Deutschland Der Kumpel Parlament Der SPD-Abgeordnete Ulrich Freese sitzt im Energieausschuss des Bundestags – und in mehreren Aufsichtsräten von Vattenfall-Tochterfirmen. Ein Interessenkonflikt? Aber nein, meint er.

n einem Abend im April hat sich tieren, dass trotz der Energiewende wei - der heutige Ministerpräsident, schrieb im Ulrich Freese in der Parlamenta - terhin Häuser der Braunkohle zum Opfer November 2012 einen Brief an seine Ge - Arischen Gesellschaft eingefunden, fallen. nossen zur anstehenden Kandidatenauf - dem Verein der Bundestagsabgeordneten. Die Kohlefreunde dagegen halten be - stellung. Es sei wichtig, dass der Kandidat In dem eleganten Altbau nahe dem Reichs - reits seit dem Vortag eine Mahnwache vor die „öffentliche Debatte zu entscheiden - tag in Berlin trinken die Volksvertreter der Halle. Auf dem Getränkewagen wehen den Themen anführen kann“ – das war als gern ein Bier zusammen, hier treffen sie die Flaggen der Industriegewerkschaft klares Votum für Freese zu verstehen. sich auch zum diskreten Austausch mit Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die Doch in der Lausitz warnten Parteifreun - Lobbyisten. Kumpel begrüßen einander mit „Glück de vor „Leichen im Keller“ bei Freese, wie Nicht ganz klar ist, in welcher Rolle auf“. Etwa 8000 Leute sollen in der Lau - es in einer E-Mail an die Parteispitze heißt. Freese, 63, erschienen ist, ob als Abgeord - sitzer Energiewirtschaft tätig sein, Vatten - Gemeint waren auch seine Interessenkon - neter oder als Lobbyist. Er sitzt, seit der fall ist trotz Jobabbaus der letzte große flikte: Als Vizechef der Gewerkschaft saß Wahl im Herbst, für die SPD im . Arbeitgeber in der Region. Gegen 16 Uhr er vor der Wahl in acht Aufsichtsräten und Und er sitzt in drei Aufsichtsräten von Vat - trifft Ulrich Freese ein, schüttelt Hände erhielt dafür knapp 300 000 Euro im Jahr, tenfall-Tochterfirmen. Der Energiekonzern und steckt sich ein Zigarillo an. wovon er etwa 200 000 Euro an die Ge - betreibt im Wahlkreis des Politikers Freese „Ich bin als Abgeordneter und stell- werkschaft abtreten musste. Braunkohlekraftwerke und Tagebaue – vertretender Aufsichtsratsvorsitzender ge - Es hatte sich zudem herumgesprochen, und zahlt dem Aufsichtsratsmitglied Freese kommen“, sagt Freese und setzt sich an dass zwei Söhne Freeses einen Job bei Vat - für die Mandate etwa 60 000 Euro pro Jahr. einen Tisch zu Vattenfall-Azubis. Zur tenfall gefunden hatten. Und seine Ehefrau Im Raucherzimmer der Parlamenta- Demon stration der Kohlegegner wolle er bekam eine Stelle bei der Rentenversiche - rischen Gesellschaft zählt Freese routiniert nur gehen, wenn er eingeladen werde. rung Knappschaft-Bahn-See, dort war die Vorzüge der fossilen Brennstoffe auf. „Warum sollte ich, wenn ich von deren Freese Vorstandsvorsitzender. Er bestreitet Je später der Abend, desto mehr ver - Zielen nicht überzeugt bin?“, sagt Freese. in allen drei Fällen, bei der Arbeitssuche schwimmen die Grenzen. Darauf angespro - Zufriedene Gesichter bei den Azubis am geholfen zu haben. Doch einigen Lausitzer chen, reagiert Freese genervt. Er vertrete Tisch. Der „Uli“, wie ihn hier alle nennen, Sozis waren die Aktivitäten ihres Kandi - im Aufsichtsrat die Interes - ist einer von ihnen. Der daten nicht geheuer. Sie unterstützten die sen der Arbeitnehmer und kämpft für die Kohle, Juso-Politikerin Maja Wallstein, die etwas führe einen Großteil seiner schon seit Langem. frischen Wind versprach. Vergütung an die Gewerk - Das Arbeiterkind mach - Just in dieser Zeit gingen beim SPD-Un - schaft ab: „Ich war und bin te eine Ausbildung zum terbezirk zwei Zuwendungen Freeses ein: nicht käuflich.“ Betriebsschlosser in der 4500 Euro im November 2012, im März Der Einzug Ulrich Free - Zeche Schlägel & Eisen im folgten weitere 5500 Euro, dazu kamen ses in den Bundestag ist ein westfälischen Herten. Für kleinere Spenden an Ortsvereine, wie Free - Lehrstück darüber, wie eng einige Zeit fuhr er ins se bestätigt. Die Stückelung auf zwei Ka - verflochten die Interessen Bergwerk ein. Doch bald lenderjahre trug dazu bei, dass die Spen - eines Politikers und die begann sein Aufstieg in der den unbemerkt blieben. Parteien müssen eines Konzerns sein kön - Gewerkschaft. Freese stu - die Namen von Spendern erst bei Beträgen nen – und wie schwer eine dierte an deren Akademie über 10 000 Euro pro Jahr in ihren Rechen - Trennung dann noch zu der Arbeit, wurde Gewerk - schaftsberichten veröffentlichen. Hat sich erkennen ist. Politiker Freese schaftssekretär und ging der Kohlelobbyist einen Vorteil für die In Berlin gehen die Be - „Ich bin nicht käuflich“ nach der Wende in den Kandidatur erkauft? Freese weist den Vor - ratungen über die Novelle Osten. Dort wurde er zum wurf zurück. Er sei immer ein regelmäßi - des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mächtigen Gewerkschaftsboss im Lau - ger Spender an die SPD gewesen. gerade in die heiße Phase. Kleine Än - sitzer Braunkohlerevier. Wenn kohlefeind - Anfang 2013 stellte ihn die SPD als Di - derungen am Gesetzestext können den liche Politik drohte, ließ er von seinen rektkandidaten auf. Im Wahlkampf schaff - großen Energieversorgern wie Vattenfall Kumpeln Büros und Parteitage besetzen. te es Freese, Leute wie Milliarden Euro einbringen – oder sie Mil - In der Energiewirtschaft sind Arbeit - nach Cottbus zu locken. Bei einem Termin liarden kosten. Da kann es helfen, einen geber und Gewerkschafter oftmals keine im Sommer unterschrieb der SPD-Partei - Mann des Vertrauens in der Hauptstadt Kontrahenten, ihr gemeinsamer Feind sind chef auf einer Unterschriftenliste der Koh -

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zu haben. die Ökos mit ihren Windrädern und Son - lelobby für neue Tagebaue. Auch bei den P D

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Ulrich Freese versucht erst gar nicht zu nenkollektoren. Auch die Verbindungen Spenden lief es gut: 86 546 Euro landeten N A I L L

verbergen, auf welcher Seite er steht. Ein zur SPD sind traditionell gut, Freese saß auf den Wahlkampfkonten, bei 87 Einzel - A

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Besuch in seinem Wahlkreis Ende April: für die Partei von 1994 bis 2004 im bran - spenden, darunter nach Angaben eines U T C I P

In den Messehallen Cottbus tagt der Braun - denburgischen Landtag. Insiders je 1000 Euro des früheren Vatten - /

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kohlenausschuss, ein lokales Gremium, Am Ende seiner Gewerkschaftskarriere fall-Managers Hermann Borghorst und des N T T E

das über den Tagebau Welzow-Süd II bot der Bundestag eine neue Herausforde - heutigen Vorstands der Lausitzer Tochter - S

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ent scheiden muss. Vor der Halle haben rung. Zudem wünschte sich die SPD-Par - firmen, Michael von Bronk. Borghorst be - R E B

sich Aktivisten und Betroffene mit Trans - teispitze in einen einflussrei - stätigt die Spende, Bronk ließ eine Anfrage : O T O

parenten postiert, sie wollen nicht akzep - chen Vertreter in Berlin. Dietmar Woidke, über Vattenfall unbeantwortet. F

30 DER SPIEGEL ,. / ,*+- Tagebau Welzow-Süd in der Lausitz: Buchhaltertrick bei Vattenfall

Trotz aller Hilfe zog Freese nur über die EEG-Umlage weitgehend befreit – und Sie müssten auch in Zukunft „Bestands - Landesliste in den Bundestag ein. Bei den sparte damit rund 68 Millionen Euro pro schutz“ genießen. Die Grünen-Abgeordne - Koalitionsverhandlungen brachte er als Jahr. Bei der Reform soll diese Regelung te stört sich daran: „Es Berater von Dietmar Woidke eine kohle - entfallen. Also überlegte sich Vattenfall hat schon ein Geschmäckle, wenn Mitglie - freundliche Passage im Koalitionsvertrag einen Buchhaltertrick. Unternehmen, die der der Regierungsfraktionen so einseitig unter. Medien berichteten darüber (  ihren Strom selbst erzeugen, müssen keine die Interessen einzelner Unternehmen ver - 49/2013), erstmals wurden Freeses Neben - EEG-Umlage zahlen. Anfang des Jahres treten. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ tätigkeiten bundesweit thematisiert. Der stieg die Tagebausparte Mining bei der Beim Wirtschaftsminister hingegen stieß SPD-Mann legte daraufhin im Frühjahr sei - Kraftwerkssparte Generation ein. Die Ta - der Vorschlag auf Zustimmung. Laut Ka - ne Nebeneinkünfte offen. gebaue wurden auf diese Weise zu Eigen - binettsbeschluss müssen große Eigenstrom - Im Bundestag kämpfte Freese um den stromproduzenten und sind von der EEG- versorger wie Vattenfalls Tagebaue nun Einzug in den Ausschuss für Wirtschaft Umlage befreit. Auch der Aufsichtsrat von wie bisher keine EEG-Umlage zahlen. und Energie, das für die Kohlewirtschaft Vattenfall Europe Mining befasste sich im Noch streiten die Abgeordneten um die wichtigste Gremium. Bei einem Treffen Dezember 2013 mit dem Thema – in An - Details. Doch stimmt der Bundestag dieser der SPD-Landesgruppe Brandenburg stell - wesenheit von Freese. Fassung zu, wäre das ein schöner Erfolg te er seine Genossen vor die Wahl: Entwe - Viele große Industriekonzerne bedien - für Freese und die Industrielobby. der er komme in den Energieausschuss, ten sich dieses Tricks, er ist legal. Das Wirt - Nach dem Sommer geht es weiter. oder er spiele im Bundestag nur Skat. Die schaftsministerium allerdings hätte Vatten - Kohle kraftwerke, die von den Ökostrom - Aussage sorgte für Kopfschütteln, so viel falls Pläne beinahe durchkreuzt. Zunächst anlagen immer tiefer in die roten Zahlen Selbstbewusstsein ist bei Neulingen un - dachte das Ministerium darüber nach, das gedrückt werden, sollen Fördergelder be - gewöhnlich. Wer erstmals in den Bundes - „Eigenstromprivileg“ abzuschaffen. Die kommen. So wollen es die Energiekonzer - tag einzieht, muss sich bei der Vergabe der Konzerne protestierten – und auch der Ab - ne, so will es auch Ulrich Freese. Den neu - Ausschussplätze anstellen, und im Ener - geordnete Freese kämpfte dagegen. en Tagebau Welzow-Süd II hat die rot-rote D P A D

gieausschuss saß schon Andrea Wicklein, Am 13. Februar trat er ans Rednerpult Landesregierung mittlerweile beschlossen, /

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R ebenfalls aus Brandenburg. Doch Freese des Bundestags und wandte sich an den sie entschied sich so, wie es sich Freese E B B

A setzte sich durch: Dem Ausschuss gehören Wirtschaftsminister, den „lieben Sigmar Ga - gewünscht hatte. G

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A nun beide an, Wicklein und Freese. briel“. Bei der Reform sei „natürlich“ auch Beim Treffen in der Parlamentarischen M T E I Bei der EEG-Novelle konnte Freese die Eigenstromproduktion zu beachten: Gesellschaft sagt er: „Es macht mir Spaß, D - S

U gleich auftrumpfen. Die Braunkohlesparte „Viele Unternehmungen, die ich kenne – Sie gestalterischen Einfluss zu nehmen, das A L K

: von Vattenfall ist bislang als sogenanntes kennen sie auch –, haben in der Vergangen - macht die Lobby der Erneuerbaren doch O T O

F stromintensives Unternehmen von der heit auf Eigenstromproduktion umgestellt.“ auch.“ Sven Becker, Gerald Traufetter

DER SPIEGEL ,. / ,*+- 31