Speciale Tessiner Zeitung
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Herbst 2014 Seit 1908, früher Extra-Ausgabe DerDer wildewilde SüdenSüden derder SchweizSchweiz Das Projekt im Locarnese als offizieller Kandidat für einen Nationalpark © G. Lob er Nationalpark des Locarnese liegt im “Wilden Geblieben von der einst blühenden alpinen Kultur sind gewaltige beraubend hinunter ins Centovalli, das Tal der Hundert Seitentä- Süden” der Schweiz: dort, wo die afrikanische Terrassierungen aus Trockenmauern, Tausende im Wald zerstreu- ler, zur Schlucht des Flusses Melezza. Weiter geht es über einen Kontinentalplatte auf die europäische stosst. Es ist te Rustici, sowie Dutzende intakter Dörfer, welche fast alle im alten Saumpfad ins wilde Onsernonetal. Zwei ganz besondere Ex- ein Gebiet der Extreme, steil und zerklüftet, mit Schweizer Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder aufge- klaven des Nationalparks sind Linescio, das mit seinen 25 Kilo- Dtiefen Schluchten und reissenden Gewässern. Der führt sind. meter langen Terrassierungen aus Trockenmauern an die berühm- Wald gleicht manchmal schon einem Urwald. Wer Wildnis und Abenteuer sucht, braucht also nicht in ferne Län- ten InkaTerrassen von Macchu Picchu erinnert, und das 1244 von Früher war dieses Gebiet dicht besiedelt. Doch die kargen Berg- der zu reisen: Er findet einen Hauch von Urwald, Grand Canyon deutschsprachigen Walser Immigranten gegründete Bosco Gurin. hänge waren nie ertragreich, Hunger war die Folge. Buben wur- und Macchu Picchu sozusagen vor der Haustür. Wenige Hundert Die “Tessiner Zeitung” widmet diese Extra-Beilage dem Natio- den als Kaminfeger verdingt. Viele Menschen emigrierten. Im Ver- Meter oberhalb Asconas und Brissagos fängt der Wald des Natio- nalparkprojekt Locarnese, das sich seit 2011 als offizieller Kandi- lauf des 20. Jahrhunderts wurden grosse Teile der landwirtschaft- nalparks des Locarnese an. Der Pfad schlängelt sich steil vom Ufer dat in der Errichtungsphase befindet. Es handelt sich um Informa- lich genutzten Flächen definitiv aufgegeben und die Wildnis holte des Lago Maggiore hinauf bis auf den fast 2‘200 Meter hohen tionen und Anregungen, um dieses einzigartige und vielfältige Ge- sich diese Gebiet allmählich zurück. Der Wald rückte wieder vor. Monte Ghiridone. Auf der anderen Seite des Berges geht es atem- biet kennenzulernen. gl Chronologie und Details Quer durch den Park: Unterwegs im Centovalli: Produkte aus ÖV im Park: Vom TaxiAlpin Veloplausch im Park: Soft zum Parkprojekt Seite 3 Trekking dei fiori Seite 7 Der alte Marktweg Seite 13 dem Park: bis zur Seilbahn Seite 25 oder sportlich Seite 29 Bier, Käse, Interview mit Präsidentin Über den Saumpfad von Zu Fuss bequem durch die Maismehl, Unberührter Wald: Die fünf Die grosse Vielfalt der Terre di Pedemonte Seite 17 und Projektleiterin Seite 5 Intragna nach Loco Seite 9 Fleisch Seite 21 Waldreservate Seite 27 Aktivitäten Seite 31 In partnership with Herbst 2014 3 Gesetzliche Grundlagen Im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) ist festgelegt: Ein Nationalpark ist ein grösseres Gebiet, das der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt unberührte Lebensräume bietet und der natürlichen Entwicklung der Landschaft dient (Art .23). Er besteht aus einer Kernzone, in der die Natur sich selbst überlassen wird und die für die Allgemeinheit nur beschränkt zugäng- lich ist, und einer Umgebungszone, in der die Kulturlandschaft naturnah bewirtschaftet und vor nachteiligen Eingriffen geschützt wird. In der Pärkeverordnung (PäV) ist wiederum festgelegt, dass die Fläche der Kernzone eines Nationalparks an der Alpensüdflanke mindestens 75 Qua- dratkilometer beträgt. Die Kernzone kann aus nicht zusammenhängenden Teilflächen bestehen. Untersagt ist in der Kernzone unter anderem “das Betreten ausserhalb der vorgegebenen Wege und Routen”. (Art. 17). Projekt Nationalparkprojekt des Locarnese von Gerhard Lob er “Nationalpark des Lo- carnese” ist ein Gemein- schaftsprojekt von 13 Gemeinden und 13 Bür- gergemeinden (patrizia- ti) der Region zur Erhal- Dtung und zum Schutz eines Gebietes von aussergewöhnlicher Schönheit. Es er- streckt sich von den Brissagoinseln des Lago Maggiore bis zur Ortschaft Bosco Gurin, der einzigen Walser-Siedlung im Tessin. Auf einer Strecke von nur 35 Ki- lometern reicht das Gebiet von 193 m ü. M. am Ufer des Langensees bis zu 2‘863 m ü. M. auf dem Wandfluhhorn (Pizzo Biela) und wechselt dabei von subtropi- schem zu alpinem Klima. Die Vielfalt der Natur, in Verbindung mit dem kulturellen Erbe dieser Region, macht die Faszination dieses National- park-Projekts aus. Mit der Förderung des Tourismus sowie regionalen Produkten soll der nachhaltigen Entwicklung der ganzen Region neue Impulse verliehen werden. Im Gegensatz zu einer weit ver- breiteten Meinung geht es nicht darum, die ganze Region unter eine Käseglocke zu stellen. Vielmehr ist der Park als le- bendiger Lebensraum gedacht, in dem einzig einige Kernzonen ausschliesslich der Natur überlassen bleiben. Gemäss den Kategorien der “International Union for Conservation of Nature” (IUCN) sind die Kernzonen eines modernen National- parks als Kategorie 2 definiert und damit weniger stark geschützt als der bestehen- de Nationalpark im Engadin. Ursprünglich waren weite Teile des obe- ren Maggiatals für den Nationalpark vor- gesehen. Doch die Gemeinden Cevio, Campo und Cerentino scherten aus. Neu hinzu kamen dafür Ascona, Brissago, Ronco s/Ascona, Losone, Terre di Pede- monte, die ihre bergwärts gelegenen Ge- biete in den Park integrieren wollen. Ver- blieben sind die Gemeinden Centovalli, Gresso, Isorno, Mosogno, Onsernone und Vergeletto, genauso wie Bosco Gurin und Linescio, die somit zu Exklaven des vor- gesehenen Parkgebiets werden. Der Nationalpark des Locarnese hat den Status eines Kandidaten und befindet sich in der so genannten Errichtungspha- se. Er erhält dafür Zuwendungen des Bundes, des Kantons Tessin und der Ge- meinden. Die Abstimmungen in den be- teiligten Gemeinden zur Frage, ob der Park definitiv eingerichtet wird, werden wahrscheinlich 2016 stattfinden. Nazionale Parco Viele Informationen und Details zum Na- tionalpark auf: www.parconazionale.ch Ein neuer Nationalpark – eine kleine Chronologie Ein Park für alle Das Nationalparkprojekt des Locar- nese soll allen offen stehen, auch 1914: Der erste Schweizerische Nationalpark wird im Unterengadin eingeweiht. 2006: Das Parlament verabschiedet die NHG-Revision. Neue National- und Na- Menschen mit Handicap. Sowohl Er ist bis heute der einzige Nationalpark der Schweiz. turpärke in der Schweiz haben nun die nötige gesetzliche Grundlage. die Internetseite als auch die ver- schiedenen Routen, Wege, Projekte 1998: Erste Vorstösse im Eidgenössischen Parlament leiten die Diskussion um 2007: Die Verordnung zum NHG-Gesetz, die “Pärke-Verordnung”, wird vom und Unterkünfte in der Region wer- neue grosse Schutzgebiete ein. Parlament angenommen. den nach Möglichkeit zusammen mit Partnerorganisationen entspre- 2000: Pro Natura lanciert ihre Kampagne “Gründen wir einen neuen National- 2010/2011: Die meisten Nationalpark-Projekte wurde aufgegeben. Geblieben chend gestaltet. Weitere Informatio- park!”. Alle Schweizer Gemeinden werden eingeladen, zu prüfen, ob sich ihr Gebiet sind die beiden Projekte Parc Adula und Parco Nazionale del Locarnese. Sie erhalten nen auf Internet: www.parconazio- für einen neuen Nationalpark eignet. Pro Natura verspricht dem ersten neuen Natio- 2010 beziehungsweise 2011 vom Bund das offizielle Label “Nationalpark-Kandi- nale.ch (Parco a 360°). nalpark eine Million Schweizer Franken. dat” und befinden sich seither in der so genannten Errichtungsphase. 2001: existieren sechs Nationalpark-Projekte: Locarnese (TI), Adula (GR/TI), Haut 2011: Pro Natura verspricht dem Parco Nazionale del Locarnese eine Mio Fran- Val de Bagnes (VS), Les Muverans (VD/VS), Matterhorn (VS) und Maderanertal (UR). ken. Das Geld soll den Grundeigentümern der naturbelassenen Kernzonen des künf- tigen Parks zugutekommen. 2003: Als Folge der parlamentarischen Vorstösse (siehe “1998”) hat das zuständi- ge Bundesamt eine Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) ausgear- 2016: In diesem Jahr wird wahrscheinlich in den teilnehmenden Gemeinden über beitet. Neu mit einem Kapitel zu Pärken von nationaler Bedeutung. Der Bundesrat die Errichtung des Parco Nazionale del Locarnese für eine Betriebszeit von zehn Jahren schickt das revidierte Gesetz in die Vernehmlassung. abgestimmt. Herbst 2014 5 Parkpräsidentin Tiziana Zaninelli und Projektleiterin Samantha Bourgoin über die Fortschritte beim Nationalparkprojekt Locarnese und die Aussichten für die Region Interview “Ein Nationalpark ist ein demokratischer Prozess” von Gerhard Lob mentrekking, Trekking dei fiori, das wir 2013 erstmals durchgeführt haben. essiner Zeitung: Im Jahr Der Nationalpark Locarnese hat den 2000 hat Pro Natura ei- offiziellen Status eines Nationalpark- nen neuen Nationalpark kandidaten. Erhalten Sie Subventionen angeregt und eine “Be- der öffentlichen Hand? lohnung” von einer Milli- Tiziana Zaninelli: Wir erhalten Zuwen- on Franken versprochen. dungen von der Eidgenossenschaft, vom TBis ins Jahr 2014 konnte ein solcher Kanton Tessin, von Gemeinden und pri- Nationalpark aber nicht verwirklicht vaten Stiftungen. Die Gelder dienen dazu, werden. Wir es diesen je geben? konkrete Projekte, von denen wir gerade Samantha Bourgoin: Ich glaube schon. sprachen, umzusetzen, aber auch das Na- Es ist nur eine Frage der Zeit. Am Ende tionalparkprojekt bekannt zu machen. entscheiden auf alle Fälle die Einwohner Lässt sich schon abschätzen, welchen des jeweiligen Einzugsgebiets. Als Pro wirtschaftlichen