elektrisches Licht sei, Mai 1919 die Kinder Hildegard, Hans aber auch nach weiteren Wohnungen und Erika. in Clausthal, nach Straßennamen und Hausnummern, Mietvertragsabschluss, Die Familie Ey aus Clausthal half der pachtbarem Gemüsegarten, vis-a-vis jungen Familie von Scotti mit Emp- liegenden Grundstücken und Waschan- fehlungen. Addi fragte Frau Ey wegen

94 Abbildung 4.6.e.: Addi von Scotti 1932 vor der Berginspektion Grund eines von ihr vorgeschlagenen Haus- Am 23. Oktober 1919 hat sich die mädchens, ob es besser für die Küche Familie von Scotti im Zellerfelder Mel- oder für die Kinder sei. Addi hätte deregister abgemeldet „wegen Wegzug sich die Bewerbungsunterlagen „des nach Bad Grund“. Dort wohnte sie bis neuen Mädchens angesehen“ und bat 1922 „in der Schichtmeisterwohnung ihren Mann, bei Frau Ey zu fragen, „ob in der Berginspektion Grund“, einer das Mädchen Jüdin ist.“ Sie „fände es Wohnung, in der „immer“ der Chef der komisch, dass es bei einem jüdischen Berginspektion Grund wohnte (Anfang Geistlichen war. Ihr Name klingt doch der 1970er Jahre abgerissen, heute auch eigentlich so. In solchem Falle ist Gesundheitszentrum). Diese Wohnung es ja wohl von vorn herein nichts.“ war für die Familie allerdings zu klein

95 Abbildung 4.6.f.: Hildegard, Hans und Erika von Scotti, 1925

Abbildung 4.6.g.: Familie von Scotti, 1929

96 (s. Abb. 4.6.b.). Die Berginspektion betreffen, kommt leicht der Eindruck Grund kaufte daraufhin die Kurhaus- auf, die Preußag wäre in dieser Zeit halle, ein Nebenhaus des Kurhauses, einer der größten oder sogar führen- um dort eine Wohnung einzurichten. den Bergbau- und Hüttenkonzerne Dort zog Familie von Scotti 1922 ein. Deutschlands gewesen. Tatsächlich Bergrat von Scotti schreibt dazu in sei- war sie aber nur einer der mittelgro- nen Erinnerungen: „verbessert, schöne ßen Montankonzerne. Herausragend sonnige Lage, großer Balkon, herrli- wurde ihre Buntmetallproduktion erst cher breiter Korridor, Zimmer aller- durch die Betriebsmodernisierungen dings etwas zu klein.“ und -erweiterungen, die Mitte der 1930er Jahre begannen. 1939 deckte Bisher nur mündlich überliefert ist, die Preußag dann allerdings auch 70% dass Addi in Bad Grund die „Mutter der des Zinkbedarfs und je etwa ein Viertel Berginspektion“ genannt wurde, denn des Blei- und Silberbedarfs Deutsch- sie unterstützte Frauen von notleidenden lands. Bergmannsfamilien des Ortes. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Familie Innerhalb der Preussag waren die von Scotti, ihr soziales Selbstverständ- Bunt- und Edelmetalle herstellenden nis und ihren Ruf in Bad Grund. Betriebe weder überwiegend noch tonangebend. Mindestens ebenso Die Familie von Scotti scheint bald wichtig waren für die Preußag ihre einen großen Freundes- und Bekannten- Braun- und Steinkohlen-, Erdöl-, kreis gehabt zu haben. Mit der Familie Kalkstein-, Kali- und Steinsalzbetrie- Rubach feierte sie zum Beispiel die Sil- be, die weit über das gesamte preußi- vesternacht 1922/23. Oft schrieb Berg- sche Gebiet, von Elsass-Lothringen rat von Scotti in seinen Erinnerungen und Westfalen bis Oberschlesien und auch von „unseren Freunden Barrys aus Ostpreußen (Bernsteingewinnung), Clausthal“, von einer Familie Engel- verstreut lagen. Und es gab in der mann, bei der zum Beispiel ein „großer Preußag durchaus auch andere Bunt- Kinder- und Elternkaffee“ stattfand und und Edelmetalle herstellende Betriebe der Familie Wiederhold, die Silvester ähnlicher Große, die außerhalb des 1925/26 bei Familie von Scotti war. Die Harzes lagen. Ihre Geschichte verlief Familie von Scotti unternahm nun auch sogar oft ähnlich. wieder einige „Erholungsreisen“, zum Beispiel im Mai/Juni 1929 nach Mon- Der Harzer Bunt- und Edelmetallerz- treux und Wengen und im Juli 1930 bergbau befand sich in den 1920er bis nach Ragaz und Engelberg (alle Orte in 1940er Jahren zum weitaus überwie- der Schweiz). genden Teil in der Hand der Preußag. Es kann deshalb verallgemeinernd von 5. Drittes Reich den Harzer Preußagbetrieben gespro- chen werden, wenn der Bunt- und Beim Lesen von Bergbaugeschichts- Edelmetallbergbau des Harzes im Drit- darstellungen, die nur die Region Harz ten Reich gemeint ist.

97 Die Besonderheit der Preussag, aus setzt. Bereits drei Monate nach der staatseigenen Betrieben zusammenge- Machtübernahme wurde der Preuß- setzt zu sein, versetzte sie in mancher- ag-Aufsichtsrat abberufen und ersetzt lei Hinsicht in eine besondere Lage. durch politisch konforme Männer. Der Sie geriet in das Blickfeld politischer neue Aufsichtsratsvorsitzende, Erich Kräfte, wurde zum Teil Vorzeigeob- Winnacker, war bereits im Mai 1933 jekt der NS-Propaganda, sollte sozi- Oberberghauptmann und damit höchs- alpolitisch vorbildlich agieren, hatte ter Bergbeamter Preußens geworden. starke personelle Verflechtungen mit der Staats- und NSDAP-Führung und Im Januar 1934 wurde auch der wurde zum Teil für staatswirtschaft- alte Preußag-Vorstand abberufen. Neu- liche und regionalpolitische Zwecke er Vorstandsvorsitzender und damit instrumentalisiert. 1936 übernahm sie Konzernchef der Preußag (General- zum Beispiel für 145 Mio. RM den direktor) wurde Bergassessor a. D. Bleierzbergbau in Mechernich, ein bis Heinrich Wisselmann, der übrigens dahin privatwirtschaftlich betriebenes, schon Ende 1933 dafür ausgewählt defizitär arbeitendes Bleierzbergbauun- worden war. Ihm zur Seite standen ternehmen. zwei neu eingesetzte Stellvertreter, ein kaufmännischer Direktor sowie die Die Betriebe des Rammelsber- weitgehend neu eingesetzten Direk- ger Bergbau- und Hüttenkomplexes toren der Zweigniederlassungen und durchliefen eine für Preußagbetriebe Tochterfirmen. des Dritten Reichs typische Entwick- lung. Sie erhielten staatlicherseits eine Die Einzelgewerkschaften wurden, erhebliche finanzielle Unterstützung. wie reichsweit üblich, aufgelöst und Bei Bergrat von Scotti liest sich das in die Deutsche Arbeitsfront integriert, so: „September 1934 Beginn Prämien- die Betriebsräte, besonders Sozialde- verfahren statt bisheriger Subventio- mokraten und Kommunisten, entlassen. nen, Einführung deutscher Richtpreise, damit langfristigere Planungen mög- 5.2. Planwirtschaft, Fach- lich.“ Von 1933 bis 1944 flossen in die gruppe Metallerzbergbau und Harzer Preußagbetriebe insgesamt 144 Kriegsvorbereitung Mio. RM als staatliche Zuschüsse und Investitionshilfen. Die NSDAP hatte das erklärte Ziel, die deutsche Wirtschaft auf einen 5.1. Personelle Änderungen in Krieg vorzubereiten. Eine reichswei- der Preußagführung zu Beginn te nationalsozialistisch ausgerichtete des Dritten Reichs Planwirtschaft sollte alle dafür not- wendigen Ressourcen koordinieren. Als Konzern in Staatsbesitz war die Insbesondere sollten Importe von Roh- Preußag nach 1933 mehr als andere, stoffen weitgehend vermieden werden, vergleichbare Betriebe den Persona- um nicht dadurch von Kriegsgegnern lentscheidungen der NSDAP ausge- abhängig zu sein.

98 Bis 1935 hatten sich alle Montan­ wurde konsequent für eigene Zwecke unternehmen speziellen staatlich genutzt. Im Oktober 1936 übernahm gelenkten Wirtschafts- und Fachgrup- Generaldirektor Wisselmann die Lei- pen anzuschließen, die wie Kartelle tung der Wirtschaftsgruppe Bergbau. wirkten. Damit erhielt das Reichswirt- Bergrat von Scotti wurde neben sei- schaftsministerium das notwendige ner Tätigkeit in der Gesamtverwaltung Wissens- und Erfahrungspotential. Die beziehungsweise Geschäftsführung der Wirtschafts- und Fachgruppen übernah- Harzer Berg- und Hüttenwerke, in die men aber auch zentrale Aufgaben der Wirtschaftsgruppe Metallerzbergbau Rohstoff- und Arbeitskräfteverteilung berufen und ab 1938 in Aufsichtsrä- und besaßen sogar Weisungsbefugnis- te, Vorstände und Geschäftsführungen se gegenüber Mitgliedsverbänden und von großen Berg- und Hüttenkonzer- -firmen. 1933 wurde die Wirtschafts- nen annektierter Länder. gruppe Bergbau eingerichtet. Ihre Vor- gängerorganisation war die im Jahr 5.3. Harzer Berg- und Hütten- 1919 gegründete Fachgruppe Bergbau. werke im Dritten Reich

Preußagmanager übernahmen Son- Durch die personalpolitischen deraufgaben in verschiedenen Instituti- Umbrüche eröffneten sich für viele onen der Kriegswirtschaft. Sie lieferten leitende Mitarbeiter der Preußag, wie ihr Expertenwissen, bekamen und ver- auch für die Bergräte von Scotti und teilten dafür aber auch Sonderkondi- Hast, gute Aufstiegsmöglichkeiten. In tionen und -informationen. Das war ihrem Falle handelte es sich aller- von Seiten der Preußag gewollt und dings mehr um einen ohnehin fälli-

Abbildung 5.3.: Bergräte von Scotti und Hast beim Führerempfang 1934 auf dem Marktplatz Goslar (beide mit preußischen Adler am Hut)

99 wurde nun von Berlin wieder zurück in den Harz beordert, um diese beiden Stellen zu übernehmen. Mit Wirkung des 01. März 1933 wurde er Erster Geschäftsführer der UHBW. Sein Auf- trag war, den Unterharzer Bergwerks- und Hüttenkomplex grundlegend zu modernisieren und vor allem endlich für die immensen Mengen Zinkerz, die im Rammelsberg anstanden, eine Zinkhütte zu bauen.

5.4. Funktionen und Aufgaben Bergrat von Scottis im Harz

Bergrat Hasts Stellvertreter und damit Leiter der Abteilung Bergbau, Direktion Preußag/Goslar der UHBW, wurde Bergrat von Scotti. Seit 01. November 1933 leiteten beide in Per- sonalunion die Harzer Berg- und Hüt- tenwerke GmbH. Abbildung 5.4.a.: Bergrat von Scotti 1934 Die GmbH blieb auch weiterhin for- gen Generationenwechsel, als um eine mal von der Preußag relativ unabhän- politisch bedingte Karriere, denn zuvor gig, weil sie nur zu 4/7 dem Preußi- waren mit den Bergwerks- und Hüt- schen Staat gehörte. Die Geschäfts- tenbetriebsanlagen auch die Leiter der führung genoss nach wie vor eine Zweigniederlassung Oberharz und der verhältnismäßig große Selbständigkeit Geschäftsführer der Unterharzer Werke gegenüber der Berliner Preußaghaupt- in die Jahre gekommen. Im Unter- verwaltung. In Goslar Geschäftsführer harz wurde 1932 die Stelle des Ersten zu werden, war deshalb eine viel grö- Geschäftsführers der UHBW frei. 1933 ßere Herausforderung, als Leiter der war der Direktor der Preußischen Berg- Preußag-Zweigniederlassung im Ober- werks- und Hütten-AG, Zweignieder- harz zu sein. lassung Oberharz, Geheimer Bergrat Ehring, gestorben. Der Erste Geschäftsführer der UHBW, Bergrat Hast, war, beson- Bergrat Hast, der 1932 als persönli- ders nachdem er 1933/34 die Rettung, cher Berater des Preußag-Vorstandsvor- Modernisierung und Vergrößerung des sitzenden, Geheimer Bergrat Röhrig, Rammelsberger Bergwerks- und Hüt- vom Harz nach Berlin in die Preußag- tenkomplexes maßgeblich mit ange- Hauptverwaltung versetzt worden war, schoben hatte, sehr stark mit überge-

100 Abbildung 5.4.b.: Unter- schriften Bergräte Hast und von Scotti 1934 ordneten Aufgaben beschäftigt. Dazu deutsche Wirtschaft und in die Rüs- gehörten zum Beispiel die Mitarbeit tungsindustrie integriert werden sollte. und zum Teil auch die Führung reichs- Dort hatte er in mehreren Aufsichtsrä- weit verantwortlicher Gremien der ten und Vorständen Sitz und Stimme. Reichswirtschaftslenkung. Er wurde zum Beispiel Vorsitzender der Wirt- Bergrat von Scotti war dagegen vor schaftsgruppe Metallerzbergbau, vom allem für die interne Betriebsführung Verband der Metallerzbergwerke, von und -entwicklung der Harzer Berg- der Gesellschaft Deutscher Metallhüt- werke und Hüttenbetriebe zustän- ten- und Bergleute und von der Gesell- dig. Das waren für ihn große und schaft Metall und Erz. Darüber hinaus spannende Herausforderungen. 1934 war er Mitglied in vielen anderen Gre- schrieb er in seinen Aufzeichnungen: mien, Ausschüssen und Gesellschaften. „Anlässlich der Zusammenfassung der Besonders intensiv beschäftigte er sich Verwaltungen der Unterharzer Berg- mit dem Auslandsbergbau, der in den und Hüttenwerke und der Preussag deutschen Herrschaftsbereich gelangt Zweigniederlassung Oberharzer Berg- war, und nun in die Preußag, in die und Hüttenwerke werde ich in die

101 schafter Land Braunschweig und den vom Harzer Bergbau und Hüttenwe- sen berührten Städten und Kommunen. Daneben verhandelte er mit verschie- denen Reichs- und Landesministeri- en, den zuständigen Bergbehörden und den reichsweit agierenden Lenkungs- gremien, letzteres zum Beispiel, wenn es um Betriebsgenehmigungen und -erweiterungen, Finanzierungen und Arbeitskräftezuteilungen, besonders auch Zuweisungen von Zwangsarbei- tern und Kriegsgefangenen, ging. 1943 wurde er auch formal der Geschäfts- führer der Harzer Berg- und Hütten- werke GmbH.

Manche nationalsozialistischen Bestrebungen im Harz, die jeglicher fachlicher Grundlage entbehrten und nur populistischer Art waren, lehnte Bergrat von Scotti allerdings ab. So schrieb er 1937: „Wiederaufnahme des Bergbaus in Clausthal und Andreas- berg wird von verschiedenen Seiten betrieben. Geographischer Wettbe- Abbildung 5.4.c.: Bergrat von Scotti werb. Krank geärgert. … Sanatorium Anfang der 1930er Jahre in historischer Horneck bei Gundelsheim.“ Bergmannstracht 5.4.1. Erzbergwerk Geschäftsleitung, Sitz Goslar, berufen Rammelsberg und zum Stellvertretenden Geschäfts- führer ernannt. Mein Arbeitsgebiet: Die Rahmenbedingungen für die Leiter der Abteilung Bergbau. Anfang Arbeit und das Leben Bergrat von November Übersiedlung nach Goslar. Scottis und für das Betriebsgesche- … ein erfreulicher Schritt weiter.“ hen des Erzbergwerks Rammelsberg änderten sich in der Zeit des Dritten Aufgrund der vielen auswärtigen Ver- Reichs dramatisch. Ging es 1933/34 pflichtungen Bergrat Hasts hatte Berg- noch darum, den Betrieb aus der vor- rat von Scotti die Harzer Preußagwerke angegangenen Krise herauszuführen immer häufiger alleine zu vertreten, und wieder geregelt in Gang zu brin- zum Beispiel gegenüber der Preußag- gen beziehungsweise die wirtschaftli- hauptverwaltung in Berlin, dem Gesell- chen Grundlagen zu festigen, so waren

102 Abbildung 5.4.1.a.: Modell der Zinkhütte Harlingerode 1935 die Jahre von 1935 bis 1939 durch das technisch und organisatorisch veral- überaus schwungvolle Rammelsberg- tetes Bergwerk, das grundlegend zu projekt gekennzeichnet und die Jahre modernisieren war. Seit dem Ersten von 1939 bis 1945 durch den Zweiten Weltkrieg waren zwar die Roherzför- Weltkrieg. derung erheblich gesteigert worden (1925 waren es noch 77.000 t Erz pro Zunächst einmal übernahm Bergrat Jahr mit 429 Mann Belegschaft, 1930 von Scotti 1933 mit dem Erzbergwerk dagegen schon 120.000 t Erz pro Jahr Rammelsberg ein in vielerlei Hinsicht mit 492 Mann) und es gab einige tech-

Abbildung 5.4.1.b.: Bergrat von Scotti im Gespräch mit Oberstleutnant Rommel beim Bergfest auf dem Marktplatz Goslar 1934, im Hintergrund Bergrat Huber

103 Abbildung 5.4.1.c.: Bergrat von Scotti 1935 bei seiner Festrede zur Fahnenweihe auf dem Marktplatz Goslar nisch-organisatorische Verbesserungen, melsberger Erz für den Hüttenbetrieb zum Beispiel soweit vorkonzentrieren kann, wie es für damalige Verhältnis als modern und • Umrüstung des Bergeschachts wirtschaftlich gelten konnte. Außer- zum Förder- und Fahrschacht mit dem brauchte das Bergwerk einen Anschlüssen bis zur 7. Sohle, neuen leistungsfähigeren Hauptförder- • Anbindung des Rammelsbergs an schacht, der möglichst direkt zur neu das überregionale Elektroenergiever- zu errichtenden Erzaufbereitungsanla- sorgungsnetz, ge führt. Der räumliche Schwerpunkt • Modernisierung der Richtschachtför- des Untertagebetriebs hatte sich außer- dermaschine, dem vom bis dahin als Hauptförder- • völlige Umstellung der Hauptwas- schacht genutzten Richtschacht zu weit serhaltung und weg bewegt. • grundlegende Verbesserungen der gleisgebundenen Förderung und Bis zum Ende der 1920er Jahre Fahrung unter Tage. hatten diese Projekte noch nicht im Vordergrund des Interesses gestanden. Aber einige der Hauptprobleme Die Technologien für die Zinkerzver- waren noch nicht bewältigt. Vor allem hüttung und Flotationserzaufbereitung fehlte ein Hüttenbetrieb, der metalli- waren noch nicht ausgereift und Ende sches Zink herstellen kann und eine der 1920er Jahre begann die Weltwirt- Aufbereitungsanlage, die das Ram- schaftskrise. Dadurch konnte erst ein-

104 Abbildung 5.4.1.d.: Berg- rat von Scotti bei der Fahnenweihe auf dem Marktplatz Goslar 1935 mal nicht in diesem Umfang investiert der Grube konnten keine Aus- und Vor- werden. richtungsarbeiten mehr durchgeführt werden. Nur die Kupferweltmarktprei- Die Krise wurde sogar so gravierend, se waren noch verhältnismäßig mode- dass die Belegschaft des Rammels- rat. Deswegen wurden im Rammels- bergs 1931 von 492 auf 254 Mann, berg bevorzugt Kupfererze abgebaut die Schichtlöhne der Hauer von durch- und andere Erze stehen gelassen. Als schnittlich 8,73 auf 6,66 RM und der Bleipreis 1931 nochmals um 30% die monatliche Roherzförderung von gefallen war, wurde 1932 die Betriebs- 8374 t auf 3188 t zurückgenommen schließung beim Bergamt angemeldet werden mussten. Zusätzlich wurde im (Abschlussbetriebsplan eingereicht) August 1931 Kurzarbeit angeordnet. In und der Belegschaft die Entlassung

105 Abbildung 5.4.1.e.: Bergräte von Scotti und Hast, Bergassessor Seume und Obersteiger Lenk (v. l. n. r., 1. Reihe), Festumzug zum Ersten Mai 1937 in Goslar ausgesprochen. Der ganzen Region nisierung und Erweiterung des Ram- drohte eine soziale Tragödie. melsbergs als „bedeutendste Erzlager- stätte in Deutschland“. Wichtigste Pro- Die NSDAP nutzte diese Situation jekte waren der Neubau einer großen propagandistisch gegen die SPD-domi- Zinkhütte in Harlingerode, die 1937 nierten Regierungen Preußens und des schon 23% des deutschen Zinkbedarfs Reichs und machte die Erhaltung des abdecken sollte, sowie einer vorge- Unterharzer Bergwerks- und Hütten- schalteten Aufbereitungsanlage für das komplexes zu einem ihrer Prestigepro- Rammelsberger Erz. jekte. Das kam natürlich bei der Bevöl- kerung der Region gut an und sicherte Bergrat Hast verhandelte im engsten Wählerstimmen. Nachdem die NSDAP Kreise mit hochrangigen NS-Politikern, die Braunschweiger und die Preußische wie dem Reichswirtschaftsminister und Landesregierung und schließlich 1933 dem Braunschweiger Regierungsprä- auch die Reichsregierung übernommen sidenten. 1933/34 war der Rammels- hatte, blieb sie konsequent bei ihrer berg Thema von Beratungsrunden in Linie, den Betrieb des Erzbergwerks der Reichskanzlei. Bergrat Hast ver- Rammelsberg unbedingt aufrechterhal- trat dabei die Preußag. Die NSDAP- ten zu wollen. geführten Landesregierungen und die Reichsregierung gewährten großzü- 1934 präsentierten die Harzer Berg- gig Förder- und Verhüttungsprämien. und Hüttenwerke unter Leitung von Metallpreisstabilisierung und Subven- Bergrat Hast dem Braunschweiger tionen ermöglichten die Weiterführung Gauleiter detaillierte Pläne zur Moder- und Stabilisierung des Betriebs.

106 Abbildung 5.4.1.f.: Teufbeginn Rammelsbergschacht 1936

Die Grubendirektion versuchte 1933 erreicht. Mit 369 Bergleuten und 23 und 1934 erst einmal, die arbeitslosen Angestellten wurden 123.000 t Erz Bergleute wieder einzustellen. Dafür pro Jahr gefördert. Die Konzentration wurde die 6-Tagewoche durch eine der untertägigen Betriebspunkte ent- 5-Tagewoche ersetzt. Die Löhne konn- sprach nun wieder einer wirtschaft- ten wieder angehoben werden, wenn lichen Betriebs- und Abbauführung. auch vorerst nur von durchschnittlich Viel von den zuvor liegen gebliebenen 5,85 RM auf 6,26 RM pro Schicht. Vorrichtungsarbeiten wurden wieder „Politisch unzuverlässige“ (sozial- aufgenommen, besonders die Auffah- demokratische und kommunistische) rung von weiteren Rolllöchern und Betriebsratsmitglieder wurden abberu- damit die Vereinfachung der Förde- fen und ersetzt durch politisch konfor- rung. Neu waren Hauerleistungsprä- me Leute. Die Belegschaft hieß nun mien, die sich gut bewährten. Nur die Gefolgschaft. Es fanden regelmäßig Such- und Erkundungsarbeiten ruhten Appelle statt und es wurde Wert gelegt immer noch, was Bergrat von Scotti, auf möglichst vollständiges Erscheinen dem ausgewiesenen Lagerstättenkund- der Belegschaft bei feierlichen Umzü- ler, nicht behagen konnte. gen, möglichst in Bergmannstracht beziehungsweise Bergmannsuniform. Sonst schien aber alles in bester Ordnung zu sein und der Bergbau auf 1935 hatte der Bergwerksbetrieb dem Wege zu einer neuen Blütezeit. etwa wieder den Stand von 1930 Nur wer die Relationen von Förderprä-

107 Abbildung 5.4.1.g.: Feierliche Einweihung Rammelsbergschacht 1937 (3. v. l. Bergrat von Scotti) mien, Investitionshilfen und so weiter ten Bergbau-, Erzaufbereitungs- und den betriebswirtschaftlichen Erträgen Verhüttungstechnologien befürwortet, gegenüberstellte, konnte bemerken, zusammengefasst unter dem Namen dass es sich um eine wirtschaftliche Rammelsbergprojekt. In Harlingerode Scheinblüte handelte. Aussagen der sollte für über 23 Millionen RM (Plan) führenden Preußagmitarbeiter zeigten die damals größte Zinkhütte Europas das eigentlich sehr deutlich und auch entstehen. Die Okeraner Bleihütte, die die „wehrwirtschaftlichen“ Ziele, die Erzaufbereitung und der Grubenbe- mit dem Rammelsbergprojekt verfolgt trieb konnten nun grundlegend moder- wurden. Es lief auf die Vorbereitung nisiert werden. Man kann sich vorstel- eines neuerlichen Kriegs hinaus, für len, was in Bergrat Hast und Bergrat den in großen Mengen Metalle aus hei- von Scotti nach diesem für sie so über- mischer Produktion benötigt wurde. In wältigenden Erfolg vorgegangen sein der Nachkriegszeit sollten sich dann die muss, auch angesichts der negativen Investitionen amortisieren. Erfahrungen, die sie in Hinblick auf Investitionen in den letzten Jahren der Nach den intensiven Verhandlungen Weimarer Republik gemacht hatten. und Gesprächen von 1934 wurden letzt- lich alle von der Geschäftsführung der Die Goslarsche Zeitung druckte UHBW gewünschten Investitionen für 1935 einen Teil einer Denkschrift ab, die Einführung der damals moderns- die Bergrat von Scotti über das Ram-

108 melsbergprojekt verfasst hatte. Darin Okerhütte verhütteten kupferhaltigen schrieb er: Melierterze, genügt eine Ergänzung der Anlagen ohne wesentliche Verän- Der Rammelsberg ist die bedeu- derung des Verfahrens. Für die übrigen tendste Erzlagerstätte in Deutschland. drei Viertel, nämlich für die bisher Aufgeschlossen in Form von Erz ist auf unseren beiden anderen Hütten dort ein Metallvorrat von nahezu verhütteten Bleizinkerze, müssen 2.000.000 t an Zink, Blei und Kupfer, eine Aufbereitung und eine Hütte von von 1.000.000 kg Silber und 7.500 kg Grund auf neu gebaut werden. Für die Gold nachgewiesen. Alles spricht dafür, Metallerzeugung ergibt sich hierbei dass außerdem noch einmal die gleiche neben der Steigerung vor allem auch Erzmenge unaufgeschlossen der späte- eine wesentliche Verbilligung... Dabei ren Erschließung harrt. Trotzdem wur- wird der Devisenwert einer einzigen de der Rammelsberg bisher nicht genü- Jahreserzeugung an Metallen aus dem gend zur deutschen Metallversorgung Rammelsberg nach heutigen niedri- herangezogen, obwohl mehr als die gen Weltmarktpreisen berechnet, von Hälfte des deutschen Metallverbrauchs bisher 5.500.000 RM auf 14.000.000 aus dem Ausland bezogen werden müs- RM steigen. Hierzu ist eine einmalige sen. Er konnte unserer Volkswirtschaft Aufwendung von 19.000.000 RM für bisher jährlich nur 23.000 t an Zink, Neuanlagen erforderlich. Neben diesen Blei und Kupfer, 16.000 kg Silber und bedeutenden nationalwirtschaftlichen 130 kg Gold liefern. Der Grund dafür und privatwirtschaftlichen Gründen liegt darin, dass eine Steigerung der sprechen dringende wehrpolitische und Erzeugung durch bloße Erweiterung soziale Gründe für die Durchführung der Anlagen unter Beibehaltung des des Projekts. alten und veralteten Gewinnungsver- fahrens … ein wirtschaftlicher Unsinn Unter wehrpolitischen Gründen war wäre. … Erst neuerdings ist es gelun- einerseits die zentrale Lage Goslars gen, für die Verarbeitung der mengen- in Deutschland zu verstehen und die mäßig bei weitem überwiegenden Blei- damit verbundene schlechte Erreich- zinkerze ein befriedigendes Verfahren barkeit für gegnerische Bomber mit zu finden. Erst dieses neue Verfahren ihren damals noch recht geringen bietet technisch die Möglichkeit zur Reichweiten. Andererseits ging es um Steigerung der Erzeugung. Wir haben die Unabhängigkeit der Rüstungs- uns deshalb entschlossen, dieses jetzt industrie von Lieferungen aus dem unverzüglich durchzuführen. feindlichen Ausland.

Unser Rammelsbergprojekt sieht Das Arbeitspensum Bergrat von eine Steigerung unserer Metalljahres- Scottis war enorm. Aus heutiger Sicht erzeugung auf 66.000 t Zink, Blei und erscheint es erstaunlich, in welch Kupfer, 35.000 kg Silber und 200 kg unvorstellbar kurzer Zeit die Großpro- Gold vor. Für ein Viertel der Erzför- jekte zur Umstrukturierung und Erwei- derung, nämlich für die auf unserer terung der Harzer Bergwerke und Hüt-

109 Abbildung 5.4.1.h.: Bau Aufbereitungsgebäude Erzbergwerk Rammelsberg 1936 tenbetriebe, besonders aber das Ram- melsbergschacht. Der erste Spatenstich melsbergprojekt, geplant, genehmigt, für das Schachtabteufen erfolgte im durchfinanziert und realisiert wurden April 1936 und bereits Ende Dezember und die betreffenden Anlagen termin- 1937 begann die Förderung aus diesem gerecht erfolgreich in Betrieb gingen. Schacht. Ein neues Erzabbauverfahren, der sogenannte Fließbau, und viele Dabei liefen die großtechnischen andere grundlegende Modernisierun- Flotationsversuche mit Goslarer Erz gen wurden eingeführt. Damit wurde erst seit 1934 und erst 1935 hatte die es möglich, die Roherzförderleistung Preußag die US-amerikanische Lizenz mehr als zu verdoppeln. für das neuartige Zink-Verhüttungsver- fahren (New-Jersey-Verfahren) erwor- Betrachtet man die Arbeit, die Berg- ben. Schon im selben Jahr wurden das rat von Scotti in diesen Jahren geleistet Investitionsprogramm genehmigt, die hat, dann sollte man sich vergegenwär- Baumaßnahmen begonnen und bereits tigen, dass neben dem überaus ambi- 1936 ging der erste Abschnitt der Flo- tionierten Rammelsbergprojekt der tationsanlage in Betrieb. Der Ram- laufende Betrieb der Unter- und Ober- melsberg erhielt einen neuen, 432 m harzer Bergwerke und Hüttenbetriebe tiefen Hauptförderschacht, den Ram- aufrechterhalten werden musste. Die

110 Abbildung 5.4.1.i.: Tagesanlagen Erzbergwerk Rammelsberg 1939. Vom Fördergerüst stufenweise abwärts: Die neuen Flotationsaufbereitungsgebäude. Davor die alte Sieb- und Klaubeanlage, mit sichtbaren Fachwerkfassaden, etwas schräg zu den anderen Gebäuden angeordnet.

Belegschaft des Rammelsbergs wurde, mungsprobleme. Die sehr stilorientier- ohne die projektgebunden eingesetz- ten Architekten Schupp und Kremmer ten Arbeitskräfte gerechnet, in dieser waren an Details der Verfahrenstech- Zeit erheblich vergrößert: 1935 392 nik und des Maschinenbaus weniger Bergleute und Angestellte, 1936 567 interessiert und gerieten in Konflik- und 1938 943. Gleichzeitig stieg die te mit den eher bodenständigen und Erzförderung aus dem Rammelsberg anwendungsorientierten Bauleitern. von 121.000 t/a im Jahre 1930 (dem So bestanden die Architekten bei- bis dahin höchsten Stand) auf 270.000 spielsweise auf der strengen Einhal- t/a im Jahre 1938. Verkomplizierend tung einer verfahrenstechnisch nicht wirkte, dass die Abbrucharbeiten der begründbaren Axialsymmetrie der alten übertägigen Gebäude und Anla- Anlagen einschließlich der gegenläufi- gen gleichzeitig und auf engstem Raum gen Drehrichtung der darin integrierten mit dem Neubau der großen Erzauf- Maschinen. Das erforderte eine dop- bereitungsanlage und der anderen fast pelte Ersatzteilhaltung. Von den Archi- völlig erneuerten Tagesanlagen liefen. tekten waren für die riesigen Dach- flächen keine Entwässerungsanlagen Behördliche Genehmigungen, vorgesehen worden, was aufwendige betriebstechnische Umorganisatio- Nachbesserungsarbeiten erforderte nen, Personalentscheidungen großen und so weiter. Bergrat von Scottis Umfangs – all das musste gleichzei- Rammelsberger Aufgabengebiet wurde tig geschehen. Dazu kamen Abstim- durch die Differenzen zwischen den

111 Abbildung 5.4.1.j.: Abbrucharbeiten unterhalb der neuen Aufbereitungsanlage Erz- bergwerk Rammelsberg 1940

Architekten und der Bauleitung sehr Bei aller Achtung vor der immensen anspruchsvoll und persönlich aufrei- Arbeitsleistung darf allerdings nicht bend. Trotzdem wurde ihm eine ruhige vergessen werden, wie rigoros dabei und besonnene Arbeitsweise attestiert. vorgegangen wurde. Selbst gravieren- de Planungslücken, wie eine fehlende Ihm zur Seite stand allerdings ein Entsorgungsmöglichkeit für die Auf- gutes Team. Speziell für die Baulei- bereitungsrückstände (Schlammteich, tung des Rammelsbergprojekts war Dr. geplanter Standort Gelmketal) mussten Salau zuständig, der übrigens, nachdem in Kauf genommen werden. Bergrat das Rammelsbergprojekt weitgehend von Scotti schrieb dazu 1935 in sein abgeschlossen war, die Leitung des Tagebuch „Viel Arbeit durch das sog. Erzbergwerks Grund übernahm. Sein Rammelsbergprojekt (neuer Schacht, Nachfolger am Rammelsberg wurde neue Aufbereitungsanlage, neue Zink- Bergassessor Wolfgang Huber, den hütte)“, 1936 „Schwierigkeiten mit Bergrat von Scotti als überaus fleißigen Stadtverwaltung und Militärverwaltung und tüchtigen Bergmann beschrieben wegen Gelände für Flotationsbereich hat. Die wissenschaftlich-technische (Gelmketal)“ und 1937 „Die Gelmke- Leitung des Erzaufbereitungsbetriebs talschwierigkeiten gehen weiter.“ hatte Dr. Emil Kraume, der übrigens 1945 nach dem Kriegsende Bergwerks- Bergrat von Scotti verhandelte direktor des Rammelsbergs wurde. lange und intensiv über Nutzungs-

112 berechtigungen für das Gebiet zwi- telang im Ausland. Deshalb musste schen Bollrich und Oker, um dort die Bergrat von Scotti die Geschäftsfüh- Abgänge aus der neuen Erzaufberei- rung fast vollständig übernehmen. tungsanlage in einen neu anzulegen- 1943 schrieb er dazu: „Da Bergrat den Absetzteich einleiten zu dürfen. Hast, Leiter der Harzer Werke, fast Seine Verhandlungspartner waren der dauernd in Belgrad ist, habe ich durch Reichsnährstand (eine nationalsozia- seine Vertretung erweiterte Verantwor- listische Organisation zur Steuerung tung.“ In seinem 1943er Taschenkalen- der landwirtschaftlichen Produktion, der steht auf einer der hinteren Seiten Nahrungsmittelverteilung und -preisge- für Notizen explizit: staltung, geführt von Landwirtschafts- minister Walther Darré), der Goslarer „Anwesenheit Hast in Goslar Bürgermeister Droste und der Chef der ortsansässigen Garnison (Goslarer 16.12.1942 – 10.01.1943 Jäger), Oberstleutnant Erwin Rommel. 20.02.1943 – 01.03.1943 Das Problem wurde schließlich gelöst, 08.04.1943 – 12.04.1943 (Krankheit indem das geplante Teichvolumen ver- Frau Hast) größert wurde. Damit handelte es sich 22.04.1943 (Gründonnerstag, Kran- nicht mehr um ein Wasserrückhalte- kenhaus. Fr. Hast) becken, für das das Landwirtschafts- 17.07.1943 – 15.08.1943 (nur 3 x ministerium zuständig gewesen wäre, gesprochen) sondern um einen Stausee. Stausseen 26.08.1943 – 03.09.1943 (Tod von fielen aber in die Zuständigkeit des Frau Hast) Wirtschaftsministeriums, das den Bau 25.09.1943 – 19.10.1943 (Jagd; ab schließlich genehmigte. 9./10. i. Dienst)“

Von der Erzaufbereitungsanla- Viele Ingenieure, Steiger und Berg- ge ging 1937 auch die zweite Stufe leute des Erzbergwerks Rammelsberg in Betrieb. 1938 schrieb Bergrat von wurden zum Kriegsdienst ein- oder Scotti „Interessante berufliche Arbeit. zu anderen Bergbauprojekten abge- Die Projekte marschieren. Einweihung zogen, wie beispielsweise ins nahege- der neuen Kaue am Rammelsberg“ legene Eisenerzrevier Salzgitter oder und 1939 „beruflich vielseitiges Jahr“. zum 1943 in Berlin-Spandau unter 1939 waren auch fast alle anderen Bataillonschef Hauptmann Wedelstedt übertägigen Neubauten, besonders die zum neu gebildeten Bergbaubataillon, Rammelsberger Verwaltungsgebäude, einer bewaffneten Abteilung mit der fertiggestellt. offiziellen Bezeichnung „Wehrwirt- schaftliche Ersatzabteilung IV Süd- Mit dem Beginn des Zweiten Welt- ost“. Diese Männer arbeiteten in Berg- kriegs erhöhte sich der Arbeitsaufwand werken des besetzten Jugoslawiens als für Bergrat von Scotti noch einmal Steiger, Wach- und Aufsichtspersonal. drastisch. Bergrat Hast war kaum noch Zwei Kompanien davon kamen in in Goslar. Immer öfter blieb er mona- die Braunkohlenbergwerke Kostolac

113 Abbildung 5.4.1.k.: Umbau Behelfskaue Rammelsberg zum Gefangenenlager 1942 und Paracin, eine Kompanie in das Ein Produktionsrückgang ließ sich Manganerzbergwerk Skopje und eine nicht vermeiden, zumal die alte Erz- in das Kupfererzbergwerk Bor. Neben sieberei, die noch eine Weile parallel dem Dienst im Bergbau wurden diese zur neuen Erzflotationsanlage gelau- Männer auch gegen Partisanen einge- fen war, planmäßig aus dem Betrieb setzt. genommen und abgerissen werden musste. Dazu kamen Probleme mit 1939 waren 17% der Belegschaft des dem neuen Abbauverfahren, dem Bergwerks Rammelsberg im Kriegs- Fließbau, der ungefähr die Hälfte dienst. Die Geschäftsführung reagierte der Förderung bringen sollte. Dieses mit der Verlängerung der Regelarbeits- Verfahren erzeugte hohe Drücke im zeit. Im Betriebsbericht für das Jahr Gebirge, die nicht beherrschbar waren. 1940 ist von einem Mangel an Arbeits- 1941 betrug die Jahresfördermenge nur kräften, Eisen, Holz und Baumaterial noch 211.000 t Erz. Geplant waren die Rede. 250.000 t.

114 Abbildung 5.4.1.l.: Zwangsarbeiterbaracken am Rammelsberg unterhalb des Herzber- ger Teichs

Trotzdem schrieb Bergrat von Scotti Den Problemen mit der Lebensmit- 1941: „Beruflich und dienstlich verlief telversorgung der Belegschaft ver- das Jahr günstig und abwechslungs- suchte die Geschäftsführung durch reich.“ Beispielsweise war es erstmals eine betriebseigene Schweinehaltung gelungen, in der neuen Flotationsanla- und einen Gerste- und Kartoffelanbau ge im Regelbetrieb Kupfererzkonzent- auf betriebseigenen Grundstücken zu rat herzustellen. begegnen. Nicht beheben ließ sich der Mangel an Schuhen und Arbeitsbeklei- Die Dieselknappheit wurde als Her- dung. ausforderung aufgefasst, den Gleisbe- trieb auf Oberleitungsloks umzustellen, Ab 1942 wurden im großen Umfang die zum Teil selbst gebaut wurden. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene Viele Arbeitsschritte wurden verstärkt eingesetzt, anfangs untergebracht in mechanisiert, zum Beispiel durch den der Behelfswaschkaue und im alten Einsatz von Schüttelrutschen, Blasver- Forsthaus und schließlich in einem satzmaschinen und größeren Förderwa- eigens dafür errichteten Barackenlager gen. Die fehlenden Bergleute konnten unterhalb des Herzberger Teichs. zum Teil durch zugezogene oberschle- sische Bergleute ersetzt werden. Aller- Ihre Arbeits- und Lebensbedingun- dings führte das zu einem Wohnungs- gen waren schlimm. In den Veröffent- mangel. lichungen der Mitglieder des Vereins

115 Spurensuche Harzregion e. V. wurde Zu den Aufgabenbereichen von darüber berichtet. (Friedhart Knolle, Rammelsberger Fachleuten kamen 2010) auch andere, auswärtige Betriebe, ein- schließlich untertägiger KZs für die Nach einem Anfang Juni 1944 zwi- Rüstungsproduktion. Zum Beispiel schen Bergrat von Scotti und dem hatte der Rammelsberger Markschei- Rammelsberger Werkschutzleiter der Tiemann das Außenlager Dora- Scheller geführten Gespräch bekam die Mittelbau in Nordhausen vermes- betriebliche Dienstanweisung über den sungstechnisch mit zu betreuen. Umgang mit den im geschlossenen Lager unterhalb des Damms des Herz- Ende 1944 waren 340 Mann von der berger Teichs untergebrachten Ostar- Grubenbelegschaft im Krieg. Das war beitern den Zusatz, „auf Ostarbeiter, ungefähr jeder Dritte. Bis Ende 1945 die unberechtigt das Lager verlassen, wurden 68 Mann als gefallen und 127 insbesondere nach Einbruch der Dun- als in Kriegsgefangenschaft geraten kelheit, ist sofort zu schießen, und zwar gemeldet. Das Durchschnittsalter der in der Absicht, auch zu treffen...“. Belegschaft erhöhte sich von 35 auf 48 Jahre. Die 335 Zwangsarbeiter und Nicht mehr nachvollziehbar ist, ob Kriegsgefangenen konnten die ent- Bergrat von Scotti gezielt auf diesen standenen Lücken nicht schließen. Sie Zusatz hingearbeitet hat oder ob er waren nicht speziell ausgebildet, wenig anschließend nur von Scheller darüber motiviert und zum Teil in erbärmli- informiert wurde. chem gesundheitlichen Zustand. Trotz- dem erhöhte sich die Schichtleistung Die Harzer Betriebe arbeiteten 1942, von 2,45 t/Mannschicht im Jahre 1942 wie Bergrat von Scotti schrieb „auf auf 2,66 t/Mannschicht im Jahre 1943. hohen Touren mit gutem Erfolg.“ 1943 Daraus lässt sich erahnen, welche begann der Erzabbau im sogenannten Arbeitsbedingungen geherrscht haben Altlager West. Die Erzförderung der müssen. Allein 1944 verunglückten Grube stieg 1944 auf 225.000 t. Es vier Kriegsgefangene und ein deut- kamen aber auch immer mehr Auf- scher Bergmann tödlich. Zusätzlich gaben auf den Grubenbetrieb zu, die gab es 32 schwere Betriebsunfälle. neben den eigentlichen bergbaulichen Arbeiten zu erledigen waren. Am 10. April 1945 endete am Ram- melsberg die Erzförderung mit dem Beispielsweise mussten Kunst- und Einmarsch der US-amerikanischen Kulturgüter unter Tage eingelagert und Truppen in Goslar. Eine relativ kleine ein Luftschutztrupp aufgestellt werden. militärische Operation betraf sogar die Seine Stärke wurde von anfangs 12 auf Belegschaft des Rammelsbergs. Nur 246 Mann erhöht. Aufgabe war vor wenige Tage vor dem Einmarsch hatte allem der Bau von Luftschutzstollen im der für seine überspannten politischen Rammelsberg und am Stadtrand von Einstellungen berüchtigte Mitarbeiter Goslar. des Rammelsbergs, Bertram, versucht,

116 mit einigen Bergleuten in den Ber- Wasserhaltung eingestellt worden war, gen oberhalb Goslars Panzersperren zu soffen dort die Baue unterhalb des bauen. Er ist von diesem Unternehmen Ernst-August-Stollens ab. Bis 1945 nicht zurückgekehrt. ging allerdings noch ein bescheide- ner Nachlesebergbau auf den darüber 5.4.2. Erzbergwerk Grund liegenden Sohlen um. Ziel waren die dort früher stehen gelassene Zinkerze Von den Oberharzer Werken, für und eine Rückgewinnung von Halden- die Bergrat von Scotti bis 1933 Berg- material. werksdirektor war, und für die er als Chef der Abteilung Bergbau der Harzer Es ist Bergrat von Scottis nachdrück- Preußaggruben auch weiterhin zustän- lichem Drängen auf die Suche nach dig war, lief von den ehemals zahlrei- weiteren Erzreserven zu verdanken, chen Gruben eigentlich nur noch das dass 1933 erhebliche Erzvorräte im Erzbergwerk Grund. Nachdem 1930 Westen der Grube Hilfe Gottes entdeckt der Betrieb der Gruben in Lautenthal wurden. Als Suchmethoden wurden und Bockswiese aus wirtschaftlichen anfangs geophysikalische Verfahren Gründen beendet und 1935 auch die eingesetzt. Nachdem sie vielverspre-

Abbildung 5.4.2.a.: Bergrat von Scotti (in schwarz) vor einer Befahrung Erzbergwerk Grund 1934 (ganz links Bergwerksdirektor Busch, Vater von Ingo Busch, Verfasser des Kapitels 9 über die Münz- und Medaillensammlung)

117 chend ausgefallen waren, wurde dort ab Juli 1933 ein Schacht abgeteuft, der spätere Westschacht. Im Gebiet von Clausthal-Zellerfeld ließ Bergrat von Scotti 1934 bis 1937 in Kooperation mit dem Reichsamt für Bodenforschung ebenfalls ausgedehnte Sucharbeiten durchführen, allerdings ohne Erfolg.

Die Erzförderung aus den immer weiter zusammenwachsenden Gruben Bergwerkswohlfahrt und Hilfe Gottes stieg in den 1930er Jahren um 18%. Die Belegschaft wuchs von 758 im Jahre 1932 auf 1.111 im Jahre 1938. Wichtige Projekte zur Modernisierung und Erweiterung der Grube(n) waren 1936 die Inbetriebnahme einer leis- tungsfähigeren Fördermaschine auf dem Achenbachschacht, und die Ver- Abbildung 5.4.2.b.: Fördergerüst West- größerung der Bauhöhe des Förder- schacht gerüsts sowie das Weiterteufen des

Abbildung 5.4.2.c.: Festrede Bergrat von Scotti zum Bergdankfest am Gittelder Berg 1934

118 Abbildung 5.4.2.d.: Erhöhung Fördergerüst Achenbachschacht 1936

Blindschachts 1 bis zur 17. Sohle. Dort 1939, nicht nur die feinkörnigen Erz- begann 1944 die Erzförderung. schlämme zu flotieren, sondern 80% der geförderten Roherze. Geplant war Bis 1937 wurde der Knesebeck- sogar, in der Art des Rammelsbergs schacht bis zur 13. Sohle abgeteuft die gesamte Fördermenge aufzumah- und 1938 eine Verbindungsstrecke zwi- len und zu flotieren. Der Baubeginn schen den drei Schächten Achenbach-, der dafür notwendigen Anlage auf der Knesebeck- und Westschacht aufge- Grube Hilfe Gottes wurde zwar durch fahren, wobei weitere neue Erzvorräte den Kriegsbeginn verzögert. Die Inbe- aufgeschlossen wurden. triebnahme erfolgte aber dann doch 1942. Angeregt durch die Erfolge bei der Weiterentwicklung der Flotationstech- Das Erzbergwerk Grund wurde nik entschied sich die Geschäftsführung durch den Krieg vor die gleichen Pro-

119 Abbildung 5.4.2.e.: Werkshof Hilfe Gottes 1936 bleme gestellt, wie das Erzbergwerk Als Ersatz ließ sich die Preußag 115 Rammelsberg. 1939 waren von den Kriegsgefangene und ungefähr ebenso 1143 Mann Belegschaft 158 im Kriegs- viele Zwangsarbeiter nach Bad Grund dienst. Ende 1943 waren es schon 261. zuweisen. Ein bezeichnendes Licht auf

Abbildung 5.4.2.f.: Tagesanlagen Hilfe Gottes

120 Abbildung 5.4.2.g.: Grubenbefahrung Erzbergwerk Grund 1941 (von links nach rechts: Ministerialrat Däumling, Dir. Rudolph, Dir. Dr. Vogt, Oberregierungsrat Börner, Bergrat von Scotti, Amtsrat Bähnisch, Assessor Wiederhold, Bergverwalter Manke) das Arbeitsklima im Bergwerk wirft nahmen ab. Außerdem entstanden in ein Betriebsbericht aus dem Jahr 1942. der Grube Standsicherheitsprobleme. Demnach nahmen im ersten Halbjahr Trotzdem erreichte die Erzförderung „in einem kleinen Teil der Belegschaft 1944 eine Leistung von 143.000 t. Das pflichtwidrige Arbeitsversäumnis- Kriegsende und der Einmarsch der US- se ständig zu. Nachdem jedoch eine amerikanischen Truppen am 11. April Anzahl hartnäckiger Bummelanten der 1945 beendete auch in Bad Grund Geheimen Staatspolizei gemeldet und vorerst die Erzförderung. von dieser in ein Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager gebracht 5.5. Funktionen und Aufgaben worden war, haben die pflichtwidrigen Bergrat von Scottis im Arbeitsversäumnisse fast völlig aufge- Auslandsbergbau hört.“ Schon in den 1930er Jahren und 1943 sollte die Einführung eines neu- besonders während des Zweiten Welt- en Abbauverfahrens, des „Parallelfirs- kriegs konnte Deutschland seinen tenstoßbaus mit dem breiten Blick“ Bedarf an Bunt- und Edelmetallen bei mit Schüttelrutschen und Versatzblas- weitem nicht aus Lagerstätten decken, maschinen die Förderleistung erhöhen. die im ursprünglichen Reichsgebiet Allerdings wurde dabei viel Neben- lagen. Es begann deshalb in den mili- gestein mit hereingewonnen und die tärisch okkupierten Gebieten eine Metallgehalte im geförderten Roherz intensive Ausbeutung kriegswichtiger

121 Rohstoffe und der Aufbau der dafür im offiziellen Auftrage des „Sonder- notwendigen Wirtschaftsorganisation. bevollmächtigten für die Ostmark“, Bergrat von Scotti, der sich als promo- Staatssekretär Keppler, einige österrei- vierter Mineraloge und Bergbauingeni- chische Metallerzlagerstätten. eur speziell mit ausländischen Erzvor- kommen beschäftigt hatte, war für die 1938 schrieb er dazu: „Der Anschluss in diesem Zusammenhang benötigten Österreichs bringt der Preußag neue Lagerstättenbewertungen prädestiniert. Aufgaben. Wiederaufnahme des Gold­ erzbergbaus vom Radhausberg bei In Südosteuropa gab es große Erzla- Gastein, wo ich auch eingesetzt werde. gerstätten, aus denen ein großer Teil der Zunächst werde ich mit der Bereisung dringend benötigten Metalle gewonnen verschiedener Bergwerksgegenden in werden konnte. Für die Buntmetallge- Österreich beauftragt (Wien, Graz, winnung rückten vor allem Kupfer-, Eisenerz, Innsbruck, Nesselrat, Brix- Antimon-, Zink- und Bleierzlagerstät- legg)“ und „zahlreiche Reisen nach ten in das Blickfeld. Dort engagierte Berlin, zu Besprechungen nach Böck- sich die Preußag besonders. Bergrat stein (ein alter Bergwerksort bei Bad Hast wurde Vorstandsmitglied in der Gastein) usw.“ reichseigenen Jugomontan AD, gegrün- det als deutsche Holding zur Deckung 1938 erwarb die Preußag „auf Anord- des hohen Kapitalbedarfs kommis- nung“ Görings und unter Vermittlung sarisch geführter Feindbetriebe die- Kepplers 36,6% der Bleiberger Berg- ser Gebiete. Sie vergab Aufträge zur werks Union Klagenfurt (BBU). Bis Modernisierung serbischer Bergwerke, 1940 stockte sie ihren Anteil auf 55,6% zum Beispiel 1942 für den Bau einer und ihren Anteil am Bergbauunterneh- großen Flotationsanlage für das Berg- men Gewerkschaft Radhausberg sogar werk Mackatica. Die Bauausführung auf 91% auf. Die Reichsregierung leiteten übrigens Harzer Ingenieure. gewährte Förderprämien, Sofortkredite 1943 wurde die Jugomontan AD in und Sonderkonditionen zur Entschul- Südostmontan GmbH Berlin umfir- dung, um die Investitionsentscheidun- miert. gen zu erleichtern. Preußag-Manager, unter ihnen Bergrat von Scotti, wurden 5.5.1. Gold und Blei aus in die Aufsichtsräte und Vorstände der Österreich, Rumänien und der BBU berufen. Er schrieb dazu 1939: Tschechoslowakei „Zu Böckstein ist nun auch die Blei- berger Bergwerksunion (Aufsichtsrat) Nach der „Rückgliederung der Ost- dazugekommen.“ mark (Österreichs) in das Reich“ im April 1938 bekundete die Preußag- Neben den recht handfesten Inter- Hauptverwaltung ihr Interesse an der essen an den österreichischen Werken Neuaufteilung des österreichischen diente dieses Engagement aber auch Metallerzbergbaus. Bergrat von Scotti dazu, eine bessere Ausgangslage zur begutachtete in diesem Zusammenhang Expansion in den Erzbergbau Südost-

122 Abbildung 5.5.1.: Aufbereitungsanlage Erzbergwerk Mies europas zu bekommen. Bergrat von rund 1.500 Beschäftigte und lieferte Scotti bereiste dafür vom 14. bis 18. Blei- und Zinkerzkonzentrate an die Dezember 1939 die Tschechoslowa- Unterharzer Hüttenwerke. kei und notierte darüber „Geologische Begutachtung der Golderzlagerstätte 5.5.2. Antimon Libcice, Besuch des Referenten für Bodenforschung in Prag.“ Vom 13. bis Antimon wurde vor allem für die 17. Oktober 1940 war er in Rumänien Härtung von Gleitlagermetallen, für zur ,,geologischen und bergmännischen Bleilegierungen in Akkumulatoren Begutachtung von Erzlagerstätten“, (zum Beispiel für U-Boote) und für insbesondere der Goldgruben der Firma die Herstellung von Sprengzündern Mica bei Brad. benötigt und war deshalb gerade für die Rüstungsproduktion von größter Seit Frühjahr 1941 leitete die BBU Wichtigkeit. In Deutschland gab es und damit mittelbar die Preußag meh- keine nennenswerten Antimonlager- rere Bleierzberg- und Hüttenwerke stätten, aber in Südosteuropa. Deshalb in Slowenien und Kroatien. Größe- wurde der Einstieg in den Antimonerz- re Bedeutung hatte davon allerdings bergbau Südosteuropas bereits in den nur Mies. Dieses Bergwerk hatte ein- 1930er Jahren nachdrücklich geplant schließlich der Erzaufbereitungsanlage und vorbereitet.

123 In den Jahren 1935 und 1936 zog das die Preußag die Kärntner Bergwerks- Reichswirtschaftsministerium Erkundi- Gesellschaft mbH Klagenfurt als Hol- gungen ein über serbische Antimonvor- ding und brachte darin die Antimon- kommen und veranlasste die Bildung erzbergwerke im Burgenland, südöst- eines Antimon-Konsortiums. Beteiligt lich von Wien, ein. Bergrat von Scotti waren vorwiegend deutsche Unterneh- schrieb „Geschäftsführer der Kärntner men. Es folgte der Kauf jugoslawischer Bergwerksgesellschaft m.b.H. gewor- Antimonkonzessionen und 1936 die den.“ Gründung der Montania AG, Belgrad. Im Oktober 1940 kaufte die Kärnt- 1940 erwarb die Preußag 56% der ner Bergwerksgesellschaft alle Aktien Montania AG und erhöhte ihren Anteil der Antimon Berg- und Hüttenwerke später auf 64%. Daneben erwarb sie Banska Bystrica (Neusohl/Slowakei) für eine Millionen RM 51% der Lisian- und der Jaszoer Bergbau AG (Ungarn). ski Rudnici AG, Belgrad, einer Firma, Die Reichsregierung unterstützte den die in Lisa eine Aufbereitungsanlage Antimonbergbau der Preußag mit zins- für Antimonerz betrieb. Im Juli 1941 günstigen Krediten und seit 1942 mit fusionierten die beiden Firmen unter Förderprämien, um der Preußag Anrei- Führung der Preußag zur Antimon AG ze zu bieten. Belgrad. Die Preußag hielt 64,5% der Aktien und stellte den Vorstand der Der Zustand der Bergwerke und Hüt- Belgrader Hauptverwaltung. ten der Antimon AG Belgrad wurde 1940 als miserabel beschrieben. Dazu 1940 schrieb Bergrat von Scotti dazu: kam, dass die jugoslawischen Trup- „Besuch von Montania AG Belgrad, pen im April 1941 beim Einmarsch …geologische und bergmännische der deutschen Truppen viele Anlagen Begutachtung von Erzlagerstätten. Die zerstört hatten. Der Wiederaufbau wur- Preußag beabsichtigt, ein Antimonvor- de von der Preußag mit 9 Mio. RM kommen bei Zajaca zu übernehmen. unterstützt. Die Inbetriebnahme der Wurde zur Begutachtung hinzugezogen. Werke, die an der Grenze zu Kroatien Hochinteressante Reise per Flugzeug und Albanien lagen, wurde von Anfang nach Belgrad. Mitglied des Verwal- an durch Sabotageakte der Partisanen tungsrates der Montania AG geworden.“ erschwert. Trotz dieser starken Beein- trächtigungen schaffte es die Preußag, Von Österreich aus dehnte die Preuß- nahezu den gesamten deutschen Anti- ag ihren Einfluss auch auf den unga- monbedarf zu decken. (Bernhard Stier, rischen und slowakischen Antimon- 2005) erzbergbau aus. Vorangegangen waren Erzexplorationen, die sie zusammen Neben den südosteuropäischen mit der Reichsstelle für Bodenfor- Antimonerzlagerstätten begutachtete schung unternahm. Es ging dabei vor Bergrat von Scotti vom 01. bis 05. allem um Antimonerzvorkommen in Dezember 1941 das ehemalige, bis der Slowakei. Im April 1940 gründete 1938 betriebene Antimonbergwerk

124 Gösdorf in Luxemburg und kurz darauf Eine Expertenkommission unter Lei- ein Werk der Schlesische Aktiengesell- tung von Bergrat von Scotti reiste schaft für Bergbau und Zinkhüttenbe- im Herbst 1942 in das südspanische trieb in Lipine (Oberschlesien, heute Bleierzrevier Linares und prüfte, ob Lipny). eine Wiederinbetriebnahme stillgeleg- ter Gruben sinnvoll wäre. Bergrat von Vom 01. bis 09. Mai 1943 unternahm Scotti hatte sich ja schon vor dem er im Auftrag der Preußag eine Reise Ersten Weltkrieg mit diesen Lagerstät- nach Italien zur Begutachtung eines ten beschäftigt, allerdings noch nicht Antimonvorkommens bei Gosseto/Tos- eingehender, weil er damals von Prof. kana. In seinem Bericht vom 18. Mai Klockmann stattdessen auf das Gebiet 1943 schrieb er darüber: „Besichtigung von Rio Tinto umorientiert worden eines Antimonvorkommens beim Dorf war. Scansano nahe der westlichen Mit- telmeerküste, 25 km südwestlich von 1942 nahm Bergrat von Scotti Grosseto, 150 km nordwestlich von Kontakt auf zu Vertretern der Com- Rom … der italienischen SAT (Socie- pania Minera Montana del Sur und ta Antiminifera Toscana) … zusam- der Sociedad Financiera Industrial in men mit Ministerialrat Dr. Arlt vom Madrid. In seinem Bericht über diese Reichswirtschaftsministerium, einem Befahrungen empfahl er, diese Gruben Ingenieur der AMMI (Azienda Mine- von deutschen Bergbauingenieuren lei- rali Metallici Italiani) und zwei wei- ten zu lassen, aber im Eigentum der teren italienischen Herren, einer vom spanischen Betreibergesellschaften zu Kriegsproduktionsministerium und ein belassen. Letztlich wurde aber nichts Betriebsdirektor der SAT.“ daraus. In seinen privaten Aufzeich- nungen steht übrigens: „22.10.1942 5.5.3. Blei aus Spanien Geburt des 1. Enkelsohnes, erfahre davon in Madrid bei einer interessan- Der Förderleistung des spanischen ten, vom 7.10.1942 bis 27.10.1942 Bleierzbergbaus ging in den 1930er dauernden Dienstreise wegen Bleierz- Jahren infolge des spanischen Bür- bergbau im Bezirk Linares durch Emp- gerkrieges drastisch zurück und damit fang eines „dienstlichen“ Telegramms auch die Exporte spanischen Bleis nach mit dem Text „Rotbleierz angekom- Deutschland. Bereits im Sommer 1940 men“ (private Telegramme waren ver- gab es im Reichswirtschaftsministeri- boten). Besuch von Compania Minera um Überlegungen, wie von deutscher Montana del Sur, Soc.An., Madrid.“ Seite auf die spanischen Betriebe Ein- fluss genommen werden könnte. 1942 5.5.4. Kupfer, Blei und Zink forderte es die großen deutschen Mon- aus Jugoslawien tankonzerne auf, ein Konsortium zu bilden, dass sowohl finanzielle als auch Der weitaus größte Teil des Auslands- technisch-organisatorische Hilfe leisten engagements von Bergrat von Scotti sollte. Die Preußag zeigte Interesse. betraf die Bergwerke im damaligen Ser-

125 Abbildung 5.5.4.a.: För- dergerüst Erzbergwerk Trepca. Im Vordergrund der Verfasser. Foto von Karl Sander 2014 bien, insbesondere das Kupfererzberg- die Trepca Mines Ltd. nicht in das werk Bor und das Blei-Zinkerzbergwerk Eigentum einer deutschen Firma über- Trepca. Das entsprach auch der Bedeu- nommen, aber dem deutschen Gene- tung dieser Betriebe beziehungsweise ralbevollmächtigten für die Wirtschaft deren Metallproduktion für die Kriegs- in Südostserbien zur kommissarischen wirtschaft des Deutschen Reichs. Verwaltung unterstellt. Die Betriebs- leitung übernahm ein Ingenieur aus Aus dem Bergwerk Trepca, Grube dem Unterharz. Der Erzaufkauf erfolg- Stari Trg (heute Stan Treg, Kosovo) te zum verhältnismäßig niedrigen deut- kam in den 1930er und 1940er Jahren schen Preis. Die Bleierzfördermenge fast die gesamte jugoslawische Blei- aus diesem Bergwerk war übrigens, und Zinkerzförderung (80-90%). Das bezogen auf den Metallinhalt, in den Bergwerk gehörte bis zum Ende des 1930er und 1940er Jahren größer als Zweiten Weltkriegs der englischen die des Rammelsbergs. Trepca Mines Ltd. und wurde erst dann verstaatlicht. Zur Zeit der deut- Bereits im ersten Halbjahr 1940 reis- schen Besetzung Jugoslawiens wurde te Bergrat von Scotti auf Einladung

126 Abbildung 5.5.4.b.: Alter Tagebau, Aufbereitung und Hütte Erzbergwerk Bor, Foto von Karl Sander 2014

des Deutschen Generalkonsuls Franz um verschiedene Metallerzlagerstätten Neuhausen zweimal nach Jugoslawien, in Augenschein zu nehmen, darun-

Abbildung 5.5.4.c.: Tage- bau und Tagesanlagen Bor 1942

127 Abbildung 5.5.4.d.: Alte Arbeiterunterkünfte Erzbergwerk Bor, Foto Holger Lausch 2014

Abbildung 5.5.4.e.: Wiederaufbau zerstörter Werksanlagen Bor 1941

128 Abbildung 5.5.4.f.: Transportarbeiten Erzbergwerk Bor 1941 ter auch die, wie er schreibt „Trepca von ungefähr 51.000 t. Zum Vergleich: Mines“ und eine Schwefelkiesgrube Der mit Abstand größte deutsche Kup- mit Aufbereitungsanlage in Mackatica fererzbergbaukomplex jener Zeit, die (damals Südostserbien, heute Republik Mansfeld AG, förderte 1939 nur unge- Nordmazedonien). fähr Erz mit 28.000 t Kupferinhalt pro Jahr, übrigens mit fallender Tendenz, In Bor (Nordostserbien) befand sich und der Rammelsberg, als zweitgröß- die zweitgrößte der damals bekannten ter Kupferproduzent lediglich 1.500 t Kupfererzlagerstätten Europas. Abge- pro Jahr. Alle anderen waren dagegen baut wurde das Erz dort sowohl unter- unbeträchtlich. als auch übertage. Während des Dritten Reichs kam ein neuer Großtagebau hin- Verbraucht wurden in Deutschland zu. 1939 förderte der Bergwerkskom- dagegen pro Jahr etwa 300.000 t Kup- plex in Bor fast eine Million Tonnen fers. Der Anteil importierten Raffina- Roherz pro Jahr mit einem Kupferinhalt dekupfers lag bei ungefähr 40%. 10%

129 dicap für die Kriegsplanung dar und Bor rückte deshalb in das Interesse der Reichsregierung.

Die Gruben, Aufbereitungsanlagen und Hüttenbetriebe von Bor gehörten bis 1941 einer französischen Eigen- tümergruppe. Sie hatte die Anlagen und Betriebe Anfang der 1930er Jahre weitgehend modernisiert, so dass hohe Abbildung 5.5.4.g.: Umbau Tagesanla- Gewinne erwirtschaftet werden konn- gen Erzbergwerk Bor 1941 ten. Mitte der 1930er Jahre waren die hochwertigen Erzpartien weitgehend stellten deutsche Kupferhütten aus abgebaut und die Qualität der geförder- importierten Roherzen her und je etwa ten Erze ließ nach. Der wirtschaftliche 20% aus der Kupferschrottwiederauf- Gewinn schrumpfte damit. Trotzdem arbeitung und aus Rohkupferimporten. waren die französischen Eigentümer Nur etwa 10% konnten aus einheimi- erst nach der Kapitulation Frankreichs schen Erzen hergestellt werden. Diese bereit, ihre Aktien an deutsche Interes- starke Abhängigkeit Deutschlands von senten zu verkaufen. Im August 1941 Importen stellte ein erhebliches Han- wechselten 76% des Aktienkapitals in

Abbildung 5.5.4.h.: Umbau Aufbereitungsanlage Erzbergwerk Bor 1941

130 Abbildung 5.5.4.i.: Appell eines Teils der Belegschaft, Erzbergwerk Bor, 1942 deutsche Hände (Preußische Staats- 1940 schrieb Bergrat von Scotti: bank). Dieser Verkauf geschah nicht „Preußag und Mansfeld AG beteiligen unter politischem Druck und sollte aus- sich an Bor, dessen Aktien angekauft drücklich einvernehmlich geschehen. werden. Auch dabei werde ich einge- Die Kaufsumme lag sogar deutlich über schaltet. Daher häufige Reisen nach dem tatsächlichen Wert, um den Ver- Belgrad: 12. bis 22. April 1940, 30. kauf für die französischen Aktionäre Juli bis 10. August 1940, 1. bis 10. attraktiver zu machen. Bor lieferte nun Oktober 1940 und 19. November bis fast seine gesamte Produktion ins Reich. 12. Dezember 1940. … geologische und bergmännische Begutachtung ...“ Schon im Spätsommer 1940 beur- und 1941: „Beruflich und dienstlich laubte die Preußag Bergrat Hast und verlief das Jahr günstig und abwechs- vier weitere Ingenieure aus dem Harz lungsreich. 6. bis 23. März Dienstreise nach Jugoslawien, um im Auftrage nach Serbien, kurz vor dem Jugosla- des Reichswirtschaftsministeriums die wienputsch (27. März 1941). ...14. bis kommissarische Leitung der Berg- und 23. Juli 1941 weitere Dienstreise nach Hüttenwerke Bor auszuüben. Bergrat Serbien.“ von Scotti hatte die Leitung, obwohl er vor allem mit den Harzer Betrieben Der ursprüngliche Plan des Reichs- befasst blieb. Anfangs versuchte die wirtschaftsministeriums, je gleiche neue Betriebsleitung, sich mit den fran- Anteile an die Preußag, die Mansfeld zösischen Ingenieuren zu verständigen, AG und die Südostmontan GmbH zu um eine Erhöhung der Förderleistung vergeben und die oberste Betriebs- zu erreichen, jedoch erfolglos. leitung der Preußag zu übertragen,

131 Abbildung 5.5.4.j.: Bahnbaukolonne Erzbergwerk Bor, Organisation Todt 1943 konnte nicht umgesetzt werden. Statt- landfreundliche jugoslawische Regie- dessen übernahmen die Preußag und rung gestürzt wurde. Anfang April die Mansfeld AG jeweils die Hälfte 1941, unmittelbar nach dem Putsch, der Aktien. Im März 1941 konsti- marschierte die Wehrmacht in Jugosla- tuierte sich ein Verwaltungsrat des wien ein. Kurz zuvor sprengten jugo- Bor-Konsortiums mit Generalkon- slawische Truppen in Bor die wich- sul Neuhausen als Präsident. Er war tigsten Anlagen. Das deutsche Bor- gleichzeitig Vorstand der Jugomontan. Konsortium verpflichtete sich sofort Im Verwaltungsrat saßen außerdem zum Wiederaufbau. Im Herbst 1941 der Preußag-Generaldirektor Heinrich beziehungsweise Frühjahr 1942 gin- Wisselmann, der Mansfeld-Generaldi- gen Bergwerk und Hütte wieder in rektor Carl Rudolf Stahl und die noch Betrieb. zeitweise verbliebenen französischen Gesellschafter. Vorstandsvorsitzender Vorgesehen war eine deutliche beziehungsweise Leiter der Haupt- Leistungssteigerung und zwar: verwaltung in Belgrad wurde Bergrat • der Roherzförderung auf 720.000 Hast. t/a, • der Kupferkonzentratproduktion auf Die Bemühungen von deutscher Sei- 180.000 t/a, te um eine einvernehmliche Zusam- • der Pyritproduktion auf 335.000 t/a menarbeit mit der jugoslawischen und Seite wurde durch den Putsch abrupt • der Kupferproduktion auf 60.000 t/a unterbrochen, durch den die deutsch- (metallisch).

132 Unter dem Projektnamen „Baupro- bereits 200.000 Jugoslawen als Kriegs- gramm Bor“ begann gefangene und Zwangsarbeiter nach • der Bau einer zweiten Kupferhütte Deutschland gebracht worden. Dadurch und eines Großkraftwerks im unge- war das Arbeitskräftereservoir in dieser fähr 130 km nordwestlich gelegenen Gegend eigentlich bereits erschöpft. Kostolac, • der Aufbau der dafür notwendi- Bergrat von Scotti schrieb: „Januar/ gen Infrastruktur, besonders eines Februar und 18. April bis 2. Mai 1942 Donauhafens und einer Eisenbahn- in Serbien. ….geologische und berg- strecke dorthin und männische Begutachtung von Erzlager- • der Aufschluss des Kupfererztage- stätten. Die Verhältnisse drängen dazu, baus Tilka Milva (dafür waren allein in Belgrad sitzende Oberleitung ein- 43 Mio. RM vorgesehen). zusetzen. Hast wird Vorstandsvorsit- zender. ...ist jeweils im Wechsel einen Die Fertigstellung war geplant für Monat in Belgrad und drei in Deutsch- 1943 mit Gesamtkosten von 85,5 Mio. land. … Der Spezialist für Kupfer- RM. Ab 1943 sollten 40.000 t Kupfer erzlagerstätten Bergwerksdirektor und und ab 1946 54.000 t Kupfer pro Jahr Vorstandsmitglied der Mansfeld AG, hergestellt werden. Tatsächlich wurden Bergassessor Walter Klingspor, und ich von April 1941 bis Ende 1943 rund übernehmen den Aufsichtsrat.“ 141 Mio. RM investiert. Dazu kamen 60 Mio. RM für weitere Aktienkäufe. 1942 setzte sich Rüstungsminister Das Reich schoss 50 Mio. RM als Speer persönlich für die Rekrutierung „politische Spitze“ zu. Die Kupferpro- von Arbeitskräften für Bor ein („ent- duktion in Bor erreichte 1943 ihren scheidende Produktion für die deutsche Höhepunkt mit etwas mehr als 23.000 Rüstungswirtschaft“). Die deutsche t/a. Das war fast ebenso viel wie die Gesandtschaft in Budapest erwirkte gesamte Kupferproduktion Deutsch- daraufhin von der ungarischen Regie- lands und Österreichs zusammen. Das rung die Zusage für die Bereitstellung Kupfer aus Bor wurde nahezu voll- von 10.000(!) ungarischen Juden. Als ständig nach Deutschland geliefert und Gegenleistung sollte Kupfer von Bor machte fast ein Drittel der deutschen nach Ungarn geliefert werden. Kupferimporte aus. (Ferdinand Frie- densburg 1964) Trotzdem ließ sich das riesige Bau- projekt nur mit Hilfe der Organi- Bei den ungefähr 8500 Mann, die sation Todt weiterbetreiben, beson- 1942 in den Gruben und Hütten von ders beim Bahn-, Kraftwerks- und Bor arbeiteten, handelte sich zu einem Hafenbau und im Erztagebau. Im großen Teil um Zwangsarbeiter. Damit Herbst 1942 erhielt die Organisation war der Bedarf aber bei Weitem noch Todt, Einsatzgruppe Südost, riesige nicht gedeckt. Mehr Arbeitskräfte lie- Aufträge für Bauvorhaben in Bor ßen sich aber nur sehr schwer aus und Kostolac, speziell für die Inf- der Region gewinnen, denn es waren rastruktur. Auf den Großbaustellen

133 Abbildung 5.5.4.k.: Bauarbeiten im Tagebau Tilka Milva 1943

Kostolac und Bor und beim Bahn- Belegschaft ausgeprägte Boykotthal- und Hafenbau beschäftigte die Orga- tung und die große Fluktuation ließ nisation Todt etwa 21.000 Arbeiter. sich kaum beherrschen. Als Vorarbeiter Im Wesentlichen waren das serbische und Wachpersonal setzte die Betriebs- „Pflichtarbeiter“ sowie Juden und leitung Männer des Bergbaubataillons KZ-Häftlinge. Seit Juli 1943 hatte die ein. Offiziell hieß das, die Belegschaft Organisation Todt dort mindestens wurde unter „arbeitsmäßigen Schutz“ 6.000 ungarische Juden als Schwerst- gestellt. arbeiter eingesetzt. Allein für den Bau der 140 km langen Bahnstrecke Untergebracht wurden die übri- zwischen Bergwerk und Donauhafen gen Zwangsarbeiter in über zwanzig gab es 42 Arbeitslager der Organisati- Arbeitslagern, zum größten Teil unter on Todt mit jeweils bis zu 600 Mann. Bedingungen, wie sie in den deutschen (Zivko Avramovic 1975, Tomislav KZs üblich waren und schlimmer. Es Pajic 1989, Bernhard Stier 2005) herrschten unbeschreibliche, men- schenunwürdige, schreckliche Verhält- Seit Herbst 1941 nahm die Preu­ nisse, besonders im sogenannten Straf- ßag ihre Rolle als Anteilseigner und lager und in den Judenlagern. (Erhard Vorstand der Kupferbergwerke Bor Wiehn 2007) aktiv wahr und alle Möglichkeiten der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräf- Anhaltende Partisanenüberfälle, ten in Anspruch. Die allgemein in der Sabotage und ungenügende Material-

134 lieferungen hatten bereits im Frühjahr Im Frühjahr 1944 wurde die Lage 1943 zur Einstellung des Hüttenneu- in Bor bereits kritisch. Ende Som- baus in Kostolac geführt. Der Sitz mer 1944 rückte die Front näher. Die der Bor AG wurde nach Straßburg deutschen Mitarbeiter wurden aus Bel- verlegt. In Bor liefen die Arbeiten aber grad abgezogen. Unter den serbischen unvermindert weiter, teilweise unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der chaotischen Bedingungen und mit Belgrader Hauptverwaltung, die nun hohen Risiken. Auch unter den deut- als Kollaborateure galten, spielten sich schen Technikern gab es Verluste. Die entsetzliche Szenen ab. Die Sekretä- Betriebsleitung stockte die Belegschaft rin von Bergrat Hast, Frau Feodora bis Anfang 1944 sogar noch weiter Holm, erzählte dem Verfasser, wie vor auf, indem sie weitere Zwangsarbeiter ihren Augen serbische Sekretärinnen anforderte. aus dem Fenster des Bor-AG-Verwal- tungsgebäudes in Belgrad sprangen. Im Januar 1944 waren von den zehn Sie wollten sich lieber das Leben neh- Aufsichtsratsmitgliedern der Bor- men, als den Partisanen ausgeliefert AG vier „vom Reich“, das heißt von zu sein. Frau Holm flog mitten in der Reichsministerien und -Banken, und Nacht, ohne sich darauf vorbereiten zu fünf von der Bor AG. Vorsitzende können, unter Zurücklassung fast aller waren Konsul Neuhaus und Bankdirek- ihrer Habseligkeiten und nur mit einem tor Generalkonsul Hermann Josef Abs. hastig übergeworfenen Mantel mit dem Die Preußag vertraten Generaldirektor letzten zivilen Flugzeug in einer Nacht- Wisselmann und Bergwerksdirektor und Nebelaktion von Belgrad nach von Scotti. Berlin.

Belegschaft im März 1944 (ohne Organisation Todt, die den zahlenmäßig weitaus größten Arbeitskräfteeinsatz übernahm)

Bergwerk landwirtschaftliche Kostolac Bor Nebenbetriebe Angestellte 211 81 41 Bergbaukompanie und 170 7 30 Werkschutz Freiwillige oder dienst- 5.247 1.010 - verpflichtete Arbeiter Zwangsarbeiter und ser- 1.353 599 - bische Kriegsgefangene Italienische Militärinter- 1.522 101 - nierte KZ-Häftlinge und Juden 322 222 500 Gesamte Belegschaft 8.885 2.020 1.567

135 Von den Juden, die in Bor eingesetzt NSDAP-Mitgliedschaft. Im Fragebo- waren, hat kaum jemand überlebt. Am gen zur Wiederherstellung des Berufs- 29. September 1944 wurden die 2.500 beamtentums schrieb er auf die Frage, zuletzt registrierten Juden im Zusam- ob er arischer Abstimmung sei, nicht menhang mit der „Räumung Jugos- nur ein einfaches „ja“, sondern setzte lawiens“ auf Todesmärsche zu Ver- ein Ausrufungszeichen dahinter. nichtungslagern „ins Reich“ geschickt. Unterwegs fanden Massenerschießun- Laut Entnazifizierungsfragebogen gen statt, weil die Bewachungssoldaten aus dem Jahr 1945 war er dort seit 01. merkten, nicht mit den Gefangenen Mai 1933 Mitglied, seit Herbst 1933 vor der heranrückenden Front schnell Mitglied der Nationalsozialistischen genug ausweichen zu können. Sie woll- Volkswohlfahrt, seit 1934 Mitglied der ten aber auch nicht mit den Gefangenen Deutschen Arbeitsfront (nationalsozi- zusammen den sowjetischen Truppen in alistische Einheitsgewerkschaft), seit die Hände fallen, denn sie befürchteten 1937 im NS-Altherrenbund (unter- Racheakte. (Erhard Wiehn 2007) 1944 stützte den NS-Studentenbund) und schrieb Bergrat von Scotti: „Bor muss außerdem seit 1920 im Kyffhäu- aufgegeben werden, Belgrad fällt im ser Reichskriegerbund (1933 in NS- Oktober. Elsass umkämpft, Aufsichts- Reichskriegerbund überführt), Reichs- ratssitzungen deshalb nun in Berlin.“ kolonialbund, Reichsluftschutzbund, Verein deutscher Bergleute, in der 5.6. Teilnahme am gesell- Deutschen Geologischen Gesellschaft schaftlichen Leben in der Zeit und im Deutschen Roten Kreuz. Über- bis zum Kriegsbeginn dies war er bereits seit 1921 Mitglied in der Gesellschaft Deutscher Metall- Für Bergrat von Scotti begann das hütten- und Bergleute (1933 in den Dritte Reich nach seinen eigenen Wor- Nationalsozialisten Bund Deutscher ten „furios“. Er schrieb 1933 in seinen Techniker aufgegangen). Weder in der Aufzeichnungen „die großen politi- NSDAP noch in den anderen Vereini- schen Ereignisse packen und begeis- gungen hatte er ein Amt oder Rang. tern uns.“ In der Novemberwahl 1932 hatte er noch die Deutsche Volkspar- 5.7. Haltung zum Krieg und tei gewählt, wie er im Entnazifizie- zu Kriegsauswirkungen rungsfragebogen schrieb (liegt heute im Staatsarchiv Wolfenbüttel). Schon Dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im Frühjahr 1933 beantragte er seine stand Bergrat von Scotti eher skep-

Abbildung 5.6.: Von Bergrat von Scotti aus- gefüllter Fragebogen zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1933, (Ausschnitt)

136 Abbildung 5.7.: Bergrat von Scottis Dankschrei- ben für die Verleihung des Kriegsverdienstkreu- zes 1944 tisch gegenüber. Für ihn persönlich kam folgten bereits 1941 Ernüchterung und ein Kriegseinsatz nicht mehr in Frage. schließlich Bestürzung und Verzweif- Bereits 1938, im Alter von 55 Jahren, lung. Als erfahrenem Frontoffizier war er vom Hauptmann der Reserve war Bergrat von Scotti klar, was sich zum Hauptmann „zur besonderen Verfü- an der Ostfront abspielte. Er schrieb: gung“ geworden und 1943 zum Haupt- „Der Winter trifft die deutschen Trup- mann außer Dienst. Trotzdem hatte er pen unvorbereitet. Man fasst sich an natürlich, als ehemaliger Reserveoffi- den Kopf. Niederschmetternd.“ und zier, großes Interesse an der politisch- 1942: „Barbarischer Winter. Beinahe militärischen Entwicklung. In seinen Katastrophe an der Ostfront. Gewal- weihnachtlichen Erinnerungen an das tige Leistung. Es hätte nicht soweit Jahr 1939 schrieb er: „Und nun wie- kommen müssen. Hoffentlich sind der Krieg seit dem 1. September. Wie wir überall stark genug. Aktionen der soll das werden!“ In einer für damali- Engländer und Amerikaner sind zu ge Verhältnisse typischen Vermengung erwarten.“ 1944 erhielt Bergrat von kirchlicher und propagandistischer NS- Scotti das Kriegsverdienstkreuz, das Floskeln schrieb er weiter: „Wo bleibt übrigens in dieser Form 140.000mal die Erfüllung der Verheißung Friede auf verliehen worden ist, also nicht als Erden?! Es scheint, wir müssen diesen außergewöhnlich zu betrachten ist. Frieden uns und anderen erst erzwingen Bei seinem Dankschreiben an den mit Mut und Gottvertrauen.“ Oberberghauptmann bediente er sich der damals typischen Floskeln und Der anfangs gezeigten Zuversicht in zeigte damit eher förmliche Distan- die militärische Stärke Deutschlands ziertheit.

137 5.8. Familie, Wohnungen, mannslieder singend und mit Marsch- Privatleben und Kollegen musik von drei mitmarschierenden Bergkapellen zur Wohnung der Fami- Bergrat von Scottis Beliebtheit bei lie von Scotti, um Bergrat von Scotti der Belegschaft und bei seinen Mitar- eine „Bergmännische Aufwartung“ zu beitern zeigte sich beispielhaft, als er machen. Das war eigentlich nur zu 1934 im Zuge der zusätzlichen Über- Ehren des Besuchs königlicher Fami- nahme der Leitung des Rammelsbergs lienoberhäupter üblich und bergmänni- mit seiner Familie von Bad Grund sche Aufwartungen hatte es „seit einem nach Goslar umzog. Etwa 800 Mann Menschenalter“ in Bad Grund nicht der Belegschaften der Gruben Berg- mehr gegeben, wie in einem, wenige werkswohlfahrt und Hilfe Gottes und Tage später erschienenen Zeitungsarti- viele Bergleute aus Wildemann und kel zu lesen ist. An den Straßenrändern Lautenthal trafen sich am Abend des standen viele Einwohner. Bergassessor 28. April 1934 eigens zu diesem Anlass Ehring und ein Vertreter der Beleg- in Bergmannsuniform und mit brennen- schaft hielten eine Rede. Bergrat von den Grubenlampen am Bahnhof von Scotti war sichtlich tief gerührt. Bad Grund und marschierten Berg- Die Familie von Bergrat von Scotti zog, nachdem er seinen Dienst im Mai 1934 in Goslar angetreten hat- te, allerdings erst Anfang November 1934 nach Goslar, und zwar vorüber- gehend erst einmal in eine Wohnung im „Direktorhaus am Rammelsberg“, Bergtal 8, aber schon im selben Jahr in das Haus im Nonnenweg 19, wo sie auch bis zum Kriegsende blieb.

Die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg brachte der Familie viele Verbesserun- gen ihrer Lebensverhältnisse. Ein äuße- res Zeichen dafür war der Kauf eines PKW der Marke „Wanderer“. Private Autos waren zu dieser Zeit (1935) ein noch recht seltener Luxus, zumal, wenn sie selber gefahren werden sollten und nicht durch einen eigens dafür ange- stellten Chauffeur. Bergrat von Scotti schloss deshalb einen sogenannten Her- Abbildung 5.8.a.: Bergrat von Scotti und renfahrervertrag ab, der ihn berechtigte, Bergassessor Franz Ehring, Bergfest Bad das Auto selber zu fahren. Die Familie Grund 1934 genoss die regelmäßigen Ausfahrten.

138 Abbildung 5.8.b.: Bergmännische Aufwartung für Bergrat von Scotti, Artikel in der Goslarschen Zeitung, 1934

Besonders erwähnenswert ist die Zeiten des Fronteinsatzes von Berg- fortschrittliche Einstellung der Familie assessor von Scotti recht resolut die von Scotti hinsichtlich der Gleichstel- Familienorganisation übernommen und lung von Frauen. Addi hatte ja schon in der Zeit danach aktiv notleidende während des Ersten Weltkrieges zu Frauen der Bergleute der Berginspek-

139 Abbildung 5.8.c.: Erika von Scotti vor dem Direk- torenwohnhaus Bergtal 8, Blick nach Nordosten, 1934 tion Grund unterstützt. Noch deutli- München, Jena und Heidelberg Medi- cher zeigte sich diese Einstellung zur zin, erhielt 1940 ihre Approbation und Gleichberechtigung von Frauen darin, bestand im selben Jahr ihre Doktorprü- wie aufgeschlossen Bergrat von Scotti fung. Ihre Schwester Erika studierte in und seine Frau den Wünschen Ihrer Heidelberg und wurde Dolmetscherin. beiden Töchter gegenüberstanden, zu studieren. Das war damals noch ganz Bergrat von Scotti unternahm vom und gar nicht selbstverständlich. 02. bis 15. April 1935 eine Erholungs- reise mit seiner Tochter Hildegard mit Hildegard hatte schon während ihrer dem Dampfer „Columbus“. Die Reise Ausbildung zur Krankenschwester ging von Lissabon über Gibraltar, Tan- ihren Wunsch geäußert, Medizin zu ger, Tetuan und Teneriffa nach Madeira. studieren und wurde dabei von ihren Im Sommer machte die Familie Urlaub Eltern unterstützt. Sie studierte darauf- auf Wangerooge. Andere Erholungsrei- hin ab 1935 nacheinander an den Uni- sen führten zum Beispiel vom 28. Mai versitäten Göttingen, Freiburg, Kiel, bis 11. November 1937 nach Gastein/

140 Abbildung 5.8.d.: Direk- torenwohnhaus Bergtal 8, heutiges Luftbild

Abbildung 5.8.e.: Woh- nung Nonnenweg 19, 1943

141 Abbildung 5.8.f.: Wohn- haus Nonnenweg 19, heu- tiges Luftbild

Österreich (verbunden mit Bergwerks- „am 25. Februar abends Hasts, Bodi- befahrungen) und Partenkirchen sowie fées und Hubers nach dem Abendes- vom 18. April bis 10. Mai 1939 nach sen bei uns.“ und „am 26. Dezember Sestri Levante/Italien. sind wir bei Bodifées, wo wir auch den Silvesterabend feiern.“ 1942 ver- Die Familie von Scotti traf sich oft brachte Familie von Scotti den Ersten mit befreundeten Familien. Bergrat von Weihnachtsfeiertag bei Familie Bodi- Scotti schrieb 1939 in sein Erinne- fée, am Zweiten kam Familie Bodifée rungsbuch: „unsere Freunde Bodifées zu von Scottis. 1942/43 war Familie waren am 25.12. zum Abendessen bei Hast Silvester bei Familie von Scotti, uns.“ Über das Jahr 1941 schrieb er: Hasts, aber nur bis 23 Uhr, weil Frau

Abbildung 5.8.g.: Töchter und Ehefrau von Scotti im PKW Wanderer., 1936

142 Abbildung 5.8.h.: Bergrat von Scotti mit Frau und Tochter

Hast hochschwanger war. 1943/44 war See-Kämpfen beteiligt. Er erhielt 1942 Familie Bodifée Silvester zu Besuch das Deutsche Kreuz in Gold und 1943 bei Familie von Scotti und am Ersten das Ritterkreuz. Bruder Hellmut war Weihnachtsfeiertag waren von Scottis 1942 Oberstleutnant geworden und 1943 bei Familie Bodifée. Oberst der Panzerartillerie.

Die Brüder Fritz, Walter und Hellmut Die Tochter Hildegard heiratete im und der Sohn Hans waren ab 1939 im Januar 1942 den Arzt Herbert Kocha- Krieg. Der Sohn Hans war 1940 Ober- nowski. Der „Vorabend“ wurde in Gos- leutnant und Batterieführer an der West- lar im Hotel Niedersachsen gefeiert front, erlitt 1941 eine Kriegsverletzung und die Hochzeit im Haus Nonnenweg und 1942, nun schon als Hauptmann, 19. Sie blieb bei ihren Eltern in Goslar, zwei weitere. Er heiratet 1942 Gisela bis ihr Mann nach dem Kriegsende von Waldow. 1943 wurde er Ordonnanz- zurückkehrte. Am 22. Oktober 1942 offizier. Bruder Fritz war 1942 als Gene- wurde ihr Sohn Hans-Alfred geboren. ralleutnant Divisionskommandant der Bergrat Karl Bodifée wurde sein Paten- Infanterie und an den schweren Ladoga- onkel.

143 Abbildung 5.8.i.: Bergrat von Scotti mit Ehefrau und beiden Töchtern

Im Verlaufe der letzten beiden Das führte zu sehr beengten Wohnver- Kriegsjahre wurde die Wohnung im hältnissen. Bergrat von Scottis Bru- Nonnenweg 19, in der Familie von der Hellmut wollte 1944, dass seine Scotti mit Kindern und Enkeln wohn- Familie nicht länger in Idar-Oberstein te, nach und nach Anlaufpunkt für bleibt. Sie wurde in Goslar von Familie einen großen Teil der weiteren Familie. von Scotti aufgenommen. Weihnachten

Abbildung 5.8.j.: Familie von Scotti 1938 im Nonnenweg 19

144 Abbildung 5.8.k.: Addi und Hans-Hermann von Scotti 1940

1944 wohnten im Haus Nonnenweg In der Nacht vom 10. zum 11. April 19: 1945 wurde das Haus, in dem Familie von Scotti wohnte, von 15 US-amerika- • das Ehepaar Bergrat von Scotti, nischen Soldaten besetzt, um sich von • Tochter Hildegard mit ihrem Sohn dort aus mit deutschen Truppen, die im Hans-Alfred (ihr zweiter Sohn oberhalb liegenden Waldgebiet lagen, Roland war bereits am 02. Februar Schusswechsel zu liefern. Ein Schuss 1944 im Alter von nur wenigen traf in das Badezimmer. Die Soldaten Tagen verstorben) quartierten sich für zwei Tage in Berg- • Tochter Erika mit Mann und zwei rat von Scottis Arbeitszimmer ein. Kindern, • Sohn Hans mit Frau Gisela und Am 12. April 1945 ging eine Gruppe Sohn Hubertus, geboren am 29. US-amerikanische Soldaten mit zwei Februar 1944 in Woldenberg/Neu- Geschützen im Garten neben dem Haus mark, in Stellung. Diese Einheit, ein US-Leut- • Bruder Hellmut mit Frau und zwei nant mit 30 Soldaten, quartierte sich im Kindern und Haus ein. Der Leutnant verlangte von • eine Hausgehilfin. der Familie von Scotti, das Haus inner- halb einer Stunde zu verlassen. „Lebens- Bruder Walters Wohnung in Köln war mittelvorräte, Koffer und Körbe voller ausgebombt worden und Irmgard, Wal- Sachen wurden in das Preußag-Büro- ters Frau, stand am 13. März 1945 bei haus im Nonnenweg 14 geschleppt.“ Familie von Scotti in Goslar „vor der Von Scottis schliefen „gegenüber bei Tür“. Zwischenzeitlich hatte sie in einem Familie Weber, die anderen bei Hasts, Behelfswohnheim gewohnt. Sie wurde teils im Luftschutzkeller.“ herzlich aufgenommen. Walter ist am 31. März 1945 im Range eines Oberstleut- Nach zwei weiteren Tagen durfte nants in Winterscheid gefallen. Familie von Scotti wieder in ihr Haus

145 Abbildung 5.8.l.: Die sechs Enkelkinder in Goslar, 1944, Originalbe- schriftung. Jan Peter und Klaus-Henning Oberberg sind die Kinder Erika von Scottis. Michael und Regina sind die Kinder Hans von Scottis. Hans- Alfred und Roland sind die Kinder Hildegard Kochanowskis. zurück. „Addi hatte 14 Tage zu schuf- das Doppelte angewachsen. Goslar war ten, bis es wieder ungefähr im alten Ziel für viele Flüchtlinge aus den östli- Zustand war. Einige Andenken waren chen Gebieten Deutschlands, denn die von den Soldaten mitgenommen wor- Stadt war unzerstört geblieben und lag den“ und auch der PKW Wanderer dicht hinter der Ost-West-Zonengren- „verschwand“ in der unmittelbaren ze. Die ebenfalls unzerstört gebliebe- Nachkriegstagen. Am 28. April 1945 nen Großbetriebe schienen Vielen als musste Familie Hast erneut aus ihrer zukünftige Arbeitgeber in Frage zu Wohnung ausziehen. kommen. Das gestaltete die Verhältnis- se ziemlich kompliziert. 6. Nachkriegszeit 6.1. Neuorganisation der Nach dem politischen und militäri- Preußag schen Zusammenbruch Deutschlands übernahmen die alliierten Besatzungs- Bereits Anfang Februar 1945 hat- mächte die Kontrolle und Verwaltung te die Berliner Hauptverwaltung der des öffentlichen Lebens. Die Bevöl- Preußag für den Fall der sowjetischen kerung in und um Goslar war fast auf Besetzung Berlins ihren Zweignieder-

146 lassungen in Barsinghausen-Obern- Vorsitzender wurde Hermann Breken- kirchen, in Berkhöpen (Ortsteil von feld, sein Stellvertreter Otto Klewitz. Edemissen, Landkreis Peine) und in Beide wurden vom Aufsichtsrat in Goslar Handlungsvollmachten erteilt. den Vorstand delegiert. Brekenfeld In den letzten Apriltagen stellte sie musste im Oktober 1945 allerdings alle Aktivitäten ein. schon wieder ausscheiden wegen Inhaftierung durch die sowjetischen Generaldirektor Wisselmann ver- Besatzungsbehörden. Neuer Vorsit- suchte noch eine Weile mit seinen zender wurde Hermann Schilling (bis engsten Mitarbeitern, unter ihnen 1959), der eigentliche Betreiber des Bergassessor a. D. Busch, in seiner Wiederaufbaus und des Umzugs der privaten Villa am Hohenzollerndamm VEBA nach . 1946 kamen die dringendsten Angelegenheiten der Otto Brüning und Bergrat Hans Loeb- Preußag zu regeln. Einige von ihnen ner in den Vorstand. Seit April 1946 wurden im April 1945 bei einem war die Berliner Hauptverwaltung Artilleriebeschuss so schwer verletzt, wieder aktiv. dass sie in ein Krankenhaus einge- liefert werden mussten. Kurzerhand Die Besatzungsmächte hatten die ließen sie ihre Akten ins Krankenhaus eigentliche Macht über die Preußag bringen, um dort weiterarbeiten zu und übertrugen sie Anfang 1946 einer können. Treuhandverwaltung. Treuhänder für die in Goslar geschaffene Ausweich- Anfang Mai 1945 wurde bei den stelle der Berliner Preußagzentrale UHBW in Goslar die eigentliche neue wurde Vorstand Hans Loebner und ab Preußagzentrale etabliert unter der März 1947 Hermann Brekenfeld. Der Bezeichnung „Geschäftsführende Oberpräsident von Hannover richtete Hauptverwaltung“, ab August 1946 einen Preußaghauptbeirat, eine Art „Werksgruppe West“ genannt. Hier Aufsichtsrat, unter Vorsitz von Schil- sammelten sich die Mitarbeiter aus ling ein und Beiräte für die einzelnen Berlin und den anderen Niederlas- Werke. Das betraf allerdings nicht die sungen. Hier entstanden auch die Kohle- und Erdölbetriebe der Preuß- Abwicklungs- und Auffangstellen ag. Für sie gab es gesonderte Rege- für die verloren gegangenen Werke. lungen der Alliierten. Sogar die Bor AG hatte noch für meh- rere Jahre ihren Sitz in Goslar. Bis zum Kriegsende waren die Betriebe des Metallbereichs der Erst Anfang August 1945 konstitu- Preußag auf Subventionen und För- ierte sich in Berlin wieder ein neuer derprämien angewiesen, die nun fehl- Preußagaufsichtsrat. Die ehemaligen ten. Das verhinderte ein wirtschaft- Vorstandsmitglieder Wisselmann, von liches Arbeiten und änderte sich erst Velsen und Alsleben wurden wegen 1947 durch eine amtlich verordnete zu intensiver Zusammenarbeit mit Metallpreisanhebung. Die Lage bes- dem NS-Regime abberufen. Neuer serte sich damit allmählich.

147 Im November 1947 fand erstmals in ben, besuchen täglich die umliegenden Hannover eine Aufsichtsratssitzung der Domänen und Güter, schlachten viel, Preußag statt. Dort fanden auch nach kommen schwer bepackt mit blutigen und nach die wichtigsten Aktivitäten Säcken die Rammelsberger Straße hin- des Konzerns statt. Berlin blieb aus auf. Angestellte auf dem Berg und in politischen Gründen nominell Sitz der der Nähe besonders nachts in steter Hauptverwaltung. Man wollte nicht Gefahr und Unruhe …. unter Tage eine durch eine Verlegung in eine andere verschlossene Kammer aufgebrochen, Besatzungszone politische Probleme in der Koffer mit persönlichen Dingen heraufbeschwören. Außerdem sollte höherer Angestellter lagen, auch aus die Beibehaltung des Berliner Haupt- den Preußagbetrieben in Rüdersdorf. verwaltungssitzes den Anspruch auf Alles war durchwühlt. Was übrigge- die Preußagbetriebe in der sowjetisch blieben war, wurde von Betriebsange- besetzten Zone, sowie in den unter hörigen in unser Haus im Nonnenweg polnische und sowjetische Verwaltung 19 gebracht, damit die Eigentümer sich gestellten Gebieten unterstreichen. dort ihre Sachen heraussuchen können. … Der amerikanische Kommandant 6.2. Zustand und Entwicklung tut, was er kann, um die Lebensmittel- der Erzbergwerke Rammels- versorgung der Stadt sicher zu stellen.“ berg und Bad Grund Im Mai 1945 wurde aus den nord- Das Ende des Zweiten Weltkriegs westdeutschen Gebieten einschließlich hatten Goslar und das Erzbergwerk des Westharzes die britische Besat- Rammelsberg nahezu unbeschadet zungszone gebildet. Die UHBW wur- überstanden. Die Erzförderung und den der britischer Zwangsverwaltung -aufbereitung waren bis zum Tage des unterstellt. In Goslar bezog ein briti- Einmarschs der amerikanischen Trup- scher Offizier, der die Befehlsgewalt pen weitergelaufen. über die UHBW übertragen bekommen hatte, ein Büro in dem Preußaggebäu- Am selben Tag hielten sich mehrere de im Schieferweg. Über ihn liefen hundert Russen an der Frankenberger nun alle wichtigen Entscheidungen, die Kirche auf, die vermutlich aus ehema- den Rammelsberg betrafen. Mitte Juni ligen Kriegsgefangenenlagern gekom- 1945 genehmigte die britische Mili- men waren. Bergrat von Scotti schrieb: tärregierung die Wiederaufnahme des „Wenige Tage später besetzten sie das Betriebs am Rammelsberg. neue Verwaltungsgebäude des Ram- melsbergs. Die Zimmer des schönen Die britische Militärregierung wollte neuen Verwaltungsgebäudes wurden einen Lagebericht zur deutschen Nicht- belegt und alles war bald in einem unbe- eisenmetallwirtschaft und ordnete am schreiblichen Zustand.“ Akten aus dem 10.10.1945 die Bildung eines Advisory Betriebsarchiv wurden zum Heizen Committee Non Ferrous Metals an. verwendet. „Verproviantierungstrupps Erster Präsident wurde Bergrat Hast. schwärmen täglich aus, plündern, rau- Beteiligt wurden Unternehmen der

148 Bereiche Bergbau, Halbzeuge, Handel Betrieb aufrecht zu erhalten, weil sie und Guss. ihren Arbeitern keine Schwerstarbei- terzulage zahlen durften. Deswegen Das Rammelsbergprojekt war zwar wollten dort weniger Neueinsteiger bis zum Kriegsende weitgehend abge- anfangen als im Bergwerk, das diese schlossen. Die Trommelwelle für die Zulage zahlte, einschließlich besserer Fördermaschine des Richtschachts Lebensmittelkarten. Gerade Letzteres fehlte aber noch. Sie lag beim Herstel- war damals ein sehr wichtiges Argu- ler, einer Maschinenbaufirma in Nord- ment. hausen. Die Welle konnte im letzten Moment über die eigentlich bereits 1947 traten außerordentlich viele geschlossene Interzonengrenze gelie- Arbeitsunfälle auf. Selbst kleinere Ver- fert werden. letzungen führten wegen Entkräftung und schlechten Gesundheitszustands zu Ende Juni 1945 hatte das Erzberg- längerer Krankheit. Kleinere Wunden werk Rammelsberg bereits wieder 420 entzündeten sich oft bösartig. Mann Belegschaft, Ende 1945 waren es schon 543 Lohnempfänger und 57 Im Bergwerk traten auch Probleme Angestellte. Es wurde ein provisori- auf, die mit den Verhältnissen im gera- scher Betriebsrat gebildet, der sich vor de beendeten Krieg zusammenhingen. allem um die geregelte Wiederaufnah- Im Krieg waren besonders die leicht me der Produktion und die Linderung erreichbaren Erzpartien abgebaut wor- des Mangels an Nahrungsmitteln und den. Nun mussten die arbeitsintensiven Kleidung bemühte. Deckelstöße und Restpfeiler angegrif- fen werden. Außerdem waren unter Der Jahresbericht für 1946 schildert Tage seit 1939 kaum noch systema- die damaligen Probleme. Die vorgese- tische Aus- und Vorrichtungsarbeiten hene Förderung konnte wegen Arbeits- durchgeführt worden, besonders auf kräftemangels und besonders wegen der 10. Sohle. Dazu kamen Vorberei- Frost nicht erreicht werden. Die feuch- tungen für einen Nachlesebergbau im ten Erzkonzentrate waren in den Trans- Alten Lager und das Weiterteufen des portwagen festgefroren. Richtschachts bis zur 12. Sohle als Fortführung des Rammelsbergprojekts Der Grubenbetrieb hatte 1947 immer – alles unproduktive Arbeiten. 1947 noch zu wenig Arbeitskräfte, obwohl wurde deshalb nur eine Roherzförder- die Belegschaftsstärke von 739 auf leistung von etwas mehr als 72.000 t 850 Mann gesteigert, viele neue Leute erreicht, 1946 waren es noch 103.000 t angelernt und verstärkt Lehrlinge aus- gewesen. gebildet wurden. Es traten zeitweise Probleme bei der Energie- und Was- Im Erzbergwerk Grund sah es ähn- serversorgung auf. Zudem konnten die lich aus. Der Ort Bad Grund war am Hütten die Erzkonzentrate nicht immer 11. April 1945 von US-amerikanischen abnehmen. Sie hatten Probleme, ihren Truppen besetzt worden. Die Betriebs-

149 Abbildung 6.2.: Grube Hilfe Gottes 1950 leitung stellte die Erzförderung ein, schleiß gefahren worden waren und bemühte sich aber um eine notdürfti- oft Engpässe bei der Versorgung mit ge Aufrechterhaltung von Wachdienst, Betriebsstoffen und Ausrüstungsgegen- Wasserhaltung, Elektroenergieversor- ständen auftraten. 1947 wurden mit gung und Betrieb von Fördermaschi- 942 Mann Belegschaft etwas mehr als nen und Telefonanlage. 70.000 t Erz gefördert.

Im April und Mai 1945 nahm die 6.3. Funktionen und Aufgaben Belegschaft die Arbeit in geringem Bergrat von Scottis, Mitarbeit Umfang wieder auf, auch wenn das in überbetrieblichen Gremien die Militärregierung erst am 08. Okto- ber offiziell genehmigte. Im Novem- Schon Ende April 1945 führte Berg- ber 1945 brach die Firste in einem rat von Scotti erste Besprechungen Abschnitt des Ernst-August-Stollens. mit der Industrie- und Handelskammer Daraufhin soff die Grube zeitweise bis über den Betrieb der Erzbergwerke einschließlich der 13. Sohle ab. Rammelsberg und Grund, über Lohn- gelder und so weiter. Aber bereits am Ende 1945 waren von den nomi- 23. Juni 1945 wurde er fristlos ent- nell 811 Belegschaftsmitgliedern nur lassen. Er selber nannte als Grund 648 wieder im Betrieb. 1946 bis 1948 dafür: „auf Intrige Kapust, durch Ver- konnte das ohnehin niedrig angesetzte anlassung des sogenannten Zwölfer- Fördermengenziel nicht erreicht wer- ausschusses vom Mil.Gov.“ (Militär- den. Gründe dafür waren vor allem, gouverneur). Bereits am 07. Juli 1945 dass es zu wenig junge Leute gab, die wurde er wieder zu seiner bisherigen Versorgung der Belegschaft schlecht Arbeit zugelassen, dann am 26. August war, die Anlagen jahrelang auf Ver- 1945 wieder entlassen als nicht tragbar,

150 Abbildung 6.3.a.: Brief der Preußaghauptverwal- tung über Ausscheiden Bergrat von Scottis 1945 wegen seines Titels „Bergrat“, der von Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen zu den Briten fälschlich als militärischer können. Bergrat von Scottis grundsätz- Dienstgrad/Dienststellung aufgefasst liche Eignung, auch mit Hinblick auf wurde. Nach acht Tagen erhielt er die seine im Dritten Reich übernommenen Erlaubnis, seine bisherige Arbeit wie- Aufgaben und Funktionen, wieder die deraufzunehmen. Harzer Preußagwerke leiten zu können, stand nicht zu Diskussion. Gegen seine Weiterbeschäftigung kam kurz darauf von einer anderen, von Bergrat von Scotti zog daraufhin ihm unerwarteten Seite Widerstand, die Konsequenz, von sich aus in Pen- vom Betriebsrat. Der bestand grund- sion zu gehen. Er war „mit Nerven sätzlich auf einer pünktlichen Pensi- und Gesundheit sehr herunter“, wie er onierung nach Erreichen des entspre- schrieb, und erhole sich nur langsam. chenden Alters. Im Falle Bergrat von Ende 1945 wurde er von der proviso- Scottis wäre das schon zum 01. Juni rischen Preußaghauptverwaltung nach- 1945 gewesen. Er hatte eigentlich auch drücklich gebeten, sich als Geschäfts- nur noch eine Zeitlang wegen der Wie- führer zur Verfügung zu stellen, zumal derinbetriebnahme der Erzbergwerke eine erneute politische Überprüfung weiterarbeiten wollen. Der Betriebsrat zu einem günstigen Ergebnis geführt argumentierte, es müsse darauf geach- hatte. Nun folgten noch Auseinander- tet werden, den vielen aus dem Osten setzungen zwischen der Konzernlei- Deutschlands Vertriebenen eine Arbeit tung und dem Betriebsrat, der sich mit bieten und den jüngeren Mitarbeitern der Entscheidung der Konzernleitung,

151 Abbildung 6.3.b.: Brief der Preußaghauptverwal- tung über Wiederaufnah- me der Arbeit Bergrat von Scottis 1946

Bergrat von Scotti weiterzubschäfti- bereits 1945 wieder angelaufen und gen, übergangen fühlte. Bergrat von die Hüttenbetriebe arbeiteten auch, Scotti zögerte vorerst noch und ent- aber nur „hinkend“ und mit sehr hohen schied sich dann, erst ab Januar 1946 Betriebskosten, die die Einnahmen „wieder mittun“ zu wollen. erheblich überstiegen.

So geschah es dann auch. Das Jahr Am 02. Januar 1946 bekam Bergrat 1946 brachte für ihn nach eigener von Scotti „vom 214(K) Mil.Gov.Det.“ Aussage große Enttäuschungen. Er die Bestätigung, als Geschäftsführer beklagte in seinem Erinnerungsbuch weiter arbeiten zu dürfen. Sein Arzt „die Zerteilung Deutschlands in vier stimmte dem auch zu. Was Bergrat gegeneinander abgeschlossene Zonen von Scotti nicht vorhergesehen hatte, wirkte sich katastrophal aus. Die war das Ausscheiden von Bergrat Hast, Kohleversorgung war trostlos, die mit dem er zusammen die Geschäfts- Ernährungslage völlig unzureichend. führung der Harzer Berg- und Hütten- Demontagen und Stilllegungen seitens werke GmbH innehatte. Bergrat Hast der Militärregierung.“ Der Harzer Erz- wurde am 14. März 1946 von der bergbau war zwar nach seiner Aussage britischen Militärverwaltung seines

152 Abbildung 6.3.c.: Die Herren Konitzer, von Scotti und Rauschenberger (letzterer aus dem Ruhrbergbau und nur besuchsweise in Goslar)

Postens enthoben und für die Zeit der Seit Ende Juni 1945 durfte auch vorgesehenen Entnazifizierung in Wol- Bergassessor a. D. Huber, der das Erz- fenbüttel inhaftiert. Bergrat von Scotti bergwerk Rammelsberg seit einigen war nun auf unbestimmte Zeit wieder Jahren geleitet hatte, keine leitende alleiniger technischer Geschäftsführer, Funktion mehr ausüben. Seine ehema- was „ihm zu seinem Arbeitsbereich ligen Aufgaben übernahm Bergrat von eine ganz wesentliche Mehrbelastung Scotti zusätzlich zu seiner Geschäfts- brachte und erhöhte Verantwortung führertätigkeit. Der Betriebsrat stimm- auferlegte.“ Neben ihm gab es in der te dem ausdrücklich in einem entspre- Geschäftsführung noch einen kauf- chenden Schreiben an die britische männischen Geschäftsführer. Diese Militärverwaltung zu. Stelle war mit dem kaufmännischen Direktor Heydemann besetzt. Auch Der Betriebsrat bekam erhebliche Bergrat Bodifée, der langjährige per- Mitspracherechte in der Betriebsfüh- sönliche Freund der Familie von Scotti rung, was Bergrat von Scotti nicht und enge Mitarbeiter in der Betriebs- gewöhnt war und ihm sehr zu schaffen führung des Rammelsbergs wurde im machte. Der Vorsitzende des Betriebs- Juli 1945 inhaftiert. Er musste wegen rats Wiedeholt wurde für Bergrat von seiner SS-Zugehörigkeit und seiner Scotti ein schwieriger aber geachteter Aufgaben als Abwehrbeauftragter in Partner bei der Betriebsführung. Die- das Internierungslager Westerheim und se Achtung war beiderseitig. Am 02. kam erst recht spät wieder zurück in April 1947 schrieb der „Betriebsrat der die Geschäftsführung der UHBW. Direktion der Harzer Berg- und Hütten-

153 Abbildung 6.3.d.: Entna- zifizierungsentscheidung, 1948 werke GmbH Goslar an den Kreis-Ent- „Spannungen“, in deren Folge Direk- nazifizierungsausschuss Goslar-Stadt“ tor Heydemann ausschied und durch über Bergrat von Scotti: „... nie akti- Dr. Konitzer ersetzt wurde. Zusätzlich vistische Haltung für das Naziregime war 1946 Regierungsrat Hedermann gezeigt oder auch nur erkennen lassen als Geschäftsführer und Arbeitsdirek- … hat niemand geschädigt … oder tor in den Vorstand berufen worden. denunziert … vornehme Gesinnung Bergrat von Scotti schrieb über das … allgemein beliebt.“ Das ist umso Jahr 1947, es wäre für ihn eine schwie- bemerkenswerter, als der Betriebsrat rige Zeit gewesen. über andere leitende Mitarbeiter des Erzbergwerks Rammelsberg durchaus Über die Versorgungslage schrieb sehr negativ geurteilt hat. er, sie wäre 1947 immer noch schlecht. „Das Bergwerk hat guten Zulauf an 1947 kam es innerhalb der Geschäfts- Bergleuten.“ Die Bevölkerung bestand führung zu nicht näher beschriebenen zeitweise fast zur Hälfte aus Ostver-

154 Abbildung 6.3.e.: Silber- becher von Bergrat von Scotti triebenen. Positiv wirkte sich aus, dass an die Entnazifizierungskommission. „die Metallpreise anziehen. Wenn die Bereits drei Tage später entschied die Produktion gesichert werden könnte, Kommission im schriftlichen Verfah- ließen sich damit die Betriebe aus der ren auf „entlastet (Kat. V)“. Diese Not herausziehen.“ Entscheidung wurde am 29. Dezember 1948 rechtskräftig. Ein entsprechen- Aber auch Bergrat von Scotti holte des Schreiben der Kommission ging seine Vergangenheit ein, wenn auch bei Bergrat von Scotti am 22. Januar in vergleichsweise glimpflicher Form. 1949 ein. Im Februar 1948 erhielt er von der „Militärregierung einen Einreihungs- Bereits kurz nach dem Krieg wur- bescheid in ein Entnazifizierungsver- de der Fortbestand der Fachgruppe fahren.“ Danach ereignete sich in die- Metallerzbergbau von den vormals ser Angelegenheit zehn Monate nichts. (im Dritten Reich) Beteiligten als not- Erst am 18. Dezember 1948 folgte wendig betrachtet, um den Wieder- ein „Antrag des Öffentlichen Klägers beginn des Betriebs in den einzelnen auf Verfahren zur Entnazifizierung“ Blei und Zink erzeugenden Werken

155 Abbildung 6.3.f.: Boden des Silberbechers mit eingraviertem Namen von Scotti zu koordinieren und damit zu erleich- Vertreter des Metallerzbergbaus, die tern. Das erste Treffen fand im Herbst insgesamt mehr als zwanzig Bergwer- 1945 in Marburg statt. Die Leitung ke vertraten. übernahm wieder Bergrat Hast. Er stellte daraufhin bereits 1945 bei der Die Roundtablekonferenz bewährte Militärverwaltung einen Antrag auf sich so gut, dass sie trotz der am 05. Verbandsgründung, die jedoch nicht Januar 1946 durch die britische Mili- genehmigt wurde. Daraufhin trafen tärbehörde letztlich doch genehmigte sich die Mitglieder ohne offizielle Gründung der Wirtschaftsvereinigung Organisationsstruktur. Das zweite Nichteisen-Metalle weiter bestehen Treffen fand im Winter 1945/46 in blieb. Man traf sich mehrmals pro Jahr Nievenheim bei Neuss statt. Auch „in geselliger Runde“ zum Gedanken- Bergrat von Scotti war nun wieder austausch und besprach gemeinsame dabei. übergeordnete Probleme. Aufgenom- men wurden später auch maßgebliche Ein großer Teil der Mitglieder konn- Personen des Bundeswirtschaftsmi- te allerdings bei den 1946 folgenden nisteriums und anderer Wirtschafts- Zusammenkünften wegen laufenden vereinigungen. Erstmalig 1953 verlieh Entnazifizierungsverfahren nicht mehr dieser Kreis an verdiente Mitglieder teilnehmen. Am 04. Januar bekamen einen Silberbecher. Seitdem ist für die die Treffen dann aber doch eine offi- Teilnehmer dieser Zusammenkünfte, zielle Form mit der Gründung der Ver- die übrigens noch heute stattfinden, einigung Deutscher Metallerzbergbau der Begriff „die Silberbecherfreunde“ in Nievenheim, allerdings nicht wie üblich, auch rückwirkend für die Zeit geplant als Fachvertretung, sondern von 1945 bis 1953. Auch Bergrat von nur als Roundtablekonferenz. Grün- Scotti erhielt einen solchen Silberbe- dungsmitglieder waren sieben leitende cher.

156 Zitat aus der Silberbecher-Chro- „ist´s nötig, dass etwas geschehe, nik, freundlicherweise zur Verfügung denn der herrliche Bergbau, gestellt vom heutigen Präsidenten der der Erze vom Blei und vom Zink Silberbecherfreunde, Professor Fried- trotzt der Erde ab, rich Wilhelm Wellmer: er liegt gewaltig darnieder“.

Die Entstehungsgeschichte der Ver- Hurtrig und mit Donnerpolter einigung wurde anlässlich der 40. enteilte sofort Friedrich August, Wiederkehr des Gründungstages beim reiste nach Minden und Frankfurt, Treffen in Goslar im Jahre 1986 vom der Zwingburg der fremden Eroberer. unvergessenen Silberbecherfreund Und seine Reise, die gleicht Hermann Meffert in eindrucksvoller der Irrfahrt des wack´ren Odysseus. und erheiternder Weise als Heldenepos … vorgetragen: Doch weder die Herrn von der Themse, noch ebenso die aus Missouri … zeigten sich irgend geneigt, Als der grausame Krieg dem Wack´ren sonst wie zu helfen. geendet, Berlin war gefallen, Äußerstenfalls sei´s gestattet, Briten und Irokesen, ´nen kleinen Verein mal zu gründen. Kirgisen und Aserbaidschaner fern aus dem Reich des Ostens Als diese Worte entfloh´n und fern von den Antipoden dem Munde des mächt´gen Erob, beherrschten das Land uns´rer Väter, enteilte der Sendbote flugs, das durch Krieg schwer verwüstet, um den Helden die Kunde zu bringen. und wie viele entronnen Und er rief sie zusammen des Krieges grauenvoller Vertilgung, rings im verwüsteten Lande. niemand wusst´ es zu sagen, es fehlte der Bote, die Nachricht. „Nievenheim ist eine Stätte, Rings im Lande verstreut dem Land der Phäaker vergleichbar, irrten die Helden umher, an den Gestaden des Rheinstroms, wie der göttergleiche Odysseus, des reißenden Flusses im Westen. nachdem er Ilios verlassen. Dorthin lasset uns eilen, besagten Verein nun zu gründen.“ Als sich im Jahr fünfundvierzig im Winter die Sonne gewendet, Hurtig eilten herbei sieht man den redlichen Hast auf widrigen Wegen die Helden, mit Spriestersbach, seinem Vertrauten, trotzend des Winters Gewalt mühsam nach Marburg zieh´n, und eisig klirrender Kälte. wo fern der Welt im Refugium Koffer besaßen sie nicht, herrscht der listenreiche zum Aktentransport diente der Genosse Friedrich August. Rucksack, der auch die Nahrung bewahrte, „Anitzo“, so klang ihre Rede, ein gelbliches Maisbrot mit Aufstrich,

157 aus dem bräunlichen Nährsaft der Doch all die anderen Helden, Rübe. sie irrten erneut durch die Lande. Was die Verstreuten getrieben, Schließlich trafen sie ein, verkündet nur lose die Fama. man schrieb nun das Jahr sechsund- Soviel lässt sich nur sagen, vierzig, ein jeder der wack´ren Helden am vierten Tage des Frostmonds, hat sich dem Wunsch der Eroberer in Nievenheims schützender Hütte, entsprechend beruflich gewandelt. Paul Ferdinand, Hermann, Matthias, Franz, Rudolf und Friedrich August. Langsam kehrten sie heim, (Pickerneil, Bock, und Franz Ehring, dem verderbenden Schicksal. Hast, Falk und der edle Roeb). Langsam, noch langsamer doch Sie gründeten nun mahlen die Mühlen im Ausschuss, nach erstem Gespräch unter Männern, der die Helden entschlackt jenen hehren Verein, von dem Odem des Bösen. der noch heute bekannt ist. Jahre später danach, … man schrieb das Jahr 48, Doch als die Helden gemeinsam waren sie endlich erneut die gastliche Stätte verlassen, und vollständig versammelt zürnten die Götter erneut und man beschloss in Goslar, den leidgeprüften Genossen, im Herbstmond des selbigen Jahres denn nur selten lässt weiter in Frieden zu führen der blindlings wütende Kriegsgott die trefflich gute Verein´gung, tapf´re Streiter verschont, die von Freunden bewahrt auch wenn sie dem Schwerte gegen alle Schläge des Schicksals. entronnen. 6.4. Wohnungen, Familie und Als ersten ergriffen sie Hast, Privatleben den tapf´ren Rufer im Streit wähnend, er habe verborgen Weihnachten 1945 schrieb Bergrat viel Geld vor den Blicken der von Scotti in sein Erinnerungsbuch: Eroberer. „Hoffnungen zerbrochen. Katastrophe Andere wurden „dismissed“ entsetzlich.“ Falk, Ehring, Mengel, die wack´ren, weil ihre Nasen missfielen Im Hause von Scotti blieb es nach den Mächtigen neuerer Prägung. dem Kriegsende turbulent. Hilde, die Frau von Bruder Hellmut, zog am 13. Einsam blieben zurück Juni 1945 aus, nach Idar-Oberstein. der treffliche Roeb auf der Wallstatt, Im Juni 1945 kehrten Hellmut von neben ihm Friedrich August, Scotti und Herbert Kochanowski aus ihm treu verbunden in Freundschaft. der Kriegsgefangenschaft zurück. Hil- Später zu beiden gesellt sich degard Kochanowski zog daraufhin im als dritter Hans-Hermann v. Scotti. Herbst mit ihrem Sohn Hans-Alfred

158 Abbildung 6.4.a.: Foto Wislicenusstraße 14

Abbildung 6.4.b.: Wohn- haus Wislicenusstraße 14, heutiges Luftbild

159 Abbildung 6.4.c.: Bergrat von Scotti mit Ehefrau und Sohn Hans in der Wislicenusstraße 14 aus. Beide wohnten nun mit Herbert mit Hubertus bei uns. Sie verlassen uns Kochanowski in Windesheim bei Bad Ende Juli 1946. Ziehen nach Wohlde, Kreuznach an der Nahe. Gisela, die wo Hans nach der Wiederherstellung Frau von Hans, der am 19. April 1945 seines verletzten Beins eine bäuerli- bei Freienwalde schwer verwundet che Lehre begonnen hat und Land- worden war, kam am 24. November wirt werden will bei einem Bauern.“ 1945 mit ihrem Sohn Hubertus nach Das Ehepaar Addi und Bergrat von Goslar. Beide wurden im Hause von Scotti war nun erstmals allein in ihrer Scotti aufgenommen. Wohnung. Sie brauchten deshalb nicht mehr so viele Zimmer und zogen sich Weihnachten 1945 war in Goslar auf die erste Etage des Hauses zurück, wieder ein großes Familientreffen behielten sich aber im Erdgeschoss „trotz Enge schön.“ Am Dritten Weih- ein Zimmer. Die übrigen Zimmer im nachtsfeiertag 1945 waren Frau Hüser Erdgeschoss vermietete die Preußag an und Söhne zu den von Scottis einge- Bergwerksdirektor Palm aus Hinden- laden. Dr. Hartwig Hüser war Direk- burg. Ins Dachgeschoss zog Familie tor der Zinkhütte Harlingerode und Nitze, früherer Baudirektor der Preuß- Anfang der 1940er Jahre in Bor. ag. „Oben wohnte noch Frau von Has- selt, Sekretärin bei der Preußag und Im April 1946 siedelte Tochter Erika Ernst Falz aus Idar“ (Bruder von Hilde nach Elmshorn über. „Nur noch Gisela von Scotti).

160 Abbildung 6.4.d.: Bergrat von Scotti an seinem Schreibtisch in der Wislicenusstraße 14

Am 31. Mai 1946 wurde die Woh- aber wieder frei gegeben worden. Aus nung der Familie von Scotti im Non- der ehemaligen Wohnung im Nonnen- nenweg 19 von der Militärregierung weg 19 konnte Familie von Scotti nach beschlagnahmt. Die Räumung musste und nach „einige Sachen herausholen“, in sechs Stunden erfolgen, alle Möbel zum Beispiel den Flügel seiner Eltern mussten im Haus bleiben. Bergrat von und die Ehebetten. Scotti zog mit seiner Frau in zwei Bürozimmern im Rammelsberger Ver- Weihnachten 1946 schrieb Bergrat waltungsgebäude neben Bergrat von von Scotti: „Es war eine große Freu- Scottis Dienstzimmer. „Konnten uns de, die vier Enkelbuben so prachtvoll dort ganz nett einrichten.“ heranwachsen zu sehen. Unter dem Weihnachtsbaum tobten diesmal bei Nach einer vorübergehendenen uns keine Kinder und Enkel, zum ers- Unterkunft im Schieferweg (oberhalb ten Male seit dem ersten Jahr unserer der damaligen Tennisplätze) bezogen Ehe waren wir ganz allein. Wir emp- sie im November 1946 eine halbe Eta- fanden aber dabei keinerlei traurige ge in einem der Preußag gehörenden Gedanken, wir waren erfüllt von großer Haus in der Wislicenusstraße 14. Die- Dankbarkeit darüber, dass alle drei ses Haus, in dem übrigens Familie unsere Kinder nunmehr ihren eige- Bodifée in der ersten Etage gewohnt nen Weihnachtsbaum im eigenen Heim hatte, war schon seit längerer Zeit vom anzünden und in eigener Häuslichkeit britischen Militär beschlagnahmt, nun das Weihnachtsfest begehen konnten.“

161 Ab 1947 mussten Bergrat von Scotti steigerung nach der Währungsreform. und seine Frau nicht mehr umziehem. Der günstige Abschluss spiegelt sich Die Wohnung im Haus Wislicenusstra- in der Gewährung einer reichlichen ße 14 sollte für viele Jahre ihr Domizil Weihnachtsgratifikation von DM 100 bleiben. an alle Belegschaftsmitglieder (außer Vorstand) wieder.“ 7. Wirtschaftswunderzeit 1949/50 endete für die Preußag Bergrat von Scotti erlebte die Wirt- die Nachkriegsphase. Das war ver- schaftswunderzeit noch bis 1952 im hältnismäßig spät, aber die Betriebe aktiven Berufsleben, blieb aber auch mussten erst noch aus der alliierten danach noch drei Jahre durch Bera- Kontrolle beziehungsweise aus der terverträge mit dem Bergbau und den Zwangsverwaltung der Länderbehör- Harzer Bergwerken verbunden. den entlassen werden. Erst danach war eine Bilanz möglich, die die Begonnen hatte das deutsche Wirt- Kriegsauswirkungen berücksichtigte. schaftswunder mit der Währungsre- Die verbliebenen Preußagbetriebe form beziehungsweise der Einführung wurden neu geordnet in die Bereiche der DM im Juni 1948. Dadurch nor- Steinkohle, Nichteisenmetalle, Kali- malisierte sich die allgemeine Wirt- salze und Erdöl/Bohrbetrieb. Einige schaftslage in den drei Westzonen dieser Betriebe blieben trotz guter deutlich. Die Auslagen der Geschäfte Konjunktur und steigender Rohstoff- füllten sich wieder. Die Lebensmit- preise defizitär. Dazu gehörten die telversorgung wurde fast schlagartig Steinkohlenwerke Barsinghausen/ besser. Die Betriebe bekamen wieder Obernhausen und das Bleierzberg- ausreichend Energie, Ersatzteile und werk Mechernich. Investitionsmöglichkeiten, letzteres besonders Dank großzügiger finanziel- Während des Koreakriegs, der im ler und materieller Hilfe aus den USA Juni 1950 begann und bis Juli 1953 (Marshallplan). dauerte, kauften die USA auf dem Weltmarkt in großem Umfang Metal- 7.1. Harzer Preußagwerke im le. Die Preise für Zink und Blei Aufschwung wurden im August 1950 freigege- ben. Die Weltmarkt-Zink- und -Blei- In seinen Erinnerungen schrieb preise stiegen daraufhin auf fast das Bergrat von Scotti rückblickend auf Anderthalbfache. Das half den Harzer das Jahr 1948: „Die Preußag und die Preußagbetrieben. Sie führten 1950 Unterharzer Berg- und Hüttenwerke und 1951 Gewinne in mehrstelliger haben ein gutes Geschäftsjahr hinter Millionenhöhe an die Muttergesell- sich. Sie zogen Nutzen aus den erhöh- schaften Preußag und Niedersach- ten Metallpreisen (Blei jetzt 1.510 sen GmbH (vom Land Braunschweig DM pro Tonne gegen 220 Reichs- als Betreiberin seiner staatseigenen mark 1945) und aus der Produktions- Betriebe gegründet) ab.

162 7.1.1. Erzbergwerk • Tests von neuen Gesteinsbohrma- Rammelsberg schinen, • Anschaffung neuer Loks für die Erz- Im Betriebsbericht für das Jahr förderung und 1948 steht, die Verhältnisse am Ram- • Entwicklung eines neuen Abbauver- melsberg wären ab August 1948 fahrens (Kammerbau). wieder „annähernd normal“ gewe- sen. Trotzdem konnte gegenüber den Die bis dahin auf Verschleiß gefahre- geplanten 120.000 t pro Jahr nur ne Flotationsanlage konnte schrittweise eine Erzförderleistung von 100.000 t erneuert werden. Flotationsreagenzien erreicht werden. Das lag vor allem waren nun wieder uneingeschränkt lie- am schlechten Gesamtzustand des ferbar. Die neue Schwerspatflotations- Betriebs. anlage ging in Betrieb. Der Damm des Absetzbeckens zwischen Bollrich und 1949/50 waren am Rammelsberg Oker wurde um sechs Meter erhöht die Kriegsfolgen weitgehend über- und damit die Aufnahmekapazität um wunden. Für den Betrieb setzte eine mehrere Jahre erweitert. Die Beleg- Erholungsphase ein. Die Roherzför- schaftsstärke erreichte wieder den Vor- derleistung stieg 1949 auf 178.000 t kriegsstand. Zusätzlich wurden weitere und 1950 sogar auf 190.000 t. Vie- Lehrlinge eingestellt. Alle Maßnahmen le Modernisierungsmaßnahmen, die und Rahmenbedingungen zusammen- schon lange überfällig waren, wurden genommen erlaubten sogar, die Kosten nun durchgeführt, zum Beispiel: pro Tonne Erz zu senken.

• Fertiggestellung der neuen Richt- Die guten Absatzverhältnisse ließen schachtfördermaschine, auch Überlegungen reifen, zusätzlich

Abbildung 7.1.1.a.: Ban- derzaufbereitung Boll- rich, Architektenskizze Schupp

163 Abbildung 7.1.1.b.: Innenhof der Banderzauf- bereitung Bollrich zu den Lagererzen Banderze abzubau- Ansonsten waren für die UHBW für en. Das sind Wechsellagerungen von diese Zeit größere Umstellungen in der Erz- und Schieferschichten am Rand Zinkoxydhütte und in der Bleikupfer- der großen Lagererzlinsen. 1950 bis hütte von besonderer Wichtigkeit. 1952 wurden die Banderze im Rah- men der Lagerstättenerkundung näher Das gute betriebswirtschaftliche untersucht und für abbauwürdig befun- Ergebnis ermöglichte in den Harzer den. Gleichlaufend errichteten die Har- Preußagbetrieben auch wieder gro- zer Berg- und Hüttenwerke GmbH am ße Erzsuchprojekte, die jahrelang Bollrich eine völlig neue Aufberei- aufgeschoben worden waren. In der tungsanlage, die speziell für Bander- Umgebung des Rammelsbergs wur- ze konzipiert war. Sie ging 1953 in den ab 1951 übertägige geophysikali- Betrieb. Der Untertagebetrieb wurde sche Suchprojekte begonnen, ergänzt auf einen großzügigen Abbau von Ban- durch ein großes Tiefbohrprogramm. derzen umgestellt. Die Roherzförde- Unter Tage wurden Suchstrecken auf- rung konnte dadurch bis Mitte der gefahren, von denen ausgehend das 1950er Jahre fast verdoppelt werden. umgebende Gebirge mit langen Such-

164 Abbildung 7.1.1.c.: Bohr- turm Bohrloch Rammels- berg 5 bohrungen untersucht wurde, ohne Seit einiger Zeit war schon über- jedoch das erhoffte weitere Erzlager legt worden, alte Lautenthaler Halden zu finden. abzubauen und (s. Kapitel 5.4.2.) einer erneuten Aufbereitung zuzuführen, 7.1.2. Erzbergwerk Grund um damit den Aufbereitungsdurchsatz erheblich zu vergrößern. 1950 begann Das Erzbergwerk Grund entwickelte diese Haldenrückgewinnung. Auch in sich Ende der 1940er Jahre, ähnlich Bad Grund hatte es durch den Krieg wie das Erzbergwerk Rammelsberg, und die Nachkriegszeit einen erheb- wieder zu einem Betrieb, der nach nor- lichen Investitionsstau gegeben. Ein malen wirtschaftlichen und technisch- besonderes Problem stellte die Lage organisatorischen Gesichtspunkten des Medingschachtes dar, durch den geführt werden konnte. 1949 erreichte der größte Teil der Belegschaft ein- die Roherzförderung wieder eine Leis- fuhr. Er liegt am östlichen Ende des tung von fast 100.000 t. etwa 4,5 km langen Grubengebäudes.

165 Abbildung 7.1.2.: Schacht Wiemannsbucht, Tagesanlagen, heutiger Zustand

Das Hauptabbaugeschehen hatte sich den. 1951 wurde auf mehreren Sohlen aber sehr viel weiter nach Westen ver- weitere Verbindungsstrecken zwischen lagert. Daraus ergaben sich für die den beiden Feldesteilen aufgefahren. Belegschaft zum Teil extrem lange Anfahrzeiten. 1949-1951 wurde der Von entscheidender Wichtigkeit für Blindschacht 2, der zentraler liegt, zu den zukünftigen Betrieb waren aus- einem der wichtigsten Schächte des reichende Erzvorräte. Deshalb wurde Erzbergwerks Bad Grund entwickelt. in Bad Grund 1952 ein Projekt zur Dafür wurde er sowohl bis zu 18. Lagerstättensuche und -untersuchung Sohle weitergeteuft, um weitere Erz- für 1,5 Mio. DM begonnen. Die Such- reserven fördertechnisch zu erschlie- arbeiten hatten Erfolg. Auf der 11. Soh- ßen, als auch bis zur Tagesoberfläche le, 1760 m westlich vom Achenbach- hochgebrochen. Durch diesen Schacht schacht wurden sehr große Erzvorräte fuhr nun die Belegschaft ein. Er erhielt gefunden, woraufhin umfangreiche den Namen Wiemannsbuchtschacht. Erschließungsarbeiten begannen. Das Die Seilfahrt im Medingschacht konnte ermöglichte dem Bergwerk noch ein daraufhin eingestellt werden. außerordentlich langes Leben. Es wur- de als letztes deutsches Erzbergwerk Ein weiteres Problem stellte die 1992 geschlossen. immer noch nicht überwundene Zwei- teilung des Erzbergwerks Bad Grund Bis 1956 fanden auch in Laut- dar. Die beiden früher separat betriebe- enthal nochmals Untersuchungsarbei- nen Gruben Bergwerkswohlfahrt und ten auf dem Teufenniveau der Ernst- Hilfe Gottes waren noch nicht förder- August-Stollen-Sohle statt. Es wurden technisch optimal miteinander verbun- Suchstrecken nach Westen bis zum

166 Abbildung 7.2.a.: Konsul Adam und die Bergräte von Scotti und Bodifée

Abbildung 7.2.b.: Berg- rat von Scotti an seinem Arbeitstisch

167 Abbildung 7.2.c.: Bergrat von Scotti 1955 bei sich zu Hause in der Wislice- nusstraße 14

Sternplatz und nach Süden bis zum Oberharz (Scotti). Im September wurde Hüttschenthal vorgetrieben, allerdings ich 65 Jahre alt, mit Diskussion gewis- keine wirtschaftlich gewinnbaren Erz- ser Leute über mein Ausscheiden, aber vorkommen gefunden. Ergebnis, dass ich noch mindestens ein Jahr im Dienst bleiben soll.“ 7.2. Letzte Arbeitsjahre Beruflich war 1948 für Bergrat von Bergrat von Scotti schrieb 1948 in Scotti „ein Jahr mit gesteigerter Pro- seinen Erinnerungen: „Herr Hast kam duktion und dank hoher Metallprei- aus etwa anderthalbjähriger Zwangs- se ein Überschussjahr für die Harzer pause (Entnazifizierung, Inhaftierung) Bergwerke und Hütten. Das ermög- in den Vorstand zurück und übernahm lichte die Durchführung umfangreicher wieder den Vorsitz. Teilung der techni- Untersuchungsarbeiten.“ Die Auffin- schen Leitung in Unterharz (Hast) und dung neuer Erze im Oberharz lag Berg-

168 Abbildung 7.2.d.: Bergrat von Scotti auf der Feier zu seinem 50 Bergmannsjubiläum mit Bergwerksdirektor Huber (nach Mai 1945 Mitarbeiter des Grubendirektors Rammels- berg in Stabsfunktion) und Dr. Hüser (Hüttendirektor der Zinkhütte Harlingerode) rat von Scotti „besonders am Herzen“. sammlung der Gesellschaft Deut- „Neue Projekte reif(t)en“ beziehungs- scher Metallhütten- und Bergleute weise wurden durchgeführt. Erzun- (GDMB) in Weilburg Ehrenmitglied tersuchungsarbeiten bei der Hibernia in Anerkennung seiner Verdienste auf (Bergwerks-AG Recklinghausen) führ- technischem Gebiet und Würdigung ten ihn als Berater öfter dorthin. seiner Tätigkeit für die GDMB. 1949 gab es aber auch, wie Bergrat von 1949 wurde Bergrat von Scot- Scotti schrieb, „Besprechungen und ti anlässlich der Mitgliederver- Verhandlungen über meine Pension.

Abbildung 7.2.e.: Vor einer Befahrung der Gru- be Hilfe Gottes 1952 v. l. n. r. Werksleiter Dr. Salau, Bergrat von Scotti, Oberbergrat Röver, Bergas- sessor Huber und Oberstei- ger Fleisch

169 Abbildung 7.2.f.: Gruben- lampe, die Bergrat von Scotti anlässlich seiner letzten Grubenbefahrung in Bad Grund geschenkt bekam

… führen zu weiterem Verbleib im ab 1955: führend vertreten in der Dienst.“ Essener Steinkohlenbergwerke AG.

Die Geschäftsführung der Harzer Mitte Oktober 1951 brach sich Bergrat Preußagbetriebe lastete wieder zuneh- von Scotti, 68jährig, bei einem Spazier- mend auf den Schultern Bergrat von gang an den Kästeklippen im Okertal ein Scottis. Bergrat Hast war wieder viel Bein. Der langwierige Heilungsprozess unterwegs und in einigen Gremien behinderte Bergrat von Scotti schwer. aktiv, zum Beispiel war er Grubenbefahrungen waren für ihn fast ein Jahr lang nicht mehr möglich. Die 1950-1952: (erster) Präsident der Wirt- Heilung verlief schleppend. Das Bein schaftsvereinigung Bergbau, blieb lange eingegipst. Er schrieb: „Fra- 1950-1957: Vorsitzender der Fachver- ge der Pensionierung dadurch wieder ins einigung Metallerzbergbau und Rollen gebracht worden.“

170 Abbildung 7.3.a.: Bergrat von Scotti 1956

Am 21. März 1952 feierte Bergrat aktiven Berufslebens auf der Grube von Scotti sein 50jähriges Bergmanns- Hilfe Gottes. jubiläum. Er schrieb darüber: „Das Bein war dann doch besser geheilt, als Ihn begleitete Dr. Salau, der ihm vom Arzt erhofft. Dadurch Strapazen aus diesem Anlass eine Grubenlampe der Feierlichkeiten erträglich. Vormit- übergab. Danach unternahm Bergrat tags 10 Uhr dienstliche Gratulation von Scotti seinen letzten Besuch beim von Vorstand und Werksleitern, mittags Hüttenbetrieb Clausthal, der nach dem allerlei Gratulanten zu Hause. Enormer Ersten Weltkrieg seine erste Betriebs- Blumenflor!“ Abends fand ein Fest- stelle im Oberharz gewesen war. essen statt, zu dem „die Vertreter der befreundeten Erzgesellschaften anwe- 7.3. Pension, Beraterverträge send waren. Einige Tage später ein und Ruhestand Festessen mit den Werksleitern.“ Zum 01. Januar 1953, 69jährig, trat Er konnte seinen Dienst wiederauf- Bergrat von Scotti in den Ruhestand nehmen. Im Oktober 1952 fand sei- „unter Gewährung eines Beratervertra- ne erste Grubenfahrt nach dem Unfall ges“, der ihm „eine gewisse Tätigkeit statt. Er teilte aber der Preußag mit, auf Spezialgebieten gibt, insbesondere ab 01. Januar 1953 in den Ruhestand durch Vorschläge und Beobachtung der zu wechseln. Ende Dezember 1952 Erzuntersuchungsarbeiten. Ferner Erz- machte er die letzte Grubenfahrt seines beratung für die Hibernia, Sammlung

171 Abbildung 7.3.b.: Bergrat Hast dankt Bergrat von Scotti 1955 nach dem Festvortrag von Harzmünzen und anderes mehr. Dieser Beratervertrag lief auch Auf diese Art noch in angenehmer Wei- noch 1954. Bergrat von Scotti schrieb se in Kontakt mit den Werken“. darüber: „Freude an schönen Erzauf-

Abbildung 7.3.c.: Silberbecher-Tagung Bad Reichenhall 1954

172 Abbildung 7.3.d.: Silberbecher-Tagung in Niederbreising 1957 schlüssen, Kontakt zu den Fachleuten, abteilung im Deutschen (Technik-) Dienstauto und Honorar.“ Museum in München, „verbunden mit einigen Reisen dorthin“, meist zusam- Dazu kam für ihn 1954 die Beratung men mit Dr. Salau aus Bad Grund. bei der Einrichtung der Aufbereitungs- Als Verwalter der Spendengelder für

Abbildung 7.3.e.: Ausflug Bergmannsstammtisch nach Hohne 1953

173 Abbildung 7.3.f.: Barbarafeier in Goslar 1954 die Monographie Deutsche Blei-Zink­ manchen guten Erfolg gehabt. Durch erzlagerstätten hatte er 1954 „interes- Grubenbefahrungen kam er noch regel- sante Gespräche mit den Bearbeitern.“ mäßig in Kontakt mit Dr. Salau, dem Außerdem machte ihm in dieser Zeit Bergwerksdirektor in Grund, und „den die Vervollständigung der von ihm anderen dortigen Herren“. „aufgezogenen“ Münzsammlung der UHBW viel Freude. Ende 1955 war Bergrat von Scottis beratende Tätigkeit zu Ende. Allerdings Auch 1955 hatte Bergrat von Scotti sollte er die Vervollständigung der von „mit viel Passion“ die Erzsuche im ihm aufgebauten Harzer Münzsamm- Oberharz bzw. Grund geleitet und lung weiterbetreiben. Dafür behielt er

Abbildung 7.3.g.: Bergrat von Scotti 1962

174 Abbildung 7.3.h.: Bergrat von Scotti mit Enkel in Kinderbergmannsuni- form 1958 sein Dienstzimmer am Rammelsberg teil an der feierlichen Grundsteinle- einschließlich des Münzstahlschranks. gung für ein neues Berg- und Hütten- männisches Institut der Technischen Daneben hatte er noch einige Aufträ- Universität Berlin. „Gewisse Arbeit, ge, zum Beispiel von der Vereinigung aber auch einen netten Erfolg“, brachte Deutschen Metallerzbergbaus, zur ihm ein Vortrag, den er zur Eröffnung weiteren Betreuung der Monographie des Internationalen Erzaufbereitungs- Deutsche Blei-Zinkerzlagerstätten ein- kongresses in Goslar hielt mit dem schließlich der Finanzierung. Titel "Die Entwicklung des Metall- erzbergbaus im Westharz und seines Außerdem half er im Deutschen Aufbereitungswesens". Technikmuseum München beim Auf- bau der Ausstellung zu Geschichte der 1956 ging Bergrat von Scotti, wie Aufbereitung im Bergbau und er nahm er sich ausdrückte, in den „Vollruhe-

175 Abbildung 7.3.i.: Bergrat von Scottis 75. Geburtstag, Originalbeschriftung stand“. Etwas amüsiert bemerkte er er Gelegenheit hätte, auch die nicht „fühlbare finanzielle Einbußen. Der mehr aktiv tätigen früheren Mitglieder Dienstwagen fehlt – keine Einkaufs- wiederzusehen, und „in netter Weise“ fahrten mehr nach Hannover und mit den alten Bekannten zusammen zu Braunschweig.“ Ausdrücklich erwähn- sein. Dazu fügte er an „Silberbecher!“ te er, die Münzsammlung ehrenamtlich weiter betreut zu haben, aber auch an Einigen der ehrenamtlichen und den ein bis zwei Mal jährlich stattfin- bergbaubezogenen Freizeitbeschäfti- denden Sitzungen der Vereinigung des gungen ging Bergrat von Scotti auch Deutschen Metallerzbergbaus VDMEB im Ruhestand weiter nach. Dazu teilgenommen zu haben, bei denen gehörten Zusammenkünfte des Gosla-

176 Abbildung 7.4.a.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau 1952 in Bad Pyrmont rer akademischen Bergmannsstammti- dem der Berufstätige ausgesetzt ist. sches, einer monatlichen Zusammen- Wer sich der Einsamkeit ergibt, ach, kunft leitender Mitarbeiter des Harzer der ist bald allein, sagte und warn- Montanwesens, dessen Mitglieder sich te einst mein Vater, als die Eltern übrigens noch heute regelmäßig tref- nach Kassel in den Ruhestand zogen... fen und der bis vor wenigen Jahren Einen ganz wesentlichen Anteil unse- alljährlich verantwortlich war für die res Denkens nimmt, wie schon immer, Ausrichtung des bereits erwähnten der Kreis unserer weiteren Familie in Barbaraballs. Anspruch. Ihr Wohlergehen bedeutet unser Glück...“ 1957 war Bergrat von Scotti nur noch „ab und an am Rammelsberg“, 1959 nahm er im September noch betreute aber die Münzsammlung und einmal an der Hauptversammlung die Monographie ehrenamtlich wei- der GDMB teil und schrieb darüber: ter. Herausragend war für ihn in die- „Sehr nettes Zusammensein mit vie- sem Jahr das 145. Stiftungsfest seines len Bekannten besonders mit Bodifées. studentischen Corps in Freiburg mit Anschließend neun Tage in Oberstdorf. Einweihung des neuen Corpshauses … Ich beschäftige mich weiterhin mit und eine Sitzung der Fachvereinigung der Preußag Münzsammlung und ver- Metallerzbergbau in Niederbreisig (als fasste eine Abhandlung über Ausbeu- Silberbecherinhaber). Er schrieb: „Das tetaler mit sehr schön geratenen Fotos Leben im Ruhestand hat wohl manche und stark vergrößerten Talern. Sie soll Annehmlichkeiten, entbehrt aber auch auf Kosten der Preußag gedruckt wer- mehr und mehr des äußeren Reizes, den.“ Das erfolgte dann aber nicht.

177 Abbildung 7.4.b.: Die acht Enkel Bergrat von Scottis

1988 wurde das Buch dann aber doch 1952 zum 40. Hochzeitstag nach noch herausgegeben und zwar von sei- Meran (wie auch 1912), und 14 ner Tochter Hildegard. Als Titel hatte Tage zum Tegernsee, sie „Ausbeutetaler und Medaillen des 1953 nach Sylt (zum 70. Geburtstag Harzer Bergbaus – Beispiele für die Bergrat von Scottis, hierzu hat er Prägekunst früherer Zeit“ gewählt. seine Nachkommen eingeladen, die auch alle da waren) 1960 konzentrierte sich der Lebens- 1954 nach Badenweiler, inhalt „mit zunehmendem Alter immer 1955 nach Wengen, mehr auf das Miterleben der Entwick- 1956 nach Wiessee, lung der Kinder und Enkel.“ 1957 nach Locarno, Kampen und Itzehoe, 7.4. Familie, Freunde und 1958 nach Wiessee und Itzehoe, Kollegen 1959 nach Seelisberg, Lindau, Oberst- dorf und Wiesbaden, Seit den späten 1940er Jahren unter- 1960 nach Oberstdorf und Kampen, nahmen Bergrat von Scotti und seine 1961 nach Partenkirchen, Schönblick Frau wieder einige Reisen, wie zum und Kampen, Beispiel 1962 nach Seelisberg und Kampen, 1963 nach Partenkirchen und Braunlage, 1948 nach Oberstdorf, 1964 nach Partenkirchen, 1953 nach Itzehoe, 1964 nach Braunlage (zwei Mal),

178 Abbildung 7.4.c.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehe- frau Addi 1953 auf Sylt

1965 nach Partenkirchen und Sal- Wiesbaden gefahren. „Ansonsten nahm zufflen (Kur) und unser Leben seinen ruhigen Gang. Gute 1966 nach Salzufflen (Kur). Konzerte und leidliche Theaterdarbie- tungen...“ 1962 fuhren sie nach Seelis- Bergrat von Scotti und seine Frau berg und danach drei Tage nach Frei- pflegten weiterhin ihre Freundschaf- burg zur Feier des 150. Stiftungsfestes ten und Bekanntschaften. Bergrat von „von meinem Corps Rhenania“. Scotti erwähnte 1959, dass der „Freund und Nachbar Bergrat Cornelius verstor- 1953 erwähnte er in seinen Erinne- ben“ sei. Ebenfalls 1959 war er zum rungen eine gemeinsame Silvesterfeier Treffen ehemaliger Offiziere des 2. und mit Bodifées. Die Familie Bodifée, die 4. Garde-Feldartillerie Regiments nach er als „Freunde und Hausgenossen“

179 Abbildung 7.4.d.: Bergrat von Scotti mit seinen Enkeln 1953 auf Sylt

Abbildung 7.4.e.: Familie Huber zu Besuch bei Familie von Scotti, 1955 (im Hinter- grund Enkel Henning)

180 Abbildung 7.4.f.: Bergrat von Scotti 1958 bei der Gartenarbeit bezeichnete, zog 1955 nach Wiesba- Trennung von ihrem Mann wieder mit den, nachdem Herr Bodifée in Pensi- ihrem Sohn Hans-Alfred im (groß-) on gegangen war. Bergrat von Scotti elterlichen Haus in Goslar, Wislice- empfand das als „sehr bedauerlich, da nusstraße 14, „eingefunden“. Sie wur- das Zusammenleben der Familien sehr de Werksärztin bei den Unterharzer schön, anregend und gemütlich“ gewe- Berg- und Hüttenwerken und eröffne- sen sei. Familie von Scotti „übernahm“ te 1950 in Goslar eine eigene Praxis daraufhin die gesamte erste Etage des als Fachärztin für Allgemeinmedizin. Hauses in der Wislicenusstraße 14. Bergrat von Scotti übernahm für die folgenden zwölf Jahre die Vaterrolle Das hatte auch den Hintergrund, dass für Hans-Alfred. Nach wie vor besuch- die Goslarer Familie von Scotti wieder ten oft Freunde die Familie von Scotti etwas größer geworden war. Tochter in der Wohnung in der Wislicenusstra- Hildegard hatte sich 1950 nach der ße 14.

181 Abbildung 7.4.g.: Berg- rat von Scotti 1960 auf dem Balkon Wislicenus­ straße 14

Im Haus wohnten zu dieser Zeit Hildegard mit ihrem Sohn Hans-Alfred übrigens auch UHWB-Arbeitsdirektor bei ihren Eltern in der Wislicenusstraße Hedermann (zweites Obergeschoss) 14 aus und in ihr neu gebautes Haus in und die Familie Scheller (Erdgeschoss). der Goldenen Aue 4 ein. Hans-Alfred Für die folgenden Jahre werden die bestand kurz darauf sein Abitur und Aufzeichnungen in Bergrat von Scot- ging im April 1962 zur Bundeswehr, tis Erinnerungsbuch spärlicher. 1958 um sich dort auf eine Reserveoffizier- erwähnte er seinen 75. Geburtstag, sausbildung vorzubereiten. Hildegard den er bei der Tochter Erika in Itzehoe Kochanowski heriratete erneut und gefeiert hatte. Sein größter Wunsch, bei nahm damit den Namen Weber an. dieser Gelegenheit seine acht Enkel- kinder um mich zu sehen, ließ sich in Ein Höhepunkt des Jahres 1962 war Itzehoe ermöglichen und war „seine für Bergrat von Scotti seine Goldene besondere Geburtstagsfreude“. Hochzeit, bei der fast alle Kinder und Enkel, der Bruder Hellmut mit Frau 1960 waren Bergrat von Scotti und sowie Bodifées „an der schönen Feier seine Frau wieder in Itzehoe. 1962 zog beteiligt“ waren. Damit enden diese

182 Abbildung 7.4.h.: Bergrat von Scotti und Ehefrau Addi 1962

Aufzeichnungen in den weihnachtli- degard sind folgende weiterführende chen Erinnerungen Bergrat von Scottis. Bemerkungen über das Leben ihrer In den Tagebüchern seiner Tochter Hil- Eltern zu finden.

Abbildung 7.4.i.: Bergrat von Scotti mit seinem Bruder Hellmut und seinem Sohn Hans 1964

183 Abbildung 7.4.j.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau Addi und seinen Enkeln Max und Achim Oberberg in Itzehoe

Abbildung 7.4.k.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehe- frau 1965 in Salzufflen

184 Abbildung 7.4.l.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau 1966

1962 hielten Addi und Hans-Her- 1964 folgten wieder Harzausflüge mann von Scotti weiterhin mit Fami- und eine Reise nach Garmisch-Parten- lie Huber einen freundschaftlichen kirchen, wiederum mit Unterstützung Kontakt und besuchten sie ab und durch Hans-Alfred. Zu einem Besuch an, beispielsweise am Zweiten Weih- in Itzehoe kam ihre Tochter Erika im nachtsfeiertag. Im August 1962 und August eigens nach Goslar, um sie im März 1963 fuhren sie nach Itze- abzuholen. Ihre Tochter Hildegard hol- hoe zu ihrer Tochter Erika und ihrer te sie eine Woche später in Itzehoe ab Familie. und brachte sie nach Goslar zurück. 1964 wurde in Itzehoe Bergrat von 1963 unternahmen sie Ausflüge in Scottis neuntes Enkelkind geboren, den Harz, im April eine Reise nach Maria Katrina Oberberg. Itzehoe und im Mai mit Unterstüt- zung durch Enkel Hans-Alfred nach 1965 brachte Hans-Alfred seine Garmisch-Partenkirchen. Großeltern im März nach Itzehoe und ihre Tochter Hildegard holte sie wieder Bei Bergrat von Scotti machten sich ab. Nach einer Reise nach Garmisch- aber schon schwerwiegende gesund- Partenkirchen im Juni fühlte sich Hans- heitliche Probleme bemerkbar, so Hermann von Scotti sehr schwach. Im dass sein 80. Geburtstag nur noch im September fuhr er deshalb mit seiner bescheidenen Rahmen gefeiert werden Frau zu einer Kur ins Parksanatorium konnte. Salzufflen. Im Oktober waren beide

185 Abbildung 7.4.m.: Todesanzeigen noch einmal in Itzehoe, aber er bekam und Besichtigungen den Entschluss, Fieber und fühlte sich wieder schwach. in ein Altersheim in Bad Eilsen zu Er erholte sich wieder, war aber kaum ziehen. Dort hatten sie sich ein großzü- noch belastbar. giges Appartement mit zwei Zimmern ausgesucht, das mit den eigenen schö- 1966 fasste Bergrat von Scotti und nen alten Möbeln eingerichtet werden seine Frau nach vielen Überlegungen sollte.

Abbildung 7.4.n.: Grab Bergrat von Scottis

186 Abbildung 7.4.o.: Addi von Scotti in Bad Eilsen, 85 Jahre alt

Doch es kam anders. Für Bergrat Seine Frau Addi zog am 01. Novem- von Scotti waren die Aufregungen des ber allein in das gemeinsam ausgesuch- bevorstehenden Umzugs, das Sich­ te Altersheim. Das hatte sich Bergrat trennen von Bekannten und Freunden, von Scotti noch kurz vor seinem Tod von liebgewordenen Dingen, Briefen ausdrücklich so gewünscht. Sie hat dort und Fotos zu viel. Er bekam Ende noch 14 Jahre glücklich gelebt und ist Juli einen Schlaganfall und starb am am 15. September 1980 im Alter von 19. September 1966 im Alter von 83 91 Jahren gestorben. Jahren. 8. Zusammenfassende persön- Am 23. September 1966 fand eine liche Wertung des Verfassers große Trauerfeier in der Friedhofska- pelle in Goslar statt mit anschließender Für seine große Familie war Bergrat Beisetzung auf dem Alten Friedhof von Scotti zeitlebens ein liebevoller (Hildesheimer Straße) im Kreise der und verlässlicher Patriarch. Seine rüh- Familienangehörigen und nächsten rende Empathie zeigt sich auch in vie- Freunde, übrigens im Beisein einiger len der erhalten gebliebenen Briefe an seiner Corpsbrüder. Einer von ihnen, die Familie. Ein besonderer Wesenszug Emil Voigt, mit dem er in Freiburg von ihm war, wie konsequent er immer aktiv gewesen war, sprach eine Trau- seine Familie in den Mittelpunkt seines errede und legte Bergrat von Scottis Lebens stellte. Seine Fürsorglichkeit Rhenanenmütze mit ins Grab. betraf aber nicht nur seine Familie,

187 sondern auch seinen engeren Freun- in der Lage, sich auf gegebene Ver- des- und Mitarbeiterkreis. Zusammen hältnisse einzustellen und sich damit mit seiner Frau half er in den Wirren zu arrangieren. Diese allgemein nicht des Zweiten Weltkriegs und der Nach- nur unter leitenden Ingenieuren und kriegszeit selbstlos den Familien seiner Wirtschaftsmanagern zu beobachten- Kinder und auch befreundeten Fami- de Einstellung führte allerdings in lien. Das war für Wirtschaftsmanager Zeiten rassenideologisch wahnhafter seiner Stellung, auch bei seinen dama- politischer Führung zum unkritischen ligen Kollegen, durchaus nicht typisch Mit- und Weitermachen, zur Unter- und lässt ahnen, was Bergrat von Scotti stützung oder zumindest Tolerierung für ein Mensch gewesen sein muss. aggressiver Kriegspolitik und schließ- lich dazu, dass viele Völker in ein Sein Leben war geprägt von seinem furchtbares Inferno gestürzt wurden. streng konservativ-kaisertreuen Eltern- Er betrachtete, wie auch der über- haus, von Studium und studentischer wiegende Teil der Ingenieure und Verbindung, von zwei Weltkriegen Wirtschaftsmanager, seine Tätigkei- und seiner Bergbeamtenlaufbahn, fort- ten sowohl zur Kaiserzeit als auch gesetzt als leitender Angestellter und im Dritten Reich und in der Nach- schließlich Direktor und Geschäfts- kriegszeit weniger als systemerhal- führer der großen Preußagbergwerke tend oder politisch, sondern eher im des Harzes. Sowohl seine Offiziers- Sinne von Pflichterfüllung und in laufbahn im Ersten Weltkrieg als auch Zeiten schwerer Krisen, wie Ende des seine Karriere zum Bergwerksdirek- Zweiten Weltkriegs, als Einstehen für tor und -geschäftsführer können als das Gemeinwesen. Fortsetzung von Familientraditionen gesehen werden, denn viele seiner Vor- Bergrat von Scotti hielt sich zeit- fahren und Verwandten waren Offizie- lebens an die in seinem Elternhaus re, höhere Beamte oder Leiter großer üblichen preußisch-militärischen Bergwerke. Umgangsformen und Einstellungen. Dazu gehörten Maxime, wie Prinzi- Es sind viele Dokumente erhalten pientreue, Pflichterfüllung bis zur gebliebenen, die Bergrat von Scot- Selbstlosigkeit, Fleiß und Durchhal- tis Lebenslauf gut nachvollziehbar tevermögen, das Treffen klarer und machen. Schwieriger ist es dagegen, gerechter Entscheidungen (er zitierte aus heutiger Sicht seine persönlichen oft Matthaeus 5:37 „Eure Rede sei: Einstellungen und Handlungsweisen in Ja, ja; nein, nein. Was dazwischen ist, Zeiten turbulenter politischer Verhält- ist von Übel.“) und nicht zuletzt das nisse zu verstehen. Auftreten nach dem Grundsatz „mehr Sein als Schein“. Das äußerte sich in Bergrat von Scotti kann wohl als seiner zurückhaltenden, korrekten Art ein Technokrat bezeichnet werden, und machte ihn beliebt, nicht nur in der der sich in jedem politischen System Familie, sondern auch bei seinen Vor- konstruktiv einbringen konnte. Er war gesetzten und Kollegen, bei der Beleg-

188 schaft der ihm unterstellten Betriebe als die Hans-Hermann Scotti in der und bei seinen Bekannten. Kaiserzeit anzusehen ist, Fehler oder Mängel im gesellschaftlichen Konsens Über seine Schulbildung ist außer kaum erkennen und auch nicht entspre- den Orten der Gymnasien, die er chend handeln konnte. Aus seiner Sicht besucht hat, nur wenig bekannt. Er schienen doch „alle“ im Sinne des all- hat das Erziehungs- und Ausbildungs- gemeinen gesellschaftlichen Konsenses system aber erfolgreich durchlaufen zu handeln und zu denken. und konnte darauf aufbauend seinem Wunsch entsprechend Bergbau und Und selbst bei einer kausalitätsge- Mineralogie studieren. leiteten und dialektischen Betrachtung der gesellschaftlichen Verhältnisse Eine kritische Auseinandersetzung wäre es doch für ihn, wie für jeden jun- mit den damals herrschenden politi- gen Menschen, viel wahrscheinlicher schen Verhältnissen und den allgemein gewesen, einen von ihm gemutmaßten und in der Familie üblichen Werten, Fehler nicht im System, sondern bei Normen und Einstellungen, war für sich selbst zu suchen. Wie sollte er da Söhne aus Familien, wie die, aus der vielleicht aufgekommene Zweifel ernst Hans-Hermann kam, damals noch nehmen können? nicht üblich. Gerade in der Kaiser- zeit war die Kinder- und Jugenderzie- Es wäre deshalb vermessen, die hung sehr doktrinär. Hans-Hermann Jugendzeit Hans Hermann Scottis und Scotti besuchte zwar Humanistische seine daraus resultierende politische Gymnasien und lernte dort im Latein- Einstellung mit den heute geltenden und Altgriechischunterricht die Texte Maßstäben, mit dem heutigen Wissen der klassischen Antike kennen, aber über das Ende der deutschen Mon- Humanismus im heutigen Sinne, also archie und die daraus entstandenen mit dem Ziel der bestmöglichen freien schlimmen Folgen, mit der heute selbst- persönlichen Entfaltung und Selbstbe- verständlichen kritischen Betrachtung stimmung oder der völkerverbinden- jeglicher gesellschaftlicher Strukturen den Menschenfreundlichkeit, standen und politischer Leitlinien einschätzen damals noch nicht im Mittelpunkt der zu wollen. Sein Abitur ist vielmehr als Gymnasialbildung. Zeichen zu werten für seine Intelligenz, seine Strebsamkeit und seine Vermö- Ein Ausscheren aus den üblichen Ver- gen, sich in vorgegebene bestehende haltens- und Disziplinvorgaben, wenn Systeme konstruktiv einzubringen. er das überhaupt gewollt hätte, hätte ihm den Zugang zu höherer Bildung, abge- An der Universität fand Hans-Her- sehen vielleicht von musisch-künstle- mann Scotti die ihm aus seinem Eltern- rischen und philosophischen Studien- haus geläufige kaisertreu-konservative richtungen, unmöglich gemacht. Unter politische Kultur vor. Die Professoren, diesen Umständen erscheint es folge- Dozenten, wissenschaftlichen Assis- richtig, dass eine junge Persönlichkeit, tenten und Studenten der Bergakade-

189 mie bildeten, mehr noch als an Hoch- der Nachbarbatterien miterleben. Er schulen und Universitäten jener Zeit, hielt trotzdem bis zum Ende des Ers- einen politisch homogenen konserva- ten Weltkriegs an seimem ihm unum- tiv-kaisertreuen deutsch-nationalen stößlich erscheinenden Weltbild fest. Block, wie es Hans-Hermann Scotti Anfangs könnte man das noch einem aus seinem Elternhaus und aus der gewissen Enthusiasmus zuschreiben Schule kannte. und später der Stimmung im Stab, die bestimmt war vom Willen zur Pflicht- Seine Mitgliedschaft in der Frei- erfüllung und dem Wunsch, sich durch burger Studentenverbindung Rhenania ehrgeizige militärische Initiativen zu gehörte für ihn, wie auch sein frei- profilieren und dafür ausgezeichnet williges Wehrdienstjahr, zum gesell- und befördert zu werden. schaftlichen Standard und zu dem, was von ihm erwartet wurde. Dem zu fol- Er blieb bis zum Kriegsende sowohl gen, empfand er nicht nur als seine unkritisch gegenüber der Monarchie frei wählbare Entscheidung, sondern als Staatsform als auch gegenüber den als legitim und als von ihm erwartete Entscheidungen der obersten militäri- Pflichterfüllung. schen Führung, dagegen sehr skeptisch und unflexibel gegenüber demokrati- Sein Leben verlief bis zum Ersten schen oder sogar sozialdemokratischen Weltkrieg in sehr ebenmäßigen, für die Ideen und Tendenzen. Für ihn gab damaligen Verhältnisse und seine Her- es keine Gründe, wegen des Kriegs kunft normgerechten Bahnen. Er heira- generell politisch und sozial umzuden- tete im „richtigen Alter“, das heißt erst ken. Er vertraute auf eine militärische nach Ende seiner „Sturm- und Drang- Lösung zum Erreichen der außenpo- zeit“ mit 29 Jahren und nach Abschluss litischen Ziele, auf den sogenannten des Studiums, nachdem er eine feste Siegfrieden, ohne Rücksicht auf die Arbeitsstelle als Assistent an der TH Belange der hungernden notleidenden Aachen bekommen hatte. Davor war er Bevölkerung im Reich und auf die zu etwas mehr als ein Jahr verlobt gewe- hunderttausenden gefallenen und wei- sen. Das erste Kind kam anderthalb terhin zu opfernden Soldaten. Jahre nach der Hochzeit zur Welt. Eine Karriere in der Höheren Bergbeamten- Dazu beigetragen hat, dass seine Fami- laufbahn einer Bergbehörde schien für lie das Glück hatte, verhältnismäßig Hans-Hermann von Scotti vorgezeich- unbeschadet über den Ersten Weltkrieg net. Doch dann kam der Krieg. gekommen zu sein. Niemand von Berg- rat von Scottis drei Brüdern und den zwei Auch wenn er selber als Artille- Brüdern seiner Frau war gefallen. Die rie- und Stabsoffizier nicht am unmit- Familie spürte zwar die Versorgungspro- telbaren Schützengrabenkampf hatte bleme, die der Krieg mit sich brachte, litt teilnehmen müssen, so musste er doch aber bei weitem nicht so schlimm darun- Schreckliches, besonders aber große ter, wie viele andere damalige Familien. Verluste seiner Artillerie-Batterie und Dabei half, dass seineelterlichen Famili-

190 en, bei denen die junge Ehefrau mit ihren durch die häufig wechselnden Reichs- Kindern wechselseitig wohnte, recht gut und Länderregierungen in der richtigen situiert waren. Art und Weise vertreten. In den 1920er Jahren, das heißt in der Zeit, als Berg- Recht fortschrittlich war Bergrat von rat von Scotti zum Bergwerksdirektor Scotti, was die Gleichberechtigung der des Erzbergwerks Bad Grund aufstieg, Frauen in seiner Familie anging. So gelang zwar die Modernisierung dieses spielte seine Frau Adeline in der Fami- Bergwerks, aber in der folgenden Welt- lie eine starke und selbstbewusste Rol- wirtschaftskrise kamen von der sozi- le. Von einer juristischen und gesell- aldemokratisch dominierten Reichsre- schaftlichen Gleichberechtigung im gierung nicht die gewünschte Unter- heutigen Sinne kann zwar noch nicht stützung. Die Harzer Bergwerke und gesprochen werden. Das ließen die Hüttenbetriebe standen dadurch vor damaligen Verhältnisse nicht zu. Berg- einem betriebswirtschaftlichen Fiasko. rat von Scottis Frau war aber beson- ders während des Kriegs, als ihr Mann Für Bergrat von Scotti musste sich die nur sehr selten Heimaturlaub hatte, zu Situation so darstellen: Statt einer klu- einer starken Persönlichkeit gereift. Sie gen und vorausschauenden Firmenpoli- musste zwangsläufig die Familienfüh- tik, auf die man eine konstruktive und rung in die Hand nehmen, insbesondere weitsichtige Betriebsplanung aufbauen die Kindererziehung und die gemeinsa- kann, war es Ende der 1920er Jahre zu men Geldangelegenheiten. In späteren einer inakzeptablen Situation gekom- Jahren studierten beide Töchter Bergrat men. Nach Jahren reichlich an die Kon- von Scottis, was damals ganz und gar zernführung abgeführter Gewinne kam nicht selbstverständlich war. Auf beide in einer Phase finanzieller Probleme war er sehr stolz. keine ausreichende Unterstützung vom Mutterkonzern zurück und auch die In der Zeit der Weimarer Republik Reichs- und Länderregierungen woll- durchlief Bergrat von Scotti in der ten die Preußag nicht bei der Rettung Berginspektion und im Bergwerk Bad der Harzer Betriebe unterstützen. Grund die Höhere Beamten- und Ange- stelltenlaufbahn bis zum Bergwerksdi- Die NSDAP vertrat dagegen Anfang rektor. Er war in der Belegschaft sehr der 1930er Jahre in ihren politischen beliebt. Ausdruck dafür war beispiels- Willensbekundungen und Aktionen weise die eindrucksvolle Bergmänni- unter anderem genau das Ziel, was sche Aufwartung hunderter Bergleu- auch Bergrat von Scotti anstrebte: Fort- te anlässlich seiner Übersiedlung von bestand und dynamische Entwicklung Bad Grund nach Goslar, eine vorher der ihm unterstellten Harzer Bergwer- seit vielen Generationen in Bad Grund ke und Hüttenbetriebe. Offensichtlich nicht mehr gepflegte Tradition. sah Bergrat von Scotti in der NSDAP die einzige Kraft, die Willens und in Bergrat von Scotti empfand sich in der Lage war, wenigstens Teile des der Zeit der Weimarer Republik nicht Harzer Bergbaus am Leben zu erhalten.

191 Von Seiten der alten Reichsregierung genden Zeit damit begann, die Har- schien keine Hilfe kommen zu können, zer Bergwerke und Hütten tatsäch- wie sie mehrfach gezeigt hatte. lich politisch, finanziell und organi- satorisch kräftig zu unterstützen und Die von der NSDAP bekundete darüber hinaus sogar weiterreichende Interesse an der Erhaltung des Harzer Unterstützungen in Aussicht zu stellen, Bergbaus und besonders des Erzberg- schien für Bergrat von Scotti klar, dass werks Rammelsberg mag wenigstens seine Entscheidung für die NSDAP zum Teil politisches Kalkül gewesen richtig war. Er trat ihr bereits 1933 bei, sein. Damit ließ sich die amtierende übte aber keinerlei Funktionen in der sozialdemokratisch dominierte Reichs- Partei aus. Zweifellos werden aber für regierung unter Druck setzen und dis- seine Berufung zum Geschäftsführer kreditieren. Schließlich waren soziale der Harzer Berg- und Hüttenwerke vor Themen und Arbeiterangelegenheiten, allem seine fachlichen Qualifikationen wie die Erhaltung von Arbeitsplätzen, und Erfahrungen entscheidend gewe- eigentlich ein zentrales Thema der sen sein, denn er verfügte durch seinen Sozialdemokratie. Das konnte sie aber beruflichen Werdegang über ein sehr im Falle des Harzer Bergbaus nicht gutes Fachwissen und über Erfahrun- positiv besetzen. gen, Verbindungen und Beziehungen, auch über die Region Harz hinaus. Bergrat von Scotti fand durch die NSDAP auch seine Ansicht bestätigt, Er sah sich in Übereinstimmung mit dass der Erste Weltkrieg für Deutsch- dem größten Teil der Bevölkerung, der land ungerecht ausgegangen sei und von den wirtschaftlichen und außen- eines, wie er sich ausdrückte, „spä- politischen Anfangs-„Erfolgen“ der teren Befreiungskriegs“ bedürfe. Das NSDAP beeindruckt war. Beispielswei- brachte ihn schließlich sogar dazu, der se hatte sich die riesige Arbeitslosigkeit militärischen Aggressivität Deutsch- im Harz und in Deutschland Mitte lands zuzustimmen, obwohl er persön- der 1930er Jahre in Vollbeschäftigung lich gegen Gewalt und eigentlich auch gewandelt. 1938 wurden ohne Krieg gegen einen neuerlichen Krieg war. das Sudentengebiet und Österreich und 1939 das Protektorat Böhmen und Betrachtet man dann auch noch Mähren angegliedert, nachdem zuvor Bergrat von Scottis ohnehin schon vor- schon das Saarland „zum Reich zurück- her ausgeprägte national-konservative gekommen“ war. In der Öffentlichkeit Grundeinstellung, dann erscheint sein wurden immer seltener Zweifel an der Einverständnis mit der nationalsozi- Richtigkeit der politischen Verhältnis- alistischen Innen- und Außenpoli- se und Ziele geäußert. Für Bergrat tik naheliegend. Als schließlich die von Scotti schien, wie für die meisten, NSDAP 1933 nach ihrem Erfolg bei „alles in bester Ordnung“ zu sein. der Reichstagswahl vom Reichsprä- sidenten mit der Regierungsbildung Mit dem heutigen Wissen um die betraut worden war und in der fol- damaligen politischen Zusammenhän-

192 ge und die Propaganda des NS-Regi- staatlichen finanziellen Unterstützun- mes ist es schwer vorstellbar, dass ein gen lebensfähig blieben. so erfahrener und weltoffener Wissen- schaftler und Betriebsmanager, wie Bergrat von Scotti übernahm es Bergrat von Scotti zu dieser Zeit im Dritten Reich im Rahmen einer bereits war, die damals herrschende stark reglementierten Rüstungs- und politischen Doktrin nicht stärker hin- Kriegswirtschaft aber auch mehrere, terfragt hat. 1941 schrieb er beispiels- weit über den Harz hinausreichende weise: „Unsere Truppen treten gegen Aufgaben, für die technische Kom- Russland an, dessen vorbereitetem petenz und technokratisch orientierte Angriff zuvorzukommen.“ Diese von Ingenieure gebraucht wurden. Wichtig ihm niedergeschriebene Meinung war waren dabei besonders seine Mitarbeit auch nicht aufgesetzt oder von ihm in konzernübergreifenden deutschland- aus Angst vor Denunziation so formu- weit agierenden Wirtschaftslenkungs- liert. Er schrieb diese Zeilen in sein gremien der Buntmetallindustrie, wie privates, nicht für Andere bestimmtes beispielsweise der Wirtschaftsgruppe Erinnerungsbuch. In dieses Buch nahm Nichteisenmetalle. er während des Zweiten Weltkriegs durchaus kritische Gedanken über Bergrat von Scotti wurde in Auf- die Art und Weise der Kriegsführung sichtsräte und Vorstände großer Mon- auf, die, wären sie publik geworden, tanbetriebe berufen, die durch den schlimme Folgen für ihn gehabt hätten. Krieg zu Deutschland gekommen Man kann also davon ausgehen, dass waren, zum Beispiel das Kupfererz- es sich um seine verinnerlichte Mei- bergbaurevier Bor in Serbien. Dieser nung gehandelt hat. Bergwerks- und Hüttenkomplex war sowohl hinsichtlich seiner Produkti- Bergrat von Scotti hatte die Not- onskapazität als auch der dort inves- wendigkeit grundlegender Moder- tierten finanziellen Mittel wesentlich nisierungen des Erzbergwerks Ram- größer und umfangreicher als die Har- melsbergs, seiner Aufbereitungsanlage zer Bergwerke und Hüttenbetriebe. und Verhüttungsbetriebe erkannt und die Möglichkeiten der damaligen Zeit Bergrat von Scotti agierte trotz sei- konsequent dafür genutzt. Er initiier- ner gehobenen Stellung eher zurück- te und leitete gemeinsam mit Bergrat haltend. Er war dabei bemerkenswert Hast das sogenannte Rammelsbergpro- fürsorglich für die ihm unterstellten jekt, durch das aus dem Unterharzer Bergwerke, insbesondere für die Bergwerks- und Hüttenkomplex ein Stammbelegschaft. Das steht aller- hochmoderner Betrieb, einer der größ- dings im Gegensatz zu harten Ent- ten jener Zeit überhaupt, entwickelt scheidungen über den Zwangsarbeiter- wurde. Er trat dabei innerbetrieblich einsatz im Erzbergwerk Rammelsberg konsequent für rentable Lösungen ein, und in den serbischen Bergwerken wenn auch die Harzer Preußagbetriebe und Hüttenbetrieben. Dort herrschten als Ganzes gesehen nur mit kräftigen besonders unmenschliche Unterbrin-

193 gungs-, Lebens- und Arbeitsbedingun- Spätestens angesichts des unmensch- gen. lichen Umgangs mit Menschen in den Zwangsarbeiter- und Strafgefangenen- Zeigte sich Bergrat von Scotti 1933 lagern, besonders aber in den Juden- bis 1941 in seinen Aufzeichnungen arbeitslagern in Bor, für die Bergrat noch euphorisch über die wirtschaft- von Scotti als Aufsichtsratsmitglied lichen und politischen „Erfolge“ des zuständig war und über die er im Bilde nationalsozialistischen Deutschlands, gewesen sein müsste, hätte ihm die so war er im weiteren Kriegsverlauf Unvereinbarkeit mit humanistischen eher verstört und desillusioniert, was Grundsätzen bewusst machen müssen. ihn aber nicht davon abhielt, sich enga- Schließlich hatte die Wirtschaftsgrup- giert für die Erfüllung der Planziele der pe Metallerzbergbau den Zuweisungs- ihm unterstellten Berg-und Hüttenwer- bedarf von Zwangsarbeitern selber ke im Harz und in Südosteuropa und angemeldet. Dort wurde auch über die für die Rohstoffversorgung der deut- Verpflegungssätze und Normen für die schen Kriegswirtschaft einzusetzen. Unterbringung verhandelt und die dis- ziplinarische Behandlung besprochen. Es lässt sich anhand der vorliegenden Unterlagen nicht einschätzen, ob Berg- Nach Aussage seines Enkels Hans- rat von Scotti im Verlaufe des Zweiten Alfred Kochanowski hat er vom Weltkriegs jemals seine Arbeitsziele, schrecklichen Umgang mit den Inhaf- die Ziele der Preußag und die der tierten der Konzentrationslager und Reichsregierung in Frage gestellt hat, den dort verübten Verbrechen erst nach oder ob er das alles auch bis zum dem Krieg erfahren. Ob und in wel- Kriegsende noch für gut und richtig chem Maße er als Aufsichtsratsmitglied und nur durch ungünstige Umstände vom unmenschlichen Umgang mit den gescheitert hielt. Höchstwahrscheinlich Zwangsarbeitern in Bor gewusst hat, ist hatte er bis zuletzt zu seiner Überzeu- Spekulation und es ist heute schwer, in gung gestanden, seine Pflicht erfüllen diesem Fall Tatsachen und Spekulation zu müssen, „das Vaterland“ nicht im eindeutig zu trennen. Stich lassen zu dürfen. Und schließ- lich muss bei der Einschätzung der Es bleibt auch fraglich, ob er bis Zeitumstände auch die Dynamik der zum Schluss geglaubt hat, dass die- Ereignisse berücksichtigt werden, die ser Umgang mit Zwangsarbeitern und ihm an einem gewissen Punkt kein besonders mit Juden nicht nur rech- Zurück mehr erlaubten. Es bleibt aller- tens, sondern auch richtig und gerecht dings die Frage offen, ob er am Ende war. Stand er vor Entscheidungen, die des Kriegs erkannt hatte, wie stark er ihn zum Mittäter machten? Wie deut- in ein Machtgefüge verstrickt worden lich war ihm das in dem betreffenden war, das die ethisch-moralischen Gren- Augenblick? Was bewog ihn, in seinem zen überschritten hatte, die ihm durch Beruf trotzdem weiterzumachen? Hätte seine humanistische Bildung vermittelt er sich mit dem öffentlichen Vertre- worden waren. ten einer oppositionellen Einstellung

194 nicht nur selber und seine Familie ins der schrieb, vordergründig lagerstät- Abseits gestellt, sondern auch Repres- tenkundliche und bergmännische Her- salien ausgesetzt? ausforderungen dar, die wie für ihn gemacht zu sein schienen. Das ent- Eine gewisse antisemitische Grund- sprach genau seiner Ausbildung, sei- einstellung spricht ja schon aus früheren nen Kenntnissen und Erfahrungen. Es Briefen zwischen ihm und seiner Frau. reizte ihn, Lagerstätten kennenzulernen Nach der Machtergreifung durch die und zu untersuchen, besonders auch NSDAP erschien die Judenverfolgung im Rahmen von Auslandseinsätzen, höchst modern zu sein und sie war auf und es forderte seinen Ehrgeiz heraus, jeden Fall staatlich gewollt. Von Ingeni- dort betriebene Berg- und Hüttenwerke euren wurde ein eindeutiger Standpunkt zu optimieren. Ziel und Nebeneffekte, zu Nationalsozialismus und Rassenfra- letztlich auch Mittel und Wege schei- ge gefordert. Es ist natürlich schwer, aus nen ihm dabei zweitrangig gewesen zu den wenigen überlieferten Andeutungen sein, denn das war nicht sein Fachge- auf seine Haltung gegenüber Juden und biet, schien nicht in seine Zuständigkeit zu den schrecklichen Verhältnissen in zu fallen. Damit war er einer von vie- den Arbeitslagern von Bor zu schließen, len tausend leitenden Ingenieuren und unter denen dort tausende Juden vege- Wirtschaftsmanagern jener Zeit, die tieren mussten und nach Auflösung der ebenso gehandelt hatten. Aber es darf Lager größtenteils umkamen. nicht vergessen werden, dass nur durch diese vielen bereitwilligen Unterstützer Unzweifelhaft hatte Bergrat von die furchtbaren unmenschlichen Aus- Scotti im Ersten Weltkrieg furchtba- wüchse des Dritten Reichs entstehen re Verhältnisse an der Front erlebt konnten. und er wusste, was sich im Zweiten Weltkrieg gerade wieder an den Fron- Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ten ereignete. Vermutlich wird er die konnten sie unmöglich alle von der Verhältnisse in den Lagern von Bor Wirtschaftsführung ausgeschlossen damit verglichen haben und aus seinem werden, ohne dass die Wirtschaft hand- Rechtsverständnis heraus die Behand- lungsunfähig geworden wäre. Auch lung der Zwangsarbeiter und besonders Bergrat von Scotti bewies nun erneut der Juden als gerechtfertigt betrachtet seine Konstruktivität und Integrations- haben – eine Ungeheuerlichkeit, die fähigkeit. Er galt im Gegensatz zu heute unverständlich ist. Schließlich Geschäftsführer Bergrat Hast als poli- handelte es sich größtenteils um Men- tisch unbelastet und war damit einer schen, die sich nichts zuschulden kom- der für die Weiterführung der Harzer men lassen hatten und trotzdem für Bergwerke und Hüttenbetriebe drin- einen rassenideologisch ausgerichteten gend benötigten Fachleute, sowohl hin- Rüstungswahn sterben mussten. sichtlich seiner Ausbildung und seiner speziellen Kenntnisse als auch seiner Seine Tätigkeiten in Südosteuropa Erfahrungen und seiner Loyalität. Er stellten für ihn, wie er immer wie- wurde von der britischen Verwaltungs-

195 behörde mit der Geschäftsführung dungen und gegenüber den vielen der Harzer Berg- und Hüttenwerke Zwangsarbeitern, die ihm als Direktor betraut und zum Bergwerksdirektor des Rammelsbergs unterstanden, keine des Rammelsbergs ernannt. Das zwi- menschlichen Entgleisungen schuldig schenzeitliche Hin und Her in den gemacht habe. Er hätte auch nicht an Entscheidungen der Briten über seine übertriebenen nationalsozialistischen Vertrauenswürdigkeit war Missver- Propagandaaktionen teilgenommen. ständnissen geschuldet, zum Beispiel Betriebsrat und Entnazifizierungskom- bezüglich der Einschätzung, ob der mission hatten keine Einwände gegen Titel Bergrat militärisch sei oder sogar seine Weiterbeschäftigung beziehungs- mit nationalsozialistischen Verbrechen weise seine Wiedereinsetzung in füh- in Zusammenhang steht. rende Positionen. Die Konzernleitung setzte sich sogar nachdrücklich und Es fiel Bergrat von Scotti nicht erfolgreich für Bergrat von Scotti ein. schwer, im neuen gesellschaftlichen Beides zeigt, wie angesehen er bei der und wirtschaftlichen System der bri- Belegschaft und der Konzernleitung tischen Besatzungszone und später war. Anderenfalls hätte man bestimmt der neugegründeten Bundesrepub- die Gelegenheit genutzt, sich von ihm lik wieder aktiv mitzuwirken. Trotz zu trennen. Einige seiner engsten Mit- der gewaltigen politischen Umbrüche arbeiter und Freunde, wie Bergrat Hast gelang es ihm nahezu kontinuierlich und Bergrat Bodifée, hatten in dieser in seinen angestammten Funktionen Hinsicht viel größere Probleme. Beide weiterzuarbeiten. Möglich wurde das kamen erst relativ spät wieder zurück durch seine Beharrlichkeit und seinen in die Geschäftsführung. Willen, den ihm anvertrauten Betrieb optimal zu führen und weiterzuentwi- Die problemlose Entnazifizierung ckeln. Dabei half ihm das Selbsterhal- Bergrat von Scottis darf allerdings tungsvermögen der betriebsorganisato- nicht als „Rundum-Freispruch“ gewer- rischen Strukturen am Rammelsberg, tet werden, denn seine zahlreichen ver- mit denen unmittelbar nach Kriegsende antwortlichen Positionen in der Kar- ein schneller Neustart möglich wurde, tell- und Kriegswirtschaft des Dritten und sein guter Ruf in der Belegschaft. Reichs spielten dabei keine Rolle. Das lag daran, dass das Formular, das alle Bergrat von Scotti war nach Aus- Daten für das Verfahren enthielt, von kunft von Mitarbeitern, die ihn noch ihm selbst auszufüllen war, wie bei Fäl- persönlich kennengelernt haben, auch len geringen Anfangsverdachts damals in der Belegschaft sehr beliebt, trat allgemein üblich. Es enthielt zu einigen aber wenig in Erscheinung, war eher Problematiken keine gezielten Fragen zurückhaltend. Der Betriebsrat des Erz- und von sich aus machte Bergrat von bergwerks Rammelsberg bescheinigte Scotti keine zusätzlichen Angaben, die ihm im Zusammenhang mit seiner Ent- ihn unnötig belastet hätten. Insbeson- nazifizierung, dass er sich keiner über- dere die Tatbestände der Ausplünde- triebenen NS-ideologischen Bekun- rung ausländischer Lagerstätten und

196 des Zwangsarbeitereinsatzes im Harz ten Betriebsrat. 1946 machten Berg- und in den serbischen Preußagbetrie- rat von Scotti aber innerbetriebliche ben blieben unberücksichtigt. Intrigen, Meinungsverschiedenheiten und Unstimmigkeiten zu schaffen. Das Er schrieb zu seinen Einsätzen im betraf vor allem Spekulationen über Ausland „Geologische und bergmänni- seine Weiterbeschäftigung nach Errei- sche Begutachtung von Erzlagerstätten chen des Pensionsalters. Der Betriebs- im Auftrage der Preußag in Jugosla- rat drängte prinzipiell auf die Pensio- wien 12.-22.4., 30.7.-10.8., 1.-10.10. nierung, wenn das entsprechende Alter und 19.11.-12.12. 1940, 7.-23.3. und erreicht war, um jungen Mitarbeitern 15.-23.7.1941 und 18.4.-2.5.1942, in Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen. Rumänien 13.-17.10.1940, in Spanien 7.-27.10.1942, in Italien 1.-9.5.1943 Die Konzernleitung war aber anderer und Luxemburg 1.-5.12.1941“ und gab Meinung und bat Bergrat von Scot- die entsprechenden Firmen an. Die ti nachdrücklich, trotz seines fortge- Frage, ob er in einem von Deutschland schrittenen Alters noch nicht in Pensi- eingegliederten oder besetzten Gebiet on zu gehen. Obwohl er sich eigentlich in der Zivilverwaltung gearbeitet hätte, fristgemäß pensionieren lassen wollte, beantwortete er wahrheitsgemäß mit ließ er sich überreden, die Harzer Berg- „nein“. und Hüttenwerke GmbH vorüberge- hend weiter zu führen. Daraus wurden Ebensowenig Einfluss hatte, dass schließlich weitere sechs Jahre. Bergrat von Scotti im Lenkungsaus- schuss Wirtschaftsgruppe Metallerz- Hintergrund dafür war, dass sich bergbau mitwirkte. Dieses Gremium kurz nach dem Zweiten Weltkrieg leitete den Einsatz von über hunderttau- kein so gut ausgebildeter und mit der send Zwangsarbeitern in den Bergwer- Leitung der Harzer Großbetriebe so ken und Hüttenbetrieben Deutschlands erfahrener Fachmann finden ließ, der ein, noch bevor die entsprechenden überdies über viele bergbauspezifische Befehle und Weisungen der nationalso- und regionale Kenntnissen verfügte. zialistischen Reichswirtschaftsführung Man musste damals fast überall in an die Bergbaukonzerne und -betriebe Deutschland zwangsläufig auf ehema- gegeben wurden. lige NS-konforme Fachleute zurückzu- greifen. In fast allen Lebensläufen von Über seine grundsätzliche Eignung, Ingenieuren und Wirtschaftsmanagern trotz seiner im Dritten Reich über- jener Zeit zeigt sich deshalb, dass die nommenen Aufgaben und Funktionen Nachkriegsjahre in Deutschland all- wieder die Harzer Preußagwerke leiten gemein weniger Zeiten des personell- zu können, scheint damals innerhalb institutionellen Bruchs, sondern eher der Preußag nicht diskutiert worden der Weiterführung waren. Männer, die zu sein. Er war zwar allgemein geach- sich im Dritten Reich nicht angepasst tet und nach wie vor anerkannt, auch verhalten hatten, waren im nationalso- vom nun sozialdemokratisch dominier- zialistischen Deutschland in der Regel

197 nicht zu leitenden Ingenieuren und unseres Fördervereins aufgenommen. Wirtschaftsmanagern gemacht worden, Allein die letzten beiden Beispiele zei- besonders in der Preußag. Sie hatten gen in anschaulicher Weise, wie die demzufolge auch nicht die Betriebs- Familie Bergrat von Scottis dem Vater erfahrungen und -kenntnisse sammeln beziehungsweise Großvater auch noch können, die für die Leitung eines Jahrzehnte nach seinem Tod Dankbar- Preußagbetriebs dieser Größe notwen- keit und Hochachtung entgegenbrachte dig waren. und entgegenbringt – ein deutliches Zeichen dafür, wie beliebt er auch in Eindeutig positiv zu werten ist, dass seiner Familie gewesen sein muss. durch Bergrat von Scotti 1945 trotz des drastischen Wechsels der poli- 9. Faszination von Harzer tischen und Verwaltungsstrukturen Münzen und Medaillen nicht das Wissen um die betrieblichen Zusammenhänge und überbetrieb- Für dieses Kapitel konnte, sehr zur lichen Verknüpfungen verloren ging Freude unserer Vereinsmitglieder, und ein Neustart beziehungsweise Assessor des Bergfachs a. D. Ingo eine Weiterführung möglich wurde Busch als Verfasser gewonnen werden. und schließlich eine erfolgreiche Wei- Er hat wie kein anderer Einblicke in terentwicklung. die Geschichte dieser Sammlung und ist überdies viele Jahre mit dem Harzer Nach seinem endgültigen Ausschei- Bergbau und speziell auch mit dem den aus dem aktiven Berufsleben lebte Rammelsberg eng verbunden gewesen. Bergrat von Scotti mit seiner Frau noch Im Folgenden soll er kurz vorgestellt weitere elf Jahre in Goslar, blieb aber, werden und besonders, wie er in Ver- wenn auch mit nachlassender Inten- bindung mit der Sammlung Bergrat sität, weiter mit seinem Fachgebiet von Scottis gekommen ist. befasst. Er betreute zum Beispiel wei- terhin das Ausstellungsprojekt zur Auf- 1937 in Beuthen, Oberschlesien, bereitungsgeschichte am Deutschen geboren und einer Mehr-Generationen- Technikmuseum München, eine lager- Bergmannsfamilie entstammend, hat stättenkundliche Fachbuchveröffentli- Ingo Busch nach dem Abitur 1957 in chung und vor allem sein Alterswerk, Ibbenbüren sein Bergbau-Studium in die Münz- und Medaillensammlung Aachen, Oxford und Berlin 1964 mit Harzer Gepräge. Sie ist heute zwar dem Examen zum Diplom-Berginge- leider nicht mehr erhalten, lebt aber in nieur abgeschlossen. 1967 legte er das Form von Veröffentlichungen weiter, Staatsexamen zum Assessor des Berg- nicht zuletzt durch sein Buch, dass fachs beim Oberbergamt Bonn ab. Im er im November 1958 in 18 Exemp- selben Jahr begann er seine Tätigkeit laren herausgegeben hatte, 1988 neu bei der Preussag Goslar auf dem Erz- redigiert wiederaufgelegt durch seine bergwerk Grund als Betriebsingenieur Tochter und 2018 durch Initiative sei- und Projektmanager beim Ausbau die- nes Enkels in die Internetpräsentation ses Bergwerks.

198 1974 wurde er in die Hauptabtei- die Münzsammlung selbständig weiter lung Konzernplanung der Preussag AG betreut und sich intensiv mit deren nach Hannover versetzt. Dort stand Dokumentation, Organisation und er zunächst als Planungsmanager und Digitalisierung befasst, bis die kom- später als Senior Controller sämtli- plette Sammlung schließlich von der chen Aktivitäten der Preussag AG auf TUI AG der Münzhandlung Künker dem Nichteisen-Metallsektor vor, so zur Verauktionierung übergeben wur- der Preussag AG Metall, Goslar, später de. Die Auktion erfolgte in zwei Teilen Metaleurop SA, Paris, der Amalgema- am 30.10.2015 und 01.11.2016 in Lon- ted Metal Corp., London, und der Berg- don durch das Auktionshaus London mann Handelsgesellschaft, Düsseldorf. Coin Galleries Ltd. Von den 1990er Jahren bis zu seiner Pensionierung Ende 2000 folgten im Assessor Busch sind aufgrund sei- Zuge des Umbaus der Preussag das ner langjährigen Beschäftigung mit Controlling über die Salzgitter Stahl dieser Sammlung auch die Vorgänge AG einschließlich des Stahlhandels im Zusammenhang mit der Goslar- und des Zentralbereichs der Preussag Sammlung bekannt, 2019 auch vertieft AG, Hannover, mit den angegliederten und detaillierter durch den Zugang zu Gesellschaften. den Unterlagen aus dem Familienbesitz von Bergrat von Scotti. Nebenamtlich war er unter ande- rem zunächst Mitglied des Beirats 9.1. Inspiration zum Aufbau der Sonderabfallgesellschaft Nieder- einer Münzsammlung in sachsen mbH, Hannover, danach von Goslar 1981 bis 1983 Geschäftsführer dieser Gesellschaft, von 1998 bis 2000 Mit- Einem feinsinnigen Menschen aus glied des Aufsichtsrats der Metaleurop hochgebildetem Elternhaus mit streng Deutschland GmbH und von 2001 bis humanistischer Erziehung dürfte trotz 2014 Mitglied des Aufsichtsrats der des rauen Bergmannsberufs die Welt Rammelsberger Bergbaumuseum Gos- der schönen Künste nicht verschlossen lar GmbH beziehungsweise der Welt- gewesen sein. Bergrat von Scotti ist kulturerbe Erzbergwerk Rammelsberg in einer Zeit aufgewachsen und zum Goslar GmbH. preußischen Bergassessor ausgebildet worden, als nicht allein der Beruf den Nach seinem Übertritt vom Erzberg- Alltag bestimmte. Großer Wert wurde werk Grund zur Preussag Hauptver- auf gesellschaftliche Umgangsformen waltung Hannover betreute er in enger und eine gute Allgemeinbildung gelegt. Zusammenarbeit mit dem Chefjusti- Wichtig war nicht nur eine standesge- tiar der Preussag AG, Rechtsanwalt mäße Herkunft, sondern auch ein gut Karl Müseler, die von der Preussag entwickeltes Geschichts- und Traditi- in Hannover geführte Sammlung von onsbewusstsein. Gerade hiervon war Bergbaugeprägen. Nach dem Ableben und ist der Bergmannsberuf wie kaum von Herrn Müseler hat Assessor Busch ein anderer geprägt.

199 Althergebrachtes Standesbrauchtum im preußischen Bergfrack mit großem wurde mit allem gebotenen Respekt goldenen Preußenadler und wehendem und Anstand gepflegt und weiterver- schwarz-weißen Federbusch auf dem mittelt. Dabei ist vor allem an die Schachtzylinder. Geselligkeiten zu denken, die nicht ohne entsprechende Umrahmun- Wenn ihm nicht schon viel früher, gen zelebriert wurden und nach wie während seiner Ausbildung zum geho- vor werden. Beispiele dafür sind die benen Staatsdienst, die herrlichen Bergmannstage oder bergmännischen Harzer Bergbauprägungen begegnet Abende beim kameradschaftlichen sind und seine Aufmerksamkeit erregt Umtrunk aus edlen Silberkannen mit haben sollten, so doch spätestens 1919 strengem Command in Form von Lie- nach den aktiven Militärjahren im Ers- dern und geistreichen Sprüchen, oder ten Weltkrieg. Denn mit Antritt seiner die Bergfeste. Hierzu gehört(e) natür- eigentlichen Berufslaufbahn beim Hüt- lich auch der äußere Habitus, wie die tenamt Clausthal beziehungsweise bei Bergmannsuniform samt prächtigem der Berginspektion Grund tauchte er in Kopfschmuck und die Insignien, seien die Harzer Bergbautradition ein. es das Schärper-Messer, die Häckel oder Knochenbarten. Hoch in der Tra- Bei allem Bewusstsein für die wirt- dition standen auch das Geleucht, die schaftliche Endlichkeit jeder Lager- Bergmannsfahnen, Prunkpokale, edles stätte pflegten Adel und erfolgreiche Porzellan und figürliches Zinn. Von Gewerken als Bergwerksunternehmer den beziehungsreichen Ausbeutefah- ein ausgeprägtes Bedürfnis für Reprä- nen der früheren Harzer Gruben ist es sentation. Münzen und Medaillen jeg- dann auch nur noch ein kleiner Schritt licher Art waren hierbei eine besonders zu den Ausbeutetalern, beides Dinge, beliebte Möglichkeit, entfalteten sie die den Gewerken als Bergwerkseigen- doch ihre Wirkung über den monetären tümern stets Anlass zur Freude boten, Weg weit über den Ort des Entstehens war mit ihnen doch Gewinn aus dem hinaus und faszinierten natürlich ganz Bergbaubetrieb verbunden. besonders den bergbaugebildeten Per- sonenkreis. Dieser Hintergrund mag Diese sich so gerierende Welt des bei Bergrat von Scotti zum Interesse Bergbaus ist auch an Bergrat von Scotti und Engagement für die numisma- nicht spurlos vorbeigegangen, zumal tische sogenannte Goslar-Sammlung noch in der vor Selbstbewusstsein geführt haben. strotzenden wilhelminischen Ära mit ihrem florierenden Bergbau. All das 9.2. Konzept und war zeitlebens in ihm tief verwurzelt Kostenträgerschaft der Goslar- und hat ihn geprägt, findet man ihn Sammlung doch immer wieder auf Fotos, selbst bei Grubenfahrten, im Bergkittel und Mit seiner Betriebsbeschreibung hat mit grüner Mooskappe aus dickem Filz AEs ist nicht genau bekannt, wie die auf dem Haupt oder bei Bergfesten Idee zum Sammeln von Bergbaumün-

200 zen und -medaillen entstand und wel- Erinnerung an diese Sammlung war che Rolle Bergrat von Scotti dabei jedoch bestimmt für die Preussag in spielte, ob er Initiator oder Mitbegrün- Hannover Ansporn, einen Beschluss der war und ab wann er als alleini- für einen Neuanfang zu fassen. Das ger Kurator für die Goslar-Sammlung Unternehmen hatte aber zunächst anzusehen ist, zumal die Geschäftslei- wichtigere Dinge zu tun, als gera- tung der Unterharzer Berg- und Hüt- de für eine numismatische Sammlung tenwerke GmbH Ende der 1940er Jahre Geld auszugeben. Vorerst galt es, die als Entscheidungsträger aus den drei Kriegsfolgen zu bewältigen mit all den Bergräten a. D. Paul Ferdinand Hast, sozialen Verpflichtungen gegenüber Dr.-Ing. Hans-Hermann von Scotti und den durch die riesigen kriegsbedingten Karl Bodifée, sowie dem Regierungs- Vermögensverluste in den Ostgebieten rat a. D. Hans Hedermann und dem arbeitslos gewordenen Beschäftigten. Direktor Dr. rer. pol. Clemens Konitzer bestand. Bei dieser Zusammensetzung 1948/49 hatte sich die wirtschaftli- hatte die Fraktion der Bergleute eine che Situation in den Preussagbetrie- nahezu identische berufliche Vor- und ben wieder weitgehend normalisiert. Ausbildung und besaß natürlich eine Der 1950 begonnene Koreakrieg, die Dominanz. Höchstwahrscheinlich dadurch weltweit einsetzte Nachfrage bestand bei allen eine starke Affinität nach Metallen und die damit verbunde- zu Bergbaugeprägen. nen hohen Metallpreise ermöglichten der Unterharzer Berg- und Hüttenwer- Auch in den obersten Führungsebe- ke GmbH gute Geschäftsergebnisse. nen der Preussag-Generaldirektion Das ursprünglich beinahe als utopisch beziehungsweise des Vorstandes hatte zu bezeichnende Münzsammelprojekt zu dieser Zeit die Mehrheit der Persön- schien unter diesen Umständen ver- lichkeiten eine Bergassessorenausbil- tretbar und nahm ab 1950 seinen Lauf. dung. Folglich war allenthalben eher Die Kostenträgerschaft war damit gesi- Zustimmung als Abneigung für einen chert, der Startschuss zum Ankauf von Entschluss beziehungsweise Beschluss Harzer Münzen damit gegeben. bezüglich einer bergbaubezogenen numismatischen Betätigung vorhan- Am 17. Januar 1961 schrieb Bergrat den. von Scotti an Professor Dr. Wilhelm Jesse, den Historischen Direktor des Hinzu kam, dass die Preussag AG Städtischen Museums Braunschweig schon kurz nach ihrer Gründung (1942 bis 1963 mit Lehrauftrag für 1923/24 per Vermächtnis des Amts- Münz- und Geldgeschichte an der Uni- rats Volk Ende der 1920er Jahre in versität Göttingen): den Besitz einer umfangreichen Pri- vat-Sammlung an Bergbaugeprägen „Darf ich mich Ihnen bekannt gelangt war, die Bergrat von Scotti machen. Bis zu meiner Pensionie- sicherlich kannte. Sie ging 1945 in den rung vor einigen Jahren war ich als Kriegswirren in Berlin verloren. Die Bergwerksdirektor der Harzer Berg-

201 und Hüttenwerke (Preussag) und als als Staatsgesellschaft, mehr auf dem Geschäftsführer der Unterharzer Berg- Gebiet der Wirtschafts- und Montange- und Hüttenwerke tätig. Es erschien mir schichte der gesamten Bundesrepublik seinerzeit merkwürdig und unerklär- Deutschland und sogar darüber hinaus lich, dass unsere Harzer Bergbauge- der ganzen Welt. sellschaften nicht einen der schönen Ausbeutetaler ihrer Grubenbetriebe Die geschilderten Voraussetzungen besaßen. Ich erbat mir daher den Auf- liefern auch die Begründung für das trag, eine entsprechende Sammlung Konzept der Sammlungen. Während zusammenzustellen.“ Naheliegend ist sich die Goslar-Sammlung auf die die Vermutung, dass Bergrat von Scotti westliche Harzregion beziehungsweise sowohl Inspirator als auch Initiator auf das Münzwesen der Welfenherzö- der Sammlung war, denn die Aussage ge beschränkte, umfasste das Konzept über seiner Verwunderung ist mit einer der Hannover-Sammlung unbeschränkt gewissen Sentimentalität behaftet. und allgemein alles an Geprägen mit Bezug zum Bergbau und das räum- Der Verfasser erhielt von Dr.-Ing. lich nicht nur auf Deutschland fokus- Hans-Alfred Kochanowski einen wei- siert, sondern weltweit und auch ohne teren Hinweis auf die Intentionen historische Einschränkungen. Ausge- Bergrat von Scottis beim Sammelns. klammert blieb jedoch das Münzwesen Sein Großvater habe ihm einmal erläu- der Welfenherzöge ohne Bezug zum tert: „er sammle Münzen, die entweder Bergbau, abgesehen von den Lösern aus Harzer Erz hergestellt wurden oder beziehungsweise Schaumünzen. Die- in Harzer Münzstätten geprägt worden ser erhebliche Unterschied der Samm- seien oder von Besitzern der Harzer lungskonzepte hatte zwangsläufig auch Gruben herausgegeben worden wären.“ große Differenzen hinsichtlich des Volumens und letztlich auch des Wer- Erstaunlicher Weise sind im Preus- tes beider Sammlungen zur Folge. sag-Konzern an zwei Stellen fast gleichzeitig ähnliche Sammlungen ent- Inspirationen für die Neigung Berg- standen, nämlich ab 1950 in Goslar bei rat von Scottis zum Sammeln kön- der Unterharzer Berg- und Hüttenwer- nen vor allem die spektakulären Har- ke GmbH und ab 1952 in Hannover zer Bergbaugepräge des Westharzes, bei der Preussag AG. Diese Zweiglei- besonders der Braunschweig-Wolfen- sigkeit und besonders die Unterschiede büttel-Lüneburgischen Fürstentümer und Eigenheiten lassen sich historisch geliefert haben. Möglicherweise beein- begründen. Während die landeseigene flusste aber auch die Niedersachsen Niedersachsen GmbH als Miteigentü- GmbH das Sammelkonzept. Histo- merin der Unterharzer Berg- und Hüt- risch bedingt brachte sie ein Interes- tenwerke GmbH einen starken Bezug se an der fiskalisch-braunschweigisch zu Niedersachsen und dessen Rohstoff- bestimmten Geschichte des gesamten industrie im Harz hatte, lag das Inte- Münzwesens in den Fürstentümern der resse der Preussag AG, damals noch Braunschweig-Lüneburgischen Wel-

202 fen-Herzöge sowie der Stadt Goslar nach vielen Jahren aktiven Sammelns ein. Dieser Rahmen schloss dann natür- mit all ihren numismatischen Höhe- lich als einen Schwerpunkt den Unter- punkten später für Bergrat von Scotti und Oberharzer Bergbau mit seinen dargestellt hat. speziellen numismatischen Schöpfun- gen mit ein. Wann genau und wie die Auf Grund eigener Beobachtungen Entscheidung für die Sammlung fiel, und Erfahrungen seitens des Verfas- ist nicht bekannt. sers, der im Falle der Preussag-Samm- lung in Hannover in dem Zeitraum Gleich zu Beginn der Sammeltätig- von 1974 bis 2015, dem Zeitpunkt keit wurden Stücke der Stadt Goslar der Zerschlagung dieser Sammlung, und Münzen und Medaillen aus den deren Entstehen, Blühen und Wachsen Welfischen Landen ohne Bezug zum mitverfolgt und sich auch intensiv mit Bergbau angeschafft. Dies waren zum ihr beschäftigt hat, muss folgendes Beispiel diverse hannoversche Mari- festgestellt werden: Eine Sammlung engroschen aus dem Zeitraum von sozusagen aus dem Nichts aufzubauen, 1697 bis 1702. Sehr schnell hat dann ist äußerst anspruchsvoll. Man kann die bergbaubezogene Komponente die nicht wie bei Briefmarken von einem Sammelaktivitäten überwogen, wozu amtlich-offiziellen Katalog ausgehen, nicht zuletzt die „bergbauleidenschaft- in dem fein säuberlich und chronolo- liche“ Handschrift von Bergrat von gisch alles vermerkt ist, was seit Jahr- Scotti den prägenden Stempel auf- zehnten an Ausgaben erfolgt ist. Im gedrückt haben mag. Dies geschah Münzwesen gibt es natürlich analoge anfangs allerdings noch ohne ein zuvor Dokumentationen, sofern sie sich auf schriftlich festgelegtes Sammelkon- hoheitliche beziehungsweise fiskali- zept. Auch fehlt jeglicher Hinweis auf sche Geldmaßnahmen beziehen. einen Auftrag oder eine Bestellung Bergrat von Scottis als Kurator oder Beim Aufbau einer Motivsammlung Betreuer der Sammlung seitens der beziehungsweise einer speziell the- Geschäftsleitung beziehungsweise im matisierten Sammlung, wie bei Berg- Geschäftsverteilungsplan. baugeprägen, muss man sich jedoch erst an das Thema herantasten, was 9.3. Struktur der Sammlung besonders dann schwierig ist, wenn der Fokus sehr breit und dann noch Das Erscheinungsbild der Goslar- historisch sehr weit rückwärts aus- Sammlung ist aufgrund der wenigen gerichtet ist. Ein Vorhaben dieser Art noch vorhandenen Unterlagen bezüg- erfordert einen enormen Enthusiasmus lich der Abgrenzung des Sammelgebie- und Zeitaufwand. In der Praxis startet tes und ihrer Struktur nur verschwom- man zunächst ganz unbeschwert Schritt men zu begreifen. Sie war, zunächst für Schritt und dringt mit intensiverer im Aufbau begriffen, in sich bestimmt Beschäftigung und wachsendem Volu- nicht so klar gegliedert beziehungswei- men einer Sammlung immer tiefer in se überhaupt gliederbar, wie sie sich die Materie ein, bis sich endlich deut-

203 liche Strukturen für das letztliche Ziel In der Sammlung sind nahezu aus- und brauchbare Strukturen einer sol- schließlich Westharzer Bergbaugeprä- chen Sammlung herauskristallisieren. ge vertreten. Die damalige Marktsi- tuation ist Bergrat von Scottis Sam- Schließlich und letztlich ist auch das melleidenschaft zu Hilfe gekommen. Geld ein limitierender Faktor für den Glückliche Umstände, besonders die Aufbau und Umfang des Sammelns. Teilnahme an einigen Auktionen mit Dieses Stadium hat aber die von Berg- extrem vielen hochinteressanten Mün- rat von Scotti angelegte und betreu- zen und Medaillen, haben der Samm- te Sammlung angesichts der ihm zur lung eine spezielle Richtung gegeben: Verfügung stehenden Zeit nie erreicht. Ausbeutemünzen, Löser/Schaumünzen Deshalb konnte auch keine entspre- und Golddukaten aus dem Unterharz chende Dokumentation erarbeitet wer- (Rammelsberg). Ursächlich hierfür war den. Was die Größe der Sammlung möglicherweise auch ein relativ gro- betrifft, so stellte sie einen soliden, ßes Angebot als Folge kriegsbeding- überschaubaren Grundstock dar, was ter Nöte. Zusammengetragen wurden aber nichts über die Qualität aussagt. immerhin die beachtliche Menge von 80 Lösern beziehungsweise Schaumün- 9.4. Wachstum und zen und 18 Harzgolddukaten. Erwor- Anschaffungswerte der ben wurden sie bei namhaften Aukti- Sammlung onshäusern, wie Button in Frankfurt, Gaettens in Lübeck beziehungsweise Das Wachstum der Goslar-Samm- später Heidelberg, Hirsch in München, lung weist im Grunde zwei Haupt- Kricheldorf in Berlin beziehungsweise phasen auf, die durchaus auch mit Stuttgart, Peuss in Frankfurt, Wruck der beruflichen und damit zeitlichen in Berlin und Jacques Schulman in Verfügbarkeit Bergrat von Scottis über- Amsterdam. einstimmt. 1950 bis 1953 wurden 140 Objekte erworben, entsprechend 21% 9.5. Auswahl spektakulärer der Gesamtsammlung und in den fol- Sammelobjekte Harzer genden fünf Jahren ca. 520 Gepräge Prägungen mit Bergbaubezug beziehungsweise rund 78%. Nach 1957 fanden Erwerbungen scheinbar nur Mit seiner Betriebsbeschreibung hat noch sporadisch statt, wozu auch die Ahrend eine Tradition von Rammels- wirtschaftliche Situation der Gesell- berger Betriebsbeschreibungen begon- schaft beigetragen haben mag. 1960 ist nen, die nach ihm einige Bergwerks- die Sammeltätigkeit wohl gänzlich ein- direktoren beziehungsweise Oberberg- gestellt worden. Das Gesamtvolumen amtsleiter fortgesetzt haben. Zu erwäh- lag, soweit belegt, bei 668 Objekten nen sind vor allem mit einem Buchwert von 115.000 DM netto einschließlich eines geschätzten Die nachfolgenden beispielhaft 10%igen Aufschlags für Auktionsgel- beschriebenen Darstellungen konzen- der. trieren sich auf die Harzer Prägungen

204 der Goslar-Sammlung, die einen Bezug ler Harzer Münzen und Medaillen der zum Bergbau haben. Sie zeigen das interessierten Fachwelt in ihrer künst- Engagement, mit dem sich Bergrat lerischen Großartigkeit durch eine breit von Scotti als preußischer Bergmann angelegte bildliche Darstellung näher von Schrot und Korn alter Schule zu bringen, konnte er nur teilweise rea- der Sammlung gewidmet hat. Wel- lisieren. Sein 64seitiges bis 1959 erar- che Faszination diese Prägungen auf beitetes Buch mit dem Titel „Ausbeu- ihn ausübten, belegen unter anderem tetaler des Harzer Bergbaus“, Untertitel diesbezügliche Ausführungen in einem „Ein Blick in die Münzsammlung der Festvortag, den er anlässlich der gro- Unterharzer Berg- und Hüttenwerke ßen, von der Gesellschaft Deutscher G.m.b.H“, ist nicht gedruckt worden, Metallhütten- und Bergleute im Jahre sondern in nur 15 schreibmaschinenge- 1955 organisierten Fachtagung über schriebenen, handgebundenen Exem- die Erzaufbereitung hielt. Unter dem plaren von ihm an den Preussag-Vor- Titel „Die Entwicklung des Metall- stand, die UHBW-GmbH, Archive und erzbergbaus im Westharz und seines Freunde verteilt worden. Aufbereitungswesens“ geht er nicht nur auf die technische Entwicklung des Die Idee für dieses Projekt begründet Erzbergbaus ein, sondern unternimmt Bergrat von Scotti in einem Schreiben auch einen „kleinen Seiten-Exkurs“ in vom 14.03.1961: „Meiner Abhandlung die Welt der Ausbeutetaler und Medail- Ausbeutetaler des Harzer Bergbaus lag len aus Harzsilber, der Münzstätten die Absicht zugrunde, die bewunde- Clausthal und Zellerfeld in der Zeit rungswerte Prägekunst früherer Zeit von Herzog Heinrich dem Jüngeren durch stark vergrößerte Photoaufnah- von Braunschweig „bis zum Ende des men von einigen besonders schönen 18. Jahrhunderts, die in einer unge- Bergbautalern und Medaillen dem heuren Menge zum Teil hochkünstle- Münzfreunde vor Augen zu führen. risch gestochener Prägungen geliefert Gelegenheit dazu gab mir die Münz- haben.“ Schon diese wenigen einleiten- sammlung der Unterharzer Berg- und den Worte in dem sonst eher technisch Hüttenwerke. Eine Zusammenstellung orientierten Festvortrag dokumentie- derartig wohlgelungener Münzvergrö- ren seine Begeisterung für die Harzer ßerungen liegt meines Wissens bisher Bergwerksprägungen. nicht vor. Der Text dazu sollte so knapp wie möglich gehalten werden.“ Sein Eintritt in den Ruhestand am 01.01.1953, bereits 69-jährig, ermög- Sein ursprüngliches Vorhaben hat lichte ihm unter Gewährung eines schließlich seine Tochter, Dr. med. Hil- Beratervertrages eine noch intensivere degard Weber, wieder aufgegriffen und Beschäftigung mit der Goslar-Samm- in einer Veröffentlichung von 1988 mit lung und hier speziell mit den Bergbau- dem Titel „Ausbeutetaler und Medail- prägungen, als es ihm während seiner len des Harzer Bergbaus, Beispiele für aktiven Dienstzeit möglich war. Sein die Prägekunst früherer Zeit“ überar- Vorhaben, diese Sammlung prachtvol- beitet und herausgegeben. Hier finden

205 sich die von Bergrat von Scotti bevor- der Phantasie entsprungene Bergwerks- zugten Münzen und Medaillen der anlagen, allegorische Entwürfe auf den Goslar-Sammlung, die ihn aufgrund Silberreichtum des Harzes, besonde- ihrer herrlichen und eindrucksvollen re Ereignisses, wie hoher Besuch der Entwürfe besonders begeistert hatten. Obrigkeit, oder religiöse Anlässe. Oft haben sie aber auch einen realen Bezug Hier nachfolgend werden in Ergän- auf Bergwerke, nicht selten sogar mit zung zu den in vorgenannter Veröf- Namensnennung der Gruben, die auch fentlichung abgehandelten Prägungen historisch belegt und im alten Riss- weitere besondere Höhepunkte der werk nachweisbar sind, häufig auch Sammlung vorgestellt, kategorisiert mit zusätzlichen Staffagen charakte- und zusammengefasst mit Beispielen ristischer bergmännischer Tätigkeiten aus fünf Gattungen oder Geprägearten. und Geschehnisse. Bei diesen Prägun- Die Auswahl fällt angesichts der vie- gen ging es aber auch symbolhaft um len prächtigen Objekte der Sammlung die Verbindung von Bergwirtschaft und nicht leicht. Zudem weisen die Gattun- Macht der Landesherren. gen mitunter fließende Übergänge auf. Die Gattungen sind: Als Beispiele werden drei Stücke aus der Goslar-Sammlung vorgestellt: • Münzen und Medaillen mit all- Zunächst als recht frühe Münze ein gemeinen Bergbaudarstellungen Reichstaler von 1633 aus dem Laut- oder Hinweis auf die Herkunft des enthaler Revier auf die Metallgewin- Metalls nung aus der Grube St. Jakob (Herkunft • bergwerksbezogene Ausbeutemün- des Metalls) unter Friedrich Ulrich von zen als Mittel der Dividendenzah- Braunschweig-Wolfenbüttel, Münz- lung meister Henning Schlüter. Auf der • Löser beziehungsweise Schaumün- Vorderseite das fünffach behelmte11- zen feldige Wappen des Herzogs mit der • Randschrifttaler und Rosstaler Umschrift FRIEDERIC:VLRIC.D:G. • Dukaten aus Harzgold DVX.BRVNS.ET.L. ( Friedrich Ulrich = Die Gratia = von Gottes Gnaden Her- 9.5.1. Münzen und Medaillen zog von Braunschweig und Lüneburg) mit allgemeinen Bergbaudar- stellungen oder Hinweisen auf Auf der Rückseite St. Jakob mit Hut, die Herkunft des Metalls in der linken Hand ein Buch, in der rechten ein Wanderstab, nach halb- Zur dieser ersten Gattung gehören links dargestellt, entlang eines Küsten- Münzen und Medaillen aus dem Harzer saums mit Muscheln schreitend. Am Bergbaurevier mit allgemeinem Bezug linken Rand im Hintergrund ein Hügel zum Bergbau und bildlichen Darstel- mit einem Pferdegöpel, gekrönt von lungen desselben. Sie finden sich häu- einer Ausbeutefahne. Die Umschrift fig sowohl auf Münzen als auch auf lautet VT.CONCHAS.AVGE.NOS- Medaillen und betreffen beispielsweise TRA.METALLA.DEVS: H.=S (Wie

206 Abbildung 9.5.1.a.: Reichstaler 1633, Ausbringen der Grube St. Jacob in Lautenthal

Muscheln vermehre unsere Metalle, schaft Grubenhagen bis zum Herzog- Gott), dazu im Feld neben dem Hei- tum Braunschweig unter Heinrich Juli- ligen bogig Jahreszahl und Name der us und noch bis 1804 in großer Zahl Grube 1633.=.=S. IACOB. In Varian- geprägt wurden. ten erscheinen auf der Rückseite im Feld auch die Zusätze „S. IACOB“ Als Beispiel und damit als zweites oder „LAUTENTHAL 1633“ in diver- Objekt für eine prachtvolle Schöp- sen Ausführungen oder es fehlen diese fung dieser Geprägeart: der Reichsta- Zusätze gänzlich. Dann erscheint die ler Ernst August von Braunschweig- Jahreszahl allerdings in der Umschrift. Lüneburg von 1690. Ausbringen der Prägeort war Zellerfeld. Das Gewicht Gruben in St. Andreasberg mit dem dieser Münze beträgt 28,98 g, Durch- gleichnamigen Heiligen auf der Rück- messer 41 mm. Dokumentiert ist dieses seite. 29,04 g, Durchmesser 40 mm. Stück in der Goslar-Sammlung als lfd. (Goslar-Sammlung Nr. 207/1954 Nr. 38/1951, in der Preussag-Samm- beziehungsweise Preussag-Sammlung lung als Nr.10.2/51 und in dem Auk- Nr.10.4.3/28 beziehungsweise Aukti- tionskatalog von Künker, Osnabrück, on Künker/Coin Galleries Part II am beziehungsweise London Coin Galle- 01.11. 2016, Los 1178) ries, „The Preussag Collection, Part II“ am 01.11.2016 als Los 1074. Eine Medaille mit direktem Bezug zum Erzbergwerk Rammelsberg und Zu der Kategorie dieser Bergwerks- damit auch zur Preussag ist das drit- münzen zählen unter anderem auch te Objekt, das besonders prachtvolle die Andreasberger Taler, die schon mit Stück von 1712, geprägt unter Anton Beginn des neuzeitlichen Bergbaus Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüt- Mitte des 16. Jahrhunderts von der tel, das als Ersterwerb als Bronze- Grafschaft Hohnstein über die Regent- Abschlag in den Sammlungen inven-

207 Abbildung 9.5.1.b.: Reichstaler 1690, Ausbringen der Gruben in St. Andreasberg tarisiert war, bis es um 2010 leihweise EMVM EXORTVS EST/MDCCXII“ beim Rammelsberger Bergbaumuseum (Wie durch diese Medaille bewie- ausgestellt und bei einem Einbruch sen, ist Gold aus dem Rammelsberg gestohlen wurde. gewonnen worden, nachdem Blei, Kupfer und Silber durch das Pferd des Vorderseite geharnischtes Brust- Ritters Ramm schon zu Zeiten Otto bild des Herzogs nach rechts mit der des Großen entdeckt worden waren. Umschrift ANTONIVS.VLRIC.= 1712) Medailleur war G.W. Vestner, D.G.DVX.BR.ET.LVN. Auf der Prägeort Goslar. Das Gewicht in Bron- Rückseite Seigerriss des Bergwerks ze beträgt 40,5 g. mit bemerkenswerten Sprüchen. In der Mitte Schacht in Holzausbau Die gestohlene seltene Bronzeme- mit Kübelförderung. Darüber bogi- daille aus der Goslar-Sammlung mit ge Inschrift NEC TERRAE SIDE- der Inventarnummer 446/1956 war RA DESUNT (Der Erde fehlen die glücklicherweise in der Preussag- Gestirne nicht). Links und rechts Sammlung als Nr.10.3/11a noch durch vom Schacht arbeitende Bergleute ein Exemplar in der ursprünglichen mit Schlägel und Eisen sowie beim Fassung in Gold im Wert von 20 Duka- Feuersetzen. Dazwischen verteilt die ten vertreten. Dieses Stück mit einem Metallzeichen für Gold (Sonne), Sil- Gewicht von 69,55 g und 47,91 mm ber (Mond), Blei (Saturn) und Kupfer Durchmesser konnte 1989 erworben (Venus). Unten im Abschnitt der lan- werden und ist von größter Seltenheit. ge Spruch in Latein: „TESTE HOC Beim Verkauf der Preussag-Sammlung NUMO NATO EX/QUI A MON- wurde es bei der Auktion Künker/ TE RAMMENSI/POST TEMPORE Coin Galleries, Part I am 30.10.2015 OTTONIS M./PER RAMMI VENA- unter der Los Nummer 251 in London TORIS EQVM/IAM DETECTOS/ versteigert.

208 Abbildung 9.5.1.c.: Medaille 1712 anlässlich der Goldgewinnung aus dem Rammels- berg

Ein weiteres Beispiel für prächtige HAL, 29 g, 44 mm Durchmesser. (Gos- Medaillen mit Bezug zum Bergbau lar-Sammlung Nr. 226/1954 bezie- ist die Silbermedaille Georg II. von hungsweise Preussag-Sammlung Nr. Hannover, anlässlich seines Besuchs 21/3 beziehungsweise Auktion Künker/ der Gruben Dorothea und Caroline Coin Galleries Part II am 01.11.2016, sowie der Münzstätte Clausthal 1729, Los 1300). wo in seiner Gegenwart diese Medaille geprägt wurde. Auf der Rückseite Wil- Allein die Tatsache der Darstel- der Mann neben Tanne, Münzen aus lung arbeitender Menschen, wie bei einem Füllhorn gießend. Gewicht 44 der Rammelsberg-Medaille von 1712, g, 50 mm Durchmesser. Ein Goldab- zeugt von der Hochachtung, die selbst schlag dieser wundervollen Medaille die Landesherren den Berg- und Hüt- befindet sich auch in der Unterhar- tenarbeitern entgegenbrachten, natür- zer Bergkanne. (Goslar-Sammlung Nr. lich nicht zuletzt auch aufgrund der 665/1959 beziehungsweise Preussag- wirtschaftlichen Bedeutung des Berg- Sammlung Nr. 10.6.2/2 beziehungs- baus für das „Staatssäckel“. Schließ- weise Auktion Künker/Coin Galleries lich ging es hierbei um Ur-Produktion Part II am 01.11.2016, Los 1227). mit hoher Wertschöpfung, die den Herzögen nicht nur hohes Ansehen, Eine andere wunderbare Prägung sondern sicherlich auch viel Neid sei- stellt die Goslarer Silbermedaille von tens der Herrscher minderbemittelterer 1717 anlässlich des Reformationsjubi- und rohstoffärmerer Herrschaftsgebiete läums dar. Auf der Rückseite Gottesau- einbrachten. ge mit HARTZ über Stadtansicht von Goslar und Bergwerksanlagen im Hin- Beachtenswert ist dabei auch die tergrund mit ZELLERF und CLAUST- Kombination der hoheitlichen Darstel-

209 lung mit dem Konterfei des Landes- messer (Goslar-Sammlung Nr. 25/1951 vaters beziehungsweise stellvertretend beziehungsweise Preussag-Sammlung seines Wappens auf der Vorderseite Nr. 10.4.2/47 beziehungsweise Auk- und dem anschaulichen Bergbauge- tion Künker/Coin Galleries Part I am schehen auf der Rückseite der Gepräge. 30.10.2015, Los 274). Das alles widerspricht zumindest dem Verständnis des Barocks mit seiner 9.5.2. Bergwerksbezogene Sucht nach Prunk, Pracht, Glanz und Ausbeutemünzen als Mittel Gloria. der Dividendenzahlung

Ein anschauliches Beispiel für Mit seiner Betriebsbeschreibung hat die Darstellung der Verbindung von Ahrend eine Tradition von Rammels- Bergbau und Macht ist die Medaille berger Betriebsbeschreibungen begon- Johann Friedrichs von Braunschweig- nen, die nach ihm einige Bergwerks- Calenberg-Hannover ohne Jahresanga- direktoren beziehungsweise Oberberg- be, 140 g, 67 mm Durchmesser (in amtsleiter fortgesetzt haben. Zu erwäh- der Goslar-Sammlung nicht vertreten, nen sind vor allem Preussag-Sammlung Nr. 10.4.2/1 bezie- hungsweise Auktion Künker/Coin Gal- Der wirtschaftliche Bezug einer leries Part I am 30.10.2015, Los 272). Münze als Zahlungsmittel mit einem allgemeinen Hinweis auf bergbauli- Die Vorderseite zeigt den Herzog in che Aktivitäten genügte den „Harzfürs- voller Pracht mit riesiger Allonge, die ten“ angesichts des Silberreichtums Rückseite einen Menschen halb Berg- der Gruben schon bald nicht mehr. mann (linke Seite), halb Ritter (rechte In der Steigerung des Bergbaubezugs Seite), in der linken ausgestreckten haben sich hier wie auch in weiten Hand Berg- und Hüttengezähe haltend, Teilen Europas die „Berg-Obrigkei- mit einem Förderkorb, aus dem sich ten“ etwas Spezielles einfallen lassen: Erz ergießt. Rechts Krone, Reichsapfel, Ausbeutemünzen. Von ihnen sind im Zepter, Schwert und ein Füllhorn, aus Harz besonders schöne Exemplare ent- dem sich Münzen ergießen. Im Hin- standen, deren Stücke nicht nur unter tergrund links Bergwerke, rechts ein Bergleuten sondern in der ganzen Welt Heerlager mit Burg. der Numismatiker zu allen Zeiten heiß begehrt waren und es noch sind. Eine andere Prägung dieser Gattung ist der Doppeltaler, der 1678 ebenfalls Ausbeutemünzen standen – sofern unter Johann Friedrich geprägt worden man sich ihrer reinsten Form besinnt – ist. Anlass war die Wiederinbetrieb- als wirtschaftlicher Gewinn aus einem nahme der Grube gleichen Namens in bestimmten Bergwerk den Bergwerks- Clausthal, wiederum mit dem Herzog eigentümern, den Gewerken, zu. Das mit riesiger Allonge auf der Vorderseite Charakteristikum der Bergrechtli- und mit einem herrlichen Seigerriss chen Gewerkschaft ist die Stückelung auf der Rückseite, 59 g, 44 mm Durch- des Bergwerkseigentums in Anteile

210 (Kuxe), die im Gegensatz zu einer ben und sogar teilweise mit dem Hin- Aktie nicht nur gewinnberechtigt sind, weis auf das Quartal der Ausschüttung. sondern bei Verlust der Gesellschaft Eine Angabe einer Nominale erübrigt auch zur Zubuße herangezogen wer- sich, da das Silbergewicht dem Wert den. Gewinnausschüttung (Ausbeute) eines Talers, gelegentlich auch dem und Zubuße (Zahlungsverpflichtung) mehrfachen eines Talers entspricht. erfolgten quartalsweise (wie modern!), Die hoheitliche Seite (Vorderseite der wobei die freudige Kunde einer erwirt- Münze) mit Konterfei beziehungsweise schafteten Ausbeute durch Setzen der Wappen des Landesfürsten ist Ausweis Ausbeutefahne auf dem Grubengö- und Garantie für deren Echtheit. pel bekannt gemacht wurde. Dane- ben erfolgten Veröffentlichungen auf Jeder Landesfürst legte großen Wert Blättern/Aushängetafeln zum Beispiel auf Einhaltung von Metallgehalt und des Wortlauts: „Austheilung von dem -gewicht „seiner“ Münzen zum Schutz Überschuß der löblichen Königlichen seines Ansehens, seiner Reputation und Groß-Britannischen Chur- und Fürstl. seiner Zahlungsfähigkeit, sofern diese Braunschw. Lüneb. Bergwercke als Münzen als Zahlungsmittel eines Han- Zell. Wildemann Grund und Laut- delsgeschäfts zur Anwendung kommen enthal; Das Quartal LUCIAE den 1. sollten. Nov. 1732.“ Und darunter erschei- nen: „Nahmen der Bergwercke Beinahe klassisch sind die berühm- Ausbeut=Zechen“ in der Reihenfolge ten Harzer Ausbeutemünzen von acht untereinander mit der jeweiligen Aus- Oberharzer Bergwerken mit neun beute in Reichsthalern. wunderschönen Darstellungen, die im 18. Jahrhundert in diversen Jahrgän- Auf der rechten Hälfte: „Neu ange- gen unter dem Herzog Carl I. von legte Zubuß auf vorgedachten König- Braunschweig-Wolfenbüttel (1735- lichen ...“ und so weiter wie oben „... 1780) sowie unter den Kurfürsten von Bergwercke zu berechnen im Schluß Hannover Georg II. (1727-1760) und Reminisc. den 31. Januarii 1733“ und Georg III. (1760-1820) zur Ausgabe darunter die Zechen aufgelistet, geord- gelangten. Bei den hochkünstlerischen net nach den Gangzügen unter Angabe Prägungen handelt es sich um ihrer Örtlichkeit. die GRUBE GÜTE DES HERRN (mit Wesentliches Merkmal einer Ausbeu- Unterbrechungen zwischen 1743 temünze als Zahlungsmittel ist die Her- und 1756 verausgabt), Münzmeister kunft des Silbers (beziehungsweise des Johann Benjamin Hecht, Metalls) aus dem betrieblichen Gewinn die GRUBE GÜTE DES HERRN in einer bestimmten Grube. Daher tra- einer anderen sehr seltenen Darstel- gen diese Münzen als Ausweis für lung und erst 1774 und ausschließ- die Herkunft des Silbers auch auf der lich mit dieser Jahreszahl als letzte Rückseite den Namen der Grube, ver- Ausbeutemünze dieser Reihe unter bunden mit einer Darstellung dersel- Georg III. herausgegeben, Entwurf

211 Abbildung 9.5.2.: Reichstaler 1748, Ausbeute der Grube Cronenburgs Glück auf dem Festenburger Gangzug bei Zellerfeld

des Münzmeisters Ludwig Christian segensreiches Wirken unter die Regent- Ruperti, schaft von Herzog Carl I. und Kurfürst die GRUBE CRONENBURGS- Georg II. fiel, während unter Georg III. GLÜCK (zwischen 1744 und 1752), die Münzmeister Johann Anton Pfeffer die GRUBE WEISSER SCHWAN und Ludwig Christian Ruperti mit nur (zwischen 1744 und 1756), drei Ausgaben bekannt geworden sind. die GRUBE LAUTENTHALS GLÜCK (zwischen 1745 und 1763), Ein Beispiel für die hohe Prägekunst die GRUBE REGENBOGEN (zwi- ist der Reichstaler auf die Ausbeute der schen 1745 und 1752), Grube Cronenburgsglück unter Herzog die GRUBE Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel H(erzog):AUG:FRIED:BLEYFELD von 1748. Auf der Vorderseite das (zwischen 1750 und 1752), 12-feldige Wappen zwischen zwei wil- die GRUBE KÖNIG CARL (1752) den Männern, darüber der Fürstenhut und und Umschrift auf den Herzog mit der die GRUBE SEGEN GOTTES (zwi- Jahreszahl 1748. Die Rückseite ziert schen 1761 und 1765). mittig ein wundervoll dargestellter Göpel mit aufgesetzter Ausbeutefahne, Die Jahreszahlen entsprechen denen links davon Feldgestänge und rechts auf den Ausgaben, die im Bestand der weitere Gebäude vor bewaldeter Harz- ehemaligen Preussag-Sammlung ent- landschaft, davor zweispänniges Pfer- halten waren. defuhrwerk mit reitendem Kutscher auf dem vorderen Pferd, die Peitsche Als Schöpfer dieser Meisterwerke schwingend. Oben aus den Wolken ist vor allem der Münzmeister Johann durchbrechender Arm mit einem Lor- Benjamin Hecht zu nennen, dessen beerkranz in der Hand zwischen einer

212 bogigen Inschrift NON MARCESCET mit amtlicher Genehmigung in nach- (sie ist nicht begrenzt), bezogen auf weisbaren Notsituationen möglich. den Ruhm und Reichtum der Grube. Damit lag eine Silberreserve in privater Hand und das Ziel einer Abschöpfung Im Abschnitt unten DIE GRVBE/ von Kaufkraft war erreicht. Mit dem CRONENBVRGSGLVCK/KAM IN Umfang der Verkäufe hatte der Herzog AVSBEVT/IM QV:LVCIAE 1705, zudem einen Überblick über das wirt- darunter I.B.H. für den Münzmeister schaftliche Wohlergehen im Land. Im Johann Benjamin Hecht. Prägeort war 30jährigen Krieg brachten jedoch die Zellerfeld, das Gewicht 29,18 g, Durch- Löser viele Bürger in starke Bedräng- messer 40 mm. (Goslar-Sammlung Nr. nis, insbesondere bei der Besetzung 13/1950 beziehungsweise Preussag- des Harzes durch Tilly und die nach- Sammlung Nr. 10.3/45 beziehungswei- folgenden Plünderungen durch dessen se Auktion Künker/Coin Galleries Part marodierende Landser. II am 1.11.2016, Los 1096). Den Lösern, die, in reinster Form 9.5.3 Löser beziehungsweise wie beschrieben, nur unter Herzog Schaumünzen Julius mit Ausgaben zwischen 1574 und 1588 geschlagen wurden, folgten Die dritte Gattung der so eindrucks- die sogenannten Schaumünzen. Viele vollen Harzer Silberstücke betrifft eine als Löser bezeichnete Prägungen sind Spezies von Geprägen, die man als demnach eher als Schaumünzen zu einen Höhepunkt der von Herzog Juli- bezeichnen. Da Herzog Julius keine us von Braunschweig-Wolfenbüttel Löser mit Bergwerksdarstellungen ver- auf Vorschlag von Kopernikus 1574 ausgabt hat, gibt es faktisch auch gar erstmals kreierten Fiskalmaßnahme keine Bergwerkslöser. Es handelt sich bezeichnen muss, die Harzer Löser. genau genommen bei Lösern ab 1608 Sie sind in der Welt der Numismatik um punzierte Schaumünzen. Zeigen eine einmalige Institution und dien- sie Bergwerksdarstellungen, so lassen ten ursprünglich der Abschöpfung von sie die Herzen eines jeden Bergmanns Kaufkraft, nicht zuletzt ausgelöst durch höherschlagen. Größen bis zu 100 mm den aus Amerika nach Europa herüber- Durchmesser lassen schöne und detail- schwappenden Silberreichtum. lierte Darstellungen zu. Sie forderten aber künstlerisch und technisch der Wohlhabenden Bürgern wurde zur Prägekunst ein Höchstmaß an Können, Auflage gemacht, diese Sonderprägun- Kraft und technischer Erfahrung ab, gen aus Silber mit eingepunztem Wert da die Spindelpresse, auch Balancier zu erwerben. Geschlagen wurden diese genannt, hierzulande noch nicht ver- Stücke im Wert/Gewicht von 1¼ bis zu wendet wurde. Erst um 1690 wurde sagenhaften 12 Talern, was bei einem diese Technik in den deutschen Münz- Talergewicht von rund 26 g fein 312 stätten allgemein üblich. Die enorme g Silber entspricht. Ein Verkauf bezie- Kraftentfaltung der Spindelpresse ver- hungsweise eine Einlösung war nur langte eine technische Weiterentwick-

213 Vorderseite das gekrönte Monogramm des Herzogs, umgeben von 14 Wappen und Rankenkränzen, oben der Leit- spruch SINCERE ET CONSTANTER (aufrichtig und beständig), unten die Jahreszahl ANNO/ /1657, dazwischen die Initialen des Münzmeisters LW (Lippold Wefer), die Rückseite mit einer der schönsten und reichhaltigsten Darstellungen des Harzer Bergbaus mit Schnitt durch ein Erzbergwerk bis zu den Tagesanlagen mit Göpeln, Erzauf- bereitungstätigkeiten, Feldgestängen der Wasserwirtschaft und sogar Such- arbeiten nach Erzgängen. Über allem das springende Ross, mit dynamisch halb rückwärts und nach oben gerich- tetem Haupt, nach einem Lorbeerkranz schnappend, den ein Arm aus den Wol- ken heraus über die Bergbauszenerie hält. Das Gewicht beträgt 144,32 g, der Durchmesser 72,8 mm, Prägeort war Clausthal. (Goslar-Sammlung Nr. 655/1957 beziehungsweise Preussag- Sammlung Nr.10.4.1/38. Im Zuge der Auktion Künker/Coin Galleries Part Abbildung 9.5.3.: Schaumünze zu fünf I am 30.10.2015 in London, Los 146, Reichstalern 1657 auf den Bergbau im wurde es „Von allergrößter Seltenheit, Oberharz wohl Unikum. Vorzügliches Exemplar mit feiner Patina“ beurteilt und mit lung der Stempel zu größerer Härte, 10.000 £ ausgerufen. Der Zuschlag um nicht nur ein scharfes Prägebild zu erfolgte zu 32.000 £, woraus sich für erzielen, sondern zusätzlich auch noch den Käufer ein Preis von rund 55.000 ein hoch plastisches. Euro ergab.)

Hier als Beispiel für die Qualität Auf einen wunderschönen Löser/ vieler Objekte in der Goslar-Samm- Schaumünze aus der Goslar-Samm- lung der Löser beziehungsweise die lung Nr. 68/1952 beziehungsweise Schaumünze zu fünf Reichstalern Preussag-Sammlung Nr. 10.2/50f soll des Herzogs Christian Ludwigs von hier ergänzend eingegangen werden. Braunschweig-Lüneburg mit dem Es handelt sich um einen der berühm- Sachsenross der Welfen über Berg- ten Löser der Grube St. Jakob in Lau­ werkslandschaft von 1657. Auf der ten­thal von 1625 zu 1 ½ Reichsta-

214 lern aus der Regentschaft von Herzog Bergwerkslandschaft und den zahl- Friedrich Ulrich von Braunschweig- reichen herrlichen Bergwerksdar- Wolfenbüttel im Gewicht von 43,37 g, stellungen, darüber das springende entworfen von Münzmeister Hermann Ross, fortgesetzt von dessen Bruder Schlanbusch. In der Auktion Künker/ Johann Friedrich (1665-1679) sowie Coin Galleries Part II am 01.11.2016, von Ernst August (1679-1698), Kur- Los 1072, wird dieser Löser als sehr fürst von Hannover ab 1692, eben- selten, hier aber mit „prachtvoller falls mit dem springenden Ross Patina“ beschrieben, 43 g, 67 mm über Bergwerksanlagen sowie die Durchmesser. Gleicher Löser aus der Bergwerke von Lautenthal mit der Preussag-Sammlung, jedoch in Gold Glücksgöttin. Dieser Darstellung mit zu 20 Goldgulden, 59 g, 67 mm Durch- dem Prägejahr 1685 in dreifacher messer, ist der einzige bekannte „Gold- und vierfacher Punzierung folgte Löser“. In der Auktion Künker/Coin als letzter verausgabter Löser bezie- Galleries Part I am 30.10.2015, Los hungsweise Schaumünze, nochmals 43, stellte dieser Löser den absolu- 1688 das springende Ross über ten Höhepunkt der Preussag-Aukti- Bergwerken. onen 2015 und 2016 in London dar. Dem Ausruf von 150.000 £ folgte ein 9.5.4. Randschrifttaler und Zuschlag von 650.000 £, woraus sich Rosstaler ein Endpreis vor Steuern von rd. 1,1 Millionen Euro ergab. Die vierte Gattung ausgesuchter Har- zer Bergwerksprägungen, die Rand- Löser/Schaumünzen mit Bergbau- schrifttaler, erfreuten sich unter der darstellungen wurden von folgenden Regentschaft der Kurfürsten Ernst Herzögen herausgegeben: August und Georg Ludwig von Han- nover beziehungsweise des letzteren Von Friedrich Ulrich (1613-1634), als Georg I., in Personalunion mit hier besonders erwähnenswert die dem Königreich England, besonderer Jakobstaler, Beliebtheit. Das Erscheinungsbild die- von August dem Jüngeren (1635- ser Münzen ist im Großen und Ganzen 1666) und Rudolf-August (1666- stets ähnlich. Auf der Vorderseite das 1685), alle drei aus dem Haus Wappen, nur ganz gelegentlich das Braunschweig-Wolfenbüttel, Konterfei des Regenten, in diesem Fall von Friedrich von Braunschweig- dann mit dem Wappen auf der Rück- Lüneburg-Celle (1636-1648) mit seite. Vorwiegend aber erscheint auf den Krieg- und Frieden-Darstel- der Rückseite das springende Sachsen- lungen, ross der Welfen in zahlreichen Vari- von Herzog Georg von Braunschweig- anten, daher dann auch die Bezeich- Calenberg-Hannover (1636-1641), nung „Rosstaler“, bei einigen wenigen von Christian Ludwig von Braun- Exemplaren auch der Heilige Andreas. schweig-Lüneburg-Celle (1648- Das bestechende an den Harzer Rand- 1665) mit dem Wilden Mann vor schrifttalern sind die bezugsreichen

215 Sprüche auf dem Rand dieser Münzen- Es folgen einige Beispiele für die spezies. sinnreichen Randschriften, allen voran die einzige in deutscher Sprache: DAS Bekannt sind eigentlich 13 verschie- LAND DIE FRÜCHTE BRINGT IM dene Randsprüche, die bis auf einen HARZ DER THALER KLINGT. deutschsprachigen Spruch in lateini- scher Sprache gehalten sind und in Die übrigen, aus dem Lateinischen immer wieder variierenden Münz- ins Deutsche übersetzt: darstellungen in dem Zeitraum von 1684 bis 1724, soweit anhand der in „Die Grube Dorothea erbringt noch der Preussag-Sammlung vorhandenen reichlich neue Schätze und Hoff- Exemplare belegbar, demnach also in nung“ (Die Grube Dorothea war einem recht kurzen Zeitraum, veraus- eine der reichsten Gruben im gabt wurden. Clausthaler Revier.), „Dies sind die Früchte aus den Erz- Besonders reizvoll ist das Sammeln gängen der Grube Herzog Ernst von Randschrifttalern deshalb, weil die August“, entsprechenden Münzen längst nicht „Der Bauer hofft auf den Ertrag seines alle die Randschrift aufweisen, so dass Ackers, wir auf das Metallausbrin- der Sammler bei diesen Stücken den gen“, Rand stets gründlich kontrollieren „Die Grube Weißes Ross bringt muss, besonders in Hinblick darauf, diese Münzen ihren Gewerken ob eine Randschrift vorhanden ist, und dar“. (CANDIDUS HOS NUM- auch darauf, um welche es sich han- MOS SONIPES CULTORIBUS delt. Die Randschrifttaler sind wegen AFFERT). dieser Kuriosität teilweise recht wert- voll und gelegentlich wird ihr Bezug Letztgenannter Spruch findet sich zum Harzer Bergbau gar nicht erkannt. auch auf dem Rand des Reichstalers Viele Randschrifttaler sind Rosstaler, der Grube Weißes Ross des Kurfürsten aber längst nicht alle, ebenso wenig, Ernst August von Hannover von 1691. wie alle Rosstaler Randschrifttaler Die Vorderseite des Talers ziert das sind. kurfürstliche 14-feldige Wappen, die- ses fünffach behelmt und in der Mitte Das Prägen der Randschriften hat gekrönt von dem springenden Sach- erst die Einführung der oben beschrie- senross als Kleinod mit der Jahreszahl, benen Spindelpresse 1690 ermöglicht, auf der Rückseite das springende Ross womit auch die Zeit der „Kipper und nach links unter dem bogig angeordne- Wipper“ ein Ende fand, das heißt, das tem Leitspruch SOLA BONA QUAE Abfeilen (kuppen = schneiden; wippen HONESTA (Gut ist nur was ehren- = wiegen) von Silber an den Rändern voll ist). Das Gewicht beträgt 29,00 g, zwecks Gewichtsbetrügereien. Auch Durchmesser 40 mm, Münzmeister war waren von nun an Randriffelungen Heinrich Bonhorst, Prägeort Clausthal. anstelle glatter Ränder möglich. Mit diesen Merkmalen ist das Stück

216 Abbildung 9.5.4.: Reichstaler 1691, Ausbringen der Grube Weißes Ross in Clausthal auch den Ausbeutemünzen zuzuord- 1709 gelungen war, aus dem reichen nen. (Goslar-Sammlung Nr. 303/1955 Silberausbringen des Rammelsberges beziehungsweise Preussag-Sammlung das mitgeführte Gold hüttentechnisch Nr. 10.4.3/31). Die Beschreibung im auszuscheiden. Dabei bedeutet der Künker/Coin Galleries-Auktionskata- Zusatz “INFERIORIS“ Unterharz und log Part II vom 01.11.2016 als Los der ist gleichzusetzen Rammelsberg, 1183 lautet „Von großer Seltenheit. das heißt es handelt sich explizit um Vorzügliches Exemplar mit feiner Gold aus dem Erzbergwerk Rammels- Tönung“ und belegt damit die hohe berg. Bei der Angabe „Ex Auro Her- Qualität des Exemplars. cyniae“ handelt sich um Gold aus dem Harz ohne Angabe einer Zeche. 9.5.5 Dukaten/Gepräge aus Harzgold Auch bei den Dukaten hatte die Goslar-Sammlung ein sehr begehrtes, Auf eine weitere Münzgattung, seltenes Stück im Bestand, das hier die auch mit einigen hervorragenden beispielhaft vorgestellt wird. Es han- Exemplaren in der Goslar-Sammlung delt sich um einen Doppeldukaten von verteten war, muss wegen ihrer Bedeu- 1727 unter Herzog August Wilhelm tung unbedingt eingegangen werden, von Braunschweig-Wolfenbüttel, aus- zumal sie auch mitunter einen ganz geprägt aus Rammelsberger Gold in speziellen Bezug zum Erzbergwerk Braunschweig, Gewicht 6,96 g, 26 mm Rammelsberg in Goslar aufweisen. Ab Durchmesser. Münzmeister war Hein- 1710 sind im Harz unter dem Hin- rich Christoph Hille. Auf der Vordersei- weis auf die Herkunft des Metalls te gekröntes Spiegelmonogramm, auf „EX AURO HERCINIAE“ oder „EX der Rückseite springendes Sachsenross AURO HERCYNIAE INFERIORIS“ nach links unter PARTA TUERI (Das Dukaten verausgabt worden, als es Erworbene behaupten). Im Abschnitt

217 Abbildung 9.5.5.: Doppeldukat 1727, geprägt aus Rammelsberger Gold drei Zeilen Inschrift EX AVRO HER- eigentlich nur im Harz. In Mitteleuropa CYNIAE INFERIORIS MDCCXXVII kann allenfalls noch der sächsisch-böh- (Aus Unterharzer Gold 1727). Künker/ mische Raum rund um das Erzgebirge Coin Galleries beurteilen auch die- mithalten, eventuell auch der Tiroler ses Stück im Auktionskatalog Part I Bergbau. am 30.10.2015, unter Los 253 sehr gut: „Von großer Seltenheit und sehr Diese Provenienzen kannte Bergrat schön bis vorzüglich“. In der Goslar- von Scotti natürlich auch alle. Nichts- Sammlung unter der Inventarnummer destotrotz bleibt anzumerken, dass er 523/1956 geführt lief dieser Doppeldu- scheinbar von den spektakulären und kat in der Preussag-Sammlung später äußerst präsentablen bergbau-bezoge- unter der Katalognummer 10.3/25. nen Darstellungen und den Inschrif- ten der Harzer Münzen und Medaillen Hierher gehört auch die bereits unter besonders beeindruckt und gefesselt 9.5.1 „Münzen und Medaillen…“ war. Dies ist aufgrund seines beruf- beschriebene Rammelsberger Goldme- lichen Betätigungsfeldes nur zu ver- daille zu 20 Dukaten von 1712 unter ständlich, denn bei diesen Geprägen ist der Regentschaft Anton Ulrichs. neben dem künstlerischen Wert nicht minder dessen prägetechnische Umset- 9.5.6. Schlussbemerkung zur zung zu würdigen. Bestimmt waren Auswahl ihm auch alle anderen Gattungen berg- baulicher Geprägearten geläufig, wie Mit seiner Betriebsbeschreibung hat sie sich in der einstmals so bedeu- ADas Kompendium der beschriebe- tenden Preussag-Sammlung wiederge- nen Geprägegattungen in Verbindung funden haben, so zum Beispiel die mit dem enormen Silberreichtum des Jetons, die Münzmeistermarken und Bergbaus findet sich in ihrer Reichhal- Rechenpfennige, die Zechenmarken, tigkeit beziehungsweise Einmaligkeit die Chips und Coupons für den Waren-

218 bezug, das Notgeld, die Gedenkme- erfolgte, wobei heutzutage nicht nach- daillen berühmter Persönlichkeiten aus vollziehbar ist, inwieweit sich hierbei Forschung, Wissenschaft und Bergbau- die Kuratoren gegenseitig im Weg stan- Industrie sowie die Abzeichen, Orden den und womöglich die Preise man- und Auszeichnungen. Hierzu gesellt gels vorheriger Absprache in die Höhe sich noch eine Flut von Sondergeprä- getrieben haben. gen, die vor allem nach 1945 in den sozialistischen Staaten des Ostblocks Bei den, wie aufgezeigt, teilweise hergestellt worden waren und speziell äußerst seltenen und hochbegehrten nach dem Zusammenbruch des östli- Sammelobjekten, die nur auf einem chen Sozialismus hier den Markt über- sehr, sehr engen Markt erworben schwemmten, so zum Beispiel aus der werden können, treffen zwei potente DDR, aus Polen und der Tschechoslo- Sammler immer wieder aufeinander. wakei. All diesen Gattungen fehlt aller- Allein dieser Umstand, der norma- dings weitestgehend die Strahlkraft der lerweise ganz schnell dem sensiblen zuvor beschriebenen Bergbaumünzen Münzmarkt bekannt wird, reicht aus, und -medaillen aus dem Westharz, wie um dem gesuchten Münzspektrum sie Bergrat von Scotti zusammengetra- einen deutlichen Preisschub zu verlei- gen hat. hen. Das wurde dem Autor von Aukti- onshäusern bestätigt, als die Preussag/ Ebenso, wie die zuvor aufgezähl- TUI ab 2005 auf dem Markt nicht mehr ten und in der Goslar-Sammlung nicht als Käufer auftrat. Fast schlagartig sta- vertretenen Geprägearten, wurden die gnierten die Preise für die entsprechen- Herrschaftsgebiete des Ostharzes aus- den Objekte der Preussag-Sammlung. geblendet wie Blankenburg, Stolberg, Anhalt oder Mansfeld. Ursache hierfür Eine gewisse Rivalität beim Aufbau war offensichtlich (zunächst) die Kon- beider Sammlungen hat sich schon sehr zentration auf das im Harz gelegene früh abgezeichnet, nicht zuletzt auch Bergwerkseigentum der Preussag. auf Grund der in den fünfziger und bis Ende der 1960iger Jahre bestehenden 9.6. Verbleib der Goslar- gesellschaftsrechtlichen Einbindung Sammlung der Unterharzer Berg- und Hüttenwer- ke in den Preussag-Konzern. Es war schon in den 1950er Jahren schwer zu vermitteln und kaum ver- Mit schwindendem Einfluss der Nie- tretbar, zwei Sammlungen mit sehr dersachsen GmbH und letztlich mit der ähnlichem bis teilweise identischem Übernahme der von dieser gehaltenen Sammelziel in ein und demselben 3/7 Anteile an der Unterharzer Berg- Konzern zu unterhalten. Vor diesem und Hüttenwerke durch die Preussag Hintergrund sind Diskussionen über AG im Jahre 1968 gewann die Mut- die Sinnhaftigkeit aufgekommen und tergesellschaft in Hannover die Ober- das umso mehr, als in beiden Fällen hand. Zudem fehlte seit dem Tod von der Erwerb intensiv über Auktionen Bergrat von Scotti der Mentor, der über

219 die Goslar-Sammlung wacht. Mittler- Hannover keine Bewertung mehr durch weile hatten auch diverse Revirements einen Gutachter zu aktuellen Markt- in den Führungsebenen der Goslarer werten erforderlich, die höchstwahr- Verwaltung stattgefunden. Die Metall- scheinlich Buchgewinne mit Steuer- märkte liefen längst nicht mehr so gut zahlungen ausgelöst hätte. Die Samm- wie zur Zeit der Korea-Konjunktur. lung gelangte auf diese Weise mit ihren Weitere Ankäufe ließen sich nun nicht niedrigen Anschaffungswerten in das mehr finanzieren. Anlagevermögen der Preussag AG. Mit dieser Verschmelzung und angesichts Während die Hannover-Samm- ständig steigender Werte numismati- lung mit intensiver Betätigung sei- scher Raritäten entstanden stille Reser- tens des Chefjustitiars Rechtsanwalt ven in der Bilanz der Preussag AG, da Karl Müseler unter anfänglich sogar Münzen im Anlagevermögen bis zu numismatisch-fachmännisch-assis­ ihrer Ausbuchung nicht wertberichtigt tierender Beratung durch Professor werden müssen. Dr. Franz Kirchheimer, Direktor des Geologischen Landesamts Baden/ Der Zusammenschluss der Samm- Württemberg, Stuttgart, ständig weiter lungen hatte einerseits zahlreiche Dub- ausgebaut wurde, stagnierte die Goslar- letten zur Folge. Andererseits enthielt Sammlung. Die Zeit war reif für die die Goslar-Sammlung wie oben Zusammenführung beider Sammlun- beschrieben viele Prägungen ohne gen in Hannover. Bergbau-Bezug aus den Welfenlanden sowie der Stadt Goslar, die nicht in Die Umsetzung erfolgte in zwei das Konzept der Preussag-Sammlung Tranchen. 1969 übernahm die Mut- in Hannover passten. Alle Dubletten tergesellschaft zunächst 55 Stücke in wurden veräußert oder im Tauschwege Ergänzung des bei ihr vorhandenen durch noch nicht vorhandene Bergbau- Bestandes. Die gesamte übrige Gos- gepräge ersetzt. Heute kann nicht mehr lar-Sammlung wurde am 28.02.1977 bis ins letzte Detail nachvollzogen wer- nach Hannover überführt, nachdem die den, in welchem Umfang die Goslar- Unterharzer Berg- und Hüttenwerke Sammlung die Hannover-Sammlung GmbH zuvor gesellschaftsrechtlich auf bereichert hat. Tatsache ist jedenfalls, die Preussag AG verschmolzen worden dass nach der Zusammenlegung von war. Damit war sie keine eigenständi- den zuvor genannten ca. 670 Objekten ge Gesellschaft mehr, sondern wurde des Harzes nur ein relativ geringer unter der Bezeichnung Preussag AG Anteil von etwa 150 bis 160 Exem- Metall zusammen mit allen anderen plaren, also etwa 20 bis 25%, in die Nichteisen-Metallaktivitäten der Preus- Preussag-Sammlung eingeflossen und sag geführt. in Hannover verblieben ist.

Im Zuge dieser gesellschaftsrecht- Die in Goslar und im Harz weitver- lichen Maßnahmen war bei der Über- breitete Meinung, dass die Preussag- führung der Goslar-Sammlung nach Sammlung vorwiegend aus Goslarer

220 Beständen bestanden habe, entbehrt I am 30.10.2015 und als Part II am jeder Realität. Dazu ein Zahlen-Ver- 01.11.2016 in London zur Versteige- gleich beider Sammlungen in ihrem rung. Endzustand: Goslar mit seinen ca. 670 Stücken bei einem Buchwert von In Anbetracht dieser historischen weniger als 60.000 € (ca. 115.000 Geschehnisse wurden bei den oben DM) standen in Hannover rund 9.200 vorgestellten Einzelobjekten zum Stück mit einem Buchwert von 3,3 Nachweis ihres Verbleibs die jeweili- Millionen € gegenüber. Hierbei darf gen Katalogisierungen beim „Durch- aber keinesfalls die Zeitachse aus dem lauf“ durch die diversen Sammlungen Blick geraten, denn die numismati- angezogen, denn es handelt sich dabei schen Marktpreise der 1950er Jahre eindeutig immer um genau und nach- sind in den folgenden Dekaden bis ins weisbar dasselbe Stück, nicht etwa um 21. Jahrhundert hinein stark gestie- ein Stück gleicher Art. Diese Nach- gen. So waren damals beispielsweise weisbarkeiten ermöglichen die nach- Harzer Ausbeutetaler aus der berühm- folgenden Betrachtungen über die Ver- ten 8er-Serie von Johann Benjamin marktung und Wertsteigerungen von Hecht zu Preisen von 35 bis 60 DM Teilen der Goslar-Sammlung. zu haben, für die heute auf Auktionen gelegentlich Endpreise bis zu 2.000 € Wie ist nun aber das Lebenswerk und darüber erzielt werden. Und diese Bergrat von Scottis, seine bis ins hohe Entwicklung ist noch stärker bei den Alter hinein ausgeübte Sammelaktivi- Lösern beziehungsweise Schaumünzen tät zu bewerten? Mit welcher Begeiste- zu verzeichnen, wie noch zu zeigen rung und Leidenschaft diese „Freizeit- ist. Daher können mit den genannten beschäftigung“ betrieben wurde und Buchwerten der Sammlungen unter gar wie sie das Leben nach dem Aus- keinen Umständen Wertungen verbun- scheiden aus den aktiven Diensten der den werden. Unterharzer Berg- und Hüttenwerke 1953 beziehungsweise nach Nieder- 9.7. Vermarktung und aktuelle legung aller danach noch ausgeüb- Werte der Sammlung ter Ehrenämter und Sonderaufgaben bestimmt hat, zeigt die Tatsache, dass Es ist für viele unfassbar, dass die Bergrat von Scotti auch nach seinem Preussag-Sammlung, trotzdem sie Ausscheiden aus dem aktiven Berufs- bekannter Maßen weltweit einzigartig leben weiterhin ein Büro mit Münzsafe und kulturhistorisch von außerordent- im Verwaltungsgebäude des Rammels- lichem Wert für die Region und für bergs behielt. Deutschland war, „unter den Hammer“ kam. Sie wurde an die Münzhandlung Fakt ist, dass schon von Anbeginn Künker, Osnabrück, verkauft. „in con- des Aufbaus der Sammlung Bergrat junction“ kam sie, wie schon erwähnt, von Scotti ein besonderes Augenmerk durch das Auktionshaus London Coin auf das „Harz-Spezifikum“ Löser Galleries in zwei Auktionen als Part beziehungsweise Schaumünzen der

221 welfischen Herzöge gerichtet hatte, ausgenommen. In dem Löser-Konvolut unabhängig davon, ob es sich um Stü- waren immerhin noch 69 Löser aus der cke mit Bezug zum Bergbau oder Goslar-Sammlung mit einem Verkaufs- ganz allgemein um Löser handelte. wert von 1,2 Millionen Euro enthalten. Hierbei ist es ihm angesichts eines Das entspricht quantitativ rund 30%, recht bemerkenswerten Angebots wertmäßig rund 18% der zum Verkauf an diesen teilweise äußerst seltenen gelangten Löser. Schöpfungen gelungen, eine respekta- ble Anzahl von etwa 80 dieser Spezies Hier noch ein kleiner Exkurs auf das zu erschwinglichen Preisen schon ab wirtschaftliche Ergebnis der Sammel- 100 bis 300 DM, in der Spitze aber tätigkeit der Unterharzer Berg- und auch für rd. 4.500 DM (10fache Schau- Hüttenwerke: Erworben wurden die 69 münze Friedrich Ulrich von 1620) Löser unter Einschluss eines 10%igen zu erwerben. 2015 hat dieses Stück Aufgeldes für rd. 28.000 €. Das ent- beim Verkauf der Preussag-Sammlung spricht über den 60-jährigen Zeitraum durch das Auktionshaus Künker/Coin von ca.1955 bis 2015 einer Wertstei- Galleries in London einen Endpreis gerung von mehr als dem 40-fachen von 29.200 € oder rd. 57.000 DM vor beziehungsweise einer respektablen Steuern erzielt. Verzinsung mit Zinseszins von rd. 6,5% pro Jahr. Das Verkaufsergeb- Die Anzahl von etwa 80 Lösern in nis der Löser soll nur beispielhaft ein der Goslar-Sammlung ist vor allem Schlaglicht auf die Wertsteigerung der unter dem Aspekt der Gesamtanzahl in der Goslar-Sammlung vorhandenen an bekannten Lösern zu bewerten, die Objekte werfen. Die Beispiele ließen sich schätzungsweise auf 250 bis 300 sich fortsetzen. belaufen mag. 9.8. Bedeutung der Goslar- Besonders interessant ist in diesem Sammlung für die Preussag- Zusammenhang das Auktionsergebnis Sammlung in Hannover der Löser beziehungsweise Schaumün- zen innerhalb der 2015/16 in London Obwohl die Goslar-Sammlung und versteigerten Preussag-Münzsamm- die Preussag-Sammlung parallel auf- lung. Zum Ausruf gelangten insgesamt gebaut wurden, haben sich in den 232 Löser/Schaumünzen, die unter Unterlagen nirgends Hinweise gefun- Berücksichtigung eines Aufgeldes den, dass bezüglich der Abgrenzung von 21% und nach Umrechnung von der Sammelgebiete irgendwelche Pfund-Sterling in Euro einen Gesamt- Absprachen stattgefunden haben, was wert von rd. 6,7 Millionen Euro vor schon an sich in Anbetracht der engen Steuern erzielten. Hierbei ist der einzi- gesellschaftsrechtlichen Verflechtun- ge in Gold vorhandene 20-Goldgulden- gen zwischen der Unterharzer Berg- Löser der Grube St. Jakob in Lautenthal und Hüttenwerken GmbH und der von 1625 wegen seines oben bereits Muttergesellschaft Preussag AG sehr beschriebenen exorbitanten Wertes verwundert.

222 Jedoch haben sich Befruchtungen für ein direkter Bezug zu allen Lösern, da die Preussag-Sammlung mit Zusam- der Preussag AG nach ihrer Gründung menführen der Sammlungen vor allem 1923/24 das Bergwerkseigentum der 1977 ergeben. Von den bei Künker/ welfischen Herzöge im Westharz zufiel, Coin Galleries in London versteiger- und damit die Berechtigung, innerhalb ten 69 Lösern beziehungsweise Schau- der Preussag-Sammlung eine entspre- münzen aus dem Goslarer Altbestand chende Spezialsammlung anzulegen. wiesen lediglich 14 einen Bergbau- bezug auf, während die restlichen 55 Durch diese Ausweitung war es den Stück nicht dem Bergbau zuzuordnen Betreuern der Preussag-Sammlung waren. Dieser Fundus war Anlass für während der Sammelaktivitäten bis Rechtsanwalt Karl Müseler, als dem zum Jahr 2004/05 gelungen, diese zu diesem Zeitpunkt tätigen Betreuer beachtliche und wohl einmalige Löser- der Preussag-Sammlung, in Erkennt- sammlung zusammenzutragen, die nis der Bedeutung der Löser/Schau- 2015/2016 von Künker/London Coin münzen für die Harzregion das Spekt- Galleries in London mit 233 Stück rum letztgenannter Sammlung auf alle weltweit verauktioniert und damit zer- Löser auszuweiten. Dokumentiert ist schlagen wurde. diese Erkenntnis durch die Einleitung in Müselers Werk „Bergbaugepräge, Aber nicht nur die Löser und Schau- dargestellt auf Grund der Sammlung münzen aus der Goslar-Sammlung der Preussag Aktiengesellschaft“ von haben die Hannover-Sammlung, wie 1983, wo es heißt: „Die Vereinigung beschrieben, bereichert. Einige sehr dieser Sammlung (gemeint ist die Gos- schöne Stücke sind dieser Samm- lar-Sammlung) mit der bei der Preus- lung als eine weitere kostbare Gat- sag zusammengetragenen Sammlung tung bereits mit der ersten Tranche von Bergbaugeprägen führte zu einer der Zusammenlegung der Sammlun- Ausweitung des Sammlungszieles bei gen 1969 zugeflossen, ohne dass dies der Preussag, in dem auch Löser und irgendwo expressis verbis verbrieft Schaumünzen ohne Bergbaubezug, die ist. Es handelt sich um Gold-Dukaten in der von Bergrat von Scotti ange- aus dem Harz beziehungsweise dem legten Sammlung vorzüglich vertreten Unterharz, aus Rammelsberger Gold waren, in das Sammelprogramm auf- aus der Zeit ab 1710. Diese Dukaten genommen wurden.“ wurden von Bergrat von Scotti nicht, wie bereits bemerkt, als besondere Zur Begründung ist auch die Tat- Highlights erachtet beziehungsweise sache anzuführen, dass sich die „Ins- erwähnt. Dennoch sind sie es ob ihrer titution“ der Löser nicht ohne den relativen Seltenheit, allbedingsr nicht Silberreichtum der Harzer Bergwerke so spektakulär, wie Löser oder Aus- hätte realisieren lassen, der in dieser beutemünzen bezüglich ihrer Darstel- spektakulären Form den Landesfürsten lung. Wegen der Dukatengröße ist das eine hohe Reputation in der Öffentlich- Erscheinungsbild eher schlicht, aber keit verlieh. Natürlich bestand auch dennoch klar in ihrer Ausprägung mit

223 dem springenden Sachsenross mit den Sammlung und letztlich auch mit deren Inschriften „EX AURO HERCINIAE Strahlkraft auf die große Preussag- INFERIORIS“ beziehungsweise „EX Sammlung bis zu deren Zerschlagung AURO HERCYNIAE“. 2015/2016 muss festgestellt werden, dass der Sammelleidenschaft, rück­ Ein besonderes Stück von großer Sel- blickend, eine gewisse Tragik angehaf- tenheit stellte der Doppeldukat August tet hat. Unterstellt man, dass Bergrat Wilhelm von 1727 aus Rammelsberger von Scotti kraft seiner Stellung, sei- Gold dar, wie oben beschrieben und nes Ansehens und seiner Beziehungen abgebildet. Die gleiche Aussage gilt innerhalb der Unterharzer Berg- und für den einfachen Dukat Anton Ulrich Hüttenwerke maßgeblich die Idee für von 1710 aus der Goslar-Sammlung, eine Münzsammlung in Goslar hatte welcher ein Pendant in der Preussag- und diese auch weitgehend in die Tat Sammlung als Doppeldukat aus dem umsetzte, so bleibt als Kritik der abge- Jahr 1712 hatte. Dieses prächtige und steckte Rahmen des Sammelkonzepts. äußerst seltene Exemplar ist bedau- erlicherweise während einer Ausleihe Vielleicht war das Sammelziel, das anlässlich der Expo-Ausstellung 2000 gesamte Münzwesen der Welfen, zu am Rammelsberger Bergbau-Museum weit gesteckt, lag es doch in dieser verloren gegangen. Insgesamt sind Form auch außerhalb des Preussag- etwa 15 Harzer Gold-Dukaten von Interesses als Rohstoffkonzern. Damit Goslar nach Hannover übertragen wor- waren die finanziellen Möglichkeiten den und dort auch bis 2015 verblieben. der Unterharzer Berg- und Hüttenwer- ke angesichts der sehr wechselvol- Somit ist ohne Sentimentalität fest- len Geschäftserfolge überstrapaziert. zustellen, dass über ein halbes Jahr- Unter diesen Gegebenheiten haben hundert ein fundamentaler Bestand an möglicherweise auch die von Berg- bergbaulichen Münzen und Medaillen rat von Scotti gesetzten Schwerpunk- von Bergrat von Scotti angeschafft und te hinsichtlich der bergbaubezogenen in Ehren bewahrt wurde. Dazu mögen Harzer Münzen und Medaillen sowie deren numismatische Bedeutung und der Löser gelitten. Die wirtschaftlichen Kostbarkeit aufgrund ihrer Seltenheit Ergebnisse der Gesellschaft spiegeln nicht nur für das Harzer Sammelge- sich auch in den ausgeprägten Perioden biet, sondern auch für die große welt- der Münzbeschaffungen mit Höhen weit angelegte Preussag-Sammlung an und Tiefen wider, die 1960 schließlich Bergbaugeprägen beigetragen haben. total zum Erliegen kamen.

9.9. Würdigung mit kriti- Diese aperiodischen Ausgaben für schem Rückblick auf das Münzanschaffungen verzeichnete übri- Sammelgeschehen gens auch die Hannover-Sammlung in eklatanter Form. Logisch, dass In Würdigung der Verdienste von bei Bilanzverlusten der Shareholder Bergrat von Scotti für die Goslar- Ausgabensperren für numismatische

224 Anschaffungen verhängt wurden, Protektion von oberster Gesellschafts- wobei die Randbemerkung gilt, dass leitung her günstiger aufgestellt. Hin- im Grunde Münzen weder Kosten ter ihr stand immerhin der Vorstand noch Investitionen sondern verzins- der Preussag-Muttergesellschaft, der liche Kapitalanlagen darstellen, wie die Geschäftsführung der Unterharzer oben belegt und beschrieben. Aber Berg- und Hüttenwerke mit ihren wech- natürlich sind in Notlagen solche Aus- selvollen Ergebnissen berichtspflichtig gaben weder einem Gesellschafter war. Inwieweit Bergrat von Scotti von beziehungsweise Aktionär als Finan- dieser Geschäftsführung, zumindest in cier noch der zum Sparen angehaltenen späteren Jahren und besonders nach Belegschaft zu vermitteln. seiner Pensionierung, noch die vol- le Unterstützung für das Projekt der Zum anderen muss festgestellt wer- Münzsammlung erhielt, ist fraglich. den, dass von Scotti offensichtlich von der Schönheit der Darstellung der Berg- Sein Problem mag letztlich die Rolle werksprägungen extrem beeindruckt eines Einzelkämpfers gewesen sein, war, wie seine Druckwerke und auch denn es ist wenig beziehungsweise seine Ausführungen im oben erwähn- nichts von einem Mitstreiter oder sogar ten Festvortrag belegen. Fraglich ist, würdigen Nachfolger als Betreuer der ob er überhaupt die gesamte Konzep- Goslar-Sammlung bekannt. Dahinge- tion, wie in der Preussag-Sammlung gen bekam er es mit einer mächtigen in Hannover verfolgt, in der Form Konkurrenz in einer noch wesentlich erkannt beziehungsweise angestrebt jüngeren Persönlichkeit als Betreuer hat. Es liegen keinerlei Belege vor, der Hannover-Sammlung zu tun, die dass er die vorhandene Literatur über zudem beim Vorstand hohes Ansehen die bekannten Bergbaugepräge syste- genoss und bald hauptamtlich zum matisch durchgearbeitet hat, um einen Chefjustitiar der Preussag AG aufstieg, Überblick über sein Sammelgebiet Rechtsanwalt Karl Müseler. Schon sehr zu erhalten und dementsprechend die früh zeigten sich Rivalitäten und auch Anschaffungen zu planen. Die vorhan- Auswirkungen auf das Wachstum der denen Inventaraufzeichnungen deuten Goslar-Sammlung. eher auf Zufallskäufe hin. Jedenfalls lassen sie keine Systematik erkennen. Ein Manko dieser Sammlung war ferner auch die Tatsache, dass kein Aber es ist noch auf ein anderes potenter Nachfolger für Bergrat von Phänomen einzugehen. Das Problem Scotti herangezogen worden war – und damit die Schwierigkeit für die ganz im Gegensatz zu Hannover – und Sammelleidenschaft von Bergrat von somit der Goslar-Sammlung mit Able- Scotti ist in der bereits oben ausführ- ben von Bergrat von Scotti ihr Protek- lich beschriebenen Zweigleisigkeit der tor und Förderer verloren ging. Sammlungen in Goslar und Hanno- ver zu sehen. Zwangsläufig war die Gleichzeitig nahm der Einfluss der Sammlung in Hannover bezüglich ihrer Preussag AG auf die Unterharzer Berg-

225 und Hüttenwerke mit Ausbau deren Einen nicht zu unterschätzenden Beteiligung zu, der schließlich in der Dämpfer erfuhr der Enthusiasmus von Verschmelzung der beiden Gesellschaf- Bergrat von Scotti für die Bergbau-Prä- ten wie oben beschrieben gipfelte. Es gungen dadurch, dass ihm der Preus- muss davon ausgegangen werden, dass sag-Vorstand in einer 1959 bis 1961 diese Konstellationen die wohlgemein- geführten Diskussion die zunächst ins ten Absichten und Arbeiten von Berg- Auge gefasste Unterstützung bei der rat von Scotti sehr erschwert haben. Herausgabe eines Buchwerkes mit Eine Auflösung der Goslar-Sammlung meisterlichen Abbildungen von Aus- beziehungsweise ein Verschmelzen mit beutemünzen und Medaillen des Har- der in Hannover im Entstehen begrif- zer Bergbaus letztlich versagte. Die fenen war eine unweigerliche Konse- Gründe für diese Entwicklung lassen quenz, die er sicherlich bereits recht sich heute nicht mehr klar nachvoll- früh erkannt hat, wobei wohl umge- ziehen. kehrt ein Übergang der Hannover- Sammlung nach Goslar (im Gegensatz 9.10. Fazit: Was ist geblieben? zu dem Übergang der Goslar-Samm- lung nach Hannover) weit außerhalb Der kritischen Frage nach der jeden Vorstellungsvermögens lag und „Zukunft“ der Preussag-Münzsamm- auch niemals ernsthaft zur Diskussion lung haftet Enttäuschung und Bitternis gestanden hat. an, denn, wie schon zuvor angedeutet, haben sich die Voraussetzungen für den Insofern stand das Münz-Projekt unter Erhalt der Sammlung total verändert, einem ungünstigen Stern, zumindest indem sie einfach abgestoßen wurde. seit der Zeit, als sich 1952 der Preus- Es klingt schon fast wie ein Schicksals- sag-Vorstand für das Wiederaufleben schlag, dass nahezu zeitgleich die letz- einer Sammlung nach „Berliner“ Mus- ten beiden Steinkohlenbergwerke in ter entschied. Retrospektiv hätte bereits Deutschland, dabei auch Ibbenbüren, zu diesem Zeitpunkt eine Absprache ihre Förderung eingestellt haben. Im über ein Sammelkonzept im Konzern, Einklang mit dem Niedergang des Erz- aufbauend auf dem bereits vorhandenen bergbaus und auch den rückläufigen kleinen, aber wertvollen Fundus in Gos- Nichteisenmetall-Rohstoffaktivitäten lar, stattfinden sollen, vielleicht sogar in Deutschland, aus denen die Preus- unter Betreuung der Fachkompetenz sag AG ursprünglich einen großen Teil von Bergrat von Scotti, die zu diesem ihrer Wirtschaftskraft schöpfte, haben Zeitpunkt bei der Preussag-Hauptver- sich auch die Geschäftsmodelle total waltung gänzlich fehlte und erst erar- gewandelt. Aus der Preussag wurde die beitet werden musste. Dadurch wären TUI, aus dem Berg- und Hüttenkonzern zweigleisige Anschaffungen wertvoller wurde ein Reiseveranstalter. Gefragt Sammelobjekte und spätere Querelen sind nicht mehr dunkle Bergwerke und sowie betriebswirtschaftliche Schwie- qualmende Hütten voller technischer, rigkeiten beim Zusammenführen der wirtschaftlicher und sozialer Risiken, Sammlungen vermieden worden. mit ihrem auf gesundheitlichen und

226 sozialen Gefahren aufgebautem traditi- versteigert. Darunter befand sich als onsreichem Brauchtum, sondern golde- letztes Los der Auktionen die Nummer ne Sonnenstrände und fröhliche Events 1772 im Umfang von ca. 5.650 Stück in einem unbeschwerten, sorgenarmen (über 60% der Stückzahl der Samm- Dasein. lung!) zum Ausrufpreis von lediglich 10.000 £, Zuschlag 52.500 £. Der nach- In diesem Kontext ist der Bezug trägliche Versuch, zumindest an dieses zu der alten Rohstoffwelt verloren Konvolut noch irgendwie heranzukom- gegangen mit allem, was damit zusam- men und darin enthaltene bergbaulich menhängt. Unverständlich, dass die interessante Objekte für Deutschland Vergangenheit der Preussag AG mit zu sichern, hat gar nicht mehr stattge- ihrem Traditions-Bewusstsein und des- funden. Unbekannt ist nach wie vor, sen Pflege in der neuen TUI AG so ob das Konvolut inzwischen gründlich stiefmütterlich – um nicht zu sagen durchgearbeitet wurde und welches respektlos – behandelt wird. Schicksal ihm wiederfahren ist.

Die über die Kriegswirren hinweg Hierzulande war das Echo ob dieser mit Not geretteten beziehungsweise Ereignisse sehr verhalten, vor allem wieder zusammengetragenen Kulturgü- auch und erstaunlicherweise seitens ter zu bewahren, verursachte praktisch der staatlichen, kulturverantwortlichen keine Kosten. Hingegen stellen die Stellen. Wenn schon die TUI keinen Erlöse aus den Verkäufen im Verhältnis Wert auf den Verbleib der Sammlung zu den Umsätzen der TUI AG „pea- im eigenen Haus gelegt hat, so hätten nuts“ dar. Im Sinne der Erhaltung der sich mit Geduld und ein wenig mehr Münzsammlung in ihrer Einmaligkeit Einfühlungsvermögen sicherlich Mittel wäre ein Bestand in ihrer Gänze erstre- und Wege für einen zumindest teilwei- benswert gewesen. Stattdessen wurde sen Erhalt der Sammlung finden lassen. sie kurzfristig außer Landes verbracht und in zwei groß angelegten Auktionen Jedenfalls hat der Gesamterlös für stückweise weltweit vermarktet. Der TUI bei weitem nicht den unwieder- Verkauf erfolgte scheinbar nur unter bringlichen Kulturverlust für Deutsch- dem Aspekt der Veräußerung der wirk- land aufgewogen. Damit gehört diese lich sehr spektakulären und seltenen prächtige Sammlung auf Nimmerwie- Stücke, was sich an der Anzahl der aus- dersehen der Vergangenheit an. gerufenen herausgehobenen Einzellose von lediglich 1.315 Stück ablesen lässt. Als Fazit bleibt festzuhalten: Geblie- Dabei umfasste Part I der Auktion die ben sind von all dem Engagement Lose 1 bis 544, Part II die Lose 1001 und den Mühen beim Zusammentragen bis 1772. der Bergbau-Sammlungen in Goslar und Hannover lediglich Erinnerungen Der Rest des Gesamtvolumens von mit einem faden Beigeschmack. In rd. 9.200 Objekten der Sammlung der bei ihrer Veräußerung vorhande- wurde der Einfachheit halber in Lots nen und vom Verfasser erarbeiteten

227 akribischen Dokumentation und Digi- ihrem ganzen Volumen der Öffentlich- talisierung dieser Sammlung waren keit bisher nicht zugänglich gemacht die Provenienzen aus Goslar genaues- worden. Umso schneller verlieren sich tens registriert und beschrieben wor- damit auch die letzten Spuren, die fast den. Eine abschließende Darstellung bis in die Gegenwart hinein ihren Nie- der kulturhistorisch bedeutungsvollen derschlag in den Sammelaktivitäten großen Preussag-Sammlung ist aber in Bergrat von Scottis fanden.

228 Veröffentlichungen von Bergrat von Scotti

1913: Vorläufiger Beitrag zur Frage der Entstehung der Pyritlagerstätten in der Provinz Huelva, Südspanien. In: Zeitschrift für praktische Geologie, XXI. Jahr- gang

1914: Beitrag zur Frage der Entstehung der Schwefelkieslagerstätte im Süden der iberischen Halbinsel. Dissertation

1914: Beitrag zur Frage der Entstehung der Schwefelkieslagerstätten im Süden der iberischen Halbinsel. In: Zeitschrift für praktische Geologie, XXII. Jahrgang

1923: Mikroskopische Untersuchungen an Mineralien der Oberharzer Gänge. Zeitschrift Metall und Erz

1925: Die Schwimmerzaufbereitungsanlage auf der Grube Bergwerkswohlfahrt der Berginspektion Grund am Harz, Zeitschrift Metall und Erz

1934: Mitteilungen über den neuesten Stand der technischen Entwicklung im deutschen Metallerzbergbau. Vortrag auf dem 14. Allgemeinen Bergmannstag am 29.09.1933 in Essen

1934: Gekürzte Fassung vorstehend genannten Vortrags. Zeitschrift Metall und Erz

1934: Die Anwendung geophysikalischer Bodenuntersuchungsmethoden im Harzer Erzbergbau, Zeitschrift Metall und Erz

1936: Aufschlussarbeiten im Oberharz. Zeitschrift Metall und Erz

1955: Die Entwicklung des Metallerzbergbaus im Westharz und seines Aufbe- reitungswesens. Festvortrag anlässlich des Internationalen Aufbereitungskongres- ses am 08. Mai 1955 in Goslar. Zeitschrift für Erzbergbau und Metallhüttenwesen

229 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen a. D. … außer Diensten BBU … Bleiberger Bergwerksunion EKOF … Erz- und Kohle-Flotations GmbH Bochum ERDA … Aktiengesellschaft für angewandte Geophysik in Göttingen GDMB … Gesellschaft Deutscher Metallhütten- und Bergleute, 2013 umbenannt in Gesellschaft der Metallurgen und Bergleute e. V. OHBW … Oberharzer Berg- und Hüttenwerke RM … Reichsmark UHBW … Unterharzer Berg- und Hüttenwerke VEBA … Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG

Abbildungsverzeichnis

Seite

Abbildung a.: Befahrungstrupp unseres Fördervereins am 14. April 2018 vor dem Stollenmundloch Bergeschachtstrecke...... 5 Abbildung b.: Bereich Bergeschachtstrecke (blau hervorgehoben die wichtigsten Bereiche)...... 6 Abbildung c: Beispielhaft ausgewähltes Arbeitsergebnis: Handzeichnung von Hermann Kissling, Seitenansicht Hauptgrubenlüfterraum Bergeschachtstrecke.6 Abbildung d.: Bergrat von Scotti 1933...... 9 Abbildung 1.a.: Hans-Hermann von Scottis Vater Generalleutnant Paul Emil Maria Titus von Scotti 1914...... 12 Abbildung 1.b.: Unterschrift Kaiser Wilhelms unter der Adelstitelverleihungsur- kunde für Emil von Scotti...... 13 Abbildung 1.c.: Adelstitelverleihungsurkunde für Emil von Scotti...... 14 Abbildung 1.d.: Wappen der Familie von Scotti...... 15 Abbildung 1.1.a.: Marie Amalie Wilhelmine und Emil Scotti, die Eltern von Hans-Hermann Scotti...... 16 Abbildung 1.1.b.: Hans-Hermann Scottis Großeltern väterlicherseits...... 17 Abbildung 1.1.c.: Taufschein von Hans-Hermann Scotti...... 18 Abbildung 1.1.d.: Emil und Hans-Hermann Scotti 1889...... 19 Abbildung 1.1.e.: Hans-Hermann Scottis Großeltern mütterlicherseits...... 20 Abbildung 1.1.f.: Hans-Hermann und Eberhard Scotti 1886...... 21 Abbildung 1.1.g.: Hans-Hermann mit Fritz und Walter Scotti Schneidemühl 1894...... 22 Abbildung 1.2.a.: Hans-Hermann Scotti 1889...... 23 Abbildung 1.2.b.: Hans-Hermann Scotti 1896 (Quartaner) auf Lady...... 24 Abbildung 1.2.c.: Hans-Hermann Scotti bei seiner Konfirmation 1897...... 25

230 Abbildung 2.a.: Hans-Hermann Scotti auf Lord, etwa 1903...... 26 Abbildung 2.b.: Familie Scotti in Neisse zu Pferde...... 27 Abbildung 2.c.: Emil Scotti mit Ehefrau und Söhnen...... 28 Abbildung 2.1.1.a.: Foto Grube Storch und Schöneberg in Gosenbach um 1900, Fotografie von Peter Weller...... 29 Abbildung 2.1.1.b.: Grube Heinitz, Königliches Steinkohlenbergwerk Neunkir- chen/Saar, Gesamtansicht 1908...... 30 Abbildung 2.1.2.a.: Corps-Fuchs Hans-Hermann Scotti, Freiburger Rhenanen...... 31 Abbildung 2.1.2.b.: Selbstdarstellung Corps Rhenania Freiburg...... 32 Abbildung 2.1.2.c.: Einladung Hans-Hermann Scottis 1907 zur Reconstitutions- feier des Corps Rhenania Freiburg...... 33 Abbildung 2.1.2.d.: Hans-Hermann Scotti „als Corpsbursch“...... 34 Abbildung 2.1.2.e.: Hans-Hermann Scotti (Mitte) in Freiburg nach einer Mensur...... 35 Abbildung 2.1.2.f.: Hans-Hermann Scotti als Leutnant der Reserve des 4. Garde Feldartillerie Regiments Potsdam...... 35 Abbildung 2.1.2.g.: Leutnantspatent von Hans-Hermann Scotti...... 36 Abbildung 2.1.2.h.: Grube Zabrze, Tagesanlagen...... 37 Abbildung 2.1.2.i.: Grube Friedrichssegen, Ansichtskarte an Hans-Hermann Scotti von seinen Mitreferendaren, 1907...... 37 Abbildung 2.1.2.j.: Referendar Hans-Hermann Scotti 1908...... 38 Abbildung 2.1.2.k.: Bergassessorenpatent Hans-Hermann Scottis...... 39 Abbildung 2.1.3.a.: Assistentenvertrag Hans-Hermann Scottis...... 40 Abbildung 2.1.3.b.: Hans-Hermann Scotti 1912 in Spanien auf Grube San Miguel...... 40 Abbildung 2.1.3.c.: Spanienexkursion Hans-Hermann Scottis, Übersicht...... 41 Abbildung 2.1.3.d.: Spanienexkursion Hans-Hermann Scottis, Details...... 41 Abbildung 2.1.3.e.: Doktorurkunde Hans-Hermann Scottis...... 42 Abbildung 2.1.3.f.: Mitteilung Verleihung Borchers-Plakette an Hans-Hermann Scotti...... 43 Abbildung 2.1.3.g.: Mikroskopaufnahmen in der Dissertation Bergassessor von Scottis...... 44 Abbildung 2.2.a.: Addi Junkermanns Eltern...... 45 Abbildung 2.2.b.: Heiratsurkunde...... 46 Abbildung 2.2.c.: Hildegard von Scotti im Alter von fünf Monaten mit Vater. 47 Abbildung 3.a.: Hildegard von Scotti mit ihren Eltern 1915...... 48 Abbildung 3.b.: Addi und Hans-Hermann von Scotti mit ihren Kindern 1917.49 Abbildung 3.c.: Familie von Scotti Weihnachten 1917 in Kassel...... 51 Abbildung 3.1.a.: 1915 vor der Grodek Stellung...... 54 Abbildung 3.1.b.: Oberleutnant Hans-Hermann von Scotti 1916...... 55 Abbildung 3.3.a.: Ausschnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an sei- ne Frau vom 15 Februar 1918...... 62

231 Abbildung 3.3.b.: Ausschnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an sei- ne Frau vom 21. Oktober 1918...... 63 Abbildung 3.3.c.: Ausschnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an sei- ne Frau vom 08. Oktober 1918...... 63 Abbildung 3.3.d.: Ausschnitt aus einem Brief von Bergassessor von Scotti an sei- ne Frau vom 20. Oktober 1918...... 64 Abbildung 3.4.: Hildegard von Scotti im Alter von 19 Monaten mit Eltern..... 65 Abbildung 3.5.: Wohnhaus der Familie General von Scotti in Kassel...... 68 Abbildung 4.1.: Hauptmann Hans-Hermann von Scotti in Uniform...... 76 Abbildung 4.2.: Bleihütte Clausthal...... 78 Abbildung 4.3.: Gebäude der Berginspektion Grund...... 80 Abbildung 4.4.1.: Schreiben des Ministeriums für Handel und Gewerbe vom 12. Dezember 1928, das Ausscheiden Bergrat von Scottis aus dem Staatsdienst betreffend...... 83 Abbildung 4.4.2.a.: Einer von Bergrat von Scottis Rissen der Grube Hilfe Gottes im Taschenbuchformat...... 85 Abbildung 4.4.2.b.: Bergrat von Scottis mikroskopische Aufnahmen von Bad Grunder Erz...... 86 Abbildung 4.4.2.c.: Flotationszellen in Bad Grund, Foto aus einem Bericht Berg- rat von Scottis über die neue Bad Grunder Erzaufbereitung, 1924...... 87 Abbildung 4.4.2.d.: Bergrat von Scotti 1929...... 88 Abbildung 4.4.2.e.: Bergrat von Scotti begrüßt die zum Bergdankfest angetretene Belegschaft der Grube Hilfe Gottes, 1930...... 89 Abbildung 4.4.2.f.: Bergrat von Scotti und Bergassessor Franz Ehring 1933... 89 Abbildung 4.6.a.: Goslarsche Straße 7 in Zellerfeld...... 92 Abbildung 4.6.b.: Ausschnitt aus einem Brief von Addi von Scotti an Bergasses- sor von Scotti vom 08. Februar 1919...... 93 Abbildung 4.6.c.: Stadtplan Grund mit Berginspektion...... 93 Abbildung 4.6.d.: Berginspektionsgebäude Bad Grund, Foto aus dem Jahr 1965...... 94 Abbildung 4.6.e.: Addi von Scotti 1932 vor der Berginspektion Grund...... 95 Abbildung 4.6.f.: Hildegard, Hans und E(ri)ka von Scotti, 1925...... 96 Abbildung 4.6.g.: Familie von Scotti, 1929...... 96 Abbildung 5.3.: Bergräte von Scotti und Hast beim Führerempfang 1934 auf dem Marktplatz Goslar (beide mit preußischen Adler am Hut)...... 99 Abbildung 5.4.a.: Bergrat von Scotti 1934...... 100 Abbildung 5.4.b.: Unterschriften Bergräte Hast und von Scotti 1934...... 101 Abbildung 5.4.c.: Bergrat von Scotti Anfang der 1930er Jahre in historischer Bergmannstracht...... 102 Abbildung 5.4.1.a.: Modell der Zinkhütte Harlingerode 1935...... 103 Abbildung 5.4.1.b.: Bergrat von Scotti 1934 beim Bergdankfest auf dem Markt- platz...... 103

232 Abbildung 5.4.1.c.: Bergrat von Scotti 1935 bei seiner Festrede zur Fahnenweihe auf dem Marktplatz...... 104 Abbildung 5.4.1.d.: Bergrat von Scotti 1935 auf dem Marktplatz...... 105 Abbildung 5.4.1.e.: Bergräte von Scotti und Hast, Bergassessor Seume und Obersteiger Lenk (v.l.n.r., 1. Reihe), Festumzug zum 01. Mai 1937 in Goslar...... 106 Abbildung 5.4.1.f: Teufbeginn Rammelsbergschacht 1936...... 107 Abbildung 5.4.1.g:. Feierliche Einweihung Rammelsbergschacht 1937 (3.v.l. Bergrat von Scotti)...... 108 Abbildung 5.4.1.h.: Bau Aufbereitungsgebäude Erzbergwerk Rammelsberg 1936...... 110 Abbildung 5.4.1.i.: Tagesanlagen Erzbergwerk Rammelsberg 1939...... 111 Abbildung 5.4.1.j.: Abbrucharbeiten und neue Aufbereitungsanlage Erzbergwerk Rammelsberg 1940...... 112 Abbildung 5.4.1.k.: Umbau Behelfskaue Rammelsberg zum Gefangenenlager 1942...... 114 Abbildung 5.4.1.l.: Zwangsarbeiterbaracken am Rammelsberg unterhalb des Herzberger Teichs...... 115 Abbildung 5.4.2.a.: Bergrat von Scotti vor einer Befahrung Erzbergwerk Grund 1934...... 117 Abbildung 5.4.2.b: Fördergerüst Westschacht...... 118 Abbildung 5.4.2.c.: Festrede Bergrat von Scotti zum Bergdankfest am Gittelder Berg 1934...... 118 Abbildung 5.4.2.d.: Erhöhung Fördergerüst Achenbachschacht 1936...... 119 Abbildung 5.4.2.e.: Werkshof Hilfe Gottes 1936...... 120 Abbildung 5.4.2.f.: Tagesanlagen Hilfe Gottes...... 120 Abbildung 5.4.2.g.: Grubenbefahrung Erzbergwerk Grund 1941...... 121 Abbildung 5.5.1.: Aufbereitungsanlage Erzbergwerk Mies...... 123 Abbildung 5.5.4.a.: Fördergerüst Erzbergwerk Trepca...... 126 Abbildung 5.5.4.b.: Alter Tagebau, Aufbereitung und Hütte Erzbergwerk Bor...... 127 Abbildung 5.5.4.c.: Tagebau und Tagesanlagen Bor 1942...... 127 Abbildung 5.5.4.d.: Alte Arbeiterunterkünfte Erzbergwerk Bor...... 128 Abbildung 5.5.4.e.: Wiederaufbau zerstörter Werksanlagen Bor 1941...... 128 Abbildung 5.5.4.f.: Transportarbeiten Erzbergwerk Bor 1941...... 129 Abbildung 5.5.4.g.: Umbau Tagesanalgen Erzbergwerk Bor 1941...... 130 Abbildung 5.5.4.h.: Umbau Aufbereitungsanlage Erzbergwerk Bor 1941...... 130 Abbildung 5.5.4.i.: Appell eines Teils der Belegschaft, Erzbergwerk Bor, 1942...... 131 Abbildung 5.5.4.j.: Bahnbaukolonne Erzbergwerk Bor, Organisation Todt 1943...... 132 Abbildung 5.5.4.k.: Bauarbeiten im Tagebau Tilka Milva 1943...... 134

233 Abbildung 5.6.: Von Bergrat von Scotti ausgefüllter Fragebogen zur Wiederher- stellung des Berufsbeamtentums ...... 136 Abbildung 5.7.: Bergrat von Scottis Antwortbrief auf Verleihung Kriegsver- dienstkreuz 1944...... 137 Abbildung 5.8.a.: Bergrat von Scotti und Bergassessor Franz Ehring, Bergfest Bad Grund 1934...... 138 Abbildung 5.8.b.: Bergmännische Aufwartung für Bergrat von Scotti, Artikel in der Goslarschen Zeitung, 1934...... 139 Abbildung 5.8.c.: Direktorenwohnhaus Bergtal 8, Blick nach Nordosten, 1934...... 140 Abbildung 5.8.d.: Direktorenwohnhaus Bergtal 8, heutiges Luftbild...... 141 Abbildung 5.8.e.: Wohnung Nonnenweg 19, 1943...... 141 Abbildung 5.8.f.: Wohnhaus Nonnenweg 19, heutiges Luftbild...... 142 Abbildung 5.8.g.: Töchter und Ehefrau von Scotti im PKW Wanderer, 1936.142 Abbildung 5.8.h.: Bergrat von Scotti mit beiden Töchtern...... 143 Abbildung 5.8.i.: Bergrat von Scotti mit Ehefrau und beiden Töchtern...... 144 Abbildung 5.8.j.: Familie von Scotti 1938 im Nonnenweg 19...... 144 Abbildung 5.8.k.: Addi und Hans-Hermann von Scotti 1940...... 145 Abbildung 5.8.l.: Die sechs Enkelkinder in Goslar, 1944, Originalbeschriftung...... 146 Abbildung 6.2.: Grube Hilfe Gottes 1950...... 150 Abbildung 6.3.a.: Brief der Preussaghauptverwaltung über Ausscheiden Bergrat von Scottis 1945...... 151 Abbildung 6.3.b.: Brief der Preussaghauptverwaltung über Wiederaufnahme der Arbeit Bergrat von Scottis 1946...... 152 Abbildung 6.3.c.: Die Herren Konitzer, von Scotti und Rauschenberger (letzterer aus dem Ruhrbergbau)...... 153 Abbildung 6.3.d.: Entnazifizierungsentscheidung für Bergrat von Scotti, 1948...... 154 Abbildung 6.3.e.: Silberbecher von Bergrat von Scotti...... 155 Abbildung 6.3.f.: Boden des Silberbechers mit eingraviertem Namen von Scotti...... 156 Abbildung 6.4.a.: Foto Wislicenusstraße 14...... 159 Abbildung 6.4.b.: Wohnhaus Wislicenusstraße 14, heutiges Luftbild...... 159 Abbildung 6.4.c.: Bergrat von Scotti mit Ehefrau und Sohn Hans in der Wislicenusstraße 14...... 160 Abbildung 6.4.d.: Bergrat von Scotti an seinem Schreibtisch in der Wislicenusstraße 14...... 161 Abbildung 7.1.1.a.: Banderzaufbereitung Bollrich, Architektenskizze Schupp...... 163 Abbildung 7.1.1.b.: Innenhof der Banderzaufbereitung Bollrich...... 164 Abbildung 7.1.1.c.: Bohrturm Bohrloch Rammelsberg 5...... 165 Abbildung 7.1.2.: Schacht Wiemannsbucht, Tagesanlagen, heutiger Zustand.166

234 Abbildung 7.2.a.: Konsul Adam und die Bergräte von Scotti und Bodifée..... 167 Abbildung 7.2.b.: Bergrat von Scotti 1955 an seinem Arbeitstisch...... 16 Abbildung 7.2.c.: Bergrat von Scotti auf der Feier zu seinem 50 Bergmannsjubi- läum mit Bergwerksdirektor Huber und Dr. Hüser...... 168 Abbildung 7.2.d.: Bergrat von Scotti vor einer Befahrung der Grube Hilfe Gottes 1952...... 169 Abbildung 7.2.e.: Grubenlampe, die Bergrat von Scotti anlässlich seiner letzten Grubenbefahrung in Bad Grund geschenkt bekam...... 169 Abbildung 7.3.a.: Bergrat von Scotti 1956...... 170 Abbildung 7.3.b.: Bergrat Hast dankt Bergrat von Scotti 1955 nach dem Festvortrag...... 171 Abbildung 7.3.c.: Silberbecher-Tagung Bad Reichenhall 1954...... 172 Abbildung 7.3.d.: Silberbecher-Tagung in Niederbreising 1957...... 172 Abbildung 7.3.e.: Ausflug Bergmannsstammtisch nach Hohne 1953...... 173 Abbildung 7.3.f.: Barbarafeier in Goslar 1954...... 173 Abbildung 7.3.g.: Bergrat von Scotti 1962...... 174 Abbildung 7.3.h.: Bergrat von Scotti mit Enkel in Kinderbergmannsuniform 1958...... 175 Abbildung 7.3.i.: Bergrat von Scottis 75. Geburtstag, Originalbeschriftung... 176 Abbildung 7.4.a.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau 1952 in Bad Pyrmont...... 177 Abbildung 7.4.b.: Die acht Enkel Bergrat von Scottis...... 178 Abbildung7.4.c.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau Addi 1953 auf Sylt.. 179 Abbildung 7.4.d.: Bergrat von Scotti mit seinen Enkeln 1953 auf Sylt...... 180 Abbildung 7.4.e.: Familie Huber zu Besuch bei Familie von Scotti...... 180 Abbildung 7.4.f.: Bergrat von Scotti 1958 bei der Gartenarbeit...... 181 Abbildung 7.4.g.: Bergrat von Scotti 1960 auf dem Balkon Wislicenusstraße 14...... 182 Abbildung 7.4.h.: Bergrat von Scotti und Ehefrau Addi 1962...... 183 Abbildung 7.4.i.: Bergrat von Scotti mit seinem Bruder Hellmut und seinem Sohn Hans 1964...... 183 Abbildung 7.4.j.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau Addi und seinen Enkeln Max und Achim Oberberg in Itzehoe...... 184 Abbildung 7.4.k.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau 1965 in Salzufflen.. 184 Abbildung 7.4.l.: Bergrat von Scotti mit seiner Ehefrau 1966...... 185 Abbildung 7.4.m.: Todesanzeigen Bergrat von Scottis...... 186 Abbildung 7.4.n.: Grab Bergrat von Scottis...... 186 Abbildung 7.4.o.: Addi von Scotti in Bad Eilsen, 85 Jahre alt...... 187 Abbildung 9.5.1.a.: Reichstaler 1633, Ausbringen der Grube St. Jacob in Lautenthal...... 207 Abbildung 9.5.1.b.: Reichstaler 1690, Ausbringen der Gruben in St. Andreasberg...... 208

235 Abbildung 9.5.1.c.: Medaille 1712 anlässlich der Goldgewinnung aus dem Ram- melsberg...... 209 Abbildung 9.5.2.: Reichstaler 1748, Ausbeute der Grube Cronenburgs Glück auf dem Festenburger Gangzug bei Zellerfeld...... 212 Abbildung 9.5.3.: Schaumünze zu fünf Reichstalern 1657 auf den Bergbau im Oberharz...... 214 Abbildung 9.5.4.: Reichstaler 1691, Ausbringen der Grube Weißes Ross in Clausthal...... 216 Abbildung 9.5.5.: Doppeldukat 1727, geprägt aus Rammelsberger Gold...... 218

236 Verwendete Literatur

Avramovski, Zivko: Treci Rajh i Borski rudnik. Bor 1975

Bartels, Christoph: Das Erzbergwerk Grund. Betriebsgeschichte des Werkes und seiner Vorläufergruben Hilfe Gottes und Bergwerkswohlfahrt bis 1991. Goslar 1992

Bartels, Christoph: Das Erzbergwerk Rammelsberg. Betriebsgeschichte von 1924 bis 1988. Goslar 1988

Csapody, Tamas: Arbeitsdienstleistende in Bor. Kapitel aus der Geschichte des Arbeitslagers Bor. In: Julia Bock, The Forced Laborers of Bor. 2012

Friedensburg, Ferdinand: Neuere Geschichte des Kupfers. In: Emil Kraume, Kup- fer, die metallischen Rohstoffe Band 4. Stuttgart 1964

Knolle, Friedhart: Kriegsproduktion und Zwangsarbeit in Goslar 1939 – 1945. Goslar 2010

Künker (Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG): The Preussag Collection. Aukti- onskataloge I und II, London Coin Galleries. 2015 und 2016

Küppers-Eichas, Claudia: Vom Montanrevier zum Krisengebiet. Niedergang, Perspektiven und soziale Wirklichkeit im Oberharz 1910 – 1933. Bochum 2002

Mehner, Wolfgang: Die Geschichte der Blei- und Kupfererzeugung am Unterharz, 1500 – 1992. Goslar 1993

Mehner, Wolfgang: Die Geschichte der Zinkmetallurgie am Harz, 1900 – 1990. Goslar 1995

Müseler, K.: Bergbaugepräge, dargestellt auf Grund der Sammlung der Preussag Aktiengesellschaft. 3 Bände. Hannover 1983

Pajic, Tomislav: Prinudni rad i otpor u logorima Borskog rudnika 1941 – 1944. Belgrad 1989

Radant, Hans: Kriegsvervbrecherkonzern Mansfeld. Berlin 1957

Rutar, Sabine: Arbeit und Überleben in Serbien. Das Kupfererzbergwerk Bor im Zweiten Weltkrieg. In: Geschichte und Gesellschaft 2005

237 Schlarp, Karl-Heinz: Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941 – 1944. Vögel, Bernild: Wir waren fast noch Stuttgart 1986 Kinder. Die Ostarbeiter vom Rammels- berg. Goslar 2003 Schyga, Peter: Goslar 1918-1945. Bie- lefeld 1999 Vögel, Bernhild: Zwangsarbeit am Rammelsberg. In: Reinhard Roseneck Schönfeld, Roland: Deutsche Rohstoff- (Hg.) Der Rammelsberg. Goslar 2001 sicherungspolitik in Jugoslawien 1934 – 1944. In: Vierteljahreshefte für Zeit- Wiehn, Erhard (Herausgeber): Zwangs- geschichte 1976 arbeit, Todesmarsch, Massenmord. Erinnerungen überlebender ungari- Scotti, Hans-Hermann von: Ausbeute- scher Zwangsarbeiter des Kupferberg- taler des Harzer Bergbaus, ein Blick werks Bor in Jugoslawien 1943-1944. in die Münzsammlung der Unterhar- Konstanz 2007 zer Berg- und Hüttenwerke G.m.b.H, unveröffentlicht schreibmaschinenge- Ziekursch, Kurt und Rudolf Grunow: schriebenen, handgebunden. 1959 Preussag-Geschichte bis 1963 (unver- öffentlicht) Scotti, Hans-Hermann von: Ausbeute- taler und Münzen des Harzer Bergbaus. Hrsg. Hildegard Weber. Goslar 1988

Scotti, Hans-Hermann von / Dennert, Herbert: Die Münzstätten in Zellerfeld und Clausthal. Ausbeutetaler, Medail- len und Löser. In: Technische Univer- sität Clausthal. Zweihundertjahrfeier 1775-1975. Clausthal-Zellerfeld 1975

Serlo, Albert Ludwig: Die preußischen Bergassessoren. 1938

Stier, Bernhard und Johannes Laufer: Von der Preussag zur TUI. Wege und Wandlungen eines Unternehmens 1923 – 2003. Essen 2005

Vögel, Bernhild: Von der drohenden Stilllegung zum Rammelsberg-Projekt. In: Reinhard Roseneck (Hg.) Der Ram- melsberg. Goslar 2001

238 Danksagung Lerche und die Bergdirektoren Eber- hard Fleisch und Roland Sauer, haben An dieser Jahresgabe haben, wie dem Verfasser wie immer viele fach- auch an den Fördervereinsjahresgaben und sachkundige Ratschläge gegeben. der vergangenen Jahre, viele mitge- wirkt. Besonders zu erwähnen ist Dr.- Das Bergarchiv Clausthal, das Staats- Ing. Hans-Alfred Kochanowski, dessen archiv Wolfenbüttel sowie die Stadtar- Großvater Bergrat von Scotti gewesen chive Goslar, Clausthal-Zellerfeld und war. Er hat nicht nur die meisten der Bad Grund haben viele Informationen verwendeten Fotos beigesteuert, son- beigesteuert und die Möglichkeit zur dern die über tausend Briefe gescannt Akteneinsicht gewährt. und zusammen mit weiteren Personal- unterlagen aus dem Nachlass der Fami- Eberhard Riech, Peter Schyga und lie von Scotti dem Verfasser zur Verfü- Dr. Hartwig von Hartmann haben als gung gestellt, viele Hinweise über das Lektoren viele Hinweise und Korrek- Leben seines Großvaters und die fami- turvorschläge gegeben und Dr. Ulrich liären Zusammenhänge gegeben, seine Kammer hat wie immer und in hervor- persönlichen Eindrücke vermittelt und ragender Qualität das Layout erstellt. dem Verfasser bei der Abfassung des Textes kritisch zur Seite gestanden.

Assessor des Bergfachs Ingo Busch Peter Eichhorn, September 2019 hat freundlicher Weise das neunte Kapitel dieser Jahresgabe geschrieben und überdies in vielen persönlichen Gesprächen dem Verfasser geholfen, die mittlerweile historischen perso- nellen und betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge des Harzer Bergbaus besser zu verstehen.

Der ehemalige Präsident der Bun- desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und heutige Präsident der Silberbecher-Vereinigung Professor Friedrich Wilhelm Welmer hat dem Verfasser dankenswerter Weise Ein- blicke in die historischen Unterlagen dieser Vereinigung ermöglicht.

Die Mitglieder des Goslarer aka- demischen Stammtischs, allen voran die Herren Diplom-Ingenieur Reinhard

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