Plenarprotokoll 17/97

Deutscher

Stenografischer Bericht

97. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Inhalt:

Absetzung der Tagesordnungspunkte 28 und 31 11137 A Basis des Prognosehorizontes 2025 planen – zu dem Antrag der Abgeordneten Tagesordnungspunkt 27: , , a) Beschlussempfehlung und Bericht des , weiterer Abgeord- Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ entwicklung DIE GRÜNEN: Rheintalbahn – Mo- dellprojekt für anwohnerfreundli- – zu dem Antrag der Abgeordneten chen Schienenausbau , Peter Götz, (Weil am Rhein), weiterer (Drucksachen 17/4861, 17/4856, 17/3659, Abgeordneter und der Fraktion der 17/2488, 17/4689, 17/5091) ...... 11113 A CDU/CSU sowie der Abgeordneten b) Antrag der Abgeordneten , Werner Simmling, , , , weiterer , weiterer Abgeord- Abgeordneter und der Fraktion DIE neter und der Fraktion der FDP: An- LINKE: Schutz vor Schienenverkehrs- wohnerfreundlicher Ausbau der lärm im Rheintal und andernorts Rheintalbahn (Drucksache 17/5036) ...... 11113 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute c) Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Kumpf, Christian Lange (Backnang), , Sören Bartol, weiterer , weiterer Abgeordneter Abgeordneter und der Fraktion der SPD und der Fraktion der SPD: Ausbau sowie der Abgeordneten Winfried Hermann, der Rheintalbahn als Modell für Kerstin Andreae, Alexander Bonde, weite- Bürgernähe, Lärm- und Land- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- schaftsschutz NIS 90/DIE GRÜNEN: Rheintalbahn – – zu dem Antrag der Abgeordneten Finanzierung und anwohnerfreundli- Karin Binder, Dr. , chen Ausbau sicherstellen Herbert Behrens, weiterer Abgeord- (Drucksache 17/5037) ...... 11113 D neter und der Fraktion DIE LINKE: Tanja Gönner, Ministerin Akzeptanzprobleme bei der Rhein- (Baden-Württemberg) ...... 11114 A talbahn durch offene Planung besei- tigen (SPD) ...... 11115 D Patrick Döring (FDP) ...... 11117 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Karin Binder (DIE LINKE) ...... 11118 C Alexander Bonde, weiterer Abgeord- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11119 C DIE GRÜNEN: Bürgerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Steffen Bilger (CDU/CSU) ...... 11121 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Ute Kumpf (SPD) ...... 11122 C Tagesordnungspunkt 29: Werner Simmling (FDP) ...... 11124 B a) Antrag der Abgeordneten , Ingrid Fischbach, Karl Schiewerling, Herbert Behrens (DIE LINKE) ...... 11125 A weiterer Abgeordneter und der Fraktion Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ der CDU/CSU sowie der Abgeordneten DIE GRÜNEN) ...... 11126 B Gabriele Molitor, Heinz Lanfermann, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeord- Peter Götz (CDU/CSU) ...... 11127 B neter und der Fraktion der FDP: Für eine Gustav Herzog (SPD) ...... 11128 A umfassende Umsetzung der UN-Behin- dertenrechtskonvention – Nationaler Peter Weiß (Emmendingen) Aktionsplan als Leitlinie (CDU/CSU) ...... 11129 C (Drucksache 17/4862) ...... 11152 D Armin Schuster (Weil am Rhein) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, (CDU/CSU) ...... 11130 C Dr. , Diana Golze, weiterer (Heilbronn) Abgeordneter und der Fraktion DIE (CDU/CSU) ...... 11132 B LINKE: Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch strei- Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ chen – Selbstbestimmtes Leben für DIE GRÜNEN) ...... 11133 B Menschen mit Behinderungen gewähr- leisten Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ (Drucksache 17/4911) ...... 11153 A DIE GRÜNEN) ...... 11134 C c) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, (CDU/CSU) ...... 11135 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parla- Zusatztagesordnungspunkt 6: ment, den Rat, den Europäischen Wirt- Abgabe einer Regierungserklärung durch den schafts- und Sozialausschuss und den Bundesminister des Auswärtigen: zu den Ausschuss der Regionen aktuellen Entwicklungen in Libyen (UN- Europäische Strategie zugunsten von Resolution) ...... 11137 B Menschen mit Behinderungen 2010 – Dr. , Bundesminister 2020: Erneuertes Engagement für ein AA ...... 11137 B barrierefreies Europa Ratsdok. 16489/10 und KOM(2010) 636 Dr. Rolf Mützenich (SPD) ...... 11139 C endg. Joachim Spatz (FDP) ...... 11140 C hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- (FDP) ...... 11141 D destages gemäß Artikel 23 Ab- satz 2 des Grundgesetzes i. V. m. (CDU/CSU) ...... 11142 C § 9 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung (SPD) ...... 11143 A und Deutschem Bundestag in Rainer Arnold (SPD) ...... 11144 A Angelegenheiten der Europäi- schen Union Dr. Rolf Mützenich (SPD) ...... 11144 C Europäische Strategie zugunsten Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) ...... 11145 B von Menschen mit Behinderun- Jan van Aken (DIE LINKE) ...... 11145 C gen 2010 bis 2020 unterstützen Dr. Rainer Stinner (FDP) ...... 11147 A (Drucksache 17/5043) ...... 11153 A Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) ...... 11147 D Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS ...... 11153 C Thomas Oppermann (SPD) ...... 11148 B Gabriele Hiller-Ohm (SPD) ...... 11154 B Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11149 C Gabriele Molitor (FDP) ...... 11156 A (DIE LINKE) ...... 11150 D Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) ...... 11157 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11151 B DIE GRÜNEN) ...... 11157 D Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) ...... 11151 B Maria Michalk (CDU/CSU) ...... 11159 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 III

Pascal Kober (FDP) ...... 11160 B Heike Hänsel (DIE LINKE) ...... 11163 B (SPD) ...... 11160 D Erich G. Fritz (CDU/CSU) ...... 11164 C Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) ...... 11161 A (SPD) ...... 11166 A (CDU/CSU) ...... 11161 C Jan van Aken (DIE LINKE) ...... 11168 A Erich G. Fritz (CDU/CSU) ...... 11168 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Dr. Martin Lindner (Berlin) Antrag der Abgeordneten Dr. , (FDP) ...... 11168 D Jan van Aken, , weiterer (BÜNDNIS 90/ Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: DIE GRÜNEN) ...... 11170 C Alle Exporte von Kriegswaffen und sonsti- gen Rüstungsgütern stoppen Hartwig Fischer (Göttingen) (Drucksache 17/5039) ...... 11162 D (CDU/CSU) ...... 11171 C in Verbindung mit Nächste Sitzung ...... 11172 C

Zusatztagesordnungspunkt 4: Anlage 1 Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11173 A schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. , Kerstin Andreae, weite- Anlage 2 rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten NIS 90/DIE GRÜNEN: Rüstungsexport- Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung berichte zeitnah zum Jahresabrüstungs- über die Beschlussempfehlung zu dem An- bericht vorlegen trag: Einvernehmensherstellung von Bundes- (Drucksachen 17/1167, 17/1627) ...... 11162 D tag und Bundesregierung zur Ergänzung von Artikel 136 des Vertrages über die Arbeits- in Verbindung mit weise der Europäischen Union (AEUV) hin- sichtlich der Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Zusatztagesordnungspunkt 5: hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- tages nach Artikel 23 Absatz 3 Grund- schusses für Wirtschaft und Technologie zu gesetz i. V. m. § 10 des Gesetzes über dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, die Zusammenarbeit von Bundesregie- (Bremen), rung und Deutschem Bundestag in An- (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- gelegenheiten der Europäische Union tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemein- (96. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11) 11174 B samen Standpunkt der EU für Waffenaus- fuhren auch bei Rüstungsexporten an EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder Anlage 3 konsequent umsetzen (Drucksachen 17/2438, 17/3291) ...... 11163 A Amtliche Mitteilungen ...... 11174 D

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11113

(A) (C) Redetext

97. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : – zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüße Sie herzlich. Mitteilungen gibt es diesmal nicht, sodass wir gleich in unsere Tagesordnung einsteigen Rheintalbahn – Modellprojekt für anwoh- können. nerfreundlichen Schienenausbau Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a bis 27 c auf: – Drucksachen 17/4861, 17/4856, 17/3659, 17/2488, 17/4689, 17/5091 – a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Berichterstattung: Stadtentwicklung (15. Ausschuss) Abgeordnete Steffen Bilger Ute Kumpf (B) – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffen (D) Bilger, Peter Götz, Armin Schuster (Weil am b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Rhein), weiterer Abgeordneter und der Frak- Binder, Sabine Leidig, Herbert Behrens, weiterer tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Werner Simmling, Ernst Burgbacher, Sibylle Schutz vor Schienenverkehrslärm im Rheintal Laurischk, weiterer Abgeordneter und der und andernorts Fraktion der FDP – Drucksache 17/5036 – Anwohnerfreundlicher Ausbau der Rhein- talbahn c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Kumpf, Gustav Herzog, Sören Bartol, weiterer – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie Christian Lange (Backnang), Rainer Arnold, der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Andreae, Alexander Bonde, weiterer Abgeordne- SPD ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ausbau der Rheintalbahn als Modell für NEN Bürgernähe, Lärm- und Landschaftsschutz Rheintalbahn – Finanzierung und anwohner- freundlichen Ausbau sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer – Drucksache 17/5037 – Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Akzeptanzprobleme bei der Rheintalbahn die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich durch offene Planung beseitigen keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. – zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde, NEN]: Kommt der Verkehrsminister noch? – weiterer Abgeordneter und der Fraktion Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN]: Der Staatssekretär fehlt auch noch!) Bürgerfreundlichen Ausbau der Rheintal- – Ja, bei genauem Hinsehen erkennt man, dass auch hier bahn auf der Basis des Prognosehorizontes noch der eine oder andere fehlt. Das kann sich im Laufe 2025 planen der Zeit noch vervollständigen. 11114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst der nem Tisch sitzen, ist auch in schwierigen und umstritte- (C) Landesministerin Tanja Gönner das Wort. nen Fragen ein Konsens möglich. Der Projektbeirat hat sich so als beispielgebende, moderne Form der Bürger- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) beteiligung bewährt. In seiner Sitzung am 8. Februar wurde auf diese Weise ein Fahrplan für die gemeinsame Tanja Gönner, Ministerin (Baden-Württemberg): Suche nach alternativen Lösungen und Verbesserungen Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten beim Ausbau der Rheintalbahn verabredet. Auf dieser Damen und Herren Abgeordnete! Basis wollen wir den offenen und lösungsorientierten (Peter Friedrich [SPD]: Wahlkampf!) Dialog fortsetzen und besonders beim Lärmschutz Fort- schritte erzielen. Ich glaube, man kann zu Recht sagen, Ich bin für die Möglichkeit, heute im Deutschen Bundes- dass wir bereits am 8. Februar für bestimmte Bereiche tag sprechen zu können, sehr dankbar. Die zahlreichen im Süden Lösungen gefunden haben, die in der Region Anträge – – anerkannt und mitgetragen werden; dies war ein wichti- ger Punkt. (Peter Friedrich [SPD]: Große deutsche Wer- besendung!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Lieber Herr Friedrich, die Landesregierung vertritt bei der Rheintalbahn die Interessen der Menschen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die besten ver- fügbaren Prognosezahlen, nämlich diejenigen für das (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist Jahr 2025, zugrunde gelegt werden. Bei den weiteren uns aber neu! Gut, aber neu!) Planungen müssen menschen- und umweltschonende Alternativen im Vordergrund stehen. Der Beginn von Deswegen ist die Landesregierung bei solch einem wich- Probebohrungen für einen Güterzugtunnel in Offenburg tigen Thema im Bundestag vertreten. zeigt symbolisch für die ganze Strecke, dass Bewegung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – in diese Diskussion hineingekommen ist. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist eine ganz neue Botschaft! Aber dafür nach Er zeigt aber auch, dass die Landesregierung bereit Berlin kommen?) ist, hier Lasten zu übernehmen. Wir haben nicht nur For- derungen erhoben, sondern wir haben schon früh unsere Die zahlreichen Anträge aller Bundestagsfraktionen Bereitschaft signalisiert, einen namhaften finanziellen zeigen, dass der Ausbau der Rheintalbahn nicht nur die Beitrag für die erforderlichen Verbesserungen der vorlie- Menschen am Oberrhein bewegt, sondern dass dies ein genden Antragsplanung der Bahn zu leisten. Minister- Projekt von viel weiter reichender Dimension ist. (B) präsident Stefan Mappus hat bei seiner Bereisung der (D) Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat Rheintalbahn am 18. Februar 2011 nochmals bekräftigt: sich von Anfang an klar und eindeutig für den viergleisi- Die Landesregierung ist bereit, die Lärmschutzmaßnah- gen Ausbau ausgesprochen, weil es eine der wichtigsten men im Interesse der Anwohner, die nicht ohnehin, weil Trassen von Nord nach Süd in Europa ist. Wir haben da- planungsrechtlich zwingend, von der Bahn getragen bei aber stets eine Planung verlangt, die in gebotener werden müssen, bis zur Hälfte mitzufinanzieren. Weise Rücksicht auf Mensch und Umwelt nimmt. Land, Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir reden Region und Bürgerinitiativen fordern daher Hand in nicht nur darüber, sondern wir haben dazu in der mittel- Hand substanzielle Verbesserungen der Planungen der fristigen Finanzplanung ab 2013 jährlich 80 Millionen Bahn. Das Thema Lärmschutz spielt dabei eine zentrale Euro vorgesehen. Außerdem hat sich die Landesregie- Rolle. rung bereit erklärt, sich an den Kosten für die vertiefen- Die Planungen zum Ausbau der Rheintalbahn zeigen den Untersuchungen zum Güterzugtunnel in Offenburg eines überdeutlich: Der gute Zweck allein genügt nicht; und zum Bereich der sogenannten Autobahnparallele es kommt auch darauf an, wie die unbestritten positiven zwischen Offenburg und Riegel zu beteiligen. Wir haben Zielsetzungen des Projekts vor Ort umgesetzt werden. dieses Geld bereits zur Verfügung gestellt. Genau des- Mehr als 172 000 Einwendungen zwischen Offenburg wegen ist es möglich, dass die Probebohrungen erfolgen. und Weil am Rhein sprechen eine deutliche Sprache. Die Wir unterhalten uns über einen Betrag von knapp Landesregierung hat deshalb gemeinsam mit dem Bun- 1 Million Euro, den das Land zur Verfügung stellt. Wir desverkehrsministerium mit dem Projektbeirat Rheintal- sind dem Bund dankbar, dass er ebenfalls mitfinanziert. bahn ein Forum geschaffen, das sich eingehend mit den Wünschen und Forderungen der betroffenen Bevölke- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rung befasst. Hier beraten alle relevanten Akteure von Uns ist aber auch wichtig, dass Bund und Bahn ihrer Bund, Bahn und Land sowie Vertreter der Regionen und eigenen Verantwortung als Träger der Maßnahme nach- Bürgerinitiativen über die erforderlichen Verbesserun- kommen. Die Rheintalbahn ist ein Bedarfsplanprojekt gen der bisher von der Bahn vorgelegten Planungen und des Bundes, und der Bund hat sich gegenüber der die verschiedenen Alternativplanungen. Schweiz verpflichtet, die Rheintalbahn abgestimmt mit Im Projektbeirat und in seinen drei regional aufge- den Schweizer Großprojekten auszubauen. Das bedeutet gliederten Arbeitsgruppen, in denen insbesondere die für uns als Land, dass Bund und Bahn mindestens die Regionen und die Bürgerinitiativen sehr intensiv einbe- Hälfte der Mehrkosten der erforderlichen Planungsver- zogen sind, hat sich gezeigt: Wenn alle Beteiligten an ei- besserungen tragen müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11115

Ministerin Tanja Gönner (Baden-Württemberg) (A) Meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich Alle Eisenbahngroßprojekte stehen vor ähnlichen (C) nicht nachvollziehbar ist übrigens die widersprüchliche Problemen bei der Finanzierung, bei der Akzeptanz und Haltung der Grünen. der oftmals sehr anspruchsvollen technischen Umset- zung. Wir können es aber schaffen, wenn alle an einem (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Strang ziehen und ihrer gemeinsamen Verantwortung ge- NEN]: Ja!) recht werden. Dazu gehört auch, dass der Bund für plan- Auf Landesebene vertreten Sie, dass jede Mitfinanzie- festgestellte Maßnahmen wie zum Beispiel den Tunnel rung des Landes an der Bundesschieneninfrastruktur in Rastatt genügend Geld für die Realisierung zur Verfü- verfassungswidrig sei. Deshalb haben sich die Grünen gung stellt. im Landtag bei einer namentlichen Abstimmung am Für die Landesregierung von Baden-Württemberg 25. November 2010 gegen eine Mitfinanzierung des kann ich Ihnen versichern, dass wir in unseren intensi- Landes bei Lärmschutzmaßnahmen über den geltenden ven Bemühungen um eine menschen- und umweltver- Standard hinaus ausgesprochen. trägliche Realisierung der Maßnahme nicht nachlassen (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- werden. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit der NEN]: Genau das ist falsch! Das wissen Sie! Bevölkerung in Südbaden viel erreichen können, wenn Wahlkampfrede! – Weitere Zurufe vom Bünd- wir weiterhin so konstruktiv zusammenstehen, wie das nis 90/Die Grünen) in der Vergangenheit der Fall war, und genau das wollen wir. Die Rheintalbahn ist ein gutes Beispiel dafür, dass – Herr Bonde, es ist nachweisbar, worüber die namentli- man gemeinsam viel erreichen kann. Wir wollen diesen che Abstimmung erfolgte. Weg fortsetzen. In diesem Sinne herzlichen Dank an die (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Regierungsfraktionen für die Unterstützung für das Land NEN]: Sie sollten Ihre Wahlkampfparolen da- Baden-Württemberg. Ich hoffe, dass wir uns weiterhin heim lassen!) darauf verlassen können. Ich bin mir da ganz sicher. Anträge sind bekanntermaßen öffentlich, und namentli- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die Hoff- che Abstimmungen helfen, zu sehen, wer sich wie ver- nung stirbt zuletzt!) halten hat. Herzlichen Dank. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und NEN]: Ganz genau!) der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die Grünen haben sich dort dagegen ausgesprochen. Abschiedsapplaus!) (B) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) Präsident Dr. Norbert Lammert: NEN]: Das stimmt doch gar nicht!) Herr Kollege, das geht nicht von Ihrer Redezeit ab. Und hier auf Bundesebene wird diese Mitfinanzierung von Ihnen ausdrücklich gefordert. Wir könnten schon (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND- heute nach Auffassung der Grünen im Landtag von Ba- NIS 90/DIE GRÜNEN) den-Württemberg die Bohrung für den Tunnel in Offen- Ich erteile das Wort dem Kollegen Florian Pronold für burg nicht finanzieren. Genau das tun wir aber, weil wir die SPD-Fraktion. Verantwortung für die Menschen übernehmen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir machen es auch deswegen, weil wir der festen Florian Pronold (SPD): Überzeugung sind und im Übrigen auch entsprechende So viel Vorapplaus habe ich vonseiten von Schwarz- Gutachten auf unserer Seite haben, dass wir es tun dür- Gelb noch nie bekommen. Ich bedanke mich sehr herz- fen. Deswegen geht von uns ein klares Signal an die lich dafür. Menschen im Rheintal: Wir kennen unsere Verantwor- (Heiterkeit bei der SPD und dem tung, und wir übernehmen sie – vom Bund über das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller Land bis in die Region. Genau das ist ganz wichtig. [Erlangen] [CDU/CSU]: Das kommt so (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schnell auch nicht mehr vor!) Der Ausbau der Rheintalbahn macht aber auch deut- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen lich, dass die Rahmenbedingungen für einen um- und Herren! Liebe Frau Ministerin, erst am Ende Ihrer weltfreundlichen und nachhaltigen Schienenverkehr Rede haben Sie von Gemeinsamkeiten gesprochen. Ihre teilweise modernisiert werden müssen. Wie im Koali- ganze Rede hingegen haben Sie als Wahlkampfrede in- tionsvertrag vorgesehen, sollte deshalb der Schienenbo- szeniert. nus schrittweise abgeschafft und sollten lärmabhängige (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist Trassenpreise eingeführt werden. Auf europäischer doch völliger Quatsch!) Ebene muss das Thema Lärmgrenzwerte für Schienen- fahrzeuge auch im Bestand intensiver angegangen wer- Das ist schade; denn bei der Rheintalbahn hätte man tat- den, und die Umrüstung der Güterwagen mit lärmarmen sächlich Gemeinsamkeiten finden können. Wer sich die Verbundstoffbremssohlen ist voranzutreiben. Anträge anschaut, die von CDU/CSU und FDP einer- 11116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Florian Pronold (A) seits und SPD und Grünen andererseits vorgelegt wur- wird, dass diese zentrale Güterverkehrsstrecke gebraucht (C) den, der muss sehr genau lesen, um Unterschiede zu fin- wird und ausgebaut werden muss. Das ist ja nicht bei al- den. Es gab die Möglichkeit, hier einen gemeinsamen len Großprojekten so. Umso wichtiger ist es doch, dass Antrag vorzulegen. Ich glaube, das wäre im Interesse der wir dort alles tun, damit die Anwohnerinnen und An- Menschen vor Ort gewesen. wohner vor unnötigem Lärm geschützt werden. (Peter Götz [CDU/CSU]: Warum habt ihr nicht Wie kann man das insbesondere mit Blick auf die Fi- mitgemacht?) nanzen zusichern? In diesem Zusammenhang stelle ich die Frage an die Regierungskoalition, wie sie das ma- Die Rheintalbahn ist ein Infrastrukturgroßprojekt, bei chen will. Sie haben gerade beschlossen, dass die Ein- dem wir es mit einer besonderen Situation zu tun haben. nahmen aus der Lkw-Maut nicht mehr zu einem Drittel Bei dem Projekt Rheintalbahn besteht die Chance, einen in die Schiene fließen. Das bedeutet, dass der Bereich Infrastrukturkonsens herbeizuführen. Der Projektbeirat, Schiene in den nächsten Jahren hinsichtlich der Finan- den eingerichtet hat, ist ein gutes In- zierung immer stärker unter Druck geraten wird, weil strument, um die unterschiedlichen Anliegen einzubin- natürlich die Schuldenbremse und andere Auswirkungen den, ernst zu nehmen – dabei geht es auch um die An- der Haushaltskonsolidierung viel stärker auf den Bereich liegen der Betroffenen vor Ort – und besser zu Schiene durchschlagen als auf jeden anderen. berücksichtigen, als das bisher bei vielen anderen Groß- projekten geschehen ist. Sie haben in diesem Hause beschlossen, dass die Ich glaube, es ist notwendig, dass ein Konsens im Be- Deutsche Bahn jedes Jahr 500 Millionen Euro ihrer Di- reich der Infrastruktur in Zukunft anders organisiert wird vidende an den allgemeinen Bundeshaushalt abgeben als in der Vergangenheit. Die vorgebrachten Anliegen soll. Das sind 500 Millionen Euro, die dann vor Ort für müssen früher und besser eingebunden und tatsächlich Lärmschutzmaßnahmen fehlen. Da braucht man sich berücksichtigt werden. Spannend ist doch die Frage, ob nichts vorzumachen. Sie von Schwarz-Gelb reden von die Umsetzung auch tatsächlich erfolgt. Wenn man mehr Lärmschutz, aber Ihre praktischen Handlungen große Infrastrukturprojekte umsetzen will, gehört der sind das genaue Gegenteil. Lärmschutz aus meiner Sicht unabdingbar dazu. Dreh- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Angelpunkt ist die Frage, ob man es mit dem Lärm- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE schutz ernst meint. GRÜNEN) Dabei geht es auch um den sogenannten Schienenbo- Das werden die Bürgerinnen und Bürger schließlich nus. Das ist der Bonus, der bis heute für Infrastruktur- merken, wenn auch erst lange nachdem die Reden hier projekte im Bereich Schiene gilt, wenn es darum geht, (B) gehalten wurden. Wenn man jedoch einen Infrastruktur- (D) wie viel Lärm abgesondert werden darf. Schwarz-Gelb konsens erreichen will, gehört deshalb dazu, dass man hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass dieser die Rahmenbedingungen klar und ehrlich benennt und Bonus abgeschafft werden soll. Angesichts dessen wäre die Frage nach der notwendigen Finanzierung beantwor- es hier und heute doch ein guter Zeitpunkt für die Koali- tet, mit der ein besserer Anwohnerschutz der Betroffe- tionäre, zu sagen: Die Rheintalbahn ist das erste Projekt, nen im Rheintal gewährleistet ist. bei dem der Schienenbonus nicht mehr gilt; für die Men- schen, die an der Bahnstrecke wohnen, gelten die glei- In diesem Zusammenhang wäre es an der Zeit, zu sa- chen Lärmgrenzwerte wie für alle anderen Menschen gen: Was tun wir insbesondere mit Blick auf die Güter- auch. Es wäre doch nichts einfacher, als das heute hier züge, die durchs Rheintal fahren, europaweit für den zu verkünden. Lärmschutz? Es reichen doch schon zwei oder drei Gü- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ terwaggons aus, die nicht über einen bestimmten Stan- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der dard verfügen, um eine entsprechende Lärmentwicklung LINKEN) hervorzubringen. Warum wird nicht viel stärker auf eine Initiative auf europäischer Ebene hingewirkt, die moder- Die zweite Frage, die man stellen muss, lautet: Wie nere, leisere Güterzüge zum europäischen Standard er- wird das Ganze finanziert? Natürlich ist das eine Kosten- klärt? frage; das haben wir auch heute wieder gehört. Jeder, der sich mit größeren Infrastrukturprojekten beschäftigt und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten fragt, was bessere und bürgernähere Varianten unter Um- der LINKEN) ständen kosten, muss zum Schluss auch die Frage beant- Deutschland hat das Hauptinteresse an einer solchen Ini- worten, wer das bezahlen soll. tiative, weil der Großteil des Güterverkehrs auf unseren Hier ist doch ganz offensichtlich, dass wir eine ganze Schienen rollt. Menge mehr Geld brauchen, als bisher im Topf ist, wenn wir die vielen unterschiedlichen und guten Vorstellungen Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren von der Bürgerinnen und Bürger umsetzen wollen, die natür- Schwarz-Gelb: Nicht an den Worten, an den Taten sollt lich ein Recht darauf haben, an dieser Strecke besonders ihr sie erkennen. Wenn es tatsächlich einen Infrastruktur- vor Lärm geschützt zu werden. konsens in der Frage „Rheintal“ geben sollte, warum ha- ben Sie dann einen gemeinsamen Antrag verweigert, Es ist eine Besonderheit bei diesem Projekt, dass ei- und warum stellen Sie nicht heute die Mittel zur Ver- gentlich von allen, die daran beteiligt sind, akzeptiert fügung, sodass es zu einem echten Lärmschutz vor Ort Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11117

Florian Pronold (A) kommen kann? Von Ihnen kommt leider nur Wahl- nanzierungsvereinbarungen getroffen oder gar Finanzie- (C) kampfgetöse. rungszusagen durch die Bundesregierung gemacht und vom Haushaltsausschuss akzeptiert worden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Gustav Herzog [SPD]: Das ist falsch!) Allein schon die Parlamentarierwürde gebietet es, als Präsident Dr. Norbert Lammert: Haushaltsgesetzgeber zu warten, bis man weiß, was ge- Ich erteile das Wort dem Kollegen Patrick Döring für baut werden soll, bevor man entscheidet, dass gebaut die FDP-Fraktion. werden soll. Das ist die richtige Reihenfolge, und des- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) halb warten wir die Planungen mit und ohne Schienen- bonus ganz in Ruhe ab und werden dann sicher auch die richtigen Entscheidungen treffen. Patrick Döring (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Nachdem auch dieser Versuch, Gemeinsamkeiten he- Florian Pronold [SPD]: Mit oder ohne vor rauszustellen, gescheitert ist, will ich einen Versuch wa- allem!) gen, deutlich zu machen, dass wir in der Sache in Wahr- Es ist ein gewaltiger Erfolg des Projektbeirates, dass heit gar nicht so weit auseinander sind. die Bundesregierung und die Landesregierung in Baden- Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Pronold, fällt es Württemberg am 8. Februar 2011 im Projektbeirat zusa- einfach schwer, anzuerkennen, dass die wesentlichen gen konnten, dass die Planungen für die neuen Ab- Fortschritte bei den Verbesserungen der Planungen, den schnitte sowohl mit als auch ohne Schienenbonus erfol- Zusagen für mehr Lärmschutz, der Veränderung des gen. Das ist eine historische Situation. Es hat noch nie technischen Regelwerkes für Schienenbonus und lärm- ein Eisenbahnprojekt mit Planungen ohne Schienen- abhängige Trassenpreise in dieser Wahlperiode von die- bonus gegeben. Das ist der Einstieg in den schrittweisen ser Koalition, von diesen Koalitionsfraktionen und die- Abbau des Schienenbonus. Es ist klug, dass diese Zu- sem Ministerium umgesetzt werden. Deshalb lassen wir sage am 8. Februar 2011 erfolgte, und zwar lange bevor uns an den Taten messen, geschätzter Kollege Pronold, gesetzliche Regelungen dazu vorliegen konnten. Des- geschätzte Kolleginnen und Kollegen. halb hat diese Vereinbarung Modellcharakter. Dies wün- schen sich auch viele andere vor Ort – jedenfalls nach (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Auffassung der Koalitionsfraktionen. Florian Pronold [SPD]: Dann wenden Sie es bei der Rheintalbahn an! – Christian Lange (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (B) [Backnang] [SPD]: Die Zeit der Ankündigun- (D) gen ist vorbei! Jetzt kommt es auf Taten an!) Lassen Sie mich abschließend auf die Punkte einge- hen, die über diese Strecke hinaus eisenbahnpolitische Die Planungen zur Rheintalbahn sind in diesem Bedeutung haben. In Baden-Württemberg ist in den letz- Hause lang und umfänglich kritisch diskutiert worden. ten zwölf Monaten über zwei Eisenbahnprojekte heftig Es ist dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen diskutiert worden, wenn auch an einer anderen Stelle aus der Region – das sage ich ausdrücklich: aller Frak- deutlich kontroverser. Ich teile die Auffassung des Kol- tionen – zu verdanken, dass wir heute so weit sind, wie legen Pronold, dass die Lehren, die wir aus dem anderen wir sind, und zwar ohne großen Streit und ohne hekti- eisenbahnpolitischen Projekt, aber auch aus dem Projekt sche ideologische Auseinandersetzungen. Rheintalbahn zu ziehen haben, sind, dass wir unser Plan- feststellungsrecht erweitern müssen, um die betroffenen Es ist dem Engagement der Kolleginnen und Kolle- gen in den Koalitionsfraktionen zu verdanken, dass der Bürgerinnen und Bürger bei der Erweiterung unserer Verkehrswege, insbesondere unserer Schienenwege, Einfluss der Diskussion vor Ort – auch über lärmabhän- frühzeitig einzubinden. gige Trassenpreise und Schienenbonus – so groß war, dass wir das bereits in die Koalitionsvereinbarung als Diese Einbindung müssen wir, nicht um die Pla- Ziel für diese Wahlperiode aufgenommen haben. Der nungsprozesse zu verlangsamen, sondern um sie am Dank gilt auch den Bürgerinitiativen vor Ort, die immer Ende zu beschleunigen, in unserem Gesetz verankern. eine gute Debatte mit uns geführt haben. Wir haben am Diesbezüglich sollten wir alsbald – ganz im Sinne der Ende gesehen, dass dies ein richtiger Weg ist, um die gestrigen Debatte – tätig werden. Dieses Ziel sollte uns Akzeptanz von neuen Schienenwegen zu erhöhen. Da- einen. rum machen wir das. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Ich will für die Freien Demokraten drei Punkte fest- GRÜNEN) halten. Kollege Pronold hat angemahnt, man solle schon Es ist ein Ergebnis der Besprechungen im Rheintal jetzt die Finanzierungszusage für die erhöhten Standards und an anderer Stelle, dass es klug ist, lärmabhängige hier im Deutschen Bundestag festlegen. Ich habe eine Trassenpreise zu erheben. Das ist der schnellere und ein- schlichte und einfache Antwort darauf. Wir haben bei fachere Weg, als darauf zu warten, dass es ein europa- allen Infrastrukturprojekten die Reihenfolge: Planung, weites Förderprogramm für Hunderttausende von Güter- Planfeststellung, Finanzierungsvereinbarung. Noch nie wagen gibt. Wenn es auch nur einen lauten Waggon in sind vor Beendigung von Planfeststellungsverfahren Fi- einem Güterzug gibt, ist die Gesamtlärmbelastung hö- 11118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Patrick Döring (A) her; da haben Sie völlig recht. Deshalb ist es gut, die Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) Verlader – also diejenigen, die Güterzüge in Verkehr Die Kollegin Karin Binder ist die nächste Rednerin bringen – über die Preise der Benutzung des deutschen für die Fraktion Die Linke. Schienennetzes dazu anzuhalten, leises und modernes Material einzusetzen, und mit den Mehreinnahmen, die (Beifall bei der LINKEN) wir damit generieren können, zusätzlichen Lärmschutz zu finanzieren. Das ist der richtige Weg. Karin Binder (DIE LINKE): (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, Als Koalitionsfraktionen haben wir die Bundesregie- mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Das sehen auch rung aufgefordert – das macht deutlich, dass wir hin- die Menschen am Oberrhein so. Deshalb treten sie dafür sichtlich der Umsetzung unseres Koalitionsvertrages ein ein, dass die Rheintalbahn um ein drittes und viertes Stück weit ungeduldig geworden sind –, bis zum Jahr Gleis ergänzt wird, und zwar für den Güterverkehr. Die 2012 den schrittweisen Abbau des Schienenbonus bis zu Menschen dort brauchen keine Hochgeschwindig- seiner endgültigen Abschaffung gesetzlich zu verankern. keitstrasse, wie die Bahn sie nach wie vor in der Planung Es ist der Wunsch dieser Koalition, dies ins Gesetzblatt hat, sie brauchen einen funktionierenden Personennah- zu bekommen. Wir werden die Bundesregierung dazu verkehr. anhalten, dies bis 2012 umzusetzen. Das haben sie auch in den Projektbeirat eingebracht, (Zuruf des Abg. Gustav Herzog [SPD]) der nach heftigen Protesten eingerichtet wurde. Hier Ich sage auch voraus: Wenn in der Bundesregierung, ins- sieht man, wie wichtig Bürgerbeteiligung ist. Die Kom- besondere im Bundesfinanzministerium, gelegentlich petenz und das Fachwissen, die von den Initiativen und die Widerstände zu groß werden, dann wird diese Koali- den Umweltverbänden eingebracht wurden, haben zu ei- tion notfalls einen eigenen Gesetzentwurf zu dieser Sa- nem Nachdenken über Landschaftsverbrauch und über che einbringen. die Existenzsicherung der dortigen Landwirte geführt. Das und einiges mehr haben ich und meine Fraktion von (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Menschen dort erfahren. Darüber haben wir mit den der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND- Initiativen, mit Bürgermeistern, mit Ratsvertreterinnen NIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Oh! Ramsauer- und -vertretern diskutiert. Das ist für mich der beste Be- Bonus! – Florian Pronold [SPD]: Weiß der Fi- weis dafür, wie wichtig diese Beteiligung ist. nanzminister das schon, oder sind das wieder leere Versprechungen?) Deshalb gehe ich davon aus, dass wir als Politikerin- (B) Für die Freien Demokraten und für die Christdemo- nen und Politiker solche Institutionen wie den Projekt- (D) kraten sage ich ausdrücklich: Es ist planungsbeschleuni- beirat künftig verankern und dessen Ausgestaltung ver- gend und gut für die Menschen, dass die Landesregie- bindlich regeln müssen. Die Beteiligungsrechte müssen rung von Baden-Württemberg, gebildet aus CDU und definiert werden. Es darf nicht so sein, dass die Men- FDP, gemeinsam mit der Bundesregierung, gebildet aus schen erst etwas einbringen und die Politiker dann CDU/CSU und FDP, hier Kofinanzierungsinstrumente schauen, ob man es macht oder nicht; es muss verbind- gefunden hat. Das dient dem Wohle der Menschen, der lich geregelt werden. Das ist für mich Bürgerbeteiligung. Verbesserung und Beschleunigung der Planung und der Das haben wir als Politikerinnen und Politiker auf den schnelleren Umsetzung dessen, was die Menschen wün- Weg zu bringen. schen: die Realisierung dieser wichtigen Schienenstre- (Beifall bei der LINKEN) cke einerseits und größtmöglichen Lärmschutz anderer- seits. Dabei werden wir sie unterstützen. Inzwischen rasen auf der bestehenden Strecke, der al- ten Rheintalstrecke, mehr als 150 Güterzüge pro Tag. Sie Abschließend möchte ich mit einem einzigen Satz auf donnern tagsüber mit 80, nachts mit 100 oder 120 Kilo- die Finanzierungsfrage kommen – Herr Präsident, ich metern in der Stunde durch die Ortschaften bzw. an ih- bitte um Nachsicht –: Die Deutsche Bahn AG wird einen nen vorbei. Das erzeugt in den Wohngebieten Lärm von Bilanzgewinn von etwa 3 Milliarden Euro für das Ge- schäftsjahr 2010 ausweisen. Wer dann hier behauptet, mehr als 100 Dezibel pro Zug. Die Häuser stehen an ei- geschätzter Kollege Pronold, dass die Dividende von nigen Stellen nur 15 oder 25 Meter von den Schienen 500 Millionen Euro an den Hauptaktionär Bund die In- entfernt. Auch dort sind noch 90 bis 95 Dezibel Lärm zu vestitionskraft dieses Unternehmens schwächen würde, messen. Fast 500 Menschen in der Belchenstraße im En- tennest in Herbolzheim haben jede Nacht an die 80 Gü- (Florian Pronold [SPD]: Wenn die 500 Millio- terzüge, die jeweils 90 bis 95 Dezibel erzeugen, zu ertra- nen in den Verkehrshaushalt fließen würden, gen. aber die fließen in den allgemeinen Haushalt!) Man weiß, dass Menschen bereits ab einer Lärmbe- der handelt wider besseres Wissen und gegen jede öko- lastung von 45 Dezibel krank werden. Daher kann man nomische Vernunft. Es bleibt genug Bilanzgewinn übrig, sich vorstellen, was die Menschen dort auszuhalten ha- um zusätzliche Investitionen auszulösen. Dafür werden ben. Lärm macht krank. Er fördert Krebs und Herz- wir sorgen. Kreislauf-Erkrankungen. Lärm schädigt das Immunsys- Vielen Dank. tem und das Gehör. Lärm erzeugt Stress, und Stresshor- mone erzeugen Bluthochdruck und Magengeschwüre. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Kinder werden durch Lärm in ihrer Entwicklung behin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11119

Karin Binder (A) dert. Das wirkt sich häufig auf ihre kognitiven Fähigkei- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) ten aus, sodass sie nicht richtig lernen können. Frau Kollegin. Um all diese Auswirkungen zu vermeiden, müssen wir den Lärm reduzieren, und zwar bald – nicht erst, Karin Binder (DIE LINKE): wenn die neue Strecke gebaut ist, sondern schon jetzt auf Durch Projekte wie Stuttgart 21 wird uns das notwen- der bestehenden Strecke. Schallschutzfenster oder dige Geld genommen, um hier für Sicherheit und Lärm- 5 Meter hohe Schallschutzwände verhindern nicht, dass schutz zu sorgen. Sorgen Sie heute dafür, dass sich das die Menschen krank werden. Die Entstehung von Lärm ändert, und stimmen Sie unseren vorliegenden Anträgen muss vermieden werden: durch modernen Gleisbau, zu. durch modernen Waggonbau. Auch die Bestandsstre- cken und die alten Waggons müssen dringend nachge- Ich danke Ihnen. rüstet werden. Ich glaube, dass man damit nicht warten (Beifall bei der LINKEN) darf, bis Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sind und Ähnliches. Die Strecke ist jetzt zu laut, und dieses Präsident Dr. Norbert Lammert: Problem muss jetzt angegangen werden, zumindest in Das Wort hat nun der Kollege Winfried Hermann für den Bereichen, wo Menschen wohnen. die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN) Schon deshalb sind das dritte und vierte Gleis am Ober- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rhein für den Güterverkehr dringend notwendig. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger im Rheintal, wir Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Güterzüge wissen, dass Sie heute sehr aufmerksam auf diese De- rasen ungebremst durch kleine Bahnhöfe wie Bad Kro- batte schauen; denn sie ist auch Ihre Debatte. Sie haben zingen, Kenzingen und Herbolzheim. Manchmal sind jahrelang beharrliche Überzeugungsarbeit vor Ort ge- die Bahnsteige nur 2,5 Meter breit bzw. schmal. Diese leistet. Sie haben viele Abgeordnete eingeladen. Sie ha- kleinen Bahnhöfe sind für die Menschen in der Region ben uns klargemacht, dass im Rheintal so nicht weiterge- wichtige Haltestellen: für den ÖPNV, für Kinder und Ju- baut werden kann. Insofern: Herzlichen Dank für Ihr gendliche auf dem Weg zur Schule, für viele auf dem Engagement, mit dem Sie diese Debatte ermöglicht ha- Weg zur Arbeit. Die Menschen können nicht warten, bis ben! endlich irgendwann einmal die neuen Gleise liegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Man rechnet damit, dass sich der Güterverkehr bis und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der 2025 verdoppelt, dass dann also mehr als 300 Güterzüge (B) CDU/CSU und des Abg. Patrick Döring (D) am Tag durch diese Bahnhöfe rasen. Wenn Güterzüge [FDP]) durch diese Bahnhöfe fahren, muss zumindest das Tempo gedrosselt werden. Sie rasen dort bisher unge- Die Botschaften, die wir im Rheintal vernehmen bremst durch. Da passieren schreckliche Unfälle. Der konnten, waren sehr eindeutig. letzte ereignete sich am letzten Sonntag. Ein junger Mann ist tödlich verunglückt. Er ist von einem Zug er- Die erste Botschaft lautet: Wir wollen, dass der Schie- fasst worden. nenverkehr im Rheintal ausgebaut wird. Wir erkennen an, dass es notwendig ist, diese Kapazitäten zu schaffen. (Ute Kumpf [SPD]: Das ist da unten aber auch Wir brauchen eine Verlagerung, gerade weil es einen eine Selbstmordstrecke!) Staatsvertrag mit der Schweiz gibt, den wir erfüllen Gerade Güterzüge entwickeln durch ihre unterschied- müssen. Deswegen ist das wichtig. lich gebauten Waggons Luftverwirbelungen. Sie entwi- Die zweite Botschaft lautet: Wir stehen zum Ausbau, ckeln eine ungeheure Sogwirkung. Kinderwagen, die am aber so nicht. Es kann nicht sein, dass laute Güterzüge Bahnsteig stehen, werden mitgerissen, Koffer selbstver- weiterhin mitten durch Ortschaften donnern, ohne Rück- ständlich auch. Alte Menschen, Behinderte, Kinder ha- sicht auf die Anwohnerinnen und Anwohner. Das kann ben keine Chance, wenn sie in den Sog dieser Züge gera- so nicht weitergehen. ten. Hier ist viel zu tun, und zwar gleich, nicht erst, wenn planfestgestellt ist bzw. wenn irgendwann einmal die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neue Strecke besteht. sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Heimtückische ist: Diese Züge kommen leise an. Sie haben auch deutlich gemacht, dass es ihnen nicht Man hört sie erst, wenn sie schon da sind. Da helfen hilft, wenn wir meterhohe Mauern durch die Orte bauen. auch Anzeigetafeln nicht. Ein sehbehinderter Mensch Denn diese Mauern zerstören den Charakter der Orte. kann eine Anzeigetafel nicht lesen. Wir brauchen die Diese Art von Lärmschutz hilft insofern nicht weiter. Sie Durchsagen, die auch früher auf Bahnsteigen zu hören macht viel kaputt, und davon sollten wir Abstand neh- waren: „Vorsicht, ein Zug fährt durch!“ Aber die Bahn men. hat in den vergangenen Jahren jährlich 15 000 Mitarbei- Wir müssen, wie wir finden, grundsätzlich umplanen. ter eingespart. Daran erkennt man: Hier werden Kosten Das hat inzwischen übrigens auch das Regierungspräsi- gespart, hier wird an der Sicherheit gespart, und hier wird bei den Menschen gespart. Das muss aufhören. dium Freiburg anerkannt. Ich betrachte es als einen Mei- lenstein in der Bahnplanungsgeschichte, dass es ein Re- (Beifall bei der LINKEN) gierungspräsidium gewagt hat, die Planungen der Bahn 11120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Winfried Hermann (A) als vollkommen inakzeptabel und falsch zurückzuwei- nahe Trasse wird auf der Strecke dort die bessere Alter- (C) sen. native sein als der Versuch, die Trasse durch die Orte zu führen und lediglich die Lärmschutzwände zu erhöhen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Das ist unser Ansatz. Dafür werben wir um Unterstüt- bei der CDU/CSU und der FDP) zung. Ich finde, die ganze Geschichte ist insofern positiv, als sie ein Beispiel für eine lebendige Zivilgesellschaft (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist, in der sich Bürgerinnen und Bürger, Gemeinderäte Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich so, dass und Bürgermeister eingemischt und gesagt haben: Wir heute viele Anträge vorliegen; es war fast ein Wettbe- akzeptieren nicht, was von oben kommt. Wir haben Vor- werb seitens der Antragsteller. Es gibt inzwischen auch schläge. – Sie haben wirklich machbare Vorschläge aus- viele Gemeinsamkeiten. Das empfinde ich als einen gro- gearbeitet, und auch das ist ein schönes Beispiel dafür, ßen Fortschritt. Denn das war nicht immer so. Ich aner- dass nicht alles, was von oben kommt, gut ist, sondern kenne wirklich, dass alle Fraktionen sagen: Wir wollen dass manchmal das, was von unten wächst, das Bessere weg von den alten Plänen. Wir wollen den Ausbau bür- ist. gerfreundlich gestalten. Wir wollen den Prognosehori- Das Rheintal-Projekt ist aus meiner Sicht auch ein zont 2025 endlich anerkennen. – Man muss es sich ein- Beispiel für völlig veraltete obrigkeitsstaatliche Bahn- mal vor Augen halten: Jahrelang haben wir darum planung. Jahrelang hat man gesagt: Da wollen wir durch. gestritten, dass er gilt. Man hat mit einem Prognosehori- Dafür suchen wir die die günstigste und billigste Trasse, zont geplant, obwohl man wusste, dass man bis dahin und dann werden wir das durchziehen. – Ich war viele mit dem Bau der Strecke noch gar nicht fertig sein wird. Jahre im Rheintal aktiv, wo mir die Bürgerinnen und Dieser Aspekt ist ziemlich wichtig. Bürger gesagt haben: Die hören nicht auf uns, die ma- chen einfach weiter. Darüber hinaus geht es darum, dass wir nicht nur Lärmschutzwände bauen, sondern innovative Lärmschutz- Ich selber habe viele Gespräche mit Ministern ver- maßnahmen ergreifen. Wir brauchen so schnell wie schiedener Regierungen sowie Koalitionspartnern ge- möglich lärmabhängige Trassengebühren; diese wollen führt. Es gab immer und immer wieder Einwände wie übrigens alle. Das ist ein echter Fortschritt, und insofern diese: Wir können doch nicht anders. Wir müssen so sage ich „Danke schön“ an das Bürgerengagement. Denn vorgehen. – Insofern ist das ein gutes Beispiel für Lern- dieses hat uns dazu in den Fraktionen getrieben. unfähigkeit. Lange Zeit hat man nicht begriffen, dass man nicht gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schienenwege ausbauen kann. (B) Neben den Gemeinsamkeiten gibt es auch Unter- (D) Man hat übrigens auch keinen Erfolg gehabt. Das schiede. Das war letztendlich auch der Punkt, weshalb ganze Projekt läuft nun seit mehr als 25 Jahren, und dies man sich nicht auf einen gemeinsamen Antrag verständi- liegt nicht daran, dass es schon seit 25 Jahren Bürgerpro- gen konnte. Wir sollten uns da nicht den Schwarzen teste gibt. Vielmehr liegt es an 25 Jahren dilettantischer Peter zuschieben. Natürlich gibt es unterschiedliche An- Planungen, stümperhafter Formen des Ausbauens und sätze und auch unterschiedliche strategische Interessen. keiner konsequenten Finanzierung. All das hat dazu ge- Die Opposition wollte eine klare eigenständige Posi- führt, dass wir heute sagen müssen: Wir werden es nicht tion – die Regierungskoalition natürlich auch. Wir hätten schaffen, bis 2018 fertig zu sein, und es ist bitter, dass uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigen müs- wir in Deutschland zugeben müssen, dass wir nicht in sen. Das ist allerdings nicht gelungen. Das wäre auf Au- der Lage sind, einen Vertrag, den wir vor vielen Jahren genhöhe gewesen, aber das hat die Koalition nicht ange- abgeschlossen haben, einzuhalten. Das finde ich ein boten. Stück weit beschämend. Das muss sich ändern, und das muss eine Lehre aus diesem Projekt sein. Wir müssen es Nun, worin besteht die Differenz? – Zum Schienen- zukünftig anders machen. bonus schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass dieser ab 2012 nicht mehr gelten soll. Da sind wir misstrauisch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn in einem Jahr kann man noch viel Falsches be- Anders machen, anders planen heißt aber, wirklich schließen. Wir wollen daher, dass er sofort gilt. umzuplanen. Es geht nicht nur um ein bisschen Lärm- Wir haben in unserem Papier sehr eindeutig gesagt, schutz. Beispielsweise sind wir in Offenburg gezwun- dass wir eine klare Finanzierungskonzeption wollen. Es gen, von der Trasse Abstand zu nehmen und unter die genügt nicht, einfach zu sagen, wir wollen das Gute, Erde zu gehen. Wir müssen schauen, dass wir damit während alles unter einem Haushaltsvorbehalt steht. So nicht wieder das nächste Problem schaffen. Deswegen kommen wir nicht mehr weiter. Das ist lange genug muss auch diese Umplanung anwohnerfreundlich und im schiefgegangen. Konsens mit der Kommune vorgenommen werden. Wir haben auch eindeutig gesagt: Wenn man dort ein (Sibylle Laurischk [FDP]: Vollkommen rich- Modellprojekt will, dann darf man nicht nur prüfen, was tig!) man im Rahmen eines Modellprojekts tun kann, sondern Wir gehen in unserem Grünenantrag noch weiter. Wir dann muss man dort tatsächlich ein Modellprojekt mit sagen: Auch südlich von Offenburg müssen wir über al- allen innovativen Formen des Klimaschutzes und allen ternative Trassenführungen nachdenken. Die autobahn- Formen neuer Bürgerbeteiligung realisieren. Es geht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11121

Winfried Hermann (A) eben um eine neue Art von Planungs- und Baukultur. sung und nicht nur am so weitverbreiteten Denken an (C) Das ist unser Vorschlag. den eigenen Kirchturm interessiert. Letzter Punkt. Es geht um den Dauerangriff vor allem Bei all meinen Besuchen im Rheintal konnte auch ich der CDU in Bezug auf die Finanzierung. Frau Gönner, mich eindrücklich davon überzeugen, wie viel Verständ- wir Grünen haben im Landtag nicht gesagt, dass sich das nis die Anwohner für die ökonomische und ökologische Land daran nicht beteiligen soll, sondern wir haben deut- Notwendigkeit der Rheintalbahn haben. Oft wurde in lich gemacht: Es ist nach unserer Einschätzung verfas- Gesprächen deutlich gemacht: Wir stehen zum Schie- sungswidrig, wenn sich das Land Priorisierungen beim nenverkehr und zur Rheintalbahn. Dabei muss man wis- Bund dadurch erkauft, dass es Milliarden auf den Tisch sen, dass es durch das Bahnprojekt für die Menschen legt. dort, anders etwa als bei Stuttgart 21, im Prinzip fast nur Nachteile gibt. Auch deshalb haben die Anwohner unse- (Patrick Döring [FDP]: Quatsch!) ren Respekt für ihre positive Grundhaltung verdient. Diese Art von Mischfinanzierung lehnen wir ab, weil (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wir sie für verfassungswidrig halten. Der Ausbau der Schienenstrecke im Rheingraben als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zulauf zum Gotthard-Basistunnel ist genauso notwendig sowie bei Abgeordneten der SPD) wie die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße Wir haben einen Antrag abgelehnt, der viele kritische auf die Schiene. Punkte enthielt, unter anderem eben auch diese Misch- (Zurufe von der SPD: Oh)! finanzierung. Wir sagen in unserem gemeinsamen An- trag hier und in unserem eigenen Antrag sehr deutlich: Die Frage ist hier also nicht, ob ausgebaut wird, sondern Ja, das Land soll sich beteiligen, und zwar an Lärm- wie. Die ersten Überlegungen dazu sind für Mensch und schutzmaßnahmen, die über das gesetzliche Niveau hi- Umwelt in der Tat nicht akzeptabel gewesen. nausgehen. Es ist keine Frage: Das Land muss sich daran beteiligen. Das ist unser Ansatz. ( [SPD]: Aha!) Wir wollen aber nicht, dass es in verfassungswidriger Wir haben daraus und aus langjährigen Versäumnis- Weise zu Mischfinanzierungen kommt, sodass das Land sen gelernt und fordern die Bundesregierung in unserem das finanziert, was eigentlich der Bund finanzieren Koalitionsantrag beispielsweise auf, den bereits seit Jah- müsste. Das sagen Sie übrigens an vielen anderen Stel- ren planfestgestellten Raststatter Tunnel zu realisieren. len selber. Ich verstehe nicht, warum Sie hier meinen, Wir brauchen solche und andere Maßnahmen, um die (B) uns vorführen zu müssen. Ich finde, das, was Sie da tun, notwendige Akzeptanz des Jahrhundertprojekts nicht zu (D) ist ziemlich billig. gefährden; denn eines ist klar: Die Menschen an der Rheintalbahn oder woanders sind nicht mehr bereit, ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – meidbaren Schienenlärm einfach so hinzunehmen. Das Patrick Döring [FDP]: Der Eindruck, den Sie ist verständlich und nachvollziehbar. erwecken, ist auch billig!) Wir von den Regierungsfraktionen nehmen die Sor- Fazit: Wir müssen alles dafür tun, dass wir jetzt wirk- gen der Menschen vor Ort sehr ernst – im Übrigen schon lich schnell zu einer besseren Planung kommen, wir lange und nicht nur in Wahlkampfzeiten. Seit Jahren sind müssen alles für eine grundlegende Finanzierung dieses die direkt gewählten Abgeordneten entlang der Rheintal- Großprojektes tun, und wir müssen alles dafür tun, dass bahn für die Anlieger dort im Einsatz. Dabei können sie wir nicht erst 2030 oder 2040 fertig werden, sondern sich auf die Unterstützung von uns Verkehrspolitikern dass wir spätestens in 10, 15 Jahren auf dem dritten und verlassen. vierten Gleis im Rheintal fahren und wirklich einen Bei- trag zum Klimaschutz im Verkehr geleistet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vielen Dank. Der Antrag, über den wir heute diskutieren, ist für uns ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum verbesserten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schutz von Mensch und Umwelt. Dazu haben wir schon im Koalitionsvertrag von 2009 festgelegt, dass wir den Präsident Dr. Norbert Lammert: sogenannten Schienenbonus abschaffen werden. In dem Das Wort erhält jetzt der Kollege Steffen Bilger für vorliegenden Antrag haben wir dieser Willensbekun- die CDU/CSU-Fraktion. dung Taten folgen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Die Bundesregierung muss jetzt einen Gesetzentwurf neten der FDP) vorlegen, damit kein Unterschied mehr zwischen Lärm durch Straßen- und Schienenverkehr gemacht wird. Diese Forderung in unserem Antrag ist in ihrer Bedeu- Steffen Bilger (CDU/CSU): tung nicht zu unterschätzen. Denn bislang haben sich Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten keine Bundestagesmehrheit und keine Bundesregierung Sie auch mir an dieser Stelle, zuerst einmal den Anwoh- so konkret an dieses Thema herangewagt. nern entlang der Rheintalbahn zu danken. Sie engagieren sich in Bürgerinitiativen und sind konstruktiv an der Lö- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 11122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Steffen Bilger (A) Besondere Maßnahmen sind bei der Rheintalbahn alition, sondern durchaus auch Vertreter der Opposi- (C) aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer geografischen Lage tionsparteien, wenngleich die Haltung der Grünen in gerechtfertigt. Deshalb wollen wir diese Strecke faktisch Baden-Württemberg zur Mitfinanzierung von mehr zu einem Modellprojekt für gelungene Streckenführung Lärmschutz durch das Land sehr bedauerlich ist. Wir und Antilärmmaßnahmen machen. Dabei geht es nicht schätzen die verfassungsrechtliche Lage in dieser Frage nur um Lärmbekämpfung, sondern auch darum, Lärm anders ein. erst gar nicht entstehen zu lassen. Hierzu sollen die mög- Entscheidungen werden aber von denjenigen getrof- lichen technischen Innovationen eingesetzt werden. Zu- fen, die dazu die Verantwortung übertragen bekommen dem sollen als Anreiz für den Einsatz leiserer Fahrzeuge haben. Das sind nun einmal Union und FDP. Bei uns lärmabhängige Trassenpreise obligatorisch werden. sind die Anliegen der betroffenen Menschen in guten Nun mögen die weitergehenden Forderungen des ge- Händen. meinsamen Oppositionsantrags von Sozialdemokraten Vielen Dank. und Grünen wünschenswert sein. Aber nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch möglich. In diesem Fall ist (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) es nicht etwa nicht möglich, weil wir es nicht wollen, sondern weil wir keine Regelungen festschreiben kön- Präsident Dr. Norbert Lammert: nen, die rechtlich nicht möglich sind, weil der Bund kei- Ich erteile das Wort nun der Kollegin Ute Kumpf von nen direkten Zugriff auf die Planungen hat, und auch der SPD-Fraktion. weil wir nicht unbegrenzte Finanzzusagen machen kön- nen. Darin zeigt sich vielleicht der Unterschied zwischen (Beifall bei der SPD) Regierungs- und Oppositionsfraktionen. (Florian Pronold [SPD]: Was jetzt? Wider- Ute Kumpf (SPD): spruch in einer Rede!) Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- gen! Eine Bemerkung vorneweg: Wenn wir heute mit – Herr Pronold, nachdem Sie das in Ihrer Rede ange- unseren Positionen so nahe beieinanderstehen, dann ist sprochen haben, will ich einige Sätze dazu sagen. Herr das nicht Ihr Verdienst, Herr Döring, oder Ihres, Frau Hermann hat zu Recht davon gesprochen, dass die Men- Gönner. schen vor Ort nicht wollen, dass Schwarzer Peter ge- spielt wird. Aber wenn Sie sich die Mühe machen, unse- (Patrick Döring [FDP]: Das habe ich auch ge- ren Antrag abzuschreiben, und ihn nur mit wenigen sagt! So ist das!) Ergänzungen versehen, Es ist vielmehr das Verdienst der IG BOHR und der (B) (D) (Lachen bei der SPD) Menschen vor Ort, die sich vor sieben Jahren, im April 2004, zusammengeschlossen und Konzepte und Kompe- dann frage ich mich, weshalb wir das am Dienstag so tenz entwickelt haben. Sie sind entsprechend hartnäckig, beiläufig erfahren haben. Wir hätten Ihnen gerne das aber auch badisch-konziliant geblieben und haben das Worddokument zur Verfügung gestellt, dann hätten Sie Vorhaben nicht in Kontrast zu Stuttgart 21 gestellt. Des- es nicht extra abtippen müssen. halb ist in erster Linie diesen Menschen dafür zu danken, dass wir zur Einsicht gekommen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Frau Andreae, ich habe mich sehr über den Brief von GRÜNEN) Ihnen und Herrn Bonde gefreut, den ich am Freitag er- halten habe. Wir haben das Gesprächsangebot angenom- Meine zweite Bemerkung richte ich an Frau Gönner. men, mussten allerdings feststellen, dass, nachdem wir Ich schätze Sie. Sie haben das Schlichtungsverfahren zu Bereitschaft signalisiert hatten, auf Ihre Punkte einzuge- Stuttgart 21 mitgetragen und miterlitten, unabhängig da- hen, die Hürden so erhöht wurden, dass leider aus inhalt- von, wie es Ihnen geht. Wahrscheinlich sind Sie deswe- lichen und formalen Gründen heute kein gemeinsamer gen zur Einsicht gekommen. Aber Sie bzw. die CDU im Antrag zustande gekommen ist. Landtag sind spät zur Einsicht gekommen, was Baden 21 anbelangt. Die SPD hat 2006 den ersten An- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Typi- trag eingebracht, in dem sie sich eindeutig positiv zu sches Verhaltensmuster der Grünen! – Florian dem Konzept Baden 21 stellt. Sie haben bis November Pronold [SPD]: Wir sind bereit, einen gemein- 2010 gebraucht, sich dazu positiv zu stellen. Es gab im- samen Antrag zu machen!) mer ablehnende Beschlüsse – Wir jedenfalls brauchen uns mit unseren Leistungen (Zuruf der Ministerin Tanja Gönner [Baden- für die Rheintalbahn nicht zu verstecken. Wer den Stand Württemberg]) der Dinge von vor zwei Jahren mit der Situation heute vergleicht, kann nur zu einem Schluss kommen: Die ört- – Doch, das liegt mir vor. Ich habe es mir extra schicken lichen Vertreter haben gemeinsam mit den Regierungen lassen, weil ich mir gedacht habe: Wenn die Ministerin auf Bundes- und Landesebene und mit der Deutschen anreist, müssen wir auch wissen, was im Ländle passiert. Bahn sehr viel für die Region erreicht. Dazu haben auch Daher: Tun Sie nicht so, als wären Sie schon immer da- wir als Bundestagsabgeordnete unseren Beitrag geleis- bei gewesen. Sie haben diese Schlichtung und das De- tet. Ich sage an dieser Stelle auch: nicht nur wir als Ko- saster in Stuttgart gebraucht, um zur Einsicht zu gelan- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11123

Ute Kumpf (A) gen. Damit ist die Lerntheorie bestätigt: Anscheinend fen und Widerspruch organisieren können. Die von Bun- (C) lernt man nur durch Katastrophen. desseite vorgenommene Trassenplanung ist an manchen Stellen irrsinnig – einschließlich einer Planung, die im- (Zuruf von der SPD) mer noch um drei Strommasten herum verläuft, weil es Ich überlege, wie es gewesen wäre, wenn wir am angeblich immer noch zu teuer ist, eine Begradigung 27. April darüber diskutiert hätten. Wäre dann die Be- durchzuführen. reitschaft tatsächlich vorhanden, hierbei so weit zu ge- Wir sollten uns alle an die Nase fassen und sagen: Wir hen? Aber lassen wir das beiseite. sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir uns dieser Kon- Wir haben eine gemeinsame Position gefunden. Wir zeption anschließen. Sie müssen dafür sorgen, dass die alle sind in der Pflicht gegenüber der EU, aufgrund der finanzielle Ausstattung für diese Planung tatsächlich ge- Verpflichtungen aus den Verträgen und gegenüber der währleistet ist, denn Sie lassen uns praktisch am langen Schweiz – wahrscheinlich verfolgt die Schweiz heute die Arm verhungern. Debatte –, diese Rheintalbahn zu bauen. Herr Bilger, wir haben mit Blick auf einen gemeinsa- Wir sind vor allem den Menschen gegenüber in der men Antrag zusammengesessen, es gibt nicht nur den Pflicht. Ich sehe sie in den Podiumsrunden sitzen. Alle, Brief des Kollegen Bonde und der Kollegin Andreae. etwa Herr Simmling und Herr Bilger, haben gesagt: Wir Aber mit Ihrer Haltung – ich weiß nicht, wie ich sie ge- tun das. – Alle sind durch das Land gereist und haben al- nau nennen soll – nach dem Motto: „Sie dürfen ein biss- les erst einmal versprochen. chen an unserem Antrag verändern“ befinden wir uns nicht auf Augenhöhe. (Zuruf von der SPD: Ja!) Es ist auch eine Lehre für uns im Parlament, dass die Sie haben in Freiburg versprochen, dass wir einen ge- Zeit der Ankündigungen vorbei ist. Wir müssen bei der meinsamen Antrag einbringen. Wahrheit bleiben. ( [SPD]: Jawohl!) (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Patrick Das war bei einem Lärmkongress in Freiburg, bei dem Döring [FDP]) auch die Kollegen Herzog und Simmling anwesend wa- Wir alle müssen sagen, was machbar ist, was wir ma- ren. Wir alle haben gesagt, dass wir an einem Strang zie- chen wollen und wie wir das Konzept Baden 21, zum hen werden. Das haben Sie nicht gemacht, weil Sie Beispiel den Tunnel in Offenburg, die autobahnnahe wahrscheinlich über sich sagen wollen: Wir sind diejeni- Trasse und Tieferlegungen bei einzelnen Streckenab- gen, die das Ganze vorantreiben. – Das finde ich vom schnitten, tatsächlich realisieren wollen. Denn dies er- parlamentarischen Verständnis her fragwürdig; denn es (B) (D) warten die Menschen vor Ort, scheint Ihnen darum zu gehen, ein Stück weit Macht auszuspielen; ich weiß nicht, was das für ein Verständnis (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie ist. beim Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Unan- ständig!) und nicht nur, dass man wieder einmal prüft und das un- ter einen Haushaltsvorbehalt stellt, wie Sie es in Ihrem Auf alle Fälle konnten wir deswegen auch nicht zusam- Antrag machen. menkommen. Vielleicht haben Sie persönlich ein ande- res Vorgehen für gut befunden, aber Sie haben kein grü- (Patrick Döring [FDP]: Nein, steht da nicht!) nes Licht bekommen. Sie sollten nicht nur sagen, dass man über ein biss- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen Schienenbonus nachdenken könne, sondern wir NEN]: Herr Kauder wollte nicht! – Weitere brauchen rein rechtlich dieses Modellprojekt, um die Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Forderungen durchzusetzen. Wir brauchen die Lärmmin- DIE GRÜNEN) derung nicht nur an der Trassenführung, sondern wir müssen dafür sorgen, dass Lärm gar nicht erst entsteht. Ich weiß nicht, wer bei Ihnen das Denken vorgibt. Bei Wir brauchen ein Programm auf europäischer Ebene, um uns funktioniert das anders und demokratischer. Auf alle die Güterzüge leiser zu gestalten. Fälle finde ich das schade. Aber lassen wir das. Ich gebe auch dem Kollegen Winfried Hermann Deswegen haben wir gemeinsam mit den Grünen ei- recht, wenn er auf Folgendes verweist: Das Eisenbahn- nen Antrag eingebracht, in dem wir die wesentlichen Bundesamt oder wer auch immer diese Streckenplanung Punkte formuliert haben. Der Dissens besteht an der zen- vorgenommen hat, hat irgendwann einmal ein Lineal ge- tralen Stelle. Ich denke, die Zeit der Ankündigungen, der nommen und das von oben nach unten durchgeplant, Versprechungen und der Haltung, immer ganz lieb zu weil sich das wohl ganz toll ansehen lässt. Anscheinend sein, wenn wir dort unten sind, ist schlichtweg vorbei. war niemand vor Ort, um sich das vor Augen zu führen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Viele Konzeptionen wurden durch die IG BOHR und an- DIE GRÜNEN) dere Initiativen vorgestellt, die sich Sachverstand organi- siert und Geld in die Hand genommen haben. Auch die Ich war ganz erstaunt, als Herr Grube und Herr Gemeinden haben Geld in die Hand genommen, damit Mappus eine Fahrt entlang des Rheins nach dem Motto sie sich gegenüber den Trassenplanern Gehör verschaf- „Eine Bahnfahrt, die ist lustig“ gemacht haben. Auch der 11124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Ute Kumpf (A) Verkehrsausschuss hat eine Fahrt unternommen. Der teiligten, darunter Vertreter der DB AG, des Bundes, des (C) Punkt ist, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Ini- Landes und der Bürgerinitiativen, wird sehr erfolgreich tiativen uns ernst nehmen und uns glauben, wenn wir et- gearbeitet. Hervorheben – das wurde heute schon einmal was sagen. Wir dürfen diese Glaubwürdigkeit nicht aufs gesagt – möchte ich die Beschlüsse der Sitzung vom Spiel setzen. 8. Februar dieses Jahres, die, wie ich finde, einen Mei- lenstein markieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deshalb möchte ich diese Beschlüsse hier wiederho- len: Es wurde eine Prüfung der Tunnellösung in Offen- Deswegen ist es unabdingbar, dass wir die Finanzierung burg vereinbart. Weiterhin wird die Prüfung einer auto- sicherstellen und die gesetzlichen Voraussetzungen bahnnahen Trasse von Offenburg bis Riegel mit und schaffen. ohne Schienenbonus und der Vergleich mit der beantrag- (Patrick Döring [FDP]: Machen wir ja!) ten Trasse vorgenommen. Schließlich wird ein Planfest- stellungsbeschluss durch das EBA zukünftig nur dann Wenn wir von der Schweiz gefragt werden, wann wir ergehen, wenn die jeweilige Kernforderung im Projekt- so weit sind, dann müssen wir das, was wir versprochen beirat abschließend behandelt worden ist. Ich denke, wir haben, einlösen. Wir werden an der Stelle sicherlich fi- haben im Vergleich zu früher riesige Fortschritte ge- nanzielle Probleme bekommen, vielleicht auch noch macht. Da sollten wir weiterarbeiten. Druck von der Schweiz. Das wird uns noch einmal eine enorme Summe kosten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deswegen: Seien Sie ehrlich, Mit ihrem Antrag unterstützt die Regierungskoalition (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wir ausdrücklich diese Projektbeiratsbeschlüsse. Unser ge- sind immer ehrlich!) meinsamer Antrag hat die Zielsetzung, nach Möglichkeit zu einer von großen Teilen der Bevölkerung akzeptierten sorgen Sie für die Finanzierung, sorgen Sie für die ge- Planung und Bauausführung zu kommen. setzlichen Grundlagen und sorgen Sie vor allem dafür, dass die Menschen im Rheintal die Bahn bekommen, die Lassen Sie mich an dieser Stelle die Bedeutung der sie wollen – anwohnerfreundlich, klimaverträglich und Rheintalstrecke kurz hervorheben und Ihnen darlegen, mit ihrer eigenen Unterstützung! Das ist toll bei einem was dieser Ausbau für die Menschen vor Ort bedeutet. so großen Infrastrukturprojekt. Die Rheintalbahn ist die Zulaufstrecke der alpenqueren- den Verkehre und ein Teil des äußerst stark belasteten Danke. Verkehrskorridors von Rotterdam bis Genua, der die (B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Nordsee mit dem Mittelmeer verbindet. Die Bundesre- (D) DIE GRÜNEN) gierung hat sich zum Ausbau der Strecke vertraglich ver- pflichtet. Ihr Kosten-Nutzen-Faktor liegt bei 2,7. Das sagt alles über die wirtschaftliche Bedeutung dieser Stre- Präsident Dr. Norbert Lammert: cke. Werner Simmling ist der nächste Redner für die FDP- Fraktion. Die verkehrliche Belastung durch die Güterzüge wird mit der Fertigstellung des Gotthardtunnels auf Schwei- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zer Seite daher noch einmal erheblich zunehmen. Bei al- der CDU/CSU) len Planfeststellungsverfahren gehen wir jetzt von den Zugzahlen der Verkehrsprognose 2025 aus. Für das Werner Simmling (FDP): Jahr 2025 sind das Zugzahlen von 360 Güterzügen pro Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Tag. Das heißt: alle vier Minuten ein Zug. Anders ge- Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführun- sagt, sind das mehr als 100 000 Güterzüge pro Jahr. gen feststellen, dass wir hier in diesem Hohen Hause bei Doch nicht nur die Lärmbeeinträchtigungen stehen der Debatte zur Rheintalbahn doch entgegen allem An- bei der jetzigen Trassenführung in der Diskussion, son- schein, den soeben auch Frau Kumpf erweckt hat, in vie- dern auch massive Eingriffe in das Landschaftsbild. Las- len Punkten einig sind. Lassen Sie uns in diesem Sinne sen Sie mich das am Beispiel „Knoten Kenzingen“ kurz vor allem für die Bürgerinnen und Bürger im Rheintal ausführen. Mit der heutigen Trassenführung müssten weiterarbeiten. Ich glaube, es macht keinen Sinn, in der zwei Überwerfungsbauwerke mit Ausmaßen von Vergangenheit zu graben und zu sagen, der eine habe das 850 Metern bzw. 1 100 Metern gebaut werden, und das nicht und der andere habe jenes nicht gemacht. alles in einer Höhe von 5 bis 7 Metern. Dadurch sollen Wir führen mit der heutigen Debatte fort, was in Ba- die verschiedenen Verkehrsarten – Personenfernverkehr, den-Württemberg, speziell am südlichen Oberrhein, Personennahverkehr und Güterverkehr – entmischt wer- bereits selbstverständlich ist. Bürgerinitiativen, Kom- den. Konkret heißt das für die Stadt Kenzingen, dass munalpolitik, Landräte, Regierungspräsident und Lan- durch das Stadtgebiet ein sechsgleisiger Ausbau stattfin- desregierung arbeiten seit Jahren eng und vertrauensvoll den müsste. Daher erwarten die Menschen in Südbaden an Lösungen für einen anwohner- und umweltfreundli- zu Recht – das habe ich auch bei meinen Besuchen dort chen Ausbau der Rheintalbahn. Mit der Gründung des erfahren –, dass ihren Bedürfnissen nach Lärmschutz Projektbeirats im Jahr 2009 wurde diese Zusammenar- und nach einer landschaftsverträglichen Verkehrspla- beit institutionalisiert. Unter Mitwirkung aller Projektbe- nung Rechnung getragen wird. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11125

Werner Simmling (A) Wir haben von Anfang an in einem engen Kontakt mit und ihre Lebensqualität bestmöglich geschützt werden. (C) den Bürgerinitiativen gestanden. Wir haben die Anliegen Wir unterstützen sie in ihren berechtigten Forderungen. der Bevölkerung mit konkreten Beschlüssen auf Landes- (Beifall bei der LINKEN) und Bundesebene unterstützt. Bereits in der 15. und 16. Wahlperiode haben wir mit unseren Anträgen eine Die Linke fordert in ihrem Antrag den wirksamen Überplanung der vorgesehenen Ausbaustrecke gefordert. Schutz vor Lärm und Schadstoffen in der Luft. Damit Umso mehr erfreut unsere Fraktion, dass wir gemeinsam das umgesetzt wird, müssen die Deutsche Bahn und das mit unserem Koalitionspartner den heutigen Antrag auf Land Baden-Württemberg gemeinsam mit den Bürgerin- den Weg gebracht haben. In diesem Sinne lassen Sie uns nen und Bürgern und ihren Initiativen sowie den Um- rasch – ich betone: rasch – gemeinsam an der Umset- weltverbänden planen. Dazu gehört Transparenz für die zung der Projektbeiratsbeschlüsse arbeiten und den hier Aktiven und für die Öffentlichkeit. Planungsschritte im Hause herrschenden Konsens zum Wohle der Bürge- müssen offengelegt werden. Insbesondere die Lärmbe- rinnen und Bürger im Rheintal nutzen. lastung muss auf der Grundlage neuester wissenschaftli- cher Erkenntnisse bewertet werden, damit wir die richti- Vielen Dank. gen Maßnahmen für weniger Lärm treffen können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dieses Problem existiert aber nicht nur zwischen Mannheim und Basel, sondern auch entlang vieler ande- Präsident Dr. Norbert Lammert: rer Bahnstrecken mit starkem Güterverkehr, zum Bei- Nächster Redner ist der Kollege Herbert Behrens für spiel an der Betuwe-Linie zwischen Rotterdam und dem die Fraktion Die Linke. Ruhrgebiet. Schutz vor Lärm ist ein Dauerthema, zumin- dest in unserer heutigen Debatte. Diese Debatte muss (Beifall bei der LINKEN) fortgeführt werden.

Herbert Behrens (DIE LINKE): Der Spruch „Viel hilft viel“ stimmt nicht. Das wissen Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die wir alle. Darum helfen viele Anträge auch nicht mehr als IG BOHR hat in gewisser Weise lange gebohrt, bis sie es wenige Anträge. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn geschafft hat, dass ihre Interessen im Bundestag promi- es einen gemeinsamen Antrag gegeben hätte. Er hätte nente Berücksichtigung finden; gleich acht Anträge be- den lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohnern zei- fassen sich mit ihren Anliegen. Die Interessengemein- gen können: Ja, es ist ein gemeinsames Anliegen der schaft Bahnprotest an Ober- und Hochrhein ist für uns Politikerinnen und Politiker hier in Berlin, was sie um- ein beeindruckendes Beispiel für Bürgerengagement, treibt, was sie fordern. (B) aber auch für Planungsfantasie, wie wir sie brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (D) Die Mitglieder der Bürgerinitiativen haben es geschafft, Betroffene zu organisieren und sie zu bewegen, ihre In- Das ist nicht gelungen. Es hat keinen gemeinsamen teressen in die Hand zu nehmen. Sie nehmen damit ihre Antrag der Regierungsfraktionen und der Oppositions- Verantwortung für sich selber wahr. Es sind nicht wir, fraktionen gegeben. Es hat leider aber auch keinen ge- die die Verantwortung für sie übernehmen; das tun sie meinsamen Antrag der Oppositionsfraktionen gegeben. selber. Wir haben einfach nur unsere Aufgabe zu erfüllen Das bedauern wir sehr. An uns ist es nicht gescheitert. und ihren Interessen nachzukommen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass die Das Ergebnis der Arbeit dort ist ein kompletter Plan, wie Koalition die Stimme der Anwohnerinnen und Anwoh- in der Zukunft der Bahnverkehr durch das Rheintal rol- ner wahrgenommen hat. Es ist zu lesen und zu erfahren: len soll. Dieser Plan hat den Namen „Baden 21“. Die CDU pflegt intensive Kontakte zu den Bürgerinitia- tiven vor Ort. Das ist gut. Es sieht so aus, als hätte sie Schon heute rattern Hunderte Züge durch Gemeinden tatsächlich aus dem Demokratiedesaster Stuttgart 21 ge- und Städte. Es sollen nach Prognosen der Bundesregie- lernt. Das kann sie natürlich nicht zugeben. Wie sonst ist rung bis zu 600 werden. Das hält kein Mensch mehr aus, der Satz zu verstehen, der in Ihrem Antrag steht, „dass der in dieser Region lebt, wenn nach alten Maßstäben eine sachliche Verknüpfung von Stuttgart 21 und dem geplant wird. Die Bürgerinnen und Bürger von Offen- Ausbau der Rheintalbahn in der Sache falsch ist und ihr burg akzeptieren nicht, dass beispielsweise vier Gleise schadet“? ihre Stadt zerschneiden und meterhohe Lärmschutz- (Ute Kumpf [SPD]: Da geht es um das Geld, wände sie verschandeln. Herr Kollege!) Trotzdem gibt es eine hohe Bereitschaft, das Vorha- Es trifft auch nicht zu, dass beide Projekte gleich ben mitzutragen. Die Leute wissen, dass die Rheintal- wichtig sind, wie es im Antrag heißt. Wer Stuttgart 21 bahn wichtig für die Transporte zwischen Deutschland, durchsetzen will, der hat am Ende kein Geld mehr, um der Schweiz und Italien ist. Sie wollen nicht, dass dieser die Bahnstrecke im Rheintal wirklich menschenverträg- Verkehr über die Straße abgewickelt wird, sondern sie lich zu bauen. wollen, dass er auf die Schiene verlegt wird. Sie akzep- tieren den Ausbau der Rheintalbahn auf vier Gleise, da- Der wirksame Schutz der Menschen an der Trasse ist mit Güter- und Personenverkehr auf eigenen Trassen teuer. Bis zu 1 Milliarde Euro mehr kostet es, wenn die fahren können. Sie verlangen aber, dass ihre Gesundheit Forderungen der Bürgerinitiativen umgesetzt werden. 11126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Herbert Behrens (A) Das ist bezahlbar, meinen wir, wenn an anderer Stelle Schritt zu gehen und ein Signal zu setzen. Dazu will ich (C) auf unsinnige Großprojekte wie Stuttgart 21 verzichtet sagen: Das hilft uns allen. wird. Wir haben es nicht hinbekommen, einen gemeinsa- (Beifall bei der LINKEN) men Antrag vorzulegen. Es ist trotzdem ein erster und wichtiger Schritt, dass sich der Bundestag endlich offen- Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass Bür- siv zur Frage des Lärmschutzes an der Strecke bekennt. gerinnen und Bürger, Naturschutzverbände und andere im Planungsprozess gleichberechtigt mitwirken können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir wollen erreichen, dass das keine einmalige Beteili- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der gung bleibt, die auch nur auf dieses Projekt bezogen ist, FDP und der LINKEN) sondern ein neues Modell eines Beteiligungskonzeptes Wir haben damit eine Chance, deutlich zu machen, bei Planungsverfahren wird. Stuttgart 21 wird sich dann dass der Protest vor Ort, die Initiativen von Hunderttau- wiederholen, wenn wir nicht umdenken und Entschei- senden von Leuten hier nicht auf taube Ohren stoßen. Es dungsprozesse öffentlicher gestalten. handelt sich nicht um eine kleine Minderheit des Parla- Wir fordern, die unverhältnismäßig großen Mindest- ments, sondern eine breite Mehrheit hat erkannt, dass sicherheitsabstände zwischen den Verkehrswegen Auto- man bei diesem Projekt anders planen muss. Es freut bahn und Schiene zu überprüfen. Das hat zum Ziel, die mich, dass Sie sich offensiv dazu bekennen, dass der Verkehrswege zu bündeln und den Flächenverbrauch zu Schienenbonus an der Strecke nicht gelten darf. Bis vor reduzieren. Die Landesmittel aus Baden-Württemberg kurzem hat man als Abgeordneter, wenn man danach ge- sollen nicht einfach so ins Projekt fließen, sondern ganz fragt hat, aus dem Verkehrsministerium die Antwort be- überwiegend für den Ausbau von Nahverkehrsstrecken kommen: Ja, den schaffen wir ab; aber für die Rheintal- eingesetzt werden. Die Bahn muss mit Geld aus dem bahn wird das keinen Unterschied mehr machen. Bundeshaushalt in die Lage versetzt werden, die beste (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Trasse am Rhein bauen zu können. Wenn es eine gute NEN]: So ist es!) Trasse gibt, dann dürfen dort auch nur leise Züge fahren. Der Schienenbonus muss also jetzt gestrichen werden. Insofern begrüße ich es, dass die Koalition ihren Ver- Wir brauchen kein Schienenbonusmoratorium. kehrsminister an dieser Stelle eingefangen hat. Zudem freue ich mich darauf, das gesetzlich verankert zu sehen, (Beifall bei der LINKEN) liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Kolleginnen und Kollegen, die große Übereinstim- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mung hier ist eine Chance, dass bei der Planung der sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian (B) (D) Rheintalbahn die Bürgerinnen und Bürger mehr Einfluss Lange [Backnang] [SPD]: Schau’n wir mal, ob nehmen können als bisher üblich. Damit es nicht nur die es machen!) eine Chance bleibt, sondern Wirklichkeit wird, hoffen wir sehr, dass das mit dem Wahlverhalten am übernächs- Der heutige Beschluss wird aber nicht alle unsere ten Sonntag in Mehrheitsverhältnisse gegossen wird. Probleme lösen; auch das will ich sagen. Denn an eini- gen Punkten auf der Strecke – von Offenburg über die Vielen Dank. Südliche Ortenau, im Landkreis Emmendingen, aber auch in der Freiburger Bucht und im Markgräflerland – (Beifall bei der LINKEN) wird es unter Lärmschutzgesichtspunkten nicht ausrei- chen, die Trassen zu modifizieren und zu optimieren: Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielmehr werden wir bei einigen Abschnitten nicht da- Das Wort erhält der Kollege Alexander Bonde für die rum herumkommen, eine alternative Trassenführung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. vorzunehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zustimmung der Abg. Rita Schwarzelühr- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sutter [SPD]) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns in der Region des Rheintals in Südbaden ist es wichtig, dass Wir Grüne bekennen uns zum Modell der Bürgerini- wir es zum ersten Mal seit Jahren schaffen, im Bundes- tiativen, zum sogenannten Baden 21. So weit sind Sie in tag tatsächlich ein Signal zu setzen, das die Menschen Ihrem Antrag noch nicht. Der entscheidende Punkt bei vor Ort unterstützt. Wir müssen beim Ausbau der Rhein- unserem Konsens wird sein: Können wir es erreichen, talbahn zu verlässlichen Alternativen kommen, die die dass die Bahn als Antragstellerin die Anträge zur Tras- Frage des Lärms, aber auch die Frage der Erschütte- senführung in den aktuellen Planfeststellungsverfahren rungsbelastung der Bevölkerung ernst nehmen. zurückzieht? Es ist schade, dass Sie als Koalition heute nicht bereit sind, mit uns gemeinsam einen Vorstoß zu Wenn man wie die Kollegin Andreae und ich seit Jah- unternehmen und die Bahn dazu aufzufordern. Es nutzt ren mit Initiativen in diesem Parlament scheitert, dann nichts, wenn der Bahnchef vor Ort Gespräche führt – im freut man sich, dass es – auch wenn der Wahlkampf si- Gegensatz zu seinem Vorgänger freundliche Gesprä- cher bei der Terminierung der Debatte heute zu einer so che –, aber gleichzeitig die Planfeststellungsverfahren schönen Zeit eine Rolle gespielt hat – endlich so weit ist, weiterlaufen und Abschnitt für Abschnitt eine Strecke dass auch die Koalitionsfraktionen bereit sind, einen zementiert wird. Diese sind vielleicht in Details modifi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11127

Alexander Bonde (A) zierbar, insgesamt aber werden sie den Bedürfnissen der überlagern sich zwei der wichtigsten europäischen (C) Bevölkerung nicht gerecht. Es wird kein für die Men- Schienenstrecken des transeuropäischen Netzes. schen verträglicher Ausbau ermöglicht, sondern ein Für beide internationale Trassen bestehen in Bezug Ausbau, bei dem Lärmschutz und Erschütterungsschutz auf den Schienenausbau vertragliche Verpflichtungen nicht wirklich im Vordergrund stehen. zwischen Deutschland und der Schweiz, aber auch zwi- Da ich sehe, dass Sie sich in einer ganzen Reihe von schen Deutschland und Frankreich. Sowohl in der Punkten einen Ruck gegeben haben, hätte ich mir heute Schweiz als auch in Frankreich wird intensiv gebaut. In gewünscht, dass Sie sich auch in diesem Punkt noch ei- Rastatt befindet sich ein besonderes Nadelöhr: Dort ver- nen Ruck geben. engt sich die Strecke auf einer Gesamtlänge von 7,5 Kilometern von vier auf zwei Gleise und verläuft (Ute Kumpf [SPD]: Ein Ruck muss durch die durch die ganze Stadt. Dieser Engpass wurde von den Fraktion gehen!) politisch Verantwortlichen und der Bahn bereits vor Die Menschen in der Region brauchen eine Chance Jahrzehnten gesehen und auch planerisch angegangen. durch eine tatsächlich bessere Trassenplanung, für die es 1998, also vor mehr als zwölf Jahren, ist nach einem bereits viele Vorleistungen gibt. Es ist schön, dass Sie langwierigen Verfahren als Lösung des Problems die sich bewegt haben, Planung des Rastatter Tunnels rechtskräftig planfestge- stellt worden. (Ute Kumpf [SPD]: Bewegung tut gut!) Meine Damen und Herren, Sie sehen, das Thema ist aber da müssen wir noch ein bisschen mehr hinbekom- nicht ganz neu. Das Tunnelprojekt in Rastatt, das mit men. Sachverständigenanhörungen und mit Bürgerbeteiligung sämtliche Verfahren durchlaufen hat, wird, wie bereits Herzlichen Dank. erwähnt, von allen regionalen Akteuren quer durch die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN politische Landschaft unterstützt und könnte sofort reali- und bei der SPD) siert werden. 26 Millionen Euro sind im Vorgriff bereits in die Trassierung bis zum Tunnelmund und in Brücken- bauwerke verbaut worden, ohne dass für die Bürgerin- Präsident Dr. Norbert Lammert: nen und Bürger draußen vor Ort ein Nutzen sichtbar Peter Götz hat nun das Wort für die CDU/CSU-Frak- wäre. tion. Eine intensive Auseinandersetzung darüber hat vor (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) vielen Jahren stattgefunden. Ich erinnere mich noch gut (B) an die Diskussion, die wir im Rastatter Gemeinderat (D) Peter Götz (CDU/CSU): über den Tunnel geführt haben. Ich gehöre seit mehr als 25 Jahren diesem Gremium nicht mehr an. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das heute über die Rheintalbahn debattieren, so ist dies auch merkt man! Früher war alles besser!) eine Chance, ein wenig auf die Differenziertheit der Ich hätte mir damals nie vorstellen können, dass ich Strecke aufmerksam zu machen. Der Ausbau der Rhein- Jahrzehnte später über das gleiche, bis heute noch nicht talbahn ist, wie wir alle übereinstimmend feststellen, ein gebaute Projekt im Deutschen Bundestag reden werde. Infrastrukturprojekt von bedeutender europäischer Di- mension. Diese Einschätzung hat sich auch in der Wirt- Warum sage ich das? Wir reden im Bundestag sehr schaftlichkeitsstudie, die das Bundesministerium in Auf- viel über Planungsbeschleunigung und mehr Bürgerbe- trag gegeben hat, widergespiegelt. Durch sie wird teiligung. Das ist wichtig und richtig, und das ist auch bestätigt, dass die Leistungsfähigkeit der vorhandenen gut. Aber die schnellste Planung und die beste Bürgerbe- zweigleisigen Bahnlinie am Oberrhein nur durch einen teiligung nützen in unserer schnelllebigen Zeit wenig, stufenweisen viergleisigen Ausbau verbessert werden wenn danach nichts passiert. kann. Teilbereiche zwischen Rastatt und Offenburg sind (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bereits realisiert. Über die Trassenführung in Südbaden, NEN]: Wenn das Geld fehlt!) zwischen Offenburg und Basel, wird, wie wir von allen Vorrednern gehört haben, intensiv gerungen. – Sie haben recht: Einer abgeschlossenen Planung muss zeitnah das Geld für die Realisierung folgen. Ich betone: Ich möchte einen Teilbereich der Trasse ansprechen, zeitnah. – Anders ausgedrückt: Nur wenn etwas passiert, in welchem die Realisierung des Ausbaus von allen Ak- können wir bei großen Verkehrsvorhaben mit der Akzep- teuren auf regionaler Ebene vollinhaltlich unterstützt tanz der davon betroffenen Menschen rechnen. wird. Es geht um den nordbadischen Streckenabschnitt der Rheintalbahn, und zwar zwischen Karlsruhe und (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜND- Rastatt. In diesem Bereich überschneiden sich die Trans- NIS 90/DIE GRÜNEN) versale Rotterdam–Genua, von der wir bereits gehört ha- Dazu gehören fertige Projekte an der Rheintalstrecke ben, als wichtigste kontinentale Nord-Süd-Verbindung wie der Rastatter Tunnel. Deshalb runter vom Abstell- und die Magistrale Paris–Budapest, die als zentrale Ost- gleis und auf die Schiene! West-Verbindung über Stuttgart, Ulm und Wendlingen verläuft. Das heißt, zwischen Rastatt und Karlsruhe Herzlichen Dank. 11128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Peter Götz (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Drittens. Der Lärm stellt kein flächendeckendes Pro- (C) neten der FDP und der Abg. Dr. Valerie Wilms blem dar. Wer sich die Lärmkarten der Republik an- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schaut, der sieht, dass es „brennende Bänder“ sind, die insbesondere in Nord-Süd-Richtung und am Rhein ent- Präsident Dr. Norbert Lammert: lang die Menschen enorm belasten. Deswegen ist zusätz- Ich erteile das Wort dem Kollegen Gustav Herzog für licher Handlungsbedarf gegeben. die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD) Die politischen Konsequenzen daraus sind die Fort- entwicklung des Lärmschutzpaktes II, den wir noch in Gustav Herzog (SPD): der Großen Koalition unter Minister Tiefensee vorgelegt Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ei- haben. Hier ist einer der Knackpunkte die Abschaffung nen schönen guten Morgen! Ich wünsche insbesondere des Schienenbonus. Hier gibt es Gemeinsamkeiten, aber denjenigen Kolleginnen und Kollegen einen schönen gu- keine Übereinstimmung. Es besteht deshalb nur Ge- ten Morgen, die gestern Abend noch bis 22 Uhr über die meinsamkeit, weil Sie dieses Anliegen in Ihrem Antrag Ausweitung der Mauterhebung diskutiert haben. – ich spreche die Kollegen Döring und Bilger an – mit der Vorbereitung des nächsten Bundesverkehrswegepla- (Patrick Döring [FDP]: Sie sind immer noch nes verknüpft haben. Das kann noch dauern. Der gravie- hier!) rende Unterschied ist also: Wir wollen jetzt wirklich her- Den Zuhörerinnen und Zuhörern will ich sagen: Das angehen, nicht erst gegen Ende der Wahlperiode; wir zeigt, dass wir ein echtes Arbeitsparlament sind. Wir ha- wollen jetzt konkret etwas tun. Sie wissen selbst: Bun- ben gestern Abend mit Verkehrspolitik aufgehört und desverkehrswegepläne erfordern eine enorme Vorberei- machen heute Morgen damit weiter. Ich glaube, das ist tung. Angesichts der bisherigen Arbeit dieses Ministe- ein ganz gutes Signal. riums denke ich: Es wird eher länger als kürzer dauern. (Beifall des Abg. Sebastian Körber [FDP]) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Da können Sie alle klatschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die von der Koalitionsseite. Stimmen Sie daher unseren Anträgen zu, denen von der SPD und den Grünen; sie sind vernünftig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Zuruf des Abg. Patrick Döring [FDP]) (B) Ich will noch etwas anderes bemerken. Es ist schon – Herr Döring, vielleicht schreiben Sie von der FDP in (D) ein etwas skurriles Bild, wenn aufseiten der CDU/CSU dieser Sache auch so böse Briefe an das Verkehrsminis- die betroffene Landesgruppe geschlossen auftritt und das terium und das Finanzministerium, wie Sie es in Fragen Wort ergreift – die Fähnleinführerin, die Frau Staatsmi- der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung machen. Ich nisterin, vorneweg. glaube, das wäre in der Sache hilfreich. (Ministerin Tanja Gönner [Baden-Württem- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Patrick berg]: Ich bin nicht Staatsministerin!) Döring [FDP]: Die sind immer freundlich und Ich wäre froh, wenn Sie den Verkehrsthemen immer ein konstruktiv!) solches Gewicht beimessen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Konse- Ich finde es aber gut, dass wir in einer Kernzeit- quenz ist: Man muss den Lärm viel stärker an der Quelle debatte über Infrastruktur reden in Verbindung mit bekämpfen. Dazu gehört das Umrüsten; wir sind dabei, Lärmschutz und Bürgerbeteiligung; denn ich glaube, es auch wenn die Wirkung noch lange nicht zu spüren ist. ist ein gutes Signal nach draußen, dass wir diese Punkte Dazu gehört auch die Einführung des lärmabhängigen nicht mehr getrennt, sondern als eine Einheit sehen. Trassenpreises. Hier ist meine Frage an die Regierung Aber die Menschen werden sich wahrscheinlich fragen: – vielleicht kann das auch einer der Koalitionsabgeord- Woher kommt so viel Gemeinsamkeit? Hat sich da ir- neten beantworten –: Wann legen Sie endlich das Gut- gendetwas geändert? Ich sage: Ja, es hat sich für uns achten vor? Wir werden permanent vertröstet: Erst sollte einiges geändert: es im Oktober so weit sein, dann im November, dann im Frühjahr, das auch bald vorüber ist. Herr Bundesminis- Erstens. Insbesondere die Lärmwirkungsforschung ter, Herr Staatssekretär, wann kommt das Gutachten? In hat eindeutige Ergebnisse vorgelegt, die zeigen, dass der DVZ vom 17. Februar konnte ich nachlesen, dass das eine Privilegierung des Schienenlärms nicht mehr ge- Gutachten am 3. März vorliegen würde. Der ist auch rechtfertigt ist und dass aufgrund der Charakteristik der schon längst vorüber. Lärmspitzen insbesondere in der Nacht die Politik drin- gend aufgefordert ist, hier etwas zu tun. (Ute Kumpf [SPD]: 2012 vielleicht!) Zweitens. Wir wissen: Es wird eine Steigerung beim Wann kommen wir hier endlich zur Sache? Sie wissen, Güterverkehr geben; die Prognosen fallen entsprechend dass Rheinland-Pfalz in diesem Zusammenhang einen aus. Das rollende Material wird aber eher schlechter Vorschlag gemacht hat, dem der Bundesrat zugestimmt denn besser. hat. Kommen Sie also zur Sache und nehmen Sie die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11129

Gustav Herzog (A) Überlegung auf, ein qualifiziertes Nachtfahrverbot ein- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): (C) zuführen! Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bislang stand ausschließlich die Rheintalbahn im Der Aus- und Neubau der Rheintalbahn von heute zwei Mittelpunkt der Debatte. Das, was wir im Interesse der auf künftig vier Gleise ist – das wurde schon mehrmals Menschen in Baden-Württemberg verhindern wollen, er- betont – in der Tat eines der bedeutendsten Schienenver- leben und erleiden die Menschen im Mittelrheintal aber kehrsvorhaben in Deutschland und eines, bei dem – so schon seit Jahren; zwischen Bonn und Bingen treten ent- besagen es ja die Prognosen – die meisten Verkehre zu sprechende Belastungen auf. Was die Menschen im erwarten sind. Die Prognosen gehen davon aus, dass dort Oberrheintal befürchten, ist dort schon Realität. Deswe- eines Tages über 700 Züge pro Tag verkehren, die Mehr- gen sage ich in Richtung Bundesregierung: Machen Sie heit davon Güterzüge. Deshalb freue ich mich als Abge- Druck beim gemeinsamen Projekt „Leiser Rhein“! ordneter, der ich diese wunderschöne Region im Bun- destag vertreten darf, dass mit der heutigen Debatte das Herr Kollege Döring, wenn Sie über das viele Geld, gesamte Parlament die Bedeutung dieser Strecke wür- das die DB AG jetzt als Gewinn erwirtschaftet hat, reden digt und Aufträge erteilt, daraus für die künftigen Pla- – Sie sitzen ja in den entsprechenden Gremien –: Setzen nungen und die Verwirklichung dieses Projekts die ent- Sie sich doch dafür ein, dass diese Gewinne zum Bei- sprechenden Konsequenzen zu ziehen. spiel für das Umrüsten der alten Güterwagen verwendet werden. Wenn Sie das in den nächsten Wochen hinbekä- Da ich mich mit dem Thema schon lange befasse, men, würden Sie von mir ausdrücklich gelobt werden. möchte ich vor allen Dingen die Rednerinnen und Red- ner von Grün und Rot erinnern: In früheren Jahren ist (Beifall bei der SPD) uns bei allen Besprechungen, die wir im Bundesver- Ich richte auch an Sie, Frau Ministerin Gönner, eine kehrsministerium oder mit der Bahn geführt haben, im- Bitte. Zurzeit bringt Staatsminister Hendrik Hering, der mer gesagt worden, dass erstens die Änderungswünsche rheinland-pfälzische Verkehrsminister, einen Entschlie- der Region in den laufenden Planfeststellungsverfahren ßungsantrag in den Bundesrat ein, bei dem es auch um abgearbeitet werden sollen, neue Planaufträge nicht in- die Frage des Lärmschutzes geht. Es wäre schön, wenn frage kommen. Zweitens komme es nicht infrage, den Sie den Argumenten des Landes Rheinland-Pfalz so fol- Schienenbonus abzuschaffen oder nicht zu berücksichti- gen könnten, wie es Hessen getan hat. Hessen hat zu- gen. Das war der Stand der vergangenen Jahre. sammen mit Rheinland-Pfalz ein 10-Punkte-Programm (Zurufe von der FDP: So ist es!) aufgestellt. Sie sehen: Wenn man guten Willens ist, kann man partei- und länderübergreifend zusammenarbeiten. Ich freue mich, dass wir endlich einen neuen Stand er- reicht haben und man nun bereit ist, für diese herausra- (B) (D) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Argumente für gende Strecke neue Aufträge zu erteilen und ohne Schie- den Süden sind auch die Argumente für das Mittelrhein- nenbonus zu planen. tal. Es stellt sich die Frage einer Alternativtrasse für das Mittelrheintal. Ich will hier mit Erlaubnis des Präsiden- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ten zitieren: Florian Pronold [SPD]: Warum schreiben Sie Auf die Forderung, mit den Planungen für eine das in den Antrag denn nicht rein?) neue alternative Güterverkehrstrasse zu beginnen, Frau Ministerin Gönner, ich möchte mich bei Ihnen hat das Bundesverkehrsministerium stets mit dem und bei der Landesregierung ausdrücklich dafür bedan- Hinweis geantwortet, dass eine neue Trasse nur ken, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg durch Kapazitätsengpässe, nicht aber durch Lärm im Juni 2007 unter Leitung von Herrn Innenminister zu rechtfertigen sei. Rech eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die eine klare Wer hat diese kritische Aussage gegenüber dem Ministe- Positionierung des Landes erarbeitet hat: Unterstützung rium getroffen? Es war die Oberbürgermeisterin der der Forderungen aus der Region am Oberrhein. Stadt Bingen, in einem Brief an den Bundesminister (Ute Kumpf [SPD]: Das stimmt doch gar Ramsauer. Wenn Sie schon einem Sozialdemokraten nicht!) oder dem Land Rheinland-Pfalz nicht folgen wollen, dann folgen Sie dieser Oberbürgermeisterin; sie ist näm- Ich möchte mich zudem dafür bedanken, dass die lich CDU-Mitglied. Es wäre hilfreich, wenn Sie in dieser Landesregierung den Beschluss gefasst hat, Sache endlich anfangen, zu arbeiten, anstatt uns auf den nächsten Bundesverkehrswegeplan zu vertrösten. (Ute Kumpf [SPD]: Die SPD-Anträge wurden abgelehnt!) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. dass sie bereit ist, 50 Prozent der anfallenden Mehrkos- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ten mitzufinanzieren. Diese Beschlüsse der Landesregie- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) rung von Baden-Württemberg waren entscheidend, als es darum ging, überhaupt neue Bewegung in das Verfah- Präsident Dr. Norbert Lammert: ren Rheintalbahn hineinzubekommen. Deswegen ein Das Wort erhält nun der Kollege Peter Weiß für die herzlicher Dank an die Landesregierung von Baden- CDU/CSU-Fraktion. Württemberg! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 11130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Die Veränderungen, die jetzt anstehen, wären nicht Endlich wurde eine neue, angepasste Planung für die (C) möglich geworden, wenn es nicht das wirklich großar- Rheintalbahn auf den Weg gebracht. tige Engagement der Bürgerinitiativen entlang der Rheintalbahn und der Bürgermeister und Gemeinderäte Ich finde es gut und begrüße es, dass wir uns mit dem der betroffenen Städte und Gemeinden gegeben hätte. Antrag, den wir heute hier, im Deutschen Bundestag, be- Ich möchte mich auch bei unseren Bürgerinitiativen und schließen, hinter die Fortschritte, die im Projektbeirat er- unseren Kommunalpolitikern herzlich bedanken, weil reicht worden sind, stellen. Ich freue mich, dass wir den sie nicht, wie oftmals anderswo, gegen etwas votieren, Bürgerinnen und Bürgern an der Rheintalstrecke ein kla- sondern für etwas kämpfen. Sie sind für den Ausbau der res Signal senden: Im Rheintal geht es anders. Wir wol- Rheintalbahn von zwei auf vier Strecken. len eine neue Planung, die auf die Bedürfnisse der Städte und Gemeinden Rücksicht nimmt. Wir wollen eine leis- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tungsfähige Strecke bauen, aber auch eine Strecke, mit NEN]: Und gegen die aktuelle Planung!) der die Menschen gut leben können. Aber Sie sind auch für eine optimierte Trasse, die die Vielen Dank. Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und vor allen Din- gen die Entwicklung der Städte und Gemeinden optimal (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) berücksichtigt. Dafür ein herzliches Danke an unsere Bürgerinitiativen und an unsere Kommunalpolitiker! Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Armin Schuster ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. Ich gebe ehrlich zu, dass ich in den vergangenen Jah- ren, in denen ich viele Besprechungen zu diesem Thema (Beifall bei der CDU/CSU) gehabt habe, oftmals verzweifelt war und mich gefragt habe, ob wir überhaupt jemals etwas bewegen werden. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Ich bin seit der Sitzung des Projektbeirates am 8. Fe- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- bruar dieses Jahres zum ersten Mal positiv gestimmt. nen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das freut uns aber!) Als neugewählter Abgeordneter hatte ich Ende 2009 ei- nige Sorgen – das gebe ich zu –, wie ich die berechtigten Denn der Projektbeirat, Erwartungen der Bürger am Oberrhein, in meinem (Ute Kumpf [SPD]: Das war ein Werk von Wahlkreis, erfüllen soll. Die Sorgen rührten daher, dass Tiefensee! Tiefensee hat den Projektbeirat ein- meine Vorgängerin – SPD und ihres Zeichens jahrelang (B) gerichtet!) Regierungsmitglied – mit ihren Parteikollegen und dem (D) Verkehrsminister jahrelang nichts in Sachen Baden 21 in dem das Bundesministerium durch Herrn Staatssekre- bewegen konnte. Als neuer Abgeordneter hat man da na- tär Scheurle vertreten ist, in dem das Land vertreten ist, türlich die Sorge, dass man das auch nicht hinbekommt. in dem die Region, unsere Kommunalpolitiker und Landräte vertreten sind, in dem die Bürgerinitiativen Aber – Herr Döring hat das sehr schön erläutert – wir vertreten sind, hat gemeinsam neue Weichenstellungen haben es geschafft. für die Planung an der Rheintalbahn vorgenommen. Die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – sind bereits – Herr Pronold, Sie wollten ja Taten sehen – Peter Friedrich [SPD]: Herr Schuster, immer in der Umsetzung. Am 18. Februar haben Bahnchef bei der Wahrheit bleiben!) Grube und Ministerpräsident Mappus die ersten Probe- bohrungen für eine Tunnellösung in Offenburg gestartet. Zugegebenermaßen haben wir nicht das Ziel erreicht, (Florian Pronold [SPD]: Dann ist der Tunnel aber wir kommen den Bürgern am Oberrhein Schritt für jetzt schon praktisch gebaut?) Schritt entgegen. Wir haben die Entscheidung, dass die bahnparallele (Ute Kumpf [SPD]: Ganz schön windig! – Rita Trasse zwischen Offenburg und Riegel detailgenau un- Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Und was ist mit tersucht wird. Wir haben die Zusage, dass die Anregun- Weil am Rhein?) gen zur Umfahrung von Freiburg aufgegriffen werden. Wir haben unzählige offizielle und inoffizielle Termine Wir haben selbst für Weil am Rhein zusätzlichen Lärm- in Berlin, Stuttgart und an der Strecke durchgeführt. Wir schutz bekommen. Und wir haben die Zusage, dass haben auf allen Ebenen Konsensentscheidungen getrof- durch den Katzenbergtunnel, der bereits gebaut ist, aber fen. Wir haben Dinge geschafft, die 2009 unmöglich zu noch in Betrieb genommen werden muss, möglichst der sein schienen. gesamte Güterverkehr geführt werden soll, um die dorti- gen kleineren Gemeinden und vor allen Dingen den Kur- Ich kann mich gut an die verhärteten Fronten zwi- ort Bad Bellingen zu entlasten. Das alles wurde möglich, schen Bundesverkehrsministerium und der DB AG ei- weil die zusätzlichen Kosten für die Probebohrungen nerseits und dem Land und der Region andererseits erin- und die Untersuchung der bahnparallelen Trasse in Höhe nern. CDU/CSU und FDP haben in den letzten von 1,3 Millionen Euro je zur Hälfte vom Land und vom eineinhalb Jahren dafür gesorgt, dass wir dort unten im Bund zur Verfügung gestellt werden. Deswegen war die Konsens arbeiten. Es gibt keine Gräben mehr. Wir arbei- Sitzung des Projektbeirates am 8. Februar 2011 wichtig. ten mit demselben Ziel. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11131

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – werden wir klären. Das wäre aber eigentlich Ihre Auf- (C) Florian Pronold [SPD]: Die Ananaszucht in gabe gewesen. Alaska eröffnet!) (Florian Pronold [SPD]: Und Sie waren auch Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich bei Ihnen, schon immer gegen Atomkraft! – Alexander Frau Gönner, bedanken. Wenn Sie ins Lenkrad greifen, Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da alle Achtung, das merkt man. sind wir aber froh, dass wir Sie jetzt haben! – (Peter Friedrich [SPD]: EnBW!) Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kommen Sie einmal in den Verkehrs- Das war irgendwann im Februar oder März des letzten ausschuss! Klären Sie uns einmal auf!) Jahres. Bahnchef Grube ist hier noch nicht erwähnt wor- den; das möchte ich ausdrücklich tun. Die Region ver- Meine Damen und Herren, alles, was in unserem An- dankt ihm eine Menge. Er ist ein Stück weit Vorbild, da trag steht, ist ein starkes politisches Signal für die künf- er sich trotz immenser Verpflichtungen vor Ort zeigt. tige Bahnplanung in diesem Land. Angesichts unserer konsequenten Haushaltspolitik – Stichwort Schulden- (Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer bremse – dürfen Sie jedes einzelne Wort als Signal wer- [SPD]: Es fehlen nur 9 Milliarden! Das ist das ten, dass wir im Rahmen des finanziell Möglichen das Problem!) technisch Machbare schaffen wollen. Das geschieht zum Mit unserer Planung am Oberrhein zielen wir ganz Wohl von Mensch und Umwelt. klar in Richtung einer anliegerfreundlichen Trassen- Den Projektbeirat muss ich nicht mehr loben. Darüber gestaltung. Alle Orte – Herr Weiß hat sie aufgeführt – bin ich richtig froh. Ich dachte schon, ich sei der Einzige, lassen ganz klare Signale erkennen. der ständig herumläuft und klarzumachen versucht, dass (Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Was ist mit das ein Exportschlager für mehr Bürgerbeteiligung ist. Weil am Rhein?) Greifen wir diesen Projektbeirat gemeinsam auf und ma- chen ihn zu einem Instrument, das künftig bei Großpro- Das einzige Problem ist – das bedauere ich als Weiler jekten immer zur Anwendung kommen soll. An dieser ganz besonders – die Hinterlassenschaft von Rot-Grün in Stelle möchte ich als Badener sagen: Auf diese Weise Weil am Rhein. 2009 habe ich einen praktisch erlass- gewähren wir Heiner Geißler einen wohlverdienten Ru- reifen Planfeststellungsbeschluss vorgefunden. hestand. Dafür sorgt der Projektbeirat. Wir schaffen das (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie sind ja ein ganz in Südbaden allein. Nassforscher!) (Beifall bei der CDU/CSU – Christian Lange (B) In Weil am Rhein konnten wir eine Tieferlegung daher [Backnang] [SPD]: Da fällt er auch noch (D) einfach nicht mehr hinbekommen. Heiner Geißler in den Rücken! Das ist ja un- glaublich!) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: War die CDU nicht in der Großen Ko- Lassen Sie mich noch etwas sagen: Ich bin der Mei- alition?) nung, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Eine Nachjustierung mit einem Volumen von (Lachen bei der SPD – Christian Lange [Back- 15 Millionen Euro für Weil am Rhein ist aber ein Wort. nang] [SPD]: Den Eindruck hatten wir bislang Das verkaufe ich als Erfolg. nicht! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae GRÜNEN]: Das kam deutlich raus bei Ihrer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Und die Rede!) vier Jahre Große Koalition?) Die Gemeinsamkeiten müssten wir uns einmal zusam- Meine Damen und Herren von Rot-Grün, in den ver- men anschauen. Es gibt ein einziges Wort für Ihre Regie- gangenen Jahren haben Sie in puncto Bahn viel ver- rungszeit am Oberrhein, das heißt: Eimeldingen. Das ist säumt. Dieses Verkehrsmittel ist nicht per se umwelt- ein Ort 1 Kilometer nördlich von Weil am Rhein. freundlich. Das ist nur dann der Fall, wenn man nicht in (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Nähe wohnt. NEN]: Sie meinen, Sie wären der Erste und (Ute Kumpf [SPD]: Sie sind doch Qualitäts- Einzige, der sich dafür einsetzt? Das ist ja prüfer! Überprüfen Sie einmal Ihre eigenen peinlich!) Ausführungen auf den Wahrheitsgehalt!) Dort liegen mittlerweile vier Gleise parallel; zwei 5 Me- Das Motto „Alles auf die Schiene!“ macht nur Sinn, ter hohe Lärmschutzwände ziehen sich durch den Ort. wenn man sich auch dafür interessiert, wie es dort zu- geht. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sind Sie jetzt bei den Gemeinsamkeiten? Oder wo sind (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie jetzt?) NEN]: Schuster, bleib bei deinen Leisten, sage ich da nur!) Es sieht aus, als stünde man vor der Berliner Mauer. Wir haben einen Reformstau, den wir auflösen werden. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die Punkte Trassenpreise, Schienenbonus und Technik NEN]: Furchtbar!) 11132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) Diese Gemeinde ist nie von Ihnen gehört worden und Das ist ein zentrales Gebot der Stunde, sowohl wirt- (C) muss heute mit dem Status quo leben. Man könnte auch schaftlich als auch ökologisch. sagen, hier gilt das Motto: Wer zu früh kommt, den be- straft das Leben oder die SPD. Das ist für Eimeldingen (Ute Kumpf [SPD]: Das ist auch 1996 vertrag- wirklich nicht schön. lich festgelegt worden!) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Deshalb sind alle für den Ausbau der Rheintalbahn. NEN]: Wo war da die Landesregierung?) Es geht aber um mehr. Wir wollen für dieses Projekt Wir bedauern, dass es nicht zu einem parteiübergrei- die Akzeptanz der Bevölkerung. fenden Antrag kam. Sie müssen von Ihren Maximalfor- (Ute Kumpf [SPD]: 2004 wurde die Initiative derungen herunterkommen und sich unserer Verhand- gegründet! Wo war da die Landesregierung?) lungstaktik annähern, Wir wollen bei diesem verkehrspolitischen Projekt die (Gustav Herzog [SPD]: In welchem Land Menschen in Südbaden mitnehmen. Wir wollen den leben Sie?) Ausbau der Rheintalbahn gemeinsam mit den Bürgerin- und zwar kontinuierlich, Stück für Stück und jeden Tag nen und Bürgern. Daher ist es unsere feste Absicht, die ein bisschen weiter. So kommen wir zu Verhandlungs- Rheintalbahn gleichsam zu einem Modell für einen an- erfolgen. wohnerfreundlichen Bahnausbau zu machen. Trassen- führung und Lärmschutz sollen so gestaltet werden, dass (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ist das Menschen und Umwelt so wenig wie möglich belastet Ihr Demokratieverständnis? Das ist ja hoch- werden. Deswegen machen wir es gemeinsam mit den interessant!) Bürgerinnen und Bürgern am Rhein in Südbaden. – Wie wäre es denn, wenn sich die Nichterfolgreichen an Wir hätten uns erhofft, dass es für dieses Ansinnen den Erfolgreichen orientieren, und nicht umgekehrt? eine breitere, überparteiliche Zustimmung gibt; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Ute Kumpf [SPD]: Die Initiative kam von Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bisher ha- uns, Herr Strobl! Sie sind ein kleiner Lügen- ben die Leute davon nichts gespürt!) bold!) Ich komme zum Schluss. Mich hat gestern ein Journa- doch die Opposition nimmt wiederum eine Verweige- list der Süddeutschen Zeitung gefragt, ob man als neuge- rungshaltung ein, wählter Abgeordneter überhaupt etwas bewegen kann. (B) Man kann etwas bewegen. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) NEN]: Das hat Ihr Generalsekretär aus Baden- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Württemberg verhindert! Wie heißt der noch NEN]: Ist das ein Eigenlob? Das ist ja furcht- gleich? – Ute Kumpf [SPD]: Herr Strobl, Sie bar! – Florian Pronold [SPD]: Und sie bewe- waren bei dem Gespräch nicht dabei!) gen sich doch!) die eigentlich niemand so recht nachvollziehen kann. Das bewegt auch mich. Sie dürfen sich darauf verlassen: Vor allem die Menschen am Oberrhein und in Südbaden Ich bewege mich verstehen das nicht. Warum sind Sie eigentlich gegen (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ab auf Lärmschutz und Ökologie, wenn es konkret wird? Ihren Platz! Das ist die beste Bewegung, die (Zurufe von der SPD: Was?) Sie machen können!) Sie sind aus Prinzip dagegen, wenn es konkret wird. am Rheintal auch weiter im Sinne der Bürger, der Anlie- ger und für die Region. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Strobl, das ist absoluter Unfug, Herzlichen Dank. was Sie da sagen! Das wissen Sie doch! – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Lassen Sie doch Ihre blöde Wahl- kampfrede!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Thomas Strobl ist der letzte Redner zu diesem Tages- Sie sind gegen eine vernünftige Politik im Bund und im ordnungspunkt. Land; Sie saugen Ihren Honig aus dem Dagegensein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch totaler Quatsch! Wir ha- ben einen Antrag vorgelegt!) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Ich will Ihnen das konkret belegen. Im Landtag von Damen und Herren! Es gibt bei diesem Thema erfreuli- Baden-Württemberg gab es einen Änderungsantrag der che Gemeinsamkeiten; es gibt aber auch ein paar Unter- Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Frak- schiede. Übereinstimmung besteht darin, dass die Güter tion von FDP/DVP mit der Überschrift „Klares Bekennt- von der Straße auf die Schiene gebracht werden müssen. nis zu Baden 21“. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11133

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Gustav Herzog [SPD]: Nicht nur die Über- (C) NEN]: Und dann kam lauter Pro-Stuttgart-21- schrift! – Dr. [BÜNDNIS 90/ Zeug!) DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon verstanden, dass in diesem Haus auch der Inhalt des An- Dazu gab es eine namentliche Abstimmung. Für diesen trags gilt? Wollen Sie behaupten, im Landtag Antrag haben gestimmt die Fraktion der CDU, die Frak- von Baden-Württemberg gilt nur die Über- tion der SPD und die Fraktion von FDP/DVP. Mit Nein schrift?) hat – ich kann Ihnen die Namen aus dem Plenarprotokoll der Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg vom Diesem Antrag haben sich alle Fraktionen im Landtag 25. November 2010 vorlesen – die komplette Fraktion von Baden-Württemberg angeschlossen, außer der Frak- der Grünen gestimmt, also gegen ein „Klares Bekenntnis tion der Grünen. Das ist zu bedauern. zu Baden 21“. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Damit gefährden Sie im Übrigen wichtige Maßnahmen GRÜNEN]: Haben Sie schon gewusst, dass zum Wohle der Menschen am Oberrhein. ein Antrag aus mehr besteht als nur aus einer Überschrift?) (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist doch völlig daneben, was Sie erzählen!) Sie sind gegen Baden 21, Sie sind bei dieser Frage – wie bei anderen Fragen – da- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gegen, wenn es konkret wird. Sie sind gegen Ökologie, NEN]: Frechheit!) gegen die Bürgerinteressen, gegen Südbaden und gegen gegen die Interessen der Menschen in Südbaden, gegen Baden-Württemberg. den Lärmschutz, und Sie beteiligen sich nicht konstruk- (Beifall des Abg. [CDU/CSU] – tiv an dieser Debatte. Gustav Herzog [SPD]: Das ist unterirdisch! – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Christian Lange [Backnang] [SPD]: So wer- den Sie dann gewählt! Zu Recht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir sind froh darüber – dafür danken wir auch der in Herr Kollege Strobl, der Kollege Bonde möchte dazu dieser Debatte anwesenden Umweltministerin von Ba- gerne eine Bemerkung machen. den-Württemberg –, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): letzte Mal, dass sie da sitzt!) (B) Aber gerne. – Bitte. (D) dass der Ministerpräsident des Landes Baden-Württem- (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Jetzt sind wir berg zu einem sehr frühen Zeitpunkt erklärt hat ganz gespannt!) (Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜND- Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): NIS 90/DIE GRÜNEN]) Werter Kollege Strobl, nun stehen wir beide im Wahl- – ich weiß, dass Sie das ärgert –, kampf in Baden-Württemberg, Sie als Generalsekretär Ihrer Partei, ich als Landesvorstandsmitglied der meini- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen. Ich kann daher verstehen, dass man manchmal Ter- NEN]: Es ärgert mich, dass Sie so einen Un- mine durcheinanderbringt. sinn erzählen!) Ich würde Sie gerne bitten, mir zu bestätigen, dass es dass, obwohl der Bund für dieses Projekt zuständig ist, in dem von Ihnen genannten Antrag aus dem Landtag sich auch das Land Baden-Württemberg an sinnvollen von Baden-Württemberg einen Forderungsteil gab, der Leistungen, die den Bürgerinnen und Bürgern zugute- aus einer ganzen Reihe von Punkten bestand, dass einer kommen, beteiligen wird. Das finden wir richtig. davon ein Bekenntnis zum Bahnprojekt Stuttgart 21 war (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und dass es Versuche gab, eine getrennte Abstimmung über diese Sachverhalte herbeizuführen, was von den an- Weil die Grünen sich hier so aufregen, weiß offen- tragstellenden Fraktionen im Landtag nicht gewünscht sichtlich die rechte Hand nicht, was die linke tut. war. Herr Strobl, sind wir uns einig, dass wir uns beim (Florian Pronold [SPD]: Meinen Sie Ihre ei- Projekt Stuttgart 21 nicht einig sind, und wären Sie nicht gene Partei? Atomkonsens!) genauso verwundert gewesen wie ich, wenn meine Landtagsfraktion einem Antrag pro Stuttgart 21 zuge- Damit meine ich weniger die Tatsache, dass Sie wieder stimmt hätte? eine ganze Reihe von Anträgen eingebracht haben, ob- wohl eigentlich einer genügt hätte. Mir geht es vielmehr (Gustav Herzog [SPD]: Eine gute Frage!) um eine bestimmte Formulierung in dem Antrag der Grünen auf Drucksache 17/2488. Darin wird die feste Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Absicht formuliert, es solle „die Schiene als umwelt- Verehrter Herr Kollege Bonde, noch einmal: Dieser freundlicher Verkehrsträger gemeinsam mit den Binnen- Änderungsantrag trägt die Überschrift „Klares Bekennt- wasserstraßen beim Gütertransport verstärkt zum Ein- nis zu Baden 21“. satz kommen“. 11134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) (Florian Pronold [SPD]: Oh! Jetzt lesen Sie batte einbringen. Sie hatten und haben einen wichtigen (C) einmal den Inhalt vor, nicht nur die Über- Anteil an den gefundenen Lösungen und praktizieren in schrift! Das ist ja ganz was Neues!) verantwortungsbewusster Weise gelebte Demokratie. Dies beweist: Das Projekt Rheintalbahn hat bereits jetzt Die „Binnenwasserstraßen“ – das ist interessant. Denn Modellcharakter und taugt als Vorbild für künftige Groß- was die Binnenwasserstraßen anbelangt, argumentierte projekte in Deutschland. Das ist eine wirklich gute zumindest der als Antragsteller an erster Stelle genannte Nachricht. Winfried Hermann noch vor kurzem massiv gegen den Ausbau der Neckarschleusen in Baden-Württemberg. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) NEN]: Schade, dass Ramsauer jetzt weg ist! – Ute Kumpf [SPD]: Moment, lieber Kollege Präsident Dr. Norbert Lammert: Strobl! Ramsauer will das auch nicht!) Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Wir wären damals als Große Koalition froh gewesen, Hermann das Wort. Baden-Württemberg über 600 Millionen Euro für den (Patrick Döring [FDP]: Er hat doch schon ge- Ausbau der Neckarschleusen zur Verfügung zu stellen. redet!) (Ute Kumpf [SPD]: Aber er macht das nicht mehr!) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber wer ist dagegen und kritisiert das? Bündnis 90/ Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich persönlich und die Die Grünen. Sie sind nicht nur gegen die Schiene, son- Grünen sind bei mehreren Punkten angesprochen wor- dern auch gegen die Wasserstraße. den. Ich würde gern etwas dazu sagen. Sowohl der Kollege Schuster als auch der Kollege (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Strobl haben, glaube ich, deutlich gemacht, dass sie eine Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- große Sorge haben: die Landtagswahl in Baden- NEN]: Sie können ja nicht einmal Minister Württemberg in zehn Tagen. Ramsauer vom Kollegen Hermann unterschei- den!) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stimmt! Das kam deutlich heraus!) Immer wenn es konkret wird, sind die Grünen dage- gen. In diesem Fall sind sie der Binnenschifffahrt und Es ist ziemlich auffällig, dass Sie pausenlos davon reden, damit einer der ökologischsten Transportmöglichkeiten dass Ihnen die Interessen der Anwohner und die Sachfra- (B) überhaupt in den Rücken gefallen. So ist kein Staat zu gen im Rheintal wichtig sind. Ihre Polemik aber zeigt, (D) machen. Mit den Grünen und ihrer Antihaltung gibt es dass Ihre größte Sorge die Erfolge der Grünen sind; keine konstruktive Politik. sonst müssten Sie sich nicht dauernd an uns abarbeiten und das auch noch mit schäbigen Unterstellungen, die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nicht stimmen. Wie konstruktive Politik funktioniert, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ( [DIE LINKE]: Zeigt Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mappus!) NEN]: Aber ganz schäbige Unterstellungen!) das hat im Rheintal der Projektbeirat bewiesen, den die Herr Strobl spricht von Wasserstraßen, obwohl es ei- Bundesregierung und die Landesregierung von Minister- gentlich um den Ausbau der Schienenstrecke im Rhein- präsident Stefan Mappus massiv unterstützen. tal geht. Er meint, er könnte mich und die Grünen vor- führen, weil wir uns auf einen Entwurf der CDU/CSU- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nur noch FDP-Regierung zur Priorisierung der Wasserstraßen, eine Woche!) zum Ausbau der Wasserstraßen bezogen haben. Es ist Dieser Projektbeirat stellt eine Art Vorläufer zur erfolg- peinlich, dass Sie versuchen, mich und die Grünen anzu- reichen Faktenschlichtung Heiner Geißlers bei Stutt- greifen, weil wir darauf hinweisen, dass es um die Set- gart 21 dar. Wie diese orientiert er sich am Prinzip des zung von Prioritäten geht und dass das auch Konsequen- runden Tisches und brachte die Entscheidungsträger und zen für den Wasserstraßenausbau im Neckarbereich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zusammen. Alle haben kann. Sie tun so, als sei das unser Problem. Rich- haben – auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bür- ten Sie sich bitte an die Bundesregierung, wenn Sie da gern – konstruktiv mitgearbeitet: Oberbürgermeister, etwas zu kritisieren haben; aber schieben Sie uns nichts Bürgermeister, Landräte, das Regierungspräsidium, das in die Schuhe, nur weil Ihnen das gerade im Wahlkampf Bundesministerium, das Landesministerium. Staatliche so passt. Stellen auf der einen Seite und Bürgerinnen und Bürger (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auf der anderen Seite führten einen guten, sachlich orientierten Dialog. Ich möchte ausdrücklich der Bun- Zweiter Punkt. Von vielen ist angesprochen worden, desregierung, der Landesregierung, aber auch den enga- wir hätten versucht, einen gemeinsamen Antrag vorzule- gierten Bürgerinnen und Bürgern, namentlich der gen. Ich möchte Herrn Schuster daran erinnern, dass er IG BOHR, Dank sagen, die sich in einer konstruktiven sehr früh, nachdem er Mitglied des Bundestages gewor- und sachlichen Art und Weise seit langer Zeit in die De- den ist, in mein Büro kam und wir darüber nachgedacht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11135

Winfried Hermann (A) haben, wie wir gemeinsam vorgehen können. Er hat mir Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): (C) sehr schnell bedeutet, dass er ganz gerne einen gemein- Herr Kollege Hermann, auf diese Art und Weise kom- samen Antrag auf den Weg bringen würde, aber nur ein men Sie aus dieser Nummer nicht heraus. kleines Licht in seiner Fraktion sei. Das haben Sie wört- lich zu mir gesagt. Man muss aber sehen: Es gibt überge- (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ordnete Interessen der Fraktionen. In diesem Duktus hat SES 90/DIE GRÜNEN) dies in dieser Woche in meinem Büro stattgefunden. Sie Erster Punkt. Ich habe die Binnenwasserstraßen ange- sind zu mir gekommen und haben gesagt: Wie sieht es sprochen, weil die Inkonsistenz der Argumentation des denn mit einem gemeinsamen Antrag aus? Wir haben Bündnisses 90/Die Grünen bei diesem Thema gut nach- unseren Antrag, dem können Sie zustimmen. zuvollziehen ist. Noch einmal: Der Großen Koalition ist (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Das war der Vor- es gelungen, über 600 Millionen Euro für den Ausbau schlag in dem Brief!) der Neckarschleusen bereitzustellen. – Nein, Sie verdrehen immer die Tatsachen. In dem Brief (Ute Kumpf [SPD]: Die macht Herr Ramsauer stand nur, dass man versucht, einen gemeinsamen An- doch gerade kaputt!) trag auf den Weg zu bringen. Dies haben Sie so interpre- Sie von den Grünen verkünden hier großspurig, tiert: Wir haben einen Antrag geschrieben. Sie können ja über Änderungsanträge abstimmen lassen – in Klam- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mern: die lehnen wir dann ab –, und dann gibt es einen Sie haben es gerade nötig, so zu reden!) gemeinsamen Antrag, nämlich den der Koalition. – Das dass Sie für Ökologie sind und Güter von der Straße neh- ist nicht das Vorgehen bei einem gemeinsamem Han- men wollen. deln. Bei gemeinsamem Handeln muss man sich auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam Vereinbarungen (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Ja, ja! Alles treffen. Wenn es an irgendeiner Stelle keine Gemeinsam- Unsinn!) keiten gibt, muss man die Unterschiede deutlich machen. Aber im Wahlkampf reisen Sie durch die Gegend und sa- Ihr Angebot war arrogant. gen: Dieses Geld hätte man für Maßnahmen vor Ort bes- ser verwenden können. (Patrick Döring [FDP]: Sie sind arrogant! Ihr Angebot war ein falsches Angebot!) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch falsch!) Es ist von uns nicht angenommen worden. Uns hinterher vorzuwerfen, wir hätten uns nicht für ein gemeinsames Außerdem erzählen Sie unsinniges Zeug, zum Beispiel (B) Vorgehen starkgemacht, finde ich mehr als schäbig. dass Binnenschiffer auf ihren Schiffen altes Öl verbren- (D) nen würden. Hier im Bundestag blasen Sie sich auf und (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Genau! sprechen von Ökologie, Kein Wunder, dass die ihre Mehrheiten verlie- ren!) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jetzt weiß man, warum Sie der Gene- Ich hätte dieses Thema lieber nicht angesprochen, weil ralsekretär von Mappus sind! Bei Ihrer Red- ich glaube, dass die Bürger nicht verstehen können, wa- lichkeit!) rum man so handelt. aber vor Ort polemisieren Sie gegen die Interessen des (Zuruf von der CDU/CSU: Ja! Wie Ihre Landes Baden-Württemberg, Herr Kollege Hermann. So Pressemitteilung!) ist das. Weil Sie all Ihre Reden damit bestritten haben, uns zu (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – unterstellen, – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Mappus weiß hoffentlich, was Sie da Präsident Dr. Norbert Lammert: sagen! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/ Herr Kollege! DIE GRÜNEN]: Ach! Das ist bei denen doch ganz normal! Da muss jemand wie er General- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sekretär sein! Das passt doch!) – wir hätten uns nicht für ein gemeinsames Vorgehen – Sie brauchen gar nicht zu schreien, Herr Kollege starkgemacht, war es aber notwendig. Ihr Verhalten Bonde. finde ich peinlich. Der zweite Punkt. Es gab verschiedentlich Versuche, Vielen Dank. im Hinblick auf die Rheintalbahn einen gemeinsamen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antrag zu formulieren. Es gibt ein Antwortschreiben und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der von Kerstin Andreae und Alexander Bonde, beide von LINKEN – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Dum- den Grünen. mes Zeug!) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! Kein Antwortschreiben! Ein Präsident Dr. Norbert Lammert: Schreiben ist das! – Kerstin Andreae [BÜND- Zur Erwiderung Herr Kollege Strobl. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Antwortschrei- 11136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) ben? Das stimmt nicht! Da geht es schon los! lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – (C) Sie haben ja gar keine Ahnung!) Diese Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenom- men. In diesem Schreiben heißt es, für die Grünen sei der An- trag der Koalition eine gute Basis, Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags NEN]: Allerdings mit zwei Änderungen! – der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3659 mit dem Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Titel „Akzeptanzprobleme bei der Rheintalbahn durch GRÜNEN]: Das ist doch schon wieder nicht offene Planung beseitigen“. Wer stimmt dieser Be- die ganze Wahrheit!) schlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Beschlussempfehlung wurde allerdings mit zwei Änderungen. mit Mehrheit zugestimmt. (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Zwei! Nicht Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ab- vier!) lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort seien bereit nen auf der Drucksache 17/2488 mit dem Titel „Bürger- gewesen, einen Konsens zu finden. Sie wurden aber von freundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis des der Grünenspitze in Berlin zurückgepfiffen. Prognosehorizontes 2025 planen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer (Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ enthält sich? – Auch hier gibt es eine mehrheitliche Zu- DIE GRÜNEN: Oh! Oh!) stimmung. Sie haben sie gewissermaßen verraten. Ihnen ging es um Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch- Fraktionsinteressen. stabe e die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bünd- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4689 mit dem NEN]: Nein! Eben nicht! Das ist totaler Kap- Titel „Rheintalbahn – Modellprojekt für anwohner- pes, was Sie da erzählen!) freundlichen Schienenausbau“. Wer stimmt der Be- schlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer Sie stellen die Interessen der Grünenpartei über die Inte- enthält sich? – Auch diese Beschlussempfehlung ist mit ressen der Menschen in Südbaden Mehrheit angenommen. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Wohl wahr!) Tagesordnungspunkt 27 b. Hier geht es um die Ab- (B) und in Wahrheit auch über die Ökologie. stimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf (D) Drucksache 17/5036 mit dem Titel „Schutz vor Schie- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – nenlärm im Rheintal und andernorts“. Wer stimmt für Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält GRÜNEN]: Unglaublich! Ihr braucht euch sich? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. wirklich nicht darüber zu wundern, dass ihr überall abgewählt werdet! – Kerstin Andreae Tagesordnungspunkt 27 c. Hier geht es um die Abstim- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Unver- mung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des schämtheit! Das wird euch noch leid tun! – Bündnisses 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/5037 Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mit dem Titel „Rheintalbahn – Finanzierung und anwoh- NEN]: Schäbigkeit hat einen Namen!) nerfreundlichen Ausbau sicherstellen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Präsident Dr. Norbert Lammert: sich? – Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Ich schließe die Aussprache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache Sie da- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- rauf aufmerksam, dass ich die Mitteilung des Kanzler- empfehlungen des Ausschusses für Verkehr, Bau und amtes erhalten habe, dass die Bundesregierung gerne Stadtentwicklung. Der Ausschuss empfiehlt unter eine Regierungserklärung zu den aktuellen Entwicklun- Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annahme gen in Libyen abgeben möchte und dafür ab 12 Uhr der des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Bundesminister des Auswärtigen zur Verfügung steht. auf Drucksache 17/4861 mit dem Titel „Anwohner- Von einigen Fraktionen weiß ich, dass sie vorher eine freundlicher Ausbau der Rheintalbahn“. Wer stimmt für Fraktionssitzung durchführen wollen, sodass ich vor- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – schlage, dass wir die Sitzung jetzt unterbrechen und um Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfeh- 12 Uhr mit dem dann, wie ich unterstelle, einvernehm- lung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der lich geänderten Tagesordnungspunkt die beabsichtigte Oppositionsfraktionen angenommen. Regierungserklärung zur Kenntnis nehmen, der selbst- verständlich – davon gehe ich jedenfalls aus – eine De- Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- battenrunde folgt. lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf der Drucksache 17/4856 mit dem Titel „Ausbau der Rhein- Ich unterbreche die Sitzung. talbahn als Modell für Bürgernähe, Lärm- und Land- schaftsschutz“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- (Unterbrechung von 10.57 bis 12.15 Uhr) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11137

(A) Vizepräsident Dr. h. c. : und wir haben trotz mancher Unterschiedlichkeit und (C) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene mancher Kontroverse in der Innenpolitik über die Partei- Sitzung ist wieder eröffnet. und Fraktionsgrenzen hinweg alle eine gemeinsame Haltung: Wir verurteilen die Verbrechen des Diktators Die Fraktionen haben sich auf eine Änderung der Gaddafi. Mit diesem Mann kann nicht mehr zusammen- heutigen Tagesordnung verständigt. Es ist vorgesehen, gearbeitet werden. Er muss gehen. Er spricht nicht mehr die Sitzung mit einer Regierungserklärung des Bundes- für das libysche Volk. ministers des Auswärtigen zur aktuellen Entwicklung in Libyen und einer anschließenden Aussprache von einer (Beifall im ganzen Hause) Dreiviertelstunde fortzusetzen. Anschließend werden Ich denke, es ist klar, wo nicht nur die Regierung, wir in der Tagesordnung mit der Beratung des sondern wir alle gemeinsam stehen – nachdem ich mir Tagesordnungspunkts 29 fortfahren. Der Tagesord- alle Redebeiträge am Mittwoch angehört habe, bin ich nungspunkt 28 – Entgeltgleichheit zwischen Männern der festen Überzeugung, dass ich dies ausnahmsweise und Frauen – soll abgesetzt werden. Sind Sie damit ein- für das ganze Haus sagen darf –: Wir stehen gegen die- verstanden? – Das ist der Fall. Dann verfahren wir so. sen Diktator. Wir stehen auf der Seite des internationalen (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Die Rechts. Wir stehen an der Seite von Menschen, die für Grünen sind auf dem Weg! Der Aufzug war ihre Freiheit wo immer auf der Welt eintreten. Wir ste- völlig verstopft!) hen an der Seite derjenigen, die wegen ihres Eintretens für demokratische Prinzipien unterdrückt, gequält, gefol- Mir wird gerade zugerufen, dass die Kolleginnen und tert oder gemordet werden. Wir sind als Demokratie eine Kollegen der Grünenfraktion auf dem Weg nach unten Wertegemeinschaft, und deswegen treten wir auch welt- sind. Vielleicht warten wir noch kurz. weit für freiheitliche und demokratische Werte ein. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der FDP – Dr. [DIE bei Abgeordneten der SPD) LINKE]: Wie meinen Sie das, Herr Präsi- Davon zu trennen ist die Frage einer militärischen dent?) Intervention und der deutschen Beteiligung daran. Wir – Von der Fraktionsebene herunter auf die Plenarsaal- unterstützen ausdrücklich die Elemente der Reso- ebene. Da sind sie auf dem Weg nach unten, wie Sie alle lution 1973 des UN-Sicherheitsrates, durch die die Sank- auch waren. – Die Fraktionssitzung ist zu Ende, wird mir tionen gegen das Gaddafi-Regime verschärft werden. gerade gesagt, und die Kolleginnen und Kollegen kom- Wir Deutsche selbst haben in New York die Vorschläge men. Ich denke, wir können noch 30 Sekunden warten. für noch umfassendere Wirtschafts- und Finanzsanktio- (B) nen eingebracht und auch vorangetrieben. Deutschland (D) Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: hat sich als eines der ersten Länder in Brüssel und übri- gens auch in New York für eine eindeutige Haltung ge- Abgabe einer Regierungserklärung durch den genüber dem Diktator Gaddafi ausgesprochen, für eine Bundesminister des Auswärtigen Isolierung des Systems Gaddafi, und für Sanktionen ge- zu den aktuellen Entwicklungen in Libyen gen sein Regime haben wir uns ebenfalls in Brüssel und (UN-Resolution) auch in New York sehr frühzeitig stark gemacht. Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Regierungser- Die Alternative zu einem Militäreinsatz ist nicht Ta- klärung Herrn Minister Guido Westerwelle. Bitte schön. tenlosigkeit, ist nicht Zusehen, sondern ist, den Druck zu erhöhen, Sanktionen zu beschließen und Sanktionen zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten verschärfen. Es geht auch darum, diese Sanktionen inso- der CDU/CSU) weit auszuweiten, als sie umfassend die Finanz- und Wirtschaftsfragen berühren. Mit den Sanktionen ist näm- Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus- lich ein klares Ziel verbunden: Wir müssen verhindern, wärtigen: dass weiterhin frisches Geld in die Hände dieses Dikta- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- tors gelangen kann, Geld, mit dem er dann wiederum ren! Kolleginnen und Kollegen! Der Sicherheitsrat der seine Söldnertruppen bezahlen kann, um das eigene Volk Vereinten Nationen hat heute Nacht nach einer intensi- zu unterdrücken, um diesen schrecklichen Krieg gegen ven Beratung eine weitere Resolution zur Situation in das eigene Volk fortzuführen. Libyen verabschiedet. Deutschland hat sich bei der Ab- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie stimmung über diese Resolution enthalten, genauso wie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und Brasilien, Indien, China und Russland. Zehn Staaten ha- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ben für die Resolution gestimmt, darunter die Vereinig- ten Staaten von Amerika und die drei Mitglieder der Eu- Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kol- ropäischen Union, die dem Sicherheitsrat derzeit leginnen und Kollegen, Oberst Gaddafi führt einen angehören. Krieg gegen das eigene Volk. Er hat jede Legitimation verwirkt. Dieser Diktator muss gehen. Aber er muss für Ich will Ihnen vorab sagen: Diese Entscheidung ist seine Verbrechen auch zur Rechenschaft gezogen wer- uns nicht leichtgefallen. Ihr ist ein schwieriger Abwä- den. gungsprozess vorausgegangen. Wir haben am Mittwoch hier eine ausführliche, sehr konstruktive Debatte geführt, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) 11138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle (A) Deswegen war es richtig, dass der Sicherheitsrat der Ver- Es gibt so viele Freiheitsbewegungen, die von Des- (C) einten Nationen eindeutig die Rolle des Internationalen poten und Diktatoren unterdrückt werden. Ich kann nicht Strafgerichtshofes in diesem Zusammenhang unterstri- verhehlen, es gibt Augenblicke, da spürt man auch als chen hat. Demokrat, als Mensch, der sich den Menschen zuwen- det, ein Gefühl der Ohnmacht. Das kann niemand igno- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie rieren. Das kann auch niemand leugnen. bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sind nicht in der Lage, überall auf der Welt die Unterdrückung zu beseitigen. Wir sind aber in der Lage, Es ist das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, überall in der Welt klar unsere Stimme zu erheben, damit den demokratischen Aufbruch in Nordafrika und der ara- diejenigen, die unterdrückt werden, wissen: Sie sind bischen Welt nach Kräften zu unterstützen. Wir werden nicht alleine, wir stehen an ihrer Seite. auch künftig in der Europäischen Union und auch in den Vereinten Nationen dafür arbeiten, diesen Aufbruch (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei politisch, wirtschaftlich, finanziell und humanitär zu för- Abgeordneten der SPD und der LINKEN) dern und ihm zum Erfolg zu verhelfen. Ich sage das deshalb, weil es natürlich notwendig ist, Dabei gibt es Entwicklungen, die uns erfreuen: in Ma- auch die Folgen der Entscheidung, die gestern Nacht ge- rokko, die Jasmin-Revolution in Tunesien, die Millionen troffen worden ist und die uns alle hier im Deutschen Menschen in Ägypten, die für ihre Freiheit auf dem Bundestag befasst und beschäftigt, für andere Länder zu Tahrir-Platz gekämpft haben und die erfolgreich waren. berücksichtigen, für die Auswirkungen im gesamten In einigen Ländern gibt es leider aber auch furchtbare Norden Afrikas und darüber hinaus auch in der arabi- Rückschläge: in Libyen – der Anlass dieser Regierungs- schen Welt. erklärung. Darüber hinaus möchte ich an einem solchen Die Sicherheitsresolution enthält auch Bestimmungen Tag daran erinnern: Auch die Menschen in Bahrain ha- über die Einrichtung einer Flugverbotszone und vor al- ben das Recht, für ihre Freiheit und für ihre Demonstra- len Dingen über einen darüber hinausgehenden Einsatz tions- und Meinungsfreiheit einzutreten. militärischer Gewalt. Es geht darum, dass durch diese Resolution militärische Gewalt, ein militärischer Einsatz (Beifall im ganzen Hause) durch Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mehrheit- Ich habe diese Haltung auch gegenüber meinen Ge- lich legitimiert wurde. Die Entscheidung über den Ein- sprächspartnern in den Golfstaaten klar zum Ausdruck satz militärischer Gewalt, über den Einsatz auch des Le- gebracht. Wir wollen einen nationalen Dialog. Wir wol- bens unserer Soldatinnen und Soldaten ist die wohl (B) len eine nationale Lösung. Aus unserer Sicht muss die schwierigste Entscheidung, vor die die Politik gestellt (D) Lösung im Lande durch Dialog gefunden werden und werden kann. Das gilt nicht nur für die Regierung, das nicht durch das Ausland oder durch ausländische Trup- gilt auch für jeden Abgeordneten hier im Hause. Denn pen. jeder Auslandseinsatz unserer Bundeswehr müsste von diesem Hohen Hause mandatiert werden. Wir haben eine Wir sind in Sorge im Hinblick auf die Unterdrückung Parlamentsarmee und keine Regierungsarmee. Deswe- der Opposition im Iran. Auch wenn darüber im Augen- gen bin ich sicher, dass sich jeder Abgeordnete dieselben blick nicht jeden Tag etwas zu lesen ist, so wissen wir Fragen stellt und auch dieselben schwierigen Abwägun- doch alle, dass gerade die Oppositionskräfte im Iran un- gen vornimmt. Wir sind alle verantwortlich bei solchen verändert unsere volle Aufmerksamkeit und auch unsere Fragen, nicht nur die Regierung, meine sehr geehrten Solidarität verdient haben. Wir wollen sie auch an einem Damen und Herren. solchen Tage nicht vergessen, an dem wir alle natürlich über Libyen reden. Den möglichen Nutzen und die Risiken eines militäri- schen Einsatzes im Falle Libyens haben wir in den ver- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie gangenen Tagen in zahllosen Gesprächen in vielen natio- bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und nalen und internationalen Gremien diskutiert und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) abgewogen. Es gibt keinen sogenannten chirurgischen Eingriff. Jeder Militäreinsatz wird auch zivile Opfer for- Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich denke dern. Das wissen wir aus leidvoller Erfahrung. Wenn wir natürlich auch an Jemen, ein Land, das uns seit längerem abwägen, wie wir uns international verhalten und ob wir große Sorgen macht. Schon vor einem Jahr haben wir uns und wo wir uns beteiligen, dann muss in diese huma- Präsident Salih dazu aufgerufen und aufgefordert, den nitäre Abwägung immer auch mit einbezogen werden, Ausgleich und den Dialog zu suchen. Er hat sich anders dass es Opfer gibt, auch zivile Opfer gibt. Ich weiß, dass entschieden. Er hat auf die Kraft des Militärs gesetzt. wir das in der Frage des Irak- oder des Afghanistan-Ein- Die Zeit ist verstrichen. Wir sehen heute, vor welcher satzes oft genug besprochen haben. Ich muss deswegen dramatischen Situation Jemen steht. darum bitten und darf daran erinnern, dass wir die Leh- ren aus der jüngeren Geschichte, auch aus jüngeren Mili- Auch wenn im Augenblick in Europa der Fokus der täreinsätzen, immer mit berücksichtigen müssen, wenn Aufmerksamkeit nicht dort liegt, muss in diesem Zusam- wir heute vor Entscheidungen stehen. menhang noch einmal an die Elfenbeinküste erinnert werden. Es ist leider so, auch wenn es jedem mitfühlen- Wir haben Respekt und wir haben Verständnis für die- den Menschen das Herz bricht. jenigen unserer Partner im Sicherheitsrat, in der Euro- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11139

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle (A) päischen Union und auch in der Arabischen Liga, die Wir haben es uns nicht leichtgemacht. Ich weiß, dass es (C) nach Abwägung aller Argumente zu einem anderen Er- niemandem von Ihnen leichtfällt, sich hierüber eine Mei- gebnis gekommen sind als wir. Wir verstehen diejeni- nung zu bilden. Aber für uns ist klar: In der Abwägung der gen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internatio- Argumente sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass nales militärisches Eingreifen in Libyen ausgesprochen wir uns mit deutschen Soldaten an einem solchen haben. Wir verstehen die Verzweiflung vieler Menschen Kampfeinsatz in Libyen nicht beteiligen werden. Deswe- in der Region angesichts der Entwicklungen in Libyen in gen hat sich die Bundesregierung, hat sich Deutschland den letzten Tagen. Die Bundesregierung ist aber ange- im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen enthalten. Ich sichts sowohl außenpolitisch als auch militärisch erheb- bitte um Ihre Unterstützung für diese Position und danke licher Gefahren und Risiken bei der Abwägung im Si- für Ihre Aufmerksamkeit. cherheitsrat zu einem anderen Ergebnis gekommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie Deswegen konnten wir diesem Teil der Resolution und bei Abgeordneten der LINKEN) damit der Resolution im Ganzen nicht zustimmen. Wir werden uns nicht mit deutschen Soldaten an einem sol- chen Militärkampfeinsatz in Libyen beteiligen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Rolf (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der Mützenich für die SPD-Fraktion das Wort. LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Für diese Entscheidung habe ich bei unseren Partnern Dr. Rolf Mützenich (SPD): Verständnis und auch Respekt gefunden. Internationales Engagement der Deutschen wird geschätzt. Es ist nicht Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Zweifel, Herr Bundesaußenminister: Das ist eine, so, als wäre Deutschland nicht bereit, international Ver- fast würde ich sagen, beispiellose Debatte, die wir hier antwortung zu übernehmen. Deutschland trägt Verant- haben, weil wir so schnell zu einer Regierungserklärung wortung, zum Beispiel indem 7 000 deutsche Soldaten nach der Entscheidung im Sicherheitsrat gekommen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr eingesetzt wer- sind. Ich glaube, es ist auch nicht falsch, wenn man sagt, den. Wir danken den Frauen und Männern der Bundes- dass es offensichtlich quer durch die Fraktionen unter- wehr, die weltweit für unsere Freiheit und für unsere Si- schiedliche Auffassungen in dieser Frage gibt und auch cherheit eintreten. Auch an diesem Tage, gerade an geben wird. An der Aufmerksamkeit, mit der alle Kolle- diesem Tage vor dem Hintergrund der schrecklichen ginnen und Kollegen Ihrer Rede zugehört haben, hat Nachrichten aus Afghanistan, möchte ich diesen Dank man schon gesehen, dass es – vielleicht bis auf den einen (B) an unsere Bundeswehr noch einmal zum Ausdruck brin- oder anderen Teil – für die große Mehrheit des Deut- (D) gen. schen Bundestages keine einfache Frage ist. Dieses Di- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) lemma bleibt heute und wird wahrscheinlich auch in den nächsten Tagen bleiben. Wir werden darüber beraten, meine Damen und Her- ren, ob wir unser Engagement entsprechend konzentrie- Niemand wird wahrscheinlich zu einfachen Lösungen ren. Das bedeutet, dass die weiteren Fragen, die jetzt auf kommen. Aber ich glaube, an die Bundesregierung und auch ganz besonders an Sie, Herr Bundesaußenminister, der Tagesordnung stehen, zum Beispiel die Frage mögli- darf man die Frage richten, ob die Motive, die Sie hier in cher AWACS-Einsätze, in der NATO besprochen werden der Regierungserklärung und auch in der Regierungser- müssen. Ich will Ihnen das frühzeitig und ausdrücklich klärung am Mittwoch genannt haben, so uneigennützig sagen, weil ich nicht den Eindruck erwecken möchte, in sind und nur von einer internationalen Frage geleitet sind der Regierungserklärung sei das, was viele von Ihnen natürlich weiter denken und mit erörtern, kein Thema. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Wir – der Bundesverteidigungsminister und der Bundes- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Unruhe außenminister – werden selber gemeinsam mit unseren bei der FDP) Kolleginnen und Kollegen im Kabinett, die damit be- oder ob nicht das, was ich Ihnen am Mittwoch in der De- fasst sind, diese Gespräche in der NATO suchen. Sie batte gesagt habe, unter Umständen ein Motiv sein kann: sind notwendig, weil hierzu heute noch keine Entschei- Am 11. März haben Sie in einem Interview des Morgen- dungen zu treffen sind und auch in Bezug auf die Sicher- magazins genau die innenpolitische Debatte eröffnet, die heit noch keine Entscheidungen getroffen werden kön- wir vonseiten der Sozialdemokratischen Partei unterlas- nen. sen haben. Wir wollten nämlich nicht, dass dies innen- Lassen Sie mich aber hinzufügen, dass ich mir im politisch instrumentalisiert wird. Sie haben damit nicht Interesse unserer Partner und auch im Interesse der Men- aufgehört; denn Sie sind gestern im Deutschlandradio schen in Libyen und der ganzen arabischen Welt wün- Kultur wieder genau diese Schiene gefahren. Auch jetzt schen würde, dass sich unsere Sorgen und Befürchtun- habe ich, muss ich Ihnen sagen, in den frei formulierten gen hinsichtlich der Folgen eines Militäreinsatzes nicht Teilen Ihrer Regierungserklärung den einen oder ande- bewahrheiten. Unsere Position ist eindeutig gegenüber ren Punkt gesehen, dem Gaddafi-Regime, sie bleibt unverändert: Der Dikta- (Dr. [CDU/CSU]: Das ist pein- tor muss die Gewalt gegen sein eigenes Volk sofort be- lich!) enden. Er muss gehen, und er muss für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. der zeigt, dass dies ein Motiv ist. Das gehört mit dazu. 11140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Dr. Rolf Mützenich (A) (Widerspruch bei der FDP) Sie wissen, dass sie nicht mitmachen werden. Aber Sie (C) unterstellen, dass ein Ja automatisch bedeutet hätte, dass Wenn Sie sagen: „Wir als Bundesregierung können die Bundesregierung bei der Frage einer Beteiligung an- nicht überall eingreifen“, dann gebe ich Ihnen recht. Das ders hätte handeln müssen. Nein, das stimmt nicht. ist vollkommen richtig. Aber das heißt doch nicht, dass wir dann nirgendwo eingreifen, sondern wir greifen Wenn Sie in der Politik souverän sein wollen, müssen doch dann dort ein, wo wir es können. Auch das hätten Sie sich eher fragen: An welcher Stelle wollen Sie im Si- Sie von diesem Rednerpult aus sagen müssen. cherheitsrat dabei sein? Wollen Sie bei den zehn Län- dern dabei sein, die zugestimmt haben, darunter drei eu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ropäische Staaten, drei afrikanische Staaten und ein des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) arabischer Staat? Ich finde, Sie hätten auf dieses Di- Kurzum: Ich glaube schon, Ihr Vorwurf, dass andere lemma hinweisen sollen. Bundesregierungen früher mit dieser Frage leichtfertig umgegangen sind, wendet sich gegen Sie selbst; denn Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Sie dürfen nicht leichtfertig Ihre Fragen innenpolitischen Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Motiven unterordnen. Kollegen Spatz? (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Ich sage Ihnen: Sie stehen in einer Tradition, die die Ja, bitte schön. FDP-Bundestagsfraktion mit zu verantworten hat. Sie haben sich damals gegen den Einsatz im arabischen (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Hätten Sie mit Ja Raum im Rahmen von UNIFIL aus innenpolitischen gestimmt?) Gründen ausgesprochen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Joachim Spatz (FDP): Herr Kollege Mützenich, darf ich in aller Bescheiden- weil sie glaubten, so die bessere Gewähr für Erfolge in heit fragen, ob Sie bereit sind, uns endlich auch einmal Wahlkämpfen zu haben. Ich unterstelle Ihnen, dass es die Position der SPD darzulegen? auch in diesem Fall so ist. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der LINKEN) CDU/CSU und der FDP – [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen! – Dr. Rolf Mützenich (SPD): Zurufe von der FDP) (B) Wissen Sie, genau das ist doch der Punkt. (D) Sie müssen eine entscheidende Frage beantworten, Herr Bundesaußenminister. Ich glaube, Sie tun hier der deut- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schen Öffentlichkeit – – der CDU/CSU und der LINKEN – Zurufe von der FDP: Genau!) (Zurufe von der FDP) – Nein, nein. Darf ich denn nicht einmal aussprechen? – – Sie regen sich doch so auf, weil ich da offensichtlich Der Herr Bundesaußenminister hat in einer Hälfte seiner den wunden Punkt getroffen habe, der zu dieser Debatte Rede nicht über Libyen gesprochen, sondern hat sehr und, ich sage auch, zu diesem Dilemma letztlich gehört. salbungsvoll mit dem einen oder anderen Satz über an- dere Länder gesprochen, etwa über Bahrain und die El- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Anton fenbeinküste. Er hat dann gesagt: Man kann nicht überall Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – intervenieren. Aber er hat nicht beantwortet, warum die Zurufe von der FDP) Bundesregierung nach ihrer Abwägung nicht möglicher- Er gehört zu diesem Dilemma. Tun Sie doch nicht so, als weise die Konsequenz ziehen wollte, ob das in Ihrer Fraktion nicht der Punkt wäre. – (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es ist (Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Was wollen unglaublich, was Sie hier machen!) Sie denn?) zu einer Mehrheit im Sicherheitsrat dazuzugehören. Herr Sie stellen sich aber hierhin und sagen: Es gibt einen Au- Kollege Spatz, ich muss Ihnen sagen: Ich weiß, dass Sie tomatismus für Ihr Verhalten im Sicherheitsrat und für eine ganz andere Position vertreten, dass auch innerhalb das, was in nationaler Souveränität zu entscheiden ist. der Bundesregierung eine ganz andere Position vertreten wird. Unser Problem, das Problem Deutschlands, ist (Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Was ist denn doch jetzt, dass es keine gemeinsame europäische Posi- Ihr Vorschlag?) tion mehr gibt. Die Frage ist in der UN-Charta ganz klar geregelt: In (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der UN-Charta steht, dass man einem Beschluss des Si- DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann cherheitsrates zustimmen und dann auf nationaler Ebene [DIE LINKE]: Das ist Ihr Problem dabei?) schauen kann, wie man mit diesem Beschluss umgeht. Zehn Länder, die Sie eben ganz bewusst nicht genannt Wir haben es nicht geschafft, alle europäischen Staaten haben – darunter sind zum Beispiel drei afrikanische beisammenzuhalten. Das ist doch genau der Punkt, auf Länder und ein arabisches Land –, haben zugestimmt. den Ihr Außenminister heute nicht eingegangen ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11141

Dr. Rolf Mützenich (A) Herr Bundesaußenminister, ich glaube, dass sich die Gaddafis hat sich erst aus der gestrigen Beschlussfas- (C) Frage der nationalen Souveränität nicht davon ableitet, sung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ergeben. wie man sich möglicherweise bei verschiedenen Fragen Jetzt sagen Sie: Wir wollen nicht mit deutschen Bo- im Sicherheitsrat entscheidet. dentruppen dorthin. ( [CDU/CSU]: Was will die SPD?) (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn?) Die nationale Souveränität leitet sich daraus ab, wie man begründet, dass man jetzt aus einem europäischen Ge- Nein, natürlich nicht. Das wollen wir doch auch nicht. leitzug ausgeschert ist. Aber das besagt auch nicht der Beschluss des Sicher- heitsrats der Vereinten Nationen. Er will vielmehr eine (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es Flugverbotszone. geht um Krieg und um die Beteiligung der Deutschen daran! Nichts anderes!) (Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Was hätten Sie denn gemacht? – Weitere Zurufe von der Diese Frage müssen Sie sich in einer Gemeinsamen Au- CDU/CSU und der FDP) ßen- und Sicherheitspolitik stellen. – Sie waren ja am Mittwoch nicht bei den Beratungen (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) des Auswärtigen Ausschusses dabei. In den Beratungen Herr Bundesaußenminister, der andere Punkt ist – auch des Auswärtigen Ausschusses am Mittwoch hat uns diese Frage müssen Sie erlauben –: Was denken die Län- Staatssekretär Born erklärt, der in der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die (Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Wie hätten Sie Sie in eine verantwortungsvolle Position im Sicherheits- denn abgestimmt?) rat gewählt haben, über Ihre gestrige Entscheidung im Si- cherheitsrat? Was denken denn die Menschen – Sie haben die Überwachung der Flugverbotszone noch am Mittwoch davon gesprochen, wie beeindruckt (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein ganz an- Sie gewesen sind –, die Deutschland auf dem Tahrir-Platz derer Gedanke!) zugejubelt haben, weil unser Land die Befreiungsbewe- gung in der arabischen Welt unterstützt? mit Anteilen der Bundeswehr an den Einsätzen der AWACS erfolge zurzeit auf der Grundlage des Mandats (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- von Active Endeavour. Sie haben sich nicht hier hinge- SES 90/DIE GRÜNEN) stellt und gesagt, Sie ziehen diese Bundeswehrsoldaten Ich glaube, dass die Menschen vom Tahrir-Platz jetzt, aus der AWACS-Überwachung zurück. Das hätte ich (B) (D) nach der Entscheidung der Bundesregierung, einen ganz von einer Regierungserklärung hier erwartet. Sie tun so, anderen Blick auf Deutschland haben; denn Sie haben als seien alle Fragen beantwortet gewesen. Das ist eben die europäische Position verlassen und trauen sich nicht, nicht der Fall. gegen jemanden vorzugehen, der ein Mörder ist, der die Menschen bombardiert, der die Menschen einfach er- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: schießt, weil sie auf der Seite anderer sind. Herr Kollege, gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rolf Mützenich (SPD): [FDP]: Was will die SPD?) Deswegen glaube ich: Ihr Dilemma, das Sie selbst zu verantworten haben, ist, dass Sie sich wegen der innen- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: politischen Brille ohne Not in diese Situation gebracht Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen- haben. – Bitte. frage? Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dr. Rolf Mützenich (SPD): Bitte schön, Herr Kollege. Ja, gleich, wenn ich den Gedanken noch zu Ende füh- ren darf. – Sie müssen sich doch fragen: Welche Ent- Marco Buschmann (FDP): scheidung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hätte Herr Kollege Dr. Mützenich, wären Sie so freundlich, möglicherweise eine Verhaltensänderung Gaddafis be- wenn Sie schon dem Kollegen Spatz die Frage nicht be- wirkt, und zwar nicht die Verhaltensänderung von ges- antwortet haben, die er gestellt hat, mir erstens die Frage tern? zu beantworten, wie die Haltung der SPD-Fraktion in Es ist doch ganz klar: Der Beschluss im Sicherheitsrat der Sache ist, und mir zweitens zu sagen, ob Sie der An- der Vereinten Nationen hat deutlich gemacht, dass sicht sind, dass Sie sich in der Haltung, zu was auch im- Gaddafi erst danach zu Gesprächen über eine Waffen- mer Sie hier vorgetragen haben, einig fühlen mit dem ruhe bereit gewesen ist. Auch das müssen Sie sich doch von uns sehr geschätzten Kollegen Steinmeier? fragen, wenn Sie hier sagen: Wir stehen in einem Di- lemma. Natürlich, das spreche ich Ihnen doch gar nicht Dr. Rolf Mützenich (SPD): ab. Aber der entscheidende Punkt ist: Welche Schluss- Ich habe Ihnen eben Folgendes gesagt: Wenn Sie für folgerungen ziehen Sie daraus? Die Verhaltensänderung Ihre Fraktion sagen können, das sei für Sie alles klar, 11142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Dr. Rolf Mützenich (A) wenn Sie das so für sich behaupten können, ist das klar. Das Wort hat nun Kollege Ruprecht Polenz für die (C) Ich kann für meine Fraktion nicht behaupten, dass das CDU/CSU-Fraktion. klar ist. Das habe ich eben gesagt. Ich habe vorhin an dieser Stelle, glaube ich, eine sehr ehrliche Erklärung ab- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gegeben. Ruprecht Polenz (CDU/CSU): (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- Ich bin der Meinung, dass Sie sich von innenpolitischen gen! Lieber Herr Kollege Mützenich, nach Ihrem Bei- Motiven haben leiten lassen, trag fällt es nicht ganz leicht, sachlich zu dem Thema zu sprechen, für das wir heute Vormittag hier zusammenge- (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was kommen sind. wollen Sie denn?) (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das ist auch nicht so wie der Bundesaußenminister das am Mittwoch und einfach!) heute noch in der Frage gesagt hat. Ich glaube, niemand macht sich die Entscheidung Ich möchte Sie auf einen weiteren Widerspruch auf- leicht. Das haben Sie für die SPD-Fraktion betont. Es merksam machen, wenn ich das darf, Herr Bundes- hilft nichts, sich gegenseitig die Vergangenheit vorzuhal- außenminister. Sie sagen immer, Sie vermissten eine ten. Diesbezüglich könnte ich auf Ihre Rede jetzt so eini- Beteiligung aus der Region. Sie vermissten eine Beteili- ges erwidern und zeigen, dass man außenpolitische Fra- gung vonseiten der afrikanischen Länder, vonseiten der gen innenpolitisch instrumentalisiert hat. Dazu würde arabischen Länder. Herr Bundesaußenminister, Sie ha- mir einiges einfallen. ben jetzt diese Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Thomas Oppermann [SPD]: Westerwelle hat Drei afrikanische Länder haben gestern Nacht im Sicher- damit angefangen! – Zuruf des Abg. Christian heitsrat der Vereinten Nationen für ein Mandat ge- Lindner [FDP]) stimmt. Der Libanon hat im Sicherheitsrat für ein Man- Aber das möchte ich nicht tun. Ich möchte zu dem spre- dat gestimmt. Deswegen müssen Sie hier schon die chen, für das wir heute hier zusammengekommen sind. Frage beantworten, warum Sie, nachdem die Forderun- gen, die Sie gestellt haben, jetzt eingelöst worden sind, Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern um Mitter- nicht bereit sind, in der Konsequenz zu sagen: Jetzt ist nacht, als die Resolution des Sicherheitsrats beschlossen dieses Mandat gegeben, und jetzt kann sich die Bundes- worden ist, Bilder aus Bengasi gesehen hat. Die Leute (B) (D) republik Deutschland, kann sich die Bundesregierung sind auf die Straße geströmt, befreit von der Angst, die entsprechend verhalten. sie natürlich hatten, weil Gaddafi ihnen nicht nur rheto- risch das Ende angekündigt hat, sondern auch sein Tun Herr Bundesaußenminister, Sie haben eben noch ein- bis dahin erwarten ließ, dass es in Bengasi ein Blutbad mal an Bahrein und andere Länder erinnert. Ja, das ist geben könnte. Die Erleichterung über die Entscheidung richtig. Aber der entscheidende Punkt wird sein, ob Sie stand den Menschen ins Gesicht geschrieben. letztlich nicht umhinkönnen, in einer Situation in Libyen, vor der wir stehen, Die Frage ist jetzt: Wie geht es weiter? Es hat sich et- was verändert in der Rhetorik des Gaddafi-Regimes. Auf (Zuruf von der FDP: Was will die SPD?) einmal ist die Rede von Verhandlungen, von Waffenstill- in der offensichtlich ein Machthaber Gaddafi mit mörde- stand und von Ähnlichem. Aber die Taten sprechen nach rischer Konsequenz gegen seine eigene Bevölkerung wie vor eine andere Sprache. Die Agenturen meldeten vorgeht, das Instrument, das Ihnen der Sicherheitsrat der heute Morgen, dass die Stadt Misurata eingekesselt ist Vereinten Nationen gestern zur Verfügung gestellt hat, und mit Raketen beschossen wird, dass Gaddafi also nicht doch zu nutzen, um diesen Mörder zu stoppen. weitermacht. (Abg. Manuel Höferlin [FDP] meldet sich zu Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat gestern einer Zwischenfrage) die Staatengemeinschaft ermächtigt, einzeln oder ge- meinsam zu handeln, nämlich bei Sanktionen, bei einem Ich glaube, das wäre die richtige Konsequenz gewesen. Flugverbot und vor allen Dingen beim Schutz der Zivi- Den Mut, den Sie gestern nicht aufgebracht haben, hätte listen. Das war für uns immer die erste Voraussetzung, ich mir von Ihnen gewünscht. die erfüllt sein muss, ehe wir überhaupt darüber reden, wie Deutschland sich verhält und ob es sich gegebenen- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP so- falls beteiligt. Diese Voraussetzung ist durch den Sicher- wie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE heitsratsbeschluss gestern Abend erfüllt. LINKE]) Für Deutschland ist aber auch ein weiterer Punkt ent- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: scheidend, den ich immer wieder vorgetragen habe. Herr Kollege, es gibt noch eine Zwischenfrage. Wenn man in Libyen eingreift, bei den Konflikten im Sudan, in der Republik Elfenbeinküste und bei vielen (Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD] begibt sich anderen Konflikten dieser Welt aber nicht, ist zu fragen zu seinem Platz) – und diese Frage ist berechtigt –: Worin liegt für euch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11143

Ruprecht Polenz (A) Europäer und euch Deutsche der Unterschied? Die Ant- In der Mittelmeerregion haben wir ökonomische Interes- (C) wort darf nicht lauten: Es ist das Öl. sen. Es geht um ein strategisches Interesse, um die Si- cherheit Israels und um Fragen der Migration und der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Flüchtlinge. Wir haben ein Interesse an der Modernisie- bei Abgeordneten der LINKEN – rung dieser Region, an Reformen. Damit zusammenhän- [FDP]: So ist es!) gend haben wir auch ein Interesse daran, den Terroris- Um diese Schlussfolgerung zu vermeiden, war es ent- mus, der in dieser Region Wurzeln hat, vorbeugend zu scheidend und notwendig, dass sich Länder aus der Re- bekämpfen. gion sichtbar beteiligen. „Sichtbar“ heißt, dass sie nicht, Die Mittelmeerregion hat also eine strategische Be- was wir in der Region gelegentlich erleben, der Weltöf- deutung für die Sicherheit Europas, anders als andere fentlichkeit auf Englisch das eine erklären, der eigenen Regionen der Welt. Insofern muss man zu dem Argu- Bevölkerung aber auf Arabisch etwas anderes sagen. ment, überall auf der Welt passiere ähnlich Schlimmes „Sichtbar“ heißt, dass sie eine solche Operation tatsäch- und dort machten wir nichts, von unserem Interessenge- lich mit stützen. Jetzt heißt es, dass Katar und die Verei- sichtspunkt her sagen: Der Mittelmeerraum liegt uns aus nigten Arabischen Emirate bereit wären, das zu machen. anderen Gründen, auch aus Sicherheitsgründen, näher Die Frage ist: Wie soll sich Deutschland verhalten? und rechtfertigt eine andere Betrachtungsweise. (Abg. Thomas Oppermann [SPD] meldet sich Ich warne allerdings heute vor zu weit gehenden Fest- zu einer Zwischenfrage) legungen von uns Parlamentariern, weil uns wichtige In- formationen fehlen. Es ist nicht so, dass das Parlament – Bitte schön. über den Einsatz der Streitkräfte beschließt, sondern man stimmt einem Antrag der Bundesregierung zu, wenn er denn eingebracht wird, weil dann alle Vor- und Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nachteile viel detaillierter abgewogen werden können. Bitte schön, Kollege Oppermann. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass man hinsichtlich der Einsatzrisiken aus dem Bei- Thomas Oppermann (SPD): spiel Bosnien lernen kann: Damals hat Milosevic bei Vielen Dank. Das kam postwendend. – Herr Polenz, Luftangriffen zivile Schutzschilde vor militärisch wich- Sie wollen sich jetzt der Frage zuwenden, wie sich tige Ziele gestellt. Das wird Gaddafi möglicherweise Deutschland verhält. Vorher will ich Sie aber fragen auch machen. Es wird bei dem Einsatz aus der Luft nicht – diese Fragen haben Sie noch nicht beantwortet –, ob ohne sogenannte Kollateralschäden am Boden abgehen. (B) der UN-Sicherheitsratsbeschluss aus Sicht der CDU/ Das muss man wissen. (D) CSU-Fraktion richtig oder falsch war. Man muss auch wissen: Es ist nicht sicher, dass ein (Christian Lindner [FDP]: Das hat er gerade solcher Lufteinsatz zu dem Ergebnis führt, dass Gaddafi erläutert!) aufgibt, sich festnehmen und nach Den Haag transportie- ren lässt. Denn das ist ja das Ziel, das letztlich hinter all Ruprecht Polenz (CDU/CSU): diesen Überlegungen steht. Es war richtig, dass Deutschland sich enthalten hat. Es gibt noch eine ganze Menge offener Fragen. Des- Auch der Beschluss als solcher war richtig. Sonst hätten halb überlegt der NATO-Rat seit heute Vormittag bei sei- wir ja dagegengestimmt. ner Tagung, wie das weitere Vorgehen sein soll. Auch (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des hier ist die Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Ich BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Edelgard finde es richtig, dass wir über das weitere Vorgehen auch Bulmahn [SPD]: Das ist im Widerspruch zu innerhalb der Europäischen Union diskutieren. dem, was Sie gerade gesagt haben!) Aus meiner Sicht war es sehr verständlich, wegen der – Moment. Wenn er falsch gewesen wäre, hätten wir da- noch ungeklärten Risiken zunächst das politische Vorge- gegenstimmen müssen. Wir haben uns enthalten. Der hen abzuwarten. Noch sehe ich kein arabisches Land, Beschluss war richtig. Es war aber auch richtig, dass sich das hierbei mitwirkt. Die militärischen Einsätze haben ja Deutschland gestern Abend enthalten hat. Das will ich auch noch nicht begonnen. Alles andere hätte ich für ein gleich noch ausführen und begründen. viel zu großes politisches Risiko gehalten. Nun zu der Frage: Wie soll sich Deutschland weiter (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wei- verhalten? Ich glaube, wenn wir das heute im Plenum terer Zuruf der Abg. Edelgard Bulmahn des Bundestages diskutieren, kommt es darauf an, dass [SPD]) wir uns Optionen für die weiteren Beratungen in der Um die Frage beantworten zu können, warum man NATO und in der Europäischen Union offenhalten und sich in Libyen engagiert, an der Elfenbeinküste aber dann von der Regierung weitere Erklärungen und Festle- nicht, müssen wir zunächst einmal unsere Interessen in gungen erwarten. Das können wir aus der heutigen Sicht den Blick nehmen. nicht beurteilen. Ich würde nicht sagen: Jawohl, in jedem Fall wäre es richtiger, wenn sich Deutschland militärisch (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Interes- beteiligen würde. So weit würde ich heute nach den In- sante Vorstellung von Souveränität!) formationen, die ich als Parlamentarier habe, nicht ge- 11144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Ruprecht Polenz (A) hen. Insofern ist es klug, dass die Regierung die ver- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C) schiedenen Möglichkeiten weiter überdenkt. Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle- gen Mützenich? Auf der anderen Seite, Herr Außenminister: Wir ha- ben im Sicherheitsrat und auch in der Europäischen (Zuruf von der CDU/CSU: Nein! Ausgerech- Union der Aussage zugestimmt: Gaddafi muss weg, net der, der selber keine Antworten geben seine Zeit ist abgelaufen. Wir haben im Sicherheitsrat ei- kann!) ner Resolution zugestimmt, dass Gaddafi vor den Inter- nationalen Strafgerichtshof soll. Wir haben uns bereit er- klärt, Sanktionen mitzutragen. Da klafft eine operative Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Lücke. Denn Sanktionen wirken mittel- bis längerfristig; Ja. sie wirken in der Regel nicht sofort. Mir sind jedenfalls keine Sanktionen bekannt, die sofort eine derart weit- Dr. Rolf Mützenich (SPD): gehende Verhaltensänderung bewirkt hätten, sodass Herr Kollege Polenz, wie verstehen Sie eine Regie- Gaddafi festgesetzt wird. rungserklärung des Außenministers, mit der das Parla- ment und die Öffentlichkeit über eine solch wichtige Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frage informiert werden sollen, nachdem offensichtlich Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des nur Ihnen in der Fraktionssitzung die Information gege- Kollegen Rainer Arnold? ben worden ist, wie mit dem Einsatz von AWACS-Flug- zeugen umgegangen werden soll Ruprecht Polenz (CDU/CSU): (Otto Fricke [FDP]: Hat er doch gesagt! Was Ja. soll das denn?) und ob es möglicherweise ein weiteres Mandat des Deut- Rainer Arnold (SPD): schen Bundestags geben wird? Sie sprachen davon, wie wir uns als Parlamentarier verhalten. Deshalb meine Frage: Trifft die Meldung zu, (Christoph Schnurr [FDP]: Das ist unnötig!) dass die Bundesregierung in Ihrer Fraktionssitzung er- klärt hat, sie erwäge einen Einsatz von AWACS in Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Afghanistan, um so die NATO für einen Einsatz in Li- Wir haben nicht konkret über Mandatierungen ge- byen zu entlasten? Wie bewerten Sie die Auswirkungen sprochen, und außerdem geht es um die weitere Diskus- auf die Bündnisse, wenn die Deutschen ihr Personal von sion im Bündnis. Ich habe versucht, klarzumachen, dass den jetzt schon vor Libyen fliegenden AWACS unver- (B) die NATO gerade im Planungsprozess ist. Deutschland (D) züglich abziehen? hat zugestimmt, dass die NATO Planungen für humani- täre Hilfe einschließlich dafür notwendiger militärischer Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Maßnahmen unternimmt. Die Bundesregierung hat eine Das wird eine der Fragen sein, die jetzt in der NATO Planung Richtung Flugverbotszone passieren lassen. besprochen werden müssen. Das ist der Stand in der NATO. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Warum hat das Die NATO-Beratungen gehen jetzt weiter. Sie fragen der Außenminister hier nicht gesagt?) mich eigentlich, was bei den NATO-Beratungen heraus- kommt. – Es ist im Moment noch gar nicht klar, ob die Denn es ist ja klar: Im Augenblick fliegen AWACS im NATO sich überhaupt an einer Operation auf der Grund- Mittelmeerraum, allerdings mit einem Mandat zur Auf- klärung. Wenn man das ändern wollte und die AWACS lage der Sicherheitsratsresolution beteiligt. Jedenfalls ist als Feuerleitzentrale für eventuelle Luftschläge einsetzen mir nicht bekannt, dass diese Entscheidung schon gefal- wollte, müsste der Bundestag neu damit befasst werden. len wäre. Es kann sehr gut sein, dass es beispielweise Wir müssten dafür ein Mandat erteilen. nur eine sogenannte Coalition of the Willing gibt. Insbe- sondere Frankreich, aber auch Großbritannien und die (Zuruf der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul USA haben gesagt, dass sie gegebenenfalls dabei wären. [SPD]) Es ist noch gar nicht ausgemacht, dass es eine NATO- Das würde der Bundestag auf Antrag der Bundesregie- Mission wird. rung zu beschließen haben, wenn die Bundesregierung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und einen entsprechenden Antrag vorlegen will. Gleichzeitig der FDP) hatten wir – wir erinnern uns beide – eine Diskussion über AWACS in Afghanistan geführt; Sie kennen die Auch das spricht dafür, dass wir uns heute im Plenum Vorgeschichte. Die AWACS-Flugzeuge werden weiter nicht in einer Weise festlegen, dass wir den weiteren dort gebraucht. Die NATO muss entscheiden, wo der Entwicklungen nicht Rechnung tragen können. deutsche Einsatz gebraucht wird. Ich finde es richtig, Wir haben – das ist, glaube ich, in allen Fraktionen dass der Verteidigungsminister das in der NATO klären deutlich geworden – schwierige Abwägungsentschei- wird. Darüber ist in der Fraktion gesprochen worden. Im dungen zu treffen, die mehrere verschiedene Ebenen be- Übrigen wollte ich Ihnen eigentlich keine weitergehen- den Auskünfte über unsere Fraktionssitzung geben. rühren. Die Ebene des gemeinsamen Handelns in der Europäischen Union ist wichtig. Die Ebene im NATO- (Beifall bei der CDU/CSU) Bündnis ist wichtig. Aber es ist auch eine wichtige Ent- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11145

Ruprecht Polenz (A) scheidung – dazu sind wir insbesondere als Bundestag halten hat. Gegenüber Despoten kann es bei solchen Ent- (C) verpflichtet –, Risiken und Erfolgsaussichten abzuwägen scheidungen keine Enthaltung geben. sowie die Schlüssigkeit dessen, was auf dem Tisch liegt, zu prüfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sevim Herr Mützenich, bisher hat der Sicherheitsrat gesagt: Dağdelen [DIE LINKE]: Kriegstreiberei ist keine Bodentruppen. – Diese Resolution hat den Sicher- das!) heitsrat passiert. Sie ist bei Enthaltung von Russland und China angenommen worden. Wenn das eine Hängepartie Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: wie damals auf dem Balkan wird – obwohl es da keinen Sicherheitsratsbeschluss gab – und sich die Frage stellt, Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns in ob nicht doch Bodentruppen gebraucht werden, dann diesem Hause nicht wechselseitig Kriegstreiberei vor- würde es eines neuen Sicherheitsratsbeschlusses bedür- werfen. Das ist eine Stillosigkeit, die hier eine Grenz- fen. Dabei muss man nach dem bisherigen Verlauf der überschreitung ist. Diskussion große Zweifel daran haben, dass dieser ohne (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Veto von Russland oder China oder von beiden durchge- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hen würde. Dann würde die Operation auf halber Strecke feststecken. Das müssen Sie auch bedenken. Das Wort hat nun Kollege Jan van Aken für die Frak- tion Die Linke. All diese Gesichtspunkte können wir heute im Ple- num als Fragen formulieren, ohne dass wir Antworten (Beifall bei der LINKEN) darauf haben. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Aha!) Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen – Ja, das ist so. Das muss in den Gremien des Bündnis- Tagen scheint die Welt manchmal aus den Fugen zu ge- ses vom Militär beurteilt werden. Dann stellt sich die raten. Bei all den Katastrophenmeldungen weiß ich Frage, ob und wie Deutschland sich beteiligt. manchmal gar nicht mehr, welche mich am meisten er- Ich finde die Zurückhaltung richtig. Bündnis heißt schüttert. Gestern Nacht hat der UN-Sicherheitsrat einen nicht, dass Deutschland bei allem, was die NATO macht, Kriegseinsatz in Libyen beschlossen. Da geht es nicht prinzipiell dabei sein muss. Sonst brauchten wir den Par- nur um eine Flugverbotszone, sondern es wurde auch ge- lamentsvorhalt nicht mehr und könnten sagen: Das alles nehmigt, dass Gaddafis Truppen flächendeckend bom- entscheidet die NATO in Brüssel, und wir sind dabei. bardiert werden. Herr Polenz, es wurde auch genehmigt, (B) dass – zumindest zeitlich begrenzt – ausländische Bo- (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dentruppen auf libyschem Gebiet eingesetzt werden dür- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Bundes- fen. Das Einzige, was ausgeschlossen wurde, sind Besat- regierung dankbar, dass sie das Parlament heute unmit- zungskräfte. Für einige Tage, für einige Wochen können telbar nach der Entscheidung des Sicherheitsrats in Form aber auch große Kontingente ausländischer Truppen in einer Regierungserklärung informiert hat. Es ist sicher- Libyen Krieg führen. Wir finden diesen Kriegseinsatz lich nicht das letzte Mal, dass wir über dieses Thema dis- falsch. kutieren. (Beifall bei der LINKEN) Ich hoffe, dass es auf der Basis des gestern Beschlos- Dieser Kriegseinsatz ist falsch; denn er wird noch senen gelingt, die Hoffnungen, die die Menschen in Ben- mehr Blutvergießen fordern und noch mehr Leid und gasi jetzt in die internationale Staatengemeinschaft und Zerstörung über Libyen bringen. Deswegen muss ich Ih- das Verhalten von Gaddafi setzen, nicht zu enttäuschen. nen, Herr Westerwelle, sagen: Ich finde es gut, dass sich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Deutschland gestern enthalten hat. neten der FDP) (Thomas Oppermann [SPD]: Erst Gaddafi ge- lobt, dann Westerwelle!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir hätten Nein gesagt; aber eine Enthaltung ist ein ech- Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle- ter Fortschritt, vor allem gegenüber der rot-grünen Re- gin Heidemarie Wieczorek-Zeul. gierung,

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): (Beifall bei der LINKEN) Meine Kurzintervention wird sehr kurz sein. – Liebe die im Jahr 2001 aus Solidarität mit den Amerikanern Kolleginnen und Kollegen, es gibt das international, von und den Engländern blind in den Afghanistan-Krieg ge- der Generalversammlung der Vereinten Nationen akzep- gangen ist. In diesem Krieg hängen Sie immer noch. Sie tierte Prinzip, das auf den Erfahrungen in Ruanda und haben immer noch nicht aus Ihren Fehlern gelernt. dem dortigen Völkermord basiert: das Prinzip der Schutzverantwortung, Responsibility to Protect. Ich Herr Mützenich, wenn ich Sie hier heute höre, muss finde es eine Schande, dass sich die Bundesregierung als ich sagen: Sie von der SPD sind im Moment die größten Mitglied des UN-Sicherheitsrates in dieser Situation ent- Kriegstreiber im Bundestag. 11146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Jan van Aken (A) (Beifall bei der LINKEN – Thomas (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (C) Oppermann [SPD]: Sie haben doch nicht alle In der Resolution wird ein Waffenembargo gefordert. Tassen im Schrank!) Das ist richtig.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Das ist auch gut so. Denn wenn alle Länder um Libyen Ich habe gerade dazu gemahnt, dass wir uns wechselsei- herum keine Waffen und keine Patronen mehr durchlas- tig nicht solche Vorwürfe machen. sen, dann geht Gaddafi irgendwann, und zwar ziemlich schnell, die letzte Patrone aus. Das ist eine richtige For- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ derung in der Resolution, die wir unterstützen. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Jetzt muss ich Ihnen von der SPD etwas sagen. Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul, wenn Sie von Responsibi- Jan van Aken (DIE LINKE): lity to Protect reden, dann erinnere ich Sie daran, dass Ich nehme diesen Ordnungsruf mit Stolz an. Sie zu einer Zeit, als Deutschland Waffen an Libyen ge- liefert hat, Ministerin waren. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Pfui! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der (Beifall bei der LINKEN) Kopf ist schon ganz rot!) In der Zeit der Großen Koalition wurden Waffen im Wert von 86 Millionen Euro an Libyen geliefert, Waffen, die Ich muss sagen: Herr Mützenich, wie Sie hier mit ro- jetzt gegen die Aufständischen eingesetzt werden. Das tem Kopf stehen und für einen Kriegseinsatz in Libyen ist die Verantwortung der SPD. Wenn Sie, nachdem Sie plädieren, das ist, als ob Franz Josef Strauß wieder aufer- Waffen geliefert haben, jetzt sagen: „Dann bekämpfen standen wäre. So stellen Sie sich hier gerade dar. wir sie mit der Bundeswehr“, dann ist dies – das Wort, (Beifall bei der LINKEN – Renate Künast an das ich gerade denke, darf ich nicht mehr sagen – [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Milliar- nicht mehr zu überbieten. denkredite annehmen!) (Beifall bei der LINKEN) Herr Westerwelle, wie gesagt, ich finde Ihre Entschei- Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland dung sehr klug und sehr konsequent. Ich hoffe, dass Sie überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte. Ich jetzt konsequent bleiben. Wenn Sie sich hier hinstellen fühle mich manchmal wie in dem Film Und täglich und sagen: „Keine deutsche Beteiligung“, dann hoffe grüßt das Murmeltier. (B) ich, dass Sie das konsequent bis zum Ende durchdenken. (D) Das heißt auch: keine deutschen Bundeswehrsoldaten in (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AWACS-Flugzeugen, die jetzt schon dort herumfliegen. LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Als es im Januar dieses Jahres um Tunesien ging, hat die Bundesregierung irgendwann entschieden, keine Waf- Das heißt auch, dass Ramstein und andere US-Basen in fen mehr an Tunesien zu liefern. Wir haben Sie damals Deutschland für den Kriegseinsatz in Libyen nicht ge- gefragt: Warum gilt das nicht auch für Ägypten, warum nutzt werden. Das heißt auch, dass Sie im NATO-Rat da- nicht auch für Saudi-Arabien? Aber Sie haben Ihre Ent- gegenstimmen. scheidung auf Tunesien beschränkt. Ein paar Wochen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) später haben Sie die Waffenexporte nach Ägypten be- schränkt. Da haben wir gesagt: Richtig so! Aber warum Damit können Sie sogar noch etwas aufhalten; denn im gilt das nicht auch für Saudi-Arabien, warum nicht auch NATO-Rat wird einstimmig beschlossen. für Libyen? Ein paar Wochen später haben Sie die Waf- Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische Trei- fenlieferungen nach Libyen gestoppt. Ich sage Ihnen ben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle ei- heute ein für alle Mal: Stoppen Sie alle Waffenexporte in nig. Es gibt Punkte in der Resolution, die dazu absolut den Nahen und Mittleren Osten, an alle Diktatoren dort! geeignet sind. Herr Westerwelle hat dies vorhin ausge- (Beifall bei der LINKEN) führt. Gaddafi kämpft im Moment ausschließlich mit seinem Geld. Er kauft für sein Geld Söldner. Er hat vor Ich stelle fest, dass es in der Region einige Länder einigen Wochen in Tripolis Geld verteilt, um sich Unter- gibt, die schon zugesichert haben, sich an der Operation stützung zu sichern. Wenn wir ihm den Geldhahn abdre- gegen Libyen zu beteiligen, so zum Beispiel Katar. Katar hen, wenn weltweit kein Mensch mehr Öl aus Libyen wurde von Deutschland im letzten Jahr mit Waffen im kauft, kann er irgendwann keine Söldner mehr bezahlen. Wert von 1,3 Millionen Euro ausgestattet, mit Sturmge- wehren und anderem Material. Es sind also deutsche (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der Waffen, die jetzt eingesetzt werden. CDU/CSU: Das ist Dummheit, was Sie erzäh- len!) Herr Westerwelle, noch ein letztes Wort. Sie haben Bahrain erwähnt. Ich fand es sehr gut, dass Sie gesagt Ein weiteres Thema – darüber hat hier noch niemand haben: Wir stehen auf der Seite der Bevölkerung von geredet – sind die deutschen Waffen und die Waffenex- Bahrain, die sich jetzt gegen den dortigen Diktator wen- porte nach Libyen. det. – Wenn das so ist, müssen Sie aber auch etwas dazu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11147

Jan van Aken (A) sagen, dass Saudi-Arabien gerade in Bahrain einmar- Meine Damen und Herren, diese Stringenz habe ich (C) schiert. Saudi-Arabien wird von Deutschland seit Jahren bei der Opposition bisher sehr vermisst – eine Opposi- mit Waffen im Millionenwert ausgestattet. tionsrednerin kommt ja noch –, zumindest bei Ihnen, Herr Mützenich. Als ich Ihnen zugehört habe, war ich (Beifall bei der LINKEN) sehr verwundert – ich schätze Sie sehr –, wie Sie eine Deutschland liefert sogar eine Waffenfabrik und eine solche Rede halten können; aber das ist mein privates Munitionsfabrik nach Saudi-Arabien. Das müssen Sie Problem. Darüber hinaus fühle ich mich an einen Satz endlich beenden! Wenn Sie die Bevölkerung von Ihres ehemaligen Parteivorsitzenden Müntefering erin- Bahrain unterstützen wollen, stoppen Sie sofort alle nert, der gesagt hat: Opposition ist Mist. – Wenn jetzt Waffenlieferungen! hinzukommt, dass Opposition Mist macht, dann ist das insbesondere in außenpolitischen Fragen sehr problema- Ich bedanke mich bei Ihnen. tisch. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Rainer Stinner für die FDP-Frak- Herr Mützenich, ich stelle hier fest, dass Sie sich, ob- tion. wohl Sie aufgrund zweier Zwischenfragen aus meiner Fraktion viel Redezeit hatten, nicht in der Lage gesehen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) haben, hier eine eindeutige Position Ihrer Partei zu defi- nieren. Dr. Rainer Stinner (FDP): (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Vielen Dank für den Beifall. – Herr Präsident! Liebe Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das habe ich Ihnen Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den bisherigen doch gesagt!) Verlauf dieser Debatte vor Augen führe, dann stellt sich mir die Frage, ob dieses Parlament bzw. einige Redner Ich stelle hier fest: Das zeigt, dass diese SPD, die über angemessen auf die schwierige Situation reagieren. Jahre hinweg Außenminister gestellt und somit deutsche Außenpolitik vertreten hat, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das gilt doch für Ich beantworte diese Frage mit Nein. Ich möchte deshalb Ihre Fraktion genauso!) zu Beginn meiner Rede sehr deutlich auf den Fakt einge- hen, um den es geht. gegenwärtig außenpolitisch nicht handlungsfähig ist. (B) (D) Die Bundesregierung hat, wie ich finde, sehr stringent (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – argumentiert, nämlich in folgender Reihenfolge: Zuerst Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das gilt doch für wurde die Festlegung getroffen, dass sich Deutschland Ihre Fraktion genauso!) aus Gründen, die der Außenminister ausführlich darge- legt hat, nicht an den kriegerischen Auseinandersetzun- Herr Mützenich, wenn Sie sich – ich muss es Ihnen so gen in Libyen beteiligen wird; das war der erste Punkt. deutlich sagen – aufgrund Ihrer Unfähigkeit, Position zu Darauf folgte konsequenterweise die Entscheidung, sich beziehen, entblöden, uns jetzt noch vorzuwerfen, wir bei der entsprechenden Abstimmung im UN-Sicherheits- würden innenpolitische Argumente einbeziehen, rat zu enthalten. Das ist eine konsequente und stringente (Zuruf von der SPD: Wahrheit!) Argumentation. Man kann sie angreifen und anderer Meinung sein. Aber auf jeden Fall ist diese Argumenta- dann kann ich nur sagen: Ich finde es peinlich, dass ge- tion konsequent und stringent vorgetragen worden. rade die Goslar-Partei in diesem Hause eine solche Ar- gumentation verfolgt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Selbstverständlich – das müssen wir den Bürgern im Lande sagen; wir alle bekommen doch ähnliche E-Mails, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: in denen danach gefragt wird – geht es nicht nur um eine Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Flugverbotszone, um eine überschaubare, kurzfristige Kollegen Hans-Peter Bartels? militärische Aktion. Nein, wenn Sie sich das Mandat ge- nau durchlesen – schauen Sie sich bitte vor allen Dingen Dr. Rainer Stinner (FDP): Art. 4 an –, dann stellen Sie fest, dass es sich um das Ja, Herr Bartels, immer gerne. volle Spektrum einer militärischen Operation, um einen vollen militärischen Einsatz handelt, der nicht auf eine Flugverbotszone beschränkt ist. Die Bundesregierung Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): hat sich völlig zu Recht, konsequenterweise und strin- Herr Kollege Stinner, da Sie über eine klare Position gent argumentierend gegen eine deutsche Beteiligung verfügen: Werden Sie es als richtig oder falsch beurtei- ausgesprochen. len, wenn es nach dieser Resolution zu Luftschlägen an- derer gegen Einrichtungen in Libyen kommt? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) (Zurufe von der FDP: Ah!) 11148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

(A) Dr. Rainer Stinner (FDP): Dr. Rainer Stinner (FDP): (C) Vielen Dank, Herr Bartels. – Wir haben – der Außen- Doch, das habe ich. minister hat es gesagt – den UN-Sicherheitsratsbeschluss nicht abgelehnt. Vielmehr haben wir konsequent und Thomas Oppermann (SPD): stringent gesagt – – Ich möchte deshalb eine Zusatzfrage stellen. – Sie ha- (Zuruf von der SPD: Sehr klar, die Position! ben eben erklärt: Wenn der Beschluss des UN-Sicher- Dann können Sie die Luftschläge ja begrü- heitsrates umgesetzt wird, dann ist das völkerrechtlich ßen!) korrekt. – Moment! – Da wir uns aus den Gründen, die hier dar- gelegt worden sind, militärisch nicht beteiligen wollen, Dr. Rainer Stinner (FDP): haben wir konsequenterweise abgelehnt. Dennoch ste- Ja. hen wir dazu, dass es eine völkerrechtliche Ermächti- gung ist. Deshalb sind alle Maßnahmen, die im Rahmen Thomas Oppermann (SPD): dieser völkerrechtlichen Ermächtigung ergriffen werden, Ich habe Sie gefragt, ob Sie als FDP es politisch rich- legitim und vom Völkerrecht der Vereinten Nationen ge- tig finden, wenn jetzt die internationale Gemeinschaft deckt. (Patrick Meinhardt [FDP]: Billiger Versuch!) (Zurufe von der SPD: Sie reden drumherum!) den Beschluss des Sicherheitsrates umsetzt und das Vielen Dank. Flugverbot durchsetzt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Zurufe von der FDP: Da kommen Sie selber nicht mehr hinterher, was Sie denken! Sie sel- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ber haben Ihre eigene Frage nicht verstanden!) Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle- Finden Sie das politisch richtig, oder finden Sie das poli- gen Oppermann? tisch falsch?

Dr. Rainer Stinner (FDP): Dr. Rainer Stinner (FDP): Bitte schön, Herr Oppermann. Herr Kollege Oppermann, Ihrer Fraktion gebricht es (Patrick Meinhardt [FDP]: Er erklärt jetzt die offensichtlich nicht nur an der Fähigkeit, sich eine ei- Position der SPD!) gene Meinung zu bilden, sondern auch an der Fähigkeit, (B) zuzuhören. (D) Thomas Oppermann (SPD): (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Einen Punkt haben Sie eben offengelassen. Wir haben Ich habe sehr deutlich gesagt: Da dies völkerrechtlich le- vorhin festgestellt, dass die Union sagt: Der Beschluss gitimiert ist und wir dies anerkennen, werden wir auch des UN-Sicherheitsrates war richtig. Es war richtig, dass die Konsequenzen, die sich daraus ergeben – das heißt, andere ihn gefasst haben. Sie haben die Frage allerdings wenn andere Staaten die völkerrechtliche Ermächtigung nicht beantwortet: Finden Sie es richtig oder falsch, wenn dieser Beschluss durch Intervention, durch Durch- nutzen –, politisch mittragen. setzung des Flugverbots mit militärischen Mitteln umge- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) setzt wird? Habe ich Ihre Frage jetzt endgültig beantwortet? Ich nehme weitere Zwischenfragen der SPD sehr gerne ent- Dr. Rainer Stinner (FDP): gegen, um herauszubekommen, was Sie eigentlich wol- Ich sage es Ihnen gerne noch einmal, Herr len. Oppermann. Da dies ein völkerrechtlich verbindlicher Beschluss der Vereinten Nationen ist, sind natürlich auch (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – die daraus folgenden Konsequenzen völkerrechtlich le- Thomas Oppermann [SPD]: Jetzt haben Sie gitimiert, und wir werden sie mittragen. endlich eine Antwort gegeben!) (Beifall bei der FDP – Thomas Oppermann Sie können versuchen, zu camouflieren. Aber aus der [SPD]: Ich habe eine Zusatzfrage!) Ecke, Herr Mützenich, dass diese SPD außenpolitisch nicht handlungsfähig ist, kommen Sie heute nicht mehr Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: heraus. Gestatten Sie eine Nachfrage? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, bedauerlicherweise müs- Dr. Rainer Stinner (FDP): sen wir uns aber nicht nur mit der SPD befassen, sondern Ja. uns auch fragen, wie es weitergehen kann. Auf Ihre mehrfach gestellte Frage habe ich geantwortet. Die Re- Thomas Oppermann (SPD): gierung hat stringent argumentiert. Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich sage Ihnen aber auch völlig klar – das ist Konsens (Lachen bei der FDP) in meiner Fraktion und, ich glaube, auch in der anderen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11149

Dr. Rainer Stinner (A) Regierungsfraktion; im Gegensatz zur SPD, die offen- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C) sichtlich keine Möglichkeit hatte, sich abzustimmen, und Das Wort hat nun Renate Künast für die Fraktion interessanterweise von vornherein keine Sitzung anbe- Bündnis 90/Die Grünen. raumt hat, hatten wir eine Fraktionssitzung dazu; an dem, was Sie heute hier vorgetragen haben, sieht man Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): das Ergebnis –, dass wir an dem politischen Ziel – das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller hat der Außenminister noch einmal eindeutig klarge- Ruhe und dem Thema angemessen: Ich glaube, wir alle stellt; es geht um eine politische Argumentation –, den stehen hier schweren Herzens. Diktator Gaddafi zu entmachten, unverändert und unver- mindert festhalten und dass Deutschland, vertreten durch (Zurufe von der LINKEN: Oh! – Gegenruf der die Bundesregierung, unterhalb der unmittelbaren Betei- Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ja, ligung an einer militärischen Aktion natürlich seinen das ist auch so! – Iris Gleicke [SPD]: Die Re- Beitrag leisten wird. aktion der Linken spricht für sich!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – Außer einigen stehen wir alle hier schweren Herzens. – der CDU/CSU) Das will ich niemandem absprechen. Offen gesagt, stehe ich nicht mit einem fertigen Plan Ich will auf den Ausgangspunkt, der uns alle bewegt, hier; den habe ich nicht. Das kann auch keiner erwarten. nämlich den VN-Beschluss von Ende 2005 – Responsi- Ich sage Ihnen aber zu, dass wir dafür sorgen und einen bility to Protect –, zu sprechen kommen. Grundsätzlich Beitrag dazu leisten werden, dass die Bundesregierung steht dem Eingreifen in andere Länder immer die Souve- alle Möglichkeiten ventiliert. Das fängt bei der Verstär- ränität eines Staates entgegen. Allerdings sagen die UN kung der Sanktionen an. Ich persönlich gehe so weit und auch: Die Souveränität eines Staates verpflichtet. Die sage: Wir müssen überlegen, ob die Sanktionen noch ein Staats- und Regierungschefs müssen sich um die Rechte, ganzes Stück verstärkt werden müssen, um den Diktator die Freiheit und die körperliche Unversehrtheit der Men- wirklich zu treffen. Bei diesen Überlegungen dürfen wir schen in ihren Ländern kümmern und sie beschützen. auch das Thema Öl nicht aussparen. Ich sage auch, dass Das ist der Ausgangspunkt. wir alle Möglichkeiten nutzen wollen und sollen, um (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Beispiel an den Grenzen humanitäre Hilfe für und bei der SPD) Flüchtlinge zu leisten. Ich sage, an dieses Haus gewen- det, auch, dass wir in dieser Ausnahmesituation natürlich Wir haben bemerkt, dass die Beschlüsse zu den Men- überlegen müssen, ob wir für einen begrenzten Zeitraum schenrechten nicht reichen, sondern man muss den Staatschefs – und auch sich selber – Fragen stellen und (B) nicht auch libyschen Flüchtlingen, die täglich vor dem (D) Erschießen fliehen, die Möglichkeit geben sollten, das die Verantwortung in konkreten Schritten wahrnehmen. Mittelmeer zu überschreiten. Deshalb gehört zu Responsibility to Protect, also der Verantwortung, zu beschützen, eben auch, dass die Staa- (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem tengemeinschaft verpflichtet ist. Wo ein Staat die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- Schutzverantwortung gegenüber seiner Bevölkerung geordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert nicht ausüben kann oder, wie in diesem Fall, nicht aus- [SPD]: Nach Deutschland?) üben will, ist die internationale Gemeinschaft in der Mit- All das sind Überlegungen, die wir anstellen müssen; verantwortung und muss agieren. denn wir haben keine normale Situation. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Mechthild Rawert [SPD]: Haben Sie auch sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutschland gemeint?) In aller Ruhe und Klarheit: Das ist unser Ausgangs- punkt. Lassen Sie mich zum Abschluss noch ganz kurz auf die bündnispolitische Komponente dieses Problems ein- gehen. Jawohl, es wäre uns lieber gewesen, wir hätten Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: mit unseren europäischen Partnern eine gemeinsame Li- Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des nie gefunden. Das ist nicht der Fall. Das bedauern wir, Kollegen Liebich von der Fraktion Die Linke? aber es ist halt so. Dennoch werden wir unsere Partner in Europa, in der NATO und in der Welt dort unterstützen, Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): wo wir können, um ihnen zu ermöglichen, ihre schwie- Nein. rige Aufgabe wahrzunehmen. Das ist das Commitment, das wir eingehen wollen und sollen. Ich bedanke mich (Zurufe von der LINKEN: Oh!) bei der Bundesregierung, dass sie dieses hier und heute Vor diesem Hintergrund kann ich für die grüne Frak- sehr klargestellt hat, dass sie eine klare inhaltliche Posi- tion den UN-Beschluss grundsätzlich begrüßen. Es ist tion hat und eine folgerichtige Konsequenz daraus gezo- nötig. Wenn Gaddafi – das ist das Dilemma, vor dem wir gen hat. Wir werden sie dabei weiter von Herzen unter- alle gestanden haben – sein eigenes Volk beschießt, statt stützen. es zu beschützen, und sogar Kampfjets und Hubschrau- Vielen Dank. ber losschickt, dann stehen wir in der Verantwortung, zu- mal nicht nur aus der Arabischen Liga und der Afrikani- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) schen Union, aus Nigeria, Südafrika und großen Teilen 11150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Renate Künast (A) der Bevölkerung ein Hilferuf gekommen ist. Wir sind an Frau Merkel, Sie haben damals, als es darum ging, (C) dieser Stelle in der Verantwortung, Menschenrechte zu nicht in den Irak einzumarschieren, in einer US-Zeitung verteidigen, und zwar nicht nur mit Worten, sondern festgestellt: Nicht ganz Deutschland denkt so. Später auch mit UN-Beschlüssen und weiteren Maßnahmen. wurde uns allen bewiesen, dass die von George Bush und Tony Blair angeführten Gründe nicht zutreffend wa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren. sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Mit (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Waffen!) SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Es ist nämlich das Recht eines jeden Menschen, in Frei- Wir sollten uns alle miteinander in Demut üben. Wir heit und körperlicher Unversehrtheit zu leben und auch sollten auf der Hut sein und um unsere Verantwortung für Freiheit und körperliche Unversehrtheit zu kämpfen. wissen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Mit Ich muss aber eines anfügen. Die ganze Zeit wird Waffen!) über Enthaltung bzw. Nichtenthaltung diskutiert. Ich weiß, dass sich daran manches festmacht. Aber nach – Gregor Gysi hat hier schon oft gestanden, die linke vorne blickend sage ich: Es reicht nicht, auf die Risiken Faust in den Himmel gestreckt und die Selbstverteidi- hinzuweisen, Herr Außenminister. Die Frage ist jetzt: gung der Völker beschworen, wo auch immer auf der Wie verhindern wir, dass von deutscher Seite der An- Welt Menschen allein waren. schein erweckt wird, es gehe uns nicht hinreichend um (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: die Menschenrechte der Menschen dort. Quatsch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) – Seien Sie mal ganz leise! Sonst reden wir über Kuba oder andere Länder. Es geht darum, Verantwortung Mit welchem Auftrag und mit welcher Maßnahme wol- wahrzunehmen. len Sie vorgehen? Wo sind Ihre Anträge? Warten Sie nicht ab! Verhindern Sie nicht die Planung! Wir wollen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dass Deutschland jetzt eine aktive Rolle beim Waffen- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der embargo, beim Schutz der Flüchtlinge in der Region CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE – mit der Erklärung, Flüchtlinge bei uns aufzunehmen – LINKE]: Aber doch nicht mit Waffen!) und bei der Unterbindung der Finanzströme und des Öl- Wenn ich sage: „Wir begrüßen den UN-Beschluss“, geschäfts einnimmt. (B) (D) dann negiere ich definitiv nicht die vorhandenen Risi- ken. Wir haben in unserer Fraktion seit Tagen und Wo- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: chen und auch heute früh noch einmal sehr kritisch über Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. diesen Beschluss diskutiert. Bei dem Thema Flugver- botszone geht das Leiden mitten durch die grüne Frak- tion. Es gibt Leute, die dazu Ja sagen, und es gibt aber Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): auch viele Leute, die auf die Risiken hinweisen, die das Jetzt wollen wir den Bundesaußenminister für die mit sich bringt. Man muss sich fragen, welche Schritte Menschenrechte kämpfen sehen. Bisher haben Sie eine noch kommen. Deshalb sage ich: Weil wir alle leiden zu große Passivität gezeigt, Herr Westerwelle. Wir wol- – das gilt sicherlich auch für die Bevölkerung –, ist dies len, dass Deutschland steht. nicht der richtige Ort oder Zeitpunkt für Polemik, allzu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN scharfe Worte oder die Suche nach den Motiven der an- und bei der SPD) deren. Wir alle müssen uns bewegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle- SPD und der FDP) gen Stefan Liebich. Wir alle wissen letzten Endes, dass auch die Flugver- (Beifall bei der LINKEN) botszone realisiert werden muss. Wir wissen, dass das ein extrem schwieriger Weg ist. Ich halte es für richtig, so zu diskutieren. Ich glaube, dass sich niemand erheben Stefan Liebich (DIE LINKE): sollte. Ich habe vergessen, wer gerade der SPD das Wort Frau Künast, Sie haben keine Frage zugelassen. Des- Goslar-Partei entgegengeworfen hat. Aber ich glaube, es wegen nutze ich dieses Instrument. war jemand, dessen Chefin einmal in einer US-Zeitung Sie haben Bezug auf das Konzept „Responsibility to festgestellt hat: Ja, wir wollen in den Irak einmarschie- Protect“ genommen. Egal wie man dazu steht – es ist ren. völkerrechtlich durchaus umstritten und hebelt die UN- (Dr. , Bundeskanzlerin: Da war Charta nicht aus –: Wenn Sie Bezug auf den Beschluss ich noch nicht Chefin!) nehmen, der jetzt im UN-Sicherheitsrat gefasst wurde, und sagen, das sei durch die Responsibility to Protect be- – Da waren Sie noch nicht Chefin? Aber gefühlt schon! gründet, sage ich Ihnen drei Dinge: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11151

Stefan Liebich (A) Erstens beinhaltet sie, dass man zunächst präventiv (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der (C) wirkt, damit solche schlimmen Entwicklungen wie in CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/ Libyen nicht eintreten. Die Weltgemeinschaft hat das CSU: Vernünftig!) Gegenteil getan, indem sie Waffen geliefert und mit Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir heute Gaddafi bei der Flüchtlingsabwehr zusammengearbeitet erneut, und zwar zum zweiten Mal in dieser Woche, über hat. die Situation in Libyen reden, zeigt die Dramatik, mit Zum Zweiten. Die Responsibility to Protect beinhaltet der sich die Lage in Nordafrika, speziell in Libyen, ver- auch, dass man zunächst nichtmilitärische Maßnahmen ändert. ergreift. Dazu sage ich, dass die Weltgemeinschaft nach Ich möchte Folgendes noch einmal ansprechen, weil wie vor nicht in ausreichendem Umfang nichtmilitäri- heute durchaus unterschiedliche Positionen anklingen: sche Maßnahmen ergriffen hat, weil weiterhin Geld für Einig sind wir uns alle darin, glaube ich: Gaddafi muss Öl fließt. weg – so schnell wie möglich und mit so wenig Leiden Drittens. Ehe man nach der Responsibility to Protect der Zivilbevölkerung und aller Unschuldigen wie zu Waffengewalt greift, müssen zwei weitere Bedingun- möglich. Wir müssen alles, was möglich und vertretbar gen erfüllt sein, nämlich Völkermord und ethnische Ver- ist, tun und dazu beitragen, dass es zu menschenwürdi- treibung; nicht aber: Menschenrechtsverletzungen. gen, demokratischen und freiheitlichen Verhältnissen in Libyen kommt. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Sollten wir deshalb warten?) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es hat bereits zahlreiche Sanktionen gegeben. So hat Wenn Sie tatsächlich Menschenrechtsverletzungen als der UN-Sicherheitsrat am 26. Februar dieses Jahres hinreichenden Grund für einen Militäreinsatz benennen, Sanktionen gegen die libysche Führung verhängt. Der werden Sie viele Kriege führen wollen. Ich hoffe: Das Internationale Strafgerichtshof wurde mit Ermittlungen will auch Bündnis 90/Die Grünen nicht. beauftragt. Auch Deutschland war als nichtständiges (Beifall bei der LINKEN) Mitglied des UN-Sicherheitsrats maßgeblich an dieser Entscheidung beteiligt. Vizepräsidentin : Die EU und die USA haben ebenfalls Sanktionsbe- Frau Künast, Sie haben das Wort. schlüsse gefasst. Hervorzuheben ist meiner Meinung nach ferner, dass auch die Arabische Liga Libyen bis auf Weiteres von der Teilnahme ausgeschlossen hat. (B) Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D) Ich weise auf die letzten Sätze meines Redebeitrags Des Weiteren hat die Generalversammlung der Ver- hin, in denen ich gesagt habe, was alles im zivilen Be- einten Nationen Libyens Mitgliedschaft im Menschen- reich noch zu tun ist, Herr Liebich. Es gibt noch viel zu rechtsrat der UN suspendiert. tun. Dieses „noch viel zu tun“ heißt aber nicht, dass da- Das Vorgehen der libyschen Regierung wurde auch mit alles andere ausgeschlossen werden muss. auf dem EU-Sondergipfel vom 11. März erneut aufs Ich verweise darauf, dass die Responsibility to Protect Schärfste verurteilt, und weitere finanzielle Sanktionen auch drohende Verbrechen im Blick hat. Das ist Verant- wurden verhängt. – So viel zu den bisherigen Sanktio- wortung für die, die sich aktiv für Menschenrechte ein- nen. setzen wollen. Es wird neue und schärfere Sanktionen geben. Das ist Bestandteil der heute Nacht gefassten Resolution des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UN-Sicherheitsrates. Das ist gut so. Deutschland begrüßt sowie bei Abgeordneten der SPD) diesen Teil der Resolution ausdrücklich.

Vizepräsidentin Petra Pau: (Edelgard Bulmahn [SPD]: Und deshalb ent- haltet ihr euch!) Das Wort hat der Kollege Dr. Götzer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Diese Resolution beinhaltet in einem zweiten Teil aber auch die Option einer militärischen Intervention, (Heiterkeit – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) und zwar nicht nur die Errichtung einer Flugverbotszone – Entschuldigen Sie bitte, ich hatte gerade noch Frau – darüber haben wir bereits am Mittwoch in diesem Künast im Blick. Natürlich spricht der Kollege Hause debattiert –; sie geht darüber hinaus. Sie lässt wei- Dr. Wolfgang Götzer für die Unionsfraktion. Da ist gar tere militärische Einsätze zu, in allererster Linie zum kein Missverständnis möglich. Schutz der Zivilbevölkerung; das muss man hervorhe- ben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Wir haben, wie gesagt, am Mittwoch über die Flug- verbotszone diskutiert und bereits in dieser Debatte die Risiken aus unserer Sicht angesprochen, die uns dazu Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): führen, dass wir gegen eine solche Flugverbotszone sind. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Auf diese Idee Nun wurde mit der UN-Resolution eine noch weiter ge- würde ich auch niemals kommen. hende Option beschlossen. Das heißt für uns: Wenn wir 11152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Dr. Wolfgang Götzer (A) schon gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone wa- Edelgard Bulmahn [SPD]: Das haben Sie ja (C) ren, so können wir uns auch nicht an Maßnahmen betei- auch nicht!) ligen, die darüber hinausgehen. Das ist logisch. Wir glauben, dass die Konsequenzen nicht absehbar sind. – Wir haben im Gegensatz zu Ihnen heute zum Beispiel Wenn man eine Flugverbotszone errichten will, muss eine Sondersitzung unserer Fraktion gehabt, in der wir man in erster Linie die Luftstreitkräfte ausschalten. Aber sehr intensiv diskutiert haben. Ich weiß nicht, ob Sie eine es wird nach aller Erfahrung nicht vermeidbar sein, dass entsprechende Sitzung gehabt haben. Wenn nicht, dann dann auch Bodeneinsätze erfolgen müssen. Ich habe am wäre es besser gewesen, Sie hätten eine anberaumt. Sie Mittwoch auf das Risiko hingewiesen, dass die Zivilbe- sollten möglichst bald diese Sitzung nachholen, viel- völkerung in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. leicht im Anschluss an die Debatte. Davon müssen wir einfach ausgehen. Das wollen wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) vermeiden. Ich komme zum Schluss: In der kommenden Woche Was ist, wenn die Flugverbotszone nicht erfolgreich wird möglicherweise die Frage gestellt, ob AWACS- ist? Gibt es dann den Einsatz von Bodentruppen? Gilt Flugzeuge mit teilweise deutscher Besatzung zur Befrie- der Spruch: „Wer A sagt, muss auch B sagen“, mögli- dung Libyens beitragen können. Gleichzeitig – das wis- cherweise auch C, was immer darunter zu verstehen ist? sen wir – sind AWACS-Flugzeuge ohne deutsche Betei- Wir glauben, dass mit diesem UN-Mandat der Einsatz ligung in Afghanistan im Einsatz. Wir müssen uns, wenn bisher nicht zu Ende gedacht worden ist. Gleichwohl ha- diese Frage gestellt wird – ich gehe davon aus, dass sie ben wir Respekt vor der Entscheidung derjenigen Län- sehr bald gestellt werden wird –, mit unseren NATO- der, die für die Resolution gestimmt haben. Es gibt Partnern abstimmen und darüber entscheiden, in welcher durchaus interessante Reaktionen aus Libyen, sowohl Weise wir als Deutsche unseren Beitrag im Rahmen des solche der Aufständischen als auch solche des herr- AWACS-Einsatzes leisten werden. schenden Regimes. Plötzlich ist von einer Waffenruhe bzw. von einem Waffenstillstand die Rede. Leider sind Vielen Dank. den Worten bisher noch keine Taten gefolgt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ich betone noch einmal: Aus heutiger Sicht haben wir neten der FDP) Zweifel daran, dass die Risiken und Konsequenzen, die sich aus diesem UN-Mandat ergeben, abschätzbar sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Kann das Ziel der Aufständischen, das wir alle, so Ich schließe die Aussprache. glaube ich, im Auge haben, nämlich Gaddafi zu stürzen (B) (D) und zu helfen, eine demokratische Regierung zu instal- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 c auf: lieren, damit erreicht werden? Ist eine Ausweitung der militärischen Intervention vermeidbar oder nicht? Hier a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria gilt der Grundsatz: Respice finem. Wir müssen das Ende Michalk, Ingrid Fischbach, Karl Schiewerling, bedenken und alles tun, um zu vermeiden, dass Deutsch- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der land in einen lang andauernden Krieg hineingezogen CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriele wird. Allerdings sage ich auch, dass sich die Lage stän- Molitor, Heinz Lanfermann, Dr. Heinrich L. dig ändert. Das ist uns allen bewusst, wenn wir jeden Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Tag die Nachrichten verfolgen. Die Lage ändert sich so- FDP gar stündlich. Deswegen sage ich genauso deutlich: Eine Für eine umfassende Umsetzung der UN-Be- endgültige Antwort auf die Frage, welche Maßnahmen hindertenrechtskonvention – Nationaler Ak- die richtigen und notwendigen sind, kann heute nicht ge- tionsplan als Leitlinie geben werden. – Drucksache 17/4862 – Verehrter Kollege Mützenich, ich muss jetzt schon ein Wort zu Ihrem Beitrag sagen. Ich schätze Sie als einen Überweisungsvorschlag: sehr sachlichen Kollegen, aber Ihr heutiger Ton war die- Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Auswärtiger Ausschuss sem Thema nicht angemessen. Innenausschuss Sportausschuss (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rechtsausschuss Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das ist auch kein Ausschuss für Wirtschaft und Technologie einfaches Thema!) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Das ist kein einfaches Thema. Aber gerade wenn es Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe um Krieg und Frieden geht, sollte man auf Polemik ver- Ausschuss für Bildung, Forschung und zichten. – Ich habe ein bisschen das Gefühl, als hätten Technikfolgenabschätzung Sie sich in die Polemik geflüchtet, weil sich die SPD sel- Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ber bisher noch keine einheitliche Meinung gebildet hat. Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ihr auch nicht! – Ausschuss für Kultur und Medien Günter Gloser [SPD]: Sie doch auch nicht! – Haushaltsausschuss Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11153

Vizepräsidentin Petra Pau (A) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C) Seifert, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weite- Bundesministerin für Arbeit und Soziales: rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um die Umsetzung der Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften Buches UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Ich Sozialgesetzbuch streichen – Selbstbestimm- darf Ihnen sagen: Die Vorarbeiten zum Nationalen Ak- tes Leben für Menschen mit Behinderungen tionsplan stoßen auf ein ganz außergewöhnliches Inte- gewährleisten resse. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten herz- lich bedanken. – Drucksache 17/4911 – Nicht nur bei den Verbänden ist großes Interesse vor- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) handen, sondern vor allem bei den Behinderten selbst. Innenausschuss Dies verdient riesige Anerkennung und Respekt. Ich Rechtsausschuss freue mich, dass eine so große Resonanz erfolgt ist. Un- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ser Haus setzt konzeptionell auf diese Art der Beteili- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe gung. Unisono wird bestätigt: Es ist der richtige Weg. c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Eine überwältigende Anzahl an guten Ideen und Anre- Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. gungen ist die Folge. Selbstverständlich müssen diese Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Frak- Ideen und Anregungen auf ihre Machbarkeit hin über- tion DIE LINKE prüft werden. Nur wenn wir dies tun, setzen wir die not- wendigen Zeichen der Ermutigung. Es bedarf hierbei ei- zu der Mitteilung der Kommission an das Eu- ner etwas längeren Bearbeitung als ursprünglich geplant. ropäische Parlament, den Rat, den Europäi- Wir haben den Verbänden und allen Beteiligten noch- schen Wirtschafts- und Sozialausschuss und mals die Möglichkeit gegeben, dies zu reflektieren. Wir den Ausschuss der Regionen haben den Termin, zu dem der Nationale Aktionsplan im Bundeskabinett behandelt werden soll, flexibel gestaltet. Europäische Strategie zugunsten von Men- Aller Voraussicht nach wird dies im Juni 2011 der Fall schen mit Behinderungen 2010–2020: Erneu- sein. ertes Engagement für ein barrierefreies Eu- ropa Das zweite Aktionsfeld ist der Dialog mit der gesam- Ratsdok. 16489/10 und KOM(2010) 636 endg. ten Zivilgesellschaft. Ziel ist hierbei der Aufbau von we- sentlich mehr Bewusstsein. Die UN-Behindertenrechts- hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- konvention verlangt, dass sich diese Gesellschaft auf den (B) (D) tages gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Weg der Inklusion begibt. Dieser Weg ist, wie wir in der Grundgesetzes Praxis sehen, noch ganz schön lang. i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zu- Das Dritte, was ich zu diesem Zeitpunkt sagen sammenarbeit von Bundesregierung möchte, ist, dass diese Aufgabe an das anschließt, was und Deutschem Bundestag in Angele- wir in der Vergangenheit in diesem Haus in der Regel in- genheiten der Europäischen Union terfraktionell vorangebracht haben. Ich erinnere zu- Europäische Strategie zugunsten von Men- nächst an die Erweiterung von Art. 3 Grundgesetz. In schen mit Behinderungen 2010 bis 2020 unter- Abs. 3 wurde der Satz hinzugefügt: stützen Niemand darf wegen seiner Behinderung benach- teiligt werden. – Drucksache 17/5043 – Ich erinnere an die Einführung eines eigenständigen Bu- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) ches im Sozialgesetzbuch – SGB IX –, und ich erinnere Rechtsausschuss schließlich an das Bundesgleichstellungsgesetz. Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Tourismus Dem folgt nun der Nationale Aktionsplan. Dies ist Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union konsequent, und dafür ist es an der Zeit. Erfolgreiche in- klusive Arbeit auf diesem Gebiet, der gesellschaftlichen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Teilhabe der Menschen, ist finanziell nicht messbar. Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich Zahlen sagen ganz gewiss auch nicht alles. Einige finan- höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. zielle Daten zeigen aber, dass die Bundesrepublik Deutschland hier nicht bei null anfängt: Mehr als Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die an 47 Milliarden Euro wurden 2009 in Deutschland allein dieser Aussprache nicht teilhaben können, ihre Gesprä- für die Leistungen zur Pflege, für Eingliederungshilfe che außerhalb des Plenarsaales fortzusetzen. – Ich bitte und für Rehabilitationszwecke ausgegeben. Das sind die Parlamentarischen Geschäftsführer, die notwendige ganz sicher stattliche Summen. Auch im internationalen Verständigung möglichst nicht laut im Saale durchzufüh- Vergleich ist hier eine Spitzenposition festzustellen. ren. Wir haben also keinen Grund, uns zu verstecken. Al- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla- lerdings gibt es auch keinen Grund zur Selbstgerechtig- mentarische Staatssekretär Fuchtel. keit oder gar Selbstzufriedenheit; denn noch immer wis- 11154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (A) sen wir bei weitem nicht genug über die Situation der mit Behinderungen, die in Wohngemeinschaften oder bei (C) Menschen mit Behinderungen in unserem Land. Deswe- ihren Eltern leben – hierbei geht es um die sogenannte gen ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die wir in der Regelbedarfsstufe 3 –, haben sie jetzt rund 70 Euro we- Zwischenzeit haben, dass die Datenlage sehr lückenhaft niger im Monat. Meine Damen und Herren, hier muss und auf jeden Fall nicht ausreichend ist, um ein vollstän- schnell eine Lösung gefunden werden, damit diese Men- diges Bild zu erhalten. schen wieder den vollen Regelsatz erhalten. Deswegen wird eine der wesentlichen Maßnahmen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des Nationalen Aktionsplans sein, die Behindertenbe- DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Martina richterstattung der Bundesregierung völlig neu aufzu- Bunge [DIE LINKE]) stellen. Der neue Bericht soll Kompass sein für die künf- tige Behindertenpolitik der Bundesregierung. Ich hoffe, dass sich der Behindertenbeauftragte der Bun- desregierung, Herr Hüppe, in dieser Frage gegenüber Bei der Bearbeitung dieses Themas haben wir auch seinen schwarz-gelben Kollegen durchsetzen wird. schon sehr viele positive Aspekte gesehen. Einer der po- sitivsten Aspekte ist für mich, dass es den Werkstätten Zurück zum Aktionsplan. Die Bundesregierung ist zu für Behinderte in der Zwischenzeit gelungen ist, durch langsam. Das SPD-regierte Rheinland-Pfalz zeigt, wie es Zertifizierung Arbeit, die ansonsten ins Ausland abge- schneller geht. Es hat seinen Aktionsplan schon vor ei- wandert wäre, in Deutschland zu halten. nem Jahr vorgelegt, nicht hastig, sondern allseits gelobt. Meine Damen und Herren, das ist ein großes Zeichen Die Betroffenen sind also zu Recht ungeduldig. Sie für das, was alles möglich ist. Das ermutigt auch, dass wollen, dass ihre Rechte umgesetzt werden. Deshalb for- wir weiter gemeinsam den Weg zur Inklusion gehen. Ich dern wir von der Bundesregierung: Drücken Sie endlich möchte Sie herzlich dazu einladen. Ich empfehle sehr, auf die Tube! dass wir diesen Weg auch im Geiste der Solidarität und (Mechthild Rawert [SPD]: Jawohl!) der Nächstenliebe miteinander gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfrak- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. tionen, Ihr Antrag ist wortreich, aber wenig konkret. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine Stichwortsammlung wird nicht reichen, um die UN-Konvention umzusetzen, vor allem dann nicht, Vizepräsidentin Petra Pau: wenn auch noch der Kostenvorbehalt vorgeschoben Das Wort hat die Kollegin Hiller-Ohm für die SPD- wird. Da haben die Kolleginnen und Kollegen der Lin- Fraktion. ken doch recht. Die UN-Konvention ist gerade dazu da, (B) dass Menschen nicht mehr gezwungen werden können, (D) (Beifall bei der SPD) in Heimen zu leben, nur weil andere Wohnformen viel- leicht teurer sind. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Rich- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tig!) Seit März 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen in Deutschland in Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns ein- Kraft. Im Mai 2011 will die Bundesregierung nun end- deutig völkerrechtlich verpflichtet. lich ihren Aktionsplan für die Umsetzung der Konven- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. tion in Deutschland vorlegen. Die offizielle Frist zur Ab- Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) gabe des Aktionsplans ist damit bereits um zwei Monate überschritten. Es ist zu prüfen, ob sich aus der Konvention nicht sogar Das ist kein gutes Aushängeschild für unser Land. ein individueller Rechtsanspruch für die betroffenen Diese Verzögerung ist auch fachlich nicht nachvollzieh- Menschen ergibt. Das würde die Position der Menschen bar. Wir haben mit dem von Rot-Grün durchgesetzten mit Behinderung enorm stärken und uns zum schnellen Sozialgesetzbuch IX bereits eine sehr gute Grundlage Handeln zwingen. für die Umsetzung der Konvention geschaffen. (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Schade: Im letzten Herbst hat die Regierung über- Wir wollen, dass jeder einzelne Artikel der Konvention haupt erst mit der Arbeit begonnen. Dann war es wohl zu auf seinen subjektiven Gehalt geprüft wird. Art. 19 der spät, den Bundestag angemessen einzubinden. Das ist Konvention enthält eine solche Komponente. Packen wir eine beschämende Vorgehensweise und eine Missach- es an! tung des Parlaments. Das Verhalten der Regierung er- innert stark an das Taktieren bei der Neuausrichtung von Mit der Konvention wird das Verhältnis von Staat und Hartz IV. Auch da geschah erst einmal lange nichts, und Menschen mit Behinderungen endlich vom Kopf auf die dann wurde ein so wichtiges Gesetz im Schweinsgalopp Füße gestellt. Es geht nicht mehr um freundliche Zuge- durch das parlamentarische Verfahren gejagt. ständnisse und Almosen. Ab jetzt haben Menschen mit Behinderungen klare Ansprüche gegenüber Staat und Was noch schlimmer ist: Ausgerechnet Menschen mit Gesellschaft, auch wenn diese Ansprüche etwas kosten. Behinderung hatten bei dieser Reform das Nachsehen. Mit der Absenkung der Grundsicherung für Menschen (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11155

Gabriele Hiller-Ohm (A) Wir müssen alle Politikfelder auf den Prüfstand stel- (Mechthild Rawert [SPD]: Ja, und wie!) (C) len, um Teilhabe für alle zu erreichen. Wie schaffen wir In Ihren Horrorgemälden war ganz Deutschland wegen es, Menschen mit Behinderungen tatsächlich am ersten des AGG ständig vor Gericht. Nichts davon ist eingetre- Arbeitsmarkt teilhaben zu lassen? Wie sieht ein gutes in- ten, und Sie haben dazugelernt. Herzlichen Glück- klusives Bildungssystem aus? Wie stellen wir sicher, wunsch! dass alle Bürgerinnen und Bürger unsere Bahn barriere- frei benutzen können? Wie müssen wir unsere Infra- (Beifall bei der SPD) struktur verändern, damit sich auch Sehbehinderte im öf- Erstaunt hat mich auch, dass Sie die arbeitsmarktpoli- fentlichen Raum zurechtfinden? Und warum fördern wir tischen Instrumente für Menschen mit Behinderungen immer noch Filme, die für gehörlose Menschen un- verbessern wollen. Das ist ein „Meisterwerk an Konse- brauchbar sind? quenz“. Erst kritisieren Sie von Schwarz-Gelb die aktive Diesem Umbau der Gesellschaft müssen wir uns stel- Arbeitsmarktpolitik per se. Dann kürzen Sie bei der len, und das natürlich gemeinsam mit den Betroffenen. Bundesagentur für Arbeit, bis nichts mehr geht: bis 2015 über 22 Milliarden Euro, 10 Milliarden Euro davon al- (Beifall bei der SPD) lein bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den nächsten Deshalb ist deren Beteiligung bei der Ausarbeitung des drei Jahren. Jetzt fordern Sie mehr Arbeitsmarktinstru- Aktionsplans von Anfang an so wichtig. mente für Menschen mit Behinderungen. Verlogener geht es ja wohl nicht! (Beifall bei der SPD sowie der Abg. [DIE LINKE]) (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das stimmt ja alles nicht!) Der Leitsatz der Verbände „Nichts über uns ohne uns“ muss auch hier gelten, und zwar nicht nur auf dem Pa- Die Wahrheit ist: Menschen mit Behinderungen ha- pier. ben vom Aufschwung am Arbeitsmarkt bisher überhaupt nicht profitiert. Die Bundesagentur hätte die Chance ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) habt, sich stärker auf diese Gruppe zu konzentrieren. Wir finden es unerträglich, wenn Sie in Ihrem Antrag (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat sie be- von einer Beteiligung der Verbände am Aktionsplan hauptet!) sprechen, dann aber deren wichtigste Forderung schlichtweg ignorieren, nämlich ein Gesetz für Assistenz Mit Ihren Kürzungen ist diese Chance vertan. Sie lassen und Teilhabe. Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt im Stich. (B) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regie- (D) rungsfraktionen, wenn wir es mit dem Grundsatz eines (Beifall bei der SPD – Maria Michalk [CDU/ selbstbestimmten Lebens ernst meinen, dann müssen wir CSU]: Was hat denn Ihre Behindertenbeauf- uns gemeinsam mit den Betroffenen noch viel stärker für tragte all die Jahre gemacht?) das Persönliche Budget einsetzen. Sie sprechen dieses Deshalb empfinde ich Ihre Sonntagsforderung in Ihrem Thema in Ihrem Antrag an. Wenn Sie schreiben, das Per- Antrag als absurd und zynisch. sönliche Budget werde nicht ausreichend genutzt, dann frage ich Sie: Wen meinen Sie eigentlich? Meinen Sie Wir werden uns den Aktionsplan der Bundesregie- die Betroffenen, die in Heimen leben und in Werkstätten rung zur Umsetzung der UN-Konvention über die arbeiten, aber keinen barrierefreien Zugang zu unabhän- Rechte der Menschen mit Behinderungen sehr genau an- giger und kompetenter Beratung im Hinblick auf das schauen, Persönliche Budget haben? Oder meinen Sie diejenigen, (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr ver- denen auf den Ämtern jeglicher Mut und Nerv geraubt nünftig!) wird, damit sie nicht alle notwendigen Leistungen ein- fordern, die ein selbstbestimmtes Leben mit eigenem wenn er dann endlich vorliegt. Wir werden uns auch mit Budget ermöglichen? Oder sind die Träger gemeint, die eigenen konkreten Vorstellungen in die Diskussion ein- ihre Leistungen in Konkurrenz zueinander erbringen und bringen, vielleicht gar kein Interesse am Persönlichen Budget ha- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Wo sind die ben? Auch hier bleibt Ihr Antrag oberflächlich. denn? – [CDU/CSU]: Wann (Maria Michalk [CDU/CSU]: Wieso?) denn?) Mit der von Ihnen geforderten Abstimmung von Schnitt- mit Vorstellungen, die wir im Gegensatz zu Ihnen ge- stellen wird man das Problem nicht lösen. meinsam mit den Betroffenen entwickelt und abge- stimmt haben. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Doch! Das for- dern die Verbände selber!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Was uns die Koalition heute hier vorgelegt hat, reicht bei Bei aller Kritik: Gut ist, dass wir alle dazulernen. Die weitem nicht aus. Das ist schade für die betroffenen Koalition lobt in ihrem Antrag das Allgemeine Gleich- Menschen. behandlungsgesetz. Das hat mich zum Staunen gebracht. Vor dessen Einführung hatte Schwarz-Gelb den Unter- Ich möchte an dieser Stelle meiner Kollegin Silvia gang des Abendlandes beschworen. Schmidt, unserer behindertenpolitischen Sprecherin, 11156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Gabriele Hiller-Ohm (A) gute Besserung wünschen. Sie hätte sehr gerne heute an In unserem Antrag haben wir Schwerpunkte gesetzt: (C) dieser Debatte teilgenommen. Leider ist sie erkrankt und Teilhabeleistungen, Gesundheit, Bildung, Arbeit und kann deshalb nicht hier sein. Gute Besserung, Silvia! Barrierefreiheit sind unter anderem die Themen, die uns wichtig sind. Mir persönlich liegen die Themen „inklu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sive Bildung“ und „Arbeitsmarkt für Menschen mit Be- der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei hinderung“ besonders am Herzen; denn beides ist grund- Genesungswünschen klatschen wir!) legend für eine eigenständige Lebensführung. Ich bin sehr dafür, dass möglichst viele Kinder mit Behinderun- Vizepräsidentin Petra Pau: gen gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern die Regel- Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Molitor das schule besuchen. Aber auch hier muss das Kindeswohl Wort. im Vordergrund stehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gabriele Molitor (FDP): Förderschulen haben somit durchaus ihre Berechtigung. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Unsere Aufmerksamkeit sollten wir auch auf den gen! Frau Hiller-Ohm, ich schätze Sie persönlich sehr. Übergang von der Schule zum Berufsleben richten, denn Doch ich muss mich über Ihre Ausführungen sehr wun- auf ihn kommt es ganz besonders an, wenn es darum dern. Sie haben nämlich die Regelbedarfsstufe 3 im Zu- geht, Teilhabe am Arbeitsleben zu gewährleisten. Der sammenhang mit den Hartz-IV-Debatten angesprochen. Fachkräftemangel zum Beispiel bietet Menschen mit Be- Wie mir meine Kollegen mitgeteilt haben, ist das, was hinderung eine gute Chance, ihr Potenzial mit einzubrin- Sie vorgebracht haben, nicht Ihr Kernanliegen gewesen. gen. Ich denke, dass hier noch jede Menge Luft nach (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wirklich nicht!) oben ist. Lediglich in der Schlussrunde ist die Überprüfung in ei- Lassen Sie mich auch ein Wort zur Entstehungsge- nem Zusatzprotokoll vereinbart worden. schichte des Antrages sagen. Gemeinsam mit meiner Kollegin Maria Michalk von der CDU/CSU-Fraktion (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Besser spät als und vielen Fachkollegen haben wir diesen Antrag erar- nie!) beitet: Aus unserer Sicht ist Behindertenpolitik nämlich eine Querschnittsaufgabe, die viele andere Ressorts an- Sich dann an dieser Stelle zum Anwalt der betroffenen geht. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für Menschen zu machen, finde ich schon mehr als verwun- (B) die Zusammenarbeit bedanken. (D) derlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Die Grünen ha- Der Antrag ist straff formuliert und konzentriert sich ben das auch gefordert!) auf die Stellen, an denen sich Stellschrauben befinden, mit deren Hilfe wir wirklich etwas umsetzen können. In Deutschland leben 8,7 Millionen Menschen mit ei- Zugleich sind alle Forderungen finanzierbar und reali- ner Behinderung. Das sind 8,7 Millionen Bürgerinnen sierbar. Empfehlungen an die Bundesländer sind nicht und Bürger, die in die Mitte unserer Gesellschaft gehö- als Diktat zu verstehen; vielmehr wollen wir die Bundes- ren. Sie gehören nicht an den Rand, und sie brauchen länder und natürlich auch die Kommunen mit ins Boot keine Sonderwelten in Bildung, Arbeit oder Wohnen. holen, um die Lebensbedingungen für Menschen mit Be- Genau das ist der Ansatz der UN-Behindertenrechtskon- hinderungen zu verbessern. vention, die dafür den Begriff „Inklusion“ verwendet. „Inklusion“ bedeutet, dass die Gesellschaft Rahmenbe- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dingungen vorzugeben hat, die notwendig sind, damit der CDU/CSU) Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Teilhabe ver- In diesen Antrag sind unzählige Anregungen aus Ge- wirklichen können. sprächen mit Menschen mit Behinderungen eingeflos- Mit dem heute vorliegenden Antrag der Regierungs- sen; das war ein wichtiges Anliegen von uns allen. Es koalition unterstützen wir die Forderung nach Inklusion, ging darum, deren Belange nach dem Grundsatz „Nicht Selbstbestimmung und Teilhabe. Behindertenpolitik hat über uns, sondern mit uns“ in das Papier einfließen zu für die Regierungskoalition einen hohen Stellenwert. Sie lassen. ist im Koalitionsvertrag verankert worden. Dort ist der Alles in allem ist Deutschland auf einem guten und Nationale Aktionsplan fixiert worden, der zurzeit im richtigen Weg. Die Politik hat den Anstoß gegeben. Eine Bundesarbeitsministerium erarbeitet wird. Die Tatsache, gesellschaftliche Diskussion muss folgen, denn nur dann dass es eine Verzögerung gibt, ist für mich eher ein Be- können wir all das, was wir hier fordern, mit Leben fül- leg dafür, dass es hier mehr auf Qualität denn auf len und wirkliche Teilhabe für Menschen mit Behinde- Schnelligkeit ankommt. Es sind viele Verbände beteiligt rungen verwirklichen. worden, um dem Grundsatz der Beteiligung gerecht zu werden. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11157

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor: Wenn Sie (C) Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin ihn annehmen würden, könnten Sie Nägel mit Köpfen Dr. Bunge das Wort. machen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Darin fordern wir Sie auf, den Kostenvorbehalt in § 13 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): des SGB XII zu streichen. Wie lange noch sollen Men- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schen mit Behinderungen aus Kostengründen gezwun- Vor uns liegen drei Anträge rund um die UN-Behinder- gen werden, in Heimen zu leben, obwohl sie in eigener tenrechtskonvention. Sie haben sicher Ilja Seifert als Wohnung oder anderen Wohnformen leben könnten, Redner der Linksfraktion in der Debatte erwartet. Ich wenn sie geeignete Assistenz – manche brauchen sogar übernehme heute seinen Part, weil mein Kollege Dr. Ilja gar keine – hätten? Der Antrag verweist auf zig Bei- Seifert, zugleich Vorsitzender des Allgemeinen Behin- spiele, wo anders gehandelt wird – unvereinbar mit dertenverbandes in Deutschland, derzeit in Thüringen Art. 19 der UN-Behindertenrechtskonvention. Das wol- seinem tödlich verunglückten Stellvertreter, Dr. Karl len wir nicht länger hinnehmen. Schran, die letzte Ehre erweist. (Beifall bei der LINKEN) Der Allgemeine Behindertenverband trägt den Zusatz „Für Selbstbestimmung und Würde“ in seinem Namen; In ihrem zweiten Antrag fordert Die Linke schon im das ist eigentlich das Credo, das auch die UN-Behinder- Titel: „Europäische Strategie zugunsten von Menschen tenrechtskonvention durchzieht. mit Behinderung 2010 bis 2020 unterstützen“! Diese Strategie benennt ergänzende Maßnahmen auf EU- Fast auf den Tag genau seit zwei Jahren ist die UN- Ebene. Es ist schon makaber, dass die Regierenden in Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland gedrängt werden müssen, diese Europäi- Deutschland. Der anlässlich der Ratifizierung einge- sche Strategie zu unterstützen. brachte Antrag der Linksfraktion, einen Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention aufzustellen – daran möchte Der Korrektheit halber – um nicht des Plagiats be- ich erinnern –, wurde von der schwarz-roten Mehrheit zichtigt zu werden – möchte ich anmerken, dass wir bei abgelehnt. Die FDP hat damals gar die Ratifizierung der diesem Antrag umfassend auf eine Bundesratsinitiative Konvention abgelehnt. Wie fatal diese Entscheidungen des Landes Rheinland-Pfalz zurückgegriffen haben. waren, zeigt sich heute: Für die Umsetzung der UN-Be- Sich auf europäischer Ebene einzubringen, bedeutet hindertenrechtskonvention wurde auf Bundesebene bis- auch, die bisherige Blockadehaltung gegenüber der (B) her nichts Konkretes getan, makabererweise mit dem 5. EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aufzugeben und (D) Verweis, dass zunächst ein Aktionsplan erstellt werden konstruktiv an ihr mitzuwirken. Dazu fordern wir Sie müsse. Das entsprechende Ziel steht seit November auf. 2009 in der Koalitionsvereinbarung; aber seither wird seitens der Bundesregierung und des Behindertenbeauf- (Beifall bei der LINKEN) tragten nur diskutiert. Ihrer Logik folgend, wurde dafür Unsere Anträge zeigen: Diese Regierung muss in Sa- aber kein Geld in den Bundeshaushalt eingestellt, weder chen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention kurz- noch mittelfristig. faktisch zum Jagen getragen werden oder – deutlicher – Heute liegt uns ein Antrag der Koalitionsfraktionen zum Handeln gezwungen werden. Insofern ist Ihr heuti- mit dem vielversprechenden Titel „Für eine umfassende ger Antrag, meine Damen und Herren von den Koali- Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – Na- tionsfraktionen, scheinheilig. Werden Sie endlich kon- tionaler Aktionsplan als Leitlinie“ vor. Darin heißt es: kret. Eine wirkliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen braucht ein inklusives Deutschland. Der Deutsche Bundestag fordert die Bunderegie- rung auf, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Danke schön. Haushaltsmittel … (Beifall bei der LINKEN) dieses und jenes zu tun. Können Sie uns einmal verraten, wie Sie die dort benannten 24 Aktionsfelder mit Leben Vizepräsidentin Petra Pau: füllen wollen? Wie soll beispielsweise „eine umfassende Das Wort hat der Kollege Kurth für die Fraktion Barrierefreiheit“ erreicht werden? Vieles wird zu sol- Bündnis 90/Die Grünen. chen Beteuerungen verkommen wie die, dass „die Be- deutung des Behindertensports zu stärken“ sei. Insbe- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sondere die, die durch Unfall und Krankheit mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen leben müssen, Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- wissen, dass gerade der Sport eine völlig neue Lebens- gen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die UN-Konven- orientierung geben kann. Paralympics und Special tion über die Rechte der Menschen mit Behinderung ist Games dokumentieren dies. Für den Behindertensport – man kann es gar nicht deutlich und oft genug betonen – endlich stabile Finanzgrundlagen zu schaffen, lohnte ein wegweisendes Menschenrechtsdokument, das Men- sich. schenrechte erstmals nicht nur als Abwehrrechte gegen den Staat formuliert, sondern als Anspruchsrechte auf (Beifall bei der LINKEN) Befähigung und Teilhabe. 11158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Markus Kurth (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sammlungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, leisten (C) sowie bei Abgeordneten der SPD) wir uns millionenschwere Polizeieinsätze. Nehmen wir den Bereich der Justiz: Es gibt keine Hausdurchsuchung Diese Befähigung – das muss man sehr deutlich machen – ohne einen richterlichen Beschluss. Niemand käme auf ist Voraussetzung für Freiheit und auch für das aktive den Gedanken, an dieser Stelle einen Kostenvorbehalt Wahrnehmen von klassischen Menschenrechten. Die geltend zu machen oder nach einer Möglichkeit zu UN-Menschenrechtskonvention ist auch deshalb ein so suchen, Hausdurchsuchungen kostengünstiger durchzu- bedeutendes Dokument, das erste große Menschen- führen. Nehmen wir abschließend die politische Willens- rechtsdokument des 21. Jahrhunderts, weil sie sich bildung: Wir akzeptieren die staatliche Parteienfinanzie- – wenn man sie genau liest, stellt man das fest – auch rung und verteidigen sie, indem wir sagen, dass Parteien mit dem Freiheitsbegriff auseinandersetzt. Freiheit ist an der politischen Willensbildung mitwirken. Wir geben nicht nur die Abwesenheit von Regeln, wie es soge- Geld direkt an die Parteien, aber auch an die Bundeszen- nannte Ultraliberale sehen, Freiheit beschränkt sich nicht trale für politische Bildung, um diese verfassungsmäßi- nur auf die Abwehr von Übergriffen, sondern Freiheit gen Rechte mit Leben zu erfüllen und entsprechende Be- setzt auch voraus, dass die Personen die Möglichkeit ha- fähigung zu ermöglichen. ben, ihre individuellen Teilhabewünsche zu entfalten, zu artikulieren und wirklich in die Tat umzusetzen. Wenn aber ein gehörloser Mensch an einer Parteiver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sammlung teilnehmen möchte – das ist bei einem unse- rer Kreisverbände passiert –, dann wird die Wahrneh- Um das einmal am Beispiel des Rechts auf Freizügig- mung des Grundrechts auf Teilhabe an der politischen keit und freie Wahl des Wohnortes konkret zu machen: Willensbildung plötzlich vom Kostenvorbehalt des Sozi- Die Wahrnehmung dieses Rechts ist für Menschen mit alhilfeträgers abhängig, der entscheiden kann, ob er den körperlichen, aber teilweise auch geistigen Einschrän- Gebärdensprachdolmetscher finanziert oder nicht. Dies kungen nur möglich, wenn es befähigende Voraussetzun- ist der Kernpunkt: Nachteilsausgleiche, die sich aus- gen gibt, zum Beispiel Assistenz in der Wohnung oder schließlich auf die Behinderung beziehen, müssen aus Barrierefreiheit oder einen sogenannten inklusiven So- dem Fürsorgerecht entfernt werden und als Teilhabean- zialraum, das heißt eine Wohnumgebung, die das selbst- sprüche eigenständig, am besten im Sozialgesetz- ständige Sich-Versorgen und die selbstständige Entfal- buch IX, verankert werden. tung im Wohnumfeld ermöglicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Schaffung solcher Voraussetzungen wie Assis- tenz und Barrierefreiheit kostet natürlich Geld. Damit Im Bereich Wohnen wäre die Streichung des soge- (B) kommen wir zum Punkt: Diese gibt es nicht zum Nullta- nannten Mehrkostenvorbehalts ein erster Schritt. Dann (D) rif. Wenn man sich mit der Umsetzung der UN-Behin- könnte man nicht mehr auf das Wohnen in einem Wohn- dertenrechtskonvention auseinandersetzt, muss man heim verwiesen werden, nur weil der Sozialhilfeträger auch das Thema Haushalts- und Kostenvorbehalte offen- meint, dass das angemessen sei und es einer eigenen siv ansprechen. Ich finde, meine Damen und Herren von Wohnung nicht bedürfe. Dies fordern wir schon seit Jah- der Koalition, Ihr Antrag ist diesbezüglich mehr als ren. Das wird jetzt in einem der Anträge der Linken wie- kleinmütig; ich kann das nicht anders sagen. Sie versu- der aufgegriffen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur chen zwar, in die richtige Richtung zu gehen, Ihr Antrag Reform der Eingliederungshilfe war diesbezüglich übri- ist aber trotzdem kleinmütig. gens schon einmal weiter, Frau Michalk. Sie hat den Mehrkostenvorbehalt vor zwei Jahren von sich aus in- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN frage gestellt. und bei der SPD) Bevor Sie Ihre Forderungen an die Bundesregierung auf- Dass Sie von den Koalitionsfraktionen solche Initiati- zählen, machen Sie als Erstes die Einschränkung: „im ven der Länder in Ihrem Antrag nicht wenigstens aufge- Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. griffen haben und nicht einmal kleine Ansatzpunkte for- muliert haben, finde ich enttäuschend, auch wenn ich Ich bin der Letzte, der nicht anerkennt, dass die mate- sehe, dass Sie sich bemühen, in die richtige Richtung zu riellen Ressourcen des Staates und der öffentlichen Hand gehen. Wir werden in den weiteren parlamentarischen nicht unendlich sind. Menschenrechte dürfen aber nicht Beratungen alles daransetzen, dass eine entsprechende unter einen Kostenvorbehalt gestellt werden. Ich hätte Umsetzung mit mehr Tempo erfolgt. mir gewünscht, dass Sie sich dazu ganz klar bekennen, bevor Sie auf die materiellen Ressourcen eingehen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Wenn bei anderen Grundrechten ein Haushaltsvorbe- Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Michalk das halt gemacht würde, würde man das als geradezu absurd Wort. ansehen. Nehmen wir einmal das Grundrecht auf Ver- sammlungsfreiheit: Wenn von uns nicht gern gesehene (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gruppierungen der extremen Rechten das Recht auf Ver- Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11159

(A) Maria Michalk (CDU/CSU): Wir müssen natürlich die föderalen Strukturen in un- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! serem Land bei der Umsetzung beachten. Das heißt, in Mit dem heute von den Koalitionsfraktionen vorgelegten allen gesellschaftlichen Bereichen ist ein enger Dialog Antrag bekräftigen wir öffentlich unsere große, umfas- mit den Ländern notwendig, der ja auch stattfindet. Ei- sende Unterstützung bei der Umsetzung des Überein- nige Länder haben für sich Eckpunkte festgelegt, andere kommens über die Rechte von Menschen mit Behinde- befinden sich noch in der Diskussion. Manche Länder rung. haben schon einen Aktionsplan aufgestellt. Wichtig ist, dass über die Verzahnung zwischen Bundes- und Lan- Es ist schon gesagt worden, dass das Vertragswerk deskompetenzen diskutiert und diese dann auch geregelt seit dem 26. März 2009 gilt. Liebe Kollegin Hiller-Ohm, wird. zu dieser Zeit stellte Ihre Fraktion die Behindertenbeauf- tragte. Die Frage ist, warum man damals nicht sofort an- Wir brauchen einen breiten Beteiligungsprozess. Die- gefangen hat, zu arbeiten. ser wurde durch die Bundesregierung, konkret durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, bewusst (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das ist ja ge- eingeleitet. Menschen mit Behinderungen, ihre Ver- schehen!) bände, viele Fachleute, viele Wissenschaftler und die Zi- Wir können Folgendes feststellen: Im Koalitionsver- vilgesellschaft haben das Angebot angenommen und in trag haben wir festgeschrieben, dass ein Nationaler Ak- den vergangenen Wochen und Monaten eine große Zahl tionsplan erarbeitet und umfassende Schritte unternom- sehr guter Ideen zusammengetragen und Anregungen men werden sollen. Der gegenwärtige Zustand, der nicht eingebracht. schlecht ist – darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen –, sollte noch einmal verbessert werden. An ei- Insofern hat die Konvention bereits jetzt einen sehr nigen Stellen sollten notwendige und wichtige Ergän- wichtigen Aspekt erfüllt: Sie hat nämlich den notwendi- zungen bzw. Veränderungen vorgenommen werden. Die gen Dialog in unserer Zivilgesellschaft insgesamt beflü- Regierung hat dann sofort mit der Erarbeitung des Natio- gelt. Das ist gut und darf nicht nachlassen. Deshalb ha- nalen Aktionsplans begonnen. ben wir mit diesem Antrag noch einmal einen Akzent gesetzt. Wir müssen uns klarmachen, was in unserem (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Davon hat man Land bereits gut geregelt ist und was nicht. nichts gemerkt!) Für manche ist das Wort Inklusion, das mit dieser Wir müssen an dieser Stelle noch einmal sagen, dass Konvention verbunden ist, gleichsam ein Zauberwort diese Konvention – das ist für uns ganz wichtig – den und weckt sehr große Hoffnungen. Anderen macht die- (B) Wechsel vom staatlichen Fürsorgeprinzip hin zum Recht ses Wort Angst, und es verbreitet sich Unsicherheit. (D) auf eine umfassende Teilhabe festschreibt. Das ist ein Wieder andere pflegen Vorurteile oder verschließen sich hohes Gut und hat eine andere Qualität. Nicht immer ist dem Dialog. Dahinter stecken auch Emotionen, weil es das nur mit mehr Geld verbunden, sondern es geht auch Menschen unmittelbar betrifft, weil es um die konkrete darum, dass wir uns Liebgewonnenes sehr genau an- Situation eines Menschen mit seiner jeweiligen Behinde- schauen, manches verändern und uns von anderem tren- rung oder sogar Mehrfachbehinderungen geht. Dieser nen. Das heißt: Nicht immer ist das, woran wir uns ge- wichtigen Herausforderung müssen wir uns stellen. Des- wöhnt haben, das Beste für die Zukunft. Uns steht daher halb ist es richtig, dass alle eingebrachten Ideen auf ihre sowohl im Dialog als auch in der Umsetzung ein umfas- Machbarkeit und Umsetzbarkeit geprüft werden. Das sender Prozess bevor. nimmt vielleicht etwas mehr Zeit in Anspruch, als wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ursprünglich gedacht hatten. Diese Zeit sollten wir uns aber nehmen. Die Motivation unseres Antrags ist jeden- In den 50 Artikeln – ich wage einmal zu bezweifeln, falls, während der Phase der Erarbeitung des Nationalen dass sich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Parla- Aktionsplans unterstützend auf die besonderen Belange ment sämtliche Artikel durchgelesen haben, deswegen der Menschen mit Behinderung hinzuweisen. erwähne ich das noch einmal – wurde festgeschrieben, welche Aufgaben zu erledigen sind. Dazu sind wir auf- Ich möchte Ihnen an einem Beispiel aus der Ausbil- gefordert, und die Umsetzung geht uns damit alle an. dung zeigen, dass wir auf der einen Seite viele gute ge- setzliche Regelungen haben, auf der anderen Seite aber Jeder Mensch hat das Recht, in Freiheit zu leben und riesige Umsetzungsprobleme zu lösen sind. So können über sein Leben sowie seine Umstände selbst zu ent- beispielsweise Jugendliche mit einer Hörbehinderung scheiden. Herr Kollege Kurth, da sind wir uns total ei- bei entsprechend ausgestatteten Ausbildungsplätzen eine nig. betriebliche Ausbildung absolvieren. So kann vermieden Ich bin auch der Meinung, dass es nicht zeitgemäß ist, werden, dass sie eine spezielle Einrichtung besuchen vorzuschreiben, wie und wo der behinderte Mensch le- müssen. Das ist der inklusive Ansatz. Der Arbeitgeber ben und wohnen soll. Eine absolute Freiheit im Hinblick kann mit einem Ausbildungszuschuss nach § 236 SGB II auf die persönlichen Bedürfnisse und die individuellen gefördert werden. Zudem könnte der Arbeitsplatz tech- Gegebenheiten ist wichtig. nisch individuell dem jeweiligen Lehrling – dem jungen Mann oder der jungen Frau – angepasst werden. Dafür (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Dann können sowohl dem Arbeitgeber nach § 237 SGB III als stimmt jetzt dem Antrag zu!) auch dem Jugendlichen nach § 33 SGB IX Unterstützun- 11160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Maria Michalk (A) gen gewährt werden. Das alles steht heute schon im Ge- rüber aus, was Sie als SPD in elf Jahren und Sie als (C) setz. Grüne in sieben Jahren Regierungsbeteiligung geleistet haben Die Praxis kennt gute Umsetzungsbeispiele, aber eben auch Situationen, in denen zwischen diesen Mög- (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lichkeiten einfach nicht entschieden wurde, die Betroffe- NEN]: In den Ländern leisten! – Gabriele nen an der Verknüpfung verschiedener Gesetze, Leis- Hiller-Ohm [SPD]: Da haben wir eine Menge tungserbringer und Bewilligungsstellen gescheitert sind, geleistet!) frustriert aufgegeben haben, letztendlich den traditionel- len Weg gegangen sind und – wenn es ganz schlimm und was Sie gegenwärtig in den Ländern, in denen Sie kam – vielleicht gar keine Ausbildung aufgenommen ha- Regierungsverantwortung tragen, leisten. Das müssten ben. Diesbezüglich sehen wir ganz konkreten Ände- wir dann sehr genau beobachten. Wir würden Sie dann rungsbedarf. beispielsweise zu Ihrer Position hinsichtlich der Hörbe- ratungsstelle hier in Berlin-Neukölln und zur Kürzung Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag for- des Blindengeldes befragen. dert mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel, die derzeit etwa 1 000 Sonderregelungen – das muss man (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sich einmal überlegen! – für die Ausbildung von behin- NEN]: Können Sie mal was zu dem Länder- derten jungen Menschen bundesweit zu vereinheitlichen recht in Baden-Württemberg erzählen? – und damit deutlich zu reduzieren. Das verbessert die Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das musste jetzt Transparenz hinsichtlich der erworbenen Qualifikatio- ja kommen!) nen und erleichtert behinderten Menschen den Einstieg in die Ausbildung und später in die Berufswelt. Vizepräsidentin Petra Pau: Man könnte noch viele weitere Beispiele aufführen. Kollege Kober, gestatten Sie eine Frage der Kollegin Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen Dialog führen Rawert? und uns nicht gegenseitig Vorwürfe machen. Es mag ja sein, dass wir bei dem einen oder anderen Punkt unter- (FDP): schiedlicher Meinung sind. Sehr gerne.

Vizepräsidentin Petra Pau: Mechthild Rawert (SPD): Kollegin Michalk, achten Sie bitte auf die Zeit. Kollege Kober, wir sind sehr gerne bereit, uns be- (B) obachten zu lassen, wie wir mit Menschenrechten um- (D) Maria Michalk (CDU/CSU): gehen; denn das trägt zur Transparenz bei. Meine Frage Aber die Menschen mit Behinderung erwarten von lautet: Welche der Maßnahmen können Sie tatsächlich uns zu Recht, dass wir diesen Prozess gemeinsam gestal- umsetzen, wenn Sie nicht über zusätzliche Finanzierung ten. Darauf freue ich mich. reden wollen? Danke schön. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Rot-Rot (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) in Berlin! Schließen von Hörberatungsstellen usw.!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Kober für die FDP-Frak- Pascal Kober (FDP): tion. Frau Kollegin, Sie haben nicht ganz genau zugehört. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Mechthild Rawert [SPD]: Doch!) Ich habe gesagt, dass wir nicht nur Finanzierungsfragen Pascal Kober (FDP): stellen sollten. Die weiteren Antworten werden Sie Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gleich meiner Rede entnehmen können. Als Mitkoalitionär findet es die FDP sehr begrüßens- wert, dass die Bundesregierung gerade dabei ist, einen (Mechthild Rawert [SPD]: Ich werde dann Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behin- noch mal nachfragen!) dertenrechtskonvention auf den Weg zu bringen. Dass das etwas länger dauert, sehen wir als Hinweis auf die Ich glaube, dass wir auch und gerade in den Berei- Qualität, die im Gespräch mit Bund, Ländern und Kom- chen Chancen haben, in denen es nicht immer gleich um munen erzielt werden soll. Es ist gut, dass wir alle Ebe- neue Gelder geht. Wenn wir lernen, umzudenken und nen mit einbeziehen. Es ist außerdem gut, dass die Bun- neue Perspektiven einzunehmen, dann können wir insbe- desregierung alle Betroffenen bzw. deren Vertreter mit sondere bei der Schaffung neuer Infrastruktur Behinde- einbezieht. rungen von Menschen ausschließen. Das ist der ent- scheidende Punkt. Wir müssen lernen, dass die Lieber Herr Kurth, liebe Frau Hiller-Ohm, wir sollten Behinderung nicht in den Menschen verortet ist, sondern uns nicht immer nur auf die Finanzierungsfrage konzen- dass die Behinderung zum großen Teil in der Umwelt trieren, denn sonst setzen Sie sich einer Diskussion da- verortet ist, die wir um die Menschen herum errichten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11161

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: und den Betroffenen miteinander im Gespräch bleiben. (C) Kollege Kober, es gibt offensichtlich innerfraktionel- Wir sollten auch darauf hinweisen, dass die Bundesrepu- len Abstimmungsbedarf. Der Kollege Lindner möchte blik weltweit für die Menschen, die von Behinderung Ihnen eine Frage stellen. betroffen sind, eine Verantwortung hat. Deshalb ist es begrüßenswert – das freut mich insbesondere als Mit- (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: glied des Ausschusses für Menschenrechte und Humani- Das würde ich jetzt nicht zulassen!) täre Hilfe –, dass unser Bundesminister für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung mit Nachdruck Pascal Kober (FDP): das Anliegen verfolgt, den Gedanken der Inklusion stär- In Ordnung. ker in die Entwicklungszusammenarbeit einzuführen. (Beifall der Abg. Gabriele Molitor [FDP]) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Kollege Kober, gerade hat sich die Kollegin Rawert Insofern freut es mich, dass wir als Koalitionsfraktionen aus Berlin so engagiert geäußert, als sie nach unserem in Zukunft in diesem Bereich besondere Verantwortung Engagement für Menschen mit Behinderung fragte. Wie übernehmen wollen, wie wir es in unserem Antrag ja finden Sie es, dass Rot-Rot, also SPD und Die Linke, die auch ausgeführt haben. sich hier als echte und wahre Verteidiger der Behinder- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ten erheblich exponieren, in Berlin, wo sie zusammen re- gieren, einen großen Kampf gegen die Hörberatungs- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) stelle in Neukölln führen – Frau Knaake-Werner hatte sich als linke Senatorin mit großem Engagement gegen Vizepräsidentin Petra Pau: diese Hörberatungsstelle eingesetzt – und auch das Blin- Für die Unionsfraktion hat der Kollege Lehrieder das dengeld gekürzt haben? Wort. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU) NEN]: Es geht doch jetzt nicht um Berliner Lokalpolitik!) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Wie sehen Sie die Realpolitik von SPD und Linken in Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Berlin im Zusammenhang mit den Reden, die hier im Liebe Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Rede Bundestag geschwungen werden? meine Freude zum Ausdruck bringen, dass neben Herrn Staatssekretär Fuchtel auch der Behindertenbeauftragte (Iris Gleicke [SPD]: Auch Zwischenfragen (B) unserer Regierung, Herr Hubert Hüppe, dieser Diskus- (D) werden geschwungen!) sion beiwohnt und genau aufpasst, worüber wir diskutie- ren. Pascal Kober (FDP): Lieber Kollege Lindner, Sie bestätigen im Grunde (Mechthild Rawert [SPD]: Der Staatssekretär!) meine Ausführungen. Wir sollten nicht mit dem Finger – Herr Staatssekretär Bahr, Entschuldigung, ich habe auf andere zeigen und auch nicht falsche Erwartungen eben nur meine Fachpolitiker gesehen. bei den betroffenen Menschen wecken, dass alles, wenn man denn nur wollte oder wenn man nur guten Herzens Wir stimmen heute über Anträge zu einem Thema ab, sei, finanzierbar ist. Sie werden im Laufe der Diskussion welches in der heutigen Gesellschaft einen besonders über den Aktionsplan, den die Bundesregierung auf den hohen Stellenwert genießt und mir persönlich sehr am Weg bringt, und zukünftig auch in der Diskussion über Herzen liegt. Mit dem Antrag der Bundestagsfraktionen die Umsetzung von Maßnahmen aufgrund dieses Ak- der CDU/CSU und FDP für eine umfassende Umsetzung tionsplanes genau beobachten können, was von den Mit- der UN-Behindertenrechtskonvention gehen wir einen bewerbern im politischen Bereich gefordert wird und weiteren wichtigen Schritt voran. Menschen mit Behin- was sie dort, wo sie in Regierungsverantwortung sind, derung soll damit eine gleichberechtigte und selbstbe- tatsächlich umsetzen. – Vielen Dank, Herr Lindner. stimmte Teilhabe mitten in der Gesellschaft ermöglicht werden. (Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU] – Christian Lindner [FDP]: Danke schön! – Zu- Erlauben Sie mir an dieser Stelle, geschätzte Frau rufe von der SPD: Oh!) Präsidentin, gerade auch im Hinblick auf die Zuschauer Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen zu zitieren: Vizepräsidentin Petra Pau: Vorsorglich weise ich darauf hin, dass ich keine wei- Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und teren Fragen bei diesem Redebeitrag zulasse; denn wir Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewis- wollen die Redezeit ja nicht auf wundersame Weise ver- sen begabt und sollen einander im Geiste der Brü- dreifachen. – Bitte. derlichkeit begegnen. Diese Rechte gelten universell. Sie werden als Völ- Pascal Kober (FDP): kergewohnheitsrecht angesehen. Dennoch zeigt die Rea- Ich denke, wir sollten die Chancen nutzen und mit al- lität leider häufig, dass Menschenrechte nicht eingehalten len politisch Beteiligten – Bund, Länder und Kommunen – werden, dass Mehrheiten Minderheiten unterdrücken, 11162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Paul Lehrieder (A) dass wirtschaftliche Faktoren moralische überdecken Oft genug – das sage ich, weil vorhin auch der finan- (C) und dass der Stärkere den Schwächeren unterdrückt. zielle Aspekt angesprochen wurde – ist es mit relativ ge- ringen Mitteln und etwas Nachdenken möglich, auch für Wenn man an die Allgemeine Erklärung der Men- Behinderte eine gute Lösung zu finden. So hat es in dem schenrechte denkt, fällt der erste Gedanke möglicher- von mir erwähnten Beispiel gereicht, neben den Stufen weise auf Länder und Regionen, in welchen erhebliche eine kleine Böschung zu teeren, sodass auch für Roll- Missachtungen dieser universellen Rechte vor der Welt- stuhlfahrer die Begehbarkeit gewährleistet war. öffentlichkeit stattfinden. In unserem Land, welches als Vorzeigeobjekt gilt, neigt man dazu, sich im Sessel zu- Ich habe diese Situation damals nicht mit den Augen rückzulehnen. Doch es gibt auch bei uns – meine Vor- eines Behinderten gesehen. Dafür bitte ich um Verständ- redner haben darauf bereits hingewiesen – noch einiges nis. Allerdings sage ich heute: Es wäre gut, bei allen Pla- zu verbessern. nungen des Staates die Strecken, auf denen Barrieren entstehen könnten, rechtzeitig gemeinsam mit Behinder- Meine Fraktion möchte mit ihrem Antrag insbeson- ten zu besichtigen und sie zu fragen: Wie beurteilt ihr dere eines erreichen: Behinderte Menschen sollen nicht unsere Planungen? mehr als Objekte der Fürsorge betrachtet und behandelt werden. Dieser Umstand führt nämlich zwangsläufig zur (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Ausgrenzung aus der Gesellschaft: auf der einen Seite Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Bürger, die Fürsorge geben, auf der anderen Seite Bür- Ich könnte Ihnen weitere Beispiele nennen, etwa das ger, die Fürsorge empfangen. Durch die umfassende Fehlen von Lichtanlagen für hörbehinderte Menschen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wol- oder das Fehlen von Lautsignalen für sehbehinderte len wir für behinderte Menschen mehr als bloße Akzep- Menschen. Ein weiteres wichtiges Thema wird in Zu- tanz in unserer Gesellschaft erreichen. Wir wollen Inte- kunft die Elektromobilität sein. Dabei geht es auch um gration und Inklusion in unsere Gesellschaft; auch die Frage: Was bedeutet die Entwicklung immer leiserer darauf wurde von meinen Vorrednern bereits hingewie- Fahrzeuge für hörgeschädigte Menschen, die überhaupt sen. keine Autos mehr hören? Hier gibt es noch einiges zu Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung von An- tun. fang an integriert sind, dass sie in den gleichen Kliniken Ich bitte das gesamte Haus – die Kolleginnen und geboren werden können, in die gleichen Kitas gehen Kollegen von der Regierungskoalition, aber auch die können, in den gleichen Schulen, Hochschulen und Aus- Kolleginnen und Kollegen von der Opposition –, ge- bildungsstätten berufliche Bildung erfahren, in den glei- meinsam daran zu arbeiten, vernünftige, gescheite Lö- chen Berufen arbeiten können, den gleichen Freizeitge- (B) sungen für die Behinderten in unserer Gemeinschaft zu (D) staltungen nachgehen können und beim Renteneintritt finden. die gleichen Möglichkeiten wie alle anderen Mitbürger ohne Behinderung haben. Danke schön. Mit unserem Antrag wollen wir darauf hinwirken, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass die Teilhabe von Menschen mit Behinderung nicht als Sonderrecht, sondern als Menschenrecht verstanden Vizepräsidentin Petra Pau: wird. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, Barrieren zu Ich schließe die Aussprache. beseitigen. Dabei geht es um psychische Barrieren, aber auch um physische Barrieren, die die Mobilität behin- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf dern, zum Beispiel um nicht abgesenkte Bordsteinkanten den Drucksachen 17/4862, 17/4911 und 17/5043 an die oder das Fehlen von Aufzügen in öffentlichen Gebäu- in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- den. schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich selbst war als Bürgermeister an einer Dorferneue- rungsmaßnahme beteiligt, in deren Rahmen wir einen Ich rufe die Zusatzpunkte 3 bis 5 auf: Dorfplatz wunderschön gestaltet haben. Ein junger Mit- ZP 3Beratung des Antrags der Abgeordneten bürger, der aufgrund eines Verkehrsunfalls an den Roll- Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Christine stuhl gebunden war, hat uns gesagt: Ihr habt das zwar Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Frak- schön gemacht, aber nicht gut. – Dann hat er mir die tion DIE LINKE Stellen, die er kritisiert, gezeigt. Als er eine Böschung mit drei Treppenstufen sah, sagte er beispielsweise: Das Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen ist für mich ein unüberwindbares Hindernis. – So etwas Rüstungsgütern stoppen fällt niemandem von uns auf. – Drucksache 17/5039 – Ein anderes Beispiel war ein Hochbord an einer Brü- Überweisungsvorschlag: cke. Dazu sagte er: Da komme ich nicht hoch. Hier brau- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) che ich jemanden, der meinen Rollstuhl hochhebt. – Bei Auswärtiger Ausschuss einer Dorfgemeinschaftsfeier wurden wir auf zwei Trep- Verteidigungsausschuss penstufen aufmerksam, aufgrund derer der junge Mann ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- sagte: Dieses Terrain bzw. diese Ebene ist für mich nicht richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- erreichbar. nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11163

Vizepräsidentin Petra Pau (A) ordneten Katja Keul, Dr. Frithjof Schmidt, Erfahrungen mit Flugverbotszonen im Irak. Es wurden (C) Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der viele Stellungen auf dem Boden bombardiert, und viele Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unschuldige Menschen sind dabei gestorben. Deswegen können wir ein solches Mandat nicht unterstützen. Rüstungsexportberichte zeitnah zum Jahres- abrüstungsbericht vorlegen (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wollen wir mal zur Sache hier – Drucksachen 17/1167, 17/1627 – reden?) Berichterstattung: Wir hätten uns gewünscht, dass es zu einer Ableh- Abgeordnete Rolf Hempelmann nung dieses Mandats gekommen wäre. Dies hängt sehr ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- eng mit dem Thema, über das wir hier sprechen, nämlich richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- Rüstungsexporte, zusammen, aber davon haben Sie an- nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge- scheinend wenig Ahnung. Wie gesagt, ich hätte mir ge- ordneten Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), wünscht, die Bundesregierung hätte das Mandat abge- Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und lehnt. Ich fordere die Bundesregierung daher auf, im der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN EU-Rat und im NATO-Rat konsequent gegen eine Betei- ligung zu stimmen. Gemeinsamen Standpunkt der EU für Waffen- ausfuhren auch bei Rüstungsexporten an EU-, (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner NATO- und NATO-gleichgestellte Länder [Berlin] [FDP]: Ich finde, wir sprechen jetzt konsequent umsetzen einmal zum Thema! Sonst ist Ihre Redezeit gleich um!) – Drucksachen 17/2438, 17/3291 – Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt, zu Li- Berichterstattung: byen. Die Geschichte wiederholt sich nämlich: Die west- Abgeordnete Kerstin Andreae lichen Staaten und die NATO-Staaten rüsten Diktatoren Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die erst auf, und dann werden sie mittels Krieg wieder abge- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre rüstet. Das ist eine Kriegspolitik, die wir ablehnen. keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner (Unruhe) [Berlin] [FDP]: So, so!) – Ich würde gern die Aussprache eröffnen. Aber dazu Gaddafi hätte gar keine Kampfflugzeuge, mit denen er jetzt gegen die demokratischen Bestrebungen vorge- (B) müsste erst einmal die notwendige Aufmerksamkeit her- (D) gestellt werden. Die Gespräche, die zu führen sind, sind hen und die Menschen bombardieren könnte, wenn wir bitte draußen zu führen. sie nicht geliefert hätten, wenn ihn die NATO-Staaten also nicht aufgerüstet hätten. Kollege Lindner, gestatten Sie, dass ich jetzt die Aus- sprache eröffne? (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Welches deutsche Unternehmen hat denn Flugzeuge (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ich bitte nach Libyen geliefert?) darum! Ich freue mich!) Deshalb brauchen wir eine Zäsur in der deutschen Au- –Danke. ßenpolitik, genauso wie wir eine Zäsur in der Atompoli- tik brauchen. So kann es nicht mehr weitergehen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- gin Hänsel für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Tuttifrutti! Jetzt reden Sie mal (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner zu Ihrem Antrag!) [Berlin] [FDP]: Jetzt wollen wir noch ein biss- chen linke Klientelpolitik genießen!) Minister Westerwelle hat vorhin wörtlich gesagt: Wir sind nicht in der Lage, überall auf der Welt die Heike Hänsel (DIE LINKE): Unterdrückung zu beseitigen. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Aber die Bundesregierung ist in der Lage, weltweit Waf- Seit heute Nacht kennen wir den neuen Beschluss des fen zu verschicken. Wir sind an Position drei, was Rüs- UN-Sicherheitsrates für eine Flugverbotszone über tungsexporte in die Welt angeht, und das ist ein Skandal. Libyen. Es ist ein umfassendes Mandat und enthält viele weitere Elemente. Wir sagen: Das ist ein Mandat für ei- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nen Kriegseinsatz in Libyen. Dies lehnen wir hier strikt neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – ab. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jawohl!) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner Deswegen kommt dieser Antrag genau zur richtigen [Berlin] [FDP]: Dazu habt ihr schon gespro- Zeit. chen!) Wir fordern einen sofortigen Stopp aller Rüstungsex- Ich weiß auch nicht, ob der Jubel der Aufständischen porte, einen Stopp der umfangreichen militärischen Zu- über diese Entscheidung lange anhalten wird. Wir haben sammenarbeit und einen Stopp der Ausbildungshilfe für 11164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Heike Hänsel (A) Polizei und Militär, wie wir es in Libyen, Ägypten und (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Deswe- (C) Tunesien erlebt haben. Daher kommt der Antrag heute gen machen Sie auch Wahlkampf!) genau richtig. Ich habe oft genug mit der Friedensbewegung dagegen (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner demonstriert. Wir fordern: Wir müssen in Baden- [Berlin] [FDP]: So ein Quatsch!) Württemberg nicht nur die AKW abschalten, sondern auch die Rüstungsschmieden schließen. – Dass Sie das hier als Quatsch bezeichnen, zeigt, wie ignorant Sie sind und was für eine Klientelpolitik Sie für (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie wer- die Rüstungskonzerne machen. den jetzt auch abgeschaltet!) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner Dafür wird die Friedensbewegung bei den Ostermär- [Berlin] [FDP]: Sie machen Klientelpolitik! – schen auf die Straße gehen, und dafür kämpft auch eine Gegenruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE starke Linke im Landtag von Baden-Württemberg. LINKE]: Rüstungslobbyisten!) Danke. Die Liste der Länder und Krisenregionen, in die wir (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner Waffen und Rüstungstechnologie schicken, nimmt kein [Berlin] [FDP]: Damit Sie für Baden- Ende. Ich kann sie hier aufzählen: Ägypten, Jemen, Ver- Württemberg noch ein bisschen Wahlkampf einigte Arabische Emirate, Israel, Indien, Pakistan, Tür- machen, sitzen wir hier rum!) kei. Alles dies sind Regionen, in denen es Konflikte gibt und in denen es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Vizepräsidentin Petra Pau: An deren Spitze steht auch noch Saudi-Arabien. Für die Unionsfraktion hat der Kollege Fritz das (Zuruf von der CDU/CSU: Kuba!) Wort. Es ist völlig unverantwortlich, was Sie hier machen, und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wir wollen das beenden. Erich G. Fritz (CDU/CSU): (Beifall bei der LINKEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Die Menschen, die in ihrer konkreten Existenz betrof- Schluss haben wir ja noch einmal erfahren, was die Mo- fen sind und sich dagegen wehren, werden dann auch tivation für diesen Antrag der Linken war. noch durch die Grenzschutzagentur FRONTEX der Eu- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau darum ropäischen Union davon abgehalten, nach Europa zu ge- (B) geht es: Sind Sie für Friedenspolitik oder für (D) langen. Auch dieses Vorgehen lehnen wir ab. Dies ist Rüstungslieferungen?) eine menschenverachtende Politik gegenüber Flüchtlin- gen, die aufgrund der Konflikte, für die wir mitverant- Ich habe eigentlich gedacht, Herr van Aken, dem ich ja wortlich sind, nach Europa kommen. das Engagement abnehme, würde heute hier sprechen. Es ist auch richtig, dass man sich in diesen Dingen enga- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner giert; das tun wir alle. Die Art und Weise verstehe ich [Berlin] [FDP]: Menschenverachtend ist der aber nur bei Herrn van Aken, weil er das Thema einmal Blödsinn, den Sie erzählen!) als Kampagnenchef einer Organisation bearbeitet hat, Herr Minister Westerwelle verlor in seiner Regie- und auf diese Weise kann er das auch am besten. rungserklärung kein Wort zu Saudi-Arabien. Er hat kein Mit diesen Anträgen werden Sie der Sache, um die es Wort zum Einmarsch in Bahrain gesagt. Im Gegenteil: geht, überhaupt nicht gerecht. Sie reichen allemal als Die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gehen weiter. Kampagnenaufruf oder als Rede im Rahmen einer De- Heckler & Koch aus Baden-Württemberg liefert Ge- monstration, aber nicht für die Darstellung und die Be- wehre nach Saudi-Arabien. Es soll sogar eine Fabrik für wältigung eines höchst komplizierten Problems. Mit ei- die Produktion einer der tödlichsten Waffen – es geht um ner einfachen Forderung in einem Satz ist hier nicht G-36-Gewehre – gebaut werden. Wir sagen: Das kann so geholfen. nicht weitergehen. Wir müssen diese Rüstungspolitik be- enden. Rüstungsexporte sind Milliardengeschäfte mit (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Entweder Rüs- dem Tod. Wer diese genehmigt, macht sich mitverant- tung liefern oder nicht!) wortlich für Krieg, Konflikte, Elend und Tod. Das gilt sowohl für den Antrag mit dem Titel „Alle Ex- porte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (Beifall bei der LINKEN) stoppen“ – Sie wissen selbst, dass das ein Show-Antrag ist – als auch für den Antrag der Grünen mit dem Titel Vizepräsidentin Petra Pau: „Rüstungsexportberichte zeitnah zum Jahresabrüstungs- Kollegin Hänsel, achten Sie bitte auf die Zeit. bericht vorlegen“, über den wir hier schon einmal ge- sprochen haben, was ich deshalb nicht vertiefe. Heike Hänsel (DIE LINKE): Sie wissen – auch aus der letzten Debatte von vor ei- Ich komme zum Schluss. – Ich komme nämlich aus nem Jahr –, dass der Rüstungsexportbericht und der Jah- Baden-Württemberg, und ich kenne unsere Rüstungs- resabrüstungsbericht von der Datenlage her so unter- schmieden. schiedlich sind, dass sie gar nicht zum gleichen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11165

Erich G. Fritz (A) Zeitpunkt vorgelegt werden können, es sei denn, Sie Wir haben alles getan, um zu transparenten und nach- (C) wollten, dass der Jahresabrüstungsbericht sehr viel spä- vollziehbaren Regelungen zu kommen, aus deutscher ter vorliegt. Insofern wäre es gut gewesen, wenn Sie die- Sicht mit dem Ziel, den Exportdruck bei den Großmäch- sen Antrag im Laufe der Diskussion zurückgezogen hät- ten, die aus früherer Zeit Überkapazitäten haben, zu ver- ten. ringern. Mich beruhigt überhaupt nicht, dass es seit dem Ende des letzten Jahres so aussieht, als würde diese ge- Zu dem dritten Antrag kann ich nur sagen: Hier tref- meinsame Linie der Europäischen Union infrage ge- fen Sie, wie Sie aus eigener Regierungserfahrung wis- stellt, weil mit dem Abkommen über eine engere Zusam- sen, die Praxis der Bundesrepublik Deutschland ziem- menarbeit zwischen Frankreich und Großbritannien auf lich genau. Das müssen wir uns eigentlich gar nicht militärischem Gebiet der multilaterale Weg verlassen gegenseitig bestätigen. wird. Dies lässt eher erwarten, dass die beiden Länder Mir geht es jetzt darum, auf den einen oder anderen versuchen wollen, aus ihren Fähigkeiten, die sie tatsäch- Zusammenhang hinzuweisen, um zu zeigen, dass das lich haben, ihre wirtschaftliche Entwicklung zu generie- Thema nicht so einfach ist und sich in solch allgemeinen ren. Anträgen – den letzten nehme ich aus – nicht erschöpft. Das steht in völligem Unterschied zu Deutschland. Worum geht es? Wir müssen doch zunächst einmal Wir haben immer auf die gemeinsame Politik, Koopera- gemeinsam feststellen, dass die Bundesrepublik tion, multilaterale Beschaffung und gegenseitige Be- Deutschland kein Land ist, das mit aller Macht Waffen in grenzung und Kontrolle gesetzt. die Welt liefert. Das ist doch ein völlig falsches Bild, das Sie zeichnen. Es ist nun einmal so – das können auch Sie nicht be- streiten –, dass jemand in einer gemeinsamen Außen- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sondern? – und Sicherheitspolitik, die auch einen militärischen Be- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Platz reich umfasst, was auch in Zukunft der Fall sein wird, drei!) dann eine besondere Rolle spielt, wenn er militärische Fähigkeiten hat. Deshalb ist die Frage, ob man noch in Im Gegenteil: Diese Politik, die wir hier in historischer irgendeinem Bereich Systemführerschaft hat und ob man Verantwortung betreiben und die durch eine bewusste Hinwendung zum Friedensgebot gekennzeichnet ist, hat Teil solch einer Kooperation sein kann, nicht unwesent- zu einer äußerst restriktiven Exportpolitik geführt, die lich. Sie ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Einflusses übrigens über die verschiedenen Regierungen hinweg nicht nur auf die gemeinsame Politik, sondern auch auf weiterentwickelt worden ist. die gemeinsame Kontrolle und Begrenzung von Rüs- tungsexporten. (B) (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was ist mit (D) Saudi-Arabien? Jemen?) Auch wenn man sich diese Zusammenhänge klar- macht, gilt, dass trotzdem alles andere sorgfältig zu be- – Sie haben heute schon genug dazu gesagt. trachten ist. Deshalb hat der Deutsche Bundestag Schritt für Schritt mit dazu beigetragen, dass die Kontrolldichte, (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, aber sagen die Berichtspflichten und die Nachvollziehbarkeit des- Sie einmal etwas zu Saudi-Arabien!) sen, was geschieht, verbessert werden. Sie werden doch auch nicht bestreiten können, dass wir in den letzten 20 Jahren sowohl bei den Kriegswaf- Wir haben Kampagnen unterstützt, die letztlich zu fen als auch bei Rüstungsgütern als auch bei Dual-use- Vereinbarungen geführt haben, zum Beispiel im Zusam- Gütern einen dauernden Fortschritt, eine dauernde Erhö- menhang mit Landminen. Man kann nicht sagen, dass hung der Kontrolldichte und eine dauernde Verbesserung die Bundesrepublik Deutschland untätig gewesen sei. der Möglichkeiten, zu kontrollieren, aufzuklären und zu Sie können im Protokoll über die Beratung Ihres letzten verhindern, erreicht und kriminellen Entwicklungen, die Antrags vom Februar nachlesen, was die Bundesregie- es immer wieder gegeben hat, Einhalt geboten haben. rung tut, um im Bereich Kleinwaffen zu Regelungen zu Das wird doch wohl niemand bestreiten wollen. kommen. Dann werden Sie merken, dass wir das Pro- blem kennen, ihm nachgehen und versuchen, zu interna- Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass in der EU tionalen Vereinbarungen zu kommen. nach gemeinsamen Regeln gearbeitet wird. Das ist ganz zentral. Denn was hilft es, in einem Bereich, den wir in Wenn die NATO bzw. die Europäische Union mit ei- Europa zusammenführen wollen – die Gemeinsame Au- ner gemeinsamen Politik Schritt für Schritt nicht nur die- ßen- und Sicherheitspolitik, zu der natürlich auch die sen Bereich begrenzt und ihn immer stärker auf die Be- Rüstung und die Ausstattung von Streitkräften gehören –, darfe von NATO und Europäischer Union konzentriert, auf der Grundlage unterschiedlicher Verfahren und eines sondern durch ihre gesamte Politik und in Zukunft auch unterschiedlichen rechtlichen Rahmens und auch mit un- durch eine aktive Außen- und Sicherheitspolitik dazu terschiedlichen industriepolitischen Ansätzen, was ja lei- beiträgt, dass es weltweit weniger Bereiche gibt, in de- der der Fall ist, zu handeln? Deshalb haben wir uns – die nen Waffen gebraucht werden – übrigens nicht nur, weil letzten drei Regierungen – für die Dual-use-Verordnung jemand Böses damit im Sinn hat, sondern auch deshalb, und den Kodex eingesetzt und dafür gesorgt, dass daraus weil Staaten das Recht haben, selbst zu entscheiden, was eine verpflichtende gemeinsame Position der Europäi- sie für ihre Verteidigung brauchen –, dann sind wir, schen Union geworden ist. glaube ich, gemeinsam auf dem richtigen Weg. 11166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Erich G. Fritz (A) Ich attestiere der Bundesregierung eine verantwortli- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja! Ja!) (C) che Politik und bin sicher, dass es auch dabei bleibt. Wir wissen, dass wir ein Kontrollregime haben. Aber Danke schön. wir wissen auch, dass wir dieses Kontrollregime noch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) verbessern und teilweise verändern müssen. Denn ge- rade Deutschland hat einen zu hohen Anteil am weltwei- ten Handel mit kleinen und leichten Waffen. Wir erleben Vizepräsidentin Petra Pau: immer wieder, zu welch fatalen Konsequenzen das füh- Die Kollegin Bulmahn hat für die SPD-Fraktion das ren kann. Wort. (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Kurz- intervention!) Rot-Grün hat im Jahr 2000 mit den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von – Entschuldigung. Das war mein Fehler. Der Kollege Jan Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ den Rüs- van Aken hat später die Gelegenheit zu einer Kurzinter- tungs- und Waffenexport erheblich restriktiver geregelt. vention. Es war richtig, dass wir das getan haben. Edelgard Bulmahn (SPD): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten DIE GRÜNEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Herren und Damen! Es hat erhebliche Fortschritte bei Aber angestiegen ist er trotzdem! Indien! Ara- der Einschränkung von Rüstungsexporten und deren bische Emirate!) Kontrolle gegeben. Trotzdem zeigen die Zahlen zu den Wir haben damals drei wichtige Entscheidungskrite- aktuellen Rüstungsexporten, die das renommierte rien festgelegt, die seitdem bei Rüstungsexporten ge- schwedische Forschungsinstitut SIPRI diese Woche vor- prüft und berücksichtigt werden müssen. Zunächst ist gelegt hat, dass zwischen 2006 und 2010 das Volumen das wichtige Kriterium der Beachtung der Menschen- des weltweiten Handels mit Waffen und anderen Rüs- rechte im Empfängerland zu nennen. Wenn Menschen- tungsgütern um 24 Prozent gestiegen ist. Deutschland rechte verletzt werden, dürfen keine Waffen in dieses liegt dabei mit einem Anteil von 8 Prozent am Weltrüs- Land exportiert werden. tungshandel im Jahr 2009 auf dem dritten Platz der glo- balen Rüstungsexportstatistik. Das ist Anlass, darüber zu (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) diskutieren; das sage ich ausdrücklich. Weiterhin muss die Frage, ob ein Export im Empfän- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (B) gerland eine nachhaltige Entwicklung be- oder verhin- (D) DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] dert – das ist eine Forderung, die von Entwicklungspoli- [FDP]: Unter welchem Außenminister war tikern jahrelang vorgetragen wurde –, geprüft und das? Außenminister Steinmeier!) berücksichtigt werden. Aber, Herr van Aken – dies sage ich an die Adresse (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) der Linken –, Sie machen es sich mit Ihrem Antrag wirk- lich zu einfach. Abschließend muss die Frage geprüft werden: Dient die Lieferung dem Ziel des Friedenserhalts und der Kon- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So sind fliktvermeidung? sie!) Anstatt Vorschläge zu machen, wie wir die Rüstungs- Die Verantwortung der jeweiligen Bundesregierung exporte sachgerecht einschränken und wie wir die Kon- mit Blick auf die Entscheidung, ob Rüstungsexporte trolle verschärfen können, sagen Sie einfach: Wir expor- durchgeführt werden dürfen oder nicht, ist durch diese tieren nicht. klaren Vorgaben deutlich gewachsen, auch wenn wir durchaus selbstkritisch feststellen müssen, dass es (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Erst einmal Ex- schwierig ist, die Einhaltung dieser Grundsätze zu über- porte stoppen und dann Konventionen voran- prüfen. treiben!) Ich plädiere ganz ausdrücklich dafür, nicht von diesen Bei aller Liebe: Das ist ein naiver Vorschlag. Ich kann Kriterien abzurücken, sondern ich halte sie für wichtig deshalb nur wiederholen, dass es sich dabei um einen und notwendig. Wir müssen aber überlegen, wie wir Show-Antrag handelt. diese Kriterien weiterentwickeln und präzisieren kön- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Unter Rot-Grün nen. sind die Rüstungsexporte auch gestiegen!) (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Es würde sich lohnen, in der Sache miteinander zu strei- Vor allem müssen wir überlegen – das ist ein wichtiger ten, wie man dieses Regime noch verbessern kann. Punkt –, wie wir mehr Transparenz bei der Frage herstel- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ len können, welche Rüstungsexporte in welchem Um- DIE GRÜNEN) fang stattfinden. Ich sage ausdrücklich, dass uns diese Zahlen alarmie- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ren müssen. Sie sind auch Anlass zum Handeln. DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11167

Edelgard Bulmahn (A) In Richtung der Koalition sage ich: Sie haben in Ih- (Iris Gleicke [SPD]: So war es!) (C) rem schwarz-gelben Koalitionsvertrag beschrieben, dass Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass das nicht es eine verantwortungsbewusste Genehmigungspolitik ein zweites Mal geschieht. geben solle. Dagegen ist auf den ersten Blick nichts ein- zuwenden. Natürlich muss es sich um eine verantwor- (Beifall bei der SPD) tungsbewusste Politik handeln. Die Begrenzung und die Kontrolle von Rüstungsex- Aber ich sage ausdrücklich: In der Genehmigungspra- porten ist ein unmittelbarer Beitrag zur Sicherung des xis kann „Verantwortung“ weniger bedeuten als „restrik- Friedens und zur Prävention von gewalttätigen Konflik- tiv“. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den es sich lohnt, ten. Deshalb: Die Transparenz über Rüstungsexporte miteinander zu erörtern. Denn ich hoffe, dass es eine muss verbessert werden. In dem jüngsten Bericht der breite Übereinstimmung in diesem Hause gibt, dass wir Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, eine restriktive Rüstungspolitik wollen. GKKE, ist das sehr gut formuliert worden. Dort heißt es: Der jüngste Rüstungsexportbericht der Bundesregierung (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ liefert zwar wort- und zahlenreich viele Informationen, DIE GRÜNEN) doch jenseits dessen, dass er wieder nicht zeitnah er- Im Augenblick erleben wir schreckliches Leid und schienen ist, wecken anhaltende Rechenfehler und Un- schreckliche Ereignisse in Libyen. Das unterstreicht, wie stimmigkeiten der Zahlen Zweifel an seiner Zuverlässig- wichtig es ist, an den geschriebenen Grundsätzen festzu- keit. – Diese Beschreibung trifft leider zu. Deshalb muss halten und auch weiterhin eine restriktive Rüstungsex- das verändert werden. Wir brauchen eine kohärente Da- portpolitik durchzuführen. tenerhebungsbasis und -methode, damit wir als Parla- ment und damit als politische Entscheider wirklich si- (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) chere Unterlagen und verlässliche Zahlen haben. Das ist Ich sage ausdrücklich, dass es mich mit großer Sorge ein ganz wichtiger Punkt, der hier erreicht werden muss. erfüllt, dass das Volumen der Hermesbürgschaften für (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) deutsche Rüstungsgeschäfte erheblich angestiegen ist. Die Bürgschaften haben sich von 21 Millionen Euro im Es gibt einen weiteren Punkt, der verändert werden Jahre 2008 auf rund 1,92 Milliarden Euro im Jahre 2009 muss. Bis heute wird der Deutsche Bundestag immer erhöht. erst nachträglich über die durchgeführten Rüstungsex- porte informiert, leider oft erst sehr lange nachdem sie Wenn der Zugang zu diesen Ausfallbürgschaften durchgeführt worden sind. Das heißt, wir brauchen nicht durch die veränderten Formulierungen sogar noch er- nur die Pflicht zur zeitnahen Berichterstattung, sondern leichtert werden soll, wird sich diese Subventionierung (B) wir müssen auch erreichen, dass, so wie auch in anderen (D) von Rüstungsgeschäften durch den Steuerzahler noch europäischen Parlamenten, der Deutsche Bundestag weiter verstärken. parallel zu den Entscheidungen informiert wird und auch (Unruhe bei der FDP) die Möglichkeit der Einflussnahme hat. Ich halte das für einen ganz entscheidenden Punkt, um tatsächlich Trans- – Lieber Kollege Lindner, niemand in diesem Hause ist parenz herzustellen und das politische Ziel der effekti- schwerhörig. Wenn Sie sich mit Ihrem Kollegen unter- ven Rüstungsexportkontrolle und das Ziel restriktiver halten möchten, reden Sie doch bitte etwas leiser. Rüstungsexporte tatsächlich zu realisieren. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Die Vorschläge, die die Gemeinsame Konferenz Kir- Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Verzei- che und Entwicklung gemacht hat, gehen genau in diese hung!) Richtung. Ich will sie ausdrücklich unterstützen. Ich be- – Bitte. Ich finde, bei diesem Thema lohnt es sich, mitei- grüße sie sehr und hoffe, dass wir hier vielleicht doch zu nander zu sprechen und nicht über andere Themen zu re- einer gemeinsamen Entscheidung kommen. den. Restriktionen bei der Exportkontrolle sind nicht im- Vizepräsidentin Petra Pau: mer einfach umzusetzen. Das, was die Bundesregierung Kollegin Bulmahn, jetzt müssen Sie doch zum an Erleichterungen angedacht hat, würde eine strengere Schluss kommen. Ich habe den Ordnungsruf, den Sie für Rüstungsexportkontrolle verhindern. Das halten wir für mich übernommen haben, schon draufgeschlagen. unverantwortlich. Deshalb darf das nicht geschehen. (Heiterkeit) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Edelgard Bulmahn (SPD): Ich will einen letzten Punkt ganz kurz ansprechen. Ich will einen weiteren Aspekt ansprechen: Der fort- schreitende Umbau der Bundeswehr und die damit ver- bundene Umrüstung machen eine genaue Begleitung Vizepräsidentin Petra Pau: und Beobachtung notwendig. Keinesfalls darf der Um- Ein Satz. bau der Bundeswehr zu erhöhten Rüstungsexporten füh- ren. Wir alle wissen, dass nach der deutschen Einheit die Edelgard Bulmahn (SPD): Auflösung der Volksarmee zu erhöhten Rüstungsexpor- Er bezieht sich auf die internationale Kontrolle des ten geführt hat. Waffenhandels, den Arms Trade Treaty. Hier kommt es 11168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Edelgard Bulmahn (A) darauf an, dass wir eine möglichst große Zahl von Staa- Ein letzter Punkt. Wichtig ist doch auch, endlich den (C) ten auf grundlegende Prinzipien zur Begrenzung und Bau der deutschen Waffenfabriken in Saudi-Arabien zu Kontrolle von Rüstungstransfers verpflichten und damit stoppen. Im Moment werden dort zwei Fabriken gebaut: völkerrechtlich bindende Richtlinien für alle Rüstungs- eine, in der das Sturmgewehr G 36 hergestellt werden exporte entwickeln. soll, und eine weitere, in der die Munition dafür produ- ziert werden soll. Wenn dieser Bau heute nicht gestoppt Vizepräsidentin Petra Pau: wird, kann Saudi-Arabien im nächsten Jahr anfangen, Kollegin Bulmahn, jetzt ist meine Geduld wirklich er- beides zu produzieren. Dann kann es 50 Jahre lang die- schöpft. ses hochmoderne deutsche Sturmgewehr in alle Welt ex- portieren. Wenn Sie und Herr Westerwelle es wirklich ernst damit meinen, dass wir auf der Seite der Menschen Edelgard Bulmahn (SPD): in Bahrain stehen, dann sollten Sie unserem Antrag zu- Es lohnt sich, darüber zu diskutieren, weil es darum stimmen; das wünsche ich mir. Wir sollten einfach sa- geht, Sicherheit herzustellen und Menschenleben zu gen: Ab sofort keine Exporte mehr nach Saudi-Arabien. schützen. Könnten Sie dem zustimmen oder nicht? Wenn nicht, Vielen Dank. warum nicht? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der LINKEN) DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Fritz, Sie haben das Wort. Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kol- lege van Aken. Erich G. Fritz (CDU/CSU): Jan van Aken (DIE LINKE): Herr van Aken, Sie wissen natürlich genau, dass diese Herr Fritz, ich bin grundsätzlich gegen jede Art von Ja/Nein-Frage so nicht zu beantworten ist. Wenn Sie eine Rüstungsexporten, weil ich es grundsätzlich falsch finde, Rede in dieser Debatte gehalten hätten, dann hätten Sie dass Deutschland auch nur einen einzigen Euro daran das alles vortragen können. Eigentlich haben Sie sich verdient, dass sich andere Menschen gegenseitig tot- nur zu dieser Kurzintervention gemeldet, um Ihren Vor- schießen. trag nachzuholen. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie bestreiten, dass wir eine restriktive Politik (B) betreiben, dann bitte ich Sie wirklich einmal, Vergleiche (D) Das beiseite genommen, bin ich jederzeit bereit, zu mit anderen Staaten dieser Welt anzustellen. Es gibt si- schauen, an welchen einzelnen Punkten man etwas ver- cher Länder, die in Sachen Transparenz noch weiter bessern könnte. Dass die deutsche Rüstungsexportkon- sind. Wie die Kollegin eben beschrieben hat, gibt es Par- trolle – das haben Sie gesagt – eine der strengsten der lamente, die vor der Durchführung wichtiger Projekte Welt sei, ist eine Legende. Das wissen Sie genauso gut einbezogen werden. Über all das kann man reden. Aber wie ich. Ein Land, das die drittmeisten Waffen in alle man kann nicht durch die Verabschiedung von Anträgen Welt exportiert und nur noch von den USA und Russland im Nachhinein Verträge annullieren. Man kann an einem getoppt wird, kann keine strenge Rüstungsexportkon- Freitagnachmittag auch nicht mal eben die Republik in trolle haben. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele einem Punkt aus den Angeln heben. Beispiele dafür vorgelegt. Sie wissen es, und ich weiß das. Deswegen muss es darum gehen, an einzelnen Länder haben berechtigterweise Interessen, natürlich Punkten tatsächlich streng und restriktiv zu werden. auch im Rüstungsbereich. Da Ihre Fraktion die Souverä- nität dieser Länder nicht beeinträchtigen kann, werden Herr Fritz – ich kann verstehen, dass Sie hier eher als Sie daran nichts ändern. Lobbyist der Rüstungsindustrie auftreten –, ich möchte Sie ganz konkret nach einem Punkt fragen, den Ihr Au- ßenminister eben erwähnt hat. Der Außenminister hat in Vizepräsidentin Petra Pau: der vorherigen Debatte gesagt: Wir sind auch bei den Das Wort hat der Kollege Dr. Lindner für die FDP- Menschen in Bahrain, die sich gegen das dortige diktato- Fraktion. rische Regime auflehnen. Sie wissen und ich weiß, dass Saudi-Arabien mittlerweile in Bahrain einmarschiert ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Auch Sie wissen, dass Deutschland in den letzten fünf der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jahren Waffen für 470 Millionen Euro an Saudi-Arabien Jetzt wird es unterirdisch!) geliefert hat. Wir alle hier sind uns einig: Die Bundesre- gierung hat Rüstungsexporte nach Tunesien, nach Ägyp- Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): ten und nach Libyen gestoppt. All das war richtig. Wenn Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Saudi-Arabien jetzt aber Waffen einsetzt, um den Auf- Ich weiß leider nicht, warum wir uns zu dieser Stunde stand in Bahrain zu bekämpfen, müssten wir dann nicht noch so intensiv mit diesem lächerlichen Schaufenster- hier und heute entscheiden, dass von Deutschland keine antrag der Linken beschäftigen sollen, Waffen mehr nach Saudi-Arabien exportiert werden dür- fen? (Zurufe von der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11169

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) der nur einem einzigen Zweck dient, nämlich mit Blick So haben wir das in der Vergangenheit gemacht. Auch (C) auf Baden-Württemberg Wahlkampf zu betreiben; das diese Bundesregierung hat das immer gemacht. hat die Kollegin deutlich gemacht. Es hätte gereicht, dass Sie einfach diesen völlig undifferenzierten, belang- Außerdem werden wir uns immer dagegen verwahren losen Antrag einbringen. Dann hätten Sie der Klientel, und aufpassen, dass wir nicht eine Technologie exportie- um die es Ihnen geht, zeigen können, was Sie für wun- ren, die später in kriegerischen Auseinandersetzungen derbare Kerle und Frauen sind. dieses Land so verändert, dass es deutlich gefährlicher als zuvor ist. Tatsächlich geht es in dieser Frage um eine sehr diffi- zile und wichtige Angelegenheit. Es geht um Kriegswaf- Wir werden aber natürlich auch die wirtschaftlichen fen im engeren Sinne. Sie vermischen alles. Es ist Ihnen Interessen unserer Unternehmen bei dieser Frage im völlig egal. Wie gesagt, geht es Ihnen darum gar nicht. Blick haben. Es wird natürlich nicht so sein, dass all die Davon abzugrenzen sind sonstige Rüstungsgüter. Das Exporte gestoppt werden, die Sie vorschlagen. Wir sind Ganze beginnt beim Militärhosenknopf, geht über wei- eine Exportnation, und wir bekennen uns dazu, Export- tere Ausrüstungsgegenstände bis hin zum Tanklastwa- nation zu sein. Wir setzen uns sogar dafür ein, dass wei- gen und Ähnlichem. Schließlich geht es um die soge- ter exportiert wird, meine Damen und Herren. Das ist nannten Dual-use-Produkte. Das sind Güter, die man ganz klar. sowohl militärisch als auch nichtmilitärisch verwenden (Beifall bei der FDP) kann. Es geht dabei um Funktechnik, um Tanklastwa- gen, um Stahlpressen und anderes. All dies ist beider- Sie sagen, Israel dürfe keine Rüstungsprodukte mehr seits verwendbar. bekommen. Wir haben jedoch eine besondere Verant- wortung gegenüber Israel. Wir werden Israel selbstver- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist eine Ver- ständlich auch wehrtechnisch unter die Arme greifen. harmlosung! – Weitere Zurufe von der LIN- KEN) (Beifall bei der FDP) – Frau Präsidentin, fordern Sie Ihre Fraktion dazu auf, Soweit dies im Kampf gegen den Terrorismus und die mir die Gelegenheit zu geben, hier ungestört zu reden. Piraterie erforderlich ist, werden wir auch Länder wie Saudi-Arabien technisch unterstützen. Vizepräsidentin Petra Pau: (Jan van Aken [DIE LINKE]: Fragen Sie ein- Zurzeit ist keine Fraktion meine Fraktion; vielmehr mal Ihren Außenminister! – Jörn Wunderlich versuche ich, hier ganz allgemein die Ordnung aufrecht- [DIE LINKE]: An Ihren Händen klebt Blut!) (B) zuerhalten. (D) Es ist bekannt, dass EADS einen Küstenschutzauftrag in (Iris Gleicke [SPD]: Allerdings!) Milliardenhöhe erhalten hat. Das ist auch richtig. Wir können nicht diese Länder als Partner im Kampf gegen Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Terrorismus und Piraterie betrachten und ihnen auf der Gut. Dann machen Sie das. anderen Seite Ausrüstung, Funktechnik und Ähnliches verwehren. Diese Güter werden wir natürlich weiterhin liefern. Vizepräsidentin Petra Pau: Das gilt heute allerdings für alle Seiten dieses Hauses, Wir werden auch weiterhin NATO-Verbündeten Zu- wenn ich das anmerken darf. gang zu unseren Waffensystemen ermöglichen. Das ist doch verrückt. Wir können uns doch nicht im Deutschen Bundestag einen Kopf über die Frage machen, was Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): NATO-Partner erwarten können. Das werden wir auch Letztlich geht es hier gar nicht um diesen Antrag. nicht zulassen. Wir werden auch den Export von Dual- Dieser Antrag ist nicht geeignet, uns in dieser Frage use-Produkten zulassen, wenn es nicht einen evidenten wirklich weiterzubringen, weil er all das auslässt. Hinweis gibt, dass diese Produkte rüstungstechnisch ver- Frau Kollegin Bulmahn, wenn Sie mit Verweis auf wendet werden. Darauf können Sie sich verlassen. Wir diesen Report sagen, zwischen 2006 und 2010 seien die werden nicht – was Sie im Sinne haben – der deutschen Exporte gestiegen, dann fragen Sie sich doch einmal, Industrie und der deutschen Exportwirtschaft den Hahn wer damals im Bundessicherheitsrat saß. Da saß Außen- abdrehen. minister Steinmeier. Mich wundert es in diesem Zusam- Frau Bulmahn, es ist witzig: Sie haben mich vorhin menhang, wenn erst Jahre später, wenn man in der Op- dafür kritisiert, dass ich die ganze Zeit geredet habe. Sel- position ist, solche Sprüche geklopft werden. ber machen Sie jetzt aber auch nichts anderes. Sie müs- Ich sage Ihnen ganz klar: Nach Maßgabe der Diffe- sen zumindest die Erwartungen erfüllen, die Sie an an- renzierung zwischen Kriegswaffen, sonstigen Rüstungs- dere stellen. gütern und Dual-use-Produkten sind wir als Freie Demo- (Beifall bei der FDP) kraten natürlich immer dabei, wenn es darum geht, die Sicherheitsinteressen unseres Landes und unserer Ver- Frau Bulmahn, es kommt natürlich auch nicht infrage, bündeten zu wahren. Im Zweifel werden wir immer die dass bei einem rein exekutiven Handeln das Parlament Sicherheit dem kaufmännischen Interesse voranstellen. vorab befasst wird. 11170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) (Zuruf von der SPD: In anderen Ländern ist (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und meine In- (C) das durchaus üblich!) tervention? Ich wurde direkt angesprochen! Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin!) Wir haben hier sehr zuverlässige Verfahren über das Bundesausfuhramt. Wir haben Verfahren, nach denen das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministe- Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rium zu Entscheidungen kommen. Das ist exekutives Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Handeln. Darüber wird anschließend berichtet. Es ist Kollegen! Kollege Lindner, Ihr Beitrag gerade war, aber nicht so, dass der Deutsche Bundestag bei einzelnen glaube ich, der beste Beweis dafür, dass Ihre Koalition Rüstungsexportfragen an die Stelle der Exekutive tritt. keine restriktive Rüstungsexportpolitik beabsichtigt. Das sage ich an dieser Stelle auch ganz klar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Zuruf von der LINKEN: Das kann man ja än- bei der SPD und der LINKEN) dern!) Unsere heutige Debatte steht im Lichte der Ereignisse Schließlich geht es der Linken nicht um einen Sach- in Libyen. Es macht wütend, mit ansehen zu müssen, beitrag. wie die Menschen dort auch mithilfe deutscher Waffen und deutscher Ausrüstung unterdrückt und bekämpft (Jan van Aken [DIE LINKE]: Doch!) werden. So mussten wir erst gestern lesen, dass 2009 un- ter anderem Panzerabwehrraketen aus dem Hause EADS Sondern es geht darum, in Baden-Württemberg noch ein samt der dazugehörigen Abschussanlagen über Frank- paar Pünktchen zu machen. Ich frage Sie, Frau Kollegin, reich nach Libyen geliefert wurden. Die Schusswaffen die Sie Verdi-Mitglied sind, wie ich es gerade festgestellt von Heckler & Koch sind natürlich auch wieder mit von habe, ob Sie das auch Ihren IG-Metall-Kollegen in den der Partie. Betrieben sagen, um die es geht. Sagen Sie das auch Ih- ren IG-BCE-Kollegen? Nein. Die deutsche Rüstungsexportpolitik hat sich viel zu weit von ihrem Anspruch hinsichtlich einer restriktiven Es geht auch um Arbeitsplätze. Es geht um Men- Politik entfernt. Zu oft werden wirtschaftliche Interessen schen, die in diesen Unternehmen arbeiten, und das sind in den Vordergrund gestellt und menschenrechtliche Kri- nicht wenige Rüstungsschmieden, sondern das sind alle terien verdrängt. Symptomatisch ist dabei die Federfüh- metallverarbeitenden Unternehmen und Unternehmen rung des Wirtschaftsministeriums statt des Auswärtigen der chemischen Industrie. Den Kollegen, denen Sie sonst Amtes in Sachen Exportkontrolle. immer den Mindestlohn versprechen, wollen Sie hier (B) den wirtschaftlichen Saft abdrehen. Darum geht es doch. (Edelgard Bulmahn [SPD]: Das hat Herr (D) Das sagen Sie denen natürlich nicht. Lindner noch nicht gemerkt! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wie war das denn bei (Beifall bei der FDP) Rot-Grün?) Wir treten als FDP für die Wahrung der Sicherheitsin- Ob Brüderle, Guttenberg oder Westerwelle: Alle ließen teressen dieses Landes und unserer Verbündeten ein. Wir sich bei ihren letzten Reisen nach Indien durch Vertreter verwahren uns auch gegen den Vorwurf, wir würden der Rüstungsindustrie begleiten und rührten ordentlich blind einfach exportieren. die Werbetrommel. Die Minister sollten ihren Ehrgeiz lieber für neue Ab- Vizepräsidentin Petra Pau: rüstungsinitiativen und für die Konversion von Arbeits- Kollege Lindner, achten Sie bitte auf die Zeit. plätzen in der Rüstungsindustrie aufbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): bei der SPD und der LINKEN) Aber wir haben natürlich unsere Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, im Blick. So kommen wir zu Stattdessen will die Koalition das deutsche Kontrollsys- einer vernünftigen, ausgewogenen Politik – in der Zu- tem entschlacken, indem sie Vorschriften im Außenwirt- kunft ebenso wie in der Vergangenheit. schaftsgesetz streicht, die deutsche Exporteure gegen- über ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen. Herzlichen Dank. Die Verbringung von Rüstungsgütern innerhalb der Union soll erleichtert werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Holger Krestel [FDP]: Gut so!) Vizepräsidentin Petra Pau: Aber auch bei Lieferungen an unsere Freunde in Bevor wir diese Debatte ernsthaft und mit der ange- NATO und EU müssen wir die deutsche Exportpraxis in- messenen Aufmerksamkeit zu Ende bringen, möchte ich, frage stellen. Im Falle Griechenlands haben die milliar- ohne dass ich den sicherlich im Protokoll vermerkten denschweren Waffenlieferungen deutscher Firmen zum Zuruf des Kollegen Wunderlich wiederholen möchte, Staatsbankrott beigetragen. diesen ausdrücklich rügen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Das Wort hat die Kollegin Katja Keul. NIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11171

Katja Keul (A) Im gesamten Jahr 2009 hat Deutschland nicht einen ein- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) zigen Antrag auf Genehmigung von Rüstungsexporten Kollegin Keul, lassen Sie eine Zwischenfrage des nach Griechenland abgelehnt. Als hätten wir nie von ei- Kollegen Fischer zu? ner Euro-Krise gehört, ist Griechenland auch 2010 welt- weit der größte Importeur deutscher Rüstungsgüter. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist unser NATO-Partner!) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Im März 2010, als wir zeitgleich im Deutschen Bundes- Frau Kollegin Keul, ist Ihnen bekannt, dass in den tag das erste Mal Finanzhilfen für Griechenland debat- vergangenen zwei Jahren Deutschland die höchsten Rüs- tierten, verkaufte ThyssenKrupp tungsexporte hatte und dass diese Tatsache aus Aufträ- gen resultiert, die während der rot-grünen Regierungs- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist zeit genehmigt worden sind? Wie erklären Sie diesen doch nicht unsere Sache! – Gegenruf des Abg. Sinneswandel? Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben doch überhaupt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) keine Ahnung! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie haben Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): keine Ahnung!) Wenn das so gewesen ist, müssen wir das ändern. Griechenland zwei weitere U-Boote im Wert von (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das könnt 1,3 Milliarden Euro. ihr nicht mehr ändern, weil ihr nicht mehr re- giert! Die Vergangenheit könnt nicht einmal Die Bundesregierung selbst verkaufte zu diesem Zeit- ihr korrigieren!) punkt noch ausgesonderte Panzerhaubitzen der Bundes- Der unter grüner Regierungsbeteiligung – das ist ein wehr für 10 Millionen Euro an Griechenland. Dabei for- wichtiger Punkt – eingeführte jährliche Rüstungsexport- dert der Gemeinsame Standpunkt der EU für bericht wird viel zu spät vorgelegt. Wir fordern in unse- Waffenausfuhren, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rem Antrag die Vorlage dieses Berichtes parallel zum des Empfängerlandes zu berücksichtigen. Gerade die Abrüstungsbericht im Frühjahr. Bundesregierung, damals schon mit 25 Milliarden Euro größter einzelner Kreditgeber, hätte wissen müssen, dass (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Als der sich Griechenland die – pro Kopf gerechnet – größte Ar- Fischer Außenminister war, habt ihr nichts ge- (B) mee Europas nicht ansatzweise leisten konnte. fordert!) (D) Die Zahlen liegen allesamt bereits vor. Es gibt keinen er- Als Konsequenz fordern wir Grünen in unserem An- sichtlichen Grund, die Vorlage des Berichtes über Mo- trag, dass der Gemeinsame Standpunkt der EU auch auf nate hinauszuzögern. Rüstungsexporte innerhalb der EU konsequent ange- wandt wird. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kollegin Keul, jetzt müssen Sie bitte auf die Zeit ach- ten. Insgesamt bestehen erhebliche Defizite bei der Trans- parenz und den Möglichkeiten öffentlicher Kontrolle der Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rüstungsexporte. Die Bundesregierung gibt ihre Gründe Weitere konkrete Vorschläge zur Verbesserung der für einzelne Exportgenehmigungen grundsätzlich nicht Kontrollmechanismen sind in Arbeit. Sie sind alle herz- preis, sondern entscheidet geheim im Bundessicherheits- lich eingeladen, daran mitzuwirken. Lassen Sie uns ge- rat. Auf diesem Weg ist Deutschland zum drittgrößten meinsam für eine restriktive und für eine an der Frie- Waffenexporteur der Welt geworden. Das darf nicht so denspolitik ausgerichtete Rüstungskontrolle Sorge bleiben. tragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vielen Dank. und bei der SPD – Dr. Peter Röhlinger [FDP]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das sagen Sie! Ich sehe das nicht so!) und bei der SPD) Die Forderung der Linken nach einem Handelsverbot für sämtliche Rüstungsgüter scheint mir doch sehr davon Vizepräsidentin Petra Pau: geprägt, dass die Linke nicht wirklich damit rechnet, ein Bevor ich die Debatte schließe, verweise ich all dieje- solches Verbot praktisch umsetzen zu müssen. nigen, die im Moment ein wenig aufgeregt sind, auf § 27 unserer Geschäftsordnung, der das Thema Worterteilung Uns Grünen ist vor allem mehr parlamentarische und Wortmeldung, darin auch Kurzinterventionen und Kontrolle der Rüstungsexporte wichtig. Der Bundestag Zwischenfragen, zum Inhalt hat. In der nächsten Sit- muss in die Genehmigungsverfahren einbezogen wer- zungswoche können wir dann sicher entsprechend wie- den. der in die Debatte einsteigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich schließe die Aussprache. 11172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf auch bei Rüstungsexporten an EU-, NATO- und NATO- (C) Drucksache 17/5039 an die in der Tagesordnung aufge- gleichgestellte Länder konsequent umsetzen“. Der Aus- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung Drucksache 17/3291, den Antrag der Fraktion so beschlossen. Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2438 abzu- lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Zusatzpunkt 4: Beschlussempfehlung des Ausschus- Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- ses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfrak- „Rüstungsexportberichte zeitnah zum Jahresabrüstungs- tion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion, der Fraktion bericht vorlegen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/1627, den An- Die Grünen angenommen. trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa- Interfraktionell ist vereinbart, den Tagesordnungs- che 17/1167 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- punkt 31 abzusetzen. – Ich sehe und höre keinen Wi- schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer derspruch. Dann ist so beschlossen. enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion ge- Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- gen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die ordnung. Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange- nommen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- destages auf Mittwoch, den 23. März 2011, 13 Uhr, ein. Zusatzpunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Die Sitzung ist geschlossen. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Ge- meinsamer Standpunkt der EU für Waffenausfuhren (Schluss: 15.18 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11173

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bellmann, Veronika CDU/CSU 18.03.2011 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 18.03.2011

Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 18.03.2011 Kipping, Katja DIE LINKE 18.03.2011 Wolfgang Klöckner, Julia CDU/CSU 18.03.2011 Bracht-Bendt, Nicole FDP 18.03.2011 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 Brinkmann (Hildesheim), SPD 18.03.2011 DIE GRÜNEN Bernhard Kolbe (Leipzig), SPD 18.03.2011 Brüderle, Rainer FDP 18.03.2011 Daniela

Bülow, Marco SPD 18.03.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 18.03.2011

Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 18.03.2011 Körper, Fritz Rudolf SPD 18.03.2011

Burchardt, Ulla SPD 18.03.2011 Korte, Jan DIE LINKE 18.03.2011

Burgbacher, Ernst FDP 18.03.2011 Kossendey, Thomas CDU/CSU 18.03.2011

Canel, Sylvia FDP 18.03.2011* Kramme, Anette SPD 18.03.2011

(B) Dağdelen, Sevim DIE LINKE 18.03.2011 Kressl, Nicolette SPD 18.03.2011 (D)

Dr. Danckert, Peter SPD 18.03.2011 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 DIE GRÜNEN Ernst, Klaus DIE LINKE 18.03.2011 Kunert, Katrin DIE LINKE 18.03.2011 Ernstberger, Petra SPD 18.03.2011 Leidig, Sabine DIE LINKE 18.03.2011 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 18.03.2011 Dr. h. c. Michelbach, CDU/CSU 18.03.2011 Fischer (Karlsruhe- CDU/CSU 18.03.2011* Hans Land), Axel E. Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 Freitag, Dagmar SPD 18.03.2011 DIE GRÜNEN

Friedhoff, Paul K. FDP 18.03.2011 Dr. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 DIE GRÜNEN Göppel, Josef CDU/CSU 18.03.2011 Petermann, Jens DIE LINKE 18.03.2011 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 18.03.2011 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 18.03.2011 Hartmann (Wackernheim), SPD 18.03.2011 Michael Pieper, Cornelia FDP 18.03.2011

Hempelmann, Rolf SPD 18.03.2011 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 18.03.2011

Dr. Hendricks, Barbara SPD 18.03.2011 Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 Claudia DIE GRÜNEN Hennrich, Michael CDU/CSU 18.03.2011* Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 18.03.2011 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 DIE GRÜNEN Schlecht, Michael DIE LINKE 18.03.2011 11174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011

(A) um weitere circa 100 Milliarden Euro auf. Deutschland (C) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich haftet dann mit über 300 Milliarden Euro, was insgesamt eine Staatsverschuldung von 2,3 Billionen Euro bedeu- tet. Diese rasante Steigerung gefährdet auch die bishe- Schmidt (Eisleben), SPD 18.03.2011 rige deutsche Bonität und wird zu einer Verteuerung der Silvia Kreditaufnahmen von Bund, Ländern und Kommunen führen. Strothmann, Lena CDU/CSU 18.03.2011 Zweitens. Europa muss sich heute in der globalisierten Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 Welt gegenüber den USA, China, Indien usw. behaupten. DIE GRÜNEN Nur ein starkes und wettbewerbsfähiges Europa wird hier mithalten können. Die von einer europäischen Wirt- Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 schaftsregierung ausgehende „Nivellierung auf ein Mit- DIE GRÜNEN telmaß“ zwischen Deutschland und Griechenland wird Europa seine Wettbewerbsfähigkeit kosten. Die dauer- Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 18.03.2011 hafte Garantie der Europäischen Union, die Zahlungsun- DIE GRÜNEN fähigkeit insolventer Staaten zu sichern, wird es diesen ermöglichen, ihre Verschuldungspolitik zulasten der eu- Vogel (Kleinsaara), CDU/CSU 18.03.2011 ropäischen Partner fortzusetzen. Jahrhundertelange kul- Vo l k m a r turelle Unterschiede in Europa lassen sich nicht von heute auf morgen beseitigen und die Einführung „deutscher Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 18.03.2011 Stabilitätskultur“ im Mittelmeerraum ist eine Illusion. Werner, Katrin DIE LINKE 18.03.2011 Drittens. Deutschland und Europa brauchen deshalb mehr denn je das marktwirtschaftliche Prinzip der Ei- Zimmermann, Sabine DIE LINKE 18.03.2011 genverantwortung. Wer spekuliert und 16 Prozent Zin- sen für griechische Staatsanleihen kassiert, muss eben notfalls auch mit einer Insolvenz Griechenlands rechnen * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates und dann den Verlust tragen. Staaten, die sich übermäßig verschulden, müssen für ihre Schulden auch höhere Zin- sen zahlen, da nur dies ihre Verschuldung nach oben ab- Anlage 2 bremsen wird. Nationen, die mit 55 oder 60 in Rente ge- (B) hen wollen, sollen dies tun, dann aber nicht andere dafür (D) Erklärung nach § 31 GO bezahlen lassen. Nur ein solches Europa der Eigenver- des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) antwortung wird die Kraft zur Stabilisierung aufbringen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den globalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts be- zu dem Antrag: Einvernehmensherstellung von stehen. Bundestag und Bundesregierung zur Ergän- zung von Artikel 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Anlage 3 hinsichtlich der Einrichtung eines Europäi- Amtliche Mitteilungen schen Stabilitätsmechanismus (ESM) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Der Bundesrat hat in seiner 880. Sitzung am 25. Fe- ges nach Artikel 23 Absatz 3 Grundge- bruar 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen setz i. V. m. § 10 des Gesetzes über die zuzustimmen bzw. einen Einspruch gemäß Artikel 77 Zusammenarbeit von Bundesregierung Absatz 3 des Grundgesetzes nicht einzulegen: und Deutschem Bundestag in Angelegen- – Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur heiten der Europäische Union Änderung des Zweiten und Zwölften Buches So- (96. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11) zialgesetzbuch Den heutigen Anträgen zu dem oben genannten Ta- – Siebtes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches gesordnungspunkt kann ich aus den folgenden Gründen Sozialgesetzbuch nicht zustimmen: Erstens. Der Euro-Rettungsschirm und seine für März Der Ausschuss nach Artikel 77 des Grundgesetzes bevorstehende Verdoppelung treibt die deutsche Staats- (Vermittlungsausschuss) hat in der 2. Fortsetzung seiner schuld in unverantwortliche Höhen. Bereits 2010 ist der 10. Sitzung am 23. Februar 2011 folgenden Einigungs- Schuldenberg wegen der Banken-Rettungsprogramme vorschlag beschlossen: von 1,7 Billionen Euro um 304 Milliarden Euro auf Das vom Deutschen Bundestag in seiner 79. Sitzung 2 Billionen Euro angewachsen. Für die bisherigen Euro- am 3. Dezember 2010 beschlossene Rettungsprogramme haftet Deutschland mit rund 220 Mil- liarden Euro. Die für März beschlossene Verdoppelung Siebte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches So- des Euro-Rettungsschirms stockt die deutsche Haftung zialgesetzbuch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. März 2011 11175

(A) – Drucksachen 17/3631, 17/3683, 17/4033, 17/4059, Finanzausschuss (C) 17/4094, 17/4291 – Drucksache 17/4598 Nr. A.13 wird bestätigt. Ratsdokument 5037/11

Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Haushaltsausschuss mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 Drucksache 17/4598 Nr. A.15 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den EuB-EP 2118; P7_TA-PROV(2011)0491 nachstehenden Vorlagen absieht:

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/4509 Nr. A.14 – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik EuB-EP 2098; P7_TA-PROV(2010)0434 Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Drucksache 17/4509 Nr. A.15 Europarates EuB-EP 2104; P7_TA-PROV(2010)0445 Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- Drucksache 17/4509 Nr. A.16 parates vom 28. September bis 2. Oktober 2009 in EuB-EP 2105; P7_TA-PROV(2010)0446 Straßburg Drucksache 17/4598 Nr. A.16 Ratsdokument 5053/11 – Drucksachen 17/3577, 17/4292 Nr. 1.1 – Drucksache 17/4598 Nr. A.17 Ratsdokument 18201/10 – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Inter- parlamentarischen Union 122. Versammlung der Interparlamentarischen Union Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und vom 27. März bis 1. April 2010 in Bangkok/Thailand Verbraucherschutz – Drucksachen 17/3780, 17/4499 Nr.1.1 – Drucksache 17/4768 Nr. A.12 Ratsdokument 5208/11 Innenausschuss

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuss für Arbeit und Soziales Elfter Bericht der Bundesregierung über den Stand der Drucksache 17/4338 Nr. A.15 Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen im Zusam- Ratsdokument 16489/10 menhang mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (B) – Drucksachen 17/1398, 17/1819 Nr. 1.1 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (D) Drucksache 17/2994 Nr. A.49 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ratsdokument 11137/10 Drucksache 17/3791 Nr. A.12 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 14701/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.28 Rohstoffstrategie der Bundesregierung – Sicherung ei- Ratsdokument 17412/10 ner nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit Drucksache 17/4927 Nr. A.24 nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen Ratsdokument 5530/11 – Drucksachen 17/3399, 17/3737 Nr. 1.3 –

Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Ausschuss für Bildung, Forschung und mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- Technikfolgenabschätzung dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- Drucksache 17/720 Nr. A.16 ratung abgesehen hat. Ratsdokument 5265/10 Drucksache 17/2071 Nr. A.33 Ratsdokument 9348/10 Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/3280 Nr. A.11 Ratsdokument 13486/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.6 Ratsdokument 16906/10 Ausschuss für die Angelegenheiten der Innenausschuss Europäischen Union Drucksache 17/4768 Nr. A.3 Drucksache 17/4338 Nr. A.22 Ratsdokument 5659/11 EuB-EP 2089; P7_TA-PROV(2010)0376 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-7980