epd medien online

Herausgeber und Verlag: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) gGmbH, Emil-von-Behring-Str. 3, 60439 am Main. Geschäftsführer: Jörg Bollmann Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 49081 USt-ID-Nr. DE 114 235 916 Verlagsleiter: Frank Hinte. Chefredakteur der epd-Zentralredaktion: Dr. Thomas Schiller. epd medien: Dr. Volker Lilienthal (verantw.), Diemut Roether, Michael Ridder.

Erscheinungsweise: zweimal wöchentlich. Bezugspreis Online-Abonnement monatl.: 53,20 € (Studierende mtl. 47,80 €), Kombi-Abonnement epdmedien online und als Heft 95,40 €, Printversion 61,- € (Preise jeweils incl. MWSt und Versand / Inland, im Ausland excl. MWSt).

Verlag/Bestellservice (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-209, Fax: 069/58098-226, E-Mail: [email protected]

Redaktion epd medien (Adresse siehe oben unter GEP): Tel: 069/58098-141, Fax: 069/58098-261, E-Mail: [email protected]

© GEP, Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten. Die mit dem Abo-Vertrag erworbene Nutzungsgenehmigung für epd medien online gilt nur für einen PC-Arbeitsplatz. epd medien darf nur mit Zustimmung des Verlags weiterverwertet, gedruckt, gesendet oder elektronisch kopiert und weiterverbrei- tet werden. Anfragen richten Sie bitte an die epd-Verkaufsleitung (Adresse siehe oben unter GEP), Tel: 069/58098-259, Fax: 069/ 58098-300, E-Mail: [email protected]

Haftungsausschluss: Jede Haftung für technische Mängel oder Mängelfolgeschäden ist ausgeschlossen.

hier geht’s weiter >>> Frankfurt am Main ■ www.epd.de 9. April 2008 28

INHALT Suche nach Mehrwert Public Value auf den 41. Mainzer Tagen der Fernsehkritik / Von Volker Lilienthal ____ 3

Das kleinere Übel Warum es in England keine „Stiftung Medientest“ geben wird / Von Jürgen Krönig __ 5

Inland Birthler rügt Westverleger für Umgang mit DDR-Vergangenheit ______8 Kartellamt: Kabel Deutschland darf Orion-Netze kaufen ______9 Murdoch stockt Premiere-Anteil weiter auf ______10 ProSiebenSat.1 will United Internet an Maxdome beteiligen ______10 LfM-Medienkommission kritisiert EU-Pläne ______11 Korrespondenten kritisieren Auslandsberichterstattung im TV ______12 Wiedemann sieht ARD-Mediathek in Gefahr ______12 ARD und ZDF betonen Recht auf Netz-Präsenz ______13 SWR-Intendant: Unterhaltung gehört zum Rundfunkauftrag ______14 SWR-Rundfunkrat verteidigt Internetangebote von ARD und ZDF ______14 Weitere Inlandsmeldungen ab Seite ______15

Ausland Kuba: Intellektuelle üben Kritik an „verdummenden“ Medien ______20 Niederlande: Politiker Wilders darf Islam „faschistisch“ nennen ______21 KommAustria rügt Hornauer-Sender Telemedial ______21 Weißrussland: Unabhängige Journalisten werden verfolgt ______22 Journalistenmord: Mutmaßliche Täter in Tadschikistan verhaftet ______23 Zwei ausländische Journalisten in Simbabwe angeklagt ______23

Kritik „Der russische Geliebte“ von Ulrich Stark, Christian Jeltsch (ZDF) ______24 „Die Zeit, die man Leben nennt“ von Sharon von Wietersheim (ZDF) ______25 „Achtung, Hartwich“ von Achterberg / Herrmanns / Foerder / Rehmann (RTL) ____ 26 „Joschka - eine Karriere. Der lange Marsch“ von Hubert Seipel (ZDF) ______26 „Nächster Halt“ mit Sabrina Stehnicke und Torsten Flassig (Ki.Ka) ______28

Dokumentation Medienwissenschaftlerin Johanna Haberer über Anforderungen an Rundfunkanbieter 29

2 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 TAGEBUCH

Hapimag-TV. Urlaubsfernsehen Modells informieren und dem Management auf die im Rentnerparadies Finger schauen will. Un-Hapi sollte sich vielleicht auch mal mit dem unzu- epd Allem Jugendwahn zum Trotz ist ja eines reichenden Einsatz der Kommunikationstechnologie nicht abzustreiten: Die Gesellschaft altert. Die Alten durch die Firma beschäftigen. Dass der Hapimag- werden dank der Segnungen der modernen Medizin Kanal in unserer Wohnung auf ein einziges Bild zu- immer älter und bevölkern mit sportlichem Kurz- sammengefroren war und wir darauf verzichten muss- Grauhaar und Nordic-Walking-Stöcken die Urlaubs- ten, die zahlreichen Infos aus der quietschorangen ziele dieser Welt. Die Jüngeren hingegen - egoistisch, Printmappe in einer interaktiv animierten Form zu ängstlich, arbeitsmarktfrustriert - kriegen immer betrachten, nehmen wir noch gerade so hin. Dass weniger Babys. Demografischer Wandel nennt sich dadurch aber auch exzellente wirtschaftliche Mög- das Phänomen, dem die ARD vom 20. April an sogar lichkeiten verschenkt werden, ist für die Aktionäre eine Themenwoche widmet, in der Soziologensprache. schon ärgerlicher.

Auf die Idee, einen Fernsehsender für Rentner zu Denn bei dem kalten Wetter hätten die Gäste in der starten, scheint indes niemand zu kommen. Erstaun- Ferienanlage, die zu einem Gutteil jenseits der 50 lich: Es gibt Jugendwellen im Radio und Kinderkanäle waren, sicher gern ihre Pizza (oder ihre Wirsingroula- im Fernsehen, aber die einkommensstarke Zielgruppe de) per Fernbedienung bestellt. Auch ein Pay-TV- jenseits der 49 Jahre wird von Medien- und Werbe- Angebot mit amerikanischen Actionfilmen (wahlweise wirtschaft links liegengelassen. Dabei haben die auch mit „Conny und Peter machen Musik“) wäre eine Marktforscher von Media Control doch erst kürzlich naheliegende Möglichkeit gewesen. Via Internet Pro- ermittelt, dass die Zuschauer ab 50 Jahren an den tocol ließe sich zudem eine direkte Verbindung zu Ostertagen 2008 mehr als fünf Stunden pro Tag (!) einer Online-Apotheke herstellen, und für die kom- ferngesehen haben. mentierte Übertragung von Tanztees aus dem Café Keese gäbe es ruckzuck eine Rundfunklizenz von der Bei einem (kühlen) Frühjahrsurlaub auf der Nordsee- Medienanstalt Berlin-Brandenburg. insel Sylt konnten wir beobachten, welches Potenzial ein Geschäftsmodell besitzt, das sich an die ältere Sie finden diese Gedanken boshaft? Ganz und gar Zielgruppe richtet. Die Schweizer Gesellschaft Hapi- nicht. Die Alten werden nämlich nicht nur immer mag (Hotel und Appartmenthaus Immobilien Anlage älter, sondern auch immer fitter im Umgang mit den AG), die in 18 Ländern 57 Ferienwohnanlagen be- neuen Medien. Die Wirtschaft hat's bloß noch nicht treibt, war sozusagen der Gastgeber einer kleinen kapiert. WDR-Intendantin Monika Piel erklärte zur Familienfeier. In einer „Premium-Wohnung“ logierten ARD-Themenwoche, es gebe „zahlreiche Beispiele wir mit insgesamt fünf Personen (kein Rentner dabei). dafür, wie die gesellschaftlichen Veränderungen inno- Auch „Hapimag-TV“ sollte es geben - einen internen vativ und engagiert gestaltet werden können“. Also, Hauskanal, der die Vorzüge der Hapimag-Urlaubswelt liebe ARD, geh' mal mit gutem Beispiel voran - eine beschreibt, von unterirdischen Schwimmbädern und strategische Partnerschaft mit Hapimag-TV wäre doch Saunen bis hin zu Fußreflexzonenmassagen. ein prima Betätigungsfeld. Dann könnte man gleich ein paar unliebsame Moderatoren umsetzen. Und über Hapimag funktioniert durch das Prinzip der Teilhaber- ein öffentlich-rechtlich unterstütztes Rentnerfernse- schaft. Statt einer jährlichen Dividende erhalten die hen werden sich die Privaten bestimmt nicht be- Aktionäre Punkte, die zur mietkostenfreien Nutzung schweren. rid der unternehmenseigenen Ferienwohnungen berech- tigen. Die Nebenkosten sind allerdings extra zu zah- len, außerdem fällt eine jährliche Verwaltungsgebühr von mehreren hundert Euro pro Aktie an. Hapimag- Kritiker finden deshalb, dass sich die gesamte Unter- nehmung für die Teilhaber nicht wirklich lohnt. Es gibt sogar eine Internetseite mit dem lustigen Namen www.un-hapi.de, die über „Kosten und Probleme“ des

IMPRESSUM

Herausgeber und Verlag: Chefredakteur der epd-Zentralredaktion: Erscheinungsweise: zweimal Emil-von-Behring-Straße 3 Gemeinschaftswerk der Dr. Thomas Schiller wöchentlich. Monatsabonnement: Briefe: Postfach 50 05 50 Evang. Publizistik (GEP) 61,- € inkl. MWSt, im Ausland 60394 Frankfurt am Main gGmbH in Frankfurt am Main. epd medien: Dr. Volker Lilienthal exkl. MWSt zuzüglich Versand. Telefon (069) 5 80 98-209 GEP-Direktor: Jörg Bollmann (Verantw. Redakteur), Nachdruck nur mit Vertrag. Telefax (069) 5 80 98-261 Verlagsleiter: Frank Hinte Diemut Roether , Michael Ridder Druck: druckhaus köthen E-Mail: [email protected] [email protected] DEBATTE 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 3

Suche nach Mehrwert Public Value auf den 41. Mainzer Tagen der Fernsehkritik / Von Volker Lilienthal epd Wer sich zu einer Tagung anmeldet, kommt trag der Landesmedienanstalten untersucht er (zu- noch lange nicht. Hauptsache, man steht auf der sammen mit anderen Instituten) den Einfluss der Teilnehmerliste, samt großartiger Angabe der eigenen Investoren: ein Aderlass für die Programmentwick- Funktion und Institution. Eine Unsitte, die, wie man lung? Kaserer dämpfte die Aufregung und nährte hört, um sich greift im medialen Wanderzirkus. Die Vermutungen, dass die Medienaufsicht das Gutachten sogenannte no show rate wächst sich für Tagungsver- wohl bewusst ins wirtschaftsfreundliche Bayern ver- anstalter zum Problem aus, je höher sie ist. Überdi- geben hat: ProSiebenSat.1 zeige bei den Programmin- mensionierte Buffets verursachen unnötige Kosten, vestitionen kein signifikant anderes Verhalten als die um nur eines zu nennen. RTL-Gruppe, es sei eine „sinnlose Kritik“ zu behaup- ten, Finanzinvestoren wie Permira gehe es nur ums Die 41. Mainzer Tage der Fernsehkritik (31. März/1. Geld. April, Meldungen in epd 27/08) waren zwar dem Augenschein nach gut besucht. Doch viele der Me- Worum aber sollte es ihnen sonst noch gehen? „Ware diengewaltigen, die in der 381 Namen umfassenden oder Wert? Fernsehen zwischen Cash Cow und Public Teilnehmerliste auftauchten, suchte man im ZDF- Value“ lautete die Themenstellung der diesjährigen Konferenzzentrum vergeblich. Wer nicht gekommen Mainzer Tage der Fernsehkritik (unter der neuen Ta- war, verpasste so manche interessante Debatte. gungsregie durch Eva Appel). Das konnte einen auf die Frage bringen, ob auch private Medienanbieter ir- Aber es gab diesmal noch eine no show rate - und das gendwie Public Value produzieren (was der Interes- war die von Guillaume de Posch. Der Vorstandsvorsit- senverband VPRT für seine Klientel ja durchaus in zende der ProSiebenSat.1 Media AG hatte in einem Anspruch nimmt). Doch das frischgebackene Burda- „Streitgespräch über nationale Medienidentität“ mit- Vorstandsmitglied Christiane zu Salm antwortete wirken sollen. Doch eine wichtige Sitzung im Ausland darauf nur: „Ich hoffe doch.“ Annette Kümmel, Direk- soll de Posch dazwischengekommen sein. Eher wurde torin Medienpolitik bei ProSiebenSat.1 und einge- in Mainz vermutet, es sei eine jüngst im „Manager sprungen für den Diskussionsvermeider de Posch, Magazin“ erschienene Generalabrechnung mit de konnte immerhin auf das neu erwachte Nachrichten- Poschs Managementstil und den Auswirkungen von engagement von Sat.1 verweisen – das, zugegeben, KKR/Permira auf die Senderfamilie gewesen, die de den Prognosen dessen, was an Programmfolgen von Posch verzichten ließ. Weil der Artikel in Mainz be- Finanzinvestoren zu erwarten ist, fürs Erste wider- stimmt zu unangenehmen Nachfragen an den Vor- spricht. standschef geführt hätte. Unterhaltung als soziales Schmiermittel Charme-Offensive der Heuschrecken Sonst noch Gemeinwohlbeiträge des privaten Rund- Wie auch immer, den „diskreten Charme der Investo- funks? Leider Fehlanzeige. So blieb es ZDF- ren“ suchte stattdessen Götz Mäuser, Partner bei Programmdirektor Thomas Bellut überlassen, zu for- Permira, in einer gleichnamigen Diskussionsrunde dern, es sei „die verdammte Pflicht“ auch der Privat- über den Einfluss der Finanzinvestoren auf das deut- sender, mindestens vor Wahlen politische Berichter- sche Mediengeschäft zu verströmen. Seinen Angaben stattung anzubieten, um so die Jüngeren, die ARD und nach investiert ProSiebenSat.1 heute mehr als vor ZDF nicht mehr erreichen, für diesen Staat und diese fünf Jahren in TV-Programm und Online-Entwicklung. Gesellschaft zu gewinnen. Die Vorgabe der Mehrheitsgesellschafter sei eben nicht, dass jedes Investment sofort zurückfließen Nicht mal ein volltönendes Bekenntnis zur guten müsse. Fragen des Moderators nach dem hohen Ver- Unterhaltung als soziales Schmier- und Bindemittel schuldungsgrad der Gruppe und wie das alles zurück- für ein entspanntes Deutschland war zu hören. Barba- verdient werden solle, prallten an Mäuser ab. Der ra Thielen etwa, Bereichsleiterin Fiction bei RTL, fiel Wolf hatte Kreide gefressen und war wirklich zu einer auf dem Mainzer Podium mit einer demonstrativen Charme-Offensive nach Mainz gekommen. Lustlosigkeit auf. Man könnte sie maulfaul nennen. Doch dann kamen doch noch ein paar knappe Bemer- Ihm sekundierte Christoph Kaserer, Dekan der Wirt- kungen, die nicht ohne waren: Das momentane Ver- schaftswissenschaften an der TU München. Im Auf- halten des Publikums sei „krass“. Oft sähen die Zu- 4 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 DEBATTE

schauer nicht mal kurz in die erste Folge einer neuen einzige regelmäßige Sendung noch über zehn Millio- Serie rein. Die Quoten fallen entsprechend aus und nen Menschen erreicht - ganz egal, wie inhaltsleer die bilden oft das Todesurteil für ambitioniertes, gerade Gespräche dann sind und wie merkwürdig sich Tho- angelaufene Programmangebote, siehe „Die Anwälte“. mas Gottschalk benimmt?“ TV-Produzent Friedrich Küppersbusch, der zum Ende des ersten Tages erneut seinen bewährten „Zwischen- Appell an Leidenschaft ruf“ hören ließ, bemerkte zum allfälligen Problem, „nur immer wieder empfehlen“ könne er diesen Ab- Niggemeier beließ es nicht bei Diagnose und Kritik, lauf: Der Pilot wird ausgestrahlt, „bevor die Marktfor- sondern formulierte zum Schluss immerhin einen schung fertig war“. Appell, und zwar an die Leidenschaft heutiger Pro- grammmacher: „Public Value ist, wenn Fernsehen Fast selbstkritisch hörte es sich an, als Thielen nüch- etwas beim Zuschauer erreichen, irgendeine Reaktion tern feststellte, Movies hätten derzeit im RTL-Schema bei ihm auslösen will. Irgendetwas, das mehr ist als „keinen definierten Tag“. Doch überfordern wir nicht das Füllen von Sendezeit, das Füllen von Kabelplätzen, die Privaten. Die Erwartungen, kommunikativen das Generieren von Quote zum Weiterverkauf an die Mehrwert für die Gesellschaft zu produzieren, richtet Werbekunden oder zur Verwendung als Jahres- oder sich – zu Recht und vorrangig – an den öffentlich- Monatsschnitt in Pressemitteilungen und bei Gremien. rechtlichen Rundfunk. Doch so recht wagt sich noch Das klingt vielleicht erschütternd anspruchslos, aber niemand an das Thema heran, auch das zeigten diese überprüfen Sie mal viele Sendungen im Fernsehen Mainzer Tage der Fernsehkritik. Sicher, der Hausherr darauf, welche den Test überhaupt bestehen.“ und Gastgeber Markus Schächter definierte in seiner Begrüßungsrede und späteren Debattenbeiträgen das Womit wir beim Drei-Stufen-Test wären, der auf den eine oder andere Unterscheidungsmerkmal zu Me- Mainzer Tagen mehrfach in medienpolitischen Wort- dienangeboten, die eben nicht gemeinwohlfördernd meldungen angesprochen wurde. Der Überantwortung sind – „Trash-TV“, dessen große Zeit Schächter zu an eine externe Expertenkommission, wie sie dem Ende gehen sieht. VPRT vorschwebt, erteilten fast alle bis hin zu Minis- terpräsident Kurt Beck, der als Vorsitzender der Rund- Selbstgerechtes Vorurteil funkkommission der Länder sprach, eine Absage. Die Rundfunkgremien selbst könnten schon immer Sach- Auch dämmert einem Programmmmanager wie Dege- verstand von außen abrufen, das genüge. to-Chef Jörn Klamroth, dass „Der Arzt vom Wörther- see“ programmgeschichtlich wohl „keinen nachhalti- Klar ist aber auch, dass die Fernseh- und Rundfunkrä- gen Bestand“ haben wird. ZDF-Fernsehspiel-Chef te als Organe der Sender selbst, mit denen sich das Hans Janke immerhin verstand es abermals bestens, Austarieren von Programm, Finanzen und Politik über Programmhöhepunkte der Mainzer (wie die kommen- Jahrzehnte eingespielt hat, für die Senderchefs, ihre de „Anonyma“) als eine Leistung für die Selbstver- Programmmacher und auch Journalisten noch am ständigung der Gesellschaft herauszustellen. So wie er ehesten berechenbar sind. Auch weil sie so sympa- sich temperamentvoll gegen eine vorschnelle Verach- thisch daherkommen wie Roland Issen. Der stellver- tung des Populären und damit des Publikums wandte. tretende Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats unterzog sich auf offener Bühne einem komischen Drei-Stufen- Ansonsten aber bleiben die Annäherungen an das, Test, den der Zauberer und „falsche Experte“ Thomas was Public Value im Programm ist und noch werden Fraps, zunächst geheimnisvoll als „N.N.“ angekündigt, sollte, rar. Es herrscht das allzu optimistische, selbst- inszeniert hatte. Issen, dem Fraps eine Friseurhaube gerechte Vorurteil vor, alles, was gesendet wird, erfül- zum ,Gedankenlesen' überstülpte, ließ den Spaß ge- le die höchsten Ansprüche an Mehrwert. Der Medien- duldig über sich ergehen, nicht ohne eigenes Amüse- kritiker Stefan Niggemeier, der den zweiten Tag mit ment. seinem Vortrag „Public Value ist, wenn...“ eröffnete, mühte sich redlich, wenigstens etwas Struktur in die Zurück in die Wirklichkeit: Ein besonders strenger Diskussion zu bringen, indem er sich begrifflich anzu- Drei-Stufen-Test wird das nicht werden, so viel ist nähern versuchte. Einerseits der subjektivistische sicher. Ob er der EU-Kommission genügt, bleibt un- Standpunkt: „Public Value ist, wenn das läuft, was ich gewiss. Es nimmt schon wunder, dass der ZDF- gerne sehen will.“ Andererseits der kulturpflegerische, Fernsehrat jüngst vorbeugend erklärte, der Mitwir- der idealistische: „Public Value ist, wenn viele gucken kung z.B. einer „Stiftung Medientest“ am Drei-Stufen- sollten.“ Kritische Anfragen formulierte Niggemeier Test bedürfe es nicht. Wie groß muss die Angst vor auch an seinen Gastgeber, das ZDF: „Ist eine Show Statusverlust sein, wenn man sich selbst die Mitspra- wie ,Wetten dass' schon Public Value, weil sie als DEBATTE 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 5

che einer (noch) nicht existierenden Institution ver- warnte vor „legislatorischem Widersinn“ und sieht bittet. den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „für lange Mit- telfrist“ als „die verlässlichste Konstante im Struktur- Verirrungen der Politik wandel öffentlicher Belange“.

Währenddessen zeigt sich auch die Politik weiterhin Gerade wenn man öffentlich-rechtlichen Beiträgen ratlos, wenn sie einerseits Public-Value-Engagement die höhere Glaubwürdigkeit und den Status eines des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch im Inter- „Leuchtturms“ in der unüberschaubaren Medienflut net fordert, andererseits absurde Einschränkungen wie attestiert, was ja Konsens ist, auch über politische ein Verbot „textbasierter“ Angebote, sofern nicht rein Grenzen hinaus – dann ist es unter Gemeinwohl- sendungsbezogen, erwägt – rein aus Rücksicht auf die Gesichtspunkten ein politisch unhaltbares Vorhaben, private Online-Presse. Zwar hat Beck diese Formulie- der Gesellschaft gerade dieses verlässliche Gedächtnis rung im Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaats- vorenthalten zu wollen. Zum öffentlich-rechtlichen vertrags in seiner Rede auf den Mainzer Tagen schon Rundfunk im Internet gehört also unbedingt die dau- wieder widerrufen. Aber es bleibt doch abzuwarten, erhafte Archivfunktion. Bestimmt nicht für jeden ob das Mehrheitsmeinung im Länderkreis ist. Spielfilm, aber doch für die qualifizierte Information.

Nicht zu rechtfertigen ist auch die Überlegung des ARD und ZDF hier marginalisieren zu wollen wäre Gesetzgebers, den nachträglichen Online-Abruf aus- nicht nur pure Wettbewerbspolitik zugunsten der gestrahlter Radio- und Fernsehsendungen auf sieben privaten Konkurrenz. Es hieße auch, der demokrati- Tage zu begrenzen. Nicht nur, dass das dem inhären- schen Kultur in dieser Gesellschaft einen Tort anzu- ten Funktionsprinzip des Internets als Gedächtnis der tun. „ Welt widerspricht. ZDF-Intendant Markus Schächter

Das kleinere Übel Warum es in England keine „Stiftung Medientest“ geben wird / Von Jürgen Krönig epd Ein zentrales Problem der Medienpolitik in Zwar geht es in Deutschland derzeit zunächst einmal Europa ist, wie sich „Public Value“ erhalten und ver- darum, neue digitale Angebote der öffentlich- breiten lässt in der neuen digitalen Medienwelt. Kein rechtlichen Sender einem Drei-Stufen-Test zu unter- Land in Europa, in dem es öffentlich-rechtliches Fern- ziehen. Interessanter ist jedoch die Debatte über eine sehen gibt, hat bislang eine überzeugende Antwort Art „Stiftung Medientest“, die seit einiger Zeit wieder auf diese Frage gefunden, überall sucht und prüft intensiver geführt wird und schon konkrete Ergebnisse man, insgeheim hoffend, jemandem möge ein Einfall zu gezeitigt hat. Ziel einer solchen Einrichtung könnte kommen, der sich abkupfern und auf die eigenen es sein, dem Publikum in einer immer unübersichtli- spezifischen Verhältnisse übertragen lässt. cheren Medienlandschaft Orientierungshilfe geben und die Medienverantwortlichen, also Exekutive und In deutschen Medienkreisen, in der Fernsehindustrie, Gremien, zu beraten. Es braucht eine kompetente, in Intendantenbüros und Staatskanzleien wird, wenn unabhängige Instanz, die das Vertrauen der Öffent- es um Public Value geht, von jeher der Blick gern nach lichkeit wie der Medienschaffenden besitzt. Großbritannien gerichtet. Was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass auf der Insel die BBC resi- Ofcom warf den Stein diert, Vorbild für alle öffentlich-rechtlichen Anstalten der Welt. Angesichts der deutschen Vorliebe für insti- Mehrfach genannt wurde für diese Funktion das tutionelle Lösungen, die ohnehin ausgeprägter ist als Adolf-Grimme-Institut, das über die jährliche Ermitt- in Großbritannien, war es verständlich, dass man sich lung der Fernseh- und Online-Preise die notwendige von der britischen Idee eines „Public Service Publi- Erfahrung im systematischen Bewerten verfügt. Dar- sher“, die vor vier Jahren an die Öffentlichkeit gelangt auf angesprochen, sagte Uwe Kammann, Direktor des war, eine Lösung für das Problem erhofft hatte. Grimme-Institutes, man könne sich „sehr gut vorstel- len, dass sich die Arbeitsgrundlagen der Preisermitt- lung auf einen ständigen Qualitätsdiskurs übertragen 6 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 DEBATTE

lassen“. Diese Diskussionen sind offenbar weit gedie- war eine Labour-Regierung, die die Rundfunkgebühr hen und erklären, warum man in Deutschland gehofft einfror und ein „New Zealand on Air“ schuf, eine hatte, die Briten mögen mit dem Vorschlag eines Instanz, die Gelder verteilte, um Programme mit Pub- Public Service Publishers, der sich einzig um Public lic Value sicherzustellen. Der öffentlich rechtliche Value im digitalen Zeitalter kümmern werde, den Weg Sender NZTV verlor seinen privilegierten rechtlichen weisen. Status und mutierte in einen rein kommerziellen, durchaus profitablen Kanal. Neue Privatsender ent- Genau eine solche Einrichtung zu schaffen, hatte standen. 1998 plante eine konservative Regierung die Ofcom, Regulator der britischen Medien- und Tele- Abschaffung der Rundfunkgebühr. Doch sie verlor die kommunikationsindustrie, bereits vor vier Jahren Wahl und Labour, wieder an der Macht, besann sich vorgeschlagen, eine Absicht, die nun allerdings ziem- eines anderen und stärkte nach ihrem Wahlsieg im lich abrupt aufgegeben worden ist. Dabei war Ofcom Jahre 1999 wieder das öffentlich-rechtliche Prinzip. bis dahin nicht müde geworden, die Vorzüge einer NZTV erhielt eine Public Value Charter. Doch die Ge- solchen Institution zu preisen. Nun, ganz plötzlich, bührengelder werden auch heute noch von „New ging man auf Distanz zur eigenen Idee. Man habe, Zealand on Air“ verwaltet und verteilt. heißt es, mit dem Vorschlag lediglich „einen Stein in den Teich“ werfen und eine Diskussion über die Zu- Schwebte dem Regulator und der Medienpolitik in kunft von Public Value im digitalen Medienzeitalter Großbritannien eine Reform in dieser Richtung vor? sicherstellen wollen. Vieles spricht dafür. Die Vorstellung von einer ähnli- chen Konstruktion ist in den letzten Jahren nie aus In einer Rede vor der Royal Television Society begrün- der Diskussion verschwunden. Ofcom hatte die Not- dete Ed Richards, Chief Executive von Ofcom, den wendigkeit der neuen Institution des Public Service Sinneswandel. Es müsse inzwischen doch jedermann Publishers, dessen Etat auf zunächst 300 Millionen klar geworden sein, dass Public Service Broadcasting Pfund veranschlagt wurde, mit der wachsenden beides zu tun habe, sowohl Inhalte wie Distribution Schwierigkeit begründet, man müsse auch Public- aller neuen digitalen Medien zu umfassen und Value-Programme auf kommerziellen Sendern sicher- zugleich traditionelles „lineares TV“ zu betreiben. Der stellen. In Großbritannien sind kommerzielle Free.TV- Vorschlag, einen Public Service Publisher zu schaffen, Sender wie ITV und Five dazu verpflichtet, bestimmte habe einzig dazu gedient, auf die wachsende Nutzung öffentlich-rechtliche Auflagen zu erfüllen, etwa Kin- von Online-Angeboten aufmerksam zu machen und derprogramme oder lokale Nachrichten. Die Auflagen die Debatte dahingehend zu beeinflussen. Das sei werden immer weiter zurückgeschraubt und könnten gelungen. Ofcoms ursprüngliche Idee habe sich als ohne Public Service Publisher, der Gelder dafür zur „gerechtfertigt“ erwiesen; mehr sei nie beabsichtigt Verfügung stellt, ganz verschwinden. gewesen. BBC verteidigt ihre Privilegien Neuseeländische Experimente Noch ernster ist die Lage von Channel 4, des bislang Dieser Satz des CEO von Ofcom verdient es, mit einer ausschließlich durch Werbung finanzierten Public gehörigen Portion Skepsis aufgenommen zu werden. Broadcaster, der in ein paar Jahren ins Defizit abrut- Vor vier Jahren war Ofcom mit der erklärten Absicht schen wird angesichts sinkender Werbeeinnahmen. an die Öffentlichkeit gegangen, die neue Institution Doch Ofcom verfolgte zugleich noch eine andere zu schaffen; sie sollte über öffentlich-rechtliche In- Absicht. Die BBC sollte endlich eine Konkurrenz erhal- halte entscheiden, sie vielleicht gar produzieren, zu- ten. Und es spielte ein weiteres Motiv mit hinein: Seit mindest über die Vergabe des Auftrages an einen seiner Gründung trachtete der Regulator danach, Sender befinden. Damals hatte Ofcom großes Interes- auch die mächtige BBC, die das Privileg der Selbstauf- se gezeigt an dem neuseeländischen Experiment, die sicht immer noch genießt, unter seine Fittiche zu Rundfunkgebühr einzufrieren, ihre Verwendung durch bringen. Trotz großer Anstrengungen hat sich das bis einen staatlichen Sender abzuschaffen und stattdes- heute nicht realisieren lassen, obwohl es an politi- sen die Finanzmittel durch eine neue Institution an scher Unterstützung eigentlich nicht mangelt. verschiedene Interessenten verteilen zu lassen. Sowohl Labour-Regierung wie auch konservative Neuseeland und auch Australien dienen immer wieder Opposition sind auf die BBC nicht gerade gut zu spre- als Laboratorium, um neue Ideen zu testen - mal chen. Der Public Broadcaster gilt seit geraumer Zeit folgten neoliberale Experimente etatistischeren Re- als allzu selbstbewusste, arrogante Institution; in der zepten, mal war es umgekehrt. Ende der 80er Jahre letzten Dekade hatten sich Klagen gehäuft, die leider hatte das medienpolitische Experiment begonnen: Es häufig gerechtfertigt waren. Allzu oft vernachlässigte DEBATTE 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 7

die BBC die Pflicht zu neutraler, unvoreingenommener wollen und die BBC abzuschaffen. Mit Sicherheit wäre Information. Labour wie Konservative zeigten sich, das auf den erbitterten Widerstand eines Teils der wenn auch nicht immer aus den gleichen Gründen, Öffentlichkeit und auch der Presse gestoßen. Das war zutiefst irritiert über diesen Trend bei der BBC. Es sei ein Grund dafür, dass die Regierung Ofcom signali- der Fairness halber angemerkt, dass die BBC das Prob- sierte, die Idee einer direkten Konkurrenz für den lem des linksliberalen „bias“, der in den vergangenen Public Broadcaster nicht weiter zu verfolgen. Zumal Jahren viele Programme prägte, mittlerweile nicht nur der Publisher am Ende auf ein bürokratisiertes Gremi- eingestanden, sondern sich auch erkennbar um eine um der „Guten und Großen“ des Kulturestablishments Veränderung bemüht hat. hinausgelaufen wäre - ähnlich Großbritanniens „Arts Council“, das Finanzmittel nach Gusto an Museen, Die BBC weiß, dass sie nicht länger auf die Gebühr Theater und andere kulturell wertvolle Projekte ver- pochen kann, die von der Allgemeinheit gezahlt wird, teilt. wenn in ihren Programmen die Auffassungen einer Minderheit dominieren und nicht die pluralistische Doch wird die BBC nicht ganz ungeschoren davon- Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelten, der sie dient. kommen. Sie dürfte bald die exklusive Verfügung über Trotz dieses potenziell gefährlichen Konfliktes mit den die Gebühreneinnahmen verlieren. Channel 4 wird, Parteien war es der BBC bislang gelungen, ihre privi- wie gesagt, nicht lange mehr auf eigenen Füßen ste- legierte Position in der nationalen Medienlandschaft hen können. Bislang kam der Sender finanziell gut erfolgreich zu verteidigen. In den Verhandlungen über über die Runden, dank der indirekten Subvention, die neue Royal Charter hatte es die BBC geschafft, einer kostenlosen Nutzung analoger Frequenzen, und sowohl das System der Gebührenfinanzierung wie die reichlich sprudelnder Werbeeinnahmen. Diese Ein- Selbstregulierung zu verteidigen. Mehr noch, ihr wur- nahmen aber sinken stetig, allen voran wegen wach- de das Recht zugestanden, weiterhin „Quote“ - also sender Online-Konkurrenz. Es ist absehbar, dass der Unterhaltung - machen zu dürfen, wenn auch unter Sender - häufig als „ungebärdiger, wilder Cousin der Verzicht auf allzu seichte Angebote, und diverse BBC“ bezeichnet wegen seiner gewagten, kontrover- kommerzielle Projekte zu verfolgen, solange diese sen Programme - in ein paar Jahren nicht mehr über- nicht mit dem „Kern des öffentlich rechtlichen Auf- lebensfähig sein wird ohne neue Mittel. Ofcom denkt trages“ kollidieren. Was sich, zum Ärger der kommer- als Antwort an „top-slicing“ - ein bestimmter Anteil ziellen Konkurrenz, in der Praxis als angenehm dehn- der Fernsehgebühr würde abgezweigt und Channel 4 bare Formulierung erwies. zur Verfügung gestellt. Spätestens 2012, bei der Ab- schaltung des analogen Signals, könnte es so weit Bürokratisiertes Gremium sein.

Der tiefere Grund dafür, dass die BBC ihre Sonderstel- Gebühren auch für andere Sender? lung bislang erfolgreich verteidigen konnte, ist simpel: In der digitalen Ära verändert sich die mediale Land- Zwar wird die BBC Himmel und Hölle in Bewegung schaft in rasantem Tempo. Niemand weiß genau, setzen, um diese ihren Augen höchst gefährliche wohin die Reise geht und wie sie enden wird. In einer Entwicklung zu verhindern. Doch das dürfte ihr kaum solchen Situation wäre es töricht, lineares Fernsehen gelingen. Zumal dann nicht, wenn die Konservativen voreilig abzuschreiben, auch wenn Techno- nach der nächsten Wahl in etwa zwei Jahren die Evangelisten dazu tendieren, getrieben vom Enthu- Regierung bilden sollten. Was immer wahrscheinlicher siasmus über technische Neuerungen. Genauso töricht wird. In einem Papier zur künftigen konservativen wäre es, die öffentlich-rechtliche Organisationsform Medienpolitik heißt es, man wolle den „exklusiven zu demontieren, die sich, insgesamt gesehen, bewährt Anspruch“ der BBC auf die Gebührengelder beenden, und die besten Resultate hervorgebracht hat. Unge- das „top-slicing“ der Gebühr einführen und damit achtet aller Schwächen, ungeachtet der gelegentlich unter anderem Kinderfernsehen und lokale Informati- irritierenden politischen Schieflage bot und bietet die onsprogramme auf anderen Kanälen finanzieren. BBC deutlich höhere Qualität als das kommerzielle Ähnliches plant auch die Labour-Regierung. Fernsehen. In Londoner Regierungskreisen hat sich überdies die Von dieser Erkenntnis ließen sich die Labourregierun- Überzeugung durchgesetzt, es mache wenig Sinn, die gen Tony Blairs und die seines Nachfolgers Gordon Idee eines Public Service Publishers im Blick auf die Brown leiten. Einen Public Service Publisher hätte die neuen Medien weiter zu verfolgen. Eine öffentliche BBC als direkte Konkurrenz betrachtet. Seine Grün- Einrichtung samt der notwendigen Bürokratie, um dung wäre als Absicht interpretiert worden, das Ende Mittel für Digital- und Online-Content zu verteilen: des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einleiten zu Nach welchen Kriterien würde sie handeln? Was wä- 8 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

ren die Maßstäbe für Public Value in einer Welt, die reagiert. Ian MacDonough, Chef des „History Chan- sich rapide wandelt, beherrscht von „user created nel“, hält ihn für überflüssig - „eine Kur für eine nicht content“, „social networks“ und Plattformen wie You- existierende Krankheit“. Mehrheitlich wird die Auffas- Tube, allesamt notorisch wankelmütige Erzeugnisse sung vertreten, der Markt habe nicht versagt, also der digitalen Individualisierung, schlecht zu fassen, bedürfe es keiner Korrektur. Nicht jeder teilt diese schwer, wenn nicht gar unmöglich, dauerhaft zu Auffassung. Doch scheinen die Medienpolitiker nicht definieren? die Absicht zu haben, zwischen die Fronten eines Konfliktes zwischen Eliteneinfluss und Massenge- Die Zugangsmöglichkeiten zu den vielen Plattformen schmack zu geraten. Auch deshalb tendiert man in des Internet seien „enorm und vielfältig, die Hinder- London dazu, den Verzicht auf die Schaffung einer nisse klein“, sagt man in britischen Regierungskreisen. neuen Medienbürokratie für das kleinere Übel zu Die betroffene Fernsehindustrie hatte ohnehin eher halten. „ spöttisch-ablehnend auf den Public Service Publisher

„ INLAND spült würden. „Sein Postulat war es, eine gute Zeitung zu machen. Das schloss offenbar nicht die Glaubwür- Birthler rügt Westverleger für digkeit der Redakteure mit ein“, so die Bundesbeauf- Umgang mit DDR-Vergangenheit tragte. Vor zehn Tagen hatten erst ein Ressortchef der „Berliner Zeitung“, Thomas Leinkauf, und kurze Zeit Forscher haben Bedenken bei Überprüfung später auch der stellvertretende Politikchef, Ingo der Redaktion der „Berliner Zeitung“ Preissler, eine Mitarbeit als Stasi-IM öffentlich ein- räumen müssen. Berlin (epd). Nach der Aufdeckung von Stasi- Verstrickungen zweier leitender Redakteure der Birthler erinnerte daran, dass es eine „sehr spezielle „Berliner Zeitung“ hat die Bundesbeauftragte für Angelegenheit“ gewesen sei, in der DDR Journalist zu die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, den west- werden. Schon bei der Zulassung zum Studium sei deutschen Verlagen einen leichtfertigen Umgang eine Auswahl erfolgt. „Und wer später sein Berufs- mit der DDR-Vergangenheit ihrer Mitarbeiter vor- ethos und die Einbindung in den Propagandaapparat gehalten. „Fragen danach wurden selten gestellt“, nicht miteinander vereinbaren konnte, konnte seine sagte Birthler der in Berlin erscheinenden Zeitung Karriere vergessen.“ Sie wundere sich über die Karrie- „Die Welt“ (Ausgabe vom 7. April). Die Forscher, ren „mancher SED- und FDJ-Wendehälse, die noch die von der Chefredaktion der „Berliner Zeitung“ heute zwischen den Zeilen die DDR verharmlosen, mit einer Überprüfung der Arbeit aller Redakteure Bemühungen um Aufarbeitung diffamieren und dafür beauftragt werden sollten, äußerten unterdessen sogar mit Journalistenpreisen bedacht werden“. „zeitliche und methodische Bedenken“ gegen das Vorhaben. „Respekt vor diesem Vorgehen“

Die hohen Auflagen der ehemaligen SED-Blätter und Zugleich lobte die Bundesbeauftragte den Beschluss ihre Monopolstellungen hätten bei der Übernahme der Redaktion der „Berliner Zeitung“, nach der Enttar- durch Westverlage offenbar eine ungeheuer faszinie- nung ihrer Kollegen freiwillig einen Antrag auf Stasi- rende Anziehungskraft besessen, so Birthler. Dabei sei Überprüfung zu stellen. Die Redakteure hatten am 1. „die journalistische Glaubwürdigkeit schon mal in den April beschlossen, einen Antrag auf Akteneinsicht bei Hintergrund“ geraten. Hinzu gekommen sei eine der Birthler-Behörde zu stellen. Dies sei auch als ein „weitverbreitete Art falsch verstandener Liberalität Zeichen an die Leser und die Öffentlichkeit zu verste- mancher Westdeutscher, die die Kollaboration mit der hen, „dass die Redaktion die Mitte der 90er Jahre Geheimpolizei einer Diktatur für eine Art Kavaliersde- begonnene Stasi-Aufarbeitung bei der Berliner Zei- likt hielten“. tung offensiv fortsetzen will“, schrieb der Sprecher des Redaktionsausschusses, Thomas Rogalla, in der Als „brillantes Beispiel“ für diese Haltung bezeichnete „Berliner Zeitung“ (epd 27/08). Birthler den Ex-Chefredakteur des „Spiegel“, Erich Böhme. Der langjährige Herausgeber der „Berliner Sie habe „Respekt vor diesem Vorgehen“, sagte Birth- Zeitung“ habe seinerzeit gesagt, ihm wäre es am ler, „auch weil ich vermute, dass dieser Weg manchen liebsten, wenn die Stasi-Akten von einer Flut wegge- nicht leicht fällt“. Der Druck, mit Biografien transpa- INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 9

rent umzugehen, sei aus ihrer Sicht nicht zu kritisie- burg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und ren. Die Glaubwürdigkeit der Zeitung auf diese Weise Bayern). KDG und Orion hatten sich im September auf wieder herzustellen, sei der „Königsweg“. einen Kaufpreis von 585 Millionen Euro geeinigt (epd 75/07). Zugleich hatte KDG mitgeteilt, die im Frühjahr Der Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Josef De- erworbene, aber vom Kartellamt noch nicht geneh- penbrock, hatte am 1. April angekündigt, die Arbeit migte Beteiligung am Kabelbetreiber PrimaCom (epd aller Redakteure der „Berliner Zeitung“ solle unter- 40, 46/07) werde an Orion abgegeben. sucht werden. Die Forscher vom Forschungsverbund SED-Staat, die ursprünglich an dieser Untersuchung Das Kartellamt führte nun aus, einerseits habe man teilnehmen sollten, lehnten den Auftrag jedoch ab. wettbewerbliche Nachteile infolge des Zusammen- Die Forscher von der Freien Universität hätten „zeitli- schlusses festgestellt. So komme es zu einer Verstär- che und methodische Bedenken“, berichtete die kung der marktbeherrschenden Stellung der KDG auf „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Sie wollten dem Einspeisemarkt. Auf dem Endkundenmarkt und „auf keinen Fall in den Geruch einer verdeckten Per- dem Signallieferungsmarkt sprächen ebenfalls starke sonalüberprüfung geraten“. Indizien für eine Verstärkung der marktbeherrschen- den Stellung der KDG durch die Übernahme. Dem „Tagesspiegel“ sagte Jochen Staadt vom For- schungsverbund SED-Staat, anders als bei der ARD wäre Andererseits hätten die Beteiligten nachweisen kön- es bei der „Berliner Zeitung“ darum gegangen, welche nen, dass durch den Zusammenschluss Verbesserun- Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit gen der Wettbewerbsbedingungen auf den Märkten gearbeitet hätten. Die Untersuchung sei zudem in dem für Breitbandanschlüsse (DSL) und für schmalbandige von Depenbrock vorgegebenen zeitlichen Rahmen bis Anschlüsse einträten. Kabelnetzbetreiber böten in Ende Mai „undurchführbar“ gewesen. immer stärkerem Maße zusätzlich zum Fernsehsignal Internet und Telefonie an („Triple-Play“). Der Markt Der Redaktionsausschuss der „Berliner Zeitung“ sah für Internet und Telefonie über DSL befinde sich wei- sich durch die Absage der Forscher in seinen Zweifeln terhin in der Expansionsphase. Nach dem Zusammen- bestätigt, ob die Überprüfung der Redaktion im Rah- schluss werde KDG in der Lage sein, über 800.000 men eines Forschungsauftrags überhaupt zulässig Haushalten erstmals Internet und Telefonie über das gewesen wäre, sagte Rogalla dem „Tagesspiegel“. Breitbandkabel anzubieten. Etwa 95 der insgesamt 120 Redakteure würden frei- willige Anträge auf Selbstauskunft stellen. lob/dir Die fraglichen Netze auf der vorgelagerten Stufe (Netzebene 3) seien größtenteils durch die KDG be- reits ausgebaut, insofern sei die direkte Vermarktung entsprechender Angebote aktuell möglich „und auf- grund der gegenwärtig festzustellenden Wettbe- Kartellamt: Kabel Deutschland werbsbedingungen auf dem Markt für Breitbandan- darf Orion-Netze kaufen schlüsse auch hinreichend wahrscheinlich“. Ohne das Zusammenschlussvorhaben wären hingegen entspre- Vorteile für DSL-Wettbewerb gaben den Aus- chende Angebote überhaupt nicht oder erst zu einem schlag – 1,2 Mio. Wohneinheiten betroffen späteren Zeitpunkt zu erwarten, so das Kartellamt. Bonn/München (epd). Das Bundeskartellamt hat den KDG sieht Übernahme als „Meilenstein“ Erwerb von sieben Tochtergesellschaften der in Augsburg ansässigen Orion Cable GmbH durch Im Ergebnis komme es zu einer Intensivierung des Kabel Deutschland (KDG) freigegeben. Die Vorteile, Infrastrukturwettbewerbs, der von Vorleistungen der die sich durch die Übernahme vor allem für den weiterhin marktbeherrschenden Deutschen Telekom DSL-Wettbewerb ergäben, seien höher zu bewerten weitestgehend unabhängig sein werde. Bisher seien als die Nachteile, teilte die Wettbewerbsbehörde aktuelle Wettbewerber in erheblichem Umfang von am 4. April mit. Von dem Zusammenschluss sind regulierten Vorleistungen abhängig, so dass die Tele- rund 1,2 Millionen Wohneinheiten betroffen. kom in jedem Fall an der Wertschöpfung ihrer Wett- bewerber partizipiere. Orion gehört zur luxemburgischen Escaline-Holding und ist im deutschen Kabelmarkt vorwiegend auf der KDG teilte am 4. April mit, der Vollzug der Übernahme Netzebene 4 (Hausnetze) aktiv. Die übernommenen werde voraussichtlich Ende April 2008 erfolgen. Haushalte liegen in acht Bundesländern (Schleswig- „Durch die heute genehmigte Transaktion wird vielen Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklen- Kabelkunden erstmals eine attraktive Alternative zu 10 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

DSL-Angeboten ermöglicht“, erklärte der Vorsitzende Tochter Turner Broadcasting erwarb von der Premiere der KDG-Geschäftsführung, Adrian von Hammerstein. AG einen Anteil in Höhe von 8,5 Prozent, wie beide Das Kartellamt habe die hohen Investitionen von KDG Unternehmen am 7. April mitteilten. Damit sei Turner in die Netzaufrüstung berücksichtigt. nach der Premiere AG und HVB Capital Partners dritt- größter Anteilseigner. Premiere Star ist im September Für KDG sei die Übernahme der Orion-Netze ein wich- 2007 gestartet (epd 52, 69/07) und hat nach Kon- tiger Meilenstein, um das direkte Endkundengeschäft zernangaben bereits über 170.000 Abonnenten ge- weiter zu stärken, hieß es in der Mitteilung. Nach wonnen. Die drei Turner-Sender Boomerang, Cartoon erfolgter Integration der erworbenen Kabelnetze Network, und Turner Classic Movies sind seit der werde das Unternehmen über 80 Prozent seiner Kun- Gründung im Paket enthalten. den direkt und über die Wohnungswirtschaft versor- gen. Der Zusammenschluss schaffe damit die struktu- Turner-Manager Jeff Kupsky erklärte: „Das Investment rellen Voraussetzungen „für ein weiteres dynamisches in die Premiere Star GmbH zeigt wieder, wie wichtig Wachstum im Bereich Internet und Telefonie“. Im der deutsche Markt für Turner ist und dass wir an das vierten Quartal 2007 seien bereits zwölf Prozent der Wachstumspotenzial glauben.“ Premiere- gesamten Abo-Umsätze mit Internet- und Telefon- Programmvorstand Hans Seger sagte, das Engagement produkten erzielt worden. rid von Turner Broadcasting unterstreiche das „unter- nehmerische Potenzial“ von Premiere Star. rid

Murdoch stockt Premiere-Anteil weiter auf ProSiebenSat.1 will United Internet an Maxdome beteiligen News Corp. hält nun 22,7 Prozent am Be- zahlsender – Börnicke: Interesse an Sat.1 Weiterentwicklung einer bereits bestehenden Kooperation beim Abrufportal München/New York (epd). Rupert Murdoch stockt seinen Anteil am deutschen Bezahlfernsehsender Frankfurt a.M. (epd). Die ProSiebenSat.1-Gruppe will Premiere weiter auf. Der Medienmogul hat 2,8 ihr Videoportal Maxdome künftig als Joint Venture Prozent der Anteile hinzugekauft und hält nun mit dem Internetanbieter United Internet fortfüh- 22,7 Prozent der Premiere-Aktien, wie seine Firma ren. Die Kooperation sei den europäischen Behör- News Corporation am 4. April in New York mitteil- den angezeigt worden, bestätigte SevenSenses- te. Im Januar hatte Murdoch für 287 Millionen Sprecher Christian Senft dem epd am 7. April. Euro die 15-Prozent-Beteiligung des Kabelanbie- SevenSenses ist eine 100-Prozent-Tochter von ters Unity Media übernommen und diese im März ProSiebenSat.1 und verantwortet unter anderem bereits weiter aufgestockt (epd 2, 15/08). die Internetgeschäfte, das Bezahlfernsehen und das mobile Fernsehen des Senders. Unterdessen bekundete der Premiere- Vorstandsvorsitzende Michael Börnicke Interesse an Auf dem Portal Maxdome können Nutzer Filme „on einem Kauf des Privatsenders Sat.1. „Der Berliner Sender demand“ abrufen und über die Internetleitung auf würde ideal zu uns passen“, sagte Börnicke dem „Han- dem PC verfolgen. In einer bereits bestehenden Ko- delsblatt“ (Ausgabe vom 7. April). Mit dem Kauf eines operation mit der United Internet (Marke „1und1“) frei empfangbaren Kanals wie Sat.1 könne Premiere wird zudem eine Set-Top-Box angeboten, mit der die seine Wertschöpfungskette erweitern und von Größen- Inhalte des Portals auch auf den Fernseher übertragen vorteilen im Film- und Sportrechteeinkauf profitieren, werden können. Zudem hält Maxdome verschiedene sagte Börnicke dem Wirtschaftsblatt zufolge. Inhalte der ProSiebenSat.1-Sender bereit, darunter Folgen der Show „Germanys Next Topmodell“. Zuletzt Bei ProSiebenSat.1 in Unterföhring findet der Plan hatte Maxdome auch Liveübertragungen etwa vom allerdings keine große Resonanz. „Es gibt weder Ver- Fußball-UEFA-Cup angeboten. kaufsabsichten noch Gespräche“, sagte Konzernspre- cherin Katja Pichler dem epd am 7. April. Der Vorstoß Mit der neuen Struktur wolle ProSiebenSat.1 dem von Börnicke sei „völlig aus der Luft gegriffen“. Portal „noch mehr Schwung“ verleihen, sagte Senft weiter. Die gemeinsamen Aktivitäten mit 1und1 soll- Bei der Premiere-Satellitentochter Premiere Star gibt ten verstärkt werden. Das Internetunternehmen solle es eine Beteiligungsveränderung. Die Time-Warner- mit rund 50 Prozent an der GmbH, unter der Maxdo- INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 11

me firmiert, beteiligt werden. Die Rechte an den In- LfM-Medienkommission halten blieben dabei voll bei ProSiebenSat.1. Zu finan- kritisiert EU-Pläne ziellen Bedingungen der Beteiligung machte Senft keine Angaben. Resolution gegen EU-Frequenzbehörde - Erhalt von Must-Carry gefordert Maxdome gilt bislang als nicht profitabel. Allerdings Düsseldorf (epd). Die Medienkommission der Lan- setzen Fernsehsender inzwischen vermehrt auf bezahlte desanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) Abrufangebote, zuletzt baute RTL sein Abrufangebot hat die geplante Neuregelung der Richtlinie für RTLnow deutlich aus. Auch ARD und ZDF bauen ihre Telekommunikationsdienste (TK-Review) kritisiert. Mediatheken aus und setzen dabei auf ein sich ändern- Ziel der Richtlinie ist eine effizientere Nutzung des des Zuschauerverhalten, bei dem Inhalte nicht mehr Frequenzspektrums, insbesondere die Vergabe frei- allein linear am Fernseher, sondern zeit- und ortsunab- werdender Frequenzen durch die Digitalisierung, hängig auch über das Internet abgerufen werden. die sogenannte digitale Dividende. Zugleich bauen Internetunternehmen bei der Ver- Die EU plant, dass bislang für den Rundfunk reservier- marktung ihrer Anschlüsse vermehrt auch auf Inhalte. te Frequenzen auch an andere Dienste, etwa drahtlo- Die Telekom, Arcor und Hansenet (Alice) bieten inzwi- ses Internet, vergeben werden können. Die EU plant, schen IP-TV an, also Fernsehen über das Internet als dazu das Prinzip der „Diensteneutralität“ einzuführen, Alternative zu einem Kabel- oder Satellitenanschluss. wobei jedoch Ausnahmen zur Sicherung von Allge- Zu diesen Diensten zählen auch Abrufangebote. Uni- meininteressen wie die Gewährleistung von Medien- ted Internet, das als sogenannter Reseller im Wesent- pluralismus vorgesehen sind. lichen keine eigenen Netze, sondern die der Telekom nutzt, bietet bislang kein IP-TV. Mit Maxdome kann es Das Prinzip der Diensteneutralität führe dazu, dass seinen Kunden aber ebenfalls Bewegtbilder geben. jede Ausnahme von diesem Prinzip einen Ausnahme- tatbestand darstelle und somit der Rundfunk einem Senft kündigte an, das Portal werde seine Live- besonderen und ständigen Überprüfungs- und Rege- Berichterstattung künftig ausbauen. Geplant seien lungsdruck seitens der EU ausgesetzt sei, stellt die etwa mehrere Übertragungen von Musikkonzerten. Medienkommission in einer Resolution vom 4. April Zudem würden mit verschiedenen Filmstudios wie fest. Der Druck werde durch die Möglichkeit der Euro- etwa Disney Abo-Rechte ausgehandelt. Mit diesen päischen Kommission aufgebaut, Vertragsverletzungs- Rechten kann Maxdome sein Abo-Angebot ausbauen, verfahren anwenden zu können. Damit werde der bei dem die Nutzer für einen bestimmten Monatspreis Rundfunk in den Mitgliedsstaaten durch die EU in beliebig viele Filme anschauen können und die Inhalte eine reagierende Rolle gedrängt, welche große Pla- nicht einzeln abgerechnet werden. hen nungsunsicherheit mit sich bringe.

Die Medienkommission der LfM kritisiert in der Reso- lution außerdem die Forderung nach einer Europäi- „ PERSONALIEN schen Regulierungsbehörde. Die Mitgliedsstaaten müssten ihre Kompetenzen bei der Frequenzzuwei- Bremen (epd). Die türkischstämmige Muslimin Hali- sung beibehalten, hieß es. Weitere problematische me Cengiz soll als Delegierte des Bremer Rates für Aspekte sehe die Medienkommission der LfM in der Integration in den Rundfunkrat von Radio Bremen geplanten Verschärfung der Verhältnismäßigkeitsprü- einziehen. Als Folge des im Januar in der Bürgerschaft fungen von Must-Carry-Regeln. Durch die Beibehal- verabschiedeten neuen Radio-Bremen-Gesetzes erhält tung des Must-Carry-Regimes und die Möglichkeit damit erstmals eine Vertreterin der Migranten im der Vorabregulierung für dem Rundfunk vorgelagerte kleinsten Bundesland Sitz und Stimme im Rundfunk- Märkte könne der Rundfunk dem Verbraucher auch in rat. Das Kontrollgremium hat künftig 26 Mitglieder Zukunft ausgewogene Programmvielfalt garantieren und kommt am 22. Mai zu seiner konstituierenden und einen Beitrag zu mehr Medienpluralismus und Sitzung zusammen. Die Vertretung für Halime Cengiz Medienqualität leisten. übernimmt der Journalist Yusuf Ekiz. Die Medienkommission fordere die „explizite Aner- kennung der Demokratie prägenden und Vielfalt si- chernden Funktion des privaten Rundfunks“, heißt es in der Resolution weiter. Es müsse gewährleistet sein, dass die Errungenschaften für den Rundfunk, wie sie 12 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

in der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste Ende März hatten sich in einem Bericht des Fernseh- festgeschrieben seien, nicht durch Maßnahmen der magazins „Gong“ außerdem mehrere etablierte ZDF- TK-Review vermindert bzw. revidiert würden. Es müs- Korrespondenten Tilgners Kritik angeschlossen. Dar- se weiterhin möglich bleiben, Frequenzen bevorzugt unter waren unter anderem Alexander von Sobeck und exklusiv dem Rundfunk zuordnen zu können. hen (Paris), Klaus Prömpers (Wien), Uwe Kröger (New York) und Ruprecht Eser (London). Prömpers sagte, er sei bei seinem Einstieg 1989 stolz gewesen, „bei der FAZ des Fernsehens gelandet zu sein“. Inzwischen beschleiche ihn aber bisweilen das Gefühl, „dass es eher wie bei Korrespondenten kritisieren der ,Bild'-Zeitung ist“. Auslandsberichterstattung im TV Zu den Veränderungen in der Auslandsberichterstat- Weitere Reporter bemängeln tung sagte Brender bei der Veranstaltung in Mainz: Agenturgläubigkeit und Oberflächlichkeit „Wir haben nicht mehr 1970 und können deshalb auch kein Fernsehen mehr wie 1970 machen.“ Die Mainz (epd). Nach der öffentlichen Kritik des freien Sender müssten sich vielmehr „der Lebenswirklichkeit ZDF-Reporters Ulrich Tilgner an der Auslandsbe- junger Menschen annähern“. dan richterstattung in deutschen Medien haben sich weitere Korrespondenten von ARD und ZDF ähnlich geäußert. „Ich bin manchmal erstaunt darüber, wie oft ich mit den Redaktionen darüber diskutieren muss, wie die Wirklichkeit wirklich ist“, sagte Thomas Morawski am 5. April beim Süddeutschen Wiedemann sieht Journalistentag in Mainz. Zudem warfen mehrere ARD-Mediathek in Gefahr ZDF-Korrespondenten ihrem Sender eine Verfla- Kritik am Entwurf für neuen Rundfunkstaats- chung der Auslandsberichterstattung vor. vertrag – Blogger fordern „freie Inhalte“ Morawski bemängelte, dass Redakteure seinen Ange- Berlin (epd). Das Internet-Engagement der ARD und boten und Beiträgen immer wieder anderslautende die angekündigte Online-Mediathek sind nach Ein- Meldungen entgegenhielten. Dies nehme „teilweise schätzung von ARD-Generalsekretärin Verena Wie- erschreckende Ausmaße“ an, sagte der Korrespondent, demann akut bedroht. „Wir wissen nicht, ob wir diese der für die ARD häufig in Krisenregionen unterwegs Mediathek überhaupt auflegen können“, sagte Wie- ist. Als einer der Ersten hatte der ZDF-Reporter Ulrich demann auf der Bloggerkonferenz „re:publica“ am 4. Tilgner Anfang 2008 die Zusammenarbeit mit Redak- April in Berlin. „Vielleicht müssen wir künftig 95 tionen des ZDF kritisiert und angekündigt, nach 26 Prozent unserer Inhalte löschen.“ Jahren regelmäßiger freier Mitarbeit für das ZDF wolle er von Mai an lieber für das Schweizer Fernsehen Die EU-Kommission habe einen detaillierteren Pro- arbeiten (epd 10-11/08). Tilgner war zuletzt Leiter des grammauftrag für die öffentlich-rechtlichen Rund- ZDF-Büros in der iranischen Hauptstadt Teheran. funkanstalten in Deutschland gefordert. „Seitdem stehen wir unter massivem Beschuss seitens der pri- In Mainz beschrieb er nun gemeinsam mit Morawski, vaten Wettbewerber“, so Wiedemann. dass Korrespondenten auf die Berichterstattung von Nachrichtenagenturen angewiesen seien, um für ihre Ursprünglich sollte die Mediathek schon im Herbst Themen Sendeplätze erhalten zu können. Tilgner hatte 2007 starten. Der Rundfunkrat des SWR hatte das einige Jahre selbst für Agenturen gearbeitet. „In dieser Internet-Angebot, in dem die ARD Beiträge auf Abruf Zeit habe ich morgens selbst Meldungen zu meinen bereithalten will, bereits Ende September genehmigt Themen abgesetzt“, sagte der freie Journalist. Die Redak- (epd 78/07). Der dabei erstmals angewendete Drei- tionen habe er dann nicht mehr überzeugen müssen: Stufen-Test wurde allerdings sowohl von den Privat- „Die riefen 20 Minuten später von sich aus an.“ Fernseh- sendern als auch von der Medienpolitik als unzurei- und Radiokorrespondenten, die von ihren Redaktionen chend kritisiert (epd 80/07). Seitdem wurde der Be- bei einem Themenangebot eine Ablehnung bekämen, ginn immer wieder verschoben. SWR-Intendant Peter weil die Agenturen nichts Entsprechendes berichten Boudgoust begründete die Verzögerung kürzlich in würden, gäben „schon mal einem dpa-Kollegen einen einem epd-Interview mit der „technischen Komplexi- gezielten Hinweis“, ergänzte Morawski. tät“ des Vorhabens, stellte aber einen baldigen Start in Aussicht (epd 27/08). INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 13

ARD-Generalsekretärin Wiedemann verwies bei der ARD und ZDF betonen Recht Bloggerkonferenz auf den aktuellen Referentenent- auf Netz-Präsenz wurf für den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, demzufolge öffentlich-rechtliche Angebote nur sieben Entwurf für Rundfunkstaatsvertrag: Tage online verfügbar sein dürften und Unterhal- Erneut Kritik an Medienpolitik tungsprogramme nur 24 Stunden. Für die ARD würde Mainz (epd). Vor den politischen Verhandlungen dies bedeuten, auch Hintergrundinformationen zu über den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nachrichtlichen Sendungen nicht mehr online verbrei- haben Vertreter von ARD und ZDF erneut darauf ten zu können, so Wiedemann: „Wir wären zurückge- gedrängt, im Internet mit umfangreichen Angebo- worfen auf die analoge Zeit von Funk und Fernsehen.“ ten präsent sein zu dürfen. „Uns muss es möglich sein, alle Generationen zu erreichen. In dem, was Auf der Bloggerkonferenz stellte sich die ARD- wir anbieten, darf es nicht zu einem Generations- Repräsentantin bei einer Podiumsdiskussion zum abriss kommen“, sagte der ARD-Vorsitzende Fritz Thema „Was ist öffentlich-rechtlich im digitalen Zeit- Raff am 5. April beim Süddeutschen Journalisten- alter?“ den Fragen der Internet-Experten. Aus den tag in Mainz. Auch ZDF-Chefredakteur Brender Reihen der Blogger wurden Forderungen nach „freien forderte entsprechende Freiheiten. Inhalten in freien Formaten zum freien Remixen“ laut. Ähnlich dem Vorbild des NDR, der seit November Die Erörterung der geplanten Gesetzesänderungen sollen ausgewählte TV-Beiträge mit einer „Creative Com- am 15. April mit einer ersten Anhörung beginnen. Die mons“-Lizenz zur freien Nutzung im Internet zur Novelle sieht unter anderem die Einführung eines soge- Verfügung stellt (epd 93/07), solle dies für die gesam- nannten Drei-Stufen-Tests sowie Grenzziehungen für die ten öffentlich-rechtlichen Produktionen gelten, so die Internet-Aktivitäten von ARD und ZDF vor. Mit einer Forderung. Ratifizierung des Gesetzes in allen Länderparlamenten wird jedoch erst im Mai 2009 gerechnet. Auf der vom Wiedemann wies jedoch auf urheberrechtliche Prob- Deutschen Journalisten-Verband ausgerichteten Mainzer leme hin: „Wenn wir die Informationen ins Netz stel- Veranstaltung sagte Raff dazu: „Wir müssen aufpassen, len, müssten wir die Rechteinhaber auch zusätzlich dass in den nächsten Monaten keine falschen Weichen vergüten.“ Weil dies mittels der Rundfunkgebühren gestellt werden.“ nicht möglich sei, komme eine „kommerzielle Verwer- Am 31. März hatte ZDF-Intendant Markus Schächter tung als Pay-Modell“ in Betracht. Ein anwesender den Medienpolitikern bereits „Zensur“ vorgeworfen. Er Fernsehproduzent erklärte, dass Sender wie der Baye- hatte kritisiert, dass der erste Entwurf des Rundfunk- rische Rundfunk schon heute die Übernahme von änderungsstaatsvertrags ARD und ZDF Textbeiträge Filmen mit der Forderung nach allen Online- und im Internet weitgehend untersagen wolle. Der Vorsit- Video-on-Demand-Rechten verknüpften, ohne die zende der Rundfunkkommission der Länder, der rhein- Autoren an zusätzlichen Einnahmen partizipieren land-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), lassen zu wollen. hm hatte anschließend betont, das Dokument sei noch nicht politisch abgestimmt. Er hatte in Aussicht ge- stellt, dass es Änderungen geben werde (epd 27/08). In Mainz forderte auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus „ PERSONALIEN Brender umfangreiche Freiheiten im Internet. „Es gibt dort hervorragende Angebote der Verlage, aber keine Frankfurt a.M. (epd). Jan Tussing (39) wird neuer von den Privatsendern. Da muss man sich doch nur ARD-Hörfunk-Korrespondent in Los Angeles. Bisher die Seiten von RTL und Sat.1 ansehen“, sagte er. berichtete er für die ARD aus Rabat. Dort tritt Marc Brender forderte daher einen publizistischen Wettbe- Dugge (31) seine Nachfolge an, der zuvor als Junior- werb im Internet, an dem sich auch die öffentlich- Korrespondent aus dem ARD-Studio Washington rechtlichen Sender beteiligen dürften. berichtete. Raff rief die Medienpolitiker auf, sich mit den Inhal- Hamburg (epd). Boris Lücke (35) wird zum 15. April ten zu beschäftigen und die Angebote der Privatsen- Director Online in der Bauer Media KG, dem Print- der in Augenschein zu nehmen. „So mancher Minis- und Online-Vermarkter der Bauer Verlagsgruppe. Die terpräsident sollte seinen Computer einschalten und Aufgaben von Lücke wurden bisher in Personalunion sich wirklich ansehen, was seine Entscheidungen für von Jürgen Adrian, stellvertretender Geschäftsleiter Auswirkungen haben könnten“, sagte der ARD- der Bauer Media KG, betreut. Lücke war zuletzt als Vorsitzende. Er mahnte, für Menschen bis 19 Jahre sei Niederlassungsleiter der United Internet Media AG in der PC „heute die wichtigste Informationsquelle – Karlsruhe tätig. noch vor dem Fernsehen“. dan 14 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

SWR-Intendant: Unterhaltung sich ihr Fernsehprogramm im Internet inzwischen gehört zum Rundfunkauftrag selbst zusammen.

Kritik an Medienpolitik – Aufruf zu Mehr Mut zu Experimenten forderte der Medienredak- Experimenten – Landtagsanhörung teur der „taz“, Steffen Grimberg. Im Blick auf eine Pro- grammgestaltung für junge Zuschauer zeigten die öf- Stuttgart (epd). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk fentlich-rechtlichen Sender eine große Zurückhaltung. soll nach Ansicht von SWR-Intendant Peter Boud- „Wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen etwas trauen und goust weiterhin Information, Bildung und Unter- es nicht klappt, dann haben sie alle Sympathie, es we- haltung bieten. Dieser Auftrag dürfe nicht einge- nigstens versucht zu haben“, so Grimberg. schränkt werden, betonte Boudgoust am 7. April bei einer Anhörung der Grünen-Fraktion im Stutt- „Neue Formen der Kommunikation“ garter Landtag. Auch gut gemachte Unterhaltung trage zur Wertevermittlung bei, sagte er. Man muss sich mehr um die Jungen kümmern, bestä- tigte auch der Geschäftsführer des Medienwissen- Boudgoust reagierte damit auf die Forderung von Jan schaftlichen Lehr- und Forschungszentrums, Jörg Kottmann, stellvertretender Leiter der Abteilung Medien- Hagenah, mit Blick auf Studienergebnisse. Sie besag- politik und Medienrecht bei RTL, zu den Wurzeln des ten, dass junge Menschen insgesamt weniger fernsä- öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurückzufinden. Der hen, weniger öffentlich-rechtliche Sendungen sähen Sinn des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei, eine und dafür mehr privat-kommerzielle. Grundversorgung herzustellen, so Kottmann. Alle Aktivi- täten, die über die Grundversorgung hinausgingen, dürf- Für mehr medialen Wettbewerb plädierte Bernd Blö- ten nicht über Rundfunkgebühren finanziert werden. baum vom kommunikationswissenschaftlichen Insti- tut der Universität Münster: „Man sollte von außen “Wenn wir als Massenmedium nicht die Masse errei- keine Grenzen setzen, sondern sehen, was auf dem chen, erfüllen wir unseren Auftrag nicht“, entgegnete Markt und in den gesellschaftlichen Diskursen pas- Boudgoust. Nach seiner Meinung werde der öffent- siert.“ lbw/lili lich-rechtliche Rundfunk mit unlogischen gesetzli- chen Hürden belastet. Als Beispiel nannte er etwaige

Vorgaben, wie lange eine Sendung im Internet abruf- bar sein darf. „Einerseits sollen wir die Jugend über das Internet erreichen, andererseits dürfen sie die Inhalte maximal drei Tage einsehen“, klagte Boud- SWR-Rundfunkrat verteidigt goust. Er vermisse einen Plan der Politik, wohin die Internetangebote von ARD und ZDF Reise gehen solle. Boudgoust: ARD nicht „ins Postkutschenzeitalter zurückschicken“ Der Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte jüngst dem „Focus“, er hielte es für Wettbewerbsver- Stuttgart (epd). Der Rundfunkrat des SWR hat an die zerrung, wenn ARD und ZDF im Internet eine „elekt- Politik appelliert, den öffentlich-rechtlichen Rund- ronische Presse“ anböten. Dies sei nicht ihre Aufgabe funk nicht von der digitalen Zukunft im Internet und müsse strikt reglementiert werden. Dagegen abzuschneiden. In einer Resolution, die das Aufsichts- hatte der Vorsitzende der Rundfunkkommission der gremium am 4. April einstimmig verabschiedete, Lander, Kurt Beck (SPD), auf den Mainzer Tagen der heißt es, der jetzt bekanntgewordene Entwurf für den Fernsehkritik gesagt, es sei nicht Absicht des Gesetz- 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag enge „die Ent- gebers, ARD und ZDF Textangebote im Internet nur wicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen dann zu erlauben, wenn diese sich auf eine reine Rundfunks unangemessen ein“. Sendungsinformation beschränkten (epd 27/08 und Leitartikel in dieser Ausgabe). Der Vorsitzende des Rundfunkrats, Harald Augter, sagte, das Gremium unterstütze den Intendanten Die WDR-Journalistin Judith Schulte-Loh sagte in der „einmütig und nachhaltig dabei, gegen diese Pläne Landtagsanhörung in Stuttgart: „Wenn wir Radio und vorzugehen“. Der vorliegende Entwurf würde „selbst Fernsehen im Internet adäquat begleiten, können bestehende Internetangebote im Kern des journalisti- neue Formen der Kommunikation entstehen.“ Die schen Auftrags“ unmöglich machen. In dem Gesetz- öffentlich-rechtlichen Sender bräuchten das Internet entwurf wird nach Angaben des SWR den öffentlich- auch mit Blick auf junge Zuschauer. Diese stellten rechtlichen Sendern unter anderem auferlegt, Texte im Internetangebot nach einer Woche zu löschen. INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 15

Dazu sagte SWR-Intendant Peter Boudgoust, das habe Der SWR führe zurzeit „mit einer Reihe von Verlegern“ „mit Informationsfreiheit nichts zu tun“. Texte seien Gespräche über eine mögliche Kooperation im Inter- neben Video- und Audioangeboten, neben Fotos und net, sagte Boudgoust. Er sei überzeugt, „dass es noch Grafiken „ganz selbstverständliche Bestandteile jeder in diesem Jahr zu konkreten Vereinbarungen kommen Internetseite“. Wer die ARD „ins Postkutschenzeitalter wird, denen dann mit zunehmender Zahl auch der zurückschicken will, der soll dies sagen“. Ruch des Spektakulären genommen wird“.

Boudgoust kritisierte, der vorliegende Entwurf trage Die Unterscheidung „hier Text, da Bewegtbilder“, sei ARD und ZDF zugleich auf, mit ihren Internetangebo- „eine künstliche, die mit der Realität des World Wide ten „allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Web nichts mehr zu tun hat“, sagte Boudgoust. Im Informationsgesellschaft zu ermöglichen“ und ihnen Netz sei eine zunehmende Vermengung „von Text, Bild, Ton und Bewegtbildern“ zu beobachten. Deswe- „Orientierungshilfe zu bieten“. Er frage sich, wie diese gen könne man „da auch keine Claims abstecken oder Forderung mit anderen Formulierungen des Entwurfs Verbotsschilder aufstellen“. Kürzlich war bekanntge- „inhaltlich in Einklang gebracht werden soll“. worden, dass der Entwurf für den 12. Rundfunkstaats- vertrag vorsieht, Textbeiträge in den Online- Vor dem Rundfunkrat erläuterte der Intendant, der Angeboten von ARD und ZDF stark zu begrenzen. SWR werde im Zuge der Digitalisierung sämtliche Unternehmensstrukturen überprüfen: „Vernetzung ist Der SWR-Intendant warnte vor der Gefahr, „dass publi- das Gebot der Stunde. Das gilt für unsere interne zistische Inhalte im Internet insgesamt ins Hintertreffen Struktur ebenso wie für die ARD und darüber hinaus.“ geraten gegenüber neuen globalen Playern wie Yahoo Für den SWR bedeute dies, dass der Sender nicht oder Google“. Das Internet sei für die öffentlich- mehr in Sparten wie Radio, Fernsehen und Internet rechtlichen Sender als Verbreitungsweg wichtig, um denken dürfe (vgl. Interview in epd 27/08). auch die jungen Menschen zu erreichen, sagte Boud- goust. Medienforscher hätten kürzlich herausgefunden, Boudgoust berichtete dem Rundfunkrat, dass der SWR dass der Computer für 12- bis 19-Jährige unverzichtba- derzeit mit einigen Verlagen über Kooperationen im rer sei als der Fernseher. Die Wissenssendungen des SWR Internet verhandele. Er verglich die Verlinkung von Vi- fänden mittlerweile mehr Nutzer über das Internet als deoinhalten der öffentlich-rechtlichen Sender im Online- über das Radio, so der Intendant. angebot der Zeitungen mit einem journalistischen Zitat: „Es ist ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung und Boudgoust sprach sich dagegen aus, auf Werbung im eine gute journalistische Tradition, die wir eben nur in öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio zu verzich- ein neues Medium überführen.“ dir ten. Um die Ausfälle auszugleichen, die den öffentlich- rechtlichen Sendern entstünden, wenn sie keine Werbe- einnahmen hätten, müsste die Rundfunkgebühr pro Zahler um 1,42 Euro monatlich steigen, sagte er. Er sehe keinen Grund, „warum der Gebührenzahler mit dem Mehrbetrag belastet werden soll, wo es vonseiten der SWR-Intendant gegen Verbote für Zuschauer und Hörer doch keine Klagen über Werbung Online-Aktivitäten von ARD und ZDF im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt“. Boudgoust: Verhältnis zu Zeitungsverlagen „mehr Symbiose als Konkurrenz“ „Kein grenzenloser Bieterwettbewerb“ Stuttgart (epd). SWR-Intendant Peter Boudgoust Auch auf Sponsoring können ARD und ZDF nach hat sich gegen Pläne gewandt, die Internetaktivi- Boudgousts Ansicht nicht verzichten. Sportrechte wie täten von ARD und ZDF zu begrenzen. „Das Netz die Bundesliga erhalte die ARD nur noch mit Verträ- ist für alle da“, sagte Boudgoust in einem epd- gen, „die Sponsoring ausdrücklich zulassen“. Ein Ver- Interview (epd 27/08). zicht auf Sponsoring würde bedeuten, dass die Sender nicht mehr über Fußball berichten könnten, „und das Es könne gar nicht genug Qualitätsjournalismus im wäre ein großer Schaden für die Zuschauer“. Er kün- Internet geben, so der Intendant. Er zeigte sich zuver- digte an, die ARD werde, um weiter in der „Sport- sichtlich, dass sich „nach einer Phase der Aufgeregt- schau“ am Samstag über die Bundesliga berichten zu heiten“ rasch zeigen werde, „dass das Verhältnis zwi- dürfen, „keinen grenzenlosen Bieterwettbewerb mit- schen Zeitungsverlagen und öffentlich-rechtlichen machen“. Für die Spielzeiten ab 2009 sind die TV- Rundfunkanstalten weit mehr eine Symbiose als eine Rechte noch nicht vergeben. Konkurrenz ist“. Die Summe von 100 Millionen Euro pro Jahr, die die ARD zuletzt für die Bundesligarechte bezahlt habe, sei 16 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

„zu rechtfertigen“, sagt Boudgoust. Die öffentlich- Konken kritisierte, dass die Deutsche Welle sich ver- rechtlichen Sender hätten nicht zur „Kommerzialisie- stärkt auf kleinere Zielgruppen wie zum Beispiel Mul- rung des Spitzensports“ beigetragen, doch auf die tiplikatoren im Ausland ausrichte. Der Sender müsse großen Sportrechte zu verzichten, „wäre sicherlich seinem Auftrag als „umfassende mediale Visitenkarte nicht im Sinne unserer Zuschauer“. dir Deutschlands“ gerecht werden.

Zusammenlegung „nicht durchgeboxt“

Die DW wies auch DJV-Behauptungen an anderer DJV: Deutsche Welle Stelle zurück, wonach ein Abbau des deutschsprachi- via Internet genügt nicht gen Programms sowie eine Reduzierung der Angebote für Osteuropa geplant sei. Dies sei nicht der Fall. DW: Abwägende Prüfung – Kritik an Allerdings könne die Neuorientierung mittelfristig Multi-Plattform-Strategie auch eine Zusammenlegung von Radio- und Internet- redaktionen mit sich bringen. Dieser Prozess werde Berlin/Bonn (epd). Der deutsche Auslandsrundfunk aber „nicht durchgeboxt“ oder „übers Knie gebro- sollte sich aus Sicht des Deutschen Journalisten- chen“. In der Deutschen Welle finden derzeit Perso- Verbands (DJV) nicht vorrangig auf das Internet als nalratswahlen statt. Sendeweg stützen. Eine technische Umrüstung sei mit dem gesetzlichen Programmauftrag der Deut- Die Deutsche Welle mit Hauptsitz in Bonn bietet schen Welle (DW) nicht zu vereinbaren, erklärte Radio- und Fernsehprogramme an. Ihrem Auftrag der Verband am 8. April in Berlin. Die DW- zufolge soll sie die deutsche Sichtweise zu politischen Radioprogramme sind derzeit weltweit vorrangig Vorgängen in aller Welt vermitteln sowie der Stimme über Kurzwelle zu hören. der Freiheit in nichtdemokratischen Staaten Geltung verschaffen. DW-TV sendet auf Deutsch und Englisch Ein DW-Sprecher entgegnete in Bonn, von einer Ab- sowie Arabisch und Spanisch. Das Angebot von DW- schaltung der Kurzwelle könne keine Rede sein. Viel- Radio umfasst 30 Sprachen, von Amharisch über mehr werde geprüft, in welchen Zielgebieten der Erde Chinesisch und Russisch bis Urdu. Rund um die Uhr weiterhin die Kurzwelle die beste Möglichkeit sei, wird auf Deutsch und Englisch gesendet. lili Hörer zu erreichen, und wo sich inzwischen eher das Internet anbiete. Erst danach werde entschieden. „Jeder Hörer soll das bekommen, was er braucht“, sagte der Sendersprecher dem epd. Aus Sicht des DJV zeigen die Unruhen in Tibet und TV-Sender von ARD und ZDF deren Niederschlagung durch die chinesische Füh- sind jetzt bei Zattoo rung, wie unverzichtbar die Arbeit der Deutschen Auch ARD-Radiowellen sollen eingespeist Welle gerade in zensierten Medienmärkten sei. Für werden - Einjährige Testphase Machthaber sei es einfacher, den Internetzugang zu sperren als den Empfang von Radioprogrammen über Frankfurt a.M. (epd). Der Internetdienst Zattoo, der Kurzwelle „restlos einzuschränken“. Auch dem wider- den kostenfreien Live-Abruf von Fernsehprogram- sprach der DW-Sprecher. Seinen Angaben zufolge ist men ermöglicht, hat am 1. April alle Programme es für Diktaturen möglich, auch den Empfang von von ARD und ZDF in sein Angebot aufgenommen – Kurzwellensendern technisch zu stören. einschließlich 3sat, Phoenix, Arte, Kinderkanal, der Landes- und der Digitalprogramme. Die Deutsche Welle als Bundesrundfunkanstalt arbei- tet derzeit an einer sogenannten Multi-Plattform- Dafür haben alle Sender einen gemeinsamen Vertrag Strategie, in der die Kurzwelle, das Internet sowie mit dem Schweizer Unternehmen geschlossen, der mobile Empfangsmöglichkeiten eine Rolle spielen (epd zunächst nur über einen einjährigen Testzeitraum 21/08). Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken läuft. In einem nächsten Schritt sollen zudem alle sieht die Gefahr, dass die Programme der Deutschen Radiowellen der ARD in Zattoo eingespeist werden. Welle keine große Verbreitung mehr im Ausland fän- Anschließend will der Dienst weiter um die großen den, sollte der Sender „einseitig“ auf das Internet als Privatsender werben, die einen Einstieg bisher abge- den Vertriebsweg seiner Angebote setzen. lehnt haben. Die Verhandlungen mit ARD und ZDF hatten sich mehr als ein halbes Jahr hingezogen. Federführend in der ARD war der MDR. Der für INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 17

Deutschland zuständige Zattoo-Manager Dominik schen öffentlich-rechtlichen Sendern keine Werbung Schmid sagte dem epd, die Radioprogramme würden eingeblendet wird. Beim Wegschalten von ARD und auf Wunsch der ARD eingespeist. „Damit werden ZDF zu einem Privatsender ist das aber möglich. dan zunächst Ressourcen belegt, die wir eigentlich ander- weitig nutzen wollen“, sagte er. Dies sei allerdings „kein Problem“.

Für die Einspeisung der Radioprogramme, mit der bei Wissenschaftler bemängeln Verfall ARD-Digital noch im April gerechnet wird, hätten sich der Journalistenausbildung Zattoo und die Sender auf ein abgestimmtes Prozede- re geeinigt, sagt Schmid: „Weil wir nicht auf einmal Haller kritisiert Zusammenlegung von etwa 80 Sender einspielen können, fangen wir erst Studiengängen für Journalismus und PR mit ein paar wenigen an und bauen dann nach und nach aus.“ Mit welchen Sendern gestartet werde, sei Bonn (epd). Der Medienwissenschaftler Michael noch nicht bekannt. „Wir warten noch auf eine ent- Haller kritisiert den Verfall der Journalistenausbil- sprechende Vorschlagsliste der ARD“, sagte Schmid. dung. „Ich beobachte eine Inflation unspezifischer Studiengänge, die ,irgendwas mit Medien' anbieten Auch bei den ARD-Fernsehsendern soll noch weiter wollen“, sagte der Leipziger Journalistik-Professor ausgebaut werden: Der Nutzer soll laut Schmid die Michael Haller am 2. April beim Medienforum der Möglichkeit haben, aus allen regionalen Programmen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Absolventen wählen zu können. Der Zuschauer soll dann entschei- solcher Studiengänge, die neben dem Journalismus den können, ob er beim NDR lieber die Hamburger auch für die Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet wür- Regionalmagazine sehen will oder die aus Mecklen- den, hätten „kein Verständnis dafür, was die Auf- burg-Vorpommern. Zattoo erklärte, die ARD erhoffe gabe der verschiedenen Positionen ist – etwa die sich von ihrem Einstieg Erkenntnisse über das Nutzer- Aufklärungsarbeit des Journalismus“. verhalten in solchen Diensten. Eine ARD-Sprecherin bestätigte das. Angesichts der Zusammenlegung von Journalismus- und PR-Studiengängen sprach Haller von einem „Rückbau“. Er kritisierte auch die Streichung des Jour- Finanzierung durch Werbung nalistik-Studiengangs an seiner Hochschule. In Leipzig In Deutschland ging Zattoo im vergangenen Herbst auf werde nur noch ein Aufbaustudiengang angeboten. den Markt (epd 75/07). Der Dienst hat neben den Kanä- „Damit fällt die journalistische Ausbildung noch stär- len von ARD und ZDF 24 weitere Sender im Angebot. ker in den Schoß der Redaktionen – und als Sahne- Bisher haben sich aber nur kleine Sender beteiligt. Neben häubchen in den der Journalistenschulen“, mahnte ausländischen Sendern wie CNN, France24 und dem Haller. Er stellte in Frage, „ob in den Redaktionen aber englischen Programm von El Dschasira sind darunter die Trennung zur PR uneingeschränkt erkannt und auch einige Privatsender wie DSF, MTV, Viva, Comedy vermittelt wird“. Central, Das Vierte und seit Anfang März auch Tele5 (epd 21/08). Die großen Sendergruppen RTL und ProSieben- Auch der Mainzer Journalistik-Professor Volker Wolff Sat.1 haben bisher abgelehnt, sich an Zattoo inhaltlich warnte davor, Journalisten und Pressesprecher ge- zu beteiligen, obwohl der Schweizer Dienst dafür sogar meinsam auszubilden. „Diese Bereiche haben in der bezahlen würde. Zattoo-Manager Schmid will einen Ausbildung keine Gemeinsamkeiten“, sagte er. Er neuen Anlauf starten, wenn die Integration von ARD und verstehe nicht, warum vor allem Fachhochschulen ZDF abgeschlossen ist. diese Tätigkeiten immer häufiger vermischten. Der gelernte Journalist Wolff hat in seiner Laufbahn selbst Die Nutzung von Zattoo ist kostenfrei, Nutzer müssen als Pressesprecher gearbeitet. „Jetzt sage ich erst sich allerdings anmelden. Auch ARD und ZDF müssen recht: Journalisten machen keine PR“, so Wolff. für die Einspeisung keine Gebühren zahlen. Zattoo will sich mit Werbung finanzieren, die teils als Banner Die Sprecherin des Nachwuchsverbandes Jugendpres- auf den Internetseiten und teils als Werbespot beim se Deutschland, Elisa Gärtner, verwies darauf, dass es Umschalten zwischen den Sendern gezeigt werden unter dem journalistischen Nachwuchs „eine große soll. In Deutschland konnte Zattoo bisher erst einen Lobby“ gebe, die Transparenz bei Journalismus und PR Automobilhersteller für eine erste Werbekampagne fordere. Sie bemängelte, dass immer mehr Journalis- gewinnen. Zattoo-Manager Schmid sagte, die Ver- mus-Ausbildungsgänge von Unternehmen angeboten dan marktung werde in Deutschland erst aufgebaut. Der würden. Vertrag mit ARD und ZDF sieht vor, dass bei den deut- 18 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 INLAND

NRW-Kulturstaatssekretär fordert für die Parodie gedient hätten und die in Marl „zu mehr Kultur im Fernsehen Recht nie einen Preis bekommen“. dir

Verleihung der Grimme-Preise in Marl - Besondere Ehrung für Iris Berben Marl (epd). Der nordrhein-westfälische Kultur- staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff hat WAZ zum 60-jährigen Bestehen die Fernsender aufgerufen, mehr Kultursendungen mit Sonderausgabe erschienen zu zeigen. Man könne den Fernsehmachern nichts Reitz: Zeitung ist „Oase des Innenhaltens“ befehlen, darum habe das Land Nordrhein- und „Platz des Begreifens“ Westfalen den Sonderpreis Kultur ins Leben geru- fen, um über den Wettbewerb gutes Kulturfernse- Essen (epd). Die in Essen erscheinende „Westdeut- hen zu fördern, sagte der CDU-Politiker am 4. April sche Allgemeine Zeitung“ hat am 3. April ihr 60- bei der Verleihung der Grimme-Preise in Marl. Der jähriges Bestehen gefeiert. Am Jubiläumstag er- Sonderpreis Kultur ging in diesem Jahr erstmals an schien die WAZ nach Angaben des Verlags mit eine Kindersendung. Ausgezeichnet wurde der einer 116-seitigen Sonderausgabe. Darin schrieb Trickfilm „Tomte Tummetott und der Fuchs“ von Chefredakteur Ulrich Reitz, die Zeitung sei eine Sandra Schießl nach einer Erzählung von Astrid „Oase des Innehaltens und sich Auseinanderset- Lindgren. zens“. Sie sei „ein Platz des Begreifens“.

Der Kulturstaatssekretär sagte, die Gesellschaft habe in Die erste Ausgabe der WAZ erschien am 3. April 1948 den vergangenen Jahrzehnten bei der kulturellen Bildung in Bochum. Verlag und Redaktion zogen erst 1953 von Kindern und Jugendlichen versagt, „das gilt auch nach Essen. Mit der Zeitung legten die Gründungsher- fürs Fernsehen“. Mit dem Sonderpreis Kultur für eine ausgeber Erich Brost, der auch erster Chefredakteur Kindersendung, der künftig alle zwei Jahre verliehen war, und Jakob Funke nach Angaben des Verlags „den werden solle, wolle das Land einen Anreiz bieten, mehr Grundstein für einen der größten Medienkonzerne für die kulturelle Bildung von Kindern zu tun. Europas“. Heute gebe die WAZ Mediengruppe 38 Zeitungen und 156 Zeitschriften in Deutschland, Ost- In Marl wurden am 4. April insgesamt zwölf Sendun- und Südosteuropa heraus. Außerdem sei sie an elf gen mit Grimme-Preisen ausgezeichnet (vgl. Schwer- lokalen Radiosendern in Nordrhein-Westfalen betei- punkt in epd 22-23/08). An acht der ausgezeichneten ligt und habe kürzlich die Lizenz erhalten, lokales und Sendungen war das ZDF beteiligt. Die Besondere Eh- regionales Fernsehen im Ruhrgebiet zu veranstalten. rung des Deutschen Volkshochschulverbandes, dem Stifter des Grimme-Preises, ging in diesem Jahr an Iris Zur WAZ-Mediengruppe gehören unter anderem die Berben. Die Schauspielerin sei „ungewöhnlich in der WAZ, die „Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung“ (NRZ), die Kombination ihrer Fähigkeiten“, sagte die Präsidentin „Westfalenpost“ (WP), die „Westfälische Rundschau“ des Deutschen Volkshochschulverbandes, Rita Süss- (WR), die „Thüringer Allgemeine“ und die „Braun- muth. Sie habe „Geist, Humor und Esprit“. schweiger Zeitung“. Die fünf in Nordrhein-Westfalen erscheinenden Zeitungen WAZ, NRZ, WP und WR und In der Begründung des Stifters heißt es, das unterhalten- „Iserlohner Kreisanzeiger“ erreichen zusammen eine de Fernsehen verdanke Berben „ganz wesentliche Impul- verkaufte Auflage von 894.000 Exemplaren. 2006 se und Konturen“. Betont wird aber auch das gesell- erzielte die Gruppe laut Medienberichten einen Um- schaftspolitische Engagement der Schauspielerin. Sie satz von 1,74 Milliarden Euro. trete ein für „Mut im Alltag“ und nutze ihre Popularität, „um beharrlich gegen Rechtsextremismus und Antisemi- Ende Oktober startete der Konzern das Internet-Portal tismus zu streiten und für den deutsch-israelischen und „DerWesten.de“, das die Online-Auftritte der im Ruhr- christlich-jüdischen Dialog einzutreten“. gebiet erscheinenden Zeitungen bündelt. Im März gab der Konzern bekannt, dass er im Internet Video- und Ausgezeichnet wurden unter anderem auch die beiden Audio-Beiträge des WDR übernehmen will (epd Schauspieler und Comedians Bastian Pastewka und 21/08). Die Kooperation von WAZ und WDR ist die Anke Engelke, die in ihrer Sat.1-Show „Fröhliche erste eines privatwirtschaftlichen Verlags mit einem Weihnachten“ Volksmusiksendungen im Deutschen öffentlich-rechtlichen Sender. Fernsehen parodiert hatten. Pastewka sagte, sie wid- meten den Preis all den Sendungen, die als Vorlage In der Sonderbeilage berichtete Verlegerin Anneliese Brost von den Anfängen der Zeitung. Darüber hinaus INLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 19

enthielt die Beilage Berichte über das Innenleben von Acht Journalisten Redaktion und Verlag sowie über historisch bedeuten- erhalten RIAS-Preise de Ereignisse der vergangenen 60 Jahre. Eine zweite Sonderbeilage mit den „besten Bildern der WAZ- Erster Radio-Preis für Tom Noga, Fotografen“ soll am 10. April folgen. dir erster TV-Preis für Alex Gibney Berlin (epd). Acht Journalisten werden in diesem

Jahr mit dem RIAS-Preis für Radio-, TV- und Neue-Medien-Beiträge ausgezeichnet, die in be- sonderem Maße zur Verständigung zwischen der Bundesverdienstkreuz für WAZ- Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Verlegerin Anneliese Brost Staaten beigetragen haben. Die Preise werden am Völkerverständigung und Friedenssicherung, 7. Juni in Berlin übergeben. Sie sind mit bis zu Engagement als Sponsorin 10.000 Dollar (rund 6.400 Euro) dotiert. Düsseldorf (epd). Anneliese Brost, Verlegerin und Den ersten Radio-Preis erhält SWR-Autor Tom Noga Gesellschafterin der WAZ-Mediengruppe in Essen, für sein Feature „Damit die Welt besser wird“ über hat das Bundesverdienstkreuz erhalten. NRW- lateinamerikanische Flüchtlinge an der Grenze zwi- Familienminister Armin Laschet (CDU), der das schen den USA und Mexiko. Das Feature wurde am 9. Verdienstkreuz erster Klasse am 7. April in Düssel- April 2007 in der SWR2-Sendung „Dschungel“ urge- dorf überreichte, würdigte die sozialen, kulturellen sendet. und journalistischen Verdienste der 87-jährigen Unternehmerin. Sie habe sich für Völkerverständi- Der erste TV-Preis geht an den US-amerikanischen gung und Friedenssicherung, den Zusammenhalt Filmemacher Alex Gibney für seinen Dokumentarfilm der Generationen und für die Förderung des jour- „Taxi to the dark side“ („Taxi zur Hölle“), der in diesem nalistischen Nachwuchses engagiert. Jahr auch mit dem Oscar für den besten Dokumentar- film ausgezeichnet wurde. „Taxi zur Hölle“ war am 8. Anneliese Brost gehörte 1948 als Sekretärin zum Oktober 2007 bei ARTE zu sehen. Gründungspersonal der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. 1975 heiratete sie den Journalisten und Den zweiten Radiopreis erhält Paul Nellen für sein WAZ-Gründer Erich Brost (1903-1995). Die WAZ- Feature „Out of Oil“. Das Feature über amerikanische Verlegerin, deren Vermögen auf über eine Milliarde Strategien und Konzepte für die Zeit nach dem Erdöl Euro geschätzt wird, setzt sich als Sponsorin und mit wurde am 18. März 2007 bei WDR 5 urgesendet. Der Stiftungen unter anderem für die sozialpädagogische dritte Radiopreis geht an Marcus Tepper für seinen Förderung benachteiligter Kinder, für Senioren oder Beitrag über die Footballer der Green Bay Packers, der das Museum Folkwang ein. 1998 ermöglichte sie am am 9. Dezember bei WDR 2 zu hören war. Institut für Journalistik an der Universität Dortmund eine Stiftungsprofessur für internationalen Journalis- Zwei zweite TV-Preise gehen an Thomas Berbner und mus mit dem Schwerpunkt Europa. 2004 erhielt sie Steven Rosenberg. Berbner berichtete am 16. Mai in den Staatspreis des Landes NRW. lwd der Reportage „Spiel mit dem Tod“ über ein Häftlings- rodeo im Staatsgefängnis von Louisiana. BBC- Reporter Steven Rosenberg wurde für vier kurze Fern- sehbeiträge ausgezeichnet, die von BBC „World News „ KURZMELDUNG America“ in den USA gezeigt wurden. Den Neue-Medien-Preis erhalten Johannes Bohnen Hamburg (epd). Die RTL Group steigt wieder in den und Jan-Friedrich Kallmorgen für den Internet- Sportrechtehandel ein. Unter der Leitung von Philip Auftritt www.atlantic-community.org. Nach Meinung Cordes als Chief Executive Officer sei in Hamburg die der Jury ist das Online-Angebot „ein gelungenes Bei- UFA Sports wiedergegründet worden, teilte RTL mit. spiel, welche wichtige Rolle das Internet als Plattform Cordes war bislang für Sportfive tätig. An dieser für den transatlantischen Austausch und Diskurs Sportrechteagentur war die RTL Group bis November spielen kann“. dir 2006 beteiligt, verkaufte ihren 25-Prozent-Anteil dann aber an den französischen Medienkonzern La- gardère. Die ursprünglich 1988 gegründete UFA Sports wird nun reaktiviert. 20 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 AUSLAND

„ AUSLAND Mit einem neuen Fernsehsender sei es deshalb nicht getan, erklärten Kubas Intellektuelle. Vielmehr müss- Kuba: Intellektuelle üben Kritik ten die Staatssender mit attraktiveren eigenen Pro- an „verdummenden“ Medien duktionen gegensteuern, hieß es auf dem Kongress. Ähnliches gilt laut den kubanischen Intellektuellen Staatsführung kündigt neuen Fernsehsender auch für das Internet und andere neue Kommunikati- mit ausländischen Programmen an onsmedien. Statt sich wie bisher abzuschotten, müsse Kuba sich diese „zu eigen machen“. Mexiko-Stadt (epd). Der Machtwechsel von Fidel Castro zu seinem Bruder Raúl Castro macht sich „Wir wohnen einem Krieg bei, verursacht von den in Kubas Medien bemerkbar. Mit ungewöhnlicher neuen Kommunikationstechnologien, (...) in dem der Offenheit und Schärfe haben Kubas Intellektuelle Sozialismus viele Schlachten verloren hat“, hieß es in in der vergangenen Woche das Staatsfernsehen einem der vielen Papiere des Kongresses, die von der kommunistisch regierten Karibikinsel kriti- Kubas Staatsmedien in ungewöhnlicher Offenheit siert. Die gleichzeitige Ankündigung Kubas, einen wiedergegeben wurden. neuen Fernsehsender zu starten, wird als Versuch gewertet, den Zuschauerschwund zu stoppen. Raúl Castro lobt Kritikfreudigkeit

Dieses Jahr noch will Kubas Radio- und TV- Auch der im Februar zum neuen Staatspräsidenten Gesellschaft ICRT einen neuen nationalen Fernsehka- gewählte Raúl Castro wohnte dem Kongress bei und nal in Betrieb nehmen. Er soll zusätzlich zu den be- lobte die Kritikfreudigkeit der Intellektuellen. „Das war stehenden vier nationalen Kanälen 24 Stunden täglich ein großartiger Kongress“, sagte Castro zum Ab- ausländische Filme zeigen. Umgerechnet zehn Millio- schluss. Damit blieb der jüngere Castro-Bruder seinem nen Euro will die ICRT investieren. früheren Versprechen treu, die Probleme Kubas offen zu diskutieren. Die Ankündigung des neuen Senders erfolgte zum Auftakt des Kongresses des Verbandes der Schriftstel- Doch die Offenheit hat in Kuba nach wie vor Grenzen, ler und Künstler am 2. April in Havanna. Doch anders wie das Beispiel von Yoani Sánchez - Kubas internati- als bei früheren Kongressen von Kubas staatlich orga- onal bekanntester Bloggerin - zeigt. Das digitale Ta- nisierten Intellektuellen gab es diesmal keinen Jubel, gebuch der 32-jährigen Kubanerin über den Alltag auf sondern harsche Kritik am Staatsfernsehen. der Karibikinsel erzielt mittlerweile weltweit eine Million Zugriffe pro Monat. Auf der Insel selbst ist Große Beachtung fand die von Kubas Medien wieder- Sánchez' Webseite aber seit Ende März für den Zugriff gegebene Rede von Alfredo Guevara. Der Gründer des gesperrt. kne kubanischen Filminstituts bezeichnete Kubas Staats- fernsehen als „verdummend“ und warf dessen Pro- grammdirektoren vor, sich mit ihrer „ungewöhnlichen Ignoranz“ ungewollt zu den Verbündeten des Kapita- KURZMELDUNG lismus zu machen. „

Popularität des US-Fernsehens Moskau. Das Moskauer Bezirksgericht Meschanski hat die Klage der Journalistin Natalja Morar gegen Damit spielte der angesehene Cineast auf ein offenes den russischen Geheimdienst FSB endgültig abge- Geheimnis an: Bei vielen Kubanern ist das US- wiesen. Die aus Moldawien stammende Morar war Fernsehen populärer als dasjenige Kubas. Selbst safti- im Dezember 2007 wegen „Gefährdung der öffentli- ge Bußgelder schrecken sie nicht davor ab, die dafür chen Sicherheit Russlands“ ohne nähere Begründung notwendigen, illegalen Satellitenschüsseln oder Ka- vom FSB ausgewiesen worden (epd 7, 17, 27/08). belanschlüsse heimlich zu installieren. Das einheimi- Zwei Einreiseversuche scheiterten. Die Handlungen sche Fernsehen wird als Zumutung empfunden, Ju- Morars in Russland seien „mit der Tätigkeit eines belmeldungen über den Sozialismus wechseln sich Journalisten nicht vereinbar“, erklärte das Gericht dort mit belehrenden Politsendungen ab. Technisch am 7. April. Eine genaue Begründung soll es erst und künstlerisch sind Kubas bisherige TV-Kanäle in später geben. Morars Ehemann, Ilja Barabanow, den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ste- kündigte bereits an, Einspruch gegen das Urteil ein- hen geblieben. zulegen.

AUSLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 21

Niederlande: Politiker Wilders darf eingereicht und fordert eine Richtigstellung des Poli- Islam „faschistisch“ nennen tikers, die an nationale Medien und internationale Nachrichtenagenturen geschickt werden soll. bir Islamische Föderation unterliegt mit Klage – Korrigierte Version von „Fitna“ im Internet Den Haag (epd). Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders darf den Islam als „faschistisch“ KommAustria rügt bezeichnen. Das urteilte ein Gericht in Den Haag Hornauer-Sender Telemedial am 7. April. Die Niederländische Islamische Föde- Gesundheitsberatung mit „Engelenergien“ – ration hatte eine einstweilige Verfügung gegen Sendung vom August 2007 Aussagen des Politikers gefordert, der den Islam „faschistisch“ genannt und den Koran mit Hitlers Wien (epd). Die österreichische Fernsehaufsicht „Mein Kampf“ verglichen hatte. Damit rufe er zu KommAustria hat beim Esoterik-Kanal Telemedial Gewalt und Hass auf, so die Föderation. Das Ge- eine Rechtsverletzung festgestellt. Telemedial habe richt wies die Klage mit dem Hinweis auf die Mei- durch die Ausstrahlung einer Teleshoppingsendung nungsfreiheit zurück. Die Aussagen seien provozie- mit dem Berater Walter von Berg den Eindruck rend, schürten aber keinen Hass gegen eine Bevöl- erweckt, dass die telefonische Beratung und Be- kerungsgruppe. handlung mit Hilfe von „Engelenergien“ eine schulmedizinische Behandlung durch einen ausge- Nach Ansicht des Gerichts darf ein Abgeordneter in bildeten Arzt ersetzen könne, und dadurch Verhal- der öffentlichen Debatte auch mit großer Schärfe tensweisen gefördert, die die Gesundheit gefährde- seine Standpunkte vertreten. Ein Verbot von mögli- ten, heißt es in der Anfang April veröffentlichten chen verletzenden oder schockierenden Aussagen Entscheidung der KommAustria vom 19. März verletze das Recht auf Meinungsfreiheit, urteilten die (KOA 2.100/07-116). Richter. Es käme daher einer „vorbeugenden Zensur“ gleich. Wilders begrüßte das Urteil. Die Islamische Der Sender sei aufgefordert worden, den Bescheid der Föderation kritisierte den Richterspruch und will nun KommAustria im Programm zu verlesen, hieß es wei- entscheiden, ob Berufung eingelegt wird. ter. Der KommAustria seien Aufzeichnungen dieser Veröffentlichung zum Nachweis vorzulegen. Die muslimische Organisation hatte ursprünglich geklagt, um eine unabhängige Prüfung des Anti- Telemedial ist über Satellit und verschiedene Kabel- Koran-Films „Fitna“ des Politikers vor der Veröffentli- netze auch in Deutschland empfangbar. Geschäfts- chung zu erzwingen. Wilders hatte den Film jedoch führer des Senders ist Thomas Hornauer, dessen Sen- Ende März, einen Tag vor Beginn des Verfahrens, ins der BTV4U im Jahr 2005 in Baden-Württemberg die Internet gestellt. „Fitna“ stieß weltweit auf Kritik, weil Lizenz zurückgeben musste (epd 28/03, 2/05). Seinen darin Bilder von Terroranschlägen gezeigt und neben Sender Telemedial bezeichnet Hornauer als „Free Pay- Koranverse montiert werden (epd 24-25, 27/08). TV“ und „Mehrwertfernsehen“. Zuletzt hatte sich auch die Landesanstalt für neue Medien Nordrhein- Eine neue, korrigierte Fassung des Anti-Koran-Films Westfalen (LfM) in Sachen Telemedial an die Kom- ist seit dem 7. April auf der Internetseite liveleak.com mAustria gewandt, nachdem Zuschauer nach Anga- zu sehen. Wilders ersetzte die Mohammed-Karikatur ben der LfM für einen „Energieausgleich“ bis zu 30 des dänischen Zeichners Kurt Westergaard durch eine Euro Telefongebühren zahlen sollten (epd 24-25/08). andere Zeichnung. Darauf ist eine Variation der my- thologischen Atlas-Figur zu sehen. Ein bärtiger Mann Der nun erlassene Bescheid der KommAustria betrifft mit einem Turban trägt auf seiner Schulter statt des den Telemedial-Berater Walter von Berg und eine Sen- Erdballes eine Bombe. Westergaard hatte Wilders mit dung vom 5. August 2007 von 1 bis 2.50 Uhr nachts. Im gerichtlichen Schritten gedroht, weil er keine Zu- Verlauf der Sendung wurden nach Angaben der Kom- stimmung zur Veröffentlichung seiner Karikatur gege- mAustria insgesamt neun Anrufer durch von Berg bera- ben hatte. ten und behandelt. In der Sendung hätten die jeweiligen Anrufer zunächst ihr Anliegen geschildert. Von Berg habe Auch das Foto des niederländisch-marokkanischen dazu dann Fragen gestellt, eingeleitet mit den offenbar Rappers Salah Edin wurde aus dem Film herausge- an einen Engel gerichteten Worten: „Raphael, was sagst nommen. Wilders hatte anstelle des Mörders des Du?“ Die Ursache eines Leidens sei dann mit Hilfe eines Filmemachers Theo van Gogh irrtümlicherweise den Pendels, das von Berg über ein Buch gehalten habe, Musiker abgebildet. Der Rapper hat inzwischen Klage ermittelt worden. 22 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 AUSLAND

Bei einer Anruferin mit Darmbeschwerden habe von Parlamentswahlen. Die Medien, darunter der aus Berg im Zwiegespräch mit „Raphael“ diagnostiziert, Warschau über Satellit sendende Fernsehsender TV der Darm sei „gekräuselt“ bzw. „zerfasert“. Von Berg Belsat und mehrere von der EU und den USA unter- habe der Anruferin dann erklärt, es werde ein Darm- stützte Hörfunksender wie Radio Racja, das Europäi- austausch gemacht. Der alte Darm werde weggezogen sche Radio für Weißrussland und Radio Liberty hatten und der neue Darm komme rein. Während des Ver- am 25. März kritisch über die gewaltsame Auflösung laufs der Sendung sei keiner der Anrufer im Hinblick einer Demonstration der Opposition in Minsk berich- auf die jeweils geschilderten gesundheitlichen Prob- tet. Während der Demonstration wurden auch ein leme an einen Arzt bzw. in ärztliche Behandlung Reporter der weißrussischen Oppositionszeitung „Na- verwiesen worden, teilte die KommAustria weiter mit. scha Niwa“ und ein Fotograf festgenommen und danach zu 15 Tagen Haft verurteilt. Auch ein Kamera- „Darmaustausch“ in der Nacht team des öffentlich-rechtlichen Litauischen Fernse- hens LRT wurde vorübergehend festgenommen. Vor Einleitung des Verfahrens habe Telemedial von Berg jedoch bis Anfang Oktober aus dem Programm „Beunruhigt“ äußerte sich der polnische Staatspräsi- genommen und einer Nachschulung unterzogen. In dent Lech Kaczynski über die Situation in Weißruss- diesem Zusammenhang habe sich dieser verpflichtet, land. Das sei „keine Rückkehr zur früheren Situation, die Bestimmungen des österreichischen Privatfern- sondern eine Verschlechterung“. Polen unterstüzt die sehgesetzes einzuhalten. Seit August 2007 bestehe Herstellung demokratischer Verhältnisse in seinem zudem eine Anweisung der Geschäftsführung von Nachbarland besonders stark durch freie Medien, die Telemedial, wonach bei Aussagen von Beratern zur in Weißrussland nicht erlaubt sind. So sendet seit Gesundheit zweimal pro Beratung der Text „Wir wei- 1999 das weißrussische Radio Racja aus Olsztyn (epd sen darauf hin, dass die Aussagen in Gesundheitsfra- 18/06), und seit Dezember 2007 betreibt das öffent- gen die Beratung und Behandlung durch Ärzte nur lich-rechtliche Polnische Fernsehen TVP sein erstes ergänzen, keinesfalls aber ersetzen könnten“ einge- Auslandsprogramm TV Belsat über Satellit in weißrus- blendet. hen sischer Sprache aus Warschau. Finanziert wird es durch Mittel zur Förderung der Zivilgesellschaft des polnischen Außenministeriums.

Die deutsche Bundesregierung forderte am 28. März Weißrussland: Unabhängige erneut die Einhaltung der Menschenrechte in Weiß- Journalisten werden verfolgt russland. Wie der stellvertretretende Regierungsspre- cher Thomas Steg erklärte, seien von den Razzien des Festnahmen und Beschlagnahmungen – weißrussischen Geheimdienstes insbesondere Journa- Internationale und Organisationen protestieren listen und Sender betroffen, die von der EU und den USA finanziert würden (epd 9/06). Gegen die Verfol- Minsk (epd). Die Regierung in Weißrussland steht gung der Journalisten protestierten auch Hans-Gert weiter wegen ihres restriktiven Kurses gegenüber Pöttering, der Präsident des Europäischen Parlaments, Journalisten in der Kritik. Am 27. März wurden in weitere europäische Regierungen, der kanadische Minsk und weiteren Städten etwa 30 unabhängige Außenminister, das US-Außenamt, der OSZE- Reporter vorläufig festgenommen. Ihre Wohnun- Beauftragte für die Medien, Miklos Haraszti, und gen und Büros wurden durchsucht, Computerfest- internationale Journalistenverbände. ebe platten und weitere Datenträger beschlagnahmt. Als offizieller Grund wurde die Beleidigung des seit

1994 autoritär regierenden Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko angegeben. „ KURZMELDUNG So seien von den Medien Karikaturen und Trickfilme verbreitet worden, die den Präsidenten verunglimpf- Unterföhring (epd). Der Anrufsender 9Live expandiert ten, hieß es. Das weißrusssiche Außenministerium in Kolumbien, Ungarn, Dänemark und Schweden. wirft den Journalisten zudem illegale Arbeit vor. Sie Die 9Live International werde in diesen Ländern „Call- berichteten ohne Akkreditierung aus Weißrussland TV Fenster“ starten, teilte das Unternehmen mit. 9Live und finanzierten sich durch ausländische Geldgeber. International werde somit in acht Ländern mit eige- Shanna Litwina, die Chefin des weißrussischen Jour- nen Shows ausgestrahlt. nalistenverbands, bewertete die Aktion als Versuch der Einschüchterung vor den für September geplanten AUSLAND 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 23

Journalistenmord: Mutmaßliche Zwei ausländische Journalisten Täter in Tadschikistan verhaftet in Simbabwe angeklagt Fernsehreporter Schurpajew ausgeraubt – Korrespondenten sollen gegen Gesetze ver- Kein Zusammenhang mit Berufstätigkeit stoßen haben – Lage weiter angespannt Moskau (epd). Der Mord an dem Fernsehkorrespon- Windhuk (epd). Knapp eine Woche nach den Wah- denten Iljas Schurpajew in Moskau scheint aufge- len in Simbabwe hat die Justiz gegen zwei auslän- klärt. In Tadschikistan wurden drei Tatverdächtige dische Journalisten Anklage erhoben, die in der verhaftet, wie die Tageszeitung „Rossiskaja Gaseta“ Nacht zum 4. April verhaftet worden waren. Wie am 31. März berichtete. Sie sollen Schurpajew der südafrikanische Rundfunk meldete, werden den nicht nur getötet, sondern auch ausgeraubt haben. beiden Verstöße gegen simbabwische Mediengeset- Bei einem der verhafteten Tadschiken wurden das ze vorgeworfen. Es handelt sich um den Korres- Mobiltelefon und die Armbanduhr des Opfers ge- pondenten der „New York Times“, Barry Bearak, funden. Angeblich soll aus der Wohnung Schurpa- und einen britischen Reporter. jews auch eine größere Geldsumme verschwunden sein. Die beiden Reporter saßen zunächst im Gefängnis und kamen am 7. April gegen Zahlung einer Kaution frei. Der aus der Kaukasus-Republik Dagestan stammende Es wurde nicht bekannt, welche Auflagen mit der Schurpajew war am 21. März in seiner Mietwohnung Freilassung verbunden waren. Zwei weitere inhaftierte ermordet worden (epd 24-25/08). Die Täter fügten Journalisten sollen nach einer Überprüfung wieder dem TV-Korrespondenten des russischen Ersten Kanals freikommen. zahlreiche Stichverletzungen zu und erwürgten ihn anschließend mit einem Gürtel. Anschließend ver- Die Behörden hatten für die Präsidentschafts- und suchten sie, die Wohnung in Brand zu stecken, um Parlamentswahlen am 29. März nur eine sehr be- Spuren zu verwischen. schränkte Zahl von Korrespondenten einreisen lassen. Den meisten Journalisten nordamerikanischer und Zunächst wurde ein Zusammenhang mit der Berufstä- westeuropäischer Medien war die Akkreditierung tigkeit Schurpajews nicht ausgeschlossen. Dann kam verweigert worden (epd 24-25/08). die Polizei den Tätern mit Hilfe einer Überwachungs- kamera im Treppenhaus auf die Spur. Auf einem der In der Nacht zum 4. April hatten Sicherheitskräfte Bilder war zu erkennen, dass einer der Männer per auch Büros der Oppositionspartei „Bewegung für Handy telefonierte. Schon wenige Stunden später Demokratischen Wandel“ durchsucht. Die Lage in dem hatte die Polizei die Nummer ermittelt. Die Concierge, Land bleibt angespannt, weil das Ergebnis der Präsi- die auf Schurpajews Bitte zwei Männer ins Haus dentenwahl immer noch nicht bekanntgegeben wur- gelassen hatte, erkannte die Täter schließlich auf de. Inoffiziell hieß es, es werde eine Stichwahl zwi- Passfotos. schen Präsident Robert Mugabe (84) und Oppositions- führer Morgan Tsvangirai geben. Demnach hat kein Parallel zu dem Mord an dem Fernsehkorrespondenten Kandidat die erforderliche absolute Mehrheit erhalten. des ersten russischen Fernsehkanals war am 21. März Mugabe ist seit 28 Jahren an der Macht und strebt der Leiter des staatlichen Senders „Dagestan“, Gadschi eine sechste Amtszeit an. jpk/et Abaschilow, erschossen worden. Die Ermittlungsbe- hörden hielten anfangs einen Zusammenhang zwi- schen beiden Fällen für möglich. ab „ KURZMELDUNG

Warschau/Hamburg (epd). Die polnische Tochter des Axel Springer Verlags hat die regionale Sporttages- zeitung „Sport“ vom polnischen Verlag KTK Sport übernommen. „Sport“ sei in Schlesien Marktführer vor „Przeglad Sportowy“, Polens einzigem nationalen Sportblatt, das seit November 2007 ebenfalls bei Axel Springer Polska erscheint. Die Zeitung „Sport“ wird seit 1945 in Katowice produziert und verkauft nach Verlagsangaben täglich 10.000 Exemplare. 24 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 KRITIK

„ KRITIK tens dreimal zu oft - verwandelt sie. Sie hört der Liebe hinter der Wand zu und masturbiert, sie ist dem jun- Zu tief gegründelt gen charmanten Sascha vom ersten Moment an ver- fallen. Sie reden über den 2. Weltkrieg, über Stalin, „Der russische Geliebte“, Regie: Ulrich Stark, Buch: die Deutschen, über Wahrheit und Fiktion. Sie tänzeln Christian Jeltsch nach einem Roman von Maria durch Paris, gehen in schöne Lokale, grillen auf dem Nurowska; Kamera: Peter von Haller, Produktion: Balkon, lieben sich. ndF Film (ZDF, 31.3.08, 20.15-21.45 Uhr) In Paris sind die Frauen in Julias Alter frustriert. Die epd Ärgerlich an diesem Film ist erstens er selber Concierge (Marlen Diekhoff) trauert seit Jahrzehnten und zweitens seine Nähe zur Grimme-Preisverleihung verbittert ihrem Geliebten Luc nach, der mal kurz weg- in Marl, wo Iris Berben die „Besondere Ehrung des ging, um Kondome zu holen, und nie wiederkam. Am deutschen Volkshochschulverbandes“ erhielt. Dazu Ende, gestärkt durch Julia, geht sie fort aus dem Hotel, einen uneingeschränkten herzlichen Glückwunsch! ein neues Leben anfangen. Bei Julias miesepetriger Sek- Sicher, sie erhielt diesen Preis nicht nur für ihre retärin (Ursula Andermatt) genügt ein Wort von Julia künstlerischen Qualitäten, sondern auch für ihr ge- und sie ist geheilt: „Wir sind ein Team.“ Schon löst die sellschaftliches Engagement. Sekretärin ihr unordentlich gebundenes Haar, trägt es jetzt lang und offen und ist beschwingt wie nie. In einer so schwülstigen, mit allen möglichen Kli- schees behafteten Rührstory wie dem „Russischen Sascha hat bald sein Buch über Zar Nikolaus II. fertig, Geliebten“ greift auch der gewiefteste Profi notge- 412 Seiten. Kaum geschrieben, schon gedruckt und drungen zurück auf allgemeinsten Ausdruck. Und präsentiert. Offenbar sofort ein Bestseller, der so viel versackt damit in uferloser Emotionalität. Iris Berben, Geld einbringt, dass Sascha eine feudale, frisch ausge- in Ermangelung von handfestem Material, von halb- baute Wohnung mieten kann und auch die Zukunft wegs sprechbaren Dialoge, von griffigen, widersprüch- abgesichert ist. lichen Szenen, fand hier nicht einmal im Ansatz zu ihrer sonstigen Souveränität und Spiellaune. Vorher jedoch steht das gemeinsame Leben auf der Kippe, weil Julia erkrankt und ihr die Eierstöcke ent- Die Story ist kurz skizziert: Julia, eine 50-jährige fernt werden müssen. Das verheimlicht sie ihrem deutsche Dozentin (Literatur der Arbeiterklasse des Sascha aus Angst, er könnte sie verlassen, weil sie nun 20. Jahrhunderts), ist für ein Semester Gastdozentin keine Kinder mehr bekommen kann! Überhaupt hat sie an der Sorbonne. Im Nebenzimmer ihres Hotels „Es- immer wieder Angst vor der eigenen Courage, obwohl meralda“ wohnen Sascha und Nadja (Ronald Zehrfeld alle in der Umgebung, auch ihre Tochter Ewa (Anne und Anna Brüggemann). Er ist promovierter Historiker, Weinknecht), diese Beziehung wunderbar finden. sie Friseuse. Beide lieben und streiten sich Tag und Keine Konflikte weit und breit. Nacht sehr laut und belästigen damit Julia. Als Sa- scha, etwa 20 Jahre jünger als Julia, sie zielstrebig Schön auch, dass sich in Paris alle so gut verständigen umwirbt, gibt Julia dem bald nach. Bequemerweise können, in einwandfreier deutscher Sprache natürlich. fährt Nadja zurück nach Russland. Als das Semester Selbst Friseuse Nadja parliert Fremdsprachen ohne zu Ende ist, beschließt Julia, bei Sascha in Paris zu Probleme. Auch hier ein zusätzlicher Reiz wieder bleiben. Doch Nadja kommt zurück, nichtsahnend. gnadenlos verschenkt. Julia will aufgeben und reist ab. Sascha erwischt sie noch auf dem Flugplatz, Umarmung, Happy End. Die Darsteller blieben allesamt in ihren Klischees hängen. Auch Ronald Zehrfeld, der immer charmant Am Anfang lauscht Julia zuerst verärgert dem rhyth- und verführerisch seine Grübchen zur Geltung brach- mischen Gestöhn des Paares, nimmt's dann mit Hu- te, aber nicht mehr. Einzig Anna Brüggemann machte mor und putzt sich im gleichen Rhythmus die Zähne. aus der Nadja eine interessante Figur, spielte diverse Ein schöner Einfall, aber es blieb der einzige. Schattierungen: die etwas blöde aber sexy Barbie und am Ende die gewiefte, gerissene Rivalin, die gnadenlos Diese Julia, eine emanzipierte Hochschullehrerin mit zuschlagen kann. erwachsener Tochter und Enkeln, kommt daher wie eine verschämte jüngferliche Internatsgouvernante. Nichts gegen Kitsch, wenn er denn offen daherkommt. Wochenlang trägt sie einen grauen Rock (zwei Hand- Aber hier, in der Regie von Ulrich Stark, hatte man breit unterm Knie, zwei Falten vorn, zwei Falten hin- immer das Gefühl, man sei wirklich der Meinung, man ten) mit einfachen Blusen in Eierschale. In Paris kauft handle ein ernsthaftes Thema auch ernsthaft und sie dann einen schwingenden lindgrünen Mantel. tiefgründig ab. Wenn es so war, ging es grandios Paris, die Stadt der Liebe - dieser Satz fällt mindes- daneben. Renate Stinn KRITIK 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 25

Sterben in Schönheit während Roderick daheim im Bette während der TV- Übertragung stirbt. In Lucas Auge quillt die Träne. „Die Zeit, die man Leben nennt“, Regie und Buch: Sharon von Wietersheim, Kamera: David Sander- Klar, da weinte man natürlich auch ein bisschen mit. son, Produktion: Rich and Famous Overnight Film- Obwohl man sich für den insgesamt leider viel zu produktion München und Epo-Film Wien (ZDF, vornehm tuenden Film ansonsten nicht so recht er- 17.3.08, 20.15-21.45 Uhr) wärmen mochte. Er war, wie der „Spiegel“ treffend formulierte: „trotz des schweren Stoffes gnadenlos epd Dieses TV-Melodram wurde von einem einzi- entschlossen, Schönheit zu zeigen“. So musste man gen Schauspieler gerettet: Hinnerk Schönemann in halt arg viel dabei zusehen, wie sich irgendwer in der Rolle des Raubeins Roderick. Der eigentliche Held, irgendwelchen Parks an irgendwelchen Seeufern vor Luca - gespielt von Kostja Ullmann -, der als jugendli- Alpenhintergrund erging. Gefilmt wurde mit viel Ge- cher Pianist nach einem Unfall von der Hüfte an ge- genlicht und (Scheinwerfer)Sonnenschein. Und die lähmt im Rollstuhl landet und die Klavierpedale nicht todschicke Reha-Klinik war in einem schlossartigen mehr bedienen kann, sah dagegen vor allem sehr Gebäude untergebracht. Im Abspann grüßte fördernd hübsch aus. Ohne ansonsten besonders positiv oder unter anderem das Land Salzburg. So schön kann negativ in Erinnerung zu bleiben. Leiden sein! Im Fernsehen.

Ganz im Gegensatz zu Katja Weitzenböck in der Ne- Wenn in einem Film wie diesem ein Konzert mal nicht benrolle von Lucas Mutter: Bei jeder ihrer Szenen im historischen Konzertsaal, sondern draußen statt- hörte man das Papier nur so rascheln. Und auch von findet (natürlich, wo sonst, an einem malerischen Fritz Karl weiß man, dass er wesentlich mehr kann, als Seeufer, bei einem Schloss und vor Bergkulisse), er hier als Vater zeigte. Wer also führte nur Regie? herrscht trotzdem beste Akustik. Kein Ton wurde vom Sharon von Wietersheim. Autorin, Regisseurin und Wind verweht. Parole: Nicht dass uns ein einziger Produzentin in Personalunion und vom ZDF als „Spe- Zuschauer womöglich trübsinnig wird. zialistin für heitere Liebeskomödien“ gerühmt. Es lebe die Gewaltenteilung! Auch beim Film hat sie oft et- Nun ja, immerhin war da ja der ansteckend lebendige was für sich. Hinnerk Schönemann. Nicht nur Luca hat ihm alles zu verdanken. Auch diesem ständig vom Selbstmord Doch zum Glück gab es ja Hinnerk Schönemann als durch Schönheit bedrohten Film rettete er mit seiner Roderick. Prollig und lebenslustig gab er das Gegen- Vitalität, Komik und Natürlichkeit das Leben. Und so stück zum elegischen und kultivierten Luca. Im Ge- konnte man wenigstens zeitweise mitgehen: Und sich gensatz zu Lucas Behinderung ist Rodericks Krankheit am Schluss von Herzen wünschen, dass es so berei- tödlich. Beide Rollstuhlfahrer werden in der Reha chernde Beziehungen zwischen den Menschen viel zusammen in ein Zimmer gesteckt, nachdem der zu- öfter geben möge und uns der große Wurf, eines packende Roderick, der als Todgeweihter das Leben Freundes Freund zu sein, viel öfter gelänge. In der sehr zu schätzen weiß, den depressiven Kulturknaben realen, der hässlichen Welt. Andrea Kaiser nach einem Selbstmordversuch aus dem Wasser ge- fischt hatte. Und siehe da, der Plan geht auf: Die beiden gegensätzlichen jungen Männer, fast noch Jungs, tun einander richtig gut. „ NOTIERT Sie freunden sich an, ziehen zusammen in ein schi- ckes, behindertengerechtes Loft, gehen trotz (bzw. „ „Die Hanseatin, Tochter des Verlegers John Jahr wegen) ihrer Lähmung zusammen in den Puff. Und für senior, hat 1972 ,Essen & Trinken' gegründet und Lucas Pedal-Problem denkt man sich eine technische 1988 die Chefredaktion von ,Schöner Wohnen' und Lösung aus, so dass der begnadete Pianist, der nach ,Häuser' übernommen. Dass Küchen heute ,keine seinem Unfall zunächst nie wieder spielen wollte, Kochlabors mehr sind, sondern Lebensraum', kann sich wieder auftreten möchte. Auch seinem Freund - und Angelika Jahr als Verdienst zurechnen. Gleiches gilt allen Körperbehinderten - zuliebe: Selbst im Rollstuhl für den Landhausstil, den ihre Blätter früh propagiert kann man Großes leisten. haben.“ - Hans Leyendecker in der „Süddeutschen Zeitung“. Wäre da nicht die böse Marketingabteilung seiner Plat- tenfirma. Luca geht, unangemeldet, einfach trotzdem auf die Bühne. Und feiert, natürlich, einen Riesenerfolg - 26 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 KRITIK

Kuriositätenkabinett „Achtung Hartwich!“ will die Late Night Show mit- nichten neu erfinden; womöglich ist das ein Grund „Achtung, Hartwich“, Regie: Mark Achterberg, dafür, dass die Quoten die Erwartungen nicht erfüll- Joris Herrmanns, Buch: Rene Foerder, Johannes ten, eher knapp gelang ihnen der Sprung in den zwei- Rehmann u.a., Kamera: Martin Waldmann u.a., stelligen Bereich. Die Ähnlichkeit mit vergleichbaren Produktion: Sony Pictures Film- und Fernseh- Formaten ist allzu augenscheinlich - und der Unter- Produktion (RTL, 1.3.08, 23.00-23.30 Uhr, seit schied zu Hartwichs Vorgängern wie „7 Tage, 7 Köpfe“ 8.3.08, jeweils Sonntag 1.00-1.30 Uhr) oder „Freitag Nacht News“ wohl zu groß für die Zu- schauer, die bei Harwich mehr mitdenken müssen. epd Es kann so schön sein. Und es kann so fürch- terlich sein. Schön ist es zumeist, wenn Daniel Hart- Statt jedoch „Achtung, Hartwich!“ gleich abzusetzen, wich sich an Prominente und solche, die es gerne wie man es mittlerweile gerne tut, hat man die Sen- wären, heranwanzt und sie an ihrer empfindlichsten dung in die tiefe Nacht verschoben. Der neue Termin Stelle - eben der Prominenz - packt. Da kann er seine ist sonntags früh um 1 Uhr, nach „Die Entscheidung“, Schlagfertigkeit beweisen, da ist seine Dreistigkeit der Bekanntgabe der Gewinner und Verlierer der gerade richtig. Und weil die Kamera dabei ist, machen DSDS-Mottoshow am Samstagabend. Man will Daniel auch alle brav mit : DSDS-Kandidat Martin Stosch Hartwich offenbar am ausgestreckten Arm verhun- lässt sich von einem Fan in den Hintern kneifen, gern lassen. Den „Recall“-Zettel, den der Moderator Dschungel-König schwingt sich an einer Anja Lukaseder von der DSDS-Jury überreichte - „Du Liane durchs Studio und der Sänger von H-Blockx gibt darfst wiederkommen!“ - könnte er selbst womöglich alle Peinlichkeiten zu. besser gebrauchen. Eine zweite Chance hätte er durchaus verdient. Katrin Schuster Fürchterlich hingegen ist die Sendung „Achtung, Hartwich!“, wenn Daniel Hartwich den einfachsten Weg des Humors geht - denn der führt immer unter die Gürtellinie. Man muss schon Angst bekommen angesichts der Tatsache, wie verklemmt Hartwichs Studiopublikum ist, da es bei Liebespuppen für Hunde Grünkohl und einem falsch mit Verona Pooth untertitelten „Joschka - eine Karriere. Der lange Marsch“, Regie Softporno derart aus dem Häuschen gerät. Sex und Buch: Hubert Seipel, Kamera: Pavel Schnabel, scheint, wenn es um Comedy geht, auch weiterhin Michael Jacobi, Produktion: Cinecentrum/Eco- eine sichere Nummer. Media (ZDF, 25.3.08, 20.15-21.00 Uhr)

Dabei hätte Hartwich das gar nicht nötig. Denn gera- epd Aus drei mach eins: das mag für Waschmittel de das Kuriositätenkabinett, als das diese Late Night oder für Kräuterbonbons ein probates Verfahren sein, Show offensichtlich angelegt war, erweist sich als für Filme ist es das sicher nicht. Hubert Seipels Film tragfähiges Konzept: Wo sonst flötet ein Mann auf über Joschka Fischer hat eine solche Karriere hinter seinen Zehen (und muss sich Anja Lukaseder von ihm sich und sie ist ihm nicht bekommen. Auch wenn der auf den Fingern flöten lassen), welcher andere Mode- Autor selbst sagt, er könne zur Not mit dem Resultat rator testet schon auf der Geburtsstation den Mini- leben, schließlich hat er die Endfassung selbst herge- computer zur Interpretation von Babygeschrei, be- stellt. Zugleich hat Seipel ZDF-Chefredakteur Nikolaus sucht die CeBit, um das dort anwesende Fachpubli- Brender attackiert, weil der wenige Tage vor Aus- kum über die Bedeutung von Fachbegriffen wie „Ce- strahlung noch interveniert und veranlasst hatte, dass Bit“, „PDF“ oder „USB“ zu befragen, und besucht den der ursprünglich geplante Zweiteiler zu einer 45- Bobfahrer Alexander Resch, der eine Bahn mit einer minütigen Dokumentation gestaucht wurde, die das ungeliebten Ehefrau vergleicht? ZDF zur Primetime ausstrahlte.

Eine gute Idee auch in Aachen, der kinderlosesten Die Vorgeschichte reicht noch weiter zurück. Ur- Stadt Deutschlands, in einen Samenladen zu gehen, sprünglich war mit dem Projekt der Autor Ivan Fila um mit dem Besitzer über Aachener Samen-Angebot betraut, der schon früher für Guido Knopps Zeitge- und Samen-Nachfrage zu plaudern. Da nämlich wer- schichtsabteilung gearbeitet hatte. Dem Autor wurde den - jenseits der vermeintlichen Tabus - die kapita- das Projekt im Herbst 2007 entzogen. Als Gründe listischen und biologistischen Redeweisen, die die nennt das ZDF, der Autor habe nur eine vorläufige Diskussion ums Kinderkriegen längst beherrschen, Materialsammlung vorgelegt, die der Sender ebenso hübsch parodiert. wie Produzent Ulrich Lenze als unzureichend abge- lehnt habe: „Die Arbeit entsprach an entscheidenden KRITIK 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 27

Stellen in keiner Weise professionellen journalisti- Die zweifache redaktionelle Operation am Stoff führt schen Kriterien“. So habe der Autor versprochene erkennbar zu Ungleichgewichten im Gesamtbild. Erst investigative Erkenntnisse über Fischers frühe Frank- nach zwei Dritteln der Zeit kommt der Film bei Fischer furter Jahre nicht vorlegen können. Liest man dazu als Außenminister an. Vergleichweise lange widmet er die Auslassungen in einer Vorabkritik der FAZ, so sich der Frankfurter Sponti-Zeit, gibt den 68ern und scheint sich Fila darauf konzentriert zu haben, Fischer der RAF-Geschichte größeren Raum. Das ZDF will halt wegen seiner linksradikalen Phase noch politisch am zur Primetime gern Spektakuläres senden und keine Zeug flicken zu wollen. Das hatte Seipel nicht vor. politische Analyse. Dieser Schwerpunkt verselbstän- Aber dass er es dem ZDF auch mit seiner Version nicht digt sich aber, weil der Film nicht entwickeln kann, recht machen konnte, ist schon eine seltsame Pointe. wie diese Vorgeschichte in die rot-grüne Politik ein- fließt und sie prägt. Die beiden ungleichen Teile kle- Seinen Film sieht man sich nun jedenfalls mit der ben vielmehr unverbunden aneinander. Frage an, was aus ihm hätte werden können, wenn. Der Fokus des Autors liegt auf dem Machtpolitiker Gearbeitet ist der Film mit viel Archiv-Material, für ein Joschka Fischer. Über Machtstreben und Machtwillen Interview stand Fischer nicht zur Verfügung. Seipel ge- sucht er die Karriere des Politikers aufzuschlüsseln. hört zu den Autoren, die noch mit der Visualität des Schon sehr früh macht er diesen politischen Charak- Mediums rechnen, deshalb kann er auch einige interes- terzug aus, spätestens als Fischer sich aus der zweiten sante Fundsachen vorzeigen. Zur Erinnerung etwa die Reihe bei den aufbruchswilligen Frankfurter Studen- Szene, in der sich der frisch vereidigte Fischer mit unver- ten auf die Vorderbühne spielte, dann gemeinsam mit gleichlich selbstzufriedener Mimik und Gestik zwischen Daniel Cohn-Bendit den Sponti-Trupp „Revolutionärer Schröder und Lafontaine auf der Regierungsbank nieder- Kampf“ gründete und nach dem Scheitern dieser lässt. Überraschend die Aussage des ehemaligen Frank- Politik sich den grade aufblühenden Grünen zuwand- furter Polizeipräsidenten, der zugibt, dass die Frankfurter te, das durchaus mit Hintergedanken, wie Jutta Dit- Polizei bei den Auseinandersetzungen um das Westend furth formuliert: „Die wollten uns plattmachen.“ reichlich und unverhältnismäßig geprügelt hat. Oder auch eine frühe Rede Fischers bei einer studentischen Die weiteren Phasen im Aufstieg in der grünen Politik Versammlung, wo dieser die Anwesenden im knarzigen über den ersten grünen Minister in Hessen bis hin zu Fischersound auffordert, doch nach den „Massenbedürf- Außenminister und Vizekanzler handelt der Film in 45 nissen“ Ausschau zu halten, die die Sozialdemokratie Minuten kursorisch ab. Seipel pflegt in seinen kom- nicht befriedige. mentierenden Sätzen einen polemischen, manchmal maliziösen Ton, aber so etwas kann ein Polemiker wie Dazwischen kreist der Autor die Person Fischer mit Sta- Fischer schon aushalten. Doch einem Politiker die tements von Zeitzeugen ein. Ausführlicher und im Zu- Fixierung auf Macht vorzuhalten, so berechtigt der sammenhang darf sich eigentlich nur Daniel Cohn- Vorhalt aus biografischer Sicht sein mag, trägt nicht Bendit äußern, der merkwürdigerweise sehr verrenkt vor sehr weit. Geht es nicht in der Politik eben darum? der Kamera sitzt, als verharre er wegen eines Bandschei- benvorfalls in Schonhaltung. Es hätte dem Film besser Spätestens mit dem Eintritt Fischers in die nationale und getan, den Zeitzeugen, Freunden oder Gegnern die Zeit internationale Politik macht sich bemerkbar, wie wenig für analytische, bewertende Stellungnahmen zu geben, ergiebig dieser Gesichtspunkt ist. Fischers politische anhand derer man sich als Zuschauer selbst sein Urteil Positionen zuerst an der Kriegsfrage zu messen, mag bilden kann - aber eben das war vermutlich bei dieser noch angehen. Immerhin war der NATO-Einsatz im Ko- Vorgeschichte unmöglich. sovo unter rot-grüner Ägide tatsächlich ein drastischer Wendepunkt in der deutschen Politik. Aber schon die Zweimal kommt auch Otto Schily vor. Einmal bestä- Weigerung der rot-grünen Regierung, am Irakkrieg teil- tigt er die These vom Fischers Machtwillen, darin zunehmen, lediglich einer populistischen Regung zuzu- Helmut Kohl gleichend, weshalb man Fischer auch ordnen, dürfte zu kurz greifen. Fischers an Rumsfeld „Grünkohl“ genannt habe. An anderer Stelle sagt gerichteter Satz „I'm not convinced“ bei der Münchner Schily: „Joschka war ohne die Grünen nichts und die Sicherheitskonferenz war, wie man heute weiß, nur zu Grünen waren ohne Joschka nichts.“ Was das für die berechtigt und trägt politisch bis in die heute regierende deutsche Innenpolitik bis heute bedeutet, davon große Koalition. Und es ist sicher auch zu kurz gesehen, müsste man eigentlich drei Jahre nach dem Ende von unmittelbar mit dieser Weigerung zu verknüpfen, dass Rot-Grün auch erzählen können. Vielleicht, wenn mal Condoleezza Rice der deutschen Regierung den Sitz im kein Erinnerungsdatum drückt und gelasseneres Inte- Sicherheitsrat verweigerte: das Problem liegt tiefer und resse herrscht an einer soliden Darstellung und den dauert länger an. Autoren hektische Um- und Verschnitte erspart blei- ben. Fritz Wolf 28 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 KRITIK

Der Sinn des Lebens kommt Scobel gut rüber. Selbst wenn's abgedroschen klingt: Er bewegt sich auf Augenhöhe, ohne sich dabei „Nächster Halt“, sechstlg. Reihe, Moderation: Sab- in irgendeiner Form anzubiedern. rina Stehnicke und Torsten Flassig, Konzeption: Gert Scobel, Produktion: studio.tv.film (Kika, Viel zu tun hat Scobel sowieso nicht; meistens sitzt er 19.50-20.15 Uhr, seit 15.3.08) ganz gemütlich im Bus und lässt sich durch Berlin fahren. Das gibt den Filmen Dynamik und erklärt den epd Die Idee ist nicht schlecht. Wie bringt man Titel. „Nächster Halt: …“ heißt es immer dann, wenn Philosophen ins Spiel, ohne einen angegrauten Pro- in der Sendung ein neues Kapitel beginnt. Und das ist fessor zu befragen, dessen Jargon die Kika-Zielgruppe ziemlich oft der Fall, weil Fernsehen für junge Ju- ohnehin nicht folgen könnte? Ganz einfach: Man lässt gendliche heutzutage gar nicht mehr anders geht. die Philosophen selbst zu Wort kommen. Grafisch war das vermutlich anspruchsvoller, als es aussieht, wenn Dank der durch den Bus gewährleisteten Mobilität ein Tattoo auf einem Oberarm oder ein Gesicht auf kann das Moderationsduo Sabrina Stehnicke und einer Plastiktüte lebendig wird. Die abgebildeten Torsten Flassig vom Hölzchen aufs Stöckchen kom- Köpfe entpuppen sich als Friedrich Schiller oder David men: Zum Thema Angst laufen sie zu Beginn mit Hume, die destillierte Erkenntnisse zum Besten geben. Scobel durch einen Bunker, um über Angst vor dem Natürlich sind die Ausführungen nach wie vor an- Krieg zu sprechen, später klettert Torsten auf einen spruchsvoll; man muss sich konzentrieren, um ihnen Zehn-Meter-Sprungturm (und springt nicht); Sabrina folgen zu können. überwindet ihre Furcht und streichelt eine pelzige Spinne. In einer anderen Ausgabe erklärt ein Schön- Allerdings klingt Kierkegaard wie der Däne Morten heitsexperte, warum wir alle ähnliche Vorstellungen Olsen, der eine Zeit lang den 1. FC Köln trainiert hat. von Schönheit haben. In der Fußgängerzone führen Heidegger wiederum schwäbelt. Beides führt dazu, Sabrina und Torsten ein praktisches Experiment durch dass man den Herren womöglich weniger Respekt (der „schönen“ Sabrina wird eher geholfen als der entgegenbringt, als ihnen gebührt. Doch das All-Star- „hässlichen“). Und am Ende kehren sie im Teehaus ein, Team der Denkforscher nimmt in diesem neuen Kika- wo Scobel sie schon erwartet. Magazin ja auch nur die Rolle von Ergänzungsspielern ein. Sie haben ihren Auftritt gewissermaßen als ani- Identifikationsfigur für die Zielgruppe ist neben den mierte Fußnoten für die Beiträge von Coach Scobel. beiden Moderatoren pro Ausgabe ein Kind, das über Der hat „Nächster Halt“ auch konzipiert. seinen Bezug zum Thema spricht. Ein dunkelhäutiges Mädchen berichtet von der Angst um den Vater, der Ihm war aufgefallen, dass Kultur im Allgemeinen und in Angola lebt. Zum Thema „Das Fremde“ beschreibt die Philosophie im Besonderen im Kinderfernsehen ein Junge mit türkischen Eltern, wie es sich anfühlt, in überhaupt keine Rolle spielen. Mit entsprechend gro- seinem Geburtsland als Ausländer zu gelten. In der ßem Widerstand rechnete er bei den Sendern und war Ausgabe über Schönheit erzählt ein früher fettes einigermaßen verblüfft, als er bei ARD, ZDF und der Mädchen, wie sie irgendwann immer dünner gewor- gemeinsamen Tochter Kika offene Türen einrannte. den ist; bis sie schließlich in der Magersucht endete. Prompt war er dann als Experte mit von der Partie, Diese Zwischenspiele sind selten stimmig in den Ab- was so nicht geplant war; sagt er jedenfalls. In den lauf integriert und nehmen den Magazinen durch ihre Filmen wird er auch nicht weiter vorgestellt. Schlicht statische Inszenierung sogar eine Menge Schwung; „Gert“ lautet das Insert, und vermutlich wird sich die aber sie sorgen dafür, dass die Sendung immer wieder Zielgruppe in Unkenntnis von Scobels 3sat- geerdet wird. Tilmann Gangloff Umtriebigkeit fragen: Wer ist der Typ eigentlich?

Aber der Grimme-Preisträger („delta“, „Kulturzeit“) stört auch nicht weiter, und das ist in der Regel das Beste, was sich über Erwachsene im Kinderfernsehen „ PERSONALIEN sagen lässt. Hinzu kommt: Die Kinder wollen ihn. Das hat zumindest die Medienforschung rausgefunden: München (epd). Sven Noth ist beim Programmver- Repräsentanten der Zielgruppe fanden die Sendung trieb von NBC Universal neuer Vice President Liaison mit Scobel stimmiger als ohne ihn. Das kann man für die deutschsprachigen Territorien. nachvollziehen: Liebe, Tod und ähnlich große Themen mögen Kinder zwar bewegen, doch es ist nie verkehrt, Berlin (epd). Alexander Schmid-Lossberg (48) ist darüber auch mit Erwachsenen zu reden. Außerdem neuer Personalchef der Axel Springer AG. DOKUMENTATION 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 29

„ DOKUMENTATION „Programm schafft Werte“ Medienwissenschaftlerin Johanna Haberer über Anforderungen an Rundfunkanbieter epd Ein Symposium der Landesmedienanstalten Gemeinnutzen nach den Regeln der Betriebswirt- beschäftigte sich am 13. März in Berlin mit dem schaft beziffern könnte. Wie Umfragen nach einem Thema „Rendite ohne gesellschaftliche Dividende - solchen Mehrwert, Gemeinwert denn aussehen sollen Die Ökonomisierung des Rundfunks und ihre Fol- und überhaupt, was genau so ein Mehrwert und ein gen“. Hintergrund des Symposiums war die anhal- Gemeinwert ist. Und ob wir, die Gesellschaft uns tende Diskussion um das Engagement von Finanz- diesen Gemeinwert fürderhin leisten wollen (siehe investoren in deutschen Medienhäusern (epd 32, BBC). Aber noch einmal: Wer sind wir? Die Väter und 57, 62/07, 21/08). Wir dokumentieren an dieser Mütter des Grundgesetzes wussten - mit dem Nazire- Stelle den „Zwischenruf“, den die Medienwissen- gime und dem Krieg im Erfahrungsgepäck - sehr ge- schaftlerin Johanna Haberer bei der Veranstaltung nau, was „wir wollen“. „Wir“ wollen ein gesellschaftli- gehalten hat. Die evangelische Theologin fordert ches Konstrukt, in dem Freiheit und Verpflichtung, von Medienunternehmen, auf Konventionen und Individualität und Verantwortlichkeit in einer kreati- Traditionen sowie auf „kulturelle Identitäten und ven Spannung zueinander gehalten werden und ge- moralische Vereinbarungen“ zu achten. Die Ver- staltet werden. antwortlichen im Rundfunk dürften ihr Programm nicht nur als ein rein betriebswirtschaftlich kalku- „Verpflichtung auf das gesellschaftliche Wir“ lierbares Produkt beschreiben, so Haberer. Wir wollen, dass jeder das Recht hat, seine Meinung Die Frage, was das Rundfunkprogramm denn soll und in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver- was Rundfunkanbieter für das Gemeinwohl leisten breiten, sich ungehindert zu unterrichten, und wir sollen, was sie also wollen sollen, rührt tief an das wollen, dass Zensur nicht stattfindet. Und wir wollen, Selbstverständnis der Gesellschaft. Und lassen Sie dass Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll mich jetzt einmal probehalber sagen „unserer“ Gesell- zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Nach schaft, denn ob das Wir in der Gesellschaft, in der wir dem Geist unserer Grundgesetzes gibt es ein Wir nur, heute leben, eine valide, belastbare Größe ist, die wenn es auch ein Jeder gibt, wenn es also eine gesell- einen eigenen Wert und einen eigenen kollektiven schaftliche Übereinkunft darüber gibt, dass der Ein- Mehrwert hat und immer wieder hervorbringt, das zelne, das Individuum, jeder Teilnehmer dieser Gesell- wird zu fragen sein. schaft und jeder unternehmerische Marktteilnehmer zugleich eine Verpflichtung auf das gesellschaftliche Ökonomische Denkkategorien bestimmen in der Frage Wir eingeht, das mit der Zahlung einer Unterneh- nach dem, was Wert hat, unsere Sprache und damit menssteuer nicht abgeleistet ist, sondern eine morali- unser Denken: Wenn wir aber von gemeinsamen ge- sche und eine personale Seite hat. sellschaftlichen Werten reden, also vom Gemeinwohl, reden wir von einer Größe, der zunächst betriebswirt- Es gibt also im Geist unseres Grundgesetzes nur einen schaftlich keine Relevanz zukommt: In der Betriebs- graduellen Unterschied zwischen der betriebswirt- wirtschaft gelten Kennzahlen und Rentabilitäten, schaftlichen Perspektive, die nach Kennzahlen und Rendite und Profitabilität, hier gelten relationale Rendite fragt, und der volkswirtschaftlichen, die nach Zahlen, Beziehungszahlen, die stets das zahlenmäßige dem Gemeinwohl fragt: Das Grundgesetz geht von der Verhältnis von Input und Output zum Thema haben. optimistischen Annahme aus, dass viele „Jeder“ ein Dieses betriebswirtschaftliche Denken beherrscht „Wir“ sind oder werden. Und dass „Werte“, dieses unsere gesamte Nomenklatur inzwischen derart, dass vielschichtige deutsche Wort, sich ökonomisch wie wir alles, was über die ökonomische Rendite hinaus- gesellschaftlich rechnen. Und das übertragen auf geht, „Mehrwert“ nennen, als sei dies sozusagen le- heute heißt: Dass zum „wir“ einer Gesellschaft „jeder“ diglich ein unbeabsichtigtes Folgeprodukt, ein Neben- gehört, der in diesem Land wohnt oder der in diesem produkt, neben dem, was den unhinterfragbaren öko- Land investiert, der hier arbeitet oder arbeiten lässt - nomischen Nutzen darstellt. Menschen oder Geld.

Entsprechend beschäftigen sich ganze Horden von Noch eine Vorbemerkung: Was verstehen wir unter Volkwirtschaftsprofessoren mit der Frage, wie man „Wert“, was ist der Wert eines Programms. Es gibt in 30 epd medien ■ Nr. 28 · 9.4.2008 DOKUMENTATION

der Verwendung des Begriffs Werte, wie sie derzeit in ein massiver Verlust an Konzentration, an Orientie- der politischen Debatte üblich ist, meist im Zusam- rungswissen und an Wahrnehmungsstrukturen zu menhang mit dem Verlust derselben oder mit dem verzeichnen ist und in manchen Schülermilieus einen Appell, sie wieder zu reaktivieren, die Werte, ein ge- gravierenden Verlust an Empathie, dann sind das fährliches Missverständnis. Gesellschaftliche Werte Werte, die nicht einfach per ordre di mufti wieder kann man nicht einführen wie ein Gesetz, es hilft herzustellen sind. Ohne, dass man vorher reflektierte, auch nicht, sie immer wieder als Normen zu zelebrie- dass es sie gegeben hat, sind sie erst bemerkbar, wenn ren. Gesellschaftliche Werte sind ein unsichtbares sie fort sind. Oder: dass man den Mehrwert nur dort - Geflecht aus Weltbildern, Vorbildern, Diskursen, aber unter veränderten gesellschaftlichen Bedingun- Kommunikationsmodellen, ein Geflecht, das sich in gen - einfangen kann, wo andere Bedingungen herr- steten Veränderungsprozessen befindet. schen.

„Inszenierung von Lebensbildern“ „Eigentum verpflichtet“

Medien, insbesondere der Rundfunk, haben an diesen Den Mehrwert des deutschen dualen Rundfunksys- Wertschöpfungsprozessen, an der Debatte, was etwas tems könnte man also in all den Ländern messen, die wert ist und was weniger wert ist und was gar nichts ihren Rundfunk anders geordnet haben, aber eben wert ist, einen signifikanten Anteil. Sie nehmen teil auch ganz andere Traditionen und Umgangsformen am Vorgang, wie Menschen etwas für ihr Leben ge- darum herum entwickelt haben. Wir in Deutschland - wichten. Und wenn man diese Beobachtung mit der um dieses Kollektiv noch einmal zu strapazieren - Zeit verbindet, die wir mit audiovisuellen Medien erwarten mit dem Blick in das Grundgesetz und in die verbringen - Hörfunk und Fernsehen zusammen gut einschlägige Rechtsprechung von allen Anbietern von fünf Stunden am Tag, gibt 35 Stunden die Woche, Rundfunk, dass sie sich an die Gemeinwohlverpflich- gibt 1.820 Stunden im Jahr, gibt 127.400 Stunden im tung des Eigentums halten, um damit die Freiheit des Leben, wenn es siebzig Jahre währt - dann wird evi- Rundfunks auf Zukunft zu sichern. Ich kann dem dent, was für eine Verantwortung für die gesellschaft- aufbäumenden Patriotismus in Sachen Nokia keine lichen Diskurse alle Unternehmen tragen, die als An- große Sympathie abringen. Wir alle haben gewusst, bieter von Rundfunk agieren, die Niklas Luhmann in dass Globalisierung und der europäische Wirtschafts- den programmatischen Satz packt: Alles was wir raum ihren Vorteil, aber auch ihren Preis haben. Es wissen, wissen wir aus Medien. wirkt etwas naiv, wenn man Nokia auf die deutsche Gesellschaft verpflichten wollte (Stilfragen einmal Sie nehmen explizit und implizit Teil an der Inszenie- außen vor gelassen). rung von Lebensbildern, sie generieren Sehnsüchte und Wünsche, sie generieren Meinungen, sie infor- Einen anderen Maßstab muss jede Gesellschaft an mieren und schaffen einen großen Anteil der Informa- Produzenten von geistigen Inhalten anlegen. Eigen- tionen, mit denen die Menschen durch ihr Leben als tum verpflichtet die Unternehmen, die in diesem Land Mensch, Konsument und Kunde und als Bürger navi- geistiges Eigentum vermarkten, auf Konvention und gieren, sie vernetzen diese Informationen, sie vermit- Tradition, auf kulturelle Identitäten und moralische teln also in vielen Schichten unterschiedliche Genres Vereinbarungen. Wir erwarten, dass sich diese Produ- von Wissen: Orientierungswissen und Strukturwissen, zenten von Weltanschauung an dem gemeinsamen Lebenswissen und Lebensprioritäten. Sie tun das, oder Diskurs darüber, was lebenswert ist, beteiligen, dass sie tun das eben nicht, bzw. sie tun das in einer be- sie sozusagen den volkswirtschaftlichen Aspekt ihres stimmten Weise, denn alles Programm vermittelt Handelns im Blick haben. Und sich den Fragen stellen, irgendwelche „Werte“, ob geplant oder ungeplant. nach Qualität und Funktionalität ihres Angebotes, nach ihrem sozialen und kulturellen Nutzen, nach Natürlich transportieren Sendungen wie „Deutschland dem moralisch-ethischen Nutzen, nach der Ermögli- sucht den Superstar“ neben dem Unterhaltungswert chung von guten Erfahrungen, nach der Stiftung von eine bestimmte Art von Wertemuster und von Überle- Genuss und Freude und - nach dem finanziellen und bensstrategien, sie prägen, wie eine Generation sich materiellen Nutzen. verhält, was ihr wichtig ist, was sie anzieht, wie sie aussieht und was sie für erträumenswert hält. Das Diese fünf Fragen sollten von jedem der Programm- Problem, das alle Volkswirtschaftler mit der Messung anbieter zu beantworten sein. Und jetzt erst kann eines gesellschaftlichen Mehrwerts haben, ist, dass man unterscheiden zwischen denen, die ein beson- man den Mehrwert erst richtig messen kann, wenn er deres gesellschaftliches Mandat haben, wie der weg ist, wenn er verlustig gegangen ist. Wenn zum öffentlich-rechtliche Rundfunk, und den kommerziell Beispiel Lehrer heute beklagen, dass bei den Kindern Organisierten. Und da werden sich die Fragen in DOKUMENTATION 9.4.2008 Nr. 28 ■ epd medien 31

gleicher Form, wohl etwas in veränderter Reihenfol- Muster will ich verstärken. Es ist - als Beispiel - hoch- ge, stellen. So wird bei einem kommerziellen Unter- interessant, dass Jugendliche den Begriff „Opfer“, der nehmen der finanzielle und materielle Nutzen eine in meiner Generation als Beschreibung für einen höhere Priorität haben als die Frage nach der Quali- Menschen verwendet wurde, der Solidarität braucht, tät. Dennoch sollten alle diese Frage auf dem Radar- als Beschreibung von einem gebrauchen, mit dem schirm eines Rundfunkunternehmens vorkommen, man nichts zu tun haben will. Das wohlfeile Argu- und diese eingebaute Falle des dualen Systems - ment, dass das Publikum, der User, selbst verantwort- nachdem man als kommerzieller Anbieter reflexartig lich und selbst schuld ist, wenn er schlechtes Pro- auf das Mandat der öffentlich-rechtlichen Sender als gramm konsumiert, endet an der Gemeinwohlbindung gemeinwohlsichernder Bank verweisen kann - sollte des Eigentums. aus dem Repertoire der schlagkräftigen Argumente gestrichen werden. Wer hier im Lande Geld verdient mit Programm, sollte sich der Verantwortung dessen stellen, der direkt und „Volkswirtschaftlicher Mehrwert“ indirekt am Diskurs über die Werte in den zwischen- menschlichen Netzen prägend teilnimmt. Wenn nicht, So sind in unterschiedlichen Gewichtungen alle Rund- steht ein Opfer fest: das Gemeinwohl, das heißt wir funkunternehmen zuständig für die Verlässlichkeit alle. „ von Informationen, deren Wahrhaftigkeit und gesell- schaftlicher Relevanz, sie sind zuständig für die Le- bensbilder und impliziten Wertemuster, die von Sen- dungen transportiert werden, sie sind zuständig für „ PERSONALIEN das kulturelle Gedächtnis und die kulturelle Orientie- rung, ebenso wie für die Integration der Gesellschaft. Wiesbaden (epd). Johannes Züll wird zum 1. Juli In unterschiedlichen Verantwortungshierarchien sind Chief Executive Officer der Aegis Media Gruppe die Anbieter von Rundfunk als Unternehmen in einem Deutschland. Züll leitete zuletzt als Geschäftsführer gesellschaftlichen System agierend verantwortlich, die von RTL Interactive die Diversifikationsgeschäfte von einzelnen Programmmacher und Programmverant- wortlichen in ihrem publizistischen Ethos. Und einen RTL. Gegen Zülls Vorgänger Alexander Ruzicka läuft hohen, höheren Stellenwert als bisher sollte die Me- seit Januar ein Prozess beim Landgericht Wiesbaden. dienbeobachtung erhalten, der gesellschaftliche und Dem Manager wird Untreue vorgeworfen (epd 05/08). öffentliche Diskurs darüber, welche Werte, Weltbilder und Weltvorstellungen welches Programm transpor- Köln (epd). Thomas Schmidt (57) ist neuer Leiter des tiert. ARD-Hörfunkstudios New York. Er folgte auf Rainer Sütfeld, der zum NDR zurückkehrte. Schmidt war Das Wir einer Gesellschaft, das sich aus Programm- zuvor Korrespondent in Ost-Berlin, Washington, Lon- verantwortlichen und Nutzern sowie politisch Ver- don und im ARD-Hauptstadtstudio. Zuletzt war er antwortlichen zusammensetzt, sollte sich für die stellvertretender Programmchef von WDR 2. Neue Zukunft zu vier ganz einfachen Aussagen verhalten: Juniorkorrespondentin in New York ist Lena Bode- so sollte es bleiben, so sollte es werden, so sollte es wein (34). Sie folgte auf Martina Buttler, die zum nicht werden, so sollte es nicht bleiben. Lassen Sie WDR nach Köln zurückkehrte. Bodewein ist seit 2005 mich zu den letzten Aussagen eine Position äußern: Redakteurin bei NDR Info. Mit dem Korrespondenten- Es sollte weder so werden noch so bleiben, dass Pro- wechsel in New York am 1. April übernahm der WDR grammverantwortliche das Programm als ein rein die Federführung für dieses ARD-Studio. Sie lag in den betriebswirtschaftlich kalkulierbares Produkt be- vergangenen fünf Jahren beim NDR. schreiben. Der volkswirtschaftliche Mehrwert sollte eine Größe in der Programmplanung bleiben oder Mainz (epd). ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut werden. befindet sich nach eigenen Angaben „in konstruktiven Gesprächen“ mit dem Komiker über „Zwischenmenschliche Netze“ zukünftige Projekte. Ab Ende Mai wird der Sender „Ein Mann ein Fjord“ mit dem TV-Star verfilmen. Kerkeling Es sollte nicht so sein, dass die Programmverantwort- schrieb zusammen mit Angelo Colagrossi und Angeli- lichen sich die Frage stellen, wie kann ich das Niveau na Maccarone auch das Buch zu dem Film. Weitere möglichst weit senken, ohne in die strafrechtliche Mitwirkende sind Jürgen Tarrach, Anneke Kim Sarnau, Zone zu geraten, sondern es sollte so werden, dass sich die Programmfantasie auch damit beschäftigt: Matthias Brandt, Johanna Gastdorf und Horst Krause. Was will ich sagen, was will ich beitragen, welche