Themenschwerpunktbericht

Nachhaltigkeit gestalten Die Agenda 2030 in der Entwicklungszusammenarbeit Themenschwerpunktbericht

Nachhaltigkeit gestalten Die Agenda 2030 in der Entwicklungszusammenarbeit 2 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Inhalt

Vorwort Jörg Faust, DEval 7 Einleitung: die Agenda 2030 – Nachhaltigkeit als Leitbild für Entwicklungszusammenarbeit und Evaluierung Marcus Kaplan, Kirsten Vorwerk, DEval 8

1 ___ Zwischenbilanz nach vier Jahren Agenda 2030: Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit gestalten und evaluieren 11

1.1 Die Agenda 2030: Wege von der Vision zur Wirklichkeit 13 Weitermachen wie bisher ist keine Option Adolf Kloke-Lesch, Sustainable Development Solutions Network Germany Dirk Messner, United Nations University 14 Von der Erklärung von Paris zur Agenda 2030: Überfordert die globale Nachhaltigkeitsagenda die Entwicklungszusammenarbeit? Marcus Kaplan, Kirsten Vorwerk, Stefan Leiderer, DEval 18 Deutsche Entwicklungszusammenarbeit und Agenda 2030 – unser Beitrag zum Zukunftsvertrag für die Welt Ingolf Dietrich, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 20 Länderportfolios: mehr strategische Planung und Steuerung notwendig Kirsten Vorwerk, Christoph Hartmann, DEval 22 Gemeinsam für 17 Ziele: Nachhaltigkeit global bis lokal gestalten Ashok Sridharan, Oberbürgermeister von Bonn/Präsident von ICLEI 24

1.2 Die Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit im Zeichen der Nachhaltigkeitsagenda 27 Eine neue Ära für Evaluierungen Susanne Frueh, UNESCO/Evaluierungsgruppe der Vereinten Nationen 28 Nutzung einer systemischen Perspektive in Evaluierungen Jos Vaessen, Weltbankgruppe 30 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 3

Die Evaluierung von Nachhaltigkeit in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Martin Noltze, DEval 32

Die Agenda 2030: Reformbedarf für die Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit Interview mit Jörg Faust, DEval, Ricardo Gomez, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Eva Terberger, KfW Entwicklungsbank und Michaela Zintl, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 34

2 ___ Die Umsetzung der Agenda 2030-Prinzipien: Erfahrungen, Erkenntnisse und Perspektiven 41

2.1 Niemanden zurücklassen 43 Zivilgesellschaftliche Handlungsräume: ein Muss für „Niemanden zurücklassen“ Christine Meissler, Brot für die Welt 44 Der BMZ-Aktionsplan zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen Thomas Schwedersky, DEval 46 Nachhaltige Flüchtlingspolitik: Humanitäre Hilfe allein reicht nicht Helge Roxin, Alexander Kocks, Ruben Wedel, DEval 48 Monitoring von Ernährungssicherheit mit Big Data Lena Hohfeld, Lorenzo Riches, Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen 50

2.2 Wechselwirkungen beachten 53 Das Netz der SDGs für integrierte internationale Kooperation nutzen Imme Scholz, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 54 Das fehlende Unterziel 17.a. zur Stärkung globaler öffentlicher Güter Inge Kaul, Hertie School of Governance 56 Naturkapital ist entscheidend, um nachhaltige Entwicklung zu erfassen Karin Kemper, Martin Heger, Weltbank 58 Landnutzungswandel als Mechanismus für SDG-Zielkonflikte Jan Börner, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 60

2.3 Verantwortung teilen 63 Die Agenda 2030 aus Sicht der Bevölkerung Sebastian Schneider, Jens Eger, DEval 64 4 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

SDGs in Partnerländern: Wer priorisiert welche Ziele? Kerstin Guffler, DEval, Tanya Sethi, AidData 66 Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit: Partnerschaft mit Zukunft? Kirsten Vorwerk, Marcus Kaplan, DEval 68 Mit Blended Finance nachhaltige Entwicklung finanzieren Gunnar Gotz, Magdalena Orth, DEval 70 Dreieckskooperationen: drei Akteure – ein Ziel? Kristina Wirtgen, DEval 72

2.4 Costa Rica: Rechenschaftspflicht leben 75 Evaluierungskapazitäten fördern – für mehr Eigenverantwortung und Rechenschaft Erwin Geuder-Jilg, Helena Stadtmüller, Sven Harten, DEval 76 Partizipative Evaluierungen können Nachhaltigkeit stärken Juan Carlos Sanz, DEval 79 Costa Ricas Evaluierungspolitik setzt hohe Maßstäbe an Partizipation Interview mit María del Pilar Garrido Gonzalo, Ministerin für Planung und Wirtschaftspolitik, Costa Rica 80

2.5 Dauerhafte Wirkungen erreichen 83 Erfolgsfaktoren: Wie erreichen wir dauerhafte Wirkungen? Martin Noltze, Gerald Leppert, DEval 84 Mit Geodaten Nachhaltigkeit messen Raphael Nawrotzki, DEval 87 Budgethilfe: dauerhafte Wirkungen durch mehr Eigenverantwortung Magdalena Orth, DEval 88 Wie lässt sich Dauerhaftigkeit messen? Magdalena Orth, DEval 90

3 ___ Ausblick 93 Was jetzt zu tun ist Kirsten Vorwerk, Marcus Kaplan, DEval 96

Zahlen und Fakten 102 DEval-Publikationen 2017 – 2019 104 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 5

Abkürzungen

BIP Bruttoinlandsprodukt BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung DAC Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Development Assistance Committee, Organisation for Economic Cooperation and Development DEK Dreieckskooperation DEval Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit ECD Evaluation Capacity Development FOCELAC Kompetenzentwicklung und Vernetzung von Evaluierungsakteuren in Lateinamerika als Beitrag zur Agenda 2030 Fomento de Capacidades y Articulación de Actores de la Evaluación en Latinoamerica FOCEVAL Förderung von Evaluierungskapazitäten in ausgewählten Ländern Lateinamerikas Fomento de Capacidades en Evaluación GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit HLPF Hochrangiges Politisches Forum für Nachhaltige Entwicklung High-level Political Forum on Sustainable Development IEG Unabhängige Evaluierungsgruppe der Weltbankgruppe Independent Evaluation Group, World Bank Group KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau LPR Länderportfolioreview MDGs Millenniumsentwicklungsziele Millennium Development Goals NRO Nichtregierungsorganisation OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Organisation for Economic Cooperation and Development SDGs Ziele für nachhaltige Entwicklung Sustainable Development Goals UN Vereinte Nationen United Nations VNR Freiwilliger Staatenbericht Voluntary National Report WFP Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen World Food Programme DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 7

Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat sich die internationale Gemeinschaft einen ambitionierten Referenzrahmen geschaffen, der insbesondere in Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit (EZ) von großer Bedeutung ist. Nachhaltige Entwicklung bezieht sich dabei nicht nur auf die Dauerhaftigkeit von Wirkungen, sondern umfasst die Verschrän- Prof. Dr. Jörg Faust kung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten von Entwicklung. Diese Mehr­ Direktor des DEval dimensionalität, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sowie die Prinzipien ihrer Umsetzung machen die Agenda 2030 zu einem äußerst anspruchsvollen und vielschichtigen Unterfangen.

Die Komplexität und die Bedeutung der Agenda 2030 sind auch die Gründe, warum das DEval Nachhaltigkeit als Querschnittsthema in der EZ zu einem seiner thematischen Arbeitsschwer- punkte der vergangenen Jahre gemacht hat. Der vorliegende erste Schwerpunktbericht möchte vor diesem Hintergrund die Agenda 2030 als Orientierungsrahmen aus unterschiedlichen Perspektiven – Politik, Evaluierung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – beleuchten sowie Erkenntnisse zu ihrer Umsetzung, aber auch kritische Herausforderungen aufzeigen.

Darüber hinaus wollen wir aus den Ergebnissen unserer Evaluierungsarbeit berichten, um einen Beitrag für eine stärkere Evidenzbasis nachhaltiger Politikgestaltung zu leisten. Deutlich wird hierbei, dass die Umsetzung nachhaltiger Strategien, Maßnahmen und Projekte in der EZ alles andere als ein Selbstläufer ist. Vielmehr erschwert nicht nur der inhaltliche Anspruch der Agenda deren Umsetzung, sondern auch die oftmals kurzfristigen und nicht auf Nachhaltigkeit gerichte- ten Interessen und Maßnahmen von staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren in den Organisa- tionen der EZ, aber auch in unseren Partnerländern. Deshalb werden Lern- und Reflexionspro- zesse wie auch kontinuierliche Maßnahmen der Rechenschaftslegung notwendig sein, um die EZ nachhaltiger zu gestalten und besser an der Agenda 2030 auszurichten. Evaluierung als Instrument evidenzbasierter und nachhaltiger Politikgestaltung wird dabei eine bedeutsame Rolle spielen.

Deswegen befasst sich dieser Bericht auch mit Herausforderungen und Potenzialen der Evaluie- rung. Die Nutzung neuer Datenmengen und -quellen, die Kombination unterschiedlicher Erhe- bungsmethoden und der analytische Umgang mit komplexeren Zielsystemen sind notwendig, um die empirische Belastbarkeit und praktische Nützlichkeit von Evaluierung weiter zu verbes- sern. Schließlich gilt es aus entwicklungspolitischer Perspektive, verstärkte Beiträge zu leisten, um unsere Partnerländer besser in die Lage zu versetzen, selbst entwicklungspolitische Maß- nahmen und eigene Politiken besser zu evaluieren, um hierdurch nachhaltige Lernprozesse und demokratische Rechenschaftslegung zu stärken.

In diesem Sinne wünsche ich eine anregende Lektüre und dass dieser Bericht einen bescheide- nen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gestaltung der EZ leisten kann.

Prof. Dr. Jörg Faust Direktor des DEval 8 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Einleitung: die Agenda 2030 – Nachhaltigkeit als Leitbild für Entwicklungszusammenarbeit und Evaluierung

Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2015 hat sich die Welt ein Konzept für eine globale Entwicklung gegeben, das für alle Länder der Welt gilt und somit weit über den Status einer reinen Entwicklungsagenda hinausgeht. Durch die Agenda wird Nachhaltigkeit zum zentralen Prinzip globaler Entwicklung erhoben.

Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030 bedeutet eine Transformation hin zu einem neuen Entwicklungsverständnis, das über die verengte Betrachtung des Pro-Kopf-Einkommens hinaus- geht. Die drei zentralen Dimensionen – die ökologische, wirtschaftliche und die soziale – sollen zusammen gedacht und umgesetzt werden. Der integrative Charakter ist auch in den 17 globa- len Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) verankert, denen wiederum 169 Zielvorgaben zugeordnet sind.

Zusätzlich ziehen sich vier zentrale Prinzipien durch die gesamte Agenda 2030 und bilden die Grundlage für alles Handeln zur Erreichung der 17 Entwicklungsziele: • Niemanden zurücklassen: Alle Staaten und alle Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes müssen von einer nachhaltigen Entwicklung profitieren können; die Ärmsten sollen hierbei nach Möglichkeit zuerst erreicht werden. • Wechselwirkungen berücksichtigen: Zwischen den drei Dimensionen von Nachhaltigkeit sowie den 17 Zielen gibt es zahlreiche Wechselwirkungen und kein Ziel darf zu Lasten eines anderen Zieles erreicht werden. • Gemeinsame Verantwortung und Universalität: Die Agenda 2030 gilt für alle Staaten und gemäß SDG 17 sollen auch nichtstaatliche Akteure etwa aus Zivilgesellschaft, Privatwirt- schaft und Wissenschaft ihre Beiträge für eine globale nachhaltige Entwicklung leisten. • Rechenschaftspflicht: Jedes Land trägt die Hauptverantwortung für seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung und muss Rechenschaft darüber ablegen, wie es die Prinzipien und Ziele der Agenda 2030 verfolgt.

Alle Staaten sind seit 2015 aufgefordert, die Nachhaltigkeitsagenda in ihren Ländern umzusetzen. So hat sich Deutschland in seiner aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie von 2017 zur Umsetzung der Agenda 2030 auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene verpflichtet. Die Stra- tegie legt auch fest, dass die Agenda den zentralen Bezugsrahmen für die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit darstellt.

Der Beitrag des DEval zur Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit Die Umsetzung der Agenda 2030 stellt sowohl Industrienationen als auch Entwicklungsländer vor enorme Herausforderungen. Dies liegt einerseits an dem ausgesprochen ambitionierten Zielsystem der SDGs und den inhärenten Zielkonflikten. Andererseits stoßen einzelne Länder und internationale Organisationen an methodische Grenzen, ihre Beiträge zur Zielerreichung angemessen erfassen zu können. Evaluierung wird in diesem Kontext eine zentrale Rolle zugeschrieben. DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 9

Gemäß der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist die Agenda 2030 der zentrale Bezugsrahmen für die deutsche Entwick­ lungszusammenarbeit geworden. In kaum einem Politikfeld sind globale Entwicklungsziele von so großer Bedeutung wie in der EZ, die über eine weitreichende Evaluierungstradition verfügt. Mit dem hier vorliegenden Bericht möchte das DEval zentrale Erkenntnisse und Erfahrungen zur Nachhaltigkeit von EZ und deren Evaluierung in die internationale Diskussion einbringen. Dabei geht es besonders auch darum, Antworten auf die Fragen zu finden, welche Beiträge Evaluierung für die Umsetzung der Agenda 2030 liefern kann und welche Anpassungen von Evaluierungen in der EZ hierfür nötig sind.

Der Bericht setzt sich mit den Herausforderungen auseinander, die sich aus dem umfassenden Charakter der Agenda 2030 und ihrem Nachhaltigkeitsverständnis für die EZ und deren Evaluie- rung ergeben. Er speist sich aus Evaluierungen des DEval, ergänzt durch Beiträge renommierter Expertinnen und Experten aus Evaluierung, EZ, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft.

Einen Überblick über den derzeitigen Stand der Umsetzung und den Umgang mit den Heraus- forderungen der Agenda 2030 besonders in der deutschen EZ bietet das erste Kapitel. Es stellt die Implikationen dar, die sich aus der Agenda für die Evaluierung der EZ ergeben. So fordern internationale Expertinnen und Experten mehr Arbeitsteilung und Wissensaustausch sowie Methoden, die dem systemischen Ansatz der Agenda Rechnung tragen. Evaluierungs­expertinnen und -experten aus der deutschen EZ diskutieren, wie die Agenda 2030 die Evaluierung der deutschen EZ verändert und wie wichtig eine stärkere Harmonisierung der EZ und die Durch- führung gemeinsamer Evaluierungen sind.

Aufgrund der zentralen Bedeutung der Prinzipien werden in Kapitel 2 Beispiele für deren Umsetzung und damit verbundene Anforderungen dargestellt. Welche Bedingungen müssen erfüllt werden, damit „niemand zurückgelassen“ wird? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen den SDGs und wie lassen sie sich messen? Wie können neue Akteure etwa aus der Privatwirtschaft oder der Bevölkerung für nachhaltige Entwicklung gewonnen werden? Und wie kann man die Partnerländer dabei unterstützen, die Erfolge ihrer Maßnahmen selbstständig zu evaluieren? Ergänzend stellt Kapitel 2.5 vor, welche Stellschrauben sich der EZ bieten, um die Dauerhaftigkeit von Maßnahmen zu verbessern, welche Faktoren aber auch nicht beeinflusst werden können.

In den vier Jahren seit Verabschiedung der Agenda 2030 wurde bereits einiges erreicht: Die Agenda dient als zentraler Orientierungsrahmen für alle Aktivitäten der EZ. Und auch die Evalu- ierung hat Fortschritte gemacht, diesen Orientierungsrahmen abzubilden. Kapitel 3 gibt einen Dr. Marcus Kaplan Ausblick, welche Schritte zur Umsetzung der Agenda noch fehlen und welche Handlungsauf­ DEval-Teamleiter träge für die EZ sich daraus ableiten lassen. Auch für die Evaluierung bleiben noch viele Aufga- Kirsten Vorwerk ben offen, um ihren Beitrag für eine evidenzbasierte Politikgestaltung und somit eine globale DEval-Evaluatorin nachhaltige Entwicklung zu liefern.

Teil 1

Zwischenbilanz nach vier Jahren Agenda 2030: Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammen- arbeit gestalten und evaluieren

Kapitel 1.1

Die Agenda 2030: Wege von der Vision zur Wirklichkeit

Die Agenda 2030 ist ein globales Entwicklungskonzept mit 17 ambitionierten Zielen. Als Grundlage für eine neue Weltpolitik verlangt ihre Umsetzung jedoch vielfältige Transformationen – inklusive neuer Entwicklungsstrategien, Partnerschaften, Strukturen und Formen der Zusammenarbeit. Momentaufnahmen aus der Perspektive von Entwicklungsforschung, -politik und -evaluierung zeigen, worauf es bei der Umsetzung der Agenda 2030 ankommt. 14 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Als Zielsystem der inter­ nationalen Kooperation zwischen Industrieländern hat sich die Agenda 2030 noch nicht durchgesetzt.

Weitermachen wie bisher ist keine Option Grenzen des Erdsystems dar – ein großer Fortschritt und wichtiger Perspektivwechsel! Die SDGs sind also nicht nur ein Leitbild Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung für Entwicklungs- und Schwellenländer und mit ihren 17 Zielen traf nach ihrer Verabschie- für die Zusammenarbeit mit und zwischen dung im September 2015 auf Institutionen, die ihnen, sondern auch eine Transformations­ für die Umsetzung einer solch universellen, agenda für Industrieländer und deren Zusam- integrierten Agenda schlecht aufgestellt waren. menarbeit untereinander. Für diese Länder Gleichzeitig wurde die Agenda schnell mit aber stellen international vereinbarte, quanti­ politischen und ökonomischen Dynamiken fizierte und zeitgebundene Zielsysteme, die konfrontiert, die während ihrer Erarbeitung innerstaatlich umzusetzen sind, eine weitge- noch wenig Beachtung gefunden hatten. hend neue Erfahrung dar. Der Handlungsbedarf für eine anspruchs- Als eines der wenigen Länder hat volle Umsetzung der Agenda 2030 ergibt sich Deutschland entsprechend umfassende Aktions- insbesondere aus den drei folgenden Beob- pläne wie die weiterentwickelte Nachhaltig- achtungen. keitsstrategie der Bundesregierung beschlossen und sie unterstützende Institutionen oder Institutionelle Antworten finden Akteursnetzwerke wie die Wissenschaftsplatt- Die Regierungen der Entwicklungs- und form Nachhaltigkeit 2030 geschaffen. Schwellenländer und die Institutionen der Die Europäische Union befindet sich internationalen Entwicklungszusammenarbeit vier Jahre nach Verabschiedung der Agenda konnten 2015 zwar an die Millenniumsent- 2030 noch immer in einem Reflexionsprozess wicklungsziele (Millennium Development darüber, wie die SDGs mit relevanten europäi- Goals, MDGs) anknüpfen, laufen aber seither schen Politikprozessen innerhalb der Union leicht Gefahr, die SDGs als eine Fortsetzung verknüpft werden könnten. Erfreulicherweise der auf die Reduzierung extremer Armut entwickelt die einzige internationale institutio- konzentrierten MDGs misszuverstehen. Dies nelle Innovation, das bei den Vereinten Natio- kommt auch in der im Juli 2015 verabschiede- nen neu geschaffene Hochrangige Politische ten Addis Ababa Action Agenda (AAAA) zum Forum für Nachhaltige Entwicklung (High-level Ausdruck, die zur Erreichung der SDGs im Political Forum on Sustainable Development, Wesentlichen auf dem traditionellen Prozess HLPF) insbesondere mit den freiwilligen Staa- der Entwicklungsfinanzierung aufbaut. Die tenberichten (Voluntary National Reviews, SDGs stellen aber ein universelles Wohlfahrts- VNR) eine positive Dynamik von kollektivem konzept für eine bald zehn Milliarden Men- Druck und gegenseitigem Lernen auch zwi- schen umfassende Zivilisation innerhalb der schen Industrieländern. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 15

Dennoch: Als Zielsystem der internatio- Wenn die größten Volkswirt­ nalen Kooperation zwischen Industrieländern schaften der Welt zögern, die hat sich die Agenda 2030 noch nicht durchge- Agenda 2030 innerstaatlich setzt. Auch fehlen weitgehend internationale Institutionen, die wie die Weltbank oder der und in der Zusammenarbeit Internationale Währungsfonds in Entwick- unter­einander umzusetzen, lungsländern auch in Industrieländern Trans- werden die SDGs weltweit formationsprozesse wirksam unterstützen. In wichtigen Global-Governance-Foren wie G7 kaum erreicht werden können. oder G20 dienen die SDGs zwar als entwick- Internationale Zusammenarbeit lungspolitischer Handlungsrahmen etwa zur für die SDGs kann weder auf Ausrichtung der Kooperation mit Afrika, je- Hilfe für Entwicklungsländer doch nicht als Zielsystem zur Gestaltung der Kernaktivitäten – der Weiterentwicklung der noch auf reines wechselseitiges Weltwirtschaft insgesamt. Der 2016 unter Lernen von ­Industrieländern chinesischem Vorsitz entwickelte G20 Action reduziert werden. Plan on the 2030 Agenda for Sustainable ­Development konnte letztlich keine transfor- mative Wirkung entfalten. Wenn aber die größten Volkswirtschaften der Welt zögern, die Agenda innerstaatlich und in der Zusam- menarbeit untereinander umzusetzen, werden die SDGs weltweit kaum erreicht werden können. Internationale Zusammenarbeit für die SDGs kann weder auf Hilfe für Entwick- Regierungen in vielen wichtigen Staaten sind lungsländer noch auf reines wechselseitiges Kooperationen auf der Grundlage der Agenda Lernen von Industrieländern reduziert werden. 2030 schwierig. Aber Vorreiterländer sollten Erforderlich ist eine wechselseitig trans- die SDGs in das Zentrum ihrer internationalen formative Zusammenarbeit von Ländern aller Zusammenarbeit rücken. Entwicklungsstufen, die auf beiderseitige, komplementäre strukturelle Veränderungen 6 Transformationen für 17 SDGs zielt. Der neue Vertrag von Aachen zwischen Genauso wie die Agenda 2030 auf eine Insti- Frankreich und Deutschland, der eine Intensi- tutionenlandschaft traf, die nicht für ihre vierung der Zusammenarbeit zwischen den Umsetzung gebaut war, trafen die SDGs auf beiden Staaten vorsieht, könnte hier als Bei- ein konzeptionell-strategisches Denken in spiel dienen, wenn sein Kapitel zu nachhaltiger Silos. Die 17 SDGs wurden als interdependen- Entwicklung tatsächlich zu gemeinsamen tes Ganzes konzipiert. Sie können und dürfen Vorhaben beim Umbau beider Volkswirtschaf- weder einzeln, isoliert oder gar zulasten ande- ten führt. Ähnlich müssten auch die transat- rer Ziele umgesetzt werden. Trotzdem neigen lantische Zusammenarbeit und die Kooperati- viele Organisationen und Regierungen dazu, on mit Russland und China als transformative sich einzelne und insbesondere ihre jeweiligen Partnerschaften im Sinne der SDGs gestaltet „Lieblingsziele” herauszupicken und auf dieser werden. Statt die SDGs an die Entwicklungs- Grundlage so weiterzumachen wie bisher. Sie politik weiterzureichen, könnten sie so ins denken nicht vom Ergebnis her, sondern stel- Zentrum von Welt(wirtschafts)politik treten. len das in den Mittelpunkt, was sie (immer Zugegeben, mit der aktuellen Krise des Multi- schon) tun. Damit gerät die Gesamtheit des lateralismus und zunehmend populistischen Zielsystems schnell aus dem Blick. 16 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Das Forschungskonsortium The World Damit entstand ein Handlungsrahmen, in 2050 argumentiert, dass alle 17 Ziele erreicht der es Regierungen oder auch internationalen werden können, wenn in allen Ländern und Organisationen erlaubt, die notwendigen und der Weltwirtschaft insgesamt sechs zentrale hinreichenden Transformationspfade zur Um- Transformationen umgesetzt werden. Diese setzung der Agenda 2030 und strategische wurden mithilfe einer Analyse der Interdepen- Interventionen für jeweilige Länder zu entwi- denzen sowie des gemeinsamen Nutzens und ckeln, statt im vermeintlichen Gestrüpp der der Trade-offszwischen den 17 SDGs entwickelt. 17 SDGs die Orientierung zu verlieren.

Sechs Transformationen zur Erreichung der SDGs

Menschliche Fähigkeiten Digitale Revolution und demografische Künstliche Intelligenz, Entwicklung Big Data, Bio- und Bildung, Gesundheit, Nanotechnologie, Alterung, Arbeitsmarkt, autonome Systeme Gender, Ungleichheiten

 Smart Cities Konsum und Produktion Angemessenes Wohnen, Wohlstand, Nutzung von Ressourcen, Mobilität, nachhaltige soziale Integration, zirkuläre Wirtschaft, Infrastruktur, Nachhaltigkeit Angemessenheit, Umweltverschmutzung Umweltverschmutzung

Nahrungsmittel, Biosphäre und Wasser Dekarbonisierung Nachhaltige Intensivierung der und Energie Landwirtschaft, Biodiversität, Zugang zu Energie, Wälder, Ozeane, gesunde Effizienz, Elektrifizierung, Ernährung, Nährstoffe akzeptable Versorgung

Quelle: TWI2050 – The World in 2050 (2018), Transformations to Achieve the Sustainable Development Goals, The World in 2050 Initiat ive, International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Laxenburg, Österreich (eigene Übersetzung). DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 17

Nur wenn die Transformationen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit synchronisiert werden, kann die Umsetzung der Agenda 2030 gelingen.

Die SDGs im digitalen Zeitalter ankommen lassen Technologische Veränderungen spielen in der Agenda 2030 nur eine untergeordnete Rolle. Doch die Nachhaltigkeitstransformationen finden in einer Weltwirtschaft statt, die radikal durch digitale Automation, künstliche Intelli- genz und virtuelle Räume verändert wird. Nur wenn die Transformationen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit synchronisiert werden, kann die Umsetzung der Agenda 2030 gelin- gen. Das ist leichter gesagt als getan, denn weder die Nachhaltigkeitsforschung und die Forschung zum digitalen Wandel noch deren korrespondierende politische Akteure sind gut miteinander vernetzt. Wie hätte es sonst passieren können, dass die digitalen Revoluti- onen bei der Aushandlung der Agenda 2030 übersehen oder vergessen wurden? Vor diesem Hintergrund müssen Hier gibt es nun viele Fragen zu klären: Konzepte menschlicher Entwicklung, Würde Wie können digitale Werkzeuge genutzt wer- und Teilhabe neu durchdacht und behauptet den, um die SDGs zu erreichen? Welche kon­ werden. Der B20-Gipfel 2019 in Tokio sprach traproduktiven Effekte gilt es einzuhegen? von einer Society 5.0 als einer kreativen Gesell- Zudem entstehen im digitalen Zeitalter ganz schaft, der nächsten Entwicklungsstufe der neue Herausforderungen an Konzepte mensch- Menschheit nach dem Informationszeitalter. licher Entwicklung. Das Zusammenspiel von Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregie- künstlicher Intelligenz, DNA-Forschung, Ge- rung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hirnforschung und Medizin im weiteren Sinne legte im April 2019 einen ersten umfassenden führt zu Debatten um Strategien zur Weiter- Bericht zum Verhältnis von Nachhaltigkeit und entwicklung des Menschen (human enhance- digitaler Revolution vor. Sein Titel „Unsere ment). Manche Forscher sprechen von artifizi- gemeinsame digitale Zukunft” spielt bewusst Adolf Kloke-Lesch Geschäftsführender eller Evolution, die nun möglich werde. Das auf den Brundtland-Bericht von 1987 („Unsere Direktor mit der Nachhaltigkeitsforschung verbundene gemeinsame Zukunft“) an und bietet bereits Sustainable Development Solutions Network Konzept des Anthropozäns, also des Zeitalters, wichtige Orientierungen, die über die Agenda (SDSN) Germany in dem die Menschen zur stärksten Verände- 2030 hinausreichen. Der digitale Wandel ver- Prof. Dr. Dirk Messner rungskraft des Erdsystems geworden sind, läuft an vielen Stellen schnell und disruptiv. Direktor muss erweitert werden. Im digitalen Anthro- Seine Wirkungen sollten also möglichst rasch United Nations University, pozän schicken sich die Menschen an, nicht in Strategien zur Umsetzung der SDGs be- Institute for Environment and Human Security nur Erdsystemwandel zu betreiben, sondern rücksichtigt werden – in Industrie-, Schwellen- (UNU-EHS) auch den Menschen selbst zu transformieren. und Entwicklungsländern gleichermaßen. ■ 18 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Von der Erklärung von Paris zur Agenda 2030: Überfordert die globale Nachhaltigkeitsagenda die Entwicklungszusammenarbeit?

Die internationale Wirksamkeitsagenda hat mit 169 Unterzielen manifestiert, geht die sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich Agenda 2030 allerdings deutlich über den weiterentwickelt und geöffnet: Ausgehend Anspruch einer Agenda für wirksame EZ hin- von der Erklärung von Paris 2005 über den aus. Zudem formuliert sie den hohen An- Aktionsplan von Accra 2008 bis zur Entwick- spruch, dass jede und jeder von einer nachhal- lungspartnerschaft von Busan 2011 veränderte tigen Entwicklung profitieren können muss sich ihr Fokus von einer traditionellen EZ mit und „niemand zurückgelassen“ werden darf. einer starken Geberfokussierung über die Einbeziehung weiterer (insbesondere zivilge- Wirksamkeitsprinzipien werden sellschaftlicher) Akteure hin zu einer Auswei- unzureichend umgesetzt tung von Aid zu Development. Die Agenda Allerdings stehen die immer ambitionierter 2030 stellt nun abermals eine Weiterentwick- gewordenen Ansprüche der internationalen lung dar, da sie explizit für alle Staaten der Agenden an Wirksamkeit und Nachhaltigkeit Welt gilt und auch die Beteiligung neuer, zunehmend in Kontrast zur Umsetzung der nichtstaatlicher Akteure noch stärker einfor- Prinzipien, die ursprünglich den Kern der Wirk- dert als bisher. samkeitsagenda ausgemacht hatten. Auch Die zentralen Prinzipien der Wirksam- wenn bei einzelnen Indikatoren positive Ent- keitsagenda zu Wirkungsorientierung, Partner- wicklungen zu verzeichnen sind, so ist die einbindung, Eigenverantwortung und Rechen- Umsetzung der noch vor wenigen Jahren breit schaftspflicht sind weiterhin gültig und wurden akzeptierten Prinzipien für mehr Wirksamkeit auf dem hochrangigen Treffen der Globalen heute in erster Linie von Rückschritten ge- Partnerschaft für wirksame Entwicklungs- kennzeichnet. Neben einer zunehmenden kooperation (Global Partnership for Effective Bilateralisierung, also geringeren Koordina- Development Co-operation, GPEDC) in Nairobi tions- und Harmonisierungsanstrengungen 2016 in ihrer Bedeutung auch für die Errei- der traditionellen Geber, erscheinen auch chung der SDGs bestätigt. Prinzipien wie Ownership und die Ausrichtung Mit ihrer Allgemeingültigkeit für alle der EZ an den Prioritäten der Partner inklusive Staaten – nicht nur für Entwicklungsländer der Nutzung partnereigener Systeme und – sowie ihrem umfassenden Verständnis einer Prozesse für die Umsetzung von EZ-Maßnah- nachhaltigen Entwicklung, das sich in 17 Zielen men (alignment) für Geber zunehmend DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 19

Die traditionellen Geber müssen sich mehr an­ strengen, die Prinzipien der Wirksamkeitsagenda umzusetzen und sie auch unattraktiv. Das Ergebnis, insbesondere ange- für andere Akteure nach­ sichts einer deutlich gewachsenen Zahl an vollziehbar und attraktiv EZ-Akteuren, ist eine zunehmende (Re-)Frag- zu machen. mentierung der internationalen Zusammenar- beit. Demgegenüber steht mit der Agenda 2030 ein hochkomplexes und sektorübergrei- fendes Zielsystem, das ein global wie lokal sehr viel stärker koordiniertes Vorgehen erfordert.

Gefordert ist eine flexibel steuernde staatliche Entwicklungszusammenarbeit Die erforderliche Einbindung neuer Akteure, der umfassende Geltungsanspruch der Agen- da 2030 und ihr integrativer Ansatz bringen die Notwendigkeit mit sich, über die Rolle der staatlichen EZ in diesem veränderten Umfeld zu reflektieren. Das Auftreten neuer Akteure führt keinesfalls dazu, dass die staatliche EZ der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft eine schwächere Rolle einnehmen und Verant- oder bei neuen Formen der Kooperation wortung komplett abgeben kann – dafür sind zwischen staatlichen Partnern wie Dreiecks­- die Herausforderungen und Erwartungshal- kooperationen.­ tungen zu vielfältig. Im Gegenteil sind steu- Bislang fehlt es den staatlichen EZ- ernde und ausgleichende staatliche Institutio- Institu­tionen an der erforderlichen Flexibilität nen gefordert, die die großen Linien vorgeben und Anpassungsfähigkeit, um angemessen auf und zwischen den Akteuren vermitteln kön- neue Partner und neue Kooperationsformen nen. Der Privatsektor hat andere Zielsetzun- eingehen zu können, ohne dabei wichtige gen als die Zivilgesellschaft, beide decken sich Standards und Werte der EZ wie die Einhal- wiederum nicht zwingend mit den Vorstellun- tung und Förderung menschenrechtlicher gen der traditionellen staatlichen EZ oder von Standards und Prinzipien aufzuweichen. Evalu- Schwellenländern als potenzielle neue Geber. ierung bietet hier die Möglichkeit, aus Erfah- Die Konsequenz hieraus darf aber nicht sein, rungen zu lernen, bestehende Defizite aufzu- Dr. Marcus Kaplan dass sich die traditionellen bilateralen Geber zeigen und Stellschrauben für die Umsetzung DEval-Teamleiter von der Wirksamkeitsagenda verabschieden. grundlegender Handlungsprinzipien zu identi- Kirsten Vorwerk Vielmehr müssen sie sich verstärkt anstren- fizieren. Umso wichtiger ist es, strategische DEval-Evaluatorin gen, deren Prinzipien umzusetzen und auch Evaluierung noch stärker für evidenzbasierte Dr. Stefan Leiderer für andere Akteure nachvoll­zieh­bar und at- Politikgestaltung und Rechenschaftslegung zu DEval-Abteilungsleiter traktiv zu machen, beispiels­weise im Rahmen nutzen. 20 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit und Agenda 2030 – unser Beitrag zum Zukunftsvertrag für die Welt

Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwick- hin zu sozialer, wirtschaftlicher und ökologi- lung macht die internationale Staatengemein- scher Nachhaltigkeit zu erreichen. Daher hat schaft unmissverständlich klar, dass sich glo- das BMZ im Jahr 2018 einen Umsetzungsplan bale Herausforderungen nur gemeinsam lösen – ein Drehbuch – entwickelt, der die besonde- lassen. „Transformation unserer Welt“ lautet ren Herausforderungen bei der Umsetzung das erklärte Ziel. Extreme Armut und Hunger der Agenda 2030 für das BMZ herausstellt. Er sollen bis zum Jahr 2030 beseitigt, die natür­ zeigt: Wir müssen erstens nachhaltig handeln, lichen Lebensgrundlagen geschützt und Ent- zweitens niemanden zurücklassen, drittens wicklungschancen für alle Menschen gleicher- Innovationen für Nachhaltigkeit nutzen und maßen geschaffen werden. Die Agenda 2030 viertens nachhaltige Finanzierung fördern und ist Richtschnur für alle Staaten der Welt und fordern. definiert damit eine neue Art von Partner- Die deutsche Entwicklungszusammen- schaft, in der alle Länder gefragt sind, ihren arbeit mit ihren Partnerländern ist umfassend Beitrag zu leisten. auf die Umsetzung der Agenda 2030 ausge- Die Bundesregierung hat ihre Politik richtet. Ein Glanzlicht ist das Initiativprogramm mit der Neufassung der Deutschen Nachhal- Agenda 2030, eine weltweit einzigartige bila- tigkeitsstrategie 2016 auf die Erreichung der terale Initiative zur Umsetzung der Agenda 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung ausgerich- 2030. Das BMZ fördert mit rund 58 Millionen tet. Mit dieser in einem inklusiven Prozess Euro seit 2016 Maßnahmen in 26 Partnerlän- regelmäßig überarbeiteten Strategie wirkt dern und bei drei Regionalorganisationen in Deutschland auf eine enkelgerechte Zukunft folgenden Bereichen: hin, damit zukünftige Generationen Chancen 1. Politik: In seinen Partnerländern verbessert auf ein Leben in Würde und Wohlstand haben das BMZ die institutionellen und strategi- und die natürlichen Lebensgrundlagen weiter- schen Rahmenbedingungen für die Umset- hin nutzbar bleiben. zung der Agenda 2030, beispielsweise die Anpassung nationaler Entwicklungspläne. Wir müssen unsere So förderte das BMZ in Mexiko die Erarbei- Anstrengungen erhöhen tung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie Trotz einer Vielzahl von Fortschritten hinken und in Georgien die Prüfung von Gesetzes- die Weltgemeinschaft und auch Deutschland vorhaben auf ihre Nachhaltigkeit hin. der Erreichung der SDGs hinterher. Wenn wir 2. Finanzierung: Das BMZ fördert innovative die Ziele bis 2030 erreichen wollen, müssen Ansätze wie grüne Finanzierungsinstru­ wir jetzt das Tempo und die Ambition bei der mente, um die für die Umsetzung der Umsetzung erhöhen. Diese reichen bisher Agenda nötigen Mittel in Partnerländern nicht aus, um die notwendige Transformation zu mobilisieren. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 21

Wenn wir die Ziele bis 2030 erreichen wollen, müssen wir jetzt das Tempo und die Ambition bei der Umsetzung erhöhen. 3. Messung: Um die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen, sind evidenzbasierte Politikent- scheidungen erforderlich. Deshalb stärkt das BMZ die Kapazitäten der Partnerländer für Monitoring und Überprüfung, zum Bei- spiel durch die Etablierung digitaler Daten- banken sowie durch Schulungen und die Entwicklung von Curricula.

Überprüfungsmechanismen stärken Ein wichtiger Schwerpunkt für das BMZ sind Überprüfungsmechanismen für eine erfolgrei- den internationalen Diskurs zu noch offenen che Umsetzung der Agenda 2030. Das wich- Fragen wie der Rolle von Rechnungshöfen tigste UN-Forum ist hierfür das jährlich statt- oder von Regionalkommissionen der Verein- findende Hochrangige Politische Forum für ten Nationen vorangebracht. Gute Erfahrun- Nachhaltige Entwicklung (High-level Political gen aus dem Netzwerk wurden aufbereitet Forum on Sustainable Development, HLPF) in und einer breiteren Fachöffentlichkeit zugäng- New York. Hier stellen Länder ihre freiwilligen lich gemacht. Staatenberichte (Voluntary National Reviews, VNRs) zur Diskussion. SDG-Gipfel für Weckruf nutzen Das BMZ fördert gemeinsam mit dem Beim ersten SDG-Gipfel der Staats- und Re- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz gierungschefs nach der Verabschiedung der und nukleare Sicherheit (BMU) das transnatio- Agenda 2030 im September 2019 heißt es nale Netzwerk Partners for Review, um natio- erstmals Bilanz ziehen: Wo stehen wir bei der nale und internationale Überprüfungsmecha- Umsetzung der Agenda 2030? Wir wollen den nismen zu verbessern und die Qualität der Gipfel für einen entschlossenen Weckruf zu freiwilligen Staatenberichte zu erhöhen. Bei mehr Nachhaltigkeit nutzen: Wir alle müssen den weltweit bislang fünf Treffen derPartners unsere Anstrengungen verstärken, um die for Review unter anderem 2018 in Berlin re- Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit zu flektierten und diskutierten Vertreterinnen beschleunigen und die Ziele bis 2030 zu errei- und Vertreter aus Staat, Zivilgesellschaft, chen! Zudem steht die Zukunft des Hochran- Wirtschaft und Wissenschaft Erfahrungen aus gigen Politischen Forums als Überprüfungs- den Review-Prozessen. Diese Vernetzung hat mechanismus zur Diskussion. Wo müssen Dr. Ingolf Dietrich Beauftragter für einen gemeinsamen Lern- und Austauschpro- wir ambitionierter handeln, was sind die Stell- nachhaltige Entwicklung zess etabliert, in dem Entwicklungs-, Schwel- schrauben für einen noch effektiveren Wis- Bundesministerium len- und Industrieländer im Sinne des SDG 17 sensaustausch? Die Bundesregierung wird für wirtschaftliche Zusammenarbeit und (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) sich für eine weitere Stärkung und effektive Entwicklung (BMZ) gleichermaßen vertreten sind. Zudem hat sie Ausgestaltung des Forums einsetzen. ■ 22 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Länderportfolios: mehr strategische Planung und Steuerung notwendig

Die Agenda 2030 fordert von der internatio- verfolgt eigene Interessen und wendet nalen Entwicklungszusammenarbeit, dass sie eigene Verfahren an. Und auch innerhalb die Wechselwirkungen zwischen der sozialen, der deutschen EZ hat die Fragmentierung wirtschaftlichen und ökologischen Dimension zugenommen. Das BMZ hat seine Aktivitäten von Entwicklung berücksichtigt und sich an ausgeweitet und diversifiziert und viele andere den Prioritäten und Bedarfen der Partnerländer deutsche Ministerien haben ihr internationales ausrichtet. Zudem sollen die unterschiedlichen Engagement verstärkt. Akteure stärker zusammenarbeiten. Für eine wirksame und nachhaltige EZ ist es fundamental, dass die Länderportfolios Klare Positionierung ist wichtig die unterschiedlichen Anforderungen ange- Die DEval-Studie „Länderportfolioreviews messen berücksichtigen und die vorhandenen – ein Analyseinstrument für die deutsche Spannungsfelder bestmöglich auflösen. Dazu Entwicklungszusammenarbeit“ zeigt die großen bedarf es strategischer Vorgaben auf der Län- Herausforderungen für die deutsche bilaterale derebene. Für die deutsche EZ bedeutet dies, EZ, sich im Geflecht der vielfältigen Anforde- dass sie ihre Steuerungsentscheidungen zur rungen der Nachhaltigkeitsagenda zu positio- Ausgestaltung einer mit der Agenda 2030 nieren. So stellt sich etwa die Frage, wie sie konformen EZ nicht auf der Ebene einzelner die Wirtschaft in einem Land fördern kann, Programme und Projekte, sondern auf der ohne dabei negative Konsequenzen für die Portfolioebene treffen muss. soziale oder ökologische Dimension von Nach- Das BMZ hat in den letzten Jahren haltigkeit in Kauf zu nehmen. Bei der Ausrich- begonnen, die strategische Planung und tung ihrer Länderportfolios auf Partner­bedarfe Steuerung seiner bilateralen Zusammenarbeit muss sie berücksichtigen, dass die Prioritäten strukturell zu verändern. Anstatt den Fokus der Partnerregierungen nicht immer deckungs­ auf kleinteilige Einzelprogramme zu legen, gleich mit den Bedarfen besonders benach­ sollen integrierte Gesamtkonzepte auf Länder­ teiligter Bevölkerungsgruppen sind. Die hohe ebene in den Mittelpunkt der Portfoliosteue- Fragmentierung der internationalen EZ er- rung rücken. Entsprechend will das BMZ seit schwert zudem die für Wirksamkeit und Nach- 2012 über einen Dreiklang aus Länderstrate­ haltigkeit wichtige Abstimmung der Geber gien, Programmen und Modulen die Kohärenz untereinander und mit der Partnerregierung. der Länderportfolios stärken und damit nach- Immer mehr Akteure sind entwicklungspolitisch haltige Entwicklung in den Partnerländern in immer mehr Projekten tätig. Jeder Akteur befördern. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 23

Die Evidenz auf der Portfolioebene fehlt Informationssysteme ausbauen Länderstrategien bilden die Grundlage für die Um die Kohärenz innerhalb der deutschen strategische Planung und politische Steuerung bilateralen EZ zu stärken sowie die Abstim- der deutschen bilateralen EZ mit einem Part- mung mit anderen Akteuren und insbesondere nerland. Um sie entsprechend der Agenda den Partnerregierungen im Sinne des ganz- 2030 zu gestalten, bedarf es evidenzbasierter heitlichen Anspruchs der Agenda 2030 sicher- Informationen auf der Länderebene. Die der- zustellen, muss das BMZ seine strategische zeitigen Monitoring- und Evaluierungssysteme Planung und Steuerung auf Länderebene und reichen jedoch für eine systematische Bewer- die dafür notwendigen Informationssysteme tung von Relevanz, Wirksamkeit und Nachhal- ausbauen. tigkeit der Ansätze nicht aus. Ob das Portfolio Ein erster Schritt dorthin ist das von insgesamt sinnvoll ausgerichtet ist, die verein- 2017 bis 2019 vom DEval entwickelte Instru- barten Schwerpunkte noch die richtigen sind, ment für strategische Länderportfolioreviews wie die einzelnen Module und Programme (LPR), das Länderportfolios vor dem Hinter- ineinandergreifen und ob über das Gesamt- grund der Agenda 2030 unabhängig bewertet portfolio systemische und nachhaltige Verän- und steuerungsrelevante Informationen hin- derungen im Sinne der Agenda 2030 angesto- sichtlich der übergeordneten Relevanz, Kohä- ßen werden können – zu diesen Fragen gibt es renz und Komplementarität der deutschen nur wenig Informationen. In der Folge besteht bilateralen EZ bereitstellt. Damit wurde eine die Gefahr, dass nicht strategische Ansprüche, wichtige Grundlage für eine evidenzbasierte sondern andere Aspekte wie das Bestreben, strategische Steuerung geschaffen, die zu- bestehende Programme fortzuführen, die künftig durch weitere Instrumente wie Länder­ Portfolioentscheidungen über Gebühr programmevaluierungen ergänzt werden beeinflussen. sollte. ■

Länderportfolioreviews im Überblick

Ziel und Gegenstand von LPRs LPRs beantworten die Frage

LPRs „Tut die deutsche EZ unterstützen die Regionalreferate im Partnerland des BMZ bei der Erstellung der Länder- (noch) das Richtige?“ strategie Länderstrategien Kenia ?

und analysieren systematisch und und legen folgende Kritierien zugrunde: unabhängig die staatliche bilaterale EZ.

1. Entwicklungsbedarfe im Partnerland 2. Reformdynamiken und Regierungsprioritäten 3. Koordination und Zusammenarbeit mit anderen Akteuren 4. Prioritäten und Stärken der deutschen EZ im Partnerland Kirsten Vorwerk 5. Risiken und Herausforderungen DEval-Evaluatorin

Christoph Hartmann Quelle: DEval. DEval-Teamleiter 24 DEval_NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Gemeinsam für 17 Ziele: Nachhaltigkeit global bis lokal gestalten

Bonn ist ein Zentrum für internationale Zu- Städte mit über 1.750 Mitgliedern. ICLEI richtet sammenarbeit und nachhaltige Entwicklung jährlich in Bonn die Resilient-Cities-Konferenz sowie Sitz von 20 UN-Einrichtungen, darunter zu Städten und Klimaanpassung aus. das Klimasekretariat der Vereinten Nationen. Bonn hat Gewicht als Nachhaltigkeits- Mit ihnen widmen sich Bundeseinrichtungen, standort – nicht nur durch die Präsenz der Wissenschaftsorganisationen, Unternehmen, Vereinten Nationen. Auch der internationale Medien und Nichtregierungsorganisationen Konferenzstandort gewinnt immer mehr an der Lösung globaler Zukunftsfragen. Mit der Bedeutung. 2017 fand in Bonn die 23. Welt­ Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung klimakonferenz der Vereinten Nationen statt und der Schaffung des Innovations-Campus – mit über 22.000 Teilnehmenden die bisher Bonn „Nachhaltigkeit und Globaler Wandel“ größte internationale Konferenz in Deutsch- werden Spitzenkompetenzen ausgebaut und land. in einem globalen Wissenschaftszentrum Ein deutliches Bekenntnis zur nachhal­ gebündelt – an der Schnittstelle zu den Ver- tigen Entwicklung stellt die Nachhaltigkeits- einten Nationen in Bonn, zu Wirtschaft und strategie dar, die der Rat der Stadt Bonn im Zivilgesellschaft. Februar 2019 beschloss. In einem partizipati- Am führenden entwicklungspolitischen ven Prozess wurden sechs kommunale Hand- Standort der Bundesrepublik werden Impulse lungsfelder identifiziert – von nachhaltiger auch auf lokaler Ebene angestoßen. In sechs „Mobilität“ über „Klima und Energie“, „Natürli- entwicklungspolitischen Projektpartnerschaf- che Ressourcen und Umwelt“, „Arbeit und ten arbeitet die Stadt Bonn zu Klimaschutz Wirtschaft“, „Gesellschaftliche Teilhabe und und Klimaanpassung, zu Biodiversität und Geschlechtergerechtigkeit“ bis hin zu „Globa- nachhaltigem Tourismus sowie zur Katastro- ler Verantwortung und Eine Welt“. Zu allen phenfrühwarnung. Mit Cape Coast (Ghana) Feldern wurden konkrete Maßnahmen erar- und Chengdu (China) werden demnächst beitet, die es nun umzusetzen gilt. Projekte zur Kreislaufwirtschaft geplant. Leaving no one behind ist ein Leitsatz Dazu kommen internationale Projekte der Agenda 2030. Für Bonn bedeutet das „Alle wie die Studie der Organisation für wirtschaft- mitnehmen“ – nicht nur im globalen Süden, liche Zusammenarbeit und Entwicklung (Or- sondern auch hier zuhause, in gemeinsamen Ashok Sridharan ganisation for Economic Co-operation and Projekten und mit gemeinsamem Engage- Oberbürgermeister der Development, OECD) zur Implementierung ment, wie im letzten der 17 Ziele für nachhal­ Bundesstadt Bonn und der Ziele für nachhaltige Entwicklung auf tige Entwicklung (Sustainable Development Präsident von ICLEI (Local Governments for lokaler Ebene. Seit 1999 ist Bonn Mitglied von Goals, SDGs) (Partnerschaften zur Erreichung Sustainability) ICLEI, dem Nachhaltigkeitsnetzwerk der der Ziele) postuliert.

Kapitel 1.2

Die Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit im Zeichen der Nachhaltigkeitsagenda

Die Agenda 2030 verändert nicht nur die Entwicklungs­ zusammenarbeit, sondern auch deren Evaluierung, die dem systemischen Ansatz der Agenda 2030 Rechnung tragen muss. Sie passt derzeit ihre Kriterien und Methoden an die Nach­ haltigkeitsagenda an. Eine neue Arbeitsteilung und mehr Qualifizierung von Evaluierungs-Fachleuten müssen den Weg zu einer agenda­konformen Evaluierungspraxis ebnen, so eine Forderung von vier führenden Evaluierungsexpertinnen und -experten der deutschen EZ im Interview. 28 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Eine neue Ära für Evaluierungen

Allen Entwicklungspartnern ist klar: Mit der nationalen Berichterstattung hin zur Beant- Agenda 2030 haben sich für die Evaluierenden wortung evaluationsbezogener Fragen ver- der internationalen Zusammenarbeit Chancen, schieben. Im Mittelpunkt des Interesses steht aber auch Herausforderungen aufgetan, wenn dabei die Frage, welche Maßnahmen aus es darum geht, einzeln oder gemeinsam Fort- welchen Gründen wirken. schritte und Leistungen in Form von Zahlen und Indikatoren zu erfassen und mithilfe von Neue Komplexität Evaluierungen Fragen nach dem Warum, dem erfordert neue Antworten Wie und dem weiteren Vorgehen für die inter- Die Komplexität der Agenda 2030 einschließ- nationale Entwicklungszusammenarbeit zu lich der Interdependenzen zwischen den SDGs beantworten. stellt Evaluatorinnen und Evaluatoren vor nie Die SDGs sowie deren Umsetzungsrah- dagewesene Herausforderungen. Wir können men beruhen auf zahlreichen Annahmen. So nicht länger kleinteilig denken, wenn wir be- wird beispielsweise davon ausgegangen, dass lastbare Aussagen dazu treffen wollen, welche die national erhobenen Daten ausreichend SDGs erfolgreich umgesetzt werden und ob belastbar und aktuell sind, um zu belegen, dies auf ganzheitliche und nachhaltige Weise inwiefern die SDG-Indikatoren erfüllt werden. gelingt. Doch wie können einzelne Evaluierun- Außerdem wird angenommen, dass alle Län- gen zu einzelnen Maßnahmen Antworten der über ausreichende Kapazitäten für die hierzu liefern? Weder die Vereinten Nationen Analyse und die eigenverantwortliche Durch- noch die meisten Länder verfügen über die führung von Reviews und Evaluierungen ver- dafür notwendigen organisations- oder res- fügen. Die Realität zeigt jedoch, dass etliche sortübergreifenden Evaluierungskapazitäten. Länder mindestens eine dieser beiden Annah- Bei der Entwicklung und Verabschie- men derzeit nicht erfüllen. dung der Agenda 2030 wurde die Bedeutung Von UN-Organisationen und anderen von systemübergreifenden Evaluierungen für Akteuren der internationalen Zusammenarbeit die Umsetzung der Agenda nicht ausreichend wird erwartet, dass sie ihren Beitrag zur Errei- berücksichtigt. Doch nun bietet sich die Gele- chung der SDGs belegen. Ursprünglich lag der genheit, verstärkt solche Evaluierungen ge- Schwerpunkt der Vereinten Nationen darauf, meinsam durchzuführen. Dafür hat sich die eine bessere statistische Datengrundlage zu Evaluierungsgruppe der Vereinten Nationen schaffen. Weil die Datenerhebung aber nach stark gemacht und hat gemeinsam mit ande- wie vor ein großes Problem darstellt, muss ren Evaluierungsakteuren einige Erfolge erzie- sich der Fokus langfristig weg von der Fort- len können. Allerdings gestaltet sich der Fort- schrittsmessung im Rahmen der freiwilligen schritt hierbei langsam. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 29

Wir können nicht länger kleinteilig denken, wenn wir belastbare Aussagen dazu treffen wollen, welche SDGs erfolgreich umgesetzt werden und ob dies auf ganzheitliche und nach­ Systemübergreifende haltige Weise gelingt. Evaluierungen sind die Zukunft Für die Zukunft sind folgende Entwicklungen zu erwarten: 1. Die Nachfrage nach Meta-Synthesen zu vorhandenen Evaluierungen wird zuneh- men. Allerdings muss dafür der Großteil der genutzten Evaluierungen hinreichend aus- sagekräftig und spezifisch sein. Eine von der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and 3. Die Bemühungen um gemeinsame system- Cultural Organization, UNESCO) durchge- weite Evaluierungen müssen verstärkt führte Meta-Synthese zu SDG 4 (Hoch­ werden. Dies ist einfacher gesagt als getan, wertige Bildung) ergab, dass zwischen 2015 denn gemeinsame systemweite Evaluie­ und 2018 mehr als 800 hierfür relevante rungen, die über die Erstellung von Meta- Evaluierungen durchgeführt worden waren. Synthesen hinausgehen, sind mit hohen 2. In den kommenden Jahren wird es eines Transaktionskosten verbunden und haben der wichtigsten strategischen Ziele der einen hohen Ressourcenbedarf. UN-Evaluierungsgruppe sein, Leitlinien zu Die Vereinten Nationen haben erst eine entwickeln und Evaluierungen der SDGs derartige Evaluierung durchgeführt: 2005 und des Rahmenkonzepts der Vereinten nach dem Tsunami im Indischen Ozean. Nationen zur internationalen Entwicklungs- Die Evaluierung, an der mehr als 40 UN- zusammenarbeit (UN Development Organisationen, NROs und bilaterale Geber Assistance­ Framework) zu unterstützen – beteiligt waren, dauerte über ein Jahr und zusammen mit Partnern aus Wissenschaft, kostete fast drei Millionen US-Dollar. internationalen Organisationen, Regierun- Das Mindeste, was wir tun können, ist, dass gen, regionalen Evaluierungsverbänden und wir für die Zukunft einzelne und gemeinsame der Zivilgesellschaft. Zwar ist hinreichend Evaluierungen für die 17 SDGs und Länder bekannt, wie komplex Evaluierungen vor planen. In einem weiteren Schritt sollten dem Hintergrund der SDGs sind, doch be- diese Evaluierungen dieselben Schlüssel­ stehen derzeit keine klaren und einheitlichen fragen beantworten und auf vordefinierten Susanne Frueh Direktorin Vorstellungen davon, wie bei einer solchen Daten basieren, um so systemweite Analy- Internal Oversight Service Evaluierung vorzugehen ist. Dies zeigt sich sen zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund Organisation der Vereinten Nationen für auch in den jüngsten Diskussionen darüber, begrenzter Ressourcen müssen die Verein- Erziehung, Wissenschaft wie die DAC-Evaluierungskriterien zweck- ten Nationen sowie ihre nationalen und und Kultur (UNESCO) mäßig überarbeitet werden könnten. All globalen Partner die Herausforderungen Vorsitzende Evaluierungsgruppe der dies erfordert einen internationalen Dialog eines immer komplexeren Evaluierungs­ Vereinten Nationen und ein gemeinsames Vorgehen. umfelds annehmen. ■ 30 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Nutzung einer systemischen Perspektive in Evaluierungen

Wir leben in einer zunehmend vernetzten und Evaluierungen der Independent Evaluation von Regulierungen bestimmten Welt. Dies Group (IEG) der Weltbankgruppe verdeutlichen bringt Herausforderungen für den Umfang diesen Ansatz. und die Methodik von Evaluierungen mit sich. Deren Fokus liegt in der Regel auf Vorhaben Armutsorientierung von oder auf einzelnen Institutionen: Evaluierende Institutionen in Mexiko betrachten die Welt aus der Sicht des Evaluie- Im ersten Beispiel geht es um die Verwendung rungsgegenstands und laufen damit Gefahr, von Geodaten, um Finanzströme zu erfassen. dessen Einfluss zu überschätzen und die Rolle Die Geodaten machen die räumliche Vertei- und Komplexität von Kontextfaktoren zu lung der Weltbank-Leistungen sichtbar – ein unterschätzen. Wie also können wir als Evalu- erster Schritt zur Bewertung des Weltbank- ierende mit dieser kognitiven Verzerrung Beitrags zu SDG 1 (Keine Armut). Die hier umgehen und welche Methoden gibt es, um angewendete systemische Perspektive zeigt sie zu überwinden? sich in der Kombination unterschiedlicher Hier bietet es sich an, eine systemische Geodaten: Perspektive einzunehmen – entsprechend 1. der Anteil der Menschen in einem Bundes- SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der staat, die zu den ärmsten 40 Prozent der Ziele), das die Koordination und Abstimmung Bevölkerung gehören, zwischen Institutionen in den Mittelpunkt der 2. die Verteilung der von der Weltbank bereit- politischen Debatte stellt. Dabei ist nicht die gestellten Projektmittel auf die Bundesstaa- Intervention der Ausgangspunkt einer Evaluie- ten sowie rung, sondern das Verständnis über das Sys- 3. die Verteilung der Ausgaben der Zentral­ tem und dessen Konzeptionalisierung. Das regierung auf die einzelnen Bundesstaaten. System wird durch seine verschiedenen Ele- mente wie Institutionen sowie durch kausale Beim Vergleich dieser Daten ergaben Zusammenhänge bestimmt. Die Verbindun- sich beispielsweise folgende Fragen: Ist die gen zwischen den Elementen und die System- Weltbank wirklich in den ärmsten Regionen grenzen geben den Ausschlag dafür, welche des Landes tätig? Weist die Unterstützung der Aspekte eine Evaluierung berücksichtigt und Weltbank eine höhere Armutsorientierung auf welche nicht. Besonders interessant sind als die Ausgaben der Zentralregierung in ähn- systemische Ansätze, die die institutionelle lichen Tätigkeitsfeldern? Trotz einiger Vorbe- Landschaft, in der eine bestimmte Organisati- halte bei solchen Analysen besonders hin- on tätig ist, systematisch untersuchen und die sichtlich der Detailgenauigkeit waren die deren strategische Funktion und Positionie- Ergebnisse der Evaluierung eindeutig. Mittels rung genauer analysieren. Zwei aktuelle einer Regressionsanalyse wurde die Verteilung DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 31

der Weltbankmittel auf die Bundesstaaten Organisationen des Sektors, die Unterstützung analysiert, wobei mögliche Abweichungen leisten und erhalten, dar. Die in der Grafik aufgrund anderer Faktoren berücksichtigt unten dargestellten Finanzströme zeigen, dass wurden. Es zeigte sich, dass die Unterstützung die Weltbankgruppe der zweitgrößte Geber der Weltbank in den einzelnen Bundesstaaten für den Gesundheitssektor des Landes ist. positiv mit der Zahl der Menschen korreliert, Zudem wird deutlich, dass USAID bevorzugt die zu den ärmsten 40 Prozent der Bevölke- NROs fördert, während die Weltbankgruppe rung gehören, und weitgehend unabhängig ihre Mittel hauptsächlich über die Regierung von den Ausgaben der Zentralregierung ist. und die Vereinten Nationen kanalisiert. Aus dem Vergleich der beiden Vorgehensweisen Institutionelle Finanzströme zur ergeben sich potenzielle Zielkonflikte im Hin- Gesundheitsförderung in Liberia blick auf die kurz- und mittelfristigen Wirkun- Im zweiten Beispiel analysierte die IEG soziale gen bei der Erbringung von Gesundheitsleis- Netzwerke, um den Beitrag der Weltbankgruppe tungen sowie unterschiedliche Implikationen zur Entwicklung des liberianischen Gesund- für den Kapazitätsaufbau auf Seiten der heitssektors und damit zur Erreichung von Zentralregierung. SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) zu So hilft der Blick auf das System, die bestimmen. Mittels einer systemischen Sicht- Rolle einer Organisation in der jeweiligen weise bildete die IEG öffentliche, nicht gewinn­ institutionellen Landschaft zu verstehen. In orientierte Finanzströme ab und analysierte, einer zunehmend vernetzten Welt und an­ Dr. Jos Vaessen welchen Organisationen eine Themenführer- gesichts der ambitionierten SDGs müssen Berater Methoden schaft im Gesundheitsbereich zugesprochen wir unser Instrumentarium erweitern und Independent Evaluation Group wird. Zudem stellte sie die operative Zusam- die systemische Perspektive häufiger und Weltbankgruppe menarbeit zwischen den wichtigsten konsequenter in Evaluierungen nutzen. ■

Die Weltbankgruppe als Geber bei der Finanzierung des liberianischen Gesundheitswesens

Nichtregierungs­ organisationen (NRO) Gesundheits­ ministerium Bilaterale Geber

Multilaterale internationale Organisationen

Ministerien Jhpiego IRC Finanzströme Mercy Corps PHI MSH Die Breite der Pfeile und die Größe der USI Kreise bezeichnen die Höhe der Ausgaben UNICEF für das liberianische WHO UNFPA Gesundheitswesen.

EU

UNOPS

USAID Weltbank- gruppe Quelle: Independent Evaluation Group/ GFATM Weltbankgruppe (eigene Darstellung). 32 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Die Evaluierung von Nachhaltigkeit in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Mit dem Entwicklungsdiskurs der 1980er-Jahre 1. Dauerhaftigkeit positiver Veränderungen hielt Nachhaltigkeit Einzug in die Evaluierung und Wirkungen, der Entwicklungszusammenarbeit. Aber erst 2. Stabilität des Umfelds im Hinblick auf durch die Agenda 2030 für nachhaltige Ent- soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche wicklung steht das Prinzip Nachhaltigkeit Leistungsfähigkeit, politische Stabilität heute im Zentrum der Wirksamkeitsdebatte. und ökologisches Gleichgewicht und Neben dem Verständnis von Nachhaltigkeit 3. mögliche Risiken und Potenziale für die kommt seither auch die Evaluierungspraxis nachhaltige Wirksamkeit. auf den Prüfstand: Zeit für eine systematische Bestandsaufnahme. Dabei zeigt sich bereits eine Divergenz zu den umfassenden Nachhaltigkeitsprinzipien Wie sollte Nachhaltigkeit bislang der Agenda 2030. Weder das Zusammenspiel bewertet werden? der sozialen, ökonomischen und ökologischen In der deutschen staatlichen Entwicklungs­ Dimensionen von Nachhaltigkeit noch der zusammenarbeit obliegt es dem BMZ, die integrative Charakter der SDGs sind expliziter konzeptionelle Grundlage für die Erfolgsbe- Teil der bisherigen Evaluierungsvorgaben. wertung vorzugeben. Demnach wird Nachhal- Allerdings sind einige der Prinzipien der Agenda tigkeit entlang der fünf Evaluierungskriterien 2030 konzeptionell bereits in den bestehenden des Entwicklungsausschusses der Organisa­ Evaluierungskriterien angelegt. Beispielsweise tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und sollen Wirkungen nach den drei Nachhaltig- Entwicklung (Organisation for Economic keitsdimensionen differenziert dargestellt Co-operation and Development, Develop- werden. Die Auseinandersetzung mit den ment Assistance Committee, OECD DAC) Synergien und Spannungsfeldern zwischen bewertet. Neben der Nachhaltigkeit sind auch den Dimensionen ist bislang jedoch kein Teil die Relevanz, Effektivität, Effizienz und die der Vorgaben. überge­ordnete entwicklungspolitische Wirk- samkeit Teil der Erfolgsbewertung. Seit 2006 Wie ging die Evaluierungspraxis soll die Nachhaltigkeit von entwicklungspoliti- mit den Vorgaben bislang um? schen Maßnahmen anhand von drei zentralen Im Zuge der konzeptionellen Auseinander­ Aspek­ten bewertet werden: setzung mit dem Nachhaltigkeitsverständnis DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 33

Die Vorgaben des BMZ wurden in der Vergangenheit nur unzureichend umgesetzt – nur rund eine Drittel der Evaluierungsberichte deckt alle nachhaltigkeitsbezogenen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Fragestellungen ab. befasste sich das DEval im Rahmen seiner 2018 veröffentlichtenMeta-Evaluierung von Nachhaltigkeit in der deutschen Entwicklungs- zusammenarbeit auch mit der Evaluierungs- praxis. Die repräsentative Auswertung von über 500 Evaluierungsberichten der Deut- schen Gesellschaft für Internationale Zusam- menarbeit (GIZ) und der KfW Entwicklungs- bank (KfW) zeigt, dass die Vorgaben des BMZ in der Vergangenheit unzureichend und un- selten in die Bewertung einfließen. Insgesamt systematisch umgesetzt wurden. Nur rund ein wird Nachhaltigkeit in der Evaluierungspraxis Drittel der analysierten Evaluierungsberichte der Durchführungsorganisationen entlang deckt alle nachhaltigkeitsbezogenen Fragestel- einer Vielzahl von Kriterien bewertet, die sich lungen aus den BMZ-Vorgaben ab. Die Diskre- allerdings von Bericht zu Bericht unterschei- panz zwischen Vorgaben und Praxis bezieht den und sich somit schwer vergleichen lassen. sich dabei insbesondere auf den Nachhaltig- keitsaspekt der Dauerhaftigkeit von (entwick- Notwendige Reformen sind lungspolitischen) Wirkungen. auf dem Weg Allerdings zeigt sich in der Gesamt- Der wesentliche Grund für eine fehlende schau der analysierten Evaluierungsberichte Systematik und Einheitlichkeit in der Bericht- bereits ein deutlich umfassenderes Nachhal- erstattung liegt in dem fehlenden konzeptio- tigkeitsverständnis als die Vorgaben vermuten nellen Rahmen eines umfassenden Nachhal- ließen. Die Nachhaltigkeit von Vorhaben wird tigkeitsverständnisses im Sinne der Agenda demnach nicht allein an der Dauerhaftigkeit, 2030. Vor diesem Hintergrund empfahl das dem Kontext der Maßnahmen und den Kapa- DEval eine Reform der bestehenden Vorgaben. zitäten vor Ort gemessen, sondern zusätzlich Das BMZ und seine Durchführungsorganisa­ entlang einer Reihe von Kriterien aus den tionen haben sich die Empfehlung zu eigen Bereichen der Projektimplementierung sowie gemacht und arbeiten mit Unterstützung des der direkten und indirekten Wirkungen. Dazu DEval an einer Reform der Evaluierungskrite­ gehören unter anderem die Anpassung der rien. Die hierfür eingesetzte Arbeitsgruppe Vorhaben an nationale Politiken der Partner, soll auch die Evaluierungspraxis im Hinblick die Partizipation von Zielgruppen, die Nutzung auf ein mit der Agenda 2030 konformes institutioneller Strukturen vor Ort, Akzeptanz Eva­luierungssystem harmonisieren. Zukünftig und Eigenverantwortung, Resilienz und auch sollen Evaluierungen auch über die Beiträge die Breitenwirksamkeit der entwicklungspoliti- entwicklungspolitischer Vorhaben zu den schen Maßnahmen. Allerdings finden sich Zielen und Prinzipien der Agenda 2030 be­ auch Aspekte wie etwa nicht-intendierte Wir- richten können. Mit den Erfahrungen der kungen oder das Zusammenspiel der Nachhal- vergangenen Jahre befindet sich die deutsche Dr. Martin Noltze tigkeitsdimensionen, die entgegen den Annah- Entwicklungszusammenarbeit hierfür in einer DEval-Teamleiter men der Meta-Evaluierung vergleichsweise guten Ausgangssituation. ■ 34 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Interview

Die Agenda 2030: Reformbedarf für die Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit

Welche Bedeutung die Agenda 2030 für die Evaluierung der deutschen Entwicklungszusam- menarbeit hat, diskutierten in telefonischen Einzelinterviews Prof. Dr. Jörg Faust (Direktor des DEval), Dr. Ricardo Gomez (bis Juli 2019 Leiter der GIZ-Stabsstelle Evaluierung), Prof. Dr. Eva Terberger (bis Juni 2019 Leiterin der Evaluierungsabteilung der KfW Entwicklungsbank) und Michaela Zintl (bis März 2019 Leiterin des BMZ-Referats Evaluierung und Ressortforschung). In den hier zusammengestellten Antworten spannten sie einen Bogen von der Erklärung von Paris 2005 bis hin zur aktuellen Überarbeitung der OECD-DAC-Evaluierungskriterien.

Welche zentralen Herausforderungen Evaluierung wird es auch sehr schwierig, die ergeben sich aus der Agenda 2030 für die Beiträge einzelner Staaten zur Agenda 2030 zu Evaluierung der deutschen EZ und ihre bestimmen und miteinander zu vergleichen. institutionellen Strukturen? Ricardo Gomez: Wir haben in der deutschen Michaela Zintl: Ich sehe die größte Heraus­ Evaluierung der EZ bislang kein definitives forderung darin, wie wir mit potenziellen gemeinsames Konzept, wie wir mit den Her- Zielkonflikten zwischen den drei Dimensionen ausforderungen der Agenda 2030 umgehen. der Agenda 2030 – Ökonomie, Ökologie und Die Integration der SDGs in Projekte und Soziales – umgehen. Evaluierungen können deren Evaluierung betrachte ich als relativ diese Zielkonflikte nicht lösen, aber sie kom- einfach, weil wir die Zielerreichung anhand men auch nicht an ihnen vorbei. Wie groß die von Indikatoren messen können, die die SDGs Zielkonflikte sind oder als solche wahrgenom- abbilden. Problematischer erscheint es mir men werden, sehen wir unter anderem aktuell hingegen, die Prinzipien der Agenda wie „Nie- in der deutschen Debatte um Klimaschutz manden zurücklassen“ oder den Multi-Stake- versus Arbeitsplätze. holder-Ansatz der Agenda 2030 zu evaluieren. Jörg Faust: Die Agenda 2030 gibt einen wich­ Hierfür müssen wir bestehende Methoden tigen und international legitimierten Orien­ innovativ weiterentwickeln oder neue Metho- tierungsrahmen für zentrale Zielsetzungen den für den Umgang mit Komplexität und menschlicher Entwicklung. Dies ist ein hohes Zielkonflikten anwenden. Gut. Gleichzeitig birgt die Komplexität dieses Eva Terberger: Ich halte die Konsequenzen Zielsystems nicht nur die Gefahr der norma­ der Agenda 2030 für Evaluierungen auf tiven Überfrachtung und damit verbunden Projektebene für nicht so weitgreifend. unerfreulicher Ernüchterung. Aus Sicht der Zum einen wurden viele Elemente der DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 35

Michaela Zintl Prof. Dr. Jörg Faust

Millenniumentwicklungsziele (MDGs) in die mit unseren Projektevaluierungen viele Bei- SDGs übernommen, zum anderen adressiert spiele über das tatsächliche Zusammenspiel eine einzelne Intervention kaum alle Ziele beisteuern können – sowohl solche, bei denen gleichzeitig. Wie früher die MDGs geben der Gleichklang funktioniert, aber auch solche, heute die SDGs eine phantastische Orientie- bei denen sich Disharmonien zwischen den rung, aber – weil sie so allumfassend und Dimensionen ergeben. nicht immer komplementär sind – sind sie Wie gesagt bedeutet die Agenda 2030 für uns nicht unmittelbar handlungsleitend. Sollten keine Revolution. Deshalb muss Evaluierung mehrere, nicht miteinander kompatible Ziele auch nicht komplett neu aufgestellt werden. in einem Projekt angestrebt werden, ist Den Vorschlag der deutschen EZ, ergänzend die Abwägung gegen­einander eine große zu den anderen OECD-DAC-Evaluierungskrite- Herausforderung für die Evaluierung. Diese rien hervorzuheben, wie ein Vorhaben bezüg- Problematik gab es aber auch schon bei lich des SDG-Beitrags einzuordnen ist, halte den MDGs. ich für einen angemessenen Umgang mit den SDGs in der Evaluierung. Wie begegnen Sie diesen Herausforde­ Michaela Zintl: Wir verständigen uns aktuell rungen und zeigen die Anpassungen darüber, was wir genau unter den Evaluie- bereits Wirkung? rungskriterien verstehen und wie wir sie in Ricardo Gomez: Wir sind gerade erst dabei, Zukunft noch besser operationalisieren, auch Agenda 2030-konforme Projekte zu konzipie- wenn die BMZ-Orientierungslinien zu den ren. Wir treffen bei der GIZ institutionelle Kriterien von 2006 bereits die Mehrdimen­ Vorkehrungen und überlegen etwa, wie unsere sionalität der SDGs reflektieren. Dieses Vor­ Vorhaben die Agenda 2030 besser berücksich- haben wird etwas komplizierter, weil auch im tigen können. Wir wissen jedoch noch nicht, OECD DAC, genauer im DAC-Evalnet, die wie das BMZ die Agenda 2030 im Projekt­ Diskussion zur eventuellen Anpassung der zyklus abbilden will und auf welcher Ebene es Kriterien an die Agenda 2030 läuft. Diese Aktivitäten auf die Agenda 2030 ausrichten Prozesse müssen wir miteinander verknüpfen, will, was sich ja auch entsprechend auf die denn Evaluierungs­ergebnisse müssen auch Evaluierung auswirkt. international vergleichbar sein. Es zeigt sich Eva Terberger: Die SDGs spielen bei unseren immer deutlicher, wie wichtig übergeordnete ­Evaluierungen insofern eine Rolle, als wir zur Auswertungen der deutschen EZ sind. Wir angestrebten Harmonie zwischen ökologi- benötigen zum übergeordneten Lernen mehr scher, ökonomischer und sozialer Entwicklung – vom Einzelfall losgelöste – Synthesestudien. 36 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

In der europäischen Evaluierungs­ praxis finden noch immer zu wenig gemeinsame Untersuchungen statt. Dies erschwert es allen Beteiligten, gemeinsam für eine wirksamere und nachhaltigere EZ zu lernen. Prof. Dr. Jörg Faust

Wie kann Evaluierung dazu beitragen, helfen, der Überfrachtung einzelner Projekte Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030 entgegenzuwirken. Ein Vorhaben zum Klima- in Ihrer Organisation und der deutschen schutz ist eben nicht unbedingt geeignet, um EZ als Ganzes zu stärken? gleichzeitig Armut zu bekämpfen. Wir können Jörg Faust: Die Meta-Evaluierung des DEval mithilfe von Evaluierungen helfen, Ziele von zur Bewertung von Nachhaltigkeit in den zukünftigen Interventionen zu schärfen und Evaluierungen der GIZ und der KfW gab hierzu aufzuzeigen, wo im Zweifel ihr Schwerpunkt wichtige Impulse. Die institutionenübergrei- liegen soll. fende Analyse von Projekt- und Programm­ evaluierungen zeigte, dass Deutschland mit Wie unterstützt die deutsche EZ ihre den Leitlinien des BMZ bereits seit 2006 eine Partner dabei, ihrer Rechenschaftspflicht mehrdimensionale Bewertung von Nachhaltig- im Rahmen der Agenda 2030 nachzukom- keit (sozial, ökonomisch, ökologisch) einfordert. men? Was sind hierbei besondere Heraus- Gleichzeitig war die tatsächliche Bewertungs- forderungen? praxis von Nachhaltigkeit sehr heterogen, was Jörg Faust: Die Entwicklungszusammenarbeit die Vergleichbarkeit einzelner Evaluierungen kann auch dazu beitragen, Organisationen und damit projektübergreifendes Lernen sehr in unseren Partnerländern in die Lage zu erschwerte. Dass nunmehr an einer Schärfung versetzen, die Nachhaltigkeitsagenden und des Nachhaltigkeitskriteriums gearbeitet wird, -strategien ihrer Regierungen sowie die Aktivi- ist daher eine gute Entwicklung. Darüber hinaus täten der EZ selbst unabhängig und transpa- benötigen wir in Deutschland deutlich mehr rent zu bewerten. Das Potenzial eines solchen experimentelle und quasi-experimentelle Evaluation Capacity Development ist bei Weitem Wirkungsevaluierungen und Begleitforschung. noch nicht ausgeschöpft. In vielen Entwicklungs­ Dies ist notwendig, um mehr rigorose Evidenz ländern dominieren noch immer die Organisa- über die Wirkungen und Nachhaltigkeit der tionen der EZ die Evaluierungslandschaft. deutschen EZ zu bekommen. Das sollte sich im nächsten Jahrzehnt ändern. Michaela Zintl: Insbesondere fehlen projekt- Michaela Zintl: Der zweite Weg neben der übergeordnete Schlussfolgerungen aus meh- direkten Förderung von Kapazitäten ist das reren Wirkungsevaluierungen, die in Neupla- Mainstreaming während der Durchführung nungen einfließen können und sollen. Daher von Geber-Evaluierungen, indem Partner haben wir mit dem und beim DEval dazu ein sowie lokale Fachkräfte vermehrt beteiligt Forschungsprojekt aufgelegt und planen in und damit die Evaluierungen öfter für die der Folge ein Förderprogramm für empirische Entwicklung von Kapazitäten genutzt werden. Begleitforschung, das wir finanziell und kon- Evaluierung ist keine Advocacy-Veranstaltung, zeptionell unterstützen. sondern basiert auf Evidenz. Durch die Veran- Eva Terberger: Evaluierung kann Evidenz bei- kerung entsprechender Fragestellungen in den tragen; dabei setzen wir in der Evaluierung Evaluierungskriterien können Evaluierungen von FZ-Vorhaben vor allem auf die auch quasi- aber darauf hinweisen, wo Nachhaltigkeit im experimentelle Auswertung vorhandener Sinne der Agenda 2030 noch nicht ausrei- Daten. Weiterhin kann Evaluierung dabei chend bedacht wird. DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 37

Dr. Ricardo Gomez Prof. Dr. Eva Terberger

Ricardo Gomez: Ich habe den Eindruck, dass Man hat damit etwas übertüncht, dass es viele Partnerländer der deutschen EZ den große Unterschiede zwischen hinreichend Minimal­ansatz wählen und sich nur einige SDGs stabilen, demokratischen und eher fragilen und die dazugehörigen Indikatoren heraus­ Partnerländern gibt. Die EZ muss so struktu- picken. Das ist ihnen freigestellt und dies war riert sein, dass sie hier differenziert reagieren im Nachhinein betrachtet keine gute Idee bei kann – mit Folgen wiederum bis hin zur der Entwicklung der Agenda 2030. Ich kenne Evaluierung. bislang kein Partnerland, das ein wirklich um- Jörg Faust: Viele europäische Regierungen fassendes Konzept entwickelt hat. Die meisten stellten im letzten Jahrzehnt nationale Inter­ konzentrieren sich auf jene SDGs, mit denen essen derart in den Vordergrund der EZ, dass sie sich ohnehin in ihrer nationalen Entwick- Harmonisierung und Arbeitsteilung erschwert lungsstrategie befassen. Die Umsetzung der wurden. Auch in der Evaluierung finden in Prinzipien hingegen ist überall ein blinder Fleck. Europa noch immer viel zu wenig gemeinsame Hier sollten wir in unserer Beratung ansetzen. Untersuchungen statt. Dies erschwert ge- meinsames Lernen für wirksamere und nach- Welche Lehren lassen sich aus der schwa- haltigere EZ. Entsprechend sollte Deutschland chen Umsetzung der Wirksamkeitsagenda auf eine stärkere Harmonisierung der europäi- und der Evaluierung der Erklärung von schen EZ und damit auch auf mehr gemein­ Paris für die Umsetzung der Agenda 2030 same Evaluierungen drängen. Denn die derzei- ziehen? tige Fragmentierung der EZ ist ineffizient und Michaela Zintl: Schon in der Erklärung von birgt hohe Effektivitätsverluste. Paris war verankert, dass der Beleg der Wirk- Eva Terberger: Die Harmonisierung wird teil- samkeit von den Partnern selbst kommen weise auch dadurch erschwert, dass sich jeder muss. Das war zwar grundsätzlich richtig, war Geber positive Wirkungen auf die eigene aber etwas blauäugig, denn wenn das Geld Fahne schreiben will. Solange sich das nicht aus einem Geberland kommt, gibt es auch ändert, können wir in Evaluierungen zwar dort Rechenschaftspflichten und auch die feststellen, dass mangelnde Koordinierung Geberorganisationen müssen lernen. Die nicht gut ist – über daraus folgende Hand- Erklärung von Paris hatte weitere im Prinzip lungsänderungen dürfen wir uns keine Illusio- richtige Regeln aufgestellt, mit einem großen nen machen. Mit gemeinsamen Evaluierungen Schwerpunkt auf Ownership. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren positive Erfah- wurde dies manchmal überspitzt interpretiert rungen gemacht, vor allem, wenn von Anfang als „Wir machen nur das, was der Partner will“. an Projekte gemeinsam finanziert wurden. 38 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Interview: Ricardo Gomez: Es war ja auch eine naive Heute ist die Frage, ob man bereit ist, die Prin- Vorstellung zu glauben, dass wir nach der zipien der Agenda 2030 bewusst in Vorhaben Erklärung von Paris nur Joint Implementation zu integrieren. Die vor Ort etablierten Dialog- und Joint Evaluation machen oder dass natio- mechanismen wie Geberrunden bieten eine nale Interessen in der Formulierung von gute Plattform, um die Umsetzung und Erfolgs- Strategien keine Rolle mehr spielen würden. messung der Agenda 2030 zu diskutieren und Dr. Susanne Reiff Spätestens die Flüchtlingskrise 2015 hat uns den Druck zu erhöhen, die Agenda 2030 stärker freie Redakteurin eines Besseren belehrt. in die Planung von Vorhaben zu integrieren. ■

Reform der Evaluierungskriterien setzt Fokus auf Nachhaltigkeit

Wann Entwicklungszusammenarbeit Handlungsprinzipien der Agenda erfolgreich ist und wann nicht, be- 2030 auseinandersetzen. misst sich entlang der fünf Evaluie- rungskriterien Relevanz, Effektivität, Deutschland hat sich auf Ebene der Effizienz, übergeordnete entwick- OECD mit Erfolg für eine Reform der lungspolitische Wirkungen (impact) internationalen Evaluierungskriterien und Nachhaltigkeit im Sinne der eingesetzt. Gemeinsam mit den Dauerhaftigkeit. Diese Kriterien staatlichen Durchführungsorganisa­ genießen eine hohe internationale tionen und dem DEval arbeitet das Akzeptanz, setzen Anreize für die BMZ an der Überarbeitung der Evalu- Konzeption entwicklungspolitischer ierungskriterien in Deutschland und Vorhaben und eröffnen Lernpoten­ bringt Vorschläge in den Reformpro- ziale über Einzelvorhaben hinweg. zess der OECD ein. Zu den Zielen der Überarbeitung gehören die konzeptio- In der jüngsten Vergangenheit der nelle Schärfung der Prüffragen, die Erfolgsgeschichte der „großen Fünf“ Einbeziehung von Fragen zu nicht- hat sich die Diskussion um die Ange- intendierten Wirkungen sowie die messenheit und Nützlichkeit des Erhöhung der Verbindlichkeit. Kriterienkatalogs international und in Deutschland intensiviert. Ein wesent­ Zukünftig soll das Nachhaltigkeits­ licher Anlass hierfür war die Verab- verständnis der Agenda 2030 über schiedung der Agenda 2030 mit ihrem zusätzliche Prüffragen Einzug in die universellen Anspruch hinsichtlich des bestehenden Evaluierungskriterien Zusammenspiels der sozialen, ökono- halten. Zusätzlich sollen die Evaluie- mischen und ökologischen Nachhal- rungsberichte um ein Fazit im Hin- Dr. Martin Noltze tigkeitsdimensionen, ihres integrier- blick auf die Beiträge der Vorhaben DEval-Teamleiter ten und inklusiven Ansatzes sowie zu den Prinzipien der Agenda 2030 Berthold Hoffmann neuer Partnerschaften. Seither muss ergänzt werden. Weitere Harmonisie- Referent für Evaluierung sich der Wirkungsnachweis der Ent- rungsvorschläge erhöhen die Syste- Bundesministerium für wirtschaftliche wicklungszusammenarbeit auch mit matik und die Trennschärfe zwischen Zusammenarbeit und den Beiträgen zu den Zielen und den einzelnen Kriterien. Entwicklung (BMZ)

Teil 2

Die Umsetzung der Agenda 2030-Prinzipien: Erfahrungen, Erkenntnisse und Perspektiven

Kapitel 2.1

Niemanden zurücklassen

Das Prinzip der Agenda 2030, niemanden zurückzulassen, stellt die Entwicklungszusammenarbeit vor große Aufgaben: Sie will Menschen mit Behinderungen, Geflüchteten, Hungernden und vielen anderen Benachteiligten nachhaltige Entwicklungs­ perspektiven bieten. Was aber heißt das konkret? Die Bedarfe der verschiedenen vulnerablen Bevölkerungsgruppen sind sehr unterschiedlich, die Handlungsspielräume ihrer Fürsprecher oft gering. Vielerorts fehlt es an einem klaren Rechtsrahmen und wegweisende Politiken werden nicht ausreichend umgesetzt. Hier bieten Evaluierungen wichtige Impulse. 44 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Zivilgesellschaftliche Handlungsräume: ein Muss für „Niemanden zurücklassen“

Seit einigen Jahren verschlechtern sich in Studie: Entwicklung braucht Zivilgesellschaft vielen Ländern die Arbeitsbedingungen zivil- gesellschaftlicher Akteure erheblich. In man- Um die Wirkung von Shrinking Space anhand von zwölf Deskstudien und auf das Erreichen der UN-Nachhaltig- vier Länderstudien in Brasilien, chen Fällen müssen Organisationen wie Ver­ keitsziele zu untersuchen, beauftrag- Kambodscha, Nepal und Simbabwe, eine, NROs und Verbände ihre Arbeit sogar ten Brot für die Welt, das Hilfswerk dass es dort, wo es keine unabhängi- ganz einstellen. Sie dürfen keine ausländischen der Evangelischen Kirchen Schweiz gen, kritischen zivilgesellschaftlichen Fördergelder mehr annehmen, verlieren ihren und das Hilfswerk der Dänischen Akteure gab, in vielen Fällen zu stei- rechtlichen Status oder werden einfach verbo- Kirche eine Studie beim Institute of gender Marginalisierung und Verar- ten. Dieses Phänomen wird seit einigen Jahren Development Studies (IDS). Sie zeigt mung kam. auch als Shrinking Space bezeichnet. Weltweit Naomi Hossain et al. (2019), Development Needs Civil Society - the Implications of Civic Space for leben zwei Milliarden Menschen in Staaten, in the Sustainable Development Goals, ACT Alliance, Genf. denen staatliche Gewalt zivilgesellschaftliches, also bürgerschaftliches Engagement vollstän- dig unterbindet, so der von Brot für die Welt veröffentlichte Atlas der Zivilgesellschaft. Nur vier Prozent der Menschen genießen uneinge- schränkte Meinungs-, Versammlungs- und Akteure gibt, die die Rolle eines Watchdog Vereinigungsfreiheit. Die Unterdrückung von einnehmen, Rechte von Benach­teiligten einfor- kritischer und unabhängiger Zivilgesellschaft dern, die öffentliche Politik kritisieren und die ist auch ein Angriff auf ein Entwicklungsideal, Regierung zur Rechenschaft ziehen können. das im Sinne der Agenda 2030 „niemanden Die Einschränkungen der Finanzierungs- zurücklässt“, das menschenrechtsbasiert ist möglichkeiten aus dem Ausland für zivilgesell- und für arme und benachteiligte Menschen schaftliche Organisationen wirkten sich un- die Chance beinhaltet, ihre Lebenssituation zu mittelbar auf deren Überlebensfähigkeit und verbessern. Arbeit aus: Das gilt vor allem für Organisa­ tionen, die sich kritisch gegen ungerechte Wie wirkt sich Shrinking Space Strukturen, Verantwortungslosigkeit, unein­ auf das Erreichen der SDGs aus? geschränkten Machtausbau oder Selbstberei- Eine unter anderem von Brot für die Welt be- cherung engagierten, und trifft in besonderem auftragte Studie zeigt: Es kommt häufig dort zu Maße benachteiligte Gruppen und Minder­ Marginalisierung und Verarmung, wo es keine heiten, für die sich die Organisationen zuvor unabhängigen, kritischen zivilgesellschaftlichen einsetzten. Der Bericht zeigt auch die Folgen DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 45

von Zensur und Überwachung, der Bestrafung Nordosten des Landes verringerte sich die von Kritik, von Verstößen gegen Meinungs- Armut drastisch. Dies reduzierte gleichzeitig und Vereinigungsfreiheit: Regierungen können auch die nationale Ungleichheit. Der Mindest- dann für Korruption und Missmanagement, lohn stieg von 2004 bis 2014 um 250 Prozent, inkompetente Verwaltung und unzureichende der Anteil der Armen im Land sank von soziale Dienstleistungen nicht verantwortlich 25 Prozent im Jahr 2003 auf sieben Prozent im gemacht werden. Jahr 2014. Es ist zu befürchten, dass die nun- mehr veränderte politische Situation in Brasili- Ohne zivilgesellschaftliches en, die auch eine Beschränkung der Grund­ Engagement oft mehr Armut freiheiten nach sich zieht, frühere Fortschritte Die Beschränkung zivilgesellschaftlichen zunichtemachen wird. Engagements wirkt sich besonders dramatisch aus, wenn es zu Nahrungsmittelkrisen kommt, Geber sind in der Verantwortung von denen arme und benachteiligte Gruppen Staatliche Geber der Entwicklungszusammen- am meisten betroffen sind. In Simbabwe be- arbeit wie Deutschland sollten die Prinzipien hinderte die Regierung soziale Dienstleistun- der inklusiven und nachhaltigen Entwicklung gen zivilgesellschaftlicher Organisationen für anwenden, fördern und einfordern. Wenn Gemeinden in Matabeleland, da die Region staatliche Geber das Prinzip der SDGs, nie- als Oppositionsgebiet betrachtet wurde. Dies manden zurückzulassen, wirklich ernst neh- sowie das Verbot einer zivilgesellschaftlichen men, dann müssen sie sich entschieden und Kontrolle der politischen Macht reduzierten wirkungsvoll für die Freiräume der Zivilgesell- die Resilienz dieser Region und verschärften schaft stark machen. die Nahrungsmittelkrisen. So trieben Dürre­ Die menschenrechtsorientierte Verant- perioden, makroökonomische Krisen und die wortung sollte bei der Gestaltung der eigenen Unfähigkeit des Staates, mit solchen Krisen Politik anfangen. Staatliche Geber sollten ver- umzugehen, Millionen von Menschen tiefer bindliche Prüfverfahren einführen, damit poli­ in die Armut. tische Entscheidungen und Maßnahmen in Dagegen reduzierte Brasilien zu Beginn Politikfeldern wie Migrationspolitik und Außen- des Jahrtausends den Anteil der Bevölkerung, wirtschaftsförderung keinen negativen Einfluss der unter der Armutsgrenze lebte, durch breit auf die Menschenrechte und Freiräume der angelegte, institutionalisierte Formen von Zivilgesellschaft in anderen Ländern haben. Bürgerbeteiligung und eine Initiative zum Geber müssen sich auch bei Verhandlungen Mindestlohn sowie das Familienbeihilfepro- wirkungsvoll gegen die Einschränkung von gramm Bolsa Familia. Dies geschah auch, weil gesellschaftlichen Freiheiten einsetzen und sich die Zivilgesellschaft Einfluss nahm, die Politik für den Schutz von Menschenrechtsverteidi­ Christine Meissler Referentin für den Schutz beobachtete und Regierungsbehörden zur gerinnen und -verteidigern sowie für die Be- der Zivilgesellschaft Rechenschaft ziehen konnte. Besonders in kämpfung von Straflosigkeit bei Missmanage- Brot für die Welt den benachteiligten Regionen im Norden und ment und Korruption stark machen. ■ 46 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Der BMZ-Aktionsplan zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Die 2006 von den Vereinten Nationen verab- wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- schiedete Behindertenrechtskonvention lung (BMZ) die Konvention in der deutschen schreibt der internationalen Zusammenarbeit Entwicklungspolitik umsetzen und verfolgt eine wichtige Rolle für die Umsetzung der eine „systematische, querschnittsmäßige Ver- Rechte von Menschen mit Behinderungen zu. ankerung der Inklusion von Menschen mit Die Vertragsstaaten sollen Maßnahmen zur Behinderungen“ in der Entwicklungszusam- Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen menarbeit. Das DEval untersuchte von 2016 bis und kulturellen Rechte von Menschen mit 2017, ob der Aktionsplan dieses Ziel erreicht, Behinderungen treffen – wo notwendig mit welche Anforde­rungen für das Mainstreaming Unterstützung der internationalen von Inklusion bestehen und wie die deutsche Zusammenarbeit. EZ konsequenter die Rechte von Menschen Der Rechteansatz der Konvention ist mit Behinderungen verwirklichen kann. Ausdruck eines Paradigmenwechsels: Men- schen mit Behinderungen sind nicht länger Politische Konvention: kein Garant passive Empfängerinnen und Empfänger von dafür, niemanden zurückzulassen Leistungen und auf staatliche Fürsorge ange- Am Beispiel von fünf Vorhaben in Bangladesch, wiesen. Sie sind Rechtssubjekte, denen gegen- Guatemala, Indonesien, Malawi und Togo über Staaten menschenrechtliche Verpflich- untersuchte das DEval, wie Chancen und tungen erfüllen müssen. Viele Menschen mit Risiken der Nachhaltigkeit bezüglich der Akti- Behinderungen aus aller Welt und ihre Selbst- vitäten zur Inklusion von Menschen mit Be- vertretungsorganisationen beteiligten sich an hinderungen ausgeprägt waren. Grundsätzlich der Erarbeitung der Konvention, was ihr ein waren die Voraussetzungen und politischen besonders hohes Maß an Legitimität verleiht Rahmenbedingungen dafür günstig: Alle fünf und der Forderung der Behindertenrechtsbe- Vorhaben entsprachen den jeweiligen natio- wegung „Nichts über uns ohne uns" Rechnung nalen Politiken zur Inklusion von Menschen trägt. Für die Agenda 2030 ist die Konvention mit Behinderungen und alle fünf Länder hat- ein wichtiger Anknüpfungspunkt, denn sie ten die UN-Konvention ratifiziert. Bangladesch steht für deren Grundprinzip „Niemanden und Indonesien ließen sie sogar in nationale zurücklassen“. Aktionspläne einfließen. Allerdings blieb die Mit dem 2013 in Kraft getretenen Akti- politische und gesellschaftliche Realität fast onsplan zur Inklusion von Menschen mit Be- immer hinter den in den rechtlichen Vorgaben hinderungen will das Bundesministerium für formulierten Ansprüchen zurück. Zudem DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 47

Der Rechteansatz der Behindertenrechtskonvention ist kein Garant für nachhaltige Wirkungen. Notwendig sind waren Menschen mit Behinderungen nicht zudem verbindliche Vorgaben hinreichend in Planung, Umsetzung, Monito- für die Umsetzung der ring und Evaluierung der Maßnahmen ein­ Konvention und regelmäßige gebunden und hatten somit keine Chance, Überprüfungen. Ownership zu entwickeln. Es besteht so die Gefahr, dass die Zielgruppe Teile der von den Vorhaben unterstützten staatlichen Dienst- leistungen nicht annimmt. Das zeigt: Der Verpflichtungscharakter der Behinderten- rechtskonvention allein reicht nicht aus, um eine nachhaltige Verbesserung der Lebens­ 1. Inklusion konsequenter in Verfahren umstände von Menschen mit Behinderungen und Strukturen der deutschen EZ veran- zu garantieren. kern, um ihre Verbindlichkeit zu erhöhen, 2. Nutzen für Menschen mit Behinderungen Besseres Mainstreaming stiften und Lernerfahrungen über gute von Inklusion notwendig inklusive Vorhaben generieren, Dies gilt auch für die institutionelle Ebene 3. Aufbau eines institutionellen Wissens­ in der deutschen staatlichen EZ. Hier zeigte managements, das Lernerfahrungen aus die Evaluierung, dass das Mainstreaming von Vorhaben, die vorbildlich zu Inklusion Inklusion systematischer und konsequenter arbeiten, aufbereitet, und Dr. Thomas Schwedersky vorangetrieben werden sollte. Dabei sind vier 4. Förderung von Inklusionskompetenz bei DEval-Teamleiter Komponenten von besonderer Bedeutung: entwicklungspolitischen Fachkräften. ■

Mainstreaming von Inklusion in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

• Verbindlichkeit für die Berücksichtigung der • Lernerfahrungen und gute Rechte von Menschen mit Behinderungen Beispiele für inklusive Vorhaben in Strategien und in konkreten Vorhaben generieren schaffen Verfahren Vorhaben in • Konkreten Nutzen im Sinne der • Rechenschaftslegung hinsichtlich und Strukturen Partnerländern Verwirklichung der Rechte von inklusiver EZ durch ein Menschen mit Behinderungen Erfassungssystem erleichtern stiften

• Fachkräfte der deutschen EZ in BMZ und Durchführungsorganisationen • Lernerfahrungen aus konkreten Wissens­ Inklusions­ für Inklusionsaspekte sensibilisieren Vorhaben aufbereiten und verbreiten management kompetenz • Fachkräfte der deutschen EZ • Auf der Basis gewonnener Erfahrungen befähigen, in ihrer Funktion zur Vorhaben inklusiv und zugänglich gestalten Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen beizutragen

Quelle: DEval. 48 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Nachhaltige Flüchtlingspolitik: Humanitäre Hilfe allein reicht nicht

Noch nie gab es so viele dokumentierte Ver- Hinsicht problematisch ist, konkret in Bezug triebene wie derzeit. Das Flüchtlingshilfswerk auf Vision und Strategie, Planung, Finanzie- der Vereinten Nationen (United Nations High rung, institutionelles Set-up, Ownership, geo- Commissioner for Refugees, UNHCR) spricht grafischen Fokus und Sequenzierung. aktuell von etwa 68,5 Millionen Menschen. In Die analysierte Literatur zur Syrienkrise einer Welt, in der Konflikte, Armut und Klima- legt nahe, dass erste Erfolge bei der Verzah- wandel zu dieser großen Zahl an intern Ver- nung erzielt wurden. Gleichzeitig bestehen triebenen, Flüchtlingen und Asylsuchenden erhebliche Koordinierungsprobleme fort: So führen, kann das Prinzip der Agenda 2030 stellt die planvolle Verzahnung der Implemen- „Niemanden zurücklassen“ nicht verwirklicht tierung von Programmen der Humanitären werden, ohne die Rechte und Bedürfnisse von Hilfe und der EZ nach wie vor eine große Vertriebenen zu berücksichtigen. Herausforderung für Akteure auf der strategi- schen wie operativen Ebene dar. Wenn etwa Verzahnung von Humanitärer Hilfe humanitäre Akteure nationale Regierungen und Entwicklungszusammenarbeit­ zugunsten kurzfristiger Handlungsfähigkeit Die Langwierigkeit der Krisen und damit ein- nicht hinreichend in die Planung einbinden, hergehend der Vertreibung sind Charakteristika ist dies von EZ-Akteuren nachträglich schwer gerade jüngerer Konflikte. Deshalb entstand in wiedergutzumachen. Außerdem ist die ohne- den vergangenen Jahren ein internationaler hin unzureichende­ finanzielle Ausstattung der Konsens darüber, dass es nicht ausreicht, wenn Humanitären Hilfe immerhin noch größer als die Humanitäre Hilfe als kurzfristige Nothilfe jene der EZ. Von dieser Ressourcenknappheit die einzige Antwort auf Vertreibung ist. Statt- sind insbesondere Programme zur langfristigen dessen solle sich vor allem auch die Entwick- Stärkung der Resilienz vulnerabler Gruppen lungszusammenarbeit um dauerhaftere Lösun- betroffen – also genau diejenigen Programme, gen für Vertriebene bemühen. Der World die zur Erreichung des Agenda-2030-Prinzips Humanitarian Summit der Vereinten Nationen beitragen könnten. 2016 in Istanbul kam folgerichtig zu dem Schluss, Neben der Verzahnung der Hilfsansätze dass Humanitäre Hilfe und EZ besser verzahnt stellt die Politik der Aufnahmestaaten eine werden sollten. Allerdings blieb er die Antwort wesentliche Bedingung für dauerhafte Lösun- schuldig, wie dies sinnvoll geschehen kann. gen für Vertriebene dar. Dies zeigt sich insbe- Das DEval und die Swedish Expert Group sondere in den Anrainerstaaten Syriens. Die for Aid Studies (EBA) nahmen sich in einer Entscheidungen, ob die Aufnahmestaaten gemeinsamen Publikation der Verzahnungsfra- lediglich ein vorübergehendes Gastrecht ge- ge an und analysierten die Literatur zum Ne- währen oder langfristige Integrationsstrategien xus von Humanitärer Hilfe und EZ hinsichtlich verfolgen, bestimmen das Ausmaß der den bestehender Verzahnungshin­weise und -erfor- Flüchtlingen zugestandenen Rechte etwa dernisse. Es zeigte sich, dass die Verzahnung hinsichtlich ihrer Freizügigkeit oder Arbeits­ von Humanitärer Hilfe und EZ in mehrfacher erlaubnisse. DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 49

„Niemanden zurücklassen“ überhaupt nicht arbeitsfähig sind. Insofern erfordert differenzierteren Diskurs bleibt vor dem Hintergrund finanzieller Eng- Die Diskussion darüber, wie die großen Hilfs- pässe auch offen, ob Menschen mit Behinde- ansätze und staatlichen Akteure vor Ort zur rungen lediglich einen Anspruch auf eine Erreichung des Agenda-Prinzips „Niemanden dauerhafte Mindestversorgung im Rahmen zurücklassen“ beitragen können, trägt den der Humanitären Hilfe haben oder ebenfalls verschiedenen Ausprägungen der Vulnerabili- flächendeckend in lang­fristige Arbeits-Integra- tät innerhalb der Gruppe der Vertriebenen tionsprogramme eingebunden werden sollten. nicht hinreichend Rechnung. Während „Nie- manden zurücklassen“ explizit alle besonders Nicht genügend Ressourcen für vulnerablen Gruppen anspricht, ist im Flucht- „Niemanden zurücklassen“ diskurs häufig nur undifferenziert von „den Die spezifischen Bedürfnisse und Rechte von Vertriebenen“ die Rede. Neben den gängigen Vertriebenen wurden in der Debatte weit­ Unterscheidungen mit Blick auf Familienstand, läufig diskutiert. Was bedeutet „Niemanden Alter und Geschlecht sind hier Differenzierun- zurücklassen“ jedoch mit Blick auf langfristige gen hinsichtlich unterschiedlicher Grade phy- Lösungen für die Vulnerabelsten? Ist ange- sischer und psychischer Beeinträchtigungen sichts der begrenzten Finanzierung von Hilfs- notwendig. maßnahmen in langanhaltenden Krisen das Die beiden aktuellen zentralen Ansätze, Prinzip überhaupt aufrechtzuerhalten? Oder die dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge in lehrt die Realität der Krisen und Finanzierungs­ Syrien schaffen sollen – der Aufbau selbst- engpässe, dass es besser wäre, bestimmte ständiger Handlungsfähigkeit, um eigene Adressatenkreise zu priorisieren? Ungeachtet Helge Roxin Bedürfnisse und Rechte wahrnehmen zu kön- wie man diese Fragen beantwortet, ist eine DEval-Teamleiter nen (self-reliance), und die Stärkung der Wider- Mindestanforderung, ein realistisches Erwar- Dr. Alexander Kocks standsfähigkeit gegen anhaltenden Stress tungsmanagement hinsichtlich dessen zu DEval-Evaluator und Unsicherheit (resilience) – stehen vor sehr betreiben, was Humanitäre Hilfe und EZ unter Ruben Wedel unterschiedlichen Herausforderungen, je nach- den gegebenen Rahmenbedingungen für wen DEval-Evaluator dem, ob Vertriebene etwa eingeschränkt oder leisten können. ■

Der aktuelle Stand zur Verzahnung von Humanitärer Hilfe und EZ bei der Planung und Finanzierung von Vorhaben für Vertriebene

Erfolgreiche Verzahnung Verbleibende Herausforderungen

Planung •• Aufnahmeländer und internationale Organisationen arbeiten bei der •• Strenge bürokratische Regeln in den Aufnahmeländern behindern Krisenreaktionsplanung zusammen. schnelle und flexible Projektbewilligungen. •• Es bestehen gemeinsame Sektorarbeitsgruppen in Aufnahmeländern. •• Lokale Akteure sind nur zum Teil in Planungsprozesse eingebunden. •• Es gibt Nachweise gemeinsamer Planung zwischen Humanitärer Hilfe und EZ auf der Ebene der Geberländer. Finanzierung •• Innovative Finanzierungsmodalitäten ermöglichen eine gemeinsame •• Die Zuwendungspraxis reflektiert nicht den Übergang in Richtung Finanzierung von Humanitärer Hilfe und EZ. Resilienzstärkung als gemeinsames Ziel von Humanitärer Hilfe und EZ. •• Flexible Finanzierungsmodalitäten ermöglichen es, schnell auf •• Es wird ein starker Schwerpunkt auf die Nothilfe im Hinblick auf die unvorhergesehene Situationen zu reagieren. Kosten von Resilienzprogrammen gelegt. •• Auf der Ebene der Geberländer behindern bürokratische Faktoren und kurze Finanzierungszyklen weiterhin eine eher entwicklungsorientierte Finanzierung.

Quelle: DEval. 50 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

; Monitoring von Ernährungssicherheit mit Big Data

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen Die Grundlage hierfür bilden georeferenzierte Haushalts­ (World Food Programme, WFP) hat sich mit seinem Ziel Zero befragungen, die mit Satellitenbildern, Nachtlichtdaten, Hunger dem Prinzip „Niemanden zurücklassen“ der Agenda Konfliktdaten des Armed Conflict Location & Event Data 2030 verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das WFP Project sowie mit Infrastrukturinformationen aus OpenStreet- die Ernährungssituation in den über 80 Ländern, in denen Map kombiniert werden. Machine-learning-Algorithmen es aktiv ist, regelmäßig als Grundlage für seine Operationen nutzen diese Informationen, um die Ernährungssituation bis überprüfen. Seit Langem nutzt das WFP dafür Haushalts­ auf Dorfebene zu schätzen. Um diese Ergebnisse relevant befragungen. Diese sind jedoch zeit- und personalaufwendig für die Planung der WFP-Operationen zu machen, werden und damit teuer und können die Situation oft nur auf aggre- Bevölkerungsdaten zur Gewichtung herangezogen. gierter Ebene abbilden. Um eine größtmögliche weltweite Um die mit Haushaltsbefragungen gewonnenen Informatio- Nutzung zu erreichen, wird darauf nen zu verfeinern, nutzt das WFP auch innovative Methoden geachtet, dass das Personal in den der Datenerhebung. Humanitarian High Resolution Mapping WFP-Länderbüros die Methode leicht verbindet verschiedene Informationsquellen, um die Ernäh- anwenden kann. Ein webbasiertes rungssituation auf Basis von Ansätzen des maschinellen Tool soll es Nutzern ermöglichen, Lernens (machine learning) einzuschätzen. So können Infor- selbst relevante Haushaltsbefragungen mationen und Karten die Ernährungsdefizite der Bevölkerung als Grundlage einzuspeisen und darauf deutlich kleinräumiger darstellen als es bisher möglich war. basierende Karten errechnen zu lassen.

Dr. Lena Hohfeld Policy Programme Ausgaben für Nahrungsmittel in Malawi Officer, Vulnerability geben Aufschluss über die Ernährungssituation Analysis and Mapping, Welternährungs­ programm der Vereinten Nationen (WFP)

Lorenzo Riches Data Scientist, Vulnerability Analysis and Mapping, Welternährungs­ programm der Vereinten Nationen (WFP)

Links: Cluster der Studie Mitte: Prognose mit einer Auflösung von einem Kilometer für Gebiete mit geschätzt mindestens 1.000 Einwohnern Rechts: Prognose multipliziert mit geschätzten Bevölkerungsdaten (WorldPop) auf dritter administrativer Ebene Grün: höhere Ausgaben für Nahrungsmittel Rot: niedrigere Ausgaben für Nahrungsmittel Quelle: Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, basierend auf Daten der World Bank Living Standards Measurement Study 2016.

Kapitel 2.2

Wechselwirkungen beachten

Der ganzheitliche Ansatz der Agenda 2030 hat es in sich: Die Umsetzung eines Ziels wirkt sich – positiv oder negativ – auf andere SDGs aus. Diese Wechselwirkungen und möglichen Zielkonflikte sind komplex und die Entwicklungspolitik muss sie berücksichtigen, zum Beispiel im Hinblick auf die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Inwertsetzung von Naturkapital und die Landnutzung. Evaluierungen können diese globalen Wechsel­ wirkungen adäquat erfassen, benötigen dafür aber neue Daten­ quellen, Methoden und mehr interdisziplinäre Forschung. 54 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Das Netz der SDGs für integrierte nachhaltigen Produktions- und Konsum­ internationale mustern (SDG 12). Die einzelnen Nachhaltigkeitsziele Kooperation nutzen werden also nicht gegeneinander in Stellung gebracht oder isoliert verfolgt, wie es bei Haushaltsverhandlungen und bei arbeitsteilig organisierten Verwaltungen häufig geschieht. Nachhaltige Entwicklung ist mit der Agenda Vielmehr wird der Blick auf Maßnahmen ge- 2030 nicht nur als Leitbild für die Entwicklungs- richtet, die einen Nutzen für mehrere Ziele politik bestätigt worden, sondern als übergrei- erbringen. So unterstützt eine umfassende fender Zielhorizont für alle binnen- und außen­ Versorgung mit sauberem Trinkwasser die orientierten Politiken in allen Ländern und für Bekämpfung der Kindersterblichkeit. Mädchen deren internationale Kooperationsbeziehun- haben mehr Zeit für ihre Schulbildung, wenn gen. Dieser Anspruch ist einerseits formal sie nicht viele Stunden täglich mit Wasser­ begründet, denn die Agenda 2030 wurde in holen beschäftigt sind. einem offenen Prozess unter den Vereinten Der ganzheitliche Ansatz drückt sich Nationen verhandelt und von über 190 Regie- auch darin aus, dass die Agenda 2030 dazu rungen verabschiedet. Sachlich stützt sich verpflichtet, in internationale Partnerschaften dieser Anspruch auf die Einsicht, dass vielfälti- zu investieren. In einer globalisierten und ge Wechselwirkungen und Interdependenzen begrenzten Welt kann das Gemeinwohl im berücksichtigt werden müssen, wenn für alle eigenen Land nicht auf Kosten anderer Länder Menschen bis 2030 und darüber hinaus gute oder globaler Gemeinschaftsgüter verbessert Lebensbedingungen geschaffen werden sollen, werden. Kooperation mit anderen Ländern ohne dass dieses Mehr an Wohlstand die und Akteuren ist fundamental, um globale ökologischen Belastungsgrenzen des Erdsys- Probleme wie den Klimawandel und die Ver- tems sprengt. schmutzung der Meere wirksam anzugehen Der ganzheitliche Ansatz der Agenda und gemeinsame Interessen wie die Sicherung 2030 drückt sich daher zum einen in ihrer eines fairen und offenen Welthandels wahrzu- Breite aus, denn er umfasst sozial-, wirtschafts- nehmen. und umweltpolitische Ziele, und zum anderen in dem Netz von Unterzielen, das verschiedene Entwicklungspolitik Zielfelder miteinander verbindet. Ein Blick auf kann gemeinwohlorientierte die Grafik auf Seite 55 zeigt, dass etwa Ernäh- Kooperation fördern rungssicherheit (SDG 2) auf der Ebene der Alle Länder – gerade auch Deutschland und Unterziele verknüpft ist mit Fortschritten bei die Europäische Union – müssen für die Um- der Verringerung von Armut (SDG 1) und setzung der Agenda 2030 die Schnittstellen Ungleichheit (SDG 10), der Verbesserung der zwischen etablierten Politikfeldern besser Wasser- und Abwassersysteme (SDG 6), dem nutzen und dafür bislang vernachlässigte Schutz der Biodiversität (SDG 15) und mit Wechselwirkungen und Interdependenzen DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 55

erkennen. Wie können etwa leistungsfähige Kapazitäten vor Ort besser kennen. Dann Agrarsysteme aussehen, die Biodiversität, kann es gelingen, politische Gelegenheiten Grundwasser und Böden schützen? Wieviel oder andere Ansatzpunkte für innovatives und welche Art menschlicher Arbeit werden Handeln zu nutzen, um die Bedingungen für sie benötigen? ein arbeitsteiliges Vorgehen verschiedener Antworten auf derartige Fragen erfor- Verwaltungseinheiten – manchmal auf ver- dern neues Wissen und Experimente, um die schiedenen Ebenen – für ein gemeinsames in der Summe schädlichen bisherigen Praktiken übergeordnetes Ziel zu verbessern. zu ersetzen. Die deutsche Entwicklungspolitik Für die Evaluierung der deutschen müsste hierfür erstens selbst in die Wissens- Entwicklungszusammenarbeit bedeutet dies, systeme der Partnerländer investieren oder dass sie untersuchen sollte, inwiefern das dies in Kooperation mit dem Bundesministeri- deutsche bi- und multilaterale Engagement um für Bildung und Forschung (BMBF) tun. erstens die Partnerländer dabei unterstützt, Außerdem muss sie zweitens ihre Kooperati- ihre selbst gesetzten Ziele zu erreichen, und onsbeziehungen bewusst langfristig anlegen, zweitens, wie negative Wechselwirkungen denn institutionelle Innovationen können zwischen Zieldimensionen oder -feldern ver- nicht innerhalb von zwei bis drei Jahren vor­ mieden werden können. Drittens wäre ange- bereitet, konzipiert und erprobt werden. sichts des besonders dringlichen Schutzes Manchmal geht jedoch die gleichzeitige globaler Gemeinschaftsgüter wichtig zu ermit- Verfolgung mehrerer Ziele in EZ-Vorhaben teln, wie bi- und multilaterale Zusammenarbeit zulasten ihrer Wirksamkeit. Bedeutet das, die besser ineinandergreifen kann, um etwa ein Dr. Imme Scholz Kommissarische Direktorin Finger von integrierten Ansätzen zu lassen? effektives arbeitsteiliges Vorgehen von Regio- Deutsches Institut für Nein, aber man muss die Verwaltungskulturen, nal- und UN-Organisationen und nationalen Entwicklungspolitik (DIE) institutionellen Zuständigkeiten und Entwicklungsbanken zu erreichen. ■

Das Netz der SDGs und ihrer Unterziele

5

4 16 11 3

1: Armut 1 6 2: Hunger 10 3: Gesundheit 7 4: Bildung 9 5: Gender 2 6: Wasser 7: Energie 12 13 8: Wirtschaftswachstum 9: Infrastruktur 8 10: Ungleichheiten 11: Städte und Gemeinden 15 12: Konsum und Produktion 14 13: Klima 14: Ozeane 15: Leben an Land 16: Friedliche Gesellschaften

Quelle: Le Blanc, D. (2015), “Towards Integration at Last? The Sustainable Development Goals as a Network of Targets”, UNDESA Working Paper 141, UNDESA, New York, S. 4 (eigene Darstellung). 56 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Das fehlende Unterziel 17.a zur Stärkung globaler öffentlicher Güter

Die Ziele der Agenda 2030 könnten verfehlt zen. So sind die staatlichen und nichtstaatli- werden. Diese Gefahr gilt insbesondere für die chen Akteure auch in unterschiedlichem übergeordneten globalen Ziele nachhaltigen Maße bereit, zur Bereitstellung dieser Gü- Wirtschaftswachstums und nachhaltiger Ent- ter beizutragen. Einzelne Akteure im globa- wicklung. Der Grund dafür: Die Agenda 2030 len Norden und Süden neigen dazu, sich berücksichtigt nicht die grundlegenden Unter- nur so mit globalen öffentlichen Gütern zu schiede zwischen befassen, dass dies auch ihren jeweiligen • herkömmlichen Formen der Entwicklungs- Partikularinteressen dient. In vielen Fällen zusammenarbeit wie Maßnahmen zur handelt es sich dabei allerdings nur um eine Armutsminderung und partielle Überschneidung. In der Summe • Politikansätzen und Instrumenten, die für reichen die Anstrengungen der einzelnen eine angemessene Bereitstellung von glo- Akteure nicht aus, damit die öffentlichen balen öffentlichen Gütern wie Klimaschutz, Güter in ausreichendem Umfang bereitge- Bekämpfung von übertragbaren Krank­ stellt werden können. heiten, Finanzstabilität und Cybersicherheit 3. Globale öffentliche Güter werden nicht in erforderlich sind. ausreichendem Umfang bereitgestellt, weil die internationale Entwicklungszusammen- Höchste Zeit für arbeit ihre Maßnahmen zu deren Förderung Korrekturmaßnahmen meistens wie EZ-Leistungen konzipiert: Die Inwiefern kann diese fehlende konzeptionelle Maßnahmen werden über bilaterale und Differenzierung die Erfolgsaussichten der multilaterale EZ-Organisationen umgesetzt Agenda 2030 beeinträchtigen? Hier sind die und beruhen auf den üblichen länderspezifi- folgenden fünf Punkte zu berücksichtigen: schen Ansätzen und klassischen Instrumen- 1. Viele globale öffentliche Güter sind nicht ten wie Staatsanleihen und Zuschüssen. So nur global und öffentlich im Hinblick auf ist die Bereitstellung von globalen öffentli- ihren Konsum, weil sie alle Länder und chen Gütern einschließlich der entsprechen- Menschen betreffen, sondern auch hin- den Finanzierungslösungen auf einzelne sichtlich ihrer Bereitstellung. Dies bedeutet, Akteure und nicht auf globale Herausforde­ dass alle staatlichen und nichtstaatlichen rungen ausgerichtet. Die Interessen Einzel- Akteure einen Beitrag leisten müssen, da- ner bestimmen damit, wie viel zur Bewälti- mit diese Güter in ausreichendem Umfang gung der globalen Herausforderungen zur Verfügung stehen. getan wird. 2. Die Präferenzen und Prioritäten verschiede- 4. Globale öffentliche Güter sind nach wie ner Länder und Stakeholder variieren erheb- vor unterfinanziert, auch wenn in der EZ lich hinsichtlich globaler öffentlicher Güter, hierfür immer mehr Mittel fließen. Zudem insbesondere mit Blick auf die Aufteilung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der damit verbundenen Kosten und Nut- durch die zunehmende Fokussierung der DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 57

Geber auf die Bereitstellung von globalen öffentlichen Gütern rein nationale Entwick- Das Ziel 17.a auf lungsbelange wie die Schaffung von Arbeits- den Weg bringen plätzen vernachlässigt werden. Evaluatorinnen und Evaluatoren tragen eine 5. Die politischen Entscheidungsträger haben besondere Verantwortung, hier Fortschritte bei der Konzeption der Agenda 2030 nicht voranzutreiben. Sie sollten die Aufmerksamkeit ausreichend bedacht, dass es nach wie vor ihrer jeweiligen Organisation auf die Finan­ keine systematische Theorie und keine poli- zierungslücken lenken und aufzeigen, dass tischen Vorgaben für die globale Finanzie- Reformen insbesondere in Bezug auf den rung von öffentlichen Gütern gibt. Dazu zweigleisigen Ansatz notwendig sind. zählen insbesondere Anreize, die Akteure Außerdem sollten sie sich dafür einset- dazu motivieren, ihre Eigeninteressen zu zen, dass das Thema bei den Vereinten Natio- überwinden und die zusätzlich notwendigen nen mehr Aufmerksamkeit erhält. Dort könnte globalen Inputs für öffentliche Güter bereit- eine Expertengruppe ihre Erkenntnisse den zustellen, die zur Schließung der bestehen- jeweiligen UN-Beratungs- und Legislativ­ den Versorgungslücken erforderlich sind. organen zur weiteren Erwägung vorlegen. Das fehlende Unterziel muss zunächst Der Agenda 2030 fehlt also ein Unter- formuliert und dann entschlossen umgesetzt ziel, das die Entwicklung eines zweigleisigen werden. Es müsste die Forderung beinhalten, Ansatzes für die operative internationale die Unterschiede und Synergien zwischen der Zusammenarbeit vorsieht. Es soll sowohl die EZ und der Bereitstellung von globalen öffent- Unterschiede als auch die Synergien zwischen lichen Gütern anzuerkennen. Dieses Unterziel Dr. Inge Kaul Beigeordnete Professorin der EZ und der Förderung einer ausreichenden könnte als Unterziel 17.a bezeichnet werden, Hertie School of Bereitstellung von globalen öffentlichen Gü- so wie es bei den SDGs 15 und 16 bereits Governance tern berücksichtigen. Unterziele gibt. ■

Der zweigleisige Ansatz der internationalen Zusammenarbeit

Hinreichende Bereitstellung von Nachhaltige nationale und globalen öffentlichen Gütern regionale Entwicklung

Bereitstellung finanzieller Mittel in Entwicklungsländern für globale öffentliche Güter, um diese mehr zu fördern als die Länder aus Eigeninteresse oder zur Erfüllung von erklärten Selbstverpflichtungen investieren würden. Finanzierung von globalen Entwicklungsfinanzierung öffentlichen Gütern

Akteure, die externe Mittel für die internationale Zusammenarbeit bereitstellen

Quelle: Kaul, I. (2017), Providing Global Public Goods: What Role for the Multilateral Development Banks? Overseas Development Institute, London (eigene Darstellung). 58 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Naturkapital ist entscheidend, um nachhaltige Entwicklung zu erfassen

Auf die Frage, wie sich die Wirtschaft eines Vermögens ausmacht, stellt es fast die Hälfte Landes entwickelt, verweisen Ökonomen des Vermögens von Ländern mit niedrigem meist reflexartig auf Statistiken volkswirt- Einkommen. Ein effizientes und nachhaltiges schaftlicher Gesamtrechnungen und beson- Management der natürlichen Ressourcen ist ders auf das darin enthaltene Bruttoinlands- dort der Schlüssel für eine nachhaltige Ent- produkt (BIP). Wächst das BIP genügend, wicklung. Als positive Beispiele wurden Länder entwickelt sich ein Land wirtschaftlich positiv wie Chile, Peru und Vietnam identifiziert. Die – so die gängige Annahme. Aber was passiert, Bestände an Naturkapital wuchsen dort, weil wenn das Land dieses Wachstum auf Kosten diese Länder umsichtig in natürliche Ressour- der Umwelt und des Naturkapitals erkauft, cen, Infrastruktur und Bildung investierten wenn es also dafür natürliche Ressourcen und jetzt auf ein breit aufgestelltes Vermögen verbraucht oder sogar aufbraucht? zurückgreifen können. Diese Naturkapitalabnutzung wiederum wirft die Frage auf, ob das Wachstumsmodell Eine Messlatte für Nachhaltigkeit auf Basis des BIP langfristig und nachhaltig ist. Gibt es eine Messlatte, welche zeigt, ab wann Zum Vergleich: Eine Bank sieht sich bei der sich ein Land nicht mehr nachhaltig entwickelt? Vergabe eines Immobilienkredits sowohl das Wie können wir wissen, wann ein Land – ins- Einkommen und das Vermögen als auch die besondere, wenn es auf natürliche Ressourcen Schulden des Antragstellers an. Auch Investo- wie Wälder, landwirtschaftliche Flächen, Mi- rinnen und Investoren ziehen die Gewinne neralien und Fischerei angewiesen ist – über eines Unternehmens sowie dessen Vermö- ein gesundes Maß hinaus sein Naturkapital genswerte in Betracht. Für die Bewertung der übernutzt? Um diese Frage zu beantworten, Entwicklung eines Landes zählt also nicht nur bedarf es zweierlei Analysen, die auf Natur­ das BIP, sondern das ganze Portfolio der Ver- kapitalstatistiken aufbauen. mögenswerte: Naturkapital, Humankapital Die erste Untersuchung zeigt, inwie- und Sachkapital. Dieser ganzheitliche Ansatz weit das Naturkapital verbraucht, wiederher- zur Vermögensrechnung ist ein wichtiger gestellt und adäquat durch Human- oder Grundstein, um die Nachhaltigkeit der Ent- Sachkapital ersetzt wurde. Erneuerbares wicklung eines Landes zu erfassen. Naturkapital darf nicht schneller verbraucht werden als es erneuert werden kann. Bei Naturkapital in vielen Ländern nicht-erneuerbarem Naturkapital ist es wichtig, zentrale Vermögensform dass die Einnahmen durch die Nutzung sinn- Der Prämisse folgend, dass man nur das gut voll investiert werden, sodass zum Beispiel managt, was man auch misst, wurden für den Humankapital aufgebaut werden kann. Weltbank-Bericht The Changing Wealth of Die zweite Analyse widmet sich den Nations die Kapitalbestände von 141 Ländern Belastbarkeitsgrenzen des jeweiligen Ökosys- ermittelt. Einige zentrale Ergebnisse: Während tems. Sie dürfen nicht überschritten werden, Naturkapital weltweit nur neun Prozent des damit es nicht zu abrupten und irreversiblen DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 59

Die Degradierung globaler natürlicher Ressourcen macht es immer notwendiger, Naturkapital zu messen und Umweltveränderungen kommt. Diese können wiederum auch plötzliche und unumkehrbare darauf aufbauend Nachhaltig­ sozio-ökonomische Veränderungen nach sich keit zu analysieren. ziehen. Ein Beispiel hierfür ist die Rodung des Amazonas-Regenwalds. Experten wiesen in den vergangenen Jahren Mindestflächen für die Bewaldung aus, um zu verhindern, dass sich das gesamte Ökosystem von einem tropi- schen Regenwald zu einer Savanne mit einem geringen Wasserhaushalt, wenig Biodiversität und reduzierter Speicherkapazität von Kohlen- dioxid transformiert. in manchen Fällen bis hin zu bewaffneten Konflikten. Von solchen Konflikten betroffene Hohe sozio-ökonomische Relevanz Länder sind oft sehr vom Natur­kapital abhän-

Das nachhaltige Management von Naturkapi- gig, das häufig stark degradiert ist. Der Kausal- Dr. Karin Kemper tal und die Einhaltung von Belastbarkeitsgren- zusammenhang hierbei kann in beide Richtun- Abteilungsdirektorin für Umwelt und zen sind nicht nur für Nachhaltigkeit im ökolo- gen erfolgen: Konflikte können durch einen Naturressourcen gischen Sinne von Bedeutung, sondern auch Wettstreit über (begrenztes) Naturkapital Weltbank für wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit. oder durch eine starke Reduzierung des Na- Dr. Martin Heger Wenn Naturkapital nicht nachhaltig genutzt turkapitals entstehen. Andererseits können sie Umweltökonom wird und degradiert, hat dies negative gesell- auch selbst eine stärkere Degradierung des Weltbank schaftliche und wirtschaftliche Konsequenzen, Naturkapitals bedingen. ■

Zusammensetzung des Nationalvermögens

70 % 61 % 60 % 54 % Sachkapital 50 % 47 % 41 % Humankapital 40 % Naturkapital 30 % 25 % 26 % 22 % 20 % 14 % 12 % 10 %

0 % Länder mit niedrigem Länder mit mittlerem Länder mit hohem Einkommen Einkommen Einkommen

Datenquelle: Lange, G.-M., Q. Wodon und K. Carey (Hrsg.) (2018), The Changing Wealth of Nations 2018: Building a Sustainable Future, Weltbank, Washington, DC. 60 DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Landnutzungswandel als Mechanismus für SDG-Zielkonflikte Rohstoffe aus. Weltweit arbeiten viele Länder daran, die SDGs zu erreichen und so lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie die Nachhal- tigkeitsstrategien dieser Länder mit dem glo- balen Landnutzungssystem zusammen­wirken. Am deutlichsten wird der ökologische Fuß­ Gängige Nachhaltigkeitsstrategien beruhen abdruck wirtschaftlicher Entwicklung und auf menschlichen Konsums in der Landnutzung 1. technologischem Wandel, durch den land- sichtbar. Dabei ist die Landwirtschaft für den wirtschaftliche Erträge gesteigert und Ar- größten Teil des Fußabdrucks verantwortlich. mut und Hunger bekämpft werden sollen Global ist die landwirtschaftlich genutzte (SDG 1: Keine Armut, SDG 2: Kein Hunger), Fläche seit den 1990er-Jahren mit rund 49 Mil- 2. dem Ausbau der Infrastruktur, um das Wirt- lionen Quadratkilometern relativ stabil geblie- schaftswachstum anzukurbeln und die ben. Allerdings sind die landwirtschaftlichen Qualität und Quantität der Dienstleistun- Flächen keineswegs statisch: So werden jedes gen für die städtische und ländliche Bevöl- Jahr rund zwei Millionen Quadratkilometer kerung zu steigern (SDG 3: Gesundheit und mit überwiegend natürlicher Vegetation für Wohlergehen, SDG 8: Menschenwürdige die menschliche Nutzung, insbesondere für Arbeit und Wirtschaftswachstum, SDG 11: landwirtschaftliche Zwecke, umgewandelt Nachhaltige Städte und Gemeinden) und und nur wenige Jahre später teilweise wieder 3. erneuerbaren und oft Biomasse-basierten aufgegeben. Wirkungsevaluierungen können Energieträgern, um die Umweltbelastung helfen, diesen schleichenden und verschwen- und den Klimawandel zu mindern (SDG 7: derischen Prozess der Landdegradierung bes- Bezahlbare und saubere Energie und ser zu verstehen. SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz).

Nachhaltige Entwicklung Bislang ist zu wenig darüber bekannt, wie sich in einer vernetzten Welt diese Maßnahmen global auf die Landnutzung Durch den Welthandel sind die Landnutzungs- auswirken und welche Maßnahmen erforder- systeme weltweit immer enger miteinander lich sind, um die potenziellen Zielkonflikte im verwoben. Änderungen im Verhalten der Hinblick auf SDG 5 (Geschlechtergleichheit), europäischen Verbraucherinnen und Verbrau- SDG 10 (Weniger Ungleichheiten) und SDG 15 cher können heute beispielsweise die Land- (Leben an Land) zu minimieren. nutzungsentscheidungen der Bäuerinnen und Bauern in Europas Handelspartnerländern Die lokale Ausprägung globaler Brasilien oder Indonesien beeinflussen. Zudem Entwicklungsprozesse wirkt sich die Wirtschafts-, Agrar- und Um- Zwei Beispiele: Erstens ist der technologische weltpolitik in diesen Ländern auf die Welt- Fortschritt zur Produktivitätssteigerung in der marktpreise für wichtige landwirtschaftliche Landwirtschaft schon immer ein Erfolgsrezept DEval____NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 61

gewesen, um die Lebensmittel­preise weltweit jedoch davor, dass techno­logische Innovatio- niedrig zu halten und den Druck auf die natür- nen und Transparenz nicht ausreichen, um die lichen Ökosysteme zu verringern. Allerdings unerwünschten Nebenwirkungen zu verhin- können bestimmte technologische Innovatio- dern, die mit den Strategien zur Erreichung nen zeitweise die Nachfrage nach Agrarflächen bestimmter SDGs verbunden sind. an den großen und häufig schlecht regulierten Agrarfronten Südamerikas, Subsahara-Afrikas Wirkungsevaluierung und Südostasiens vorübergehend steigen muss neue Wege gehen lassen. Die dortige Ausdehnung der landwirt- Die richtige Mischung aus staatlich schaftlichen Nutzflächen, insbesondere im festgelegten Rechtsgrundlagen und freiwilli- Zusammenspiel mit Infrastrukturinvestitionen, gen Initiativen zur Förderung von verant­ ist oft mit sehr hohen sozialen und ökologi- wortungsvollen Konsumgewohnheiten und schen Kosten verbunden. Dazu zählen die Produktionstechniken (SDG 12) in Bezug Marginalisierung von traditionellen Bevölke- auf Produkte und Dienstleistungen, die auf rungsgruppen sowie der Anstieg der Kohlendi- der Nutzung von Land beruhen, kann nur oxid-Emissionen durch Entwaldung und der das Ergebnis eines evidenzbasierten Lernpro- Rückgang der Artenvielfalt. zesses sein. Solche Lernprozesse wurden in Zweitens kann die Substitution von den medizinischen Wissenschaften und in der fossilen Energieträgern und Materialien durch Entwicklungsforschung erfolgreich etabliert. erneuerbare Energien wie Biomasse zu einem Die Evaluierungsforschung muss sich dem Wettbewerb um Flächen führen, der sich globalen Landnutzungssystem widmen, wenn ungünstig auf Lebensmittelpreise und die es gelingen soll, die Zielkonflikte zwischen natürlichen Ökosysteme auswirkt. Steigende einzelnen SDGs, die in der Landnutzung deut- Preise für fossile Energieträger und umwelt- lich werden, zu minimieren. und wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Dafür benötigt die Evaluierungsfor- einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit schung methodische Innovationen, um neue herbeiführen sollen, können solche Substitu­ Datentypen und landsystemspezifische Phä- tionsprozesse vorantreiben. Die Kausalketten, nomene wie regionale und globale Verlage- die solchen gut gemeinten Nachhaltigkeits- rungsprozesse (leakage) zu berücksichtigen. strategien zugrunde liegen, aufzudecken, ist Damit verbunden sind möglicherweise auch eine Voraussetzung für die Ausgestaltung neue ethische und praktische Beschränkungen wirksamer sozialer und ökologischer Schutz- im Hinblick auf die Anwendung rein experi- maßnahmen. menteller Evaluierungsansätze, beispielsweise In jüngster Vergangenheit haben neue wenn es um die Wirksamkeit von Schutzge- datenintensive Analyseverfahren zu Fortschrit- bieten geht. Darüber hinaus müssen neue ten in der Nachverfolgbarkeit von Stoffströmen Forschungsnetzwerke aufgebaut werden, um entlang globaler Rohstoff-Wertschöpfungs­ den Austausch zwischen den Landsystemwis- ketten geführt. Diese Entwicklungen verspre- senschaften und der Evaluierungs-Community chen bessere Steuerungsmöglichkeiten und zu fördern. Ferner sollten sich jene Akteure bieten bewussten Verbraucherinnen und Ver- zusammenfinden, die Politiken und Initiativen brauchern sowie Unternehmen die Möglich- mit Wirkung auf die Landnutzung umsetzen. keit, nachhaltigere Konsum- und Investitions- Dazu gehören etwa internationale NROs Prof. Dr. Jan Börner entscheidungen zu treffen. In den nationalen sowie – kontinentübergreifend – nationale Professor für Ökonomik Strategien für einen ökologisch nachhaltigen und subnationale Regierungen, die bereit sind, Nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie Umbau der Wirtschaft gelten freiwillige Initia- Daten auszutauschen und sich schon vor der Rheinische Friedrich- tiven zur nachhaltigen Gestaltung von Liefer- Umsetzung neuer Programme am Design Wilhelms-Universität Bonn ketten häufig als Allheilmittel. Kritiker warnen evaluatorischer Begleitstudien zu beteiligen. ■

Kapitel 2.3

Verantwortung teilen

Die Agenda 2030 fordert nicht nur von Ländern des globalen Südens und internationalen Entwicklungsakteuren großes Engagement. Viele Akteure von den Bürgerinnen und Bürgern bis hin zu Finanzinvestoren sind gefragt, sich für nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Bisherige und neue Akteure tragen die Verantwortung für die Agenda 2030 gemeinsam und begründen neue Partnerschaften zur Umsetzung der Agenda 2030 – ganz im Sinne des SDG 17. Das ist nicht immer einfach, denn ihre Interessen und Ziele sind oft sehr unterschiedlich. 64 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Die Agenda 2030 aus Sicht der Bevölkerung

Für die erfolgreiche Umsetzung der Agenda Der Aid Attitudes Tracker 2030 reicht das Engagement von Politik, Wirt- schaft, Wissenschaft und organisierter Zivil­ Der DEval-Meinungsmonitor Entwicklungspolitik 2018 basiert auf Daten des gesellschaft nicht aus. Auch die Bürgerinnen Aid Attitudes Tracker (AAT), einer Befragung in Deutschland, Frankreich, Groß- und Bürger sind gefordert, in ihrem Alltag zur britannien und den USA. Für den AAT werden seit 2013 in sechsmonatigem Erreichung der SDGs beizutragen. Entwick- Turnus in jedem dieser Länder rund 6.000 Personen in einem längsschnittlichen Design zu Einstellungen, Wissen und Engagement im Hinblick auf Entwicklungs- lungspolitische Akteure sollten deshalb genau politik und -zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung befragt. Finanziert und vor allem kontinuierlich beobachten, wie wird der AAT von der Bill & Melinda Gates Foundation. Die Daten erhebt das sich die Bevölkerung zu Entwicklungspolitik, Befragungsinstitut YouGov online. Für die Erhebungswelle im Sommer 2017 Entwicklungszusammenarbeit und nachhalti- ergänzte das DEval Fragen zur Agenda 2030 und zu den SDGs. ger Entwicklung positioniert, was sie darüber weiß und wie sie sich persönlich dafür enga- giert. Mit dem Meinungsmonitor (MeMo) Entwicklungspolitik 2018 lieferte das DEval Die SDGs sind meist unbekannt hierzu wichtige empirische Erkenntnisse. Die Bevölkerung Deutschlands ist sich globaler Herausforderungen bewusst, der Grundgedan- Große Unterstützung der EZ, aber ke globaler Solidarität trifft auf Zustimmung. Zweifel an Wirksamkeit Dabei spielt die politische Orientierung eine 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wichtige Rolle: Je weiter rechts sich eine Per- halten EZ für wichtig, 70 Prozent befürworten, son politisch verortet, desto weniger nimmt dass sich Deutschland mehr für die Bekämp- sie globale Ungerechtigkeiten wahr und desto fung globaler Armut einsetzt. Zugleich zwei- mehr distanziert sie sich von der Lage im felt ein Viertel der Bevölkerung daran, ob EZ globalen Süden. Obgleich der Grundgedanke tatsächlich wirkt. Eine besondere Rolle spielt der Agenda 2030 auf Zustimmung stößt, ist hier die Vermutung, dass ungefähr die Hälfte die Mehrheit der Bevölkerung nicht mit den der aufgewendeten Mittel durch Korruption 17 SDGs vertraut. Mehr als 50 Prozent der verloren geht. Die Befunde des Meinungsmo- Bürgerinnen und Bürger hatten im Sommer nitors zeigen, dass die Rahmenbedingungen 2017 noch nichts von ihnen gehört. Nur rund für staatliches und zivilgesellschaftliches Enga- 10 Prozent kannten den Begriff und gaben an gement für eine nachhaltige Entwicklung in zu wissen, um was es sich dabei handelt. Auf- Deutschland günstig sind. Zugleich müssen fällig ist, dass sich diese Werte seit der Verab- die Zweifel an der Wirksamkeit der EZ ernst schiedung der Agenda 2030 im September genommen werden. 2015 nicht substanziell verändert haben. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 65

Obgleich der Grund­- gedanke der Agenda 2030 auf Zustimmung stößt, Vorbehalte, ob die SDGs erreicht ist die Mehrheit der werden können Bevölkerung nicht mit Dass die 17 SDGs bis zum Jahr 2030 erreicht werden können, wird angezweifelt. Lediglich den 17 SDGs vertraut. hinsichtlich der Erreichung des SDG 12 (Nach­ haltige/r Konsum und Produktion) ist die Bevölkerung etwas optimistischer. Am wenigs- ten erreichbar erscheinen der Bevölkerung die alltagsferneren Ziele wie SDG 1 (Keine Armut) Implikationen für Politik und und SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Zivilgesellschaft Institutionen). Es gibt noch viel zu tun: Die eigenen Einflussmöglichkeiten auf 1. Der Grundgedanke der Agenda 2030 ist die Erreichung der SDGs schätzt die Bevölke- für die Bevölkerung zugänglicher als ihr rung moderat ein. Etwas größere Einflussmög- komplexes Zielsystem. Um alle Bürgerinnen lichkeiten sieht sie in den Bereichen Umwelt- und Bürger auf dem Weg zu nachhaltiger schutz und Konsum. Auch ihr Engagement globaler Entwicklung mitzunehmen, müs- fällt in diesen Bereichen etwas höher aus als sen ihre geringen Detailkenntnisse berück- bei den übrigen Zielen. Dies könnte am stär- sichtigt werden. Die Betonung der Grund- keren Alltagsbezug dieser Ziele liegen. Hinzu prinzipien ist deshalb zielführender als die kommt: Wenn die Bürgerinnen und Bürger Kommunikation der 17 einzelnen SDGs. sich im Hinblick auf bestimmte Ziele als 2. Um das Engagement der Bevölkerung zu Dr. Sebastian Schneider selbstwirksam wahrnehmen – sie also empfin- fördern, müssen Einflussmöglichkeiten im DEval-Teamleiter den, dass ihre Handlungen konkrete positive Alltag geschaffen, Selbstwirksamkeit erleb- Jens Eger Wirkungen haben –, engagieren sie sich auch bar und bereits erzielte Erfolge sichtbar DEval-Evaluator stärker für diese Ziele. gemacht werden. ■

AAT-Frage: Haben Sie schon einmal etwas von den nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) gehört oder etwas über diese gelesen?

Ja, und Sie wissen, um was 2017 es sich hierbei handelt 2015 Ja, aber Sie wissen nicht wirklich, um was es sich hierbei handelt

Nein

Weiß nicht

0% 10% 30% 50% 70% 20% 40% 60% 80% 90% 100%

Quelle: Schneider, S. H. und S. H. Gleser (2018), Meinungsmonitor Entwicklungspolitik 2018: Einstellungen zu Entwicklungszusammenarbeit und nachhaltiger Entwicklung, DEval, Bonn, S. 50. 2015: N = 6.058; 2017: N = 6.096. 66 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

SDGs in Partnerländern: Wer priorisiert welche Ziele?

Obwohl die 17 SDGs für alle Länder in glei- die Zivilgesellschaft, den Privatsektor und chem Maße gelten, müssen viele Länder unter Entwicklungspartner. Sie bewerteten SDG 4 anderem aufgrund begrenzter Ressourcen (Hochwertige Bildung), SDG 16 (Frieden, priorisieren, welche SDGs sie entsprechend Gerechtigkeit und starke Institutionen) sowie ihrer dringendsten lokalen Herausforderungen SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirt- bearbeiten. schaftswachstum) als besonders wichtig. Mit der 2018 gegründeten Sonderinitia- SDG-Prioritäten in Partnerländern tive „Ausbildung und Beschäftigung“ beschäf- Der Listening to Leaders Survey 2017 befragte tigt sich das BMZ zusätzlich zu seinen bisheri- fast 1.800 Entscheidungsträgerinnen und gen Aktivitäten mit der Förderung beruflicher -träger aus etwa 80 Kooperationsländern der Bildung und der Schaffung von Arbeitsplätzen deutschen Entwicklungszusammenarbeit, und damit SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit welche sechs SDGs ihrer Meinung nach für die und Wirtschaftswachstum), einer der drei Entwicklung ihres Landes am wichtigsten seien. SDG-Prioritäten von Entscheidungstragenden Die Befragten repräsentierten Regierungen, in den Schwerpunktländern der deutschen EZ.

Unterschiedliche SDG-Prioritäten

Hochwertige Bildung 66 % Frieden und Gerechtigkeit 63 % Top-Prioritäten Menschenwürdige Arbeit 60 % in Partnerländern Industrie und Infrastruktur 43 % Gesundheit 42 % Keine Armut 33 % Weniger Ungleichheiten 32 % Sauberes Wasser 30 % Geschlechtergleichheit 29 % Bezahlbare Energie 27 % Nachhaltige Städte 26 % Kein Hunger 24 % Leben an Land 21 % Klimaschutz 20 % Nachhaltiger Konsum 14 % Leben unter Wasser 4 %

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

Antworten auf die Frage „Was sind aufgrund Ihrer Erfahrungen die wichtigsten Punkte, um die Entwicklung von [Land] voranzutreiben?“ Die Befragten konnten bis zu sechs SDGs auswählen. SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) wurde nicht abgefragt. Datenquelle: AidData Listening to Leaders Survey 2017, zusammengestellt von Mengfan Cheng (AidData). DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 67

Darüber hinaus offenbarten einzelne Entscheidungstragenden, dafür aber mehr die Stakeholder wie die Zivilgesellschaft oder der Bevölkerung ab. Privatwirtschaft unterschiedliche SDG-Prio­ ritäten, besonders hinsichtlich SDG 5 (Ge- Implikationen für die schlechtergleichheit), SDG 7 (Bezahlbare und Entwicklungszusammenarbeit saubere Energie), SDG 9 (Industrie, Innovation 1. Über die bisherigen Aktivitäten hinaus wid- und Infrastruktur) und SDG 10 (Weniger Un- met sich das BMZ seit 2018 auch im Rah- gleichheiten). Entwicklungspartner fanden etwa men der Sonderinitiative „Ausbildung und SDG 10 wichtiger als die anderen Stakeholder. Beschäftigung“ SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) und da- SDG 2 aus dem Blickwinkel mit einer der drei wichtigsten SDG-Prioritä- unterschiedlicher Stakeholder ten aller Stakeholder. Neben diesem werden Ein Fokus der deutschen EZ liegt darauf, von verschiedenen Stakeholder zwei weitere Mangel- und Unterernährung zu bekämpfen, Ziele priorisiert – SDG 4 (Hochwertige unter anderem mit der Sonderinitiative „EINE- Bildung) und SDG 16 (Frieden, Gerechtig- WELT ohne Hunger“. Der ­Listening to Leaders keit und starke Institutionen). Diese sollten 2018 Policy Report von AidData zeigt unter demnach nicht aus dem Fokus geraten, da Berücksichtigung der MY-World-Survey-Daten sie ebenfalls wichtige SDG-Prioritäten der der Vereinten Nationen, dass Entscheidungs­ Entscheidungstragenden darstellen. tragende SDG 2 (Kein Hunger) eine deutlich 2. Mit dem BMZ-Fokus auf SDG 2 entspricht geringere Bedeutung zusprechen als die Be- das BMZ den Bedürfnissen der Bevölke- völkerung in Ländern mit niedrigen oder mitt- rung von Ländern mit niedrigen oder mitt- leren Einkommensniveaus. SDG 2 nimmt auf leren Einkommensniveaus. Das BMZ hat der Prioritäten-Rangliste der Bevölkerung damit die Möglichkeit, mithilfe seiner Akti- Dr. Kerstin Guffler Platz 5 ein, während es bei Entscheidungs­ vitäten das SDG 2 stärker in das Blickfeld DEval-Teamleiterin tragenden aller Länder mit niedrigen oder lokaler Entscheidungstragenden zu rücken Tanya Sethi mittleren Einkommensniveaus (nicht nur Part- und so dazu beizutragen, dass die Interes- Senior Policy Analyst nerländer) Rang 14 belegt. Somit deckt der sen der Entscheidungstragenden mit jenen AidData BMZ-Fokus zwar weniger die Bedürfnisse der der Bevölkerung stärker übereinstimmen. ■

SDG-Prioritäten verschiedener Stakeholder

EP = Entwicklungspartner, PS = Privatwirtschaft, RG = Regierung, ZG = Zivilgesellschaft.

Geschlechtergleichheit (SDG 5) Bezahlbare und saubere Industrie, Innovation und Weniger Ungleichheiten Energie (SDG 7) Infrastruktur (SDG 9) (SDG 10)

ZG (5) 36,5 % PS (6) 37,0 % PS (2) 75,2 % EP (4) 42,1 %

EP (9) 31,9 % RG (10) 26,7 % RG (4) 47,2 % ZG (8) 30,3 %

PS (8) 26,0 % EP (11) 26,1 % EP (6) 34,7 % RG (8) 30,2 %

RG (12) 24,5 % ZG (10) 24,4 % ZG (7) 33,3 % PS (11) 22,9 %

0% 0% 0% 0% 10% 20% 30% 40% 10% 20% 30% 40% 20% 40% 60% 80% 10% 20% 30% 40%

Zahlen in Klammern: Rang des SDG für die jeweiligen Stakeholder (Rang 1 = am wichtigsten, Rang 16 = am unwichtigsten). Prozentangaben am Ende der Balken: Anteil der Befragten aus der Stakeholder-Gruppe, für die das SDG eines der sechs wichtigsten SDGs in ihrem Land darstellt.

Datenquelle: AidData Listening to Leaders Survey 2017, zusammengestellt von Mengfan Cheng (AidData). 68 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit: Partnerschaft mit Zukunft?

Private Unternehmen und Investoren dafür Die Ergebnisse der Evaluierungen zei- gewinnen, Entwicklungsvorhaben zu finanzie- gen, dass über Entwicklungspartnerschaften ren und umzusetzen – darum bemüht sich die private Gelder für entwicklungspolitische Entwicklungszusammenarbeit seit über zwei Zwecke mobilisiert werden können. Zudem Jahrzehnten. Dies spiegelt sich auch in den können Unternehmen technologische Innova- Strategien des BMZ wie etwa im Marshallplan tionen transferieren, die lokale Unternehmen mit Afrika wider. Die Ziele des Marshallplans und staatliche Entwicklungsorganisationen können nur mit der Unterstützung privater allein nicht bereitstellen können. So lassen Unternehmen und Investoren erreicht werden: sich über die Projekte zum Beispiel neue, fairer Handel, private Investitionen in Afrika, ökologisch wertvolle Produkte in Entwick- wirtschaftliche Entwicklung von unten, unter- lungs- und Schwellenländern einführen oder nehmerische Entfaltung und die Förderung neue landwirtschaftliche Anbaumethoden von Beschäftigung. Sei es bei der Entwicklung verbreiten. Dies zeigt sich beim Aufbau einer einer App für ein mobiles Handelssystem für landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette in ugandische Kaffeeproduzentinnen und -produ- Ostafrika: Das beteiligte Unternehmen befä- zenten oder beim Aufbau einer Wertschöp- higte Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch fungskette für Bambus in Äthiopien – deutsche Trainings, qualitativ hochwertige Baumwolle oder internationale Unternehmen sollen dabei zu produzieren und dabei Sozial- und Umwelt- helfen, nachhaltige Lösungen für die jeweiligen standards zu berücksichtigen. Die neuen Pro- Herausforderungen zu entwickeln. duktionsmethoden verbreiteten sich erfolg- reich – innerhalb von drei Jahren übernahmen Mobilisierung von Kapital und 12.000 Bäuerinnen und Bauern die neuen Innovationen Techniken. Das Unternehmen gewährte lang- Zwischen 2015 und 2018 untersuchte das DEval fristige Abnahmegarantien und so konnte eine mit Evaluierungen des develoPPP.de-Programms nachhaltige Wertschöpfungskette aufgebaut sowie der Zusammenarbeit mit der Privatwirt- werden. schaft im Agrarsektor die Zielsetzungen, Wir- kungen und Nachhaltigkeit von sogenannten Entwicklungspolitische Entwicklungspartnerschaften, also von Koope- Wirksamkeit bleibt begrenzt rationen, bei denen die gemeinsame Umset- Trotz einzelner Erfolge wird deutlich, dass zung von Projekten in Partnerländern im Mit- die entwicklungspolitische Wirksamkeit der telpunkt steht. Projekte begrenzt ist und die Ansprüche an DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 69

Die Erwartungen der EZ an die Einbindung der Privat­ wirtschaft im Sinne einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wurden bisher nicht erfüllt.

eine Einbindung der Privatwirtschaft im Sinne und auch die EZ hat sich noch nicht hinrei- einer globalen Partnerschaft für nachhaltige chend auf die Bedarfe der Privatwirtschaft Entwicklung bisher nicht erfüllt werden konn- eingestellt. ten. Die Projekte stoßen kaum breitenwirksame Die EZ muss zudem konzeptionell und langfristige Veränderungsprozesse an, da deutlicher machen, welchen Mehrwert sie unter anderem die Unternehmen kein Interes- sich von der Kooperation erhofft und welche se daran haben, Wissen und Lernerfahrungen Aktivitäten sie konkret von den Unternehmen an staatliche Einrichtungen oder Konkurrenz- erwartet. Dabei müssen bei der Suche nach unternehmen weiterzugeben. Auch werden Schnittmengen auch potenzielle Spannungs- Risiken für die ökonomische und soziale Nach- felder offen benannt werden. Diese zeigen haltigkeit etwa hinsichtlich Marktverzerrungen sich zum Beispiel in den unterschiedlichen oder der Verletzung menschenrechtlicher Zielgruppen von EZ und Unternehmen. Standards und Prinzipien nicht ausreichend Während die EZ häufig marginalisierte und berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund bleibt extrem arme Bevölkerungsgruppen in den die Zielerreichung der Programme häufig Blick nimmt, sind diese für Unternehmen als hinter den Erwartungen zurück. Zielgruppen meist nicht interessant. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld zur Forderung Potenziale ausschöpfen, der Agenda 2030, niemanden zurückzulassen. Grenzen anerkennen Besonders weil viele Organisationen Um Potenziale besser ausschöpfen und Risiken der Zivilgesellschaft, aber auch Teile der staat- besser einschätzen zu können, muss die deut- lichen EZ gegenüber der Zusammenarbeit sche EZ ihre Ansätze für die Kooperation mit mit Unternehmen skeptisch sind, ist es wich- der Privatwirtschaft weiterentwickeln und tig, mit Spannungsfeldern und Grenzen der zum Beispiel langfristige und gleichberechtigte Zusammenarbeit transparent umzugehen.

Partnerschaften mit Unternehmen etablieren, Dies ist eine Grundvoraussetzung, um die Kirsten Vorwerk deren Grundsätze und Ziele mit jenen der EZ Synergiepotenziale im Sinne einer gemeinsa- DEval-Evaluatorin kompatibel sind. Bislang ist in den Unterneh- men Verantwortung für nachhaltige Entwick- Dr. Marcus Kaplan men das Verständnis über Ziele und Herange- lung auszuschöpfen und die Glaubwürdigkeit DEval-Teamleiter hensweisen der EZ noch nicht sehr ausgeprägt solcher Kooperationen sicherzustellen. ■ 70 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Mit Blended Finance nachhaltige Entwicklung finanzieren

Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge als 160 solcher Blended-Finance-Fazilitäten, fehlen für die Erreichung der SDGs jährlich die von 2012 bis 2015 aus dem Privatsektor etwa 2,5 Billionen US-Dollar. Multilaterale 81 Milliarden US-Dollar mobilisierten. Entwicklungsbanken fordern daher, die Dis- kussion von „billions auf trillions“ zu verlagern, Wirtschaftliche da die bisherigen Entwicklungsgelder im Milli- Nachhaltigkeit durch Fonds ardenbereich nicht ausreichen und Beiträge in Blended-Finance-Fazilitäten versprechen vor Billionenhöhe nötig sind. Diese Lücke kann allem durch zwei Kanäle wirtschaftliche Nach- selbst in den optimistischsten Szenarien nicht haltigkeit zu fördern. Erstens werden in die allein die Aufstockung öffentlicher Mittel Fonds investierte öffentliche Mittel wiederho- schließen und so steht Blended Finance im lend eingesetzt: Fonds legen typischerweise Mittelpunkt der Finanzierungsdiskussion und Kredite aus, die mit der Zeit zurückgezahlt gewinnt immer mehr an Bedeutung. werden müssen. Durch die Rückzahlungen werden Mittel verfügbar, die dann wiederum Private Investitionen für die SDGs als Investition in den Fonds verwendet wer- Blended Finance, also das Kombinieren (Eng- den können. So können Fonds theoretisch lisch: blending) von privaten und öffentlichen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg dieselbe Geldern ist jedoch keine grundsätzliche Neue- öffentliche Subventionierung mehrfach rung, denn seit vielen Jahren nutzt beispiels- wiederverwenden. weise die KfW Entwicklungsbank in Entwick- Zweitens haben die Investitionen eine lungskrediten Eigenmittel zusammen mit Signalwirkung, denn sie vermitteln dem Fi- Mitteln des Bundes oder sie geht öffentlich- nanzmarkt, dass Investitionen in Entwick- private Partnerschaften (public-private partner- lungs- und Schwellenländern rentabel sind. Sie ships, PPPs) ein. Relativ neu sind jedoch Fonds, treten damit der Einschätzung vieler privater sogenannte Blended-Finance-Fazilitäten, die Investoren entgegen, die die Risiken eines mithilfe öffentlicher Mittel private Investoren finanziellen Engagements in diesen Ländern mobilisieren sollen. In den meisten Fällen oftmals höher bewerten als sie sind. Diese werden Privatunternehmen gefördert. Seit positive Signalwirkung könnte allerdings auch 2000 entstanden laut OECD weltweit mehr ohne öffentliche Subventionierung eintreten. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 71

Blended-Finance -Fazilitäten vermitteln dem Finanzmarkt, dass Investitionen in Entwick­ lungs- und Schwellenländern rentabel sind.

Potenziale und Risiken Blended Finance wird derzeit als vielverspre- chendster Ansatz gehandelt, um die Umset- Herausforderungen für zung der SDGs zu finanzieren. Entwicklungsgel- die Evaluierungspraxis der können große Hebelwirkungen entfalten Zwar sind Evaluierungen zu Blended Finance und dringend benötigte finanzielle Mittel zwingend erforderlich, aber aufgrund der mobilisieren. Durch die mögliche Signalwir- Komplexität und Neuheit des Ansatzes befin- kung kann Blended Finance außerdem als Weg- det sich die Evaluierungspraxis noch in der bereiter für mehr rein private Investitionen in Entwicklung und steht vor einer Reihe von entwicklungspolitisch relevante Bereiche Herausforderungen. So weisen Blended- fungieren. Allerdings ist Blended Finance kein Finance-Fazilitäten etwa durch die Einbindung Allheilmittel, denn es besteht das Risiko, dass des Privatsektors sehr lange Wirkungsketten sich mit dem Instrument eingesetzte Entwick- bis zu den Zielgruppen wie kleine und mittel- lungsgelder vor allem auf finanziell attraktive ständische Unternehmen auf und es sind viele Sektoren und Länder konzentrieren und nicht Akteure entlang dieser Kette involviert. Geber dort eingesetzt werden, wo sie am dringends- und Entwicklungsbanken sowie Anleger aus ten benötigt werden. Zum Beispiel hat eine der Privatwirtschaft investieren in die Fonds, OECD-Umfrage ergeben, dass sich die Blended- die häufig von einem eigenständigen Fonds- Finance-Fazilitäten am stärksten auf Themen management verwaltet werden. Die Gelder wie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, werden dann zu vergünstigten Konditionen Infrastruktur und Klimawandel konzentrieren. an Finanzinstitutionen in den Partnerländern Andere Bereiche nachhaltiger Entwicklung verliehen, die sie wiederum an Kleinst-, Klein- werden hingegen kaum adressiert. Des Weite- und mittelgroße Unternehmen weiterverlei- ren besteht die Gefahr, dass die Eigenverant- hen. So ist es extrem schwierig, beobachtete wortung für finanzierte Projekte schwach Wirkungen auf einen Fonds zurückzuführen. ausgeprägt ist, da sehr viele Akteure in Blended- Evaluierungen von Blended-Finance- Finance-Fazilitäten involviert sind und ent- Fazilitäten nehmen vermutlich mehr Zeit und wicklungspolitische Ziele und finanzieller Profit Ressourcen in Anspruch als etwa die Evaluie- in einem Zielkonflikt stehen können. Zu den rung einer Kreditlinie. Zudem können Evaluie- größten Risiken in der Finanziellen Zusammen- rungsfragen auf unterschiedlichen Ebenen nur arbeit zählen die Verdrängung (crowding-out) mit einem breiten Methodenmix beantwortet von kommerziellen Krediten durch subven­ werden und es bedarf eines breiten Evaluie- Gunnar Gotz DEval-Evaluator tionierte Kredite sowie Marktverzerrungen. rungsmandats, um Zugang zu Daten auf allen (bis Mai 2019) Außerdem besteht das Risiko, mit solchen Ebenen der Wirkungskette zu erhalten. Dies günstigen Krediten zur Überschuldung in alles macht derartige Evaluierungen zwar Magdalena Orth DEval-Teamleiterin Entwicklungsländern beizutragen. schwieriger, aber nicht weniger notwendig. ■ 72 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Dreieckskooperationen: drei Akteure – ein Ziel?

Mit der Umsetzung der Agenda 2030 gewin- Pflichten. Die Idee ist, dadurch das Vertrauen nen alternative Formen der Kooperation und sowie die Transparenz zwischen den Partnern das Prinzip der geteilten Verantwortung in der zu verstärken und nachhaltige Partnerschaften Entwicklungszusammenarbeit an Bedeutung. zu etablieren. So sollen die drei Partner in In Dreieckskooperationen (DEK) spiegelt sich einer Dreieckskooperation alle Projektetappen dieses Prinzip wider und SDG 17 (Partner- von der Planung über die Durchführung bis schaften zur Erreichung der Ziele) benennt sie zur Evaluierung gemeinsam diskutieren, pla- als mögliches Mittel zur Umsetzung der Agen- nen und koordinieren. Jeder Partner soll seine da 2030. Dreieckskooperationen sind Koope- Verantwortung für die Durchführung von rationen zwischen Akteuren, die drei unter- Aktivitäten wahrnehmen und seine komple- schiedliche Rollen ausfüllen; in der Regel sind mentären Stärken in das Projekt einbringen. ein DAC-Geber, ein Mittler und ein Empfänger Dadurch können die Partner angepasste und beteiligt. Insbesondere sogenannte Schwellen- nachhaltige Lösungen für lokale Entwicklungs- länder wie Brasilien, Chile, Mexiko und Indo- herausforderungen des Empfängers erarbeiten nesien nehmen ihre regionale und globale und umsetzen sowie Partnerschaften unterei- Verantwortung in der Rolle des Mittlers wahr, nander fördern. um zur Lösung von globalen Herausforderun- Deutschland ist zusammen mit Japan, gen beizutragen. Sie bringen neben fachlicher Norwegen und Spanien einer der größten Expertise und finanziellen Ressourcen ihr DAC-Geber bei Dreieckskooperationen. Der Erfahrungswissen bezüglich eigener Entwick- geografische Schwerpunkt der von Deutsch- lungsprozesse ein und haben häufig aufgrund land geförderten Kooperationen liegt in Latein- ihrer kulturellen Nähe einen guten Zugang zu amerika und der Karibik, gefolgt von Asien den Empfängern. Der DAC-Geber trägt neben und Afrika. Bei den meisten Projekten befindet finanziellen Mitteln meist auch mit fachlicher sich der Empfänger in derselben Region wie Expertise zu der Koope­ration bei. Bei dem der Mittler. Ausnahmen bilden hier einige Empfänger sollen sich primär die Projektwir- interkontinentale Dreieckskoope­rationen mit kungen entfalten, dennoch kann auch er finan- Mittlern aus Lateinamerika, bei denen sich die zielle Mittel sowie Fach- und Kontextwissen Empfänger in Afrika befinden. In Lateinamerika zum Gelingen eines DEK-Projekts beitragen. und der Karibik gibt es zudem auch duale Akteure. Dies sind Staaten, die bei unter- Geteilte Verantwortung schiedlichen DEK-Projekten einmal als Mittler Alle drei Akteure tragen für das Projektziel und ein anderes Mal als Empfänger agieren. gemeinsam die Verantwortung – ausgedrückt Bis April 2018 hatte das BMZ 87 Dreiecks- durch eine gleichberechtigte Kooperation kooperationen abgeschlossen und 26 Maß- auf Augenhöhe mit gleichen Rechten und nahmen liefen zu diesem Zeitpunkt. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 73

Evaluierung von welches den Aspekt der Partnerschaft und Dreieckskooperationen den durch sie generierten potenziellen Mehr- Die geteilte Verantwortung innerhalb einer wert für die Kooperation in den Fokus stellt. Dreieckskooperation stellt andere Anforde- Das Toolkit beinhaltet den Vorschlag, bei der rungen sowohl an die Projekte als auch an Bewertung von Dreieckskooperationen nicht deren Evaluierungen. Während der Umsetzung nur DAC-Kriterien, sondern auch Süd-Süd- der Projekte sind ein enger Kontakt und eine Kooperations-Kriterien zu berücksichtigen, um gute Koordination zwischen den Partnern die unterschiedlichen Dimensionen von Part- notwendig. Evaluierungen sollten neben den nerschaft zu bewerten. Letztere sind Kriterien, spezifischen Projektwirkungen sowie mögli- die ausgehend von den Bandung-Prinzipien chen Herausforderungen der Umsetzung weiterentwickelt wurden und auf die sich Süd- etwa durch einen erhöhten Koordinations­ Süd-Kooperationen beziehen. Beispielsweise aufwand auch die Nachhaltigkeit der Partner- sind dies Horizontalität, gegenseitiger Nutzen schaften betrachten. Daher müssen sie die und Nachfrageorientierung. Das DEval führt zentralen Grundsätze von Dreieckskoopera­ derzeit eine Evaluierung der Modalität Dreiecks- tionen und deren potenziellen Beitrag in kooperation in der deutschen Entwicklungszu- diesem Bereich strukturiert auswerten. Die sammenarbeit durch, die auch die genannten Kristina Wirtgen OECD hat dafür ein Toolkit zu Monitoring Süd-Süd-Kooperations-Kriterien berücksich- DEval-Evaluatorin und Evaluierung von DEK-Projekten erarbeitet, tigt. Der Bericht erscheint im Frühjahr 2020.

Räumliche Verteilung der Partnerländer bei BMZ-geförderten Dreieckskooperationsprojekten weltweit (Stand: 2018)

Quelle: DEval.

Kapitel 2.4

Costa Rica: Rechenschaftspflicht leben

Mit großem Engagement hat Costa Rica in den vergangenen Jahren seine Evaluierungskapazitäten verbessert. Das zahlt sich heute nicht nur für die politische Steuerung aus. Auch kann das Land seiner Rechenschaftspflicht zur Umsetzung der Agenda 2030 beispielhaft nachkommen und die Bevölkerung wird zur Protagonistin nachhaltiger Entwicklung, sagt Costa Ricas Planungsministerin im Interview. 76 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Evaluierungskapazitäten fördern – für mehr Eigenverantwortung und Rechenschaft

Nationale Evaluierungskapazitäten gelten strukturen in staatlichen und nichtstaatlichen schon lange als Voraussetzung, um die inter- Organisationen institutionalisiert werden. national vereinbarten EZ-Prinzipien Eigenver- Schließlich muss auch gesellschaftlich ein förderli- antwortung, Ergebnisorientierung und gegen- ches Umfeld für Evaluierung geschaffen werden. seitige Rechenschaftslegung umzusetzen. Seit Der ECD-Ansatz des DEval setzt mit ihrer Verabschiedung im Jahr 2015 beeinflusst unterschiedlichen Instrumenten an diesen drei die Agenda 2030 maßgeblich die Debatte zur Ebenen an. Von 2015 bis 2018 führte das DEval Stärkung von Evaluierungskapazitäten, denn in Lateinamerika das Projekt „Förderung von sie enthält die Verpflichtung, die Umsetzung Evaluierungskapazitäten in ausgewählten der SDGs systematisch zu verfolgen und zu Ländern Lateinamerikas“ (Fomento de Capaci- evaluieren. Zudem hebt sie die Rolle von län- dades en Evaluación, FOCEVAL) durch. Hier dergesteuerten Evaluierungen hervor und standen ab 2017 Aktivitäten in Costa Rica im somit auch die Notwendigkeit, nationale Eva- Vordergrund, um die dauerhafte Verankerung luierungskapazitäten zu stärken (Evaluation von Evaluierung als Basis für eine evidenz­ Capacity Development, ECD). basierte und transparente Politikgestaltung Bereits zuvor hatten zum Beispiel die sicherzustellen. Seit Anfang 2019 setzt das Erklärung von Paris aus dem Jahr 2005 und DEval mit seinem neuen Projekt „Kompetenz- der Aktionsplan von Accra von 2008 die Be- entwicklung und Vernetzung von Evaluie- deutung nationaler Systeme für Monitoring rungsakteuren in Lateinamerika als Beitrag und Evaluierung in den Fokus gerückt. Auch zur Agenda 2030“ (Fomento de Capacidades die Vereinten Nationen betonten mit ihrer y Articulación de Actores de la Evaluación en Resolution 69/237 im Jahr 2014, dass Evaluie- Latinoamerica, FOCELAC) einen regionalen rung ein wichtiges Instrument für Entwick- Schwerpunkt und arbeitet mit Partnern in lungsprozesse sei. verschiedenen Ländern der Region daran, deren Evaluierungskapazitäten zu stärken. Das DEval stärkt Evaluierungskompetenzen Schlüsselelemente für Evaluierung kann für eine auf Wirkungen, Dauerhaftigkeit Rechenschaftslegung und Transparenz ausge- Drei Schlüsselelemente des FOCEVAL-Projekts richtete Politik aussagekräftige Daten und trugen in Costa Rica zu mehr Eigenverantwor- Empfehlungen für Steuerungsentscheidungen tung und verbesserter Rechenschaftslegung, bereitstellen. Dafür müssen individuelle Evaluie- zum Lernen und zur höheren Qualität von rungskompetenzen gestärkt und Evaluierungs- ­ Evaluierungen bei: DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 77

International gewinnt Eigen­ verantwortung für Lernen und Rechenschaft von EZ- Maßnahmen an Bedeutung. Dies geht mit einer größeren Nachfrage nach Projekten wie FOCELAC einher.

1. Nationale Evaluierungsplattform: Im Rah- men von FOCEVAL wurde die Nationale Plattform für Evaluierung Costa Ricas ge- gründet, in der sich Vertreterinnen und Vertreter öffentlicher Institutionen, Univer- FOCELAC stärkt Evaluierungskapazitäten in Lateinamerika sitäten und der Zivilgesellschaft regelmäßig zu Evaluierungsprozessen austauschen, Basierend auf den Erfahrungen und Die strategische Ausrichtung folgt gemeinsame Aktivitäten und Konferenz­ ECD-Formaten von FOCEVAL und dem im FOCEVAL-Projekt erfolgreich beiträge organisieren und das Monitoring dessen Vernetzung mit regionalen genutzten systemischen Ansatz – der Evaluierungsakteuren implementiert Stärkung von individuellen, institutio- der Umsetzung der Nationalen Evaluie- das DEval seit Januar 2019 das regio- nellen und gesellschaftlichen Kapazi- rungspolitik übernehmen. Die interinstituti- nale ECD-Projekt FOCELAC. Es soll täten. Dafür setzt das Projekt Akteure, onelle Zusammenarbeit führt zu Synergien, Akteure in ausgewählten Ländern die bereits über relevante Kenntnisse neuen Kooperationen und besserer Kom- Lateinamerikas so stärken, dass sie und Fähigkeiten verfügen, als Mittler munikation und stärkt somit die Nachhal- ihre Rolle zur Evaluierung im Kontext und Multiplikatoren ein und nutzt tigkeit der Evaluierungsprozesse sowie die der Agenda 2030 zunehmend wahr- formalisierte Arbeitsbeziehungen mit Evaluierungskultur im Land. So bezog bei- nehmen können. Gemeinsam mit dem regionalen Initiativen wie mit dem spielsweise das Planungsministerium (Mi- Planungsministerium von Costa Rica lateinamerikanischen Evaluierungs- nisterio de Planificación Nacional y Política als Mittler und Referenzbeispiel unter ­ netzwerk Red Latinoamericana de stützt FOCELAC den Aufbau von Sistematización, Seguimiento y Económica, MIDEPLAN) zivilgesellschaft­ Evaluierungskapazitäten in der Region ­Evaluación (ReLAC). Das stärkt die liche Organisationen in die Erstellung eines im Rahmen von fünf Handlungssträn- Eigenverantwortung, die zu einem Leitfadens zur Partizipation in Evaluierungs- gen. Es fördert gesamtgesellschaftlichen Wandel hin prozessen ein. Aufgrund der positiven Er- 1. Evaluierungsstrukturen und zur Verankerung einer Evaluierungs- fahrungen in Costa Rica traten Schlüssel­ -funktionen­ in staatlichen kultur beiträgt. akteure aus anderen Ländern der Region an Institutionen, International gewinnt Eigenverant- das DEval mit der Bitte heran, den Aufbau 2. praxisrelevante Angebote von wortung für Lernen und Rechenschaft ähnlicher Foren zu unterstützen. Weiterbildungs- und von EZ-Maßnahmen an Bedeutung. Wissenschaftsinstitutionen, Dies geht mit einer größeren Nach­ 2. Nationale Evaluierungspolitik: Mit Beratung 3. praktische und methodische frage nach Projekten wie FOCELAC von FOCEVAL erarbeiteten staatliche Eva- Kompetenzen von Evaluierungs- einher. luierungsakteure unter Einbezug der Zivil- fachkräften mit einem Schwer- Da die Förderung von Evaluierungs­ gesellschaft eine Nationale Evaluierungspo- punkt auf Nachwuchsevaluierende, kapazitäten ein strategisches Hand- litik, die im November 2018 verabschiedet 4. die Partizipation der Zivilgesell- lungsfeld des DEval darstellt, wird es wurde. Dies wurde durch die enge Zusam- schaft in Evaluierungsprozessen in den nächsten Jahren mit Unterstüt- menarbeit der Akteure im Rahmen der und zung durch das BMZ die Eigenverant- Nationalen Evaluierungsplattform möglich. 5. die Vernetzung und den Austausch wortung von Partnerländern weiter relevanter Akteure im Bereich stärken – perspektivisch nicht nur in Die Politik definiert vier Pfeiler: Evaluierung. Lateinamerika, sondern beispielsweise • Etablierung von Evaluierung als integralen auch in Afrika. Bestandteil des wirkungsbasierten Manage- ment-Zyklus für Entwicklungsprozesse, 78 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Das nationale Evaluierungssystem Costa Ricas

nahm an der Erarbeitung teil Nationale Plattform Nationale für Evaluierung Evaluierungspolitik erhält eine Funktion im Monitoring der Umsetzung

stärkt steuerte den Evaluierungs-­ lädt zu Prozess der kapazitäten Treffen ein Erarbeitung

Gestärkte Kapazitäten in der Kurs für Evaluierungsmanager Evaluierungseinheit von MIDEPLAN bietet an

Quelle: DEval.

• Institutionalisierung der Nutzung von chen Institutionen – eine wichtige Voraus- Evaluierung für evidenzbasierte Entschei- setzung für die eigenverantwortliche Über- dungen, prüfung der Umsetzung der Agenda 2030. • Stärkung der nationalen Kompetenzen Dieser Kurs wird bis 2020 überarbeitet und hinsichtlich Design, Steuerung, Durchfüh- soll auch in anderen Länder durchgeführt rung und Nutzung von Evaluierungen und werden können. Zusätzlich zu bestehenden • Intensivierung der Partizipation diverser Partnerschaften ist hierbei auch eine Zu- Akteure in Evaluierungsprozessen. sammenarbeit mit dem Entwicklungspro- Die nationale Evaluierungspolitik Costa gramm der Vereinten Nationen (United Ricas gilt mittlerweile als internationales Nations Development Programme, UNDP) Vorbild. Seit Anfang 2019 arbeiten das DEval angedacht. und MIDEPLAN an der Verbreitung der

Erfahrungen in anderen Ländern der Region. All diese Maßnahmen auf individueller, Erwin Geuder-Jilg 3. Stärkere Evaluierungskompetenzen für die institutioneller und gesellschaftlicher Ebene Fachlicher Leiter FOCEVAL Agenda 2030: Das Planungsministerium verankern und verstetigen Projektwirkungen. (bis Dezember 2018) Costa Ricas, MIDEPLAN, etablierte einen Die Kombination der drei Schlüsselelemente Helena Stadtmüller Kurs für jährlich etwa 50 Evaluierungsmana- – nationale Evaluierungsplattform, nationale FOCELAC-Evaluatorin gerinnen und -manager mit Unterstützung Evaluierungspolitik und Stärkung von Evaluie- von FOCEVAL. Im Rahmen von sechs rungskompetenzen – führt zu eigenständigen Dr. Sven Harten Leiter Kompetenzzentrum Modulen verbessern sie ihr Verständnis Strukturen und Prozessen der Evaluierung im Methoden/Stellvertreten- über Evaluierungsprozesse, -ansätze und Land, die auch ohne Förderung von außen der Direktor DEval -methoden in unterschiedlichen öffentli- weiterbestehen können. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 79

; Partizipative Evaluierungen können Nachhaltigkeit stärken

Partizipative Evaluierungen beziehen neben professionellen treterinnen und -vertreter, dem medizinischen Fachpersonal Evaluatorinnen und Evaluatoren auch Personen wie jene kritische Fragen zu stellen, Lösungen für Probleme vorzu- Akteure in den Evaluierungsprozess ein, die in dem zu evalu- schlagen und Druck auf Entscheidungsträgerinnen und ierenden Programm eine Rolle spielen. Das sind vor allem -träger auszuüben. lokales Personal und die Zielgruppen. Sie sind nicht nur Informationsquellen oder einfache Beobachter, sondern Mehr Eigenverantwortung und Engagement werden bei den Evaluierungen zu handelnden Akteuren und Die Teilnehmenden an partizipativen Evaluierungen entwi- Protagonisten. ckeln ein besseres Verständnis des evaluierten Programms und damit mehr Eigenverantwortung und Engagement für Seit 2014 hat das DEval verschiedene partizipative Pilotevalu- dessen Umsetzung. Ein Beispiel: Wenn das lokale Personal ierungen im Rahmen des Projekts „Förderung von Evaluie- eines Programms und dessen Zielgruppe im Rahmen einer rungskapazitäten in ausgewählten Ländern Lateinamerikas“ partizipativen Evaluierung gemeinsam ein Wirkungsgefüge (Fomento de Capacidades en Evaluación, FOCEVAL) durch­ konstruieren, stärkt dies die gemeinsame Verantwortung und geführt. Dabei identifizierte es drei Bereiche, in denen partizi- ermöglicht ein von allen beteiligten Akteuren getragenes pative Evaluierungen zur Nachhaltigkeit der internationalen Konzept. Zusammenarbeit beitragen können. Evaluierungen nah am Kontext Bessere individuelle Kapazitäten Die direkte Beteiligung der lokalen Akteure an der Evaluie- Partizipative Evaluierungen verbessern die individuellen rung ermöglicht Evidenzen, die unmittelbar an den jeweiligen Kapazitäten der Beteiligten, indem diese während einer Kontext angepasst sind. Sie erhöht zudem die Wahrschein- Evaluierung ihre analytischen Fähigkeiten ausbauen und lichkeit, dass die an den Programmen beteiligten Akteure die hinsichtlich der Identifizierung und Lösung von Problemen Evaluierungsergebnisse akzeptieren, Empfehlungen anneh- eine kritische Perspektive einnehmen. Eine partizipative men und entsprechend das Programm langfristig verbessern. Evaluierung im Rahmen des FOCEVAL-Projekts beinhaltete Die an der Evaluierung in Costa Rica beteiligten Akteure etwa ein intensives Trainingsprogramm, während dessen die erarbeiteten beispielsweise schnell umsetzbare Empfehlun- Beteiligten ihre Evaluierungskenntnisse und Soft Skills stär- gen für das lokale Gesundheitspersonal und längerfristig zu ken konnten. Eine andere partizipative Evaluierung zu lokalen implementierende Vorschläge für nationale politische Ent- Gesundheitsanbietern in Costa Rica ermutigte Gemeindever­- scheidungsträgerinnen und -träger.

Juan Carlos Sanz Stellvertretender fachlicher Leiter FOCELAC

Workshop zu partizipativer Evaluierung in Costa Rica 80 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Interview Costa Ricas Evaluierungspolitik setzt hohe Maßstäbe an Partizipation

Im November 2018 stellte die Ministerin für Planung und Wirtschaftspolitik von Costa Rica, María del Pilar Garrido Gonzalo, die nationale Evaluierungsstrategie des Landes vor. Als die bislang umfassendste Evaluierungsstrategie Lateinamerikas ist sie ein Meilenstein für die Stärkung einer evidenzbasierten Politikgestaltung in Costa Rica und der gesamten Region.

Wie wurde die Agenda 2030 in die natio- erhoben wir Paneldaten, um die Entwicklung nale Evaluierungsstrategie Costa Ricas jedes Indikators in den drei Schwerpunktbe- integriert? reichen zu verfolgen. Außerdem integrierten María del Pilar Garrido Gonzalo: Die Umset- wir die Indikatoren in den Nationalen Plan für zung der Agenda 2030 unterscheidet sich Entwicklung und öffentliche Investitionen nicht wesentlich von unserem bisherigen (2019 – 2022). Handeln. Wir haben sie inzwischen in unsere Um die Umsetzung dieses Plans zu überwa- nationale institutionelle und sektorale strate- chen, setzen wir auf unser nationales Evaluie- gische Planung integriert. rungssystem. Dies gilt auch für die Umsetzung Unsere nationale Evaluierungsstrategie gehört anderer wichtiger Strategien – ein Beispiel ist zu den wichtigsten Instrumenten zur Umset- Puente al Desarrollo, unser Programm zur zung der Agenda 2030, denn durch Evaluierun- Bekämpfung von Armut und Ungleichheit. gen stellen wir sicher, dass unsere strategischen Darüber hinaus helfen wir anderen Institutio- Maßnahmen auch wirken. Unser SDG-Beirat nen dabei, ebenfalls geeignete Indikatoren für mit staatlichen und verschiedenen zivilgesell- ihre Strategien und Programme festzulegen schaftlichen, privatwirtschaftlichen und inter- und Mechanismen zur Überprüfung dieser nationalen Akteuren ist jetzt auch Teil der Indikatoren einzurichten. In Zusammenarbeit nationalen Evaluierungsplattform. So stellen mit dem Nationalen Institut für Statistik und wir mehr Kohärenz her und ermöglichen einen Zensus zeigen wir anhand von Scorecards, wie intensiveren Austausch von Ideen zwischen sich die SDG-Indikatoren im Laufe der Zeit Fachleuten aus den beiden Arbeitsfeldern entwickeln und überprüfen, ob wir die ge- Evaluierung und Agenda 2030. wünschten Ergebnisse erzielen.

Costa Rica hat für die Umsetzung der Warum ist es so wichtig, Evaluierungs­ Agenda 2030 drei Schwerpunkte gesetzt: kapazitäten aufzubauen? Armutsbekämpfung, nachhaltige Produk- Garrido Gonzalo: Die wichtigste Investition tion und nachhaltiger Konsum sowie eines Landes ist die in seine Bevölkerung. nachhaltige Infrastruktur und Gemeinden. Unsere nationale Evaluierungsstrategie sieht Wie überwachen Sie die Fortschritte in deren breite Beteiligung am gesamten Evaluie- diesen Bereichen? rungsprozess vor. Dabei muss die Beteiligung Garrido Gonzalo: Zur Bestimmung des Status über die Erarbeitung der Evaluierungs­ergebnisse quo ermittelten wir Basiswerte und legten hinausgehen und sich auch auf die Definition eine Reihe von Indikatoren fest. Anschließend des Evaluierungsgegenstands und die DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 81

Formulierung der zentralen Fragen erstrecken. Dieser partizipative Ansatz ist extrem wichtig, damit Bürgerinnen und Bürger Gehör finden und in der Politik die Hauptrolle spielen.

Inwiefern kann das Evaluierungssystem von Costa Rica als Modell für andere Länder in der Region dienen? Garrido Gonzalo: Evaluierungen zeigen uns, ob wir unsere Politiken erfolgreich umsetzen. María del Pilar Garrido Gonzalo Heute sind diese eng mit der Agenda 2030 verbunden. den relevanten Institutionen eine Evaluie- Wir bieten anderen Ländern an, unsere Erfah- rungskultur verankert wird. Einige Akteure, rungen mit ihnen zu teilen und sie zu beraten. die gegenüber Evaluierungen skeptisch sind, Süd-Süd-Kooperationen und Peer-to-Peer- müssen wir noch überzeugen. Dies gilt zum Austausch betrachten wir als bereichernde Beispiel für den privaten Sektor und Teile des horizontale Prozesse, von denen beide Seiten politischen Systems. profitieren. Wir selbst haben von den Erfahrungen ande- Was muss getan werden, um die Nach­ rer Länder mit einem höheren Institutionali- haltigkeit des nationalen Evaluierungs­ sierungsgrad wie Mexiko, Uruguay und Ko- systems zu steigern? lumbien profitiert, die uns bei der Gestaltung Garrido Gonzalo: Wir müssen unsere Evaluie- von Evaluierungsprozessen unterstützt haben. rungsstandards neu definieren und nicht nur die in bestimmten Bereichen erzielten Ergeb- Was waren die wichtigsten Lernerfahrun- nisse betrachten, sondern auch Wirkungen im gen bei der Ausarbeitung der nationalen Sinne der sozialen, wirtschaftlichen und öko- Evaluierungsstrategie? logischen Dimensionen der Agenda 2030. Wir Garrido Gonzalo: Es war wichtig zu definieren, müssen zudem Synergien und Wirkungen auf welche Rolle die einzelnen Akteure spielen: bestimmte Teile der Gesellschaft analysieren. Welche Verantwortung tragen die verschiede- Daher ist es sinnvoll, bei Evaluierungen künf- nen Ministerien und worin besteht der Beitrag tig eine Differenzierung etwa nach Geschlecht anderer öffentlicher Institutionen? und anderen demografischen Faktoren sowie Unser Erfolg liegt zum Teil darin begründet, nach Aspekten wie Menschenrechtsfragen dass wir uns nicht auf staatliche Institutionen vorzunehmen. beschränken wollten. Diese sind natürlich Politische Strategien müssen auf Evidenz immer noch von grundlegender Bedeutung. basieren, die stichhaltiger und wertvoller ist,

Doch wir gingen zusätzlich auf andere gesell- wenn sie durch Evaluierungen gestützt wird. Interview: schaftliche Akteure zu, die zur Erfüllung der Die Herausforderung besteht darin, Evaluie- zunehmend komplexen Bedürfnisse der rungen in politische Prozesse einzubinden und Bürgerinnen und Bürger eine zentrale Rolle zu einem festen Bestandteil institutioneller spielen. Routinen zu machen. Evaluierungen müssen Unsere Arbeit ist jedoch noch nicht abge- die Anforderungen der Bevölkerung nach schlossen. Die größte Herausforderung be- evidenzbasierten Ergebnissen als Grundlage Nataly Salas-Rodríguez steht darin, die nationale Evaluierungsstrate- für die Entwicklung, Umsetzung und Bewer- FOCELAC-Evaluatorin gie umzusetzen und sicherzustellen, dass in tung politischer Strategien erfüllen.

Kapitel 2.5

Dauerhafte Wirkungen erreichen

Wie dauerhaft die Wirkungen eines entwicklungspolitischen Vorhabens sind, hängt nicht allein von dessen Aktivitäten ab, sondern auch von vielen anderen Faktoren. Wer Dauerhaftigkeit sicher­stellen will, muss an den richtigen Hebeln ansetzen, Nachhaltigkeit messen können und über das richtige Fachwissen verfügen. 84 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Erfolgsfaktoren: Wie erreichen wir dauerhafte Wirkungen?

Nachhaltigkeit – im Sinne der Dauerhaftigkeit wichtige Rolle und sollten von den Vorhaben von Wirkungen – ist ein zentrales Erfolgskrite- entsprechend berücksichtigt werden. Nach rium nicht nur für einzelne entwicklungspoli- den Ergebnissen der Evaluierungssynthese tische Vorhaben, sondern für die Entwick- gibt es einen positiven Zusammenhang zwi- lungszusammenarbeit insgesamt. Doch wie schen dem wirtschaftlichen Entwicklungs- lassen sich dauerhafte Wirkungen erreichen? stand und der Nachhaltigkeit von Vorhaben. In Anbetracht der hohen entwicklungs- Weitere übergeordnete Faktoren wie das politischen Relevanz ist es erstaunlich, dass es Maß an Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie lange keine empirischen Studien gab, die die beeinflussen die Nachhaltigkeit jedoch kaum. Einflussfaktoren auf die Dauerhaftigkeit der Die Evaluierung des DEval zur Land­ Entwicklungszusammenarbeit systematisch nutzungsplanung auf den Philippinen belegt untersuchten. Im Rahmen seiner Evaluierungs- zudem einen Einfluss sektorspezifischer Kon- synthese zur Nachhaltigkeit in der Entwick- textfaktoren. Zum einen behinderten ungüns- lungszusammenarbeit und der Evaluierung tige behördliche Mandatszuschnitte eine eines technischen Ansatzes zur umfassenden umfassende Landnutzungsplanung. Zum an- Landnutzungsplanung auf den Philippinen hat deren standen ungelöste Fragen hinsichtlich das DEval nun eine empirische Auseinander- der Landnutzungsrechte und der Besitzver- setzung mit diesem Thema unternommen. hältnisse den entwicklungspolitischen Zielen Die Dauerhaftigkeit entwicklungspo­ im Wege. Darüber hinaus zeigte sich, dass litischer Vorhaben kann von vielen Faktoren lokale Machteliten entwicklungspolitische abhängen. Einige lassen sich durch die Ent- Wirkungen unterminieren können, indem sie wicklungszusammenarbeit beeinflussen, ande- etwa die Umsetzung von Plänen behindern. re nicht. Die gute Nachricht ist: Viele wichtige Stellschrauben liegen im direkten Einflussbe- Implementierungsfaktoren reich der Vorhaben. Die wesentlichen Einfluss- Faktoren in Bezug auf die Implementierung faktoren finden sich im Kontext der Vorhaben, von Vorhaben stehen dagegen generell in in deren Implementierung, im Bereich der engerem Zusammenhang zur Dauerhaftigkeit Projektwirkungen und der Kapazitäten der entwicklungspolitischer Wirkungen. Das gilt entwicklungspolitischen Partner und Träger. insbesondere für die Anpassung von Vorha- ben an die nationalen Politiken der Partner, Kontextfaktoren die Partizipation der Partner und Träger bei Obwohl Kontextfaktoren in aller Regel nicht der Projektplanung und -umsetzung sowie im Einflussbereich der Entwicklungszusam- für die Steuerung durch die Durchführungs- menarbeit liegen, spielen sie potenziell eine verantwortlichen. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 85

Dauerhafte Wirkungen brauchen eine gewisse Zeit, um sich zu entwickeln, lassen sich jedoch auch nicht unbegrenzt steigern.

Zu den relevanten Steuerungsaspekten gehören neben der Nutzung von institutio­ nellen Strukturen vor Ort – wie die Evaluie- rung des DEval zu landwirtschaftlichen Wert- schöpfungsketten ebenfalls festgestellt hat – lernorientierte Monitoring- und Evaluierungs- systeme sowie Upscaling- und Exit-Strategien. Auch die DEval-Evaluierung zur philippini- schen Landnutzungsplanung zeigte diese Faktoren im Bereich Zusammenhänge. Diese ist stark fragmentiert der Projektwirkungen und fällt in die Zuständigkeit mehrerer Behör- Einen erkennbaren Einfluss auf die Dauerhaf- den. Die Entwicklungsmaßnahme setzte sich tigkeit von Vorhaben haben auch Faktoren im daher zum Ziel, Bereich der Projektwirkungen. Dazu gehört, 1. den Gemeinden zu ermöglichen, ihr dass Partner und Träger selbst Verantwortung gesamtes Gebiet mit dessen verschiedenen übernehmen (Ownership), die Zielgruppen Ökosystemen zu planen, die von den Vorhaben erbrachten Leistungen 2. verschiedene Pläne zu vereinheitlichen und nutzen, die Zielgruppen ihr Bewusstsein ver- 3. diese besser aufeinander abzustimmen. ändern und die Wirkungen in der Breite an- kommen. Diese globalen Befunde gelten auch Bezüglich des ersten Ziels erreichte das Vor- für die lokale Ebene. Kapazitätsbildung und haben wesentliche Verbesserungen. Die Pläne partizipative Planung sowie die Einbeziehung konnten jedoch aufgrund von kaum veränder- verschiedener Akteure auf Provinz- und Regio- baren Mandaten nur in Ansätzen vereinheit- nalebene führten bei der Landnutzungsplanung licht werden. Hinsichtlich des dritten Ziels gab auf den Philippinen zu Bewusstseinsverände- es Fortschritte, denn wichtige Ansätze des rungen hin zur Integration aller Gemeindeöko- Vorhabens zur Landnutzungsplanung wurden systeme (from ridge to reef) und zu evidenz- in nationale Richtlinien übernommen und basierter Planung. Die enge Zusammenarbeit konnten so verstetigt und auf andere Landes- mit der nationalen Planungsbehörde und die teile ausgeweitet werden. Einbeziehung beteiligter Behörden in die Der Vergleich verschiedener Vorhaben Ausarbeitung der nationalen Richtlinien waren im Rahmen der Evaluierungssynthese zeigte, unerlässlich für Ownership und eine Veranke- dass Projekten mit einer Laufzeit von 13 Jahren rung in nationale Prozesse und Regularien. So am wahrscheinlichsten eine gute Dauerhaftig- zeigt dieses Fallbeispiel ebenso wie die Ergeb- keit bescheinigt wird. Bei länger andauernden nisse der Evaluierungssynthese, dass intensive Vorhaben sinkt diese Bewertung wieder. Dau- Kapazitätsbildungsmaßnahmen auf mehreren erhafte Wirkungen brauchen folglich eine Ebenen und eine enge Zusammenarbeit mit gewisse Zeit, um sich zu entwickeln, lassen nationalen Behörden die Dauerhaftigkeit von sich jedoch auch nicht unbegrenzt steigern. Wirkungen erhöhen können. 86 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Die finanziellen, personellen und institutionellen Kapazitäten der Partner und Träger beein- flussen die Dauerhaftigkeit von Vorhaben erheblich.

Fazit Erstens unterliegt die Dauerhaftigkeit ent- wicklungspolitischer Vorhaben vielfältigen Einflüssen. Den Großteil können die Vorha- ben jedoch (mit-)gestalten. Insofern ist die Dauerhaftigkeit von Vorhaben kein zufälliges Ereignis, sondern kann durch gute Steuerung Kapazitäten der Partner und Träger und Implementierung erarbeitet werden. Auch die finanziellen, personellen und institu- Gleichzeitig unterliegen alle Vorhaben nicht tionellen Kapazitäten der Partner und Träger oder wenig beeinflussbaren Kontextbedin- wirken sich stark auf die Dauerhaftigkeit von gungen. Diese können mitunter einen wichti- Vorhaben aus. Nach deren Ende sind sie für gen Einfluss ausüben und sollten dement- den dauerhaften Erhalt der Leistungen und sprechend in die Nachhaltigkeitserwartung Wirkungen verantwortlich. Die Ergebnisse der der Vorhaben einbezogen werden. In Anbe- Evaluierungssynthese des DEval zeigen, dass tracht zunehmender (politischer) Unsicher- hier konsequenterweise auch ein Zusammen- heit in den Partnerländern der deutschen hang mit dem Betrachtungszeitraum besteht. Entwicklungszusammenarbeit sollten allzu Die signifikante Bedeutung der Partnerkapazi- hohe Nachhaltigkeitserwartungen stets kri- täten zeigt sich vor allem in Evaluierungen, tisch hinterfragt werden. die deutlich nach Ende der Vorhaben erfolgen. Zweitens sollten die Wirkungen von Auf den Philippinen führte die Aufnahme Vorhaben konsequent auf besonders dauer- wesentlicher Punkte des entwicklungspoliti- hafte Ziele hin ausgerichtet werden. Eigenver- schen Vorhabens in die nationalen Richtlinien antwortung und Breitenwirksamkeit sollten zu einer Verstetigung der Maßnahme. Aller- feste Bestandteile von Wirkungslogiken sein dings mussten die Partner im Vergleich zu und entsprechend prioritär gefördert werden. vorher mit weniger Ressourcen auskommen. Um die Möglichkeiten auszuschöpfen, dass Die Projektverantwortlichen sollten somit Vorhaben möglichst dauerhafte Wirkungen frühzeitig während der Planung und Umset- erzielen, müssen sich alle relevanten Akteure Dr. Martin Noltze zung versuchen, die Vorhaben in die Struktu- fortlaufend mit den Einflussfaktoren der DEval-Teamleiter ren der Partner zu integrieren, sowie deren Nachhaltigkeit, den sich stetig verändernden Dr. Gerald Leppert Kapazitäten im Blick haben und angemessen Rahmenbedingungen und neuen entwick- DEval-Teamleiter fördern. lungspolitischen Ansätzen befassen. ■ DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 87

; Mit Geodaten Nachhaltigkeit messen

Mit Daten, die über einen längeren Zeitraum erhoben wer- ausgelegt sind, ist die Messung nachhaltiger Wirkungen den, lässt sich die Dauerhaftigkeit einer Entwicklungsmaß- mithilfe von Geodaten schwieriger. Aber auch hier werden nahme messen. Je größer die untersuchte geografische zukunftsfähige Lösungen entwickelt. So kann etwa sozio- Region und je höher die Anzahl der Messzeitpunkte, desto ökonomischer Wandel indirekt über physische Veränderun- komplexer und kostenintensiver wird der Nachweis dauerhaf- gen gemessen werden. ter Wirkungen. Geodaten, die oft kostenlos verfügbar sind, bieten hier eine gute Option. Mehr nächtliches Licht: Indikator für Entwicklung? Ein Beispiel dafür ist nächtliches Licht. Über Satellitenbilder Mehr Satelliten, genauere Bilder der nächtlichen Lumineszenz können nachhaltige Verände- Die geografische Auflösung von Satellitenbildern hat sich in rungen des sozio-ökonomischen Status der Bevölkerung den vergangenen Jahren drastisch verbessert und inzwischen geschätzt werden. Die Grundannahme ist hierbei, dass ein können auch lokale Phänomene mit zunehmender Genauig- Anstieg in der Lichtintensität ein Zeichen erhöhten Energie- keit gemessen und überwacht werden. Zudem ist die Anzahl verbrauchs, stärkerer industrieller Aktivität und somit besse- der verfügbaren Satelliten angestiegen und die Erdumrun- rer Lebensumstände darstellt. Es gehört zur guten Evaluie- dungszeiten sind kürzer geworden. So lassen sich mit Satelli- rungspraxis, solche Annahmen durch zusätzliche qualitative tendaten Veränderungen über lange Zeiträume beobachten. und quantitative Verfahren zu validieren und gegebenenfalls an den Einzelfall anzupassen. Wirkungen direkt und indirekt erfassen Eine Voraussetzung für die Nutzbarkeit von Geodaten ist Die Karten unten zeigen die nächtliche Lumineszenz des allerdings, dass die zu messenden Programmeffekte und Kantons Montes de Oro in Costa Rica. Die jährliche Lumines- Auswirkungen physisch erfassbar sind. Zum Beispiel eignen zenz ist hier von 2015 bis 2016 um 1,1 Prozent angestiegen. sich Geodaten ideal, um die Nachhaltigkeit von Projekten zur Dies kann als Indikator für eine Verbesserung der Lebensum- Wiederaufforstung oder zum Infrastrukturausbau zu messen. stände gesehen werden. Die grafische Darstellung ermöglicht Wenn Entwicklungsmaßnahmen auf politische Veränderun- eine präzise räumliche Zuordnung der jährlichen Veränderun- gen, Wissensausbau oder sozio-ökonomische Verbesserungen gen in Lumineszenz.

Nächtliche Lumineszenz des Kantons Montes de Oro, Costa Rica

Strahlungsintensität Differenz (Nanowatt/cm2) 2016 – 2015

0 -4 3,33 -2 6,67 -1 10 -0.5 13,3 0 16,7 0.5 20 1 23,3 2 26,7 4 30 7

2015 2016 Veränderung der Dr. Raphael Nawrotzki Lumineszenz DEval-Evaluator Quelle: Earth Observation Group (EOG) der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) (eigene Darstellung). 88 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Budgethilfe: dauerhafte Wirkungen durch mehr Eigenverantwortung

Die Budgethilfe entwickelte sich zu Beginn Teil aus und stellten schließlich nahezu alle des Jahrtausends zu einem beliebten Ansatz Programme der allgemeinen Budgethilfe bis entwicklungspolitischer Geber. Aufgrund 2013 komplett ein. Auch Deutschland, das ihres integrierten und partizipativen Charak- über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ters galt sie auch für die deutsche Entwick- Länder mit Budgethilfe unterstützte, hat die lungszusammenarbeit als vielversprechendes Verwendung allgemeiner Budgethilfe in den Instrument zur Umsetzung zentraler Wirk- Partnerländern eingestellt. Aktuell gewinnen samkeitsprinzipien, die auch in der Agenda der Budgethilfe ähnliche Modalitäten in der 2030 verankert sind. Diese sind Diskussion um die Finanzierung der Reform- 1. Eigenverantwortung der partnerschaften jedoch wieder an Bedeutung. Partnerregierungen, 2. Ausrichtung der Programme an den Strate- Dauerhafte Wirkungen gien und Verfahren der Partnerregierungen, durch mehr Eigenverantwortung? 3. Harmonisierung von Programmen und Angesichts der anhaltenden Debatte zur Verfahren der Geber, Budgethilfe und deren Wirkungen führte das 4. Ergebnisorientierung und DEval eine Evaluierung zu den Effekten von 5. gegenseitige Rechenschaftspflicht. Budgethilfe-Programmen und eine darauf aufbauende Evaluierung zur Nachhaltigkeit Neben der effektiven Umsetzung der Wirk- der Effekte nach dem Ausstieg aus der Mo- samkeitsprinzipien versprach der Einsatz der dalität durch. Die erste Evaluierung zeigte, Budgethilfe und der damit einhergehenden dass Budgethilfe in vielen Bereichen positive Geberharmonisierung vor allem, die hohe Effekte erzielte und damit zur Erfüllung der Fragmentierung der Entwicklungszusammen- Wirksamkeitsprinzipien beitrug. Zum Beispiel arbeit und damit Transaktionskosten zu erhöhte sie die Harmonisierung der Geber senken. und die Eigenverantwortung der Partnerre- gierungen und richtete die Programme besser Was ist Budgethilfe? an den Strategien und Verfahren der Partner Laut OECD ist Budgethilfe eine „Methode aus. zur Finanzierung des Haushalts eines Partner- Auf dieser Basis untersuchte das DEval landes durch den Ressourcentransfer von in einer zweiten Evaluierung, inwieweit die einer externen Finanzagentur an den natio- erzielten Effekte erhalten blieben, als die Bud- nalen Haushalt der Partnerregierung“. Zur gethilfe von einzelnen Gebern oder der ganzen Erhöhung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit Gebergruppe in einem Land beendet wurde. von Maßnahmen ergänzten die Geber ihre Die Ergebnisse der Evaluierung weisen ein finanzielle Unterstützung mit einem politi- differenziertes Bild auf. Während der Ausstieg schen Dialog, mit Konditionalität, Technischer aus der Budgethilfe deren positive Wirkungen Zusammenarbeit und Kapazitätsentwicklung. auf den Politikdialog und die Geberharmoni­ Zahlreiche Geberländer gerieten in den sierung zunichtemachte, blieben die Effekte in 2000er-Jahren jedoch infolge verschiedener den Bereichen innerstaatliche Rechenschaft, Skandale in den Partnerländern unter Rechen- Bereit­stellung öffentlicher Dienstleistungen schaftsdruck, setzten ihre Budgethilfe zum sowie Nicht-Einkommens­armut bestehen. DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 89

Hierbei gab es deutliche Unterschiede zwi- strategische Politikgestaltung und auf überge- schen den Fallstudienländern, welche sich in ordnete Regierungsfragen des Partnerlandes vielen Fällen auf den Grad der Eigenverant- Einfluss zu nehmen sowie die Eigenverantwor- wortung der Partnerregierung zurückführen tung der Partnerregierung zu fördern. Der lassen. Die Dauerhaftigkeit der Wirkungen von hiermit einhergehende Verlust an gegenseiti- Budgethilfe ist in jenen Ländern hoch, in de- ger Rechenschaftspflicht führt wiederum nen die Partnerregierungen Reformen stark dazu, dass der Reformwille der Partnerregie- vorantreiben. rungen nachlässt.

Teils unkoordinierter Vermehrt integrierte Ausstieg gefährdet Nachhaltigkeit politikbasierte Ansätze nutzen Der umfassende, teils unkoordinierte Ausstieg Mit Blick auf die Nachhaltigkeit sollten ent- aus der Budgethilfe ging in vielen Bereichen wicklungspolitische Geber vermehrt inte­grier­ über den Verlust einzelner Effekte hinaus und te politikbasierte Ansätze wie die Budgethilfe wirkte sich auf die Qualität der Entwicklungs- nutzen, die die Entwicklungsstrategien der zusammenarbeit insgesamt aus. Insbesondere Partner unterstützen und eine gemeinsame verminderte er die Harmonisierung zwischen koordinierte Umsetzung entwicklungspoliti- Gebern und verstärkte die Fragmentierung scher Ziele gewährleisten. Zudem sollten die der Geber-Portfolios. Geber- und Partnerregierungen bereits zu Diese zunehmende Fragmentierung Beginn Strategien für einen koordinierten sowie die Re-Bilateralisierung der Zusammen- und klar gesteuerten Ausstieg aus solchen arbeit sind für die Nachhaltigkeit und Wirk- Ansätzen entwickeln, um sicherzustellen, samkeit der Entwicklungszusammenarbeit dass erzielte Effekte aufrechterhalten und Magdalena Orth problematisch, weil sie aus Gebersicht insbe- negative Auswirkungen möglichst gering­ DEval-Teamleiterin sondere die Möglichkeiten reduzieren, auf die gehalten werden. ■

Die Dauerhaftigkeit der Wirkungen von Budgethilfe

Politikdialog Gute Evidenzbasis

Harmonisierung und EZ-Portfolio Mittlere Evidenzbasis Schwache Evidenzbasis Staatsausgaben

Synthetisierte Öffentliches Finanzwesen Auswirkung des stark positiver/ Evidenz zu Effekten Ausstiegs aus der negativer Effekt der Budgethilfe Innerstaatliche Rechenschaft und Budgettransparenz Budgethilfe

Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen überwiegend positiver/ negativer Effekt Nicht-Einkommensarmut keine oder Wirtschaftliche Leistung gegenläufige Effekte

Quelle: Orth, M., M. Birsan und G. Gotz (2018), The Future of Integrated Policy-Based Development Cooperation. Lessons from the Exit from General Budget Support in Malawi, Rwanda, Uganda and Zambia, DEval, Bonn, S. xii. 90 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

; Wie lässt sich Dauerhaftigkeit messen?

Um zu messen, wie dauerhaft die Effekte der Budgethilfe Um zu messen, ob die Effekte durch den Ausstieg aus der sind, verglich das DEval in seiner Evaluierung zum Ausstieg Budgethilfe entstanden sind, nutzte die Evaluierung ein aus der Budgethilfe deren Auswirkungen vor und nach ihrer vergleichendes Fallstudiendesign. Sie untersuchte die Auswir- Beendigung und analysierte, ob die beobachteten Verände- kungen des Ausstiegs aus der Budgethilfe in Malawi, Ruanda, rungen nach dem Ausstieg tatsächlich diesem zuzuordnen Sambia und Uganda. Ergänzt wurde dieses Vorgehen durch sind. Den Ausgangspunkt bildete eine vorangegangene ein sogenanntes Process Tracing. Dabei werden auf Basis Evaluierungssynthese des DEval, die die vorhandene Literatur vorhandener Literatur und Dokumentation hypothetische zu den Effekten der Budgethilfe systematisch analysierte, die Kausalmechanismen entworfen, deren Existenz im nächsten während der Budgethilfe-Programme erzielt wurden. Schritt durch Interviews getestet wird. Während vergleichen- de Fallstudiendesigns vor allem zur umfassenden Analyse Eine zweite Evaluierung untersuchte die Effekte nach dem komplexer Interventionen geeignet sind, kann der Process- Ausstieg aus der Modalität. Auf dieser Basis wurde die Dauer- Tracing-Ansatz mit hoher Zuverlässigkeit Kausalzusammen- haftigkeit der während der Budgethilfe-Programme erreich- hänge bestimmen. Die Kombination der beiden Methoden ten Effekte gegenüber der Zeit nach dem Ausstieg überprüft. ermöglichte einen Vergleich zwischen den Fällen und gewähr- Beim Vergleich der Effekte vor und nach dem Ausstieg stellt leistete gleichzeitig die interne Validität der Ergebnisse, sich die Frage, ob die beobachteten Effekte nach dem Aus- womit evidenzbasierte Aussagen zur Dauerhaftigkeit der stieg tatsächlich der Budgethilfe zugeschrieben werden durch Budgethilfe-Programme erzielten Effekte getroffen können und ob somit Aussagen über deren Dauerhaftigkeit werden können. nach dem Ausstieg getroffen werden können. Für die Mes- sung der Dauerhaftigkeit der Effekte ist dies von Bedeutung, da ausgeschlossen wird, dass die Effekte beispielsweise über die generell verbesserte sozio-ökonomische Situation zustan- de gekommen sind.

Magdalena Orth DEval-Teamleiterin

Komponenten der Methodik

Methode Inhalte Ziel

Vergleichende Fallstudien Kriterienbasierte Fallauswahl, Anpassung der größtmögliche externe Validität Interventionslogik auf Grundlage der anerkannten Theory of Change für Budgethilfe (OECD DAC, 2012)

Process Tracing Testen von hypothetisierten Mechanismen in größtmögliche interne Validität Fallstudien anhand von Interviews

„Quasi-counterfactual“ Vorher-Nachher-Vergleich zwischen erhöht Verlässlichkeit der Ergebnisse Ergebnissen der Evaluationssynthese und dieser Evaluierung

Methodik Malawi Uganda Ruanda Sambia Vergleichende Fallstudie in …     Process Tracing zur zusätzlichen Überprüfung   der Attribution in …

Quelle: eigene Darstellung.

Teil 3

Ausblick

Kapitel 3

Ausblick

Mit der Agenda 2030 hat sich die internationale Gemeinschaft einen ambitionierten Referenzrahmen geschaffen. Trotz einiger Anstrengungen ist in der Entwicklungspolitik und Entwicklungs­ zusammenarbeit die Kluft zwischen den hohen strategischen Ansprüchen der Agenda und ihrer Umsetzung noch zu groß. Um sie zu schließen, muss die Entwicklungszusammenarbeit ihre Strategien zur Agenda 2030 stärker in ihren Programmen und Projekten Wirklichkeit werden lassen. Evaluierung muss noch interdisziplinärer werden und die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Methoden besser nutzen. Nur so kann sie ihre Schlüsselrolle für die Umsetzung der Agenda 2030 ausfüllen. 96 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Was jetzt zu tun ist Vier Jahre nach Inkrafttreten der Agen- da 2030 zeichnen sich erste Erkenntnisse ab, wie die internationale und deutsche EZ mit Mit der Agenda 2030 wurde Nachhaltigkeit den neuen Ansprüchen und Herausforderun- zum Leitprinzip globaler Entwicklung erhoben. gen umgeht und Nachhaltigkeit im Sinne der Ausgehend von einem Entwicklungsverständ- Agenda befördert. Dabei stellt sich nicht nur nis, das wirtschaftliches Wachstum mit sozialer die Frage, ob und wie die Weltgemeinschaft Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda erreicht, vereint, gibt die Agenda einen übergeordneten sondern auch, inwieweit sie deren grundlegen- Handlungsrahmen vor, der für alle Länder der de Handlungsprinzipien berücksichtigt und Welt gilt und die internationale Staatengemein­ welche Rolle Evaluierung in diesem Kontext schaft und insbesondere die Entwicklungszu- einnimmt. Aus den Beiträgen dieses Berichts sammenarbeit vor große Herausforderungen lassen sich drei zentrale Handlungsaufträge stellt. für die EZ und deren Evaluierung ableiten: Diese werden umso deutlicher, da die Agenda in einer Zeit umgesetzt werden muss, 1. Positive Dynamiken für nachhaltige in der die Weltgemeinschaft durch globale Entwicklung weiter stärken politische und ökonomische Dynamiken ge- Die Agenda 2030 hat eine breite Diskussion prägt ist, welche den Entwicklungsansprüchen in Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft der Agenda zuwiderlaufen. Zwar unterstützt darüber in Gang gesetzt, wie EZ zukünftig ein großer Teil der deutschen Bevölkerung gestaltet werden muss, um nachhaltige Ent- den Grundgedanken der globalen Gerechtig- wicklung in ihrer Multidimensionalität zu keit (; Kapitel 2.3), aber die in den letzten befördern. Einigkeit besteht insbesondere Jahren zunehmenden nationalistischen Bestre- hinsichtlich der Notwendigkeit, grenzüber- bungen vieler Staaten und die damit einherge- schreitend zu handeln und globale Partner- hende Krise des Multilateralismus stehen den schaften zur Erreichung der ambitionierten globalen Handlungsansprüchen der Agenda Ziele zu etablieren. Die Ziele und Prinzipien entgegen. der Agenda haben zunehmend Eingang in In vielen Geberländern sind zudem politische Strategien und Konzeptpapiere nationale Eigeninteressen wieder vermehrt gefunden. Ein Fokus der deutschen Entwick- in den Vordergrund der EZ getreten, was die lungspolitik liegt auf dem Prinzip der gemein- Harmonisierung und Arbeitsteilung der Länder samen Verantwortung und damit verbunden untereinander erschwert. So wird Entwick- der Ausgestaltung neuer Kooperationsformen lungspolitik nicht nur als Instrument zur Be­ und Partnerschaften sowohl mit staatlichen förderung globaler nachhaltiger Entwicklung als auch nichtstaatlichen Akteuren. Beispiele verstanden, sondern wieder verstärkt für die dafür sind Dreieckskooperationen und öffent- Umsetzung nationaler Ziele eingesetzt. Be- lich-private Mischfinanzierungen blended( sonders deutlich wird dies im Rahmen der finance), die verstärkt vorangetrieben werden Migrationsdebatte, die in Deutschland wie (; Kapitel 2.3). Die Anerkennung von Wech- auch in anderen Staaten Entwicklungspolitik selwirkungen zwischen den Nachhaltigkeitsdi- stark beeinflusst. mensionen und den einzelnen Zielen hat zur DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 97

Folge, dass Forschungsergebnisse aus unter- 1.2). Dabei wird nicht eine spezifische Metho- schiedlichen Fachbereichen in die Debatte de in den Vordergrund gestellt, sondern die einfließen und damit in der EZ bislang ver- Kombination und Integration verschiedener nachlässigte Themen wie die Messung von Methoden sowie interdisziplinäre, theorie­ Naturkapital verstärkt Eingang in den inter­ basierte Evaluierung und Wissensaustausch nationalen Diskurs finden ;( Kapitel 2.2). gelten als besonders zielführend. Die Verpflichtung, die Fortschritte bei der Zielerreichung regelmäßig zu überprüfen, 2. Diskrepanzen zwischen strategischen hat die Bedeutung von Evaluierung sowohl Ansprüchen und Umsetzung reduzieren international als auch in der deutschen EZ Das wachsende Engagement für eine zukunfts- gestärkt. Wichtige Maßnahmen auf internatio- fähige, nachhaltige Entwicklung, welches die naler Ebene sind hierbei die freiwilligen Staa- Agenda 2030 entfaltet hat, sollte nicht darü- tenberichte (Voluntary National Reviews, VNR) ber hinwegtäuschen, dass die Agenda keine zur Umsetzung der SDGs im Rahmen des Blaupause für die Erreichung nachhaltiger High-level Political Forum on Sustainable Entwicklung ist und der diesbezügliche Ein- Development (HLPF) der Vereinten Nationen. fluss der EZ begrenzt bleibt. Es besteht eine Im deutschen Kontext ist das BMZ bestrebt, deutliche Diskrepanz zwischen Ansprüchen intern seine Monitoring- und Evaluierungs­ und Umsetzung, die sich zum Beispiel bei der systeme auszubauen, seine Politik stärker Umsetzung des Prinzips „Niemanden zurück- evidenzbasiert zu gestalten und seine Partner- lassen“ zeigt (; Kapitel 2.1). Zwar wurden länder in ihren Bemühungen zur Rechen- strategische Prozesse eingeleitet, aber die schaftslegung zu fördern (; Kapitel 1.1). Das Umsetzung ist bislang begrenzt, auch weil DEval unterstützt diese Prozesse im Rahmen häufig der politische Wille oder die Ressour- der Entwicklung von Standards und Methoden, cen fehlen, um die notwendigen Maßnahmen etwa bei der Einführung von Länderportfolio- in Gang zu setzen. Zwei Aspekte sind dabei reviews, bei der Überarbeitung der Evaluie- hervorzuheben: rungskriterien (; Kapitel 1.1 und 1.2) sowie mit Erstens offenbart die Agenda 2030 seiner Arbeit im Bereich Evaluation Capacity einige Schwächen, auch wenn sie eine starke Development (; Kapitel 2.4). Vision für nachhaltige Entwicklung darstellt Auch innerhalb der Evaluierungsge- und mit ihrem universellen Anspruch wichtige meinschaft führt die mit der Agenda einher­ Aspekte globaler Interdependenzen aufgreift, gehende strategische Aufwertung von Evalu- die bislang vernachlässigt wurden. So bestehen ierung zu weitreichenden Veränderungen. sowohl zwischen den Zielen als auch zwischen Dies zeigt sich an der Überarbeitung der den Prinzipien der Agenda 2030 inhärente OECD-DAC-Evaluierungskriterien, die an die Zielkonflikte, die sich nicht einfach auflösen Erfordernisse der Agenda angepasst werden, lassen. Die Forderung, dass kein Ziel zu Lasten sowie an verstärkten Methodendiskussionen, eines anderen erreicht werden soll, ist in sei- die zunehmend interdisziplinär geführt wer- ner Gesamtheit kaum realisierbar. Dies zeigt den und nicht zuletzt aufgrund technologi- sich etwa, wenn sich innovative Technologien scher Fortschritte das bislang übliche Metho- zur Förderung erneuerbarer Energien oder zur den-Spektrum deutlich erweitern (; Kapitel Ernährungssicherung negativ auf globale 98 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Ökosysteme auswirken (; Kapitel 2.2). Oder lichkeiten begrenzt. Viele Herausforderungen, wenn sich Kooperationen mit neuen Akteuren die die Agenda 2030 für die EZ mit sich bringt, aus der Privatwirtschaft auf wirtschaftlich sind altbekannt. Dennoch konnten sie bislang attraktivere Sektoren und Länder konzentrie- nicht adäquat gelöst werden und haben sich ren und ärmere Regionen und marginalisierte in den letzten Jahren teilweise weiter ver- Bevölkerungsgruppen eher vernachlässigen schärft. So agierte die Entwicklungspolitik (; Kapitel 2.3). Um mit diesen Zielkonflikten auch in der Vergangenheit nicht unabhängig adäquat umgehen zu können, die Prinzipien von anderen Politikfeldern und angestrebte umzusetzen und komplexe Spannungsfelder Koordinierungs- und Abstimmungsprozesse angemessen zu adressieren, bedarf es einer blieben hinter den Erwartungen zurück, da stärkeren inhaltlichen Auseinandersetzung mit nationale Interessen häufig im Vordergrund den Prinzipien, innovativer Konzepte und standen. Dies zeigt sich etwa bei der Auswahl flexiblerer Herangehensweisen. der Partnerländer, die nicht nur von deren Mit ihrem Anspruch, Komplexität Rech- Bedürftigkeit, sondern häufig auch von strate- nung zu tragen, gibt die Agenda zudem einen gischen, geopolitischen und ökonomischen umfassenden Handlungsrahmen vor, ohne Interessen der Geberländer abhängt. dabei konkrete Vorgaben für die Umsetzung Auch die Forderung nach mehr Politik­ zu machen. Dies ermöglicht große Spielräume: kohärenz und Harmonisierung ist nicht neu. Einzelne Länder können sich auf die SDGs So hat sich bereits seit Beginn der 2000er Jahre konzentrieren, die sie mit ihren nationalen mit der Wirksamkeitsdebatte die Erkenntnis Interessen am besten in Einklang bringen durchgesetzt, dass ein abgestimmtes Vorgehen können. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich die der Geber für die Wirksamkeit der EZ von gro- Prioritäten von politischen Entscheidungstra- ßer Bedeutung ist. Die vor diesem Hintergrund genden, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und eingeleiteten Maßnahmen zur stärkeren Har- entwicklungspolitischen Gebern teilweise monisierung und zur Verringerung von Prolife- erheblich unterscheiden (; Kapitel 2.3). Eine ration und Fragmentierung blieben jedoch sinnvolle Arbeitsteilung und Koordination der weitgehend hinter den Er­wartungen zurück Geber untereinander sowie mit anderen Län- und haben in der entwicklungspolitischen De- dern und nichtstaatlichen Akteuren ist vor batte wieder an Gewicht verloren. Beispiele diesem Hintergrund schwer zu verwirklichen hierfür sind die vielfach gescheiterten Bestre- und setzt voraus, dass Geber ihre eigenen bungen für gemeinsame Programmplanung Interessen zurückstellen. (Joint Programming), die rückläufige Anzahl Schließlich wurden wichtige Aspekte von Gemeinschaftsevaluierungen (Joint Evalua- wie globale Veränderungen durch die Digitali- tions) sowie die Abkehr vieler Geber von pro- sierung und die Inwertsetzung globaler öffent- grammbasierten Ansätzen wie der Budgethilfe, licher Güter in der Agenda bislang vernach­ obwohl diese vielfach zu einer stärkeren Eigen- lässigt (; Kapitel 1.1 und 2.1). verantwortung der Partner und letztendlich Zweitens kommt der EZ zwar eine wich- auch zu einer verbesserten Nachhaltigkeit von tige Rolle bei der Umsetzung der Agenda zu, Entwicklungsmaßnahmen führte (; Kapitel 1.2 sie ist gleichzeitig aber in ihren Handlungsmög­- und 2.5). DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 99

Allen voran Regierungen sowohl der traditionellen Geber als auch der Partnerländer sowie internati­ onale Organisationen müssen die Rolle der EZ neu definieren und

3. Evaluierung weiterentwickeln und dabei ihre EZ-Instrumente und Methodenvielfalt zur Überprüfung von Förderansätze weiterentwickeln. Nachhaltigkeit nutzen Evaluierung nimmt eine Schlüsselfunktion für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung ein. Vor dem Hintergrund des komplexen Zielsys- tems der Agenda 2030, begrenzter finanzieller Ressourcen und eines zunehmenden Legiti­ wicklung ist der Wissenstransfer und die Ver- mationsdrucks der EZ hat sie die Aufgabe, netzung mit Wissenschaft und Forschung in Evidenzen für eine nachhaltige Politikgestal- anderen Fachbereichen. tung bereitzustellen und zu überprüfen, inwie- Angesichts der zunehmenden Komple- weit dauerhafte Veränderungen hin zu einer xität der EZ, die einhergeht mit hohen Anfor- Entwicklung erzielt wurden, die wirtschaftli- derungen an globales Handeln, Arbeitsteilung ches Wachstum mit ökologischer und sozialer und Harmonisierung und damit verbunden Entwicklung vereint. Dabei gilt es insbesonde- auch an eine gemeinsame Rechenschafts­ re auch die Einflussfaktoren der Nachhaltig- legung der beteiligten Akteure, ist die Durch- keit zu analysieren und allzu hohe Nachhaltig- führung politikfeldübergreifender Evaluierun- keitserwartungen kritisch zu hinterfragen gen und gemeinsamer Evaluierungen mit (; Kapitel 2.5). Partnern auf internationaler Ebene (Joint Um diesen Zweck zu erfüllen und Evaluations) umso wichtiger geworden. Solche Nachhaltigkeit in seiner Mehrdimensionalität Ansätze waren in der Vergangenheit nicht erfassen und bewerten zu können, muss Eva- zuletzt wegen des hohen Koordinierungsauf- luierung vielfach interdisziplinärer werden wands und der hohen Transaktionskosten und die bestehende Methodenvielfalt stärker nicht sehr erfolgreich. Hier gilt es neue Wege nutzen. So kann sie robustere und nützlichere und Möglichkeiten für Kooperationen zu Evidenz über Wirkungen und Nachhaltigkeit finden. der EZ bereitstellen. Der Einsatz von Geodaten Evaluierung sollte in allen Ländern – in in Kombination mit Social-Media-Daten oder Industrieländern ebenso wie in Entwicklungs- Ansätzen des maschinellen Lernens (machine und Schwellenländern – breit verankert werden learning) sind erst der Beginn einer Entwick- und so eine evidenzbasierte Politikgestaltung lung, die zukünftig an Bedeutung gewinnen fördern. Der Aufbau von Evaluierungskapazi- wird. Dabei gilt es, geeignete Methoden sinn- täten ist dabei ein zentrales Handlungsfeld, voll zu kombinieren und kontinuierlich weiter- um die Eigenverantwortung der Länder zu zuentwickeln. Dies beinhaltet systemische stärken und deren Rechenschaftslegung zu Ansätze und Netzwerkanalysen ebenso wie verbessern. Dass dies trotz vieler struktureller die Durchführung von experimentellen und Herausforderungen für evidenzbasierte Poli- quasi-experimentellen Wirkungsevaluierungen tikgestaltung und Rechenschaftslegung mög- sowie partizipative Evaluierungen unter Ein­ lich ist, zeigen die deutlichen Fortschritte beziehung lokaler Akteure (; Kapitel 2.4). in Ländern wie Costa Rica und Mexiko Grundlage für die methodische Weiterent­- (; Kapitel 2.4). 100 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

Evaluierung kann und muss Politik und Gesellschaft passgenaue und wissen­ schaftlich fundierte Informa­ tionen darüber bereitstellen, Fazit Die Botschaft der Agenda 2030 ist klar: Nur inwieweit Fortschritte im wenn jeder Einzelne, Regierungen und nicht- Sinne einer nachhaltigen staatliche Akteure ihren Beitrag zur Umset- Entwicklung erzielt werden. zung der Agenda leisten, kann nachhaltige Entwicklung erreicht werden. Die oben ge- nannten Handlungsaufträge machen die Her- ausforderungen für die EZ und deren Evaluie- rung deutlich. Die EZ verfügt über gute Voraussetzun- gen, um positive Dynamiken für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Sie kann nicht nur unmittelbar die nachhaltige Entwicklung in den EZ-Partnerländern des globalen Südens unterstützen, sondern liefert auch Beiträge, um globale Herausforderungen wie den Klima­ wandel oder die Verschmutzung der Meere anzugehen. Angesichts eines veränderten Rahmens globaler Zusammenarbeit für nach- haltige Entwicklung müssen jedoch die verant- wortlichen Akteure – allen voran Regierungen und internationale Organisationen – die Rolle der EZ neu definieren. Dabei müssen sie die ­beziehungen Nachhaltigkeit in ihren verschie- bestehenden EZ-Instrumente und Förderan- denen Dimensionen beeinflussen. Evaluierung sätze weiterentwickeln und damit die Umset- ist zudem ein wichtiges Instrument, um die zung der Agenda 2030 – insbesondere ihrer Erfahrungen zur Umsetzung der Agenda 2030 handlungsleitenden Prinzipien – politikfeld- systematisch und strategisch zu analysieren übergreifend voranbringen. Eine wichtige und aufzuarbeiten und somit gemeinsames Aufgabe ist die Unterstützung transnationaler Lernen zu ermöglichen. Dabei gilt es nicht nur, Vernetzung und Kooperationen im Sinne der geeignete Wege zur Umsetzung von (Entwick- Agenda 2030, um kollektives Handeln für lungs-)Maßnahmen zu identifizieren, sondern nachhaltige Entwicklung zu fördern und grenz- auch mögliche Zielkonflikte und Grenzen der überschreitende Lösungsansätze für globale Einflussnahme aufzuzeigen. Herausforderungen zu entwickeln. Das DEval beteiligt sich an diesem Evaluierung kann und muss ihren Teil Prozess, indem es mit seinen strategischen zur Umsetzung der Agenda beitragen, indem Evaluierungen übergreifendes, öffentlich zu- sie Politik und Gesellschaft passgenaue und gängliches Wissen generiert. Damit unter- Kirsten Vorwerk wissenschaftlich fundierte Informationen stützt es die deutsche EZ, ihre Maßnahmen DEval-Evaluatorin darüber bereitstellt, inwieweit Fortschritte im stärker auf die Förderung nachhaltiger Ent- Dr. Marcus Kaplan Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erzielt wicklung im Sinne der Agenda 2030 auszu- DEval-Teamleiter werden und welche Faktoren und Wechsel- richten. 102 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

; Organigramm des DEval

Gesellschafter­ versammlung Bundesrepublik Deutschland Beirat (BMZ) Vorsitz: Norbert Hauser

Beauftragte Presse- und Geschäftsführung Öffentlichkeitsarbeit Datenschutz Prof. Dr. Jörg Faust IT-Sicherheit Jelana Vajen Direktor Korruptionsprävention

Kompetenzzentrum Methoden (KZM) Dr. Sven Harten

Evaluation Capacity Development

Verwaltung Evaluierung I Evaluierung II Evaluierung III Anne Schönherr Staatliche EZ, Nachhaltige Wirtschafts- Zivilgesellschaftliche EZ, Governance und Sozialentwicklung entwicklungspolitische Dr. Stefan Leiderer N.N. Bildung Dr. Martin Bruder

Rigorose Wirkungsevaluierung

Die Evaluierungen, an denen die Abteilungen und das Kompetenzzentrum Methoden aktuell arbeiten, sind im ausführlichen Organigramm des DEval auf www.DEval.org/de/struktur.html aufgelistet.

Stand: Juli 2019 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 103

; Zahlen und Fakten

Norbert Hauser, Vorsitzender Vizepräsident des Bundesrechnungshofes a. D. Matern von Marschall, Stellvertretender Vorsitzender Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU) Susanne Frueh, Stellvertretende Vorsitzende Direktorin des Büros für Interne Aufsicht der UNESCO und Vorsitzende der UN-Evaluierungsgruppe 10.000 Prof. Dr. Jan Börner Professor für Ökonomik Nachhaltiger 9.000 Landnutzung und Bioökonomie, Universität Bonn 8.000 Prof. Dr. Simone Dietrich

Professorin für Politische Wissenschaft und 7.000 Internationale Beziehungen, Universität Genf Albert Eiden 6.000 Stellvertretender Vorstandssprecher VENRO Quality Development Manager, Kindernothilfe Finanzielle Förderung (in Tausend Euro) 5.000

Dr. Peter Fischer-Bollin 2017 2018 2019 (Plan) 4.000 Stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Institutionelle Förderung Europäische und Internationale Zusammenarbeit, 3.000 Konrad-Adenauer-Stiftung 6.612 6.777 9.444 2.000 Stellverstretender Vorsitzender des Ausschusses Projektförderung* für wirtschaftliche Zusammenarbeit und 1.000 Entwicklung 729 734 1.102 Mitglied des Deutschen Bundestages (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) *Kapazitätsentwicklung für Evaluierung (2017 – 2019), 2017 2018 2019 Prof. Dr. Stephan Klasen Rigorose Wirkungsevaluierung (2018 – 2019) Professor für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Universität Göttingen Dorothee Mack Leiterin Bereich Evaluierung und Qualitätsmanagement, Misereor Mitglied des Deutschen Bundestages (FDP) Prof. Dr. Katharina Michaelowa Professorin für Entwicklungspolitik, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Universität Zürich inklusive Projektbeschäftigte, ohne Studentinnen/Studenten, Hilfskräfte und Praktikantinnen/Praktikanten*: Dr. Sabine Müller Bereichsleiterin Afrika, Deutsche Gesellschaft 12/2017 12/2018 06/2019 für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Geschäftsführung und Abteilungsleitungen 6 5 5 Mitglied des Deutschen Bundestages (AfD) Wissenschaftliche Beschäftigte 35,8 37,1 36,6

Dr. Projektadministration 4,8 5,35 4,6 Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD) Stabsstellen und Verwaltung 13,35 15,35 15,2 Roland Siller Mitglied der Geschäftsbereichsleitung, Summe 59,95 62,8 61,4 KfW Entwicklungsbank

Helin *in besetzten Stellenanteilen Mitglied des Deutschen Bundestages (DIE LINKE) 104 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN

; DEval-Publikationen 2017 – 2019 Auf die hervorgehobenen Publikationen nimmt dieser Bericht an der angegebenen Stelle Bezug.

Berichte

2019 (bis 9/2019) Meinungsmonitor Entwicklungs­ Lernen fördern. Transparenz schaffen. politik 2018: Einstellungen zu 5 Jahre DEval 2012 – 2017 Nachhaltigkeit gestalten. Entwicklungszusammenarbeit und DEval Die Agenda 2030 in der nachhaltiger Entwicklung Entwicklungszusammenarbeit, Sebastian Schneider, Solveig Gleser What we Know about the Themenschwerpunktbericht ; S. 64 – 65 Effectiveness of Budget Support: DEval Evaluation Synthesis Nachhaltigkeit in der deutschen Magdalena Orth, Johannes Schmitt, Länderportfolioreviews. Entwicklungszusammenarbeit: Franziska Krisch, Stefan Oltsch ; S. 88 –89 Ein Analyseinstrument für Evaluierungssynthese die deutsche Entwicklungs­- Martin Noltze, Michael Euler, Ida Verspohl Evaluierung des zusammenarbeit ; S. 84 – 86 develoPPP.de-Programms Christoph Hartmann, Miriam Amine, Christoph Hartmann, Felix Gaisbauer, Sarah Klier, Kirsten Vorwerk ; S. 22 – 23 Nachhaltigkeit in der deutschen Kirsten Vorwerk ; S. 68 – 69 Entwicklungszusammenarbeit:

Abwassermanagement in Meta-Evaluierung Provinzstädten in Vietnam Martin Noltze, Michael Euler, Ida Verspohl Lutz Meyer ; S. 32 – 33

2018 Building Bridges Between International Humanitarian and Zusammenarbeit mit der Development Responses to Forced Privatwirtschaft im Agrarsektor Migration. A Review of Conceptual in der deutschen Technischen and Empirical Literature with a Case Zusammenarbeit Study on the Response to the Syria Marcus Kaplan, Sabine Brüntrup- Crisis Seidemann, Nico Herforth ; S. 68 – 69 Alexander Kocks, Ruben Wedel, Hanne Roggemann, Helge Roxin ; S. 48 – 49 Impact, Diffusion and Scaling-Up of a Comprehensive Land-Use Planning Approach in the Philippines: 2017 From Development Cooperation to weltwärts-Freiwillige und ihr National Policies Engagement in Deutschland Gerald Leppert, Lena Hohfeld, Malte Lech, Jan Tobias Polak, Kerstin Guffler, Thomas Wencker ; S. 84 – 86 Laura Scheinert

The Future of Integrated Policy-Based Evaluierung des Aktionsplans des Development Cooperation: Lessons BMZ zur Inklusion von Menschen mit from the Exit from General Budget Behinderungen Support in Malawi, Rwanda, Uganda Thomas Schwedersky, Lena Ahrens, and Zambia Heike Steckhan ; S. 46 – 47 Magdalena Orth, Gunnar Gotz, Marius Birsan ; S. 88 – 89 DEval____ NACHHALTIGKEIT GESTALTEN 105

Policy Briefs

2019 (bis 9/2019)

Länderportfolioreviews. Zur Zukunft integrierter politik­ Wie wirksam ist die Budgethilfe Ein Analyseinstrument für die deutsche basierter Entwicklungszusammenarbeit als Modalität der Entwicklungs­- Entwicklungszusammenarbeit Magdalena Orth, Gunnar Gotz zusammenarbeit?­ Christoph Hartmann, Kirsten Vorwerk Magdalena Orth, Johannes Schmitt Stärkung von Evaluierungskapazitäten: The Geodata Decision Tree ein systemischer Projektansatz des Current Issues of the Philippine Land Using Geodata for Evaluations DEval in Lateinamerika Use Planning and Management System Raphael J. Nawrotzki Stefanie Krapp, Erwin Geuder-Jilg Malte Lech, Gerald Leppert

Wirkungen eines technischen Ansatzes Die Agenda 2030 in der öffentlichen 2017 der deutschen EZ zur Landnutzungs­ Meinung planung auf den Philippinen – Erkennt- Sebastian Schneider, Martin Bruder, Wie gelingt Mainstreaming nisse und Schlussfolgerungen für Maß- Solveig Gleser von Inklusion in der deutschen nahmen der ländlichen Entwicklung Entwicklungszusammenarbeit? Gerald Leppert, Malte Lech Lena Ahrens, Thomas Schwedersky, Die deutsche Entwicklungspolitik im Heike Steckhan Spiegel der Öffentlichkeit – der DEval- Text Mining in Evaluation Meinungsmonitor (Memo) Entwick- Andreas Niekler, Thomas Wencker lungspolitik 2018 Ein Interview mit Olga Marta Sánchez Sebastian Schneider, Martin Bruder, Oviedo, Planungsministerin von Costa 2018 Solveig Gleser Rica, und Jörg Faust, Direktor des DEval

Kooperation mit der Privatwirtschaft Evaluierung von Nachhaltigkeit in Integration der Instrumente der – geeignet, um Entwicklung im Zeiten der Agenda 2030 Technischen Zusammenarbeit (TZ): Agrarsektor zu fördern? Michael Euler, Martin Noltze, Ida Verspohl Viele Instrumente – ein Orchester? Marcus Kaplan, Nico Herforth, Lutz Meyer Sabine Brüntrup-Seidemann Wirkt weltwärts? Wie Freiwillige sich verändern und zum entwicklungs­ develoPPP.de: innovative Lösungs­ Methoden und Standards 2018: politischen Lernen in Deutschland ansätze für die EZ durch Entwicklungs- Standards für Evaluierungen des DEval beitragen partnerschaften mit der Wirtschaft? Martin Noltze, Gerald Leppert Jan Tobias Polak, Laura Scheinert, Christoph Hartmann, Kirsten Vorwerk Kerstin Guffler, Martin Bruder Schluss mit schwarzen Boxen. Zur Von GIS zu M&E: der Mehrwert Arbeit mit Kausalmechanismen in geografischer Daten für Evaluierungen Evaluierungen Gerald Leppert, Lena Hohfeld, Malte Lech Johannes Schmitt

Die DAC-Evaluierungskriterien: zwischen Optimierung und Transformation Jörg Faust, Ida Verspohl Impressum

Herausgeber Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) Fritz-Schäffer-Straße 26 53113 Bonn

Tel.: +49 (0)228 33 69 07-0 E-Mail: [email protected] www.DEval.org

Inhaltliche Verantwortung Kirsten Vorwerk, Dr. Marcus Kaplan, Dr. Sven Harten

Redaktion Jelana Vajen, Roxana Bita (DEval), Dr. Susanne Reiff (to the point communication)

Gestaltung MedienMélange: Kommunikation!, Hamburg

Bildnachweis Titel: TommoT/Shutterstock, S. 12: Travel Wild/Shutterstock, S. 16 von oben rechts im Uhrzeigersinn: Doug Linstedt/ Unsplash, Hermes Rivera/Unsplash, Karsten Wuerth/ Unsplash, Sandro Mattei/Unsplash, Duncan Bay/Unsplash, Franck V/Unsplash, S. 17: Deutsches Institut für Entwicklungs­ politik, United Nations University, S. 24: Regina Spitz, S. 26: Redaktionsschluss: August 2019 Johnny Miller/Unequal Scenes, S. 31: Independent Evaluation Group, Weltbankgruppe, S. 37: Meike Böschemeyer, KfW © Deutsches Evaluierungsinstitut der Bankengruppe/Heinrich Völkel, OSTKREUZ, S. 38: S. Reiff, Entwicklungszusammenarbeit (DEval) S. 42: UNHCR/Roger Arnold, S. 52: 2seven9/Shutterstock, S. 55: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, S. 62: ISBN 978-3-96126-087-4 (gebundene Ausgabe) Surapol Usanakul/Shutterstock, S. 74: Drop Zone Drone/ ISBN 978-3-96126-088-1 (PDF) Shutterstock, S. 82: Parilov/Shutterstock, S. 94: Rupert Rivett/Shutterstock Der vorliegende Bericht ist auch auf der DEval-Website als PDF-Download verfügbar unter: Bibliografische Angabe www.deval.org/de/evaluierungsberichte.html DEval (2019), Nachhaltigkeit gestalten. Die Agenda 2030 in der Entwicklungszusammenarbeit, Anfragen nach einer gebundenen Ausgabe richten Themenschwerpunktbericht, Sie bitte an: [email protected] Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Bonn.

Druck Bonifatius Druck, Paderborn Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval)

Fritz-Schäffer-Straße 26 53113 Bonn, Deutschland

Tel.: +49 (0)228 33 69 07-0 Mail: [email protected] DEval in der Entwicklungszusammenarbeit 2030 Agenda Die gestalten. Nachhaltigkeit www.DEval.org 2019