Plenarprotokoll 14/23

Deutscher

Stenographischer Bericht

23. Sitzung

Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

I n h a l t :

Absetzung des Punktes 2 von der Tages- Walter Hirche F.D.P...... 1780 A ordnung...... 1759 A CDU/CSU...... 1781 B , Bundesminister BMF...... 1782 D Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ...... 1783 A a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- CDU/CSU...... 1784 C zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 Jochen Borchert CDU/CSU...... 1785 A (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) ...... 1759 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Tagesordnungspunkt 3: Bericht über den Stand und die voraus- a) Erste Beratung des von der Bundesregie- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- rung eingebrachten Entwurfs einesZwan- schaft (Drucksache 14/350)...... 1759 B zigsten Gesetzes zur Änderung des Bun- Peter Jacoby CDU/CSU...... 1759 B desausbildungsförderungsgesetzes (Druck- sache 14/371)...... 1790 A Ingrid Matthäus-Maier SPD...... 1760 B CDU/CSU ...... 1760 D b) Antrag der Abgeordneten Jürgen W. Möl- lemann, , weiterer Abge- Ottmar Schreiner SPD ...... 1762 A ordneter und der Fraktion der F.D.P. Ernst Hinsken CDU/CSU ...... 1765 A Reform des Bundesausbildungsförde- rungsgesetzes (Drucksache 14/358)...... 1790 A Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU ...... 1765 D Jürgen Koppelin F.D.P...... 1766 B c) Antrag der Abgeordneten Maritta Böttcher und der Fraktion der PDS Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN...... 1769 B Umsetzung der Reform der Ausbildungs- förderung (Drucksache 14/398 [neu])...... 1790 B Dr. PDS ...... 1770 A , Bundesministerin BMBF . 1790 B Jürgen Koppelin F.D.P...... 1771 B Horst Seehofer CDU/CSU ...... 1773 B Jürgen W. Möllemann F.D.P...... 1791 B Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ CDU/CSU ...... 1794 A DIE GRÜNEN ...... 1776 D, 1780 C BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Barbara Höll PDS ...... 1778 D NEN...... 1796 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS...... 1779 A Cornelia Pieper F.D.P...... 1798 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Maritta Böttcher PDS...... 1799 D Anlage 2 Stephan Hilsberg SPD ...... 1800 C Erklärung des Abgeordneten Günther Fried- rich Nolting (F.D.P.) zur namentlichen Ab- Dr. SPD...... 1800 D stimmung über den Antrag der Bundesre- gierung „Deutsche Beteiligung an der mili- Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU. 1803 A tärischen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den Kosovo sowie an Nächste Sitzung ...... 1804 C NATO-Operationen im Rahmen der Notfall- truppe (Extraction Force)“...... 1805 D

Anlage 1 Anlage 3 Liste der entschuldigten Abgeordneten...... 1805 A Amtliche Mitteilungen...... 1806 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1759

(A) (C)

23. Sitzung

Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Beginn: 9.05 Uhr

Vizepräsident Dr. : Guten und Steuerpolitik diskutiert. Dabei haben drei Themen Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden: Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Erstens. Wie gelingt es uns, dieArbeitslosigkeit ab- Wir beginnen die Sitzung auf Wunsch der Sozialde- zubauen und zu mehr Beschäftigung in unserem Land zu mokraten etwas später, weil diese noch eine Fraktions- kommen? sitzung hatten. Zweitens. Was muß geschehen, damit dieSysteme Bevor wir in dieTagesordnung eintreten, teile ich der sozialen Sicherheitzukunftsfähig und wetterfest Ihnen mit, daß der Tagesordnungspunkt 2, Beratung der gemacht werden? Vorlagen zur ökologischen Steuerreform, abgesetzt ist Drittens. Wie und wo können wir sparen? EineRe- und in der nächsten Woche, voraussichtlich am Mitt- woch, beraten wird. Wir setzen die Haushaltsberatungen duzierung der Staatsquote, verbunden mit einer Redu- zierung der Steuer- und Abgabenlast, ist in unserem – Punkt 1 der Tagesordnung – fort: Land dringend notwendig. (B) (D) a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Das sind die drei zentralen Themen unserer Diskus- sion. Ich möchte an die Überschrift der Haushaltsrede Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das des Bundesfinanzministers „Versprochen – gehalten“ Haushaltsjahr 1999 anknüpfen. Sie haben in der Tat in den letzten Wochen (Haushaltsgesetz 1999) und Monaten Gesetze beschlossen; allerdings ist deren – Drucksache 14/300 – Finanzierung bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesichert, Überweisungsvorschlag: sondern offen. Haushaltsausschuß (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- Sie, meine Damen und Herren von den Regierungs- regierung fraktionen, haben darüber hinaus Gesetze, die wir in der letzten Legislaturperiode beschlossen haben, zurückge- Bericht über den Stand und die voraussicht- nommen – kostenbegrenzende Maßnahmen, deren Ge- liche Entwicklung der Finanzwirtschaft genfinanzierung bis zur Stunde ebenfalls nicht geklärt – Drucksache 14/350 – ist. Entscheidend ist – in dem Sinne, der auch in Ausfüh- Überweisungsvorschlag: rungen des Kanzleramtsministers nachzulesen ist –: Das Haushaltsausschuß (federführend) Zurücknehmen von Reformen bedeutet noch keine Finanzausschuß Reform. Ich stelle fest: Am Ende der Beratungen in die- ser Haushaltswoche gibt es bis zur Stunde noch kein ge- Wir kommen zur Schlußrunde. Ich erinnere daran,schlossenes Politikkonzept, das den Herausforderungen daß wir am Dienstag für die heutige Aussprache zweider Gegenwart oder gar der Zukunft – den Herausforde- Stunden beschlossen haben. rungen wirtschaftspolitischer, finanzpolitischer oder ar- Das Wort hat der Kollege Jacoby von der CDU/CSU- beitsmarktpolitischer Art – entspräche. Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) In diese Kritik stimmen auch andere mit ein, und Peter Jacoby (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine zwar solche, die unverdächtig sind. Wenn zum Beispiel Damen und Herren! Wir haben in den zurückliegenden der Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung darlegt, Tagen dieser Haushaltswoche des Deutschen Bundes-die Bundesrepublik Deutschland stehe vor einem Jahr- tages über zentrale Fragen unserer Haushalts-, Finanz- zehnt des Umbaus des Sozialsystems, des Subventions- 1760 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Peter Jacoby (A) systems, des Steuersystems und des Arbeitsmarktes,Diskussion durch den Finanzminister so furchtbar un-(C) dann kann ich nur sagen: Das alles vermissen wir in den sinnig sein sollen, wenn selbst die Bundesbank in ihren bisherigen Darlegungen der Koalition. letzten Berichten ausdrücklich auf die Steuerquote ein- geht und feststellt, daß sie mit 22,1 Prozent sehr niedrig (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) liegt? Jedenfalls schlagen Sie, auch in der Debatte dieser Tage, die Schlachten der Vergangenheit. Peter Jacoby (CDU/CSU): Frau Kollegin, daß mit Herr Minister, mir ist aufgefallen, daß Sie in dieser der Steuerquote argumentiert und diskutiert werden Woche wieder das Argument mit dem Hinweis auf die kann, steht nicht in Frage. Nur, der Hinweis auf die Steuerquote in unserem Land bemüht haben. Ich will Steuerquote kann nicht dafür herhalten, die Notwendig- Sie daran erinnern, daß es in dieser Frage einen interes- keit einer breiten Entlastung zugunsten des Mittelstands, santen Brief des stellvertretenden Vizepräsidenten der des Handwerks und der investierenden Wirtschaft zu be- Industrie- und Handelskammer des Saarlandes, einesstreiten. Unternehmers, der weltweit über 5 000 Menschen be- schäftigt, gibt, in dem er darauf hinweist, daß es völlig (Beifall bei der CDU/CSU) falsch ist, die Steuerquote zum Vergleichsmaßstab zuDas ist der entscheidende Punkt. Insofern geht Ihre Fra- machen, weil in diese Steuerquote in anderen Ländern ge eindeutig an der Sache vorbei. ganz andere Mehrwertsteuerbeträge und zum Beispiel in Dänemark, wo alles haushaltsfinanziert ist, Sozialversi- (Hans Georg Wagner [SPD]: Diese Arroganz!) cherungsleistungen einfließen. Insofern ist der globale Meine Damen und Herren, was bisher an strategi- Hinweis auf die Steuerquote nichts anderes als eine Ab- schen Antworten auf die Probleme, die sich in unserem lenkung von den hausgemachten Herausforderungen, die Land stellen, vorgelegt worden ist, erfüllt jedenfalls die es hier in Deutschland anzunehmen gilt. Erwartungen über weite Strecken in keiner Weise. Die Besonders bedauernswert finde ich dies angesichtsAbsichten, das Steuersystem radikal zu vereinfachen, der Tatsache, daß Sie in einer öffentlichen Diskussionsind völlig aufgegeben worden. eingeräumt haben – Sie haben es so auf Papier gebracht und unterschrieben; das ist also auch nachzulesen –, daß Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr die Steuerquote nicht taugt, um einen internationalenKollege Jacoby, erlauben Sie eine weitere Zwischenfra- Vergleich in bezug auf die Besteuerung einzelner Ein- ge des Kollegen Michelbach? kommensarten in unserem Land anzustellen. Wenn Sie dieser Meinung sind, dann bringen Sie bitte in die De- (B) batten des Deutschen Bundestages nicht dieses Tot- Peter Jacoby (CDU/CSU): Ja. (D) schlagargument ein. Das möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr (Beifall bei der CDU/CSU) Michelbach, bitte. Deshalb bleibt für uns am Ende dieser Debatte beste- hen: Ihre Steuerreform, die eine strategische Antwort Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Kollege Jaco- auf die Herausforderungen finanzpolitischer, wirt-by, halten Sie die Diskussion um die Steuerquote nicht schaftspolitischer und arbeitsmarktpolitischer Art ist, er- für eine Frage, die zur Volksverdummung ins Volk ge- füllt die Erwartungen in keiner Weise. tragen wird, (Detlev von Larcher [SPD]: Unverschämt!) Herr Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: da eine Durchschnittsbewertung unter Einbeziehung der Kollege Jacoby, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Mehrwertsteuer, wie Sie gesagt haben, dem Vergleich Kollegin Matthäus-Maier? gar nicht standhält und gar keine Aussage zu der hohen Steuerbelastung insbesondere der mittelständischen Peter Jacoby (CDU/CSU): Ja. Wirtschaft ermöglicht?

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte Peter Jacoby (CDU/CSU): Ich will gleich im Zu- schön, Frau Matthäus-Maier. sammenhang mit den jüngsten Abläufen und den gestri- gen Gesprächen im Rahmen des Bündnisses für Arbeit ( [CDU/CSU]: Die sind auf die Notwendigkeit, eine wirkliche Steuerreform in immer leicht zu beantworten!) Kraft zu setzen, hinweisen. Jedenfalls hört man auch aus der Bundesregierung heraus ganz unterschiedliche Zun- genschläge zu diesem Thema, von denen manche das, (SPD): Herr Kollege Jacoby, Ingrid Matthäus-Maier was ich eben gesagt habe, bestätigen. Deshalb ist mei- ganz sicher sind Quoten immer schwierig zu benutzen, nen Ausführungen, Herr Kollege Michelbach, daß der weil man vieles, wie zum Beispiel das Kindergeld, her- Hinweis auf die Steuerquote für die aktuelle Diskussion ein- und herausrechnen kann. Können Sie mir erklären, völlig untauglich ist, nichts mehr hinzuzufügen. warum nach Ihrer Ansicht das Benutzen des Wortes Steuerquote und die Einführung dieses Wortes in die (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1761

Peter Jacoby (A) Meine Damen und Herren, ich will darauf hinweisen, werks, des Mittelstands und der investierenden Wirt-(C) daß die Erwartungen nicht erfüllt worden sind. Deshalb schaft – im übrigen auch der Arbeitnehmerschaft, deren sind neben der Überschrift Ihrer Rede „Versprochen – Interesse auf den ersten und nicht allzusehr auf den gehalten“, Herr Minister, als weitere Kategorie die Er- zweiten Arbeitsmarkt gerichtet ist – zurückgeblieben wartungen in die Debatte einzuführen, die Teile Ihrersind. Partei, an der Spitze der damalige Kanzlerkandidat, in den Wochen und Monaten des Wahlkampfes im vergan- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) genen Jahr geweckt haben. Damals ist jedenfalls die Re- Deshalb ist sich die gesamte Öffentlichkeit in der Be- de davon gewesen, man müsse zu wirklichen Reformen wertung Ihrer Politik einig: Sie ist enttäuscht. in unserem Land kommen. Dies ist unter der Überschrift „Mit Mut und neuer Kraft für Innovation und Wachstum Zum Bundeshaushalt selbst möchte ich sagen: Stei- in Deutschland“ zu Papier gebracht worden. Dort heißt gende Bundesausgaben, die weit über die Empfehlungen es: des Finanzplanungsrates hinausgehen, eine höhere Staatsquote und eine gemessen am Bruttoinlandsprodukt Wir müssen Wirtschaft und Gesellschaft umfassend niedrigere Investitionsquote sind die falschen Antworten modernisieren. Wer morgen sicher leben will, muß in der jetzigen Zeit. Herr Finanzminister, in diesem Jahr heute zu Reformen bereit sein. Er muß sie kraftvoll können Sie trotz 30 Milliarden DM prognostizierter durchsetzen. Steuermehreinnahmen die Neuverschuldungsgrenze des In dem Dresdner Manifest, das von Gerhard Schröder Art. 115 des Grundgesetzes nur deshalb einhalten, weil geschrieben worden ist, heißt es sogar: Sie 10 Milliarden DM Privatisierungserlöse aus dem vergangenen Jahr übertragen können. Soweit zum The- Um wirklich voranzukommen, müssen Brüche und ma Erblast und Bilanz im September 1998. Sprünge gewagt werden, denn nur sie schaffen neue Chancen. Angesichts der Tatsache, daß Sie außerdem die Neu- verschuldungsgrenze nur deshalb einhalten können, weil Wir erleben in der Tat Brüche und Sprünge. Nur er- Sie die Bundesbürgschaften um 3 Milliarden DM aus- geben sich diese Brüche und Sprünge aus den nicht ge- geweitet haben – diese werden als Investition gewertet, klärten Grundsatzpositionen innerhalb der Regierung. Es sind es de facto aber nicht –, kann man feststellen, daß gibt in den zentralen Fragen jedenfalls kein überzeugen- Ihre Politik alles andere als der Ausdruck von Sparsam- des Zukunftskonzept: Bewältigung der Herausforderun- keit und das ernsthafte Bemühen ist, die Staatsquote in gen des Arbeitsmarktes, des Umbaus des Sozialsystems unserem Land zu reduzieren, um damit zu einer Sen- und der Verbreiterung der Möglichkeiten, um zu mehr kung von Steuern und Abgaben als der Voraussetzung Investitionen und Wachstum in unserem Land zu kom- für mehr Wachstum, Investition und Arbeitsplätze zu (B) men. Das gilt es, in der heutigen Debatte festzuhalten. kommen. Das ist der entscheidende Zusammenhang. (D) (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn es noch eines Beweises für die nicht eingehal- Deshalb sei noch einmal darauf hingewiesen: Was tenen Versprechen bedurft hätte, dann gibt es ihn jetzt. wir bisher, in den ersten Monaten der Tätigkeit dieser Die Gespräche im Rahmen des Bündnisses für Ar- Bundesregierung, erlebt haben – das drückt sich auch im beit, die mit großen Erwartungen angekündigt wurden, Bundeshaushalt aus –, das ist nicht eine Entlastung sind in ihrem bisherigen Verlauf und in ihrer Unver- breiter Schichten der Bevölkerung, sondern das hat aus- bindlichkeit nicht mehr zu überbieten. Auch dies muß schließlich mit Belastung zu tun. Sie sollten die Gele- am heutigen Tag gesagt werden. genheit des heutigen Tages nutzen, zu der Frage Stel- (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig! – Ingrid lung zu beziehen, mit welchen weiteren Steuererhöhun- Matthäus-Maier [SPD]: Sie sind ja nur nei- gen – über die Einführung der Ökosteuer hinaus – zur disch!) Bewältigung der von Ihnen selbst verursachten Risiken in Milliardenhöhe zu rechnen ist. Das betrifft die Mehr- Wir können der heutigen Tagespresse entnehmen,wertsteuer, die Vermögensteuer und andere Steuerarten, daß Schröder der Wirtschaft eine neueSteuerreform die in der Diskussion sind. Wir hören, daß jetzt die verspricht. zweite Stufe der Ökosteuerreform angegangen werden ( [CDU/CSU]: Warum eigent- soll. Wie wird die Entwicklung bei der Mineralölsteuer lich?) und bei der Stromsteuer weiter vonstatten gehen? Dazu will ich sagen: Sie haben in der letzten Woche den Über diese Fragen muß diese Debatte Aufschluß ge- erneuten Versuch unternommen, bei der Reform derben. Denn das sind die Grundfragen, um die es in diesen Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer über drei Wochen und Monaten geht angesichts dessen, daß sich Schritte zu einem Abschluß zu kommen. Das Themadie konjunkturelle Situation eingetrübt hat, und ange- Unternehmensteuerreform haben Sie nur nachgeschoben sichts der Situation, daß wir seit dem Regierungswech- und waren gestern nicht in der Lage, entsprechendesel einen Zuwachs an Arbeitslosen in der Größenord- Eckdaten zu präsentieren, was durch die kritischennung von rund 470 000 haben. Das eine oder andere Kommentare sämtlicher Beteiligter deutlich wurde. Be- mag saisonal bedingt sein. Aber Sie sehen selbst die zogen auf Ihr Motto „Versprochen – gehalten“ muß man breite Enttäuschung, die breite Frustration derjenigen, also feststellen, daß Sie im letzten Jahr weit hinter den die Sie im vergangenen Jahr in den Wochen und Mona- Erwartungen der sogenannten Neuen Mitte, des Hand- ten des Wahlkampfes umworben haben und die wir jetzt 1762 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Peter Jacoby (A) brauchen, damit wir die sozialen und die strukturellenDie Summe derSozialversicherungsbeiträge betrug (C) Probleme unseres Landes bewältigen können. 1982 einschließlich des Arbeitgeberbeitrages 34 Prozent vom Bruttoeinkommen; 1998 waren es 42 Prozent, ein Das ist das Thema der heutigen Zeit. Deshalb sollten historischer Höchststand an Lohnnebenkosten. – Sie ha- wir auch in dieser Debatte zu diesen Themen von Ihnen ben alle Ihre zentralen Ziele verfehlt. mehr erfahren, Herr Minister, als das bisher geschehen ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) DIE GRÜNEN) Die Markenzeichen Ihrer Politik, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien: von Jahr zu Jahr Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als steigende Arbeitslosigkeit in Deutschland, wachsende nächster Redner hat das Wort der Kollege OttmarAbhängigkeit von Millionen von Menschen von Sozial- Schreiner von der SPD-Fraktion. leistungen, steigende Lohnnebenkosten, damit ein zen- trales Beschäftigungshemmnis. Alle Ihre Ziele, die Lohnnebenkosten zu senken, sind verfehlt worden. Ottmar Schreiner (SPD): Herr Präsident! Liebe (Detlev von Larcher [SPD]: Deshalb sind sie Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich einmal die abgewählt worden!) letztgenannte Zahl von Herrn Jacoby zurechtrücken. Sie wissen genausogut wie ich, daß Vergleiche über wenige Umverteilung von unten nach oben war ein weiteres Monate hinweg bei den Arbeitslosendaten völlig be-Markenzeichen Ihrer Politik seit 1982. Und Sie haben langlos sind. Entscheidend sind die Jahresvergleiche.einen der größten Skandale zu verantworten: In einem Wir hatten im Januar dieses Jahres etwa 370 000 Ar-der reichsten Länder dieser Welt ist das Vorhandensein beitslose weniger als im Januar letzten Jahres, von Kindern zum gesellschaftlichen Armutsrisiko ge- worden. (Beifall des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ das heißt, die Arbeitslosenquote ist von 12,5 auf 11,6 DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Prozent gesunken. Das ist die Realität. Insoweit sind wir PDS) auf diesem Feld auf einem guten Weg. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Das sind die wesentlichen Bilanzierungen, die Sie zu Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) verantworten haben. Die Zeit liegt noch nicht sehr lange zurück. (B) Ich habe heute das Vergnügen, zum erstenmal nach (D) sehr langen 16 Jahren hier als Mitglied einer Regie- Deshalb macht es wenig Sinn, in den Parlamentsde- rungsfraktion reden zu können. Das ist ein gutes Gefühl, batten jetzt mit einem gehörigen Ausmaß an Maulhel- darf ich Ihnen mitteilen. Ich hoffe, das wird noch sehrdentum zu argumentieren. lange anhalten. (Heiterkeit bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Sie sollten zunächst einmal bedenken, was Sie selbst an- Ich erinnere mich sehr gut an den Wechsel 1982.gerichtet haben und in welch schwieriger Ausgangslage Damals sind wir jahrelang mit angeblichen Erblasten der sich die neue Bundesregierung befunden hat. Regierung von gepiesackt worden. Gemessen an dem, was die neue Bundesregierung an (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Erblasten übernommen hat, ist das, was 1982 der Fall DIE GRÜNEN) gewesen ist, ein wahres Kinderspiel. Wenn man sich nun am Ende dieser Haushaltsdebatte (Beifall bei der SPD) fragt, welche Lehre Sie aus Ihrer eigenen Bilanz gezo- gen haben, Ich will Ihnen heute, wenige Monate nach der Wahl, einige zentrale Daten in Erinnerung rufen, die mit Ihrer (Detlev von Larcher [SPD]: Keine!) Regierungstätigkeit untrennbar verbunden sind. was Ihre politischen Schlußfolgerungen sind, Wir hatten 1982 eine Arbeitslosenzahl von etwa 1,8 Millionen. Bestand beim Regierungswechsel im Herbst (Zuruf von der SPD: Keine!) vorigen Jahres: 4,3 Millionen. dann verbleibt ein leeres Blatt. Ich habe in der gesamten (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Herr Schreiner, Haushaltsdebatte von der Unionsfraktion zu keinem jetzt werden Sie unseriös!) zentralen Politikfeld irgendeinen diskussionsfähigen Vorschlag gehört. Nichts, absolut nichts! Sozialhilfeempfänger 1982: 900 000, 1998: knapp 3 Millionen, also mehr als eine Verdreifachung von aus- (Beifall bei der SPD) gegrenzten Menschen. Wo sind Ihre diskussionsfähigen Alternativen in Sachen (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist Ihnen be- Beschäftigungspolitik? Wo sind Ihre diskussionsfähigen kannt, daß es zwischendurch die deutsche Vorschläge in Sachen Wirtschaftspolitik? Wo sind Ihre Einheit gegeben hat?) diskussionsfähigen Vorschläge in Sachen Arbeits- und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1763

Ottmar Schreiner (A) Sozialpolitik? Nur Gemaule, nur Genörgel, nur Herum- Schäuble und andere Oppositionsredner haben immer(C) kritisiererei! Sie haben in diesem Parlament nichts Posi- wieder beklagt, daß die Reformen der abgewählten Re- tives zu präsentieren. gierung zurückgenommen worden seien. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich will einmal zitieren: DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Zwei Tage nach dem Wahldebakel vom 27. Sep- PDS) tember 1998 veröffentlichte die Frankfurter Allge- Wo sind Ihre Vorschläge im Bereich der Energiepolitik? meine Zeitung einen Artikel von Georg Paul Hefty Wo sind Ihre positiven Vorschläge im Bereich der über- unter der Überschrift: Vom sozialen Gewissen der fälligen Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts? Union enttäuscht. Dieser Artikel beginnt mit dem Nichts ist da. Sie sind intern in einem hohen Maße zer- Satz: Die Niederlage der Union hat sachlich wohl stritten. einen Hauptgrund: die Sozialpolitik der CDU/CSU- FDP-Koalition. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wo sind wir denn zerstritten?) Genau das ist richtig. Das ist der entscheidende Grund. Nochmals: Sie haben in den letzten 16 Jahren, ganz be- Durch bloßes Maulheldentum können Sie nicht über die- sonders in den letzten Jahren, jedes soziale Gespür ver- se Negativsituation hinwegtäuschen. Sie sind zur Stunde missen lassen. Deshalb sind Sie zu Recht abgewählt nicht einmal oppositionsfähig. Das ist die wahre Lage. worden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Meine Damen und Herren, die Menschen in Deutschland wie in Europa können, wenn sie diepoliti- Ihre Alternativlosigkeit ist kein Zufall. Sie ist diesche Entwicklung in der Europäischen Union verfol- zwingende Folge von völlig ungelösten inhaltlichen Wi- gen, feststellen, daß Sie nicht die einzige konservative dersprüchen innerhalb der CDU/CSU, insbesondere in- Regierung sind, die abgewählt worden ist. Nahezu alle nerhalb der CDU. Die CDU zerfällt in zwei Lager. Sie anderen konservativen Regierungen in Europa sind haben auf der einen Seite ein neoliberales Lager, das das ebenfalls abgewählt worden. Die Lehre daraus ist Ende Wahldebakel vom 27. September letzten Jahres gewis- der 90er Jahre: Die Menschen in Deutschland, die Men- sermaßen als einen Betriebsunfall abzutun scheint, und schen in der Europäischen Union wollen keine Rückkehr Sie haben auf der anderen Seite einen Sozialstaatsflügel in die soziale Kälte einer radikalen Marktwirtschaft. Sie innerhalb der Union, der sich offenkundig auf demwollen eine vernünftige Balance, einen vernünftigen Rückzug befindet. Ausgleich, ein Gleichgewicht zwischen Marktkräften (B) (D) Wenn Sie sich die Analysen von Teilen der Unioneinerseits und sozialen Ausgleichsmechanismen ande- ansehen, dann werden Sie sehr schnell feststellen, daß rerseits. Das ist eine der entscheidenden Lehren der die zentrale Ursache für Ihr Wahldebakel am 27. Sep- späten 90er Jahre. tember darin besteht, daß die Menschen in diesem Lande (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten den Eindruck gewinnen mußten, daß die abgewählte des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bundesregierung jede Sensibilität fürsoziale Gerech- tigkeit verloren hatte. Das ist der entscheidende Grund Ich will Ihnen nicht ersparen, Ihren früheren General- Ihrer Abwahl. sekretär (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU]) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der – nicht den der CSU, sondern den der CDU – aus einem PDS – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Deshalb Artikel im „Publik-Forum“, der erst wenige Wochen alt das Wahlergebnis jetzt in Hessen!) ist – er stammt vom 29. Januar dieses Jahres –, zu zitie- Ich will Ihnen das beispielhaft an Hand von einigen we- ren. Da schreibt Herr Geißler: nigen Aussagen im Verlauf dieser Woche präsentieren. Die CDU hat in der Mitte verloren – die Folge einer Ihr Fraktionsvorsitzender Schäuble hat in seiner Rede Politik, die das Bündnis für Arbeit zerstört hat, das immer wieder die Rücknahme sogenannterReformen Ergebnis einer Koalition mit den Liberalen, die mit durch die neue Bundesregierung beklagt; das hat der ihrer kapitalistischen Philosophie des Shareholder Kollege Jacoby eben wiederholt. – Übrigens ist der Re- Value über soziale Leichen gingen, formbegriff von Ihnen verhunzt worden. (Zuruf von der SPD: Richtig!) (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) das Resultat einer rechtskonservativ geprägten In- Reformen sind eigentlich Maßnahmen, die die Lebens- nen- und Ausländerpolitik. Diese Politik mündete bedingungen der Menschen verbessern. Sie haben die in eine Entfremdung von den Gewerkschaften, den Lebensbedingungen der Menschen verschlechtert; das großen Sozialverbänden wie Caritas und Diakonie hat mit Reformen überhaupt nichts zu tun. Diese Be- und den Kirchen. grifflichkeit wollte ich nur klarstellen. – (Zuruf von der SPD: Richtig!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Meine sechs Jahre alte Warnung wurde bestätigt: der PDS) Wer nach rechts rückt, wird links regiert. 1764 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Ottmar Schreiner (A) Dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist die Analyse– durch die Bundesregierung – (C) eines klugen Kopfes aus der CDU/CSU-Fraktion, der bei Ihnen leider Gottes keine Rolle mehr spielt. hatte eine neoliberale Ideologie über die soziale Marktwirtschaft gesiegt. Das Ende des Bündnisses (Beifall bei der SPD) für Arbeit war der Anfang vom Ende der CDU als Regierungspartei. Meine Damen und Herren, Sie sind abgewählt wor- den, weil es die Menschen leid sind, wenn ihnen erzählt Das präzise ist die Situation. wurde, daß es wirtschaftlich nur dann aufwärts gehen könne, wenn es sozial abwärts geht. Sie sind abgewählt (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Herzliche worden, weil es die Menschen leid sind, wenn ihnen ge- Grüße aus Hessen!) sagt wurde, daß die Arbeitnehmer bei den Löhnen im- mer bescheiden sein sollen, während gleichzeitig die Das von Ihnen mutwillig herbeigeführte Ende des Gewinne einen neuen Höchststand erreichen. Sie sind„Bündnisses für Arbeit“ war der Anfang vom Ende Ihrer abgewählt worden, weil es die Menschen leid sind, daß Regierungstätigkeit. Da kann man nur sagen: zu Recht. die Familie in Sonntagsreden hochgehalten wird, aber (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ihre Steuerpolitik vor allen Dingen die ledigen Spitzen- verdiener begünstigt hat. Das jetzige „Bündnis für Arbeit“ ist auf einem guten Weg. Jeder, der sich mit dem Problem derMassenar- Die Steuerurteile des Bundesverfassungsgerichts beitslosigkeit beschäftigt hat, weiß, daß es keinen Kö- aus den letzten Wochen haben in einmaliger Klarheitnigsweg gibt. Es geht darum, Vertrauenskapital zwi- und schwarz auf weiß festgestellt: Die Politik der frühe- schen allen beteiligten Akteuren anzusammeln und ren Bundesregierung hat sich massiv gegen FamilienSchritt für Schritt voranzukommen. Nochmals: Wir sind und gegen Kinder gerichtet. Die CDU/CSU und dieda auf einem guten Weg. F.D.P. sind dabei nicht einmal davor zurückgeschreckt, gegen die zwingenden Vorgaben der Verfassung zu ver- Die ersten Schritte sind zurückgelegt worden: stoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen im nachhinein bestätigt, daß IhreFamilienpolitik einer Erster Punkt. Die Lohnnebenkosten werden zum er- Bankrotterklärung gleichkommt. stenmal seit Jahren abgesenkt werden. Immer wieder ist von Ihnen gesagt worden, die hohen Lohnnebenkosten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ seien das zentrale Beschäftigungsproblem. Die jetzige DIE GRÜNEN) Regierung macht zum erstenmal seit Jahren Ernst damit, die Sozialversicherungsbeiträge, die Lohnnebenkosten, Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie uns Sozi- abzusenken, und zwar Schritt für Schritt und Jahr für (B) aldemokraten gesagt wurde, für die Erhöhung des Kin- (D) Jahr. dergeldes sei kein Geld da, weil der Spitzensteuersatz auf 39 Prozent abgesenkt werden müsse. Zweiter Punkt. Die Bundesregierung hat ein Verspre- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Jawohl! – chen wahrgemacht, nämlich unverzüglich einSofort- Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und der programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosig- Eingangssteuersatz auf 15 Prozent!) keit aufgelegt. Wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Schäuble, dieses Sofortprogramm zur Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Bekämpfung Herr der Jugendarbeitslosigkeit, das sich zum Schäuble die Erhöhung des Kindergeldes als unfinan-Ziel gesetzt hat, viele junge Menschen von der Straße zu zierbare soziale Wohltat diskriminiert und entwertet hat. holen, sie einer Beschäftigungsmöglichkeit zuzuführen, Das sind die Resultate Ihrer Erklärungen zur Familien- ihnen einen Ausbildungsplatz anzubieten und ihnen in politik. ihrer Not zu helfen, als „Ruhigstellung von jungen Men- schen“ denunziert, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Nach- (Zuruf von der SPD: Pfui!) lesbar!) dann ist das keine Entgleisung mehr, sondern eine per- Das „Bündnis für Arbeit“ ist das zentrale Projekt verse Verdrehung aller Tatsachen. der neuen Bundesregierung. Auch dazu möchte ich Ih- nen ein Zitat von Herrn Geißler aus demselben Artikel (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ im „Publik-Forum“ nicht vorenthalten: DIE GRÜNEN) Aus diesem Grunde war das Scheitern des Bünd- Ich sage Ihnen dazu: Wer so redet, muß darauf hin- nisses für Arbeit im Frühjahr 1996 der eigentliche gewiesen werden, daß die frühere Bundesregierung, die gravierende Fehler der Koalition, und diesestatenlos den jährlichen Anstieg der Zahl arbeitsloser Scheitern sollte in den darauffolgenden zwei Jahren junger Menschen hingenommen hat, mitverantwortlich bis zur Bundestagswahl das gesamte sozial- undist für steigende Jugendkriminalität, für das steigende wirtschaftspolitische Klima bestimmen. Statt imAbgleiten in die Drogenszene und für die steigende Ge- Konsens mußten alle Reformen in der Konfrontati- waltbereitschaft von jungen Menschen. on durchgesetzt werden. Mit der Aufkündigung des (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bündnisses für Arbeit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1765

Ottmar Schreiner (A) Wer so redet, muß an diese Sachverhalte erinnert wer- Staaten von Amerika regional unterschiedlich ausge-(C) den. Das haben Sie sich an Ihre Brust zu heften, meine prägt ist. Es gibt Regionen mit starken strukturellen Pro- Damen und Herren von der Opposition. blemen, die gelöst werden müssen – dort ist die Ar- beitslosigkeit vorübergehend höher –, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: In welchen Ländern ist ( [CDU/CSU]: Und wer denn die Jugendarbeitslosigkeit am höchsten?) hat diese Probleme gelöst?) Wer so redet, hat jedes Maß verloren und hat den An-und andere Regionen, die ihre strukturellen Probleme – spruch verloren, in diesem Parlament noch ernst ge-für die es andere Gründe gibt – bereits hinter sich ge- nommen zu werden. bracht haben. Insoweit ist es eine Binsenweisheit, daß wir in Deutschland Regionen mit unterschiedlich hoher (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Arbeitslosigkeit haben. Das ist in allen anderen industri- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – ell geprägten Ländern ganz genauso. – Sie sollten sich Widerspruch bei der CDU/CSU) jetzt hinsetzen; das war keine sehr erleuchtende Frage. (Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr [CDU/CSU]: Ich habe von Deutschland ge- Kollege Schreiner, würden Sie eine Zwischenfrage des sprochen, nicht von der Welt!) Kollegen Hinsken erlauben? Ich will zum Schluß sagen: Am Ende dieser Legisla- turperiode wird die neue Bundesregierung nicht an der Ottmar Schreiner (SPD): Ja, wenn sie halbwegs in- Arbeit der ersten drei Monate gemessen werden. Im üb- telligent ist. Bei Ihnen ist man einiges gewohnt, Herrrigen hat sie in den ersten drei Monaten mehr Aufgaben Hinsken. geschultert als die Schlafmützen der alten Bundesregie- rung in den letzten zwei Jahren. (Dr. [CDU/CSU]: Sie sind genauso arrogant wie der Kanzler!) (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr – Warum fassen Sie sich an den Kopf? Meinen Sie sich Hinsken, bitte schön. damit selbst? Fehlt Ihnen etwas? Kann man Ihnen hel- fen?

Ernst Hinsken (CDU/CSU): Es kann nicht jeder so (B) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr (D) intelligent sein wie Sie, Herr Schreiner, Kollege Schreiner, gestatten Sie eine weitere Zwischen- (Beifall bei der SPD) frage des Kollegen Fromme? der Sie heute schon wissen, was morgen passiert. Wir liegen auf der Höhe der Zeit. Deshalb stellen wir Fragen, Ottmar Schreiner (SPD): Wenn es ihn zufrieden- die diesbezüglich eben berechtigt sind. stellt, bitte sehr. Wenn Sie hier die Jugendarbeitslosigkeit ansprechen und anprangern, daß sie in den letzten Jahren gewachsen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr ist, pflichte ich Ihnen bei. Es wäre aber angebracht, daß Fromme, bitte schön. Sie hier auch hinzufügen, wo diese Jugendarbeitslosig- keit besonders angewachsen ist: nicht in den CDU/CSU- geführten Ländern, Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Herr Kolle- ge Schreiner, geben Sie mir recht in der Tatsache, daß (Lachen bei der SPD) sich die Arbeitslosenquoten in den einzelnen Bundes- sondern vor allen Dingen dort, wo Sie an der Regierung ländern recht unterschiedlich entwickelt haben und daß sind. Da haben Sie versagt. die Situation in Bayern früher ganz anders gewesen ist als heute? (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Da werden sie ruhiggestellt!) Ottmar Schreiner (SPD): Ich habe eben versucht, Das ist vor allen Dingen ein länderpolitisches Problem. darauf hinzuweisen, daß es in Bayern früher große Sie sollten das nicht außen vor lassen, sondern diesbe- strukturelle Probleme gegeben hat, die einigermaßen züglich Stellung nehmen. gelöst sind, (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der (Detlev von Larcher [SPD]: Mit dem Geld aus SPD: Ihre Frage!) dem Norden! Bremen hat nach Bayern Geld gezahlt!) Ottmar Schreiner (SPD): Mir ist der Sinn Ihrer Fra- daß es in anderen Bundesländern aus ganz anderen ge nicht völlig klar. Sie wissen genauso gut wie ich, daß Gründen ebenfalls strukturelle Probleme gibt, die jetzt die Arbeitslosigkeit in Deutschland ebenso wie in Frank- gelöst werden, und daß deshalb die regionale Vertei- reich, in England, in Italien und in den Vereinigtenlung von Arbeitslosigkeitungleichgewichtig ist. Ich 1766 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Ottmar Schreiner (A) sage es noch einmal: Das ist nicht nur in Deutschland so. Wenn wir uns auf dieser Basis finden können, können(C) Das ist zum Beispiel in Italien und in allen anderen Län- wir sehr schnell zu einer guten Zusammenarbeit kom- dern auch so. Deshalb glaube ich, daß wir diesen Punkt men. Das jedenfalls wäre unsere Alternative. Aber Ihre wirklich abschließen können. Schauen Sie sich die Stati- Politik sieht nicht so aus wie die Politik von Tony Blair. stiken in anderen Ländern an. (Beifall der Abg. Birgit Homburger [F.D.P.]) Ich will zum Schluß sagen: Die Regierungsarbeit Aus der Koalition höre ich aber auch andere Stim- wird nicht an den ersten drei Monaten gemessen werden. men, die, finde ich, ernst zu nehmen sind. So hat der Ich wiederhole es: In den ersten drei Monaten sind mehr Kollege Metzger erklärt, der Staat müsse auch Ansprü- Lasten geschultert worden, als dies die alte Bundesregie- che an seine Bürger stellen können. Sie müßten sich aus rung in den letzten zwei Jahren getan hat. Das war eigener Kraft aus der Patsche ziehen können. Dazu wür- Schlafmützigkeit, Mehltau und wie die Stichworte alle den stärkere Anreize gebraucht, aber auch ein System geheißen haben mögen. der Sanktionierungen, wenn Arbeitslose beispielsweise (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jeder Markt- nicht an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen oder schreier ist rhetorisch besser als Sie!) keine Arbeit annehmen. – Kollege Metzger, da stimmen wir überein. Aber wenn wir Freien Demokraten das in Die Bundesregierung wird daran gemessen werden, der Vergangenheit gesagt haben, haben Sie uns der so- ob sie es schafft, in ihren zentralen Projekten deutliche zialen Kälte bezichtigt. Fortschritte zu machen, die Arbeitslosigkeit erkennbar zu reduzieren, den sozialen Zusammenhalt in unserer (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So ist es!) Gesellschaft zu fördern, eine familien- und kinder- Auch darüber sollten Sie einmal nachdenken. freundliche Politik neu zu gestalten und ein gesell- schaftliches Klima der Toleranz, der Liberalität und der (Beifall bei der F.D.P.) guten Nachbarschaft nach innen wie nach außen zu schaffen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Es ist noch kein halbes Jahr her, da sah man in unse- das trauen wir von den Regierungsfraktionen uns zu.rem Lande Wahlplakate der Sozialdemokraten mit dem Wir wünschen uns eine Opposition, mit der es sich inSlogan: „Wir sind bereit“. Schon nach 100 Tagen rot- der Sache wirklich zu streiten lohnt. Dazu brauchen Sie grüner Bundesregierung muß festgestellt werden, daß noch eine Weile. davon überhaupt keine Rede sein kann. Da kommt der Bundeskanzler dann mit einer ganz einfachen Entschul- Herzlichen Dank. digung: Wir haben uns in den ersten 100 Tagen zuviel vorgenommen und wollten zu vieles zu schnell umset- (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall zen. beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei (B) (D) Abgeordneten der PDS – Zuruf von der Die F.D.P. kann diese Entschuldigung nicht gelten CDU/CSU: Hochmut kommt vor dem Fall!) lassen. Bundeskanzler Schröder hat jahrelang Erfahrun- gen als Ministerpräsident eines großen Bundeslandes gesammelt. Ihm zur Seite steht Oskar Lafontaine, der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als ebenfalls viele Jahre Ministerpräsident eines Bundeslan- nächster Redner hat das Wort der Kollege Jürgen Kop- des war. Aber statt diese Erfahrungen in die Regie- pelin von der F.D.P.-Fraktion. rungspolitik der rotgrünen Koalition einzubringen und einen Neuanfang für Deutschland zu wagen, finden wir Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe jetzt nur Übereifer, Unfertigkeiten, planlose Hektik, Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Ottmar Schrei- Konzeptlosigkeit und vor allem auch Ahnungslosigkeit ner hat eben nach Alternativen gefragt. Eine solche will vor. ich jetzt nennen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: In der Drucke- ten der CDU/CSU) rei ist es schöner!) Von ausgereiften und durchdachten Konzepten ist weit Ich meine nämlich, unser Ziel muß sein, Barrieren gegen und breit nichts zu sehen. Statt dessen präsentieren Sie Beschäftigung und gegen Arbeitsmarktflexibilität abzu- uns das muntere Spiel – wie von der „FAZ“ ironisch bauen, unnötige Bürokratie für kleine und mittlere Be- vermerkt wurde –: „Roter Kasper verhaut herzerfri- triebe einzudämmen, den europäischen Binnenmarkt zu schend das grüne Krokodil“. vollenden und dafür zu sorgen, daß soziale Hilfe be- Wie unabgestimmt die Politik des Bundeskanzlers ist, schäftigungswirksam ausgerichtet ist. Unsere Bürgerin- hat der Bundesfinanzminister, der ja auch noch SPD- nen und Bürger werden sich schlicht weigern, mehrVorsitzender sein soll, vor wenigen Tagen bei den SPD- Steuern und Abgaben zur Finanzierung eines nicht re- Parteilinken offenbart. So meldet „dpa“, Oskar Lafon- formierten sozialen Sicherungssystems zu zahlen. – Das taine habe sich bei den Parteilinken beklagt, daß der wäre unsere Alternative. Das ist übrigens auch die Al- Bundeskanzler ihn in den vergangenen Wochen ohne ternative von Tony Blair gewesen. Das hat er nämlichAbsprache wiederholt vor vollendete Tatsachen gestellt auf dem Kongreß der europäischen Sozialisten habe. in Manche Entscheidung Schröders habe er, Lafon- Malmö gesagt. taine, erst aus der Zeitung erfahren. – Da geht es dem (Dr. [F.D.P.]: Wo er recht hat, Bundesminister der Finanzen anscheinend nicht besser hat er recht!) als den Fraktionen von SPD und Grünen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1767

Jürgen Koppelin (A) Bundesminister Trittin hat die Arbeit der Bundesre- Notoperationen, Einmaleffekte, Verschiebebahnhöfe(C) gierung öffentlich so kommentiert: „Wenn politischeund verwirrenden Zahlensalat. Der grüne Partner in der Vereinbarungen eine Halbwertszeit von Stunden haben, Koalition sattelt noch drauf: Der Vorsitzende der Grü- dann ist es schwer, eine Koalition zu führen.“ nen-Fraktion schließt Steuererhöhungen nicht aus; (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Kom- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: men Sie doch mal zum Haushalt!) Quatsch! – Blödsinn!) Da wundert es nicht, daß ein Haushalt vorgelegt wird,der haushaltspolitische Sprecher der Grünen fordert der den Zustand dieser rotgrünen Koalition so wider-Kürzungen bei den Beamtenpensionen; seine Kollegin spiegelt. Hermenau, die in dieser Debatte noch sprechen wird, Ich will noch einmal Bundesminister Trittin zitieren. verlangt Kürzungen beim Straßenbau Ost usw. Das wer- Er hat gesagt, die Unentschlossenheit der SPD trage zu den ganz spannende Haushaltsberatungen werden. Wir einem negativen Gesamteindruck der Bonner Regie-sind gespannt, wie sich die Koalition einigen wird. rungspolitik bei. „Es gibt in der SPD“, so Trittin, „eine Ich will die Gelegenheit meiner heutigen Rede nutzen, Option Schröder und eine Option Lafontaine.“ Trittinnoch auf einen Punkt aufmerksam zu machen, der uns als muß es wissen; denn er ist Mitglied im Bundeskabinett. F.D.P. wichtig ist. Ich möchte an dieser Stelle an die Nun wird aber alles viel besser; denn die Fraktionsvor- Bundesanstalt für Arbeit und an das beaufsichtigende Mi- sitzenden von SPD und Bündnis 90/Die Grünen werden nisterium für Arbeit und Sozialordnung appellieren: Die zukünftig regelmäßig am Kabinettstisch Platz nehmen. sorgfältige Kontrolle aller Leistungen muß fortgesetzt Die Probleme der rotgrünen Koalition, meine ich,werden! Das sage ich auch mit Blick auf ein Thema, das werden aber nicht weniger werden; denn es gibt nichtuns, glaube ich, alle beschäftigt: Das ist das Thema nur Streit in Sachthemen, sondern es gibt auch Probleme Schwarzarbeit. Die Schwarzarbeit muß bekämpft wer- im menschlichen Umgang. Das alles liegt bei Ihnen viel, den. Die Schwarzarbeit hat für unsere Volkswirtschaft, viel tiefer. Bundeskanzler Schröder rühmt sich einesbesonders für den Mittelstand, fatale Folgen. guten Verhältnisses zu Altbundeskanzler Helmut (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Schmidt. Das ist in Ordnung; von dem kann er auch et- ten der CDU/CSU) was lernen. Aber ich frage Sie, meine Kolleginnen und Kollegen: Sind die Grünen, die jetzt der Koalition ange- Ich befürchte allerdings, daß wir zukünftig eine Aus- hören, nicht deshalb gegründet worden, weil sie gegen weitung der Schwarzarbeit erleben werden. Das fällt die Politik des Kanzlers Helmut Schmidt waren? Josch- dann in die Verantwortung der rotgrünen Koalition. Ihre ka Fischer hat das in einem Interview mit dem „Spiegel“ Gesetzgebung zu den 630-DM-Jobs wird die Ursache durchaus eingestanden. In diesen Tagen erleben wir das dafür sein. (B) bei der Kernenergie: Von Helmut Schmidt wurde das Die rotgrüne Koalition lobt sich und feiert sich ab –(D) Ganze eingeleitet; die Grünen rudern jetzt zurück. Der zum Beispiel, weil sie das Kindergeld angehoben hat. eine ist also sehr für Helmut Schmidt, und die anderen Eine löbliche Sache! Ich frage mich aber: Wenn wir als mögen Helmut Schmidt überhaupt nicht. Sie sind sich in Koalition und Opposition in wichtigen Fragen zusam- der Richtung Ihrer Politik überhaupt nicht einig. menarbeiten wollen, wäre es dann nicht besser gewesen, Was die Grünen in Wirklichkeit von Gerhard Schrö- einmal darüber nachzudenken, ob wir das Geld, das wir der halten, das hat Joseph Fischer, jetzt Außenminister, für die Erhöhung des Kindergeldes verwenden, nicht ebenfalls im „Spiegel“ einmal erläutert, und das möchte statt dessen in Bildung oder in andere Aktionen für die ich Ihnen nicht vorenthalten. Die Frage des „Spiegel“ an junge Generation hätten stecken sollen? Joseph Fischer lautete: (Joachim Poß [SPD]: Das sind falsche Alter- Schröder stilisiert sich als Neuauflage von Helmut nativen!) Schmidt. Wie können diese Grünen dessen Epigo- Das wären doch haushaltspolitische Maßnahmen gewe- nen zum Regierungschef wählen? sen, um die Zukunft der jungen Generation zu sichern. Die Antwort von Joseph Fischer: Mit dem Kindergeld werden Sie das nicht schaffen. Wie Sie richtig sagen, stilisiert er sich. Wenn die (Beifall bei der F.D.P.) Mehrheit es morgen erfordert, daß er sich zu Kaiser Es gibt noch einen Spruch des Bundesfinanzministers Wilhelm stilisiert, würde er sich einen wunderbaren – ich verkneife mir nicht, darauf einzugehen, Herr Bun- Zwirbelbart zulegen. Und wenn es notwendig wäre, desfinanzminister, denn Sie haben ihn, glaube ich, nicht als bayerischer König Ludwig II. ins Bundeskanz- das erste Mal gebracht –, und zwar in einem Interview leramt zu kommen, würde er im Starnberger Seeder „Bild“-Zeitung. Der Kollege Ottmar Schreiner hat schwimmen und einen Schwan küssen. ähnliches gesagt – heute allerdings nicht auf die F.D.P. (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der bezogen –; er sprach immer von der sozialen Kälte und CDU/CSU) von der sozialen Gerechtigkeit. Nun aber zum Zitat des Bundesfinanzministers: So Joseph Fischer über Gerhard Schröder. (Zuruf von der F.D.P.: Wo er recht hat, hat er Die F.D.P. will, daß die Reichen immer reicher recht!) werden und die Armen immer ärmer. So Lafontaine. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 1999 zeichnet sich vor allem durch eines aus: durch (Zuruf von der SPD: Richtig!) 1768 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Jürgen Koppelin (A) Ich bin ein bißchen enttäuscht, denn in meinem Manu- In der Debatte dieser Woche ist erneut deutlich ge-(C) skript steht an dieser Stelle „Beifall bei der SPD“. Scha- worden, daß wir alle über die hohen Arbeitslosenzahlen de, daß Sie das nicht gemacht haben. in unserem Land besorgt sind. Der Bundesfinanzmini- ster hat den Rückgang der Arbeitslosenzahlen um bis zu (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Haben Sie das 200 000 angekündigt. Herr Bundesfinanzminister, wir nachts in der Druckerei gelesen?) werden Sie an diese Zahlen erinnern. Ich sage aller- Herr Bundesfinanzminister, wenn zukünftig die Ein- dings, wir hoffen trotz aller politischer Differenzen – wir kommensschwachen belastet werden, so ist das doch die haben eine andere Auffassung über den Weg zum Ab- Folge der rotgrünen Regierung in dieser kurzen Zeit von bau der Arbeitslosigkeit –, daß Sie dieses Ziel erreichen. 100 Tagen. Ich nenne Ihnen einmal Beispiele: Wo istIm Augenblick sieht die Realität jedoch ganz anders aus. denn im Bundeshaushalt 1999 eine Erhöhung Seit des dem Regierungswechsel sind die Arbeitslosenzah- Wohngeldes? Das hat die SPD vor der Wahl verspro-len in Deutschland gestiegen. Die „Wirtschaftswoche“ chen, und jetzt hält sie dieses Versprechen nicht. Der zu- vermeldet für diese Woche, daß es seit dem Regie- ständige Bundesminister Müntefering erklärt: „Wohn- rungswechsel 489 789 Arbeitslose mehr gibt. geld unterstützt die Familien zielgenauer als das Kinder- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist geld.“ Wo er recht hat, hat er recht. Das meinen wir doch ein völlig unzulässiger Vergleich! So ein auch. Wo finde ich denn im Bundeshaushalt 1999 die Unsinn!) von der SPD versprochene Erhöhung des Wehrsoldes für unsere Wehrpflichtigen? Nichts davon finde ich im Der Kollege Kalb hält die „Wirtschaftswoche“ gerade Bundeshaushalt. hoch. Ich gehe davon aus – die „Wirtschaftswoche“ ist seriös –, daß die Zahlen stimmen. Das ist die Wirklich- (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) keit. Mit der Einführung der Ökosteuer werden besonders Die F.D.P. sieht als Oppositionspartei bei den Haus- Rentner und sozial Schwache belastet. Das muß ich haltsberatungen die Aufgabe, die Regierung und ihren doch zur Kenntnis nehmen. Wir Freien Demokraten sind Haushaltsentwurf kritisch und konstruktiv zu begleiten. für ein Steuersystem, das stärker ökologisch ausgerichtet Wir sind zur Diskussion bereit. Aber, liebe Kolleginnen ist. Das macht Sinn; Sie werden uns auf Ihrer Seite fin- und Kollegen von der Koalition, wenn Sie wirklich das den. Gespräch mit uns wollen – Sie haben die Mehrheit, das (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: wissen und akzeptieren wir –, dann bitte ich Sie darum, Was? – Wie bitte?) wirklich in den Ausschüssen mit uns zu diskutieren. Doch was Sie mit Ihrer Ökosteuer machen, ist reines (Detlev von Larcher [SPD]: Dann müssen Sie (B) Abkassieren. es auch machen, nicht nur Geschäftsord- (D) nungstricks!) (Beifall der Abg. Birgit Homburger [F.D.P.]) Sie haben immer angekündigt, daß Sie uns zu allem So werden jetzt zum Beispiel Bus und Bahn durch die möglichen einladen. Das haben Sie zumindest von die- Ökosteuer stärker belastet. Die sozial Schwachen zahlen sem Pult aus nach dem Motto „Nehmen Sie an der Dis- wieder drauf. kussion teil“ immer verkündet. Anschließend sah es in Die Umsetzung des Vorschlages, der aus den sozial- den Ausschüssen so aus, daß sich nur ein, zwei Leute zu demokratischen Reihen gekommen ist, daß man zukünf- Wort melden durften tig nur noch dreimal pro Vierteljahr zum Arzt gehen (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist nicht sollte, würde doch wohl auch eher die sozial Schwachen wahr!) als die Reichen treffen. und daß Sie anschließend den Schluß der Debatte bean- (Lachen bei der SPD) tragten. So sieht die Wirklichkeit aus. Sie haben versprochen, den sozialen Wohnungsbau (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) stärker zu fördern. Nichts davon haben Sie im Bundes- haushalt gemacht. Nicht die F.D.P. macht die ArmenDeswegen sind wir so verärgert. ärmer, sondern Ihre Politik, Ihr Bundeshaushalt 1999. Wir führen in den Ausschüssen gar kein Gespräch Im übrigen, Herr Bundesfinanzminister, die Reichen mehr. sehe ich viel mehr in trauter Runde mit dem Bundes- kanzler als mit Mitgliedern der Freien Demokratischen (Detlev von Larcher [SPD]: Wir haben vier Partei. Stunden über einen Punkt diskutiert, vier Stunden über einen Punkt!) (Zuruf von der SPD: Meine Güte!) Wir diskutieren gar nicht mehr. Eines haben wir nie Der Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß gemacht: Ich kann mich nicht daran erinnern – auch wir die Binnennachfrage gestärkt werden soll. Ich finde, er als alte Koalition haben bestimmte Dinge durchziehen übersieht bei seinen Vorstellungen, daß eine solchemüssen –, daß wir Ihnen jemals das Wort in den Aus- Stärkung der Nachfrage nur über Investitionen und Be- schüssen abgeschnitten hätten. schäftigung zu erreichen ist und nicht über die Vertei- lung finanzieller Wohltaten aus dem Bundeshaushalt. (Zuruf von der SPD: Das ist doch lächerlich!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1769

Jürgen Koppelin (A) Sie haben doch teilweise filibustert. Ich erinnere dar- fen haben. So, wie ich Sie verstanden habe, ist das, was (C) an, wie oft der Kollege Diller seinen Zettelkasten imSie zu diskutieren gedenken, keineswegs der Bundes- Haushaltsausschuß aufgemacht und uns stundenlang ge- haushalt. Sie haben nur über Ihre verletzte Eitelkeit ge- nervt hat. Keiner von uns hat jemals gesagt: Schluß der sprochen. Debatte. Das haben wir nicht gemacht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Detlev von Larcher [SPD]: Hören Sie doch und bei der SPD) auf mit Ihren Tricksereien!) Ich möchte mich gern dem eigentlichen Thema, dem Wir dürfen überhaupt nicht mehr in den Ausschüssen Debattengegenstand dieser Woche, nämlich dem Haus- diskutieren. Das ist der Umgang, den Sie mit der Oppo- halt, zuwenden. Wenn sich in den sehr schwierigen Dis- sition augenblicklich pflegen. kussionen etwas gezeigt hat, dann ist es die Tatsache, daß der Haushalt, der uns vorgelegt worden ist, durchaus (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) eine belastbare Planungsgrundlage für die Aufgaben, die Wir sind zur Diskussion mit Ihnen bereit. Wir tau-1999 anstehen, darstellt. schen gern mit Ihnen Argumente aus, aber dann geben Es ist darauf verzichtet worden, sich solcher Tricks Sie uns als Opposition in den Ausschüssen auch die zu bedienen, wie sie noch in Waigels Entwurf für 1999 Möglichkeit, unsere Argumente überhaupt nennen zu standen: zum Beispiel die Bundesergänzungszuweisun- können. gen für das und Bremen zu unterschlagen oder (Detlev von Larcher [SPD]: Vier Stunden zu die Steinkohlehilfe nicht ordentlich auszuweisen. einem Punkt diskutieren wir, und der sagt, wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schneiden das Wort ab! Lächerlich!) und bei der SPD) Wir Freien Demokraten – das erneuere ich hier – sind Insofern kann man schon einmal festhalten, daß es sich zur Zusammenarbeit in bestimmten politischen Feldern bei dem von uns vorgelegten Haushalt um eine Pla- – auch bei diesem Haushalt – mit der Regierung bereit. nungsgrundlage handelt, die man einigermaßen belasten Ich will das ausdrücklich sagen. Die Ausführungen des kann. Bundesverteidigungsministers in dieser Woche hier im Bundestag – so meinen wir als Freie Demokraten – bie- Die verfassungsrechtliche Verschuldungsgrenze wird ten durchaus die Möglichkeit, zu versuchen, den Etateingehalten werden. Die Kreditfinanzierungsquote sinkt des Bundesverteidigungsministers gemeinsam zu verab- von 12,3 Prozent im letzten Jahr auf 11,5 Prozent in die- schieden. Wir jedenfalls sind dazu bereit. sem Jahr. Der Aufwuchs beträgt weniger als 2 Prozent. Wir haben auch eine größere Haushaltsklarheit geschaf- (Beifall des Abg. Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]) (B) fen, indem die Schattenhaushalte in den Bundeshaushalt (D) Wir könnten uns das auch in anderen Politikfeldern vor- aufgenommen und der allgemeinen Verschuldung zuge- stellen. ordnet worden sind. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Für besonders gelungen halte ich – das ist mir ein be- Der grüne Kollege Metzger, den ich gern zitieren will, sonderes Anliegen –, daß es zum erstenmal seit mehre- hat den Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers als ren Jahren nicht dazu gekommen ist, daß Bundesleistun- verbesserungsbedürftig kritisiert. Er fordert die SPD auf, gen für Ostdeutschland gekürzt werden. Im Gegenteil, es sich um ein echtes Konsolidierungsprogramm zu bemü- werden sogar Schwerpunkte betont. Das betrifft For- hen. In der „FAZ“ wird derselbe Kollege zitiert: schung und Entwicklung in den neuen Ländern und auch – so notwendig, wie es eben noch ist – den zweiten Ar- Metzger ist allerdings skeptisch, daß die Koalition beitsmarkt. ein Sparprogramm zustande bringt. „Ich sehe noch zuwenig Substanz“, sagt er selbstkritisch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Kollege Metzger, die F.D.P. teilt Ihre Auffassung: zuwenig Substanz nicht nur bei Oskar Lafontaine und Wir alle haben in dieser Woche sehr viel mit dem seinem Haushalt 1999, sondern auch zuwenig Substanz Thema Erblast argumentiert. Die einen weisen sie zu- in der gesamten Bundesregierung. rück, die anderen werfen sie vor; das ist auch ganz nor- mal. Ich versuche, das Thema Erblast noch einmal an- Vielen Dank. ders anzufassen. Wir hatten 1995 in der Bundesrepublik (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutschland eine sehr unerquickliche Debatte darüber, daß in Ostdeutschland die Kläranlagen viel zu groß projektiert worden sind. Es gab einen gewissen Grö- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als ßenwahn hinsichtlich der Vorstellung, wie sich die wirt- nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Antje Her- schaftliche Entwicklung in den fünf neuen Ländern voll- menau, Bündnis 90/Die Grünen. ziehen wird. Wir haben auch eine Erblast in diesem Bereich: Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Durch die Haushalte der alten Bundesregierung wurden Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr in den letzten Jahren sehr viele infrastrukturelle Vorha- erleichtert, Herr Koppelin, daß Sie in dieser Wocheben auf Jahre hinaus festgeschrieben, die in den Jahren nicht mit Ihrem Lieblingsplüschteddy nach uns gewor- 1990 und 1991 angemeldet worden sind und inzwischen 1770 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Antje Hermenau (A) zum Teil durch die Realitäten auch in ihrer Dimensio- nisses für Arbeit“ im Laufe dieser Woche deutlich erholt (C) nierung ad absurdum geführt werden. Das betrifft dieund verbessert hat. Das ist ein gutes Zeichen. Energiewirtschaft, den Straßenbau, die Gewerbegebiete (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Wohnraum. Natürlich wird in den nächsten Jah- und bei der SPD) ren die Debatte über solche Großprojekte über uns her- einbrechen, und man wird sagen, daß das nicht allesDas heißt, dieser Haushaltsberatung wird zumindest au- richtig funktioniert hat. Als Ostdeutsche befürchte ich, ßerhalb des Parlamentes Bedeutung beigemessen, wenn daß wir wieder eine Debatte an den Hals bekommen, in schon nicht von seiten der Opposition. der es heißt, wir Ostdeutschen könnten nicht mit Geld umgehen. Dazu möchte ich einmal deutlich sagen: Diese Wir haben auch versucht, notwendige Impulse für die Vorgaben wurden von der Bundesregierung aus BonnWirtschaft zu geben. Wir reden da über Impulse für gemacht. einige Branchen. Die Ökosteuerdiskussion ist nicht nur eine Finanzdebatte, sie ist natürlich auch eine Wirt- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schaftsdebatte. Denn es geht darum, bestimmte Bran- und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Christa chen in diesem Land, die wir für zukunftsträchtig halten, Luft [PDS]) zu stärken und zu puschen. Es gibt sogar schon erste Programme, die in diesem Haushalt etatisiert sind, wie Eine der Hauptaufgaben, der wir uns bei den vielen das 100 000-Dächer-Solarprogramm. Ich halte das für Aufgaben, die es anzufassen gilt, gestellt haben, ist, die ganz wesentliche Schritte. Die Sachinvestitionen belau- Sanierung der Staatsfinanzen in Kooperation mit denfen sich auf 14,1 Milliarden DM, im Vorjahr waren es Kommunen und den Ländern in Angriff zu nehmen. Daß im Vergleich nur 13,5 Milliarden DM. Ich glaube, daß wir das ernst meinen und damit tatsächlich beginnen, er- das der richtige Weg ist. kennen Sie auch schon an diesem Übergangshaushalt. Anders kann man ihn noch nicht bezeichnen; denn die Zwei Gerüste stützen diesen Haushalt und auch unse- Zeit war zu kurz, um alle strukturellen Veränderungen, re Überlegungen zur mittelfristigen Finanzplanung. Das die vorgenommen werden müssen, durchzuführen. Man eine Gerüst ist die soziale Gerechtigkeit. Wir haben sie will ja auch seriös arbeiten. Vor diesem Hintergrund ist in vielen Einzelfragen in dieser Woche debattiert. Deut- es ganz klar, daß der Haushalt 1999 erst einmal das Ma- lich wird sie daran, daß die Nettobezüge von Empfän- nagement der Altlasten, die in dieser Woche in ver-gern kleiner und mittlerer Einkommen steigen. Das ist schiedener Art und Weise beschrieben worden sind, dar- zum 1. Januar zum Teil schon eingetreten und wird sich stellen muß. Das läßt sich noch nicht anders machen.weiter verbessern. Daran erkennen viele Menschen, daß Dennoch haben wir nicht auf das Einschlagen einesauf diesem Gebiet tatsächlich etwas geschieht. Durch Konsolidierungspfades verzichtet, was Sie daran erken- diese Verschiebung zugunsten der kleinen und mittleren (B) nen, daß wir versuchen wollen, weitere 0,5 Prozent ein- Einkommen wird die soziale Gerechtigkeit verbessert. (D) zusparen, um bei der Neuverschuldung auf deutlich un- Das zweite Gerüst, das man diesem Haushalt und der ter 1,5 Prozent zu kommen. Das halte ich für einen ganz mittelfristigen Finanzplanung anmerken kann, ist die wesentlichen Beitrag, wenn man bedenkt, wie schwierig Generationengerechtigkeit, die unserer Fraktion be- die Finanzlage der öffentlichen Hand ist. sonders am Herzen liegt. Wir haben in den letzten vier Jahren versucht, den Begriff der Nachhaltigkeit nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr nur auf ökologische Fragestellungen zu konzen- und bei der SPD) trieren, sondern ihn auf soziale, auf finanzpolitische Ich glaube sogar, daß man dem ÜbergangshaushaltFragestellungen auszuweiten. Man kann doch nicht, ge- 1999 schon ansehen kann, daß es um drei große Zielenausowenig, wie man eine verdorbene Umwelt hinter- geht, die neben der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik und lassen kann, eine Finanzstruktur hinterlassen, die den -struktur stehen. Das erste – das ist nun wirklich allennachfolgenden Generationen jegliche Handlungsspiel- bekannt – ist die Senkung der Arbeitslosigkeit. Das wird räume nimmt und ihnen verwehrt, ihr eigenes Leben zu in Angriff genommen: Wir reden über die Ökosteuer,gestalten. auch wenn sich das nun um eine Woche verspätet, und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wir reden dann natürlich auch über die Senkung der und bei der SPD) Lohnnebenkosten. Damit gehen wir erste Schritte, um den ersten Arbeitsmarkt zu entlasten und dazu beizutra- Sie haben in den Debatten gehört, daß wir in diese gen, daß mehr Leute auf dem ersten Arbeitsmarkt inRichtung arbeiten. Wir haben über die nachhaltige Lohn und Brot kommen. Das halte ich für wesentlich. Finanzstruktur gesprochen, wir haben über die Notwen- digkeit der Konsolidierung gesprochen, so schmerzhaft Wir führen die Gespräche im „Bündnis für Arbeit“. sie auch ist, weil nicht alle Blütenträume reifen werden. Die Theorie, die Sie in dieser Woche aufzubauen ver-Das Konsolidieren muß sein. Wenn es etwas gibt, was sucht haben und die besagt, dieser Haushalt sei alle so erschrecken sollte, die sich mit der Finanzpolitik be- fürchterlich, daß er die Stimmung im Land drücke und schäftigen, dann ist es der sprunghafte Anstieg in zwei die Konjunktur beschädige, ist ad absurdum geführt,Bereichen des Haushalts in den letzten Jahren, struktu- wenn Sie sich die heutige Berichterstattung – Sie lesen rell bedingt: Das betrifft die Alterssicherung und die ja ständig Zeitung, Herr Koppelin, wie ich vorhin be-Zinsen. Das sind zwei Beispiele, die vor allem die jun- merkt habe – zu Gemüte führen und einmal nachlesen, gen Leute und die nachfolgenden Generationen drastisch wie sich das Klima in der Gesprächsrunde des „Bünd- belasten werden. Diese beiden Themen müssen ange- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1771

Antje Hermenau (A) gangen werden. Diese Verpflichtung hat Ihre Generati- ist der Verteidigungsetat. Sie können überzeugt sein,(C) on, hat meine Generation den nachfolgenden Generatio- daß wir dazu eine Menge von Anträgen stellen werden, nen gegenüber. Das ist eindeutig. um an diesem Etat noch etwas zu verändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der PDS) und bei der SPD) Kolleginnen und Kollegen von der neuen Koalition, Ich hoffe, daß sich die Debatte weiter mit dem Bun- wir finden es wichtig und gut, daß der Titel für die akti- deshaushalt beschäftigt, und freue mich auf die nachfol- ve Arbeitsmarktpolitik aufgestockt worden ist. Da- genden Redner. durch werden wir endlich davon wegkommen können, Danke. im Haushaltsausschuß im nachhinein pausenlos über- planmäßige Ausgaben zu bewilligen, wie in der vergan- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genen Legislaturperiode geschehen, obwohl, wie es im- und bei der SPD) mer hieß, vorher realistisch geplant worden ist. Zudem sind wir mit Wahlkampf-ABM konfrontiert worden. Das war Ihre Hinterlassenschaft. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Christa Luft von der PDS. Wir sind also einverstanden mit der Aufstockung die- ses Titels. Sie werden uns aber gestatten müssen, daß wir sehr genau hinschauen, ob es nur bei einer quantita- Dr. Christa Luft (PDS): Herr Präsident! Verehrte tiven Aufstockung bleibt oder ob auch Kurs genommen Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie, daß ich mit wird auf die Einleitung einiger qualitativ neuer Projekte. einem Wort an den Kollegen Jacoby und den Kollegen Koppelin beginne. Auch wir von der PDS als Oppositi- Ich sage Ihnen: Wir werden einen Antrag zum Ein- onspartei prüfen diesen vorgelegten Haushaltsentwurf stieg in eine Projektförderung, zum Beispiel für die natürlich ganz kritisch und wollen vor allen Dingen wis- Schaffung eines Programms für feste Stellen in der Ju- sen, ob sich das, was als Einstieg in den Politikwechsel gendarbeit, stellen. Jugendarbeit ist eine gesamtgesell- angekündigt war, hier niederschlägt. Da haben wir vieles schaftliche Aufgabe. auch Enttäuschende zu sagen. Aber daß Sie beide für Ih- re Parteien so gar nichts an diesem Haushalt gefunden (Beifall bei der PDS) haben, von dem man sagen könnte, es gibt etwas Hoff- Die Kommunen sind damit weit überfordert. Im übrigen nungsvolles, hat mich doch sehr erstaunt. Sie haben eine gibt es auf diesem Gebiet keinerlei Konkurrenz mit pri- vorgefaßte Meinung zu diesem Haushalt. Sie desinfor- vaten Unternehmen, was immer als Einwand gebracht mieren auch die Öffentlichkeit, wenn Sie nicht auf eini- wird, weshalb man die Mittel der aktiven Arbeitsmarkt- (B) ge Punkte eingehen, die unser aller Unterstützung bedür- (D) politik für die Finanzierung solcher Projekte nicht nut- fen. In den kommenden Berichterstattergesprächen, in zen könne. Wir wollen den Einstieg in mehrjährige Pro- den kommenden Haushaltsberatungen müssen wir einige jekte, beispielsweise in ein Programm für feste Stellen in Punkte festklopfen. der Jugendarbeit, einfordern. Das ist für uns eine Um- setzung der neuen Quantitäten in eine neue Qualität. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Dasselbe darf ich bezogen auf die neuen Bundeslän- Kollegin Luft, erlauben Sie eine Zwischenfrage des der sagen. Meine Ausschußkollegin Hermenau hat eben Kollegen Koppelin? schon gesagt, daß es in den neuen Bundesländern eine große Verschwendung von Mitteln gegeben hat, nicht Dr. Christa Luft (PDS): Ja. weil die Menschen dort zu dumm waren, diese einzuset- zen, sondern weil es in den vergangenen Jahren an ziel- genauen Vergabekriterien mangelte. Es gab keinerlei Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte Beschäftigungsorientierung bei ihrem Einsatz. Auch das schön, Herr Kollege. wollen wir diesmal einfordern. Wir wollen auch ein Modellprojekt zurSchaffung Jürgen Koppelin (F.D.P.): Kollegin Luft, haben Sie regionalisierter wirtschaftlicher Kreisläufe einfor- vielleicht nicht zur Kenntnis nehmen können, daß ichdern. Wir müssen doch einmal wegkommen von der gesagt und auch angeboten habe, daß es durchaus Mög- Mittelstandsrhetorik. lichkeiten gibt, bestimmte Politikfelder gemeinsam zu beschließen? Ich habe als Beispiel – da werden Sie aber (Beifall bei der PDS) Schwierigkeiten haben; ich vermute, daß da nur die PDS nicht mitmachen wird – den Verteidigungshaushalt ge- Wenn wir endlich regionalisierte wirtschaftliche Kreis- nannt. Es ist zum Beispiel eine positive Sache, daß wir läufe initiieren, dann ist dies zum Nutzen kleiner und versuchen, dort gemeinsam etwas zu bewirken. mittlerer Unternehmen, die doch vor allen Dingen lokal und regional anbieten, und auch zum Nutzen der Land- wirtschaft, die gerade in diesen Tagen höchste Angst um Dr. Christa Luft (PDS): Herr Kollege Koppelin, Sie ihre Zukunft hat. Wir werden also einen Antrag stellen, haben Ihre Frage gestellt, bevor ich diesen Satz sagenden Einstieg in ein Pilotprojekt zur Förderung regionali- konnte: Bei Ihnen habe ich sehr wohl vernommen, daß sierter wirtschaftlicher Kreisläufe mit Bundeshilfe auf es einen Etat gibt, mit dem Sie sehr übereinstimmen, das den Weg zu bringen. 1772 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Dr. Christa Luft (A) Leider ist in der Rede des Bundeskanzlers, der denschale in eineverkehrsmittelunabhängige Entfer- (C) Aufbau Ost zur Chefsache machen wollte und hoffent- nungspauschale betrifft. Das finde ich noch nicht ein- lich auch noch machen will, kein Wort explizit zu denmal zum Lachen. Wir haben das lange Zeit gefordert; neuen Bundesländern gefallen. Ich möchte nicht anneh- damals wurde das immer abgelehnt. Es steht in den men, daß für Ihr Schweigen gilt: nomen est omen. Wahlprogrammen der beiden heutigen Koalitionspar- teien; im Haushalt findet sich nichts. Jetzt kommt die Ich habe heute früh mit großer Aufmerksamkeit gele- F.D.P., die ja die Chance gehabt hat, beispielsweise sen, daß die ostdeutschen SPD-Abgeordneten, eine gro- unsere Anträge auf diesem Gebiet zu unterstützen, und ße Gruppe, sich nun zu einer Einsatztruppe formierenmeldet sich bei diesem für wahrlich viele Menschen und, wie es heißt, die Muskeln spielen lassen wollen. Ich wichtigen Thema zu Wort. Sei es, wie es sei. Wir wür- kann Sie dazu nur couragieren. Aber ein Komplimentden, wenn Sie, Herr Koppelin, morgen einen entspre- für Staatsminister Schwanitz, der aus dem Osten kommt chenden Antrag einbringen würden, diesem Antrag zu- und erstmals die Chance hat, im Bundeskabinett wirk- stimmen. sam zu werden, ist dies wahrlich nicht. Daß Sie beim Thema der Einnahmenerhöhung – je- (Beifall bei der PDS) denfalls zur Zeit – den Mehrwertsteuersack fest zuge- Ich beglückwünsche Sie aber, daß Sie die Muskelnbunden halten, ist für mich sehr verständlich, und hof- spielen lassen wollen. Wir wollen gerne konstruktiv da- fentlich haben Sie die Courage, das auch durchzuhalten. bei mitmachen. Daß Sie aber in bezug auf die Steuern allgemein Nun einige Worte zu dem, was uns enttäuscht. Sie– von der Ökosteuer abgesehen – einer einzigen Ten- von der Koalition haben hier im Laufe der Wochedenz das Wort reden, nämlich einer Steuersenkung, das mehrmals gesagt, Ihr Markenzeichen bei diesem Haus- werden Sie nicht durchhalten können. Auch aus Ihren halt sei: versprochen, gehalten. Ich könnte eine ganzeeigenen Reihen sind ja Stimmen zu vernehmen, wonach Reihe von Punkten aufführen, wo dies bei weitem nicht die Wiedereinführung der Vermögensteuer dringlich ist, zutrifft. daß eine schnellere Reduzierung des jetzigen Ehegatten- splittings unabdingbar ist und daß Sie nicht darum her- Hier wird immer das StichwortWohngeldreform umkommen, statt dessen eine konsequente Individual- genannt und gesagt, daß dazu die Finanzierung fehle. veranlagung oder auch ein Familienrealsplitting einzu- Ich will es aber einmal andersherum sagen: Dahinter führen. Das sind aber Steuererhöhungstendenzen, und steckt doch die notwendige Absicherung des menschli- das könnten und sollten Sie auch heute sagen, weil das chen Grundbedürfnisses auf sicheres und bezahlbares die Masse der Bevölkerung gar nicht beunruhigen wird, Wohnen. Dies müßte bei der neuen Bundesregierung da sie nicht von solchen Steuererhöhungsmaßnahmen ganz oben auf der Agenda stehen, wie es der Bundes- (B) betroffen sein wird. Diese sind aber unendlich wichtig, (D) kanzler auch im Wahlkampf angekündigt hat. Leider ist damit die Löcher im Haushalt nicht noch größer werden. das nicht der Fall. Bei diesem wichtigen Thema können Sie auch nicht sagen: Wir sind erst ganze vier Monate (Beifall bei der PDS) im Amt. Sie stellen schließlich einen Etat für ein Viertel Ihrer Legislaturperiode auf. Dann müßte bei der Wich- Von diesem Haushalt 1999 meinte Herr Riester tigkeit des Themas der Einstieg auf jeden Fall gegeben gestern, er sei ein Haushalt des Vertrauens. Er ist aber in sein. seinen Einnahmestrukturen und seinen Ausgabestruk- turen nicht wiederholbar. Herr Kollege Metzger hat ja (Beifall bei Abgeordneten der PDS) deshalb auch von einem Übergangshaushalt gesprochen. Auch die ökologischen Akzente sind schwach, wenn Ob also das, was Sie heute einen Haushalt des Ver- man einmal von dem 100 000-Dächer-Solarpogrammtrauens nennen, auch noch im kommenden Jahr ein absieht. Das habe ich bei einer RegierungsbeteiligungHaushalt des Vertrauens sein kann, bleibt abzuwarten. der Grünen nicht erwartet. Ich habe gedacht, daß jetztInsofern stellt sich die Frage, ob denn der Charakter der ein weites Herz für den Schienenverkehr und den öf-Politik der neuen Koalition an diesem Haushalt schon fentlichen Personennahverkehr zum Vorschein kommt. erkennbar ist. Eine solche Einschätzung kann man heute Was finden wir statt dessen? – Die Hand wird weiterüberhaupt noch nicht vornehmen. Dieses Vertrauen muß über den Transrapid gehalten. Man sagt heute: Da gibt im kommenden Jahr neu erworben werden – unter zuge- es Verträge; aus ihnen kommen wir nicht heraus. In all gebenermaßen viel komplizierteren Bedingungen. den Jahren, als Sie über die notwendige Beendigung die- Bei den Einnahmen werdenPrivatisierungserlöse ses unsinnigen Projekts gesprochen haben, nicht noch einmal im bisherigen Umfang zu erzielen (Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist nicht un- sein. Es ist ja auch fast nichts mehr da, was man verkau- sinnig! Zukunftstechnologie ist das! Arbeits- fen könnte. plätze!) (Beifall bei der PDS) haben Sie gewußt, daß es Verträge gibt und daß manDer Kollege Diller hat, als er hier als haushaltspoliti- schwer aus Verträgen herauskommt. Ich glaube, Siescher Sprecher der damaligen oppositionellen SPD ge- müßten in dieser Frage auf andere Weise Farbe beken- standen hat, immer gegen die von Herrn Waigel betrie- nen, als das jetzt geschieht. bene Ausplünderung des Bundesvermögens gewettert, Nun lassen Sie sich auch noch von der F.D.P. denund er hat ihn zu Recht kritisiert. Daß aber diese Ten- Rang ablaufen, was die Umwandlung der Kilometerpau- denz auch im 99er Haushalt mit Unterstützung der SPD Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1773

Dr. Christa Luft (A) fortgesetzt werden wird, das gibt natürlich auch zu den- Jedes dieser Themen ist von elementarer Bedeutung für (C) ken. die innere Struktur der EU und auch eine wichtige Vor- (Beifall bei der PDS) aussetzung dafür, daß die Europäische Union im näch- sten Jahrhundert weitere Staaten aus Mittel- und Ost- Auch was die Ausgabenstrukturen betrifft, wird eseuropa aufnehmen kann. angesichts der beiden Urteile des Bundesverfassungs- gerichts viele Veränderungen geben müssen. MirWir bedauern außerordentlich, daß trotz der wichti- scheint allerdings jede Häme, die hier im Laufe dergen Bedeutung dieses Gipfeltreffens in Bonn weder der letzten Tage von manchem Kollegen der heutigen oppo- Bundeskanzler noch sonst irgendein Regierungsmitglied sitionellen CDU/CSU und F.D.P. – vor allen Dingen von auch nur mit einem einzigen Satz dem deutschen Parla- der CDU/CSU – gekommen ist, unangebracht; denn Sie ment mitgeteilt hat, was sie bei diesen schwierigen Ver- haben eigentlich diese Urteile zu vertreten, von denenhandlungen als deutsche Position einbringen wollen. ich sagen muß, daß sie notwendig und richtig sind. Wir bedauern dies und wiederholen, daß dies eine Ver- letzung der parlamentarischen Rechte und auch des (Beifall bei der PDS) Grundgesetzes ist, das wir gemeinsam vor einigen Jah- ren dahin gehend geändert haben, daß vor solchen wich- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau tigen Entscheidungen das deutsche Parlament informiert Kollegin Luft, kommen Sie bitte zum Schluß. und in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden soll.

Dr. Christa Luft (PDS): Ich bin am Ende. – Wenn es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) um das Stopfen von Löchern geht, ist natürlich vor allen Alle europäischen Entscheidungen in den 90er Jahren Dingen wichtig, daß das „Bündnis für Arbeit“ zum Er- – vom Vertrag von Maastricht über den Amsterdamer folg führen muß. Das wird die wichtigste MaßnahmeVertrag bis hin zum Euro – sind mit breiten Mehrheiten sein, um höhere Steuereinnahmen und Ausgabensen-im Deutschen Bundestag und auch im Bundesrat verab- kungen möglich zu machen. Aber ich will Ihnen auchschiedet worden. Dies war dadurch möglich, daß die sagen: Sie werden nicht darum herumkommen, zumBundesregierung unter immer rechtzeitig Beispiel über eine Millionärsabgabe nachzudenken. den Deutschen Bundestag, die Ministerpräsidenten und Das ist auch in Ihren eigenen Kreisen kein Tabu mehr; den Bundesrat in die Entscheidungsprozesse einbezogen Konzerne, Banken, Versicherungen müssen ihrer wirt- hat. Das führte am Ende dazu, daß es hier im Parlament schaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend besteuert immer einen breiten Konsens über die Entscheidungen werden. in der Europäischen Union gab. (B) Die jetzige Regierung – Gerhard Schröder spricht viel (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau von Konsens – versucht immer wieder, an den wichtigen Kollegin Luft, kommen Sie wirklich zum Schluß. SieEntscheidungsträgern vorbei Politik zu machen, jetzt haben anderthalb Minuten überzogen. auch in der Europapolitik. Herr Lafontaine, Sie werden in den nächsten Wochen erleben, daß die Ausschaltung des Parlaments bei den wichtigen Gesprächen über die Dr. Christa Luft (PDS): Wir können nicht durch Agenda 2000 ein ganz schwerer politischer Fehler war. Eingriffe in soziale Leistungsgesetze die Haushalts- löcher, die entstanden sind, stopfen. Vielmehr brauchen (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Peter wir dazu schon einen Zugriff auf die Vermögen und die Ramsauer [CDU/CSU]: Das wird sich rä- Einkommen, die heute weder investiv noch konsumtiv chen!) verwendet werden. Sie verzichten auf die Unterstützung des deutschen Par- Danke schön. laments bei diesen schwierigen Verhandlungen, obwohl (Beifall bei der PDS) diese Unterstützung ohne weiteres möglich wäre. Wir sind dazu bereit, wenn man sich auf die im Juni und Juli letzten Jahres im Parlament vereinbarten gemeinsamen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als europäischen Positionen zurückbesinnt. nächster Redner hat der Kollege Seehofer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Es ist in den letzten Tagen oft behauptet worden, die CDU/CSU würde in der Opposition eineneue Europa- politik – Gerhard Schröder sprach von einer populisti- Horst Seehofer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine schen Europapolitik – formulieren. Herr Lafontaine, wir sehr verehrten Damen und Herren! Haushaltsdebattenvertreten exakt die gleichen Positionen, die im Juni auf dienen im allgemeinen auch der Standortbestimmung in einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz verabschie- allen wichtigen Politikfeldern. Gerade am heutigen Tag det wurden und in der wir beim Finanzrahmen sowie bei findet ein informelles Treffen der europäischen Staats- der Agrar- und Strukturpolitik übereinstimmten. Wir und Regierungschefs statt, um die wichtigen Entschei- vertreten auch jetzt exakt die gleichen Positionen bei dungen zur Agenda 2000 vorzubereiten. Es geht um den den Verhandlungen über die Agenda 2000, die der künftigen Finanzrahmen der Europäischen Union, umDeutsche Bundestag noch im Juli letzten Jahres überein- die schwierige Reform der Agrarpolitik und um diestimmend festgelegt hat. Wir haben uns in keinem ein- Neuausrichtung der Struktur- und Regionalförderung.zigen Punkt von diesen einvernehmlich erzielten Posi- 1774 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Horst Seehofer (A) tionen entfernt. Deshalb fordern wir Sie auf, daß Sie sich Anteil am wirtschaftlichen Wohlstand entspricht. Herr(C) ab heute wieder auf diese Positionen zubewegen und die Lafontaine, wir werden in dieser Frage auch in der Öf- Regierung den europapolitischen Konsens nicht mehrfentlichkeit so lange keine Ruhe bekommen, wie wir die einseitig aufkündigt. Bevölkerung nicht überzeugen können, daß unser Anteil an der Finanzierung der Europäischen Union deshalb ge- (Beifall bei der CDU/CSU) recht ist, weil er unserem Anteil am wirtschaftlichen Worum geht es uns? Ich beschränke mich auf einige Wohlstand in Europa entspricht. Punkte. Wir sagen hier sehr deutlich: DieBundesrepublik Zunächst möchte ich über den geltenden Finanzrah- Deutschland wird immer Nettozahler in der Europäi- men sprechen, der verändert werden muß. Vor Weih-schen Union sein; denn Solidarität in der Europäischen nachten ist von Ihrem Bundeskanzler einiges Unappetit- Union ist nur denkbar, wenn die starken Staaten zur So- liche gesagt worden: Scheckbuchdiplomatie; der Erfolg lidarität mit den wirtschaftlich schwachen Staaten bereit der ganzen Europapolitik sei nur darauf zurückzuführen, sind. Zur Akzeptanz dieser Solidarität wird die deutsche daß die Deutschen immer den Geldbeutel aufgemachtBevölkerung auf Dauer nur in der Lage sein, wenn wir haben. Ich möchte Sie daran erinnern, daß der geltende dem Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit entspre- Finanzrahmen und die geltenden Beiträge an die Euro- chen. päische Union gemeinsam mit Ihnen beschlossen wor- Wir werden Sie nach diesen Verhandlungen daran den sind – in diesem Parlament und auch im Bundesrat. messen, ob Sie diesen Grundsatz realisieren können. Der Beitrag, den die Bundesrepublik Deutschland imHerr Lafontaine, es genügt nicht, daß der Bundeskanzler Moment an die Europäische Union entrichtet, hat Ihre am Mittwoch hier gesagt hat, es sei schon ein großer Er- Zustimmung gefunden. folg, Ausgabenkonstanz zu erreichen. Ausgabenkon- Wir alle waren und sind der Überzeugung, daß derstanz, also eine Deckelung der Ausgaben, wäre schon Beitrag, der seit Mitte der 90er Jahre befristet bis Ende ein großer Erfolg; aber sie beseitigt nicht die Ungerech- 1999 geleistet wird, auch aus übergeordneten Gründen tigkeit der Finanzierung dieser Ausgaben. gerechtfertigt ist. Zu nennen sind in diesem Zusammen- (Beifall bei der CDU/CSU) hang die deutsche Einheit und das herausgehobene Interesse der Deutschen an der Fortsetzung und Ver-Uns kommt es darauf an, daß die Ungerechtigkeit der wirklichung der europäischen Integration auf Grund un- Finanzierung beseitigt wird. serer Geschichte und unserer geographischen Lage. Wir müssen einfach sehen: Momentan bezahlt die Das war 1995 hier gemeinsame Position. Sie haben Bundesrepublik Deutschland etwa 29 Prozent der Brutto- diesem Finanzrahmen und auch dem deutschen Beitrag einnahmen der Europäischen Union. Wir müßten nur (B) (D) dazu zugestimmt. Wir waren gemeinsam der Überzeu- 24 Prozent bezahlen. Jeder Prozentpunkt weniger be- gung, daß dieser deutsche Beitrag bis Ende 1999 giltdeutet 1,5 Milliarden DM. Wir zahlen momentan 5 Pro- und daß die Bundesregierung Helmut Kohl bis dahin ein zent zuviel, das sind 7,5 Milliarden DM. Das ist exakt neues Beitragssystem in der Europäischen Union aus- derjenige Betrag, den schon im letzten Jahr handelt. Damit haben wir auch begonnen. als diejenige Summe bezeichnet hat, die bei den Ver- handlungen über die Agenda 2000 erreicht werden muß. Es ist der Regierung Helmut Kohl und dem Finanz- Herr Lafontaine, wir werden Sie daran messen, ob Sie minister Theo Waigel zuzuschreiben, daß die Europäi- dieses Ziel erreichen. sche Kommission die Berechtigung der Forderung der Deutschen nach einem gerechteren Beitrag – eine lange Es ist ein falscher Weg, auf der einen Seite darüber umstrittene Frage – anerkennt. Dies ist von der Europäi- zu verhandeln, wie die Deutschen weniger in die Euro- schen Kommission noch im letzten Jahr akzeptiert wor- päische Union einzahlen können, aber auf der anderen den. Seite eine Politik zu betreiben, wonach der Europäi- schen Union immer mehr Aufgaben und damit immer Es war lange umstritten, ob es sich hierbei nur ummehr Finanzlasten übertragen werden. Wenn Sie auf der einen deutschen Sonderweg handelt. Nein, die Euro-einen Seite weniger Beitrag zahlen, aber auf der anderen päische Kommission hat noch im letzten Jahr auf dasSeite die Kompetenzen für die Beschäftigungspolitik Drängen der Regierung Helmut Kohl und des Finanz-oder die Harmonisierung der Sozialsysteme auf die Eu- ministers Theo Waigel hin die Berechtigung dieses An- ropäische Union übertragen wollen, werden Sie politi- liegens festgestellt. Sie hat darüber hinaus festgehalten, schen Schiffbruch erleiden. Das geht nicht zusammen. es gebe kein Argument, das rechtfertigen würde, daß die Deutschen auf Dauer höhere Beiträge zahlen, als es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ihrem Anteil am Bruttosozialprodukt in Europa ent- Ein Satz noch zu den 14 Milliarden DM: Herr La- spricht. fontaine, wir erheben die Senkung der Zahlungen um 14 (Beifall bei der CDU/CSU) Milliarden DM nicht zu einer politischen Forderung. Wenn wir aber pausenlos mit dem Vorwurf konfrontiert Herr Lafontaine, mir erscheint sehr wichtig klarzustel- werden, wir würden eine populistische Europapolitik len: Es war ein gemeinsamer Weg. betreiben, erlauben wir uns schon, darauf hinzuweisen, Was wollen wir? Wir wollen für die Zukunft nachdaß diese Forderung von 14 Milliarden DM von den dem Jahre 1999, daß die europäischen Mitgliedsländer Länderfinanzministern Deutschlands 1997 beschlossen einen Beitrag zur Europäischen Union leisten, der ihrem worden ist. Damals kamen sie zu dem Ergebnis, daß die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1775

Horst Seehofer (A) Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt der letzten Die Europapolitik wird durch den Vorschlag, über(C) Jahre auf der einen Seite zuviel bezahlt und auf der an- den Sie verhandeln und den auch Sie vertreten, daß die deren Seite zuwenig Rückflüsse erhalten hat. Diese Be- Europäische Kommission künftig die Möglichkeit für schlüsse aus dem Jahre 1997 haben die Länderfinanzmi- eine Effizienzreserve bei der Strukturpolitik erhalten nister 1998 bestätigt, und alle Ministerpräsidenten haben soll, völlig auf den Kopf gestellt. Das heißt, daß die im Juni 1998 diese Forderung in Höhe von 14 Milliar- Europäische Kommission unabhängig von irgendwel- den DM beschlossen. chen Gesetzen, Richtlinien oder Vereinbarungen einen Reservetopf, der mit Milliardenbeträgen ausgestattet ist, Wir weisen nur darauf hin, Herr Lafontaine: Diese bekommt, aus dem sie nach eigenem Gusto verteilen Zahl wurde nicht von uns erfunden, sondern Sie haben kann. Nach allem, was wir wissen, haben Sie, Herr La- sie mit beschlossen. Deshalb müssen Sie sich gefallen fontaine, sich für diesen Weg eingesetzt. Sie wollen die- lassen, daß wir die Hälfte dieses Betrags – das ist der sen Weg mitgehen. Angesichts der Kumpanei und der Betrag, den Theo Waigel als Forderung in die Verhand- Falschverwendung von Mitteln, über die wir in den lungen mit der Europäischen Union eingebracht hat – letzten Monaten diskutiert haben, stelle ich fest, daß dies nun zur Meßlatte für Sie, meine Damen und Herren, ma- genau der falsche Weg ist. Nehmen Sie das Geld, geben chen, damit gewährleistet wird, daß wir auf dem Boden Sie es den Nationalstaaten, damit sie eine eigenständige der Europapolitik der Vergangenheit bleiben. Regionalpolitik betreiben können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ein weiterer Punkt ist dieStruktur- und Regional- Bezüglich des Kohäsionsfonds bleiben wir bei unse- förderung. Auch hier verfolgen wir zwei Ziele, dierer Forderung. Dieser Fonds war immer dafür gedacht, nicht neu sind, sondern in der Kontinuität unserer bis-den Mitgliedstaaten zu helfen, an der Währungsunion herigen Europapolitik stehen. Wir wollen erstens dieteilnehmen zu können. Nach Realisierung der Wäh- Finanzmittel für die Strukturförderung konzentrierenrungsunion hat er seine Funktion und seine Berechti- und zweitens auf diesem Feld eine höhere nationale Ei- gung für Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen, genverantwortung. Für das Erreichen dieser Ziele isteigentlich verloren. Deshalb legen wir Wert darauf, daß das, was bisher im Zusammenhang mit der Agenda 2000 der Kohäsionsfonds degressiv im nächsten Förderzeit- auf Arbeitsebene diskutiert worden ist, kontraproduktiv. raum bis zum Jahr 2005 oder 2006 ausläuft. Sie wollen zum Beispiel die ländlichen Räume aus den Herr Lafontaine, ich wiederhole: Dies sind keine neu- Fördergebieten herausnehmen und die Förderung ein-en Forderungen. Wir waren bis Juni, Juli auf nationaler seitig auf die städtischen Ballungsräume verlagern. Wir Ebene in diesem Punkt völlig einer Meinung. Nach allen wissen um die Bedeutung der ländlichen Räume fürVerhandlungsergebnissen, die uns bisher bekannt sind, (B) Kultur, Landschaftspflege und vieles andere mehr. Des- kann man aber sagen, daß Sie diesen nationalen Konsens (D) halb sage ich, Herr Lafontaine: Den Weg, die ländlichen sowohl im Hinblick auf die Beitragsfinanzierung als Räume als eigenständiges Fördergebiet aus der Regio- auch auf die Struktur- und Regionalförderung einseitig nalförderung herauszunehmen, werden wir nicht mitge- aufgegeben haben. hen. Der dritte Punkt ist die Landwirtschaft. Auch wir sind (Beifall bei der CDU/CSU) für eine Reform der Agrarpolitik. Unser zweites Ziel bei der Regionalförderung ist, daß (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach die Bundesrepublik Deutschland größere Möglichkeiten nee!) für die eigenständige Förderung vonProblemgebieten erhält. Genau gegensätzlich dazu laufen derzeit IhreAber die Vorschläge, die im Moment dazu auf dem Verhandlungen auf der europäischen Ebene. Sie wollen Tisch liegen, führen in den nächsten Jahren zu einem die Möglichkeiten für die Bundesrepublik Deutschland, höheren Finanzaufwand für die Europäische Union, Problemgebiete eigenständig zu fördern oder zu unter- (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Erheblich stützen, im Verhältnis zum geltenden Recht schmälern. mehr!) Wir haben heute die Möglichkeit, etwa 5 Prozent der Problemgebiete in Deutschland unabhängig davon, ob zu geringeren Einkommen für die Landwirte und zu sie auch von Europa gefördert werden, national zu för- einer größeren Bürokratie für alle. Sie werden in dern. Diese 5 Prozent wollen Sie drastisch zurückfahren. Deutschland niemandem erklären können, daß eine Agrarreform mit dem Ziel durchgeführt werden soll, die Ich sage Ihnen deutlich: Das paßt nicht zu unserer Agrarausgaben in der Europäischen Union zurückzufah- gemeinsamen Überzeugung, daß wir mehr Subsidiarität ren, wenn tatsächlich genau das Gegenteil passiert. Des- in Europa brauchen. Die Europäische Kommissionhalb haben die Landwirte, die im Moment in Bonn pro- möchte, daß national nur die Gebiete gefördert werden testieren, diesbezüglich unsere volle Unterstützung. Ihre dürfen, die auch von der Europäischen Union gefördert Agrarpolitik, Herr Minister, ist falsch. werden. Das entspricht nicht mehr Subsidiarität, sondern mehr Zentralismus. Ich sage vorsorglich: Einen solchen (Beifall bei der CDU/CSU) Weg zu mehr Zentralismus in der Regionalpolitik und in der Strukturförderung, Herr Lafontaine, werden wir Wir haben mehrfach von diesem Pult Ausführungen nicht mitgehen. zu der Frage gehört, wie es zusammenpaßt, auf der einen Seite geringere deutsche Beiträge zu fordern und auf (Beifall bei der CDU/CSU) der anderen Seite gegen eine Agrarreform zu sein. Herr 1776 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Horst Seehofer (A) Finanzminister, wir haben einen ganz einfachen Vor-politischer Fehler und – das sage ich noch einmal – eine (C) schlag. Wir wollen, daß in der Agrarpolitik endlich das Verletzung des Art. 23 des Grundgesetzes, Prinzip der Subsidiarität realisiert wird. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist (Beifall bei der CDU/CSU) Unsinn!) Wir wollen, daß die Nationalstaaten in der Agrarpolitik nach dem Sie verpflichtet wären, vor wichtigen Ver- mehr nationale Verantwortung erhalten. Das hat nichts handlungen das deutsche Parlament zu unterrichten und mit Renationalisierung zu tun. Wenn die Rückübertra- ihm die Möglichkeit einzuräumen, eine Meinung zu äu- gung mancher Aufgaben derzeit nicht konsensfähig ist, ßern. dann wollen wir zumindest, daß die Mitgliedstaaten in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einem höheren Maße als bisher die Einkommenspolitik in der Europäischen Union mitfinanzieren – Stichwort: Zweitens. Herr Lafontaine, wir vertreten exakt die eu- Kofinanzierung. ropapolitischen Positionen, die wir gemeinsam definiert, formuliert und beschlossen haben, Sie als Ministerpräsi- Wir schlagen eine 50prozentige Kofinanzierung der dent in den Bundesländern, wir hier im Deutschen Bun- direkten Einkommensbeihilfen in der Europäischendestag. Union vor. Würde man sich darauf verständigen, dann würde der gesamte EU-Haushalt jährlich um insgesamt Drittens. Wir bieten Ihnen an, daran mitzuwirken, daß 13 Prozent – das sind 23 Milliarden DM – und derdie Agenda 2000 ein Erfolg wird. Sie ist eine sehr wich- Agrarhaushalt um 30 Prozent entlastet werden. Deshalb, tige, elementare Entscheidung für die Zukunft der Euro- Herr Lafontaine, war der von uns bis zur Bundestags-päischen Union und eine wichtige Voraussetzung für die wahl gemeinsam vertretene Standpunkt schlüssig. SieErweiterung der Europäischen Union. Aber wir werden haben im Bundesrat als Ministerpräsident mitbeschlos- diesem Reformpaket nur unter der Voraussetzung zu- sen, daß der einfachste und beste Weg zur Durchsetzung stimmen, daß die notwendigen Kompromisse den Inter- des Subsidiaritätsprinzips und zur Entlastung der EU-essen der Bundesrepublik Deutschland entsprechen und Haushalte eine stärkere Kofinanzierung der Agrarhaus- daß sie Europa wirtschaftlich, politisch und sozial tat- halte ist. Greifen Sie deshalb den Vorschlag wieder auf! sächlich voranbringen. (Beifall bei der CDU/CSU) Europa ist für die Menschen und für die weitere Wohlfahrt der Menschen kein Hindernis, sondern eine Eine letzte Bemerkung zur Osterweiterung. Wir sind große Chance. Wir fordern Sie auf, diese Chance in der und bleiben für die Osterweiterung der EuropäischenRealisierung ernster zu nehmen, Union. Wir wollen alles dazu beitragen, daß aus der (B) westeuropäischen Union eines Tages eine gesamteuro- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Als Sie (D) päische Union wird. Wir wollen keine neue Politik und in den letzten 16 Jahren!) bleiben bei unserem Standpunkt, den wir vor der Bun- als Sie dies in den letzten Tagen und Wochen getan ha- destagswahl immer wieder formuliert haben: ben. Erstens muß sich bis zum Jahre 2002 die Europäische Herzlichen Dank. Union institutionell reformieren, um erweiterungsfähig zu sein. Dazu gehört die Verkleinerung der Kommission (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und die Klärung der Frage von Mehrheits- bzw. Ein- stimmigkeitsbeschlüssen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Zweitens müssen in absehbarer Zeit die Beitrittsinter- nächster Redner hat das Wort der Kollege Klaus Müller, essenten Reformen durchführen, um ihrerseits beitritts- Bündnis 90/Die Grünen. fähig für die Europäische Union zu werden. Drittens sollen für bestimmte Bereiche, wie zum Bei- spiel für den Bereich der Landwirtschaft, ausreichend Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE lange Übergangsfristen vereinbart werden, die im Inter- GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine ver- esse sowohl der Beitrittsinteressenten als auch der Euro- ehrten Damen und Herren! Herr Kollege Seehofer, ich päischen Union liegen. sehe ein, daß man in einer Haushaltsdebatte nahezu alles unterbringen kann, insbesondere wenn man am Tag da- Das ist unsere eindeutige Position, an der wir nichts vor in der GO-Debatte gescheitert ist. verändert haben. In diesem Zusammenhang, Herr Fi- nanzminister, möchte ich noch drei Punkte anführen. Ich finde es richtig, daß wir die Europadebatte führen, und freue mich, daß wir sie auch sehr detailreich führen Erstens. Lassen Sie davon ab, pausenlos vom Kon-werden. Aber einen Punkt habe ich nicht verstanden. sens zu reden, wenn Sie in wichtigen politischen Berei- Wenn ich Ihren Ausführungen richtig gelauscht habe, chen, wie jetzt bei der Vorbereitung der Agenda 2000, dann sind Sie für Einsparungen irgendwo zwischen 7 und am deutschen Parlament vorbei verhandeln! Weder Sie 14 Milliarden DM, für die zügige Osterweiterung der noch der Bundeskanzler haben ein Wort über die Ziel- EU und für die Wahrung des Finanzstatus in der Agrar- setzungen verloren, die Sie heute bei den Gesprächenpolitik. Wie wir das alles finanzieren sollen, müssen wir auf dem Petersberg vertreten. Mit diesem Verhaltennicht heute ausdiskutieren. Ich bin aber sehr gespannt werden Sie Schiffbruch erleiden. Es ist ein schwererauf Ihre Vorschläge, um dann tatsächlich zu sehen, was Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1777

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) Ihre konkreten Anliegen sind und wie das seriös zu finan- mit kräftiger Hilfe aus der Opposition, Verwirrung ge-(C) zieren ist. stiftet. Es ist notwendig, daß wir nächste Woche Klar- heit darüber schaffen, daß die Steuersätze im Eingangs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereich um 6 Prozentpunkte sowie im Spitzensteuerbe- sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingrid reich um immerhin 4,5 Prozentpunkte und die Lohnne- Matthäus-Maier [SPD]: Das geht überhaupt benkosten um 0,8 Prozentpunkte sinken werden. Beide nicht!) Gesetze sind sauber und solide gegenfinanziert. Wir be- Finanz- und Haushaltspolitik sind zwei Seiten einer lasten den Haushalt durch unsere Steuerpolitik nicht in Medaille. Wenn Finanzpolitiker in Haushaltsdebattenunzumutbarer Weise, wie das in steuerpolitischen Vor- reden, dann ist das immer ein bißchen zwielichtig, weil schlägen von CDU/CSU und F.D.P. vorgesehen war. dann die Haushaltspolitiker recht leicht aus ihrer Ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antwortung entlassen werden könnten. und bei der SPD) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir haben einen klaren Kurswechsel vollzogen, der NEN) keineswegs in Richtung Abkassieren geht, Denn wenn wir jetzt die Lösung für all die Haus- (Lachen des Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU] haltsprobleme anbieten würden, womöglich über Mehr- – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Doch!) einnahmen, dann würden wir uns das, glaube ich, zu leicht machen. Das wollen wir nicht, in voller Solidarität wohl aber in Richtung Umschichten. Nach 16 Jahren mit den Kollegen Metzger und Wagner. Der HaushaltPolitik zu Lasten von Kindern, Ökologie und nichtselb- 1999 gehört erst einmal euch, inklusive der schwerenständiger Arbeit kann eine zukunftsweisende Finanz- Aufgaben, die zu lösen sind und die wir dann gemein- politik ohne Umschichtungen nicht auskommen. Auf die sam mit den beiden Koalitionsfraktionen zu schulternzwei Projekte, die wir vor uns haben, möchte ich kurz haben. eingehen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Es geht nicht um Wissenschaftler aller Nationen und selbst deutscher Beute machen, sondern um das Geld der Steu- Fakultäten sagen: Die Energiepreise geben nicht die erzahler!) wahren Kosten wieder, und die Arbeitskosten sind zu hoch. Dieser Gedanke muß für die F.D.P. so abschrek- Trotzdem sind Finanz- und Haushaltspolitik zweikend sein, daß sie alles darangesetzt hat, die abschlie- Seiten der gleichen Medaille. Wenn die eine Seite soßende Debatte zu verzögern. versagt hat wie die Steuerpolitik der Regierung Kohl/Waigel in den vergangenen Jahren, dann gerät (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist (B) auch die andere Seite ins Trudeln. Das ist das Problem. das!) (D) Das ist die Suppe, die wir jetzt auszulöffeln haben, mit Ihren eigenen Antrag, der endlich schriftlich vorliegt, den Haushaltslöchern, die in den vergangenen Tagenhaben Sie nicht einmal in das Beratungsverfahren des ausführlich zur Sprache gekommen sind. Finanzausschusses eingebracht. In nur wenigen Bereichen ist die rotgrüne Koalition (Detlev von Larcher [SPD]: So sind sie!) so schnell ans Werk geschritten wie in der Steuerpolitik. Inzwischen gehört es zum guten Ton, einzuräumen, daß Das fand ich extrem enttäuschend; denn das wäre Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehört hätte. Wir hätten wirklich eine inhaltliche Debatte gewesen – nicht nur uns bestimmt manche Probleme erspart, wenn wir uns dagegen sein, sondern auch eigene Vorstellungen ent- mehr Zeit genommen hätten; das ist richtig. Nur, umge- wickeln. kehrt haben wir die Sicherheit, daß wir nächste Woche (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tatsächlich eine Steuerreform verabschieden werden, und bei der SPD) was die letzte Koalition leider nicht geschafft hat, weil sie schlicht zu spät daran gedacht und zu spät damit an- Kollegen von der F.D.P., das wäre hilfreich. gefangen hat. Wenn hier beklagt worden ist, wir hätten im Finanz- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausschuß nicht ausführlich genug debattiert, und bei der SPD) (Detlev von Larcher [SPD]: Lächerlich!) Die nächste Woche im Parlament wird dann die steu- dann antworte ich darauf: Das stimmt nicht. Mit Ver- erpolitische Woche schlechthin. Wir werden am Mitt- laub, kaum ein Ausschuß außer vielleicht dem Arbeits- woch die erste Stufe der ökologisch-sozialen Steuerre- und Sozialausschuß und dem Haushaltsausschuß hat in form beschließen, mit einem Volumen von immerhinden vergangenen Monaten soviel getagt wie der Finanz- zirka 12 Milliarden DM pro Jahr, und das Steuerentla- ausschuß. Sie hatten Zeit, ausführlich über alles zu re- stungsgesetz mit einem Entlastungsvolumen von im-den: drei Tage zum Steuerentlastungsgesetz, zwei Anhö- merhin 57 Milliarden DM, über vier Jahre verteilt. rungen zur ökologischen Steuerreform. Dafür war viel Zeit. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU) sind nicht nur der Sand im Getriebe, sondern das Geröll – Herr Michelbach, schreien Sie doch nicht so! im Getriebe. Es wird aber auch Zeit, daß diese Verabschiedung er- (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ folgt. Immer wieder wurde in den vergangenen Wochen, DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD) 1778 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) Aber damit werden Sie trotzdem nicht zu Potte kom- Wir halten aber gleichzeitig an unseren Zielen der Steu- (C) men. Denn wir werden die Politik, für die wir gewählt ersatzsenkung und der Verbreiterung der Bemessungs- worden sind, in der nächsten Woche verabschieden und grundlage fest. Ende März da, wo es notwendig ist, die Mehrheit im (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Leere Bundesrat dafür finden. Gesetzgeber – aber mit zwei e!) Wir haben in den vergangenen Tagen die Bedenken Darin werden wir uns nicht beirren lassen. des Präsidenten des Diakonischen Werkes der Evangeli- schen Kirche, Herrn Jürgen Gohde, gehört. Ich finde, (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Ihr seid sehr teure das ist ein Punkt, den man sehr ernst nehmen muß. Denn Auszubildende! – Gegenruf des Abg. Detlev er hat sich konstruktiv in die Debatte eingebracht und von Larcher [SPD]: Koppelin, Ruhe!) angemahnt, daß es in der zweiten und dritten Stufe der Der Bundeskanzler hat gestern angekündigt, daß die Ökosteuer eine soziale Komponente geben muß. Das nächste Etappe der Unternehmen-, Familien- und Öko- ist richtig; das sehen auch wir so. Ich bin sicher, daß wir steuerreform zusammengefaßt und in einem Guß erar- dies vereinbaren werden. Für die Rentnerinnen undbeitet werden soll. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Rentner ist dies bereits automatisch durch die Anpas-Denn damit wird garantiert, daß wir in diesem Jahr zwar sung der Renten an die Nettolöhne, die ja steigen wer- erstens noch viel Arbeit im Finanzausschuß haben wer- den, der Fall. Aber wir sehen auch, daß wir in der zwei- den, aber zweitens sowohl die Familien durch das Fami- ten und dritten Stufe tatsächlich weitere Änderungenlienentlastungsgesetz entlasten als auch für die Unter- vornehmen müssen. nehmen durch die Reform der Unternehmensbesteue- Lassen Sie mich jetzt zu der netten Äußerung vonrung ein vernünftiges, modernes Steuerrecht schaffen Frau Hasselfeldt Anfang der Woche kommen. Sie hatwerden. Gleichzeitig werden wir die Arbeitnehmerinnen die Erhöhung des Kindergeldes als „für die betroffe- und Arbeitnehmer und die Umwelt durch die zweite und nen sicherlich schöne Angelegenheit“ bezeichnet. Ichdritte Stufe der Ökosteuer entlasten. Es ist gut, daß wir finde, hier kommt ein zweites Mal in dieser Woche ne- all dies noch dieses Jahr auf den Weg bringen, damit wir ben der Anmerkung von Herrn Schäuble zur Ruhigstel- nicht in die gleiche Situation geraten wie die jetzige Op- lung in bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit ein Zynis- position in der letzten Legislaturperiode. mus durch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wo ist [CDU/CSU]: Zum Schluß kommen immer Frau Hasselfeldt eigentlich?) Erhöhungen heraus!) (B) 1999 wird eine Familie mit zwei Kindern um rund 1 200 (D) DM entlastet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Müller, erlauben Sie eine Zwischenfrage der (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Durch die Kollegin Höll? Ökosteuer wird das wieder einkassiert!)

Sie nennen das eine „sicherlich schöne Angelegenheit“. Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE Ich nenne das – ich glaube, da haben wir Karlsruhe auf GRÜNEN): Gerne. unserer Seite – einen notwendigen Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit. Es ist der erste für Familien; weite- re werden mit dem Familienentlastungsgesetz folgen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte Das ist notwendig und richtig. schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Barbara Höll (PDS): Herr Kollege Müller, darf und bei der SPD – Hans Michelbachich Ihre Äußerung so verstehen, daß wir das zu verab- [CDU/CSU]: Durch die Ökosteuer kassieren schiedende Gesetz zur Familienentlastung rückwirkend Sie das wieder!) zum 1. Januar 1999 beschließen werden? Denn Sie sag- ten soeben: Es wird in diesem Jahr auf alle Fälle zu einer Wir sind mit unseremSteuerentlastungsgesetz aber auch den Belangen der Wirtschaft entgegengekommen: Entlastung der Familien kommen. Es wäre ja auch mög- Erhalt der Teilwertabschreibung, mittelstandsfreundli- lich, daß wir in diesem Jahr über ein entsprechendes Ge- cher Verlustrücktrag, Freibeträge bei den Veräuße-setz gründlich beraten und daß es zum 1. Januar 2000 in rungsgewinnen, Steuerfreiheit von Abfindungen undKraft tritt. Ihre Äußerung soeben klang anders. Ich wür- Senkung der Körperschaftsteuersätze. Wir haben unsde die von Ihnen genannte Richtung der Koalition sehr bewegt, weil wir ein lernender Gesetzgeber sind. begrüßen. (Lachen bei der CDU/CSU) Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE Wir sind nicht arrogant, wir sind nicht beratungs-GRÜNEN): Frau Kollegin Höll, wie Sie sicherlich aus resistent, sondern wir hören zu, wenn uns Leute Ideendem Finanzausschuß wissen, sieht das Steuerentla- geben. stungsgesetz, (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sie sind aber ein (Dr. Barbara Höll [PDS]: Ich habe nach dem teurer Auszubildender!) Familienentlastungsgesetz gefragt!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1779

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) das wir rückwirkend zum 1. Januar 1999 beschließen,nen sich darauf verlassen, daß wir ihre finanzielle Kraft (C) vor, daß die Familien – das heißt, das Zusammenleben stärken werden. Wir werden sie erhalten, die entspre- mit Kindern – bessergestellt werden. Eine Erhöhung des chende Steuerart aber möglichst integrieren. Zu wel- Kindergeldes zum 1. Januar 1999 – es wird ja bereitschem Zeitpunkt und in welcher Form – ob in einer ei- ausgezahlt – haben wir bereits in einem Vorläufergesetz genständigen Steuerform oder in Form eines Hebesatzes, beschlossen. Das meinte ich mit meinen Ausführungen, wie auch immer – wir das schaffen werden, ist noch un- daß Familien noch 1999 bessergestellt werden. gewiß. Das Familienentlastungsgesetz werden wir selbstver- Das ist der Grund dafür, daß wir eine Unternehmen- ständlich zum 1. Januar 2000 in Kraft setzen, so wie uns steuerreformkommission eingesetzt haben. Sie besteht das die Beschlüsse von Karlsruhe aufgetragen haben.aus Wissenschaftlern, Vertretern der Länder, Vertretern Wir halten dies für richtig, da wir das Jahr 1999 nachder Unternehmen und aus einem Vertreter der kommu- dem Prinzip „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ nutzennalen Spitzenverbände. Wir wollen damit erreichen, daß wollen, um ausführlich darüber zu beraten und es aufuns nicht das gleiche passiert wie bei anderen Steuer- eine vernünftige Grundlage zu stellen. reformprojekten, die das Parlament erarbeitet hat und worüber dann alle herfallen. Wir wollen genau umge- (Dr. Barbara Höll [PDS]: Sie haben es aber kehrt erreichen, daß sich die Expertinnen und Experten anders gesagt! – Hans Michelbachzusammensetzen, uns einen Vorschlag unterbreiten und [CDU/CSU]: Das Ganze nennt sich Steuerer- daß wir diesen dann im Parlament auf der Basis eines höhungsmodell! – Gegenruf des Abg. Detlev gewissen gesellschaftlichen Konsenses erörtern und von Larcher [SPD]: Gerade Sie müssen diesen einen Gesetzentwurf erarbeiten. In diesem Sinne werden Zwischenruf machen!) wir dafür sorgen, daß die Kommunen bedacht werden, daß die Unternehmen ein modernes Steuerrecht erhalten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Erlauben und daß der Staat vernünftige und solide Einnahmen hat. Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Rössel (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von der PDS? – Bitte schön. sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte noch kurz auf das Vorhaben des„Bünd- Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Kollege Müller, Sie nisses für Arbeit“ eingehen, weil genau das gleiche haben davon gesprochen, daß die Koalition an einerKonzept, das wir jetzt im Hinblick auf die Unterneh- Modernisierung des Unternehmensteuerrechts arbeiten mensteuerreform vorhaben, auf die Ökosteuer und die- will. Nun frage ich Sie: Welche Perspektiven hat denn Familienentlastung ausgeweitet werden kann. Wir ver- Ihre Koalition für dieGewerbesteuer , die ja bekannt- sprechen uns davon, daß eine entsprechende Lösung im (B) lich nicht nur eine wichtige Unternehmensteuer, sondern „Bündnis für Arbeit“ vorbereitet wird. Die Verantwor-(D) traditionell auch eine herausragende Steuereinnahme der tung dafür werden wir im Parlament tragen müssen. Wir Städte und Gemeinden ist? In der Vergangenheit war zu werden uns ja in vier Jahren der Wiederwahl stellen hören, daß daran gedacht ist, im Rahmen einer rechts-müssen. formneutralen Unternehmensteuer die Gewerbesteuer abzuschaffen, was auf entschiedenen Protest der kom- Trotzdem ist es gut, daß auf diesem Gebiet vorgear- munalen Spitzenverbände gestoßen ist. Welche Per-beitet wird. Gleichzeitig müssen wir natürlich dafür sor- spektive haben Sie im Hinblick auf die Gewerbesteuer? gen, daß wir die Ziellinien für diese Arbeit mit auf den Weg geben, wozu ein Dreieck aus sozialer Gerechtig- keit, ökologischer Verträglichkeit und wirtschaftlicher Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE Vernunft gehört. Das sind auch die Koordinaten des GRÜNEN): Herr Kollege Rössel, vielen Dank. Ich fin- internationalen Prozesses im Rahmen der Agenda 21. de, das ist eine sehr wichtige Frage. Dazu gehört ferner die Besserstellung der Familien. (Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Ich stelle nur Ich bin sicher, daß hier Unternehmer bereit sind, nicht wichtige Fragen!) nur über Steuerpolitik zu sprechen, sondern auch über andere Aspekte, zum Beispiel darüber, wie sie dem – Klasse! – Das zentrale Problem im Rahmen derUn- Geist des Karlsruher Urteils auch in ihren Unternehmen ternehmensteuer in Deutschland ist, daß wir zu hohe – sei es durch Arbeitszeitgestaltung oder durch andere nominale Steuersätze und gleichzeitig eine Bemes-Maßnahmen – familiengerechter entsprechen können. sungsgrundlage haben, die zu schmal ist. Auch das ist ein Vorteil davon, dies im „Bündnis für (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) Arbeit“ zu diskutieren. Dies wollen wir ändern. Wir werden das in der Richtung Als weitere Leitlinien nenne ich Transparenz und ändern, daß wir dafür sorgen werden, daß die vorhande- Ehrlichkeit, das Angleichen der nominalen Steuersätze nen Steuersätze auch wirklich gezahlt werden und daß an die realen Steuersätze – genauso wie der Nettolohn das Unternehmensteuerrecht einfacher und transparenter an den Bruttolohn angeglichen werden soll – und die wird. Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates. Wir werden gleichzeitig im Auge behalten, daß die Finanzkraft, die Finanzeinnahmen der Kommunen in Hier schlage ich den Bogen zurück zur Haushalts- keiner Weise geschmälert werden. Die Kommunen kön- politik. Der Haushalt ist das Königsrecht des Parlamen- 1780 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) tes. Zuerst müssen wir entscheiden, welche Aufgabensicherungswirtschaft, auf den Werften und in der Film- (C) wir als rotgrüne Koalition finanzieren wollen; dann wer- wirtschaft treffen. Überall gehen Sie gnadenlos mit den den die Finanzexperten dafür sorgen, daß es auch dieArbeitsplätzen um. richtigen Einnahmen an der richtigen Stelle gibt. Ich Diese Steuerreform, die Sie beabsichtigen, ist eine freue mich auf die Vorarbeiten im „Bündnis für Arbeit“ Belastung für den Bundeshaushalt 1999 – über den wir und bin mir sicher, daß wir – inklusive der Opposition – uns unterhalten –, weil Sie anschließend mehr Arbeitslo- dazu eine konstruktive Debatte führen werden. sigkeit in Deutschland haben werden als vorher. Sie ist Vielen Dank. schlampig gemacht im Verfahren, unerträglich im In- halt, ein Anschlag auf den Arbeitsmarkt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Lachen bei der SPD) und schafft kein Vertrauen in die Berechenbarkeit von Politik, die auf der Grundlage von Vertrauen mit länger- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer fristigen Regelungen arbeiten muß. Zwischenbemerkung erteile ich dem Kollegen Walter Hirche das Wort. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Das war über- haupt keine Kurzintervention! – Detlev von Walter Hirche (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Da- Larcher [SPD]: Der Karneval ist doch vorbei!) men und Herren! Herr Müller, Sie haben eben ausge- führt, Sie wollten in der nächsten Woche mit Sicherheit, – so haben Sie es gesagt – „eine Steuerreform hinge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer kriegt haben“. Die Wortwahl ist schon interessant: EsErwiderung hat der Kollege Klaus Wolfgang Müller das geht nicht darum, diese Steuerreform sauber und solide Wort. zu machen. (Zuruf von der SPD: Aber bitte genauso Ich stelle erstens zur Ökosteuer fest: Sie ist nicht lange!) sozial. Eine Belastung bei den Schwachen bleibt übrig. Es gibt keine Form der Entlastung für Rentner oder Ge- Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE ringverdienende, die kein normales ArbeitsverhältnisGRÜNEN): Herr Kollege Hirche, Sie haben zwei haben. Punkte angesprochen und beide Punkte falsch darge- (Beifall bei der F.D.P.) stellt. Das möchte ich gerne kurz korrigieren. (B) (D) Zweitens. Sie ist nicht wirtschaftlich; denn derSie haben zum ersten die ökologisch-soziale Steuer- Strompreis in Deutschland ist schon heute 50 Prozentreform angesprochen. Diese haben wir mit zwei Anhö- höher als in den Ländern, in denen Steuern darauf erho- rungen und mit ausführlichen Debatten im Finanzaus- ben werden. Im übrigen – deswegen ist die Steuerreform schuß eingehend beraten. drittens auch nicht ökologisch – ist die CO2-Emission in Sie haben das Beispiel Dänemark angesprochen: Wie diesen Ländern, zum Beispiel in Dänemark und denSie sicherlich wissen, verfügt Dänemark über eine Ar- Niederlanden, in den letzten Jahren gestiegen. Sie kön- beitslosenquote, die fast nur die Hälfte der unseren be- nen nicht behaupten, daß das ein Beitrag zur Verbesse- trägt. Dänemark verfügt über einen ausgeglichenen rung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland sei. Staatshaushalt. Auch davon können wir nach Ihrer Vor- Wichtiger ist mir aber ein anderer Punkt. Sie haben arbeit in den letzten 16 Jahren nur träumen. Das heißt, im Finanzausschuß eine saubere und ordentliche Bera- wir sehen, daß Dänemark – und nicht nur Dänemark; es tung verweigert, indem Sie es abgelehnt haben, nochgibt zahlreiche europäische Länder, die diesen Weg er- einmal eine Anhörung zu dem überfallartig eingebrach- folgreich beschritten haben; siehe Skandinavien – we- ten neuen § 2b durchzuführen. Ich stelle hier in aller sentliche Erfolge erzielt hat. Wir knüpfen mit der ökolo- Deutlichkeit fest: Die unausgegorene Bestimmung, die gisch-sozialen Steuerreform endlich an die europäische eingefügt worden ist, wird dazu führen, daß wir Debatte in um ein modernes Steuerrecht an. Deutschland über 100 000 Arbeitsplätze verlieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- und bei der SPD) ten der CDU/CSU) Wir hätten darüber heute lang und ausführlich disku- Sie meinen, damit die Konstruktion der Verlustzu-tieren können, hätte nicht Ihre Fraktion im Finanzaus- weisungsgesellschaften zu bekämpfen. Wir haben ge-schuß dafür gesorgt, daß das verzögert, verhindert und sagt, daß wir uns in diesem Zusammenhang durchausblockiert wird. gemeinsam bewegen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Detlev von Larcher [SPD]: Gesagt! Aber Sie und bei der SPD – Detlev von Larcher [SPD]: tun das Gegenteil!) In der Druckerei, nicht im Finanzausschuß!) Sie treffen damit aber die Arbeitsplätze in Deutschland. Der zweite Punkt, den Sie erwähnt haben, betrifft das Steuerentlastungsgesetz. Sie treffen damit Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft. Sie werden Arbeitsplätze in der Ver- (Walter Hirche [F.D.P.]: Belastungsgesetz!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1781

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) Auch hierzu haben wir am kommenden Montag ab-gegen vollen Ausgleich und ausreichenden Außenschutz (C) schließende Beratungen im Finanzausschuß. Auch die- vorzusehen. ses Gesetz haben wir in einer dreitägigen Anhörung ein- gehend diskutiert. Ich habe geglaubt, daß auch die Regierung Schröder diesen Standpunkt teilt und auf eine umfassende Kor- (Walter Hirche [F.D.P.]: Dazu ist keine Anhö- rektur der Vorschläge drängt. Ich habe von Bundesmi- rung erfolgt!) nister Funke, dem Präsidenten des europäischen Agrar- Da sind alle wichtigen Punkte im Rahmen der Mindest- rates, selbstverständlich erwartet, daß er für die Interes- besteuerung ausführlich zur Sprache gekommen. sen der deutschen Bauern und für Veränderungen kämpft. Aber er hat nicht einmal den Versuch dazu un- (Walter Hirche [F.D.P.]: Sie haben eine Anhö- ternommen; das hat mich schon sehr überrascht. Er hat rung verweigert!) in dieser Woche einen ersten Kompromißvorschlag vor- gelegt. In diesem sogenannten Kompromiß hat er alle Auf der Grundlage haben wir im Finanzausschuß disku- Positionen der Kommission übernommen, also 30 Pro- tiert und gesagt: Wir ziehen daraus Konsequenzen. Wir zent Preissenkungen und einen Teilausgleich für diese verstecken uns nicht Preissenkungen. Dies bedeutet Einkommensverluste für (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Doch! – Zuruf von die Bauern von im Durchschnitt 20 Prozent. der CDU/CSU: Ihr seid Schwindler!) Meine Damen und Herren, wenn es doch noch zu hinter vorgeblichen Anhörungen, sondern beraten poli- Verbesserungen kommt – was wir sehr hoffen –, dann tisch. haben die deutschen Bauern dies auf keinen Fall dem Meine lieben Kollegen, ist es so schwer zu ertragen, Einsatz der Bundesregierung zu verdanken, sondern aus- sich anzuhören, wie der Ablauf im Finanzausschuß war? schließlich anderen Mitgliedstaaten. Die kämpfen für die Interessen ihrer Bauern, die kämpfen um Veränderun- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihr sagt die gen. Davon könnten dann auch die Bauern in Deutsch- Unwahrheit!) land profitieren. Sie müssen darauf hoffen, daß andere Mitgliedstaaten ihre Interessen vertreten. Wir werden am Montag im Finanzausschuß und am Donnerstag im Plenum eine Steuerreform beschließen, (V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. ) mit der die Steuersätze gesenkt werden und die Bemes- sungsgrundlage verbreitert wird. Wir werden dies mit Die Bauern in Deutschland protestieren; sie protestie- wirtschaftspolitischer Vernunft tun. ren heute hier in Bonn. Seit der Vorschlag von Minister Funke auf dem Tisch liegt, wissen sie: Es geht um ihre Abschließend: Ihr Geblöke finde ich extrem nervig. Existenz, es geht um Sein oder Nichtsein. Es geht auch (B) (D) Vielen Dank. um die Wirtschaft im ländlichen Raum, es geht um viele Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren von der Koali- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tion, auch Bauernhöfe sind Arbeitsplätze. und bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Es geht um Tausende menschlicher Schicksale. Wort hat als nächster Redner der Kollege Jochen Bor- (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wahr!) chert von der CDU/CSU-Fraktion. Der Bundeskanzler hat im Wahlkampf mehr Gerech- tigkeit versprochen. Doch Ihre Vorstellungen von der Jochen Borchert (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Verringerung der Beitragszahlungen gehen voll zu La- Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In sten der Bauern. Damit schaffen Sie erst die Gerechtig- dieser Woche wird in Europa über Reformen verhandelt. keitslücken, zu deren Schließung Sie doch angetreten Am Wochenende tagt der europäische Gipfel in Bonn. sind. Oder wie nennen Sie es, wenn Zehntausende von Deshalb, meine ich, muß auch im Bundestag über dieBauern in den Ruin getrieben werden? laufenden Verhandlungen auf der europäischen Ebene gesprochen werden, auch wenn die Koalition gestern er- (Lachen bei Abgeordneten der SPD) klärte, das seien komplizierte Verhandlungen und man – Ja, meine Damen und Herren, Sie nennen das Reform. dürfe den Kanzler in seiner Ruhe nicht stören. Herr Schreiner hat uns vorhin vorgeworfen, wir würden Die Europäische Kommission hat mit der Agendadas Wort Reform verhunzen. Er hat gesagt: 2000 Vorschläge auch für die Reform der europäischen Agrarpolitik gemacht. Die Bundesregierung unter Hel- Reformen sind eigentlich Maßnahmen, die die Le- mut Kohl, der europäische Agrarrat, die Agrarminister bensbedingungen der Menschen verbessern. der Länder – auch der damalige niedersächsische Land- Dann nennen Sie doch das, was Sie in der Agrarpolitik wirtschaftsminister Funke – haben wesentliche Ände-vorhaben, nicht Reformen! rungen dieser Reformen gefordert. Wir alle waren ein- hellig der Überzeugung, daß diese Agenda den Interes- Sie behaupten, diese Reformen seien notwendig, um sen und den Bedürfnissen der deutschen Landwirtschaft auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Was ist das nicht gerecht wird. Wir haben deshalb gemeinsam infür ein Weltmarkt, auf dem man nur bestehen kann, voller Übereinstimmung gefordert, Preissenkungen nur wenn man ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt pro- 1782 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Jochen Borchert (A) duziert? Wir wollen keinen Weltmarkt, der Hormone Der Bundeskanzler hat am Mittwoch der Debatte(C) notwendig macht, um Milch und Fleisch billig produzie- deutlich gemacht, wie er seine Politik versteht. Ich will ren zu können. Wir wollen keinen Weltmarkt, der diedas gern zitieren. Er sagte, Natur ausräumt und Produktionssteppen erzwingt. Wir daß ein Wahlsieg immer nur eine Momentaufnah- wollen keinen Weltmarkt, auf dem die Wellblechschup- me in der Gesellschaft ist und daß es insbesondere pen der Agrarfabriken das Bild unserer Dörfer prägen. Aufgabe der Sieger ist, dafür zu sorgen, daß die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mehrheiten, die sie am Wahltag bekommen haben, als gesellschaftliche Mehrheiten dauerhaft zur Ver- Wenn Herr Minister Funke glaubt, dieAgenda 2000 fügung stehen. sei in dieser Form nötig und es sei dafür ein zigtausend- faches „Bauernopfer“ zu bringen, so sage ich Ihnen: Wir Mit einer solchen Aussage wird Klientelpolitik betrie- wollen diesen Preis für die Agenda nicht zahlen. ben. Die Bauern gehören nicht zu den Mehrheiten, die Sie haben wollen. Deswegen lassen Sie diese Bauern (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) durchs Rost fallen. Wir wollen eine Reform, die die bäuerliche Landwirt- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schaft und die Kulturlandschaft in Deutschland auch für ordneten der F.D.P. – Detlev von Larcher die Zukunft sichert. [SPD]: Das ist albern!) Kollege Seehofer hat auf die ungleiche Lastenvertei- Die CDU/CSU will eine leistungsfähige bäuerliche lung in Europa hingewiesen. Ein System gerät aus der Landwirtschaft und einen leistungsfähigen ländlichen Balance, wenn ein Mitgliedstaat auf Dauer 60 Prozent Raum. Dehalb brauchen wir einen vollen Einkommens- der Nettotransferleistungen erbringt. Wir brauchen mehr ausgleich bei Preissenkungen und eine aktive Mengen- Leistungsgerechtigkeit. Wir brauchen eine gerechte La- steuerung. Wir brauchen mehr Subsidiarität, das heißt, stenverteilung. Was Sie aber anstreben – eine linearemehr nationale Zuständigkeit. Senkung der Beiträge für alle Mitgliedstaaten –, ändert Dies sind die Voraussetzungen für unser Modell einer nichts an der Lastenverteilung. Die Ungerechtigkeit europäischen Landwirtschaft – einer Landwirtschaft, die bleibt: Deutschland bleibt weiterhin mit 60 Prozent der natur- und umweltverträglich produziert, die qualitativ Transferzahlungen belastet. gesunde Nahrungsmittel liefert, die unsere wunderschö- Was machen Sie nun, um die Beträge zu senken? Sie nen Kulturlandschaften prägt und pflegt und die tüchti- fordern eine jährliche Degression der Prämien gen im Bauern wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten Agrarbereich um 3 Prozent. Diese Degression bedeutet eröffnet. Dafür müssen wir die Finanzierung der Euro- päischen Union auf eine geordnete Grundlage stellen (B) für die Bauern immer weiter sinkende Einkommen – (D) Jahr für Jahr. Damit legen Sie den Bauern einen Strick und eine gerechte Lastenteilung innerhalb der Europäi- um den Hals, den Sie von Jahr zu Jahr weiter zuziehen; schen Union erreichen. damit werden Tausende bäuerlicher Existenzen ver- Vielen Dank. nichtet. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Bundesminister Funke hat in dieser Woche seine Detlev von Larcher [SPD]: Was haben Sie Aufgabe, auch Anwalt der Bauern zu sein, endgültig denn 16 Jahre lang gemacht, Herr Borchert?) aufgegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Detlev von Larcher [SPD]: Was? Herr Funke? jetzt der Herr Bundesminister der Finanzen, Oskar La- Das ist Unsinn! Das kann überhaupt nicht fontaine. sein!)

Er hat seine Zusage, im Interesse der deutschen Bauern Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: die Agenda 2000 zu verändern, schlicht gebrochen. Herr Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- Bundeskanzler, Sie haben beim Gipfel noch die Mög-ren! Ich möchte den Schluß der Debatte zum Anlaß lichkeit zu retten, was noch zu retten ist. Aber wenn die nehmen, zunächst auf die Europapolitik einzugehen; Bundesregierung dieser Agenda und dem Vorschlag ih- schließlich sind einige Bemerkungen zur Europapolitik res Landwirtschaftsministers zustimmt, dann ist dergemacht worden, und die Regierungschefs bemühen Bundeskanzler, dann ist diese Bundesregierung für das sich, während wir hier tagen, in Gesprächen zu sondie- Höfesterben in Deutschland verantwortlich. ren, wie ein Kompromiß gefunden werden kann – mit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – der klaren Maßgabe, daß der endgültige Kompromiß erst Lachen und Widerspruch bei der SPD – Det- im März gefunden werden wird, weil bekanntlich bis zu lev von Larcher [SPD]: Das sagt ein ehemali- diesem Datum die jeweiligen Nationalstaaten ihre Inter- ger Landwirtschaftsminister!) essen vertreten und sich nur schwer auf einen Kompro- miß zubewegen. Meine Damen und Herren, da können Sie ruhig schrei- en. Sie sind bereit, die Landwirtschaft und den ländli- In diesem Zusammenhang hat Herr Seehofer die chen Raum zu opfern. Position der Bundesrepublik Deutschland dargestellt und die Frage aufgeworfen, warum nicht das Parlament vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) her – er hat dann die Positionen im einzelnen dargestellt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1783

Bundesminister Oskar Lafontaine (A) – etwa zur Kofinanzierung in der Agrarpolitik – darauf Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen:(C) komme ich noch zu sprechen –, zur Degression beimKollege Schäuble, vielleicht ergibt sich einmal die Kohäsionsfonds, zur Degression beim StrukturfondsMöglichkeit, daß ich das so sagen kann, aber Sie haben oder zur Finanzierung entsprechend dem Bruttosozial- mich noch nicht zu Ende gehört. Ich bin erst am Anfang produkt einbezogen worden sei. meiner Ausführungen zu diesem Thema und hatte zu- nächst zu vier Punkten Stellung genommen: Kofinanzie- Herr Kollege Seehofer, ich kann Ihnen die Antwort rung in der Agrarpolitik, Kohäsions- und Strukturfonds geben: Das sind alles Positionen, die gegenwärtig vonund Finanzierung entsprechend dem BSP. der Bundesregierung vertreten werden. Das sind ge- meinsame Positionen. Insofern geht Ihr Vorwurf, hier Nun ist die Frage weiterhin streitig: Was kann von würde ohne Rückendeckung des Parlamentes verhan-dem Kompromiß hinsichtlich des deutschenNettozah- delt, ins Leere. Genau die Position, die Sie deutlich ge- lerbeitrags ernsthaft erwartet werden? Sie haben das macht haben, vertritt derzeit auch die Bundesregierung. alles richtig dargestellt. Ich bin auch gerne bereit, einen Ich möchte das hier sachlich feststellen. Finanzministerbeschluß herbeizuführen, der beinhaltet, den Nettobeitrag auf Null zurückzuführen oder ähnli- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ches. DIE GRÜNEN) (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Da stimmen wir nicht zu!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie Was kann man von einer Finanzministerkonferenz er- eine Zwischenfrage des Kollegen Schäuble? warten? (Walter Hirche [F.D.P.]: Ach so! Das werden Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: Ja, wir uns für morgen merken!) bitte. – Sie glauben doch nicht, daß die Länderfinanzminister beschließen, der Nettobeitrag solle möglichst erhöht Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte, Herr werden. Schäuble. (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Null auch nicht!)

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Bundes- – Ich wollte nur Ihre Ausführungen etwas relativieren. finanzminister, wenn Sie sagen, daß das, was Herr See- Die Ministerpräsidenten, die ja nun praktisch auf je- (B) hofer gesagt hat und was die Parteivorsitzenden vonder Ministerpräsidentenkonferenz von dem bayerischen (D) CSU und CDU, der Kollege Stoiber und ich, am vergan- Kollegen mit der Europapolitik beschäftigt worden sind, genen Freitag in der Öffentlichkeit vorgetragen haben, sind natürlich nicht der Meinung gewesen – für so naiv den Positionen entspricht, die die Bundesregierung der- dürfen Sie niemanden halten –, daß eine Reduktion in zeit vertritt, dann kann ich das erstens mit Genugtuung Höhe von 14 Milliarden DM das Ergebnis der Ver- zur Kenntnis nehmen, und ich möchte zweitens die So- handlungen sein werde. So naiv sind die Ministerpräsi- zialdemokraten bitten, daß sie den Vorwurf – – denten nicht. Vielmehr haben sie hier eine Verhand- (Zurufe von der SPD: Frage!) lungsposition formuliert, um die Bundesregierung zu unterstützen, wohl wissend, daß es angesichts der Tatsa- – Ich würde gern die Sozialdemokraten bitten; denn bit- che, daß die Deutschen immer draufgezahlt haben, ten kann man auch als Frage verstehen. schon ein Durchbruch sein wird, wenn die Deutschen (Lachen bei Abgeordneten der SPD) einmal nicht draufzahlen, sondern wenn die Zahlungen Deutschlands heruntergehen. Ich bitte Sie also, die Kir- che im Dorf zu lassen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Im übrigen ha- (Beifall bei der SPD) ben wir die Regelung abgeschafft, daß man nur förmli- che Fragen stellen kann. Man kann auch Zwischenbe- Ich möchte auch gar nicht die Zahlen des Kollegen merkungen machen. Das zur Klarstellung. Lamers bemühen, die er kürzlich vorgetragen hat. Ich möchte nur Sie alle bitten, die Erwartungen nicht zu Jetzt haben Sie, Herr Schäuble, das Wort. hoch zu spannen. Die Frage wird letztendlich sein, wie wir auf europäischer Ebene zurechtkommen. Dabei kön- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Ich wäre Ih- nen wir uns aus den Festlegungen der Vergangenheit nen dankbar, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie auch überhaupt nicht befreien, um das einmal in aller Klarheit ausdrücklich sagen würden, daß die von der CDU/CSU zu sagen. Manches, was sich dort strukturell entwickelt vertretenen Positionen Positionen für Fortschritte in der hat, gefällt mir überhaupt nicht; aus Zeitgründen kann europäischen Einigung sind und daß die gegen uns ge- ich darauf nicht im einzelnen eingehen. Aber aus vie- richteten Angriffe der SPD offensichtlich ohne Substanz lerlei Gründen können wir uns daraus nicht befreien. sind, wenn es sich doch um Positionen handelt, die Sie Herr Kollege Seehofer, Sie haben immer wieder ge- selbst vertreten. sagt, wir hätten doch den Verträgen zugestimmt. Das ist (Beifall bei der CDU/CSU) zwar wahr, aber wir hatten zwischen dem, was wir 1784 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Bundesminister Oskar Lafontaine (A) sachlich für richtig hielten, und dem Fortgang derge- Gleichwohl müsse hier auch angesichts der bayerischen (C) samteuropäischen Einigung abzuwägen. In diesemCSU – ich sage nicht Bayern; ich spreche immer von der Abwägungsprozeß haben wir manchmal auch Verträgen bayerischen CSU – Klarheit geschaffen werden. zugestimmt, bei denen wir in einzelnen Sachfragen völ- Es geht nun wirklich nicht, daß man die ganze Welt lig anderer Auffassung waren. Wir haben es aber nicht verrückt macht, indem man sagt, wir zahlten viel zuviel für vertretbar gehalten, die europäische Einigung insge- für Europa, und damit ganze Kampagnen macht und samt zu beschädigen. Ich wünsche mir, daß auch Sie dann noch fordert, die bayerischen Bauern sollten mehr sich so verhalten, meine Damen und Herren. Geld aus Europa erhalten. Das ist unmöglich. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Dann sagten Sie, Sie seien nicht genügend beteiligt. DIE GRÜNEN) Ich nehme gern diesen Fingerzeig auf und werde darauf drängen, daß eine stärkere Beteiligung von Ihnen oder auch eine Abstimmung mit Ihnen stattfindet, weil wir Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Minister, schon aus dem Europäischen Parlament immer wieder gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen See- gefragt werden, was sich denn bei uns verändert habe. hofer? Früher haben die Deutschen zumindest in der europäi- schen Position – ich habe das gerade dargestellt – unab- hängig, ob Regierung oder Opposition, im großen und Horst Seehofer (CDU/CSU): Herr Finanzminister, ganzen an einem Strick gezogen. Nun wird gefragt,darf ich Sie noch einmal darauf hinweisen, daß wir er- warum sich das plötzlich geändert habe. Das ist die Dis- stens ja zu einer Agrarreform sagen und daß wir zwei- kussion, die in Europa geführt wird. tens, was die Finanzierungsfrage betrifft, gemeinsam Zur Sache selbst möchte ich Ihnen sagen, daß ich als den Vorschlag vertreten, die Agrarausgaben und direkte SPD-Parteivorsitzender in den schwierigen Jahren, als es Beihilfen stärker national mitzufinanzieren, und daß wir darum ging, den Euro einzuführen, nicht die Gelegenheit eine 50prozentige Kofinanzierung vorschlagen, mit der hatte, mit einem führenden Politiker des Koalitionsla-Folge, daß der EU-Haushalt jährlich insgesamt um gers über diese Frage ausführlich zu sprechen, obwohl 23 Milliarden DM entlastet würde? Selbst wenn man Ihnen bekannt war, daß meine Entscheidung durchaus nicht alles davon verwirklicht, wäre das eine deutliche eine Rolle gespielt hat, und obwohl ich diese Entschei- Entlastung, jedenfalls eine deutlichere Entlastung als dung für eine der wichtigsten überhaupt gehalten habe. durch die jetzt vorgelegte Agrarreform. Es hätte für die Dennoch hat die SPD als große deutsche VolksparteiBauern allerdings nicht den Nachteil, daß sie massenhaft den Euro unterstützt. Wir haben es um der Sache willen in ihrer Existenz gefährdet würden. Würden Sie zur (B) getan, weil wir uns als europäische Partei verstehen und Kenntnis nehmen, daß wir hier voll in der Kontinuität(D) unsere Antwort das Gesamtinteresse zu berücksichtigen unserer bisherigen Vorschläge bleiben, wie die EU- hatte. Ich appelliere an Sie, ähnlich zu verfahren. Ausgaben deutlich reduziert werden können und daß wir nicht einerseits die Senkung der Beiträge und anderer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten seits Mehrausgaben fordern? des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte nun auf die Beiträge eingehen, die eben wirklich nicht sachlich waren und die in mir die Be- fürchtung verstärkt haben, daß Sie bei der Europawahl – Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: natürlich unter der Vorgabe, europäischen Zielen zuIch kenne Ihre Haltung, Herr Kollege Seehofer, daß Sie dienen – eine antieuropäische Kampagne machen wol- eine stärkere nationale Finanzierung der Landwirtschaft len. Das beginnt bei der Landwirtschaft. Die dazu vor- fordern. Ich sage Ihnen dazu aber schon jetzt: Glauben getragenen Positionen sind sachlich schlicht und einfach Sie nur nicht, daß das alles aus dem Bundeshaushalt nicht haltbar; denn die Partei, die am stärksten eine Re- kommt. Ich sage das in aller Sachlichkeit. Ich habe das duktion der deutschen Zahlungen an Europa fordert –alles aufmerksam registriert. Sie können bei dieser Frage die CSU vertritt hier die weitestgehenden Forderungen –, in mir einen Verbündeten haben. Aber glauben Sie kann nicht zugleich sagen, für die Bauern müsse in Eu- nicht, daß das alles aus dem Bundeshaushalt kommt. Ich ropa noch mehr ausgegeben werden. Das ist doch völlig will das in aller Klarheit sagen, auch angesichts der Dis- unglaubwürdig. kussion, die wir geführt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Methode, Versprechungen zu machen, ist mir zu Ich frage mich manchmal, wie man so etwas macheneinfach. Ich will das nicht vertiefen, sondern nur einmal kann. klargestellt haben. (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Herr Lafontaine, (Abg. Jochen Borchert [CDU/CSU] meldet 23 Milliarden DM weniger!) sich zu einer Zwischenfrage) Ich habe vorhin auch Herrn Sonnleitner, der mir zu- – Die letzte Frage bitte noch, aber dann bitte ich, mich sammen mit Bauern eine Resolution übergeben hat, ge- auch ein bißchen reden zu lassen. – Frau Präsidentin, sagt, daß ich seine Anliegen sehr wohl verstünde.wenn Sie gestatten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1785

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ist gestattet. schaft kommen, ist das unglaubwürdig. Das muß in aller (C) Klarheit gesagt werden. Wer für eine schnelle Ost- erweiterung ist, der muß bitte schön auch bereit sein, die Jochen Borchert (CDU/CSU): Herr Finanzminister, Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen. Anson- Sie haben eben darauf hingewiesen, daß wir bei der Ko- sten ist er unglaubwürdig. finanzierung, bei der dann die Bauern nicht belastet werden, nicht erwarten dürften, daß die Zahlungen aus (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE dem Bundeshaushalt kommen. GRÜNEN und der PDS) Nachdem ich auf Ihre Ausführungen zur Landwirt- Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: schaft und zur europäischen Politik eingegangen bin „Alle“ Zahlungen aus dem Bundeshaushalt, immer prä- – ich will das gar nicht polemisieren; wir müssen diese zise bleiben. Debatte führen, auch mit den Landwirten –, einige Be- merkungen zur Debatte über den Haushalt. Jochen Borchert (CDU/CSU): Ich will darauf ein- Es ist unstreitig – ich habe keinen gehört, der das hier gehen. Wenn wir eine Kofinanzierung in Europa durch- bestritten hat –, daß der Bundeshaushalt unter Einrech- setzen, dann brauchen wir nur die Hälfte der Mittel, die nung der Auswirkungen des Bundesverfassungsge- wir nicht nach Europa einzahlen müssen, um den Bauern richtsurteils zur Familienpolitik ein strukturelles Defizit eine Preissenkung in voller Höhe ausgleichen zu kön-in Höhe von 30 Milliarden DM aufweist. Das ist schlicht nen. Hier würde der Bundeshaushalt nicht belastet, son- die Wahrheit. Ich bitte sehr herzlich darum, dies nicht in dern entlastet. Heißt Ihre Aussage, daß Sie dann dieirgendeiner Form schönzureden oder so zu tun, als hät- Rückflüsse zu Lasten der Landwirte voll für den Bun-ten wir ein Erbe übernommen, für das wir uns noch be- deshaushalt vereinnahmen wollen? danken sollten. Es ist schon ein großes Problem, und zwar für uns alle, dieses strukturelle Defizit abzubauen. Das ist nicht leicht; das will ich in aller Klarheit sagen. Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Borchert, so gehen die Rechnungen auf Ich habe hier selbstkritisch eingeräumt, daß man mit europäischer Ebene nicht. Was Sie vorgetragen haben, dem Abbau dieses Defizits eigentlich sehr schnell be- ist richtig, sofern nicht alle anderen Entscheidungen auf ginnen müßte, daß ich es aber angesichts der labilen europäischer Ebene damit verbunden werden. Aber Sie konjunkturellen Lage für falsch gehalten habe, diesen wissen ganz genau, daß die Struktur des Agrarhaushalts Trend durch Kürzungsmaßnahmen noch zu verstärken. natürlich von der Struktur des Strukturfonds, des Kohä- Das kann man anders sehen. Ich möchte dies hier aber sionsfonds und von anderen Entscheidungen, die getrof- noch einmal ansprechen. (B) fen werden, bestimmt wird. Insofern ist das, was Sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans (D) vorgetragen haben, eine glatte Milchmädchenrechnung. Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch das Ich muß Ihnen das in aller Deutlichkeit sagen. Man kann Gesamtkonzept gemacht!) sich so frohrechnen, aber es ist eine glatte Milchmäd- chenrechnung. Nur, als sich Ihr Sprecher, der Kollege Merz, am Schluß seiner Rede an mich wandte und mit Tremolo in (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Stimme sagte: „Herr Lafontaine, Sie gehen einen DIE GRÜNEN) schweren Gang“, kam mir das schon merkwürdig vor. Wir werden das mit Aufmerksamkeit verfolgen, wenn Das war, als würde ein Betriebsinhaber, nachdem er den Sie hier Gemeinsamkeit suchen. Ich lasse es als Vorsit- Betrieb so richtig ruiniert hat, dann zu dem Sanierer sa- zender der SPD Ihnen persönlich nicht durchgehen, daß gen: Sanierer, du gehst wirklich einen schweren Gang. Sie alle Landwirte verrückt machen und die Forderun- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem gen erheben, einerseits weniger Geld nach Brüssel zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- zahlen und andererseits den Bauern mehr Geld aus geordneten der PDS) Brüssel zukommen zu lassen. Diesen Widerspruch wer- Sie haben ja völlig recht: Es ist wirklich ein schwerer den wir aufdecken und zum Gegenstand der Diskussion Gang. Da stimmen wir überein. Ich habe mich nur etwas machen. an dem Ton gestört. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind doch DIE GRÜNEN) kein Sanierer! – Weiterer Zuruf von der Dasselbe gilt für dieOsterweiterung . Ich habe mit CDU/CSU: Sanierer des !) großem Interesse gehört, wie hier für die Osterweiterung – „Sanierer des Saarlands“ haben Sie dazwischengeru- gesprochen worden ist. Auch an dieser Stelle gibt esfen. Dazu kann ich nur sagen: Sie sind schlicht und ein- sehr viel Unredlichkeit. Das sage ich nicht nur an diefach nicht informiert. Die CDU/F.D.P.-Koalition an der Adresse einer Partei, sondern damit möchte ich mehrSaar ist im Jahre 1985 mit, was es meines Wissens in umfassen. Wenn man auf der einen Seite nur noch dar- der Bundesrepublik sonst noch nie gegeben hat, absolu- über redet, wie man Ausgaben reduzieren oder degressiv ter Mehrheit von der Oppositionspartei abgelöst worden, gestalten kann, und gleichzeitig in Europa herumreistweil sie nicht mehr weiterwußte, weil die Finanzen total und Erwartungen weckt, daß die Länder die von denzerrüttet waren Zahlen her einen hohen Subventionsbedarf und Aus- gleichsbedarf aufweisen, sehr schnell in die Gemein- (Detlev von Larcher [SPD]: So ist es!) 1786 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Bundesminister Oskar Lafontaine (A) und weil die Zins-Steuer-Quote bei 19,8 Prozent lag. Nun komme ich zu derSteuer- und Abgabenquote (C) Das heißt: Dieses Land war finanziell schlicht und ein- im einzelnen. Ausweislich des letzten Finanzberichts fach heruntergewirtschaftet. Es ist gelungen, natürlich haben wir im Jahre 1997 eine Steuer- und Abgabenquote auch mit Hilfe des Bundes, diese Zins-Steuer-Quote zu von 40,2 Prozent gehabt. Ich spreche jetzt, wohlgemerkt, halten. Ich habe es Ihnen schon einmal vorgerechnet:von der Steuer- und Abgabenquote. Darunter liegen in Wenn Sie hier im Bund ebenso gewirtschaftet hätten,Europa nur Irland, Portugal, Spanien und Großbritanni- dann könnte ich mich wirklich für das Erbe bedanken. en, wobei ich in bezug auf Großbritannien noch darauf Leider aber kann ich das nicht. hinweisen möchte, daß dort das Bruttosozialprodukt pro Kopf weitaus geringer ist als in Zentraleuropa. Ich bitte, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ das bei dieser Betrachtung mit zu würdigen. Wir haben DIE GRÜNEN) neben diesen vier von mir genannten Staaten die gering- Auch da liegen Sie also völlig falsch. ste Steuer- und Abgabenquote. Wir haben dabei eine Aufgabe zu leisten, die kein anderer europäischer Staat Ich gebe Ihnen noch einen kleinen Hinweis, weil Sie zu leisten hat, nämlich denAufbau Ost zu finanzieren. das doch so oft getan haben. Dies kann ich heute freier Dies macht rund 4 Prozent des Sozialproduktes aus. Das tun als früher, weil ich gemeinsam mit meinen Freunden ist die Lage, in der wir sind. in diesem Bundesland dreimal eine absolute Mehrheit erreicht habe. Das Urteil der Wählerinnen und Wähler Deshalb muß ich Ihnen als Finanzminister sagen: Wir über die Regierungspolitik ist wichtig, nicht Ihr Urteil. können in Deutschland angesichts des gewaltigen Schuldenstandes, den wir haben, sehr wohl über die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Struktur unseres Steuersystems diskutieren. Wer sich DIE GRÜNEN) aber hier hinstellt und mehr Geld für die Landwirtschaft Natürlich haben Sie sich auch ausführlich mit derfordert und wer fordert, das Wohngeld solle erhöht wer- Steuerquote beschäftigt. Ich will dies gern noch einmal den, man solle mehr Geld in die Bildung stecken, aufgreifen. Der Kollege Jacoby, der schon im Stadtrat (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das haben von Saarbrücken zu meiner Opposition gehörte Sie doch versprochen!) (Heiterkeit bei der SPD) und wer gleichzeitig eine Steuer- und Abgabensenkung fordert, der ist ebenfalls total unglaubwürdig. Das muß – insofern erinnert man sich immer wieder an frühere man einmal in dieser Deutlichkeit sagen. Zeiten –, führte aus, es sei nicht zulässig, sich hinsicht- lich der Steuerquote vor Verschiebungen in der Steuer- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ struktur zu drücken. DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ (B) CSU]: Sie haben das doch versprochen!) (D) Es ist doch völlig unstreitig, daß die Steuerquote nichts über die Steuergerechtigkeit aussagt. Sie sagtDenn es ist nicht so, daß in den übrigen europäischen überhaupt nichts über die Besteuerung einzelner Be-Staaten, die weitaus höhere Steuer- und Abgabenquoten triebe oder der Arbeitnehmer und Familien aus. Das ist als wir in Deutschland haben, nur unfähige Leute am gemeinsame Position. Wir haben deshalb zwei Fragen Werk sind. So ist es nicht. zu beantworten. Zum einen: Ist die Steuerquote ausrei- chend, oder kann sie weiter gesenkt werden, oder ist sie Daß die Steuer- und Abgabenquote mit ökonomi- angesichts der Aufgaben nicht ausreichend? Zum ande- schen und verteilungspolitischen Folgen sowie mit den ren: Wie verteilen wir die Steuerlast? Darüber streiten Möglichkeiten des Staates zu tun hat, Infrakstrukturauf- wir uns. gaben, Bildung, Forschung und Wissenschaft zu finan- zieren, das weiß doch jeder. Deshalb können wir sehr Sie haben recht mit Ihrem Hinweis, daß wir nicht nur intensiv über die Struktur der Ausgaben diskutieren; da über die Steuerquote reden müssen, sondern auch über ist sicherlich einiges zu reformieren. Lassen Sie uns die Abgabenquote. Das ist deshalb notwendig, weilebenso sehr intensiv über die Struktur der Steuern in eine ganze Reihe von Leistungen, die eigentlich ausDeutschland diskutieren; da ist vieles zu reformieren; Steuermitteln finanziert werden müßten, über die So-wir sind dabei. Lassen Sie uns auch über das Abgaben- zialversicherungsbeiträge finanziert werden. Wir haben system und seine Struktur sehr intensiv diskutieren; auch oft kritisiert, daß Sie das getan haben. Das hat zweida ist vieles zu reformieren. Gründe: Das ist wirtschaftspolitisch falsch, weil Sie da- durch die Arbeitsplätze zu stark besteuern, und es ist so- Aber wer hier die Bevölkerung immer wieder in die zialpolitisch falsch, weil nur die aktive Arbeitnehmer- Irre führt und behauptet, wir hätten bei einem struktu- schaft zur Kasse gebeten wird. rellen Defizit von 30 Milliarden DM, das Sie uns hin- terlassen haben, einen großen Spielraum für eine Sen- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ kung der Steuer- und Abgabenquote – das zu behaupten DIE GRÜNEN) ist populär –, der gibt falsch Zeugnis in diesem Lande. Das sollte man schlicht und einfach unterlassen. Das ist der Grund, warum wir Ihre Vorgehensweise kri- tisieren. Die deutsche Steuer- und Abgabenquote ist (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ausweis Ihrer völlig falschen Politik. Denn die Steuer- DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ quote ist – wenn Sie so wollen – zu gering, und die Ab- CSU]: Mehrwertsteuererhöhung! Gegenruf gabenquote ist zu hoch. So einfach ist das. Das wollte vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wollen ich nur einmal im Überblick gesagt haben. Sie das?) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1787

Bundesminister Oskar Lafontaine (A) – „Mehrwertsteuererhöhung“. Ich bin Ihnen dankbar,Leidtragenden waren und überproportional belastet wur- (C) verehrter Herr Zwischenrufer. den. Deshalb werden wir das ändern. Wir werden das auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch (Detlev von Larcher [SPD]: ,,Verehrt“ ist der stärker ändern müssen. nicht!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich respektiere jeden Kollegen, ob mir nun ein Zwi- DIE GRÜNEN) schenruf paßt oder nicht. – Sie sprechen also von einer Mehrwertsteuererhöhung. Mancher von Ihnen meint, Wir wollen den Mittelstand entlasten. Wir haben das meine Ausführungen, daß die jetzige konjunkturelle La- auch mit unserem Steueränderungsgesetz getan, viel- ge kein Signal gebe, um Steuererhöhungsdiskussionen leicht nicht in dem wünschenswerten Umfang. Nach den zu führen, seien unzureichend; ich solle mich langfristig Berechnungen des Ifo-Instituts liegt die Entlastung hier an dieser Stelle festlegen. Das ist doch Ihre Forderung? bei rund 3 Milliarden DM. Wir haben auch – weil wir nicht pfuschen – darauf hingewiesen, daß diejenigen (Zurufe von der CDU/CSU: Ja!) – vor allem die Großbetriebe –, die in den letzten Jahren – „Jawohl“, sagen sie. durch die betriebliche Vermögensteuer, die Gewerbeka- pitalsteuer und andere Steueransätze überproportional So blöd bin ich schlicht und einfach nicht entlastet worden sind, im Rahmen unserer Strukturver- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr gut!) änderung belastet werden. Wir sagen ehrlich: Das woll- ten wir so. Deshalb ist unser Steuergesetz so angelegt. und auch nicht so unehrlich. Ich will nicht in die Situa- tion einiger meiner Kollegen kommen, etwa in die von (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Helmut Kohl, der vielleicht guten Glaubens versprochen DIE GRÜNEN) hat, es werde in der betreffenden Legislaturperiode nie Im übrigen weise ich darauf hin, daß auch Sie langfri- eine Mehrwertsteuererhöhung geben, und der dann mit stig die Körperschaften hätten mehr belasten müssen. unserer Hilfe – damit die Rentenkasse nicht aus demDas ist in einer schriftlichen Anfrage niedergelegt. Das Ruder lief – die Mehrwertsteuer erhöhen mußte. So soll sage ich denjenigen, die das wider besseres Wissen in man mit dem Volk nicht umgehen, und deshalb soll man Frage stellen. Das ist hier im Bundestag schriftlich zu nur das sagen, was man im Moment vertreten kann, und Protokoll gegeben worden. Ich wollte das nur in Erinne- soll keine unglaubwürdigen Festlegungen für alle Zeiten rung rufen. treffen, die einem sowieso kein Mensch abnimmt. Das wissen auch Sie. Herr Kollege Merz hat einen Treffer gelandet, indem er gesagt hat, daß der Finanzminister auf einer Presse- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ konferenz fachlich inkompetent gewirkt habe. Sie haben (B) DIE GRÜNEN) diesen Treffer deshalb gelandet, weil ich schlicht und(D) Gerade in bezug auf die Steuerpolitik hat sich das deut- einfach herumgeeiert habe. Ich spreche das hier offen sche Volk daran gewöhnt, daß es immer wieder belogen an. Dieser Treffer sei Ihnen gegönnt. Ich habe deshalb worden ist. herumgeeiert, weil uns auch noch jetzt die Versiche- rungswirtschaft, die Energiebranche und viele andere (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!) Branchen permanent drängen, bestimmte Positionen im Das wollen wir ändern. Es hat doch keinen Sinn, dasGesetzentwurf zu verändern. Deshalb war ich auf der Volk immer wieder zu belügen. besagten Pressekonferenz nicht in der Lage, exakte Auskünfte darüber zu geben, wie das Gesetz am Ende (Beifall bei der SPD) aussehen würde. Ich räume das ein. Nur, verehrter Herr Wenn man gnädig ist, müßte man sagen, daß sich die Kollege Merz, wenn Sie das mit der Attitüde eines Men- Betreffenden immer wieder geirrt haben. Aber so blöd, schen vortragen, der über fachlich unschlagbares Wissen das anzunehmen – das habe ich vorhin gesagt –, bin ich verfügt, dann kann ich Sie nur davor warnen, daß das nicht. Ich halte auch nicht alle, die solche Versprechen auf Sie zurückfallen könnte. Wenn man ein Gesetz mit gegeben haben, für so blöd. Das ist nicht nur ein deut- 70 Subventionsstreichungstatbeständen machen und es sches Phänomen. Das war auch das Problem von Chirac, in einem bestimmten Zeitraum über die Hürden bringen Major und Bush. Überall in der Welt ist vor Wahlen be- will, ohne daß es irgendwelche Korrekturen oder Nach- züglich der Steuerpolitik gelogen worden, daß sich die besserungen gibt, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß Balken bogen. Nach den Wahlen wurde das Gegen-das völlig unmöglich ist. teil gemacht. Gerade das wollen wir nicht. Deshalb ist (Beifall des Abg. Klaus Wolfgang Müller unsere Steuerpolitik so angelegt. [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wenn wir den Dialog mit der Wirtschaft sowie das par- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lamentarische Verfahren und Anhörungen ernst nehmen, Unser Steuerkonzept ist überschaubar, wenn auch die dann müssen wir korrigieren, ansonsten können wir uns Materie – ich komme gleich noch einmal darauf zurück – das Ganze sparen. Das wollte ich einmal in aller Klar- sehr schwierig ist. Wir entlasten dieArbeitnehmer und heit sagen. die Familien um 20 Milliarden DM. Das kann man für (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ richtig oder für falsch halten. Aber wir wollen das, weil DIE GRÜNEN – Abg. Dietrich Austermann wir der Meinung sind, daß Arbeitnehmer und Familien [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischen- im Rahmen der Steuerstruktur der letzten Jahre die frage) 1788 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Bundes- am Produktivitätsfortschritt orientiert und die die Zielin- (C) minister, gestatten Sie noch weitere Zwischenfragen? flationsrate der EZB mit einbezieht. Das kann man für richtig oder für falsch halten. Es gibt die andere Über- zeugung, daß praktisch jede Lohnforderung unanständig Oskar Lafontaine, Bundesminister der Finanzen: ist. – Wo sind wir in Deutschland eigentlich hingekom- Nein, ich hatte darum gebeten, daß ich meine Ausfüh- men? – Man argumentiert so, als sei grundsätzlich die rungen zusammenhängend vortragen kann. Ich habeArbeitnehmerschaft diejenige Gruppe, die man anspre- mehrere Zwischenfragen zugelassen. Ich werde nochchen müsse, wenn Fehlentwicklungen zu korrigieren öfters hier sprechen. seien und wenn es gelte, den Gürtel enger zu schnallen. Wir müssen es deshalb so machen, damit wir Ein- Ich sage in allem Freimut, obwohl es in den Ohren wendungen – soweit das irgendwie möglich ist –, dieeines jeden neoliberalen Marktfundamentalisten un- gegen unser Steuergesetz erhoben werden, einarbeiten glaublich klingt: Wer über Lohnzurückhaltung spricht, können. Dabei darf man nicht vergessen, daß die Lobby der kann sich doch irgendwann einmal die Frage stellen, teilweise massiv übertreibt, warum nicht einmal über Gewinnzurückhaltung gespro- (Detlev von Larcher [SPD]: Sehr wahr!) chen wird. wenn sie mit Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei droht sowie mit Zahlen operiert, die schlicht und einfach Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE falsch sind. Das weiß niemand besser als der Kollege GRÜNEN) Waigel, der momentan sehr intensiv mit der LektüreSchließlich ist der Lohn der Gewinn des Arbeitnehmers, einer Zeitung beschäftigt ist. Er war früher in einer sol- und der Gewinn ist der Lohn des Unternehmers. Warum chen Situation. Ich bin jetzt in dieser Situation. Zu einer wird immer nur auf die eine Seite geschaut? Im übrigen guten Regierung gehört, daß sie die vorgebrachten Ar- ist diese Überzeugung nicht nur verteilungspolitisch gumente nach sachlicher Prüfung und Diskussion auf- falsch, sondern auch wirtschaftspolitisch erwiesenerma- greift, aber nicht irgendwelchen Kampagnen der Lobby ßen falsch. nachgibt, die einfach unsachlich und nicht begründet sind. Wir werden das so machen. Sie sind deshalb gescheitert, weil Sie – das habe ich Ihnen immer unterstellt – guten Glaubens – (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nicht alle!) Ich möchte noch etwas zurUnternehmensteuer- – Frau Kollegin, ich bin vielleicht etwas zu großzügig – reform – es handelt sich um eine wirkliche Struktur-immer sagten: Wir müssen nur Lohnzurückhaltung üben (B) reform, wenn man eine Betriebsteuer einführt – sagen: – wir hatten in den letzten drei Jahren wieder sinkende(D) Die Zahlen, die jetzt öffentlich gehandelt werden, sind Lohnstückkosten –, und dann baut sich die Arbeitslosig- nicht akzeptiert. Sie sind deshalb nicht akzeptiert, weil keit ab. erst das Verfahren – um das auch hier klarzustellen – Ich sage Ihnen noch einmal: Das geht nur, wenn man abgewartet werden muß: Die Kommission arbeitet zuExporterfolge hat, sonst logischerweise nicht. Anschei- Ende. Sie legt dann unter Beteiligung der Wirtschaftnend ist an dieser Stelle eine ideologische Sperre, diesen ihren Bericht vor. Danach werden wir darüber beraten, Sachverhalt überhaupt anzunehmen. Von Lohnzurück- wie die Ergebnisse zu bewerten sind. Dann werden das haltung haben bekanntlich der Einzelhändler und der Parlament und die Regierung entscheiden, ob der Be-Handwerker, die uns hier vielleicht zuhören, nichts; richt als Ganzes realisiert werden soll oder ob es nochdenn sie brauchen Kunden, die ihre Waren kaufen bzw. Veränderungen geben soll. Anders kann es nicht gehen. ihnen Aufträge geben. Wir haben es hier mit einer wirt- Ich wollte das in dieser Debatte noch einmal klarstellen; schaftspolitischen Lehrmeinung zu tun, die so zu for- denn an dieser Stelle – das ist der zweite Punkt, wo ich mulieren ist: Die Wirtschaft verdient am meisten Geld, Ihnen einen Treffer einräume – haben Sie recht: Werwenn die Kunden am wenigsten in der Tasche haben. zuviel auf einmal beginnt, dem unterlaufen handwerk- liche Fehler. Daraus sollte man lernen. Deshalb wird (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des dieses Gesetz ordentlich eingebracht und sorgfältig be- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der raten. Das ist die Konsequenz daraus. PDS) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Solange man auf dieser Lehrmeinung mit großer DIE GRÜNEN) Hartnäckigkeit beharrt, darf man sich über die fehlenden Erfolge einer solch unsinnigen Wirtschafts-, Finanz- und Ich will gerade in diesen Tagen einen Punkt aufgrei- in diesem Fall auch Lohnpolitik nicht wundern. Wir fen, in dem wir unterschiedlicher Meinung sind und der brauchen endlich einmal verbindliche Formeln. unser Volk beschäftigt: Es handelt sich um dieLohn- und Einkommenspolitik, die gerade jetzt wieder strei- So wie es etwa 1992 falsch war, weit über dem Pro- duktivitätsfortschritt abzuschließen, so ist es falsch – ich tig ist. Ich akzeptiere Ihre Position schlicht und einfach sage das hier in aller Klarheit –, permanent unterhalb der nicht. Ich spreche das ganz offen an. Wir sollten die Diskussion dazu immer wieder führen. Möglichkeiten zu bleiben, weil die Löhne und Einkom- men ein solch großes Aggregat der Volkswirtschaft und Wir von seiten der Bundesregierung haben gesagt:so wichtig für den Binnenmarkt sind, daß man sie auf Wir wollen eine Lohn- und Einkommenspolitik, die sich Dauer nicht zum alleinigen Mechanismus der Zurück- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1789

Bundesminister Oskar Lafontaine (A) haltung machen kann. Das geht volkswirtschaftlichEifer des Gefechts einmal passieren, daß er einen Satz(C) schlicht daneben. sagt, den er nachher bedauert. Ich würde eine Zurück- nahme begrüßen. Bei diesem Programm handelt es sich Wenn man diese Politik in guten Jahren sehr forciert um einen Schwerpunkt unserer Regierungspolitik. Wir betreibt, dann kann es einem passieren, daß in einem wissen um die Schwierigkeiten, die dann auftreten, Jahr, das weniger gut läuft, die Forderungen der Arbeit- wenn man Jugendliche, die schlecht ausgebildet sind, nehmerinnen und Arbeitnehmer sehr stark sind und daß die keinen Schulabschluß haben und vielleicht auch man dann insgesamt keine optimalen Ergebnisse er- schon eine ganze Reihe von Jahren sich auf der schiefen reicht. Bahn, wie man das so im Volksmund sagt, bewegt ha- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Walter ben, in den Arbeitsprozeß integrieren will. Hier wollten Hirche [F.D.P.]: Sie zerstören Arbeitsplätze!) wir nun einen Schwerpunkt setzen. Ich hatte eigentlich – Der verehrte Herr Hirche hat hier dazwischengerufen: unterstellt, daß wir bei diesem Ziel auch Ihre Unterstüt- „Sie zerstören Arbeitsplätze!“ – Wenn Sie schon ideolo- zung hätten. Deshalb bitte ich Sie: Korrigieren Sie die- gisch fixiert sind, sen Satz. Dann soll es erledigt sein. Es wäre besser im Hinblick auf die Jugendlichen, die uns vielleicht zuhö- ( [F.D.P.]: Wir doch nicht! – Hei- ren und unsere Debatten hier im Parlament verfolgen. terkeit bei der SPD – Gegenruf des Abg. Det- lev von Larcher [SPD]: Sie am allermeisten!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der dann schauen Sie doch einmal auf die Vereinigten Staa- PDS) ten. Schauen Sie sich einmal an, wie sich die Reallöhne in den letzten Jahren dort und wie sie sich bei uns ent- Der Bundeshaushalt setzt genau die Akzente, die wir wickelt haben. Wenn Sie sich dann immer noch hierin unserem Programm vor den Wahlen den Wählerinnen hinstellen und unsinnigerweise behaupten, bei uns seien und Wählern versprochen haben. Die Argumentations- die Reallöhne gestiegen und dort gesunken, dann muß weise des Kollegen von der F.D.P., der zu Beginn der ich feststellen, daß Sie einfach aus ideologischer Ver-Debatte die Bereiche Wohngeld und Wehrsold moniert blendung nicht bereit sind, irgendwelche Zahlen zurhat, ist doch nicht fair. Kenntnis zu nehmen. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der ist in der Anders ausgedrückt: Irgend jemand hat von Ludwig Druckerei!) Erhard gesprochen. Da man sich mit diesem Mann, der Gleichzeitig werfen Sie uns ja vor, daß wir beim Kinder- im übrigen auch zur Geld- und Währungspolitik vielgeld, beim Eingangssteuersatz und bei den anderen sozi- Interessantes geschrieben hat, natürlich auseinanderset- alpolitischen Maßnahmen finanzpolitisch viel zu viel ge- zen muß, will ich ihn einmal zitieren: „Ziel allen Wirt- (B) tan hätten. Wenn man diesen Vorwurf aufrechterhalten(D) schaftens ist der Konsum.“ Wer die Arbeitnehmerein- will, meine Damen und Herren, dann darf man nicht zu- kommen immer wieder stranguliert und Lohnzurück-sätzlich sagen: Wo bleiben die Erhöhungen des Wohngel- haltung predigt, der hat Erhard zumindest nicht verstan- des und des Wehrsoldes? Das ist die typische Argumen- den. Das möchte ich hier einmal in aller Klarheit fest-tationsweise von Oppositionsparteien. Die Redner von der stellen. F.D.P., die sich immer als besonders sachkundig in fi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nanz- und wirtschaftspolitischen Fragen geben, müßten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) eigentlich diese ganzen Reden ändern, denn sonst wirken sie völlig unglaubwürdig. Jeder, der uns jetzt zuhört, Steuergerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit weiß, daß das alles nicht stimmt. Meine Erfahrung ist: Mit sind zwei wichtige, konstituierende Elemente unserersolchen Geschichten macht man keine Politik. gesamtstaatlichen Ordnung. Es ist selbstverständlich, daß die Frage, ob Steuer- oder Verteilungsgerechtigkeit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten existiert, von den verschiedenen gesellschaftlichen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gruppen unterschiedlich beantwortet wird. Wenn Sie Wir haben, meine Damen und Herren, zwei Schwer- sich aber einmal in den Statistiken die Selbständigen-punkte gesetzt: Wir wollten ein Mehr ansozialer Ge- haushalte, die Rentnerhaushalte, die Arbeitnehmerhaus- rechtigkeit und Innovationen in Deutschland in Gang halte, die Arbeitslosenhaushalte oder die Haushalte von setzen – deshalb auch unsere Bemühungen um die For- Sozialhilfeempfängern anschauen, kann eines festge-schung und um erneuerbare Energien. Den Vorwurf, daß halten werden: Die Arbeitnehmerhaushalte hatten in den wir in den vier Monaten noch nicht so weit gekommen letzten Jahren relativ am wenigsten Zuwachs. Genau das sind, wie wir eigentlich kommen wollten, den stecken wollen wir ändern. Dafür sind wir angetreten. Vor die- wir gerne ein. Auch den Vorwurf, daß hier oder da Feh- sem Hintergrund erklärt sich auch unsere Haushalts- und ler gemacht worden sind, nehme ich gerne auf mich. Es Steuerpolitik. wäre ja albern, wenn wir den Menschen draußen vorma- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ chen würden, es würden keine Fehler gemacht. Wir ha- DIE GRÜNEN) ben aber klare politische Akzente gesetzt: mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Erneuerung und Innovation. So Ich würde es begrüßen – ich weiß nicht, ob das zwi- wollen wir fortfahren. schenzeitlich korrigiert worden ist –, wenn der Vorsit- zende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seine Bemer- Vielen Dank. kung im Hinblick auf dasProgramm für arbeitslose (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem Jugendliche zurücknehmen würde. Es kann jedem im BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 1790 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Damit schließe ge und durch eine unzureichende Erhöhung des Förder- (C) ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung betrages derartig ausgehöhlt, daß das BAföG heute in der Vorlagen auf den Drucksachen 14/300 und 14/350 keiner Weise seiner Aufgabe gerecht werden kann. Die an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssealte Bundesregierung hat damit versäumt, in die Zukunft vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der jungen Generation zu investieren. der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Vorrangiges Ziel dieser Bundesregierung ist es, mög- lichst allen jungen Menschen, unabhängig vom Geld- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf: beutel ihrer Eltern, eine Ausbildung zu ermöglichen, die a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- ihren Fähigkeiten, Leistungen und Neigungen entspricht. gebrachten Entwurfs eines Zwanzigsten Geset- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zes zur Änderung des Bundesausbildungsför- DIE GRÜNEN) derungsgesetzes (20. BAföGÄndG) – Drucksache 14/371 – Ich möchte den Generationenvertrag bezüglich der Bildung auf eine neue, dauerhafte und tragfähige Überweisungsvorschlag: Grundlage stellen. Damit leiten wir eine Trendwende in Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- der Ausbildungsförderung hin zu mehr Chancengleich- zung (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung heit und zu mehr Gerechtigkeit ein. Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Als einen ersten Reparaturschritt gegen die jahrelange Talfahrt des BAföG lege ich deshalb heute dem Deut- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgenschen Bundestag den Entwurf für das Zwanzigste Gesetz W. Möllemann, Cornelia Pieper, zur Änderung des BAföG-Gesetzes zur ersten Beratung (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Frak- vor. Damit sollen Sofortmaßnahmen getroffen werden, tion der F.D.P. mit denen wir die Ausbildungsförderung konsolidieren wollen. So wird verhindert, daß noch mehr Studierende Reform des Bundesausbildungsförderungsge- aus der BAföG-Förderung herausfallen. Das weitere Ab- setzes fallen der Gefördertenquote wird gestoppt und ein Auf- – Drucksache 14/358 – wuchs in naher Zukunft ermöglicht. Überweisungsvorschlag: Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Be- Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- darfssätze um 2 Prozent und die Freibeträge um 6 Pro- zung (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zent anzuheben, um wieder mehr jungen Menschen ein Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Studium zu ermöglichen und die Studierenden wieder zu (B) (D) Haushaltsausschuß einem Auslandsstudium zu ermuntern, statt durch eine c) Beratung des Antrags der Abgeordneten MarittaVerschlechterung der Förderart zu bestrafen, um Sank- Böttcher und der Fraktion der PDS tionen für einen begründeten frühzeitigen Fachrich- tungswechsel im Studium zurückzunehmen und um die Umsetzung der Reform der Ausbildungsför- Gremientätigkeit von Studierenden in der studentischen derung Selbstverwaltung wieder zu honorieren und nicht durch – Drucksache 14/398 (neu) – eine Verschlechterung der Förderart zu bestrafen. Überweisungsvorschlag: Zu den Einzelpunkten des Gesetzentwurfs. Mit der Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- Anhebung der Bedarfssätze um 2 Prozent und der zung (federführend) Freibeträge um 6 Prozent zum Herbst dieses Jahres Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung werden jährlich 289 Millionen DM zusätzlich in die Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß Ausbildungsförderung investiert. Damit steigt der För- derungshöchstsatz beim BAföG von 1 010 DM auf Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die 1 030 DM. Studierende können sich damit wieder stär- Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen ker auf ihr Studium konzentrieren, so daß ein Abschluß Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. des Studiums in angemessener Zeit möglich ist. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Von besonderer Bedeutung ist die vorgesehene An- die Bundesministerin Bulmahn. hebung der Freibeträge um 6 Prozent. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es ehrte Herren und Damen! Heute geht es darum, krasse ist wohl die Scheinheiligkeit in Potenz, wenn Sie sich Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen bei der Aus- über eine unzureichende Anhebung beklagen, nachdem bildungsförderung zu korrigieren. Das BAföG hat dieSie in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung jahr- Aufgabe, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit zehntelang nicht die Entschlußkraft und den Mut gefun- im Bildungswesen zu gewährleisten. den haben, hier für eine vernünftige Ausbildungsförde- rung Sorge zu tragen. Die alte Bundesregierung hat jedoch das BAföG durch eine nicht erfolgte Anpassung der Elternfreibeträ- (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1791

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) Da kann ich nur sagen: Packen Sie die Heuchelei in den sehr gut vorstellen, daß das Leben nicht nur eine ständi- (C) Koffer. Damit können Sie keinen Blumentopf gewinnen. ge Aufwärtsbewegung ist, sondern daß es ab und zu auch bergab geht. Daß es bei Ihnen jetzt bergab geht, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias haben wir festgestellt. Ich kann mir auch sehr gut vor- Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – stellen, Herr Möllemann, daß Sie die Versuchung ver- Cornelia Pieper [F.D.P.]: Man sollte nicht mit spürt haben, eiligst einen Entwurf in den Bundestag ein- Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt!) zubringen, einen Entwurf, dessen Grundelemente prak- Die Heuchelei ist wirklich das allerletzte. Ich mußtisch dem entsprechen, was die SPD, was die Länder in ganz offen sagen: Gerade von der F.D.P. hätte ich in den den letzten Jahren erarbeitet haben. letzten 16 Jahren die Entschlußkraft erwartet, die Sie Das Ärgerliche, Herr Möllemann – das ist noch im- jetzt vollmundig an den Tag legen. mer die Antwort –, ist nur, daß das Bundesverfassungs- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias gericht inzwischen Beschlüsse gefaßt hat, die eine Ver- Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) änderung des Familienleistungsausgleiches beinhalten. Das kümmert Sie aber offensichtlich überhaupt nicht. Jetzt, wo Sie nichts mehr zu entscheiden und zu sagen haben, kommen Sie auf einmal mit den Vorschlägen (Cornelia Pieper [F.D.P.]: Doch!) heraus. In der letzten Legislaturperiode haben Sie alle Bemühungen und Fortschritte torpediert, weil Sie nicht Sie bringen einfach einen Entwurf ein, in dem Sie die die Courage hatten, den Streit mit Ihrem Koalitionspart- notwendigen Änderungen, die uns das Bundesverfas- ner zu führen. sungsgericht auferlegt, nicht aufgenommen haben. Sie lassen sich überhaupt nicht beirren und bringen diesen (Cornelia Pieper [F.D.P.]: Warum machen Sie Antrag unverdrossen ein. Ich bin aus dem Staunen nicht jetzt nicht die Strukturreform?) mehr herausgekommen, als ich gesehen habe, mit wel- cher Unbekümmertheit Sie hier einen Sockelbetrag von – Ich gehe gleich sehr gerne darauf ein, warum ich die 400 DM für verfassungsrechtlich möglich halten, ob- Strukturreform jetzt nicht mache. wohl das überhaupt nicht geprüft ist, und mit welcher Ich kann Ihnen nur sagen, meine lieben Kolleginnen Unbekümmertheit Sie zum Beispiel sagen: Wir nehmen und Kollegen von der F.D.P.: Wer zu spät kommt, den das Kindergeld; die Ausbildungsfreibeträge und sonsti- bestraft das Leben. gen Freibeträge werden nicht berücksichtigt. (Cornelia Pieper [F.D.P.]: Genau!) Ich kann nur sagen, ich hätte mir wirklich gewünscht, daß Sie diese „Entscheidungsstärke“, die Sie mit der Das trifft für Sie zu. Einbringung dieses Entwurfes heute demonstrieren (B) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias wollen, einmal in den letzten 16 Jahren Ihrer Regie-(D) Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) rungszeit an den Tag gelegt hätten, Zu der Anhebung der Elternfreibeträge. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ausbil- dungsplätze in Niedersachsen!) zu einem Zeitpunkt, als Sie entscheiden konnten und so- lide hätten prüfen können. Das ist nämlich der Kernpunkt in dieser Reform, neben den „Korrekturen“, die Sie sträflicherweise durchgeführt (Cornelia Pieper [F.D.P.]: Entscheiden Sie hatten. doch jetzt! Wie wäre es denn damit?) (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Frau Bul- Ich sage Ihnen auch ganz klar, was mich noch ge- mahn, das Leben ist eine Achterbahn!) wundert hat, nämlich daß auf einmal sämtliche juristi- schen Argumente, die ich mir in den letzten vier Jahren – Wenn Sie eine Frage stellen wollen, dann stellen Sie ungefähr 30 000 mal habe anhören müssen, zum Bei- eine Frage, Herr Möllemann. Ich antworte gerne auf spiel bezüglich der Änderung des Unterhaltsrechtes, eine Frage. überhaupt nicht mehr auftauchen, sondern Sie sie völlig beiseite lassen, als hätte es sie nie gegeben. Dabei waren es doch zwei F.D.P.-Justizminister, die genau diese juri- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege stischen Vorbehalte formuliert haben. Ein Stück Glaub- Jürgen W. Möllemann. würdigkeit dient der Politik. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Frau Ministerin, Abg. Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE Sie haben gerade prophetisch gesagt: Wer zu spät GRÜNEN]) kommt, den bestraft das Leben. Ich möchte aus eigener Erfahrung hinzufügen und Sie fragen, ob Sie sich das vorstellen können: Das Leben ist eine Achterbahn. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Ministe- rin, der Herr Kollege Möllemann möchte noch eine Zwi- schenfrage stellen. Ich wollte aber doch noch darauf Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung hinweisen, daß Zwischenfragen und Antworten mög- und Forschung: Herr Kollege Möllemann, ich kann mir lichst nicht länger sein sollten als der Redebeitrag. 1792 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

(A) Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung Deshalb muß man solide arbeiten. Was Sie vorgelegt(C) und Forschung: Herr Möllemann, vielleicht stellen Sie haben, entbehrt jeglicher Solidität. die Zwischenfrage etwas zurück. Ich gehe davon aus, daß ich darauf, was Sie fragen möchten, im Verlauf (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ meiner Rede ohnehin noch eingehe. DIE GRÜNEN – Walter Hirche [F.D.P.]: Das fällt auf Sie zurück! Der SPD-Entwurf ent- (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Das bezog behrt jeglicher Solidität!) sich jetzt auf Ihre Antwort!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme auf die – Gerne, dann noch eine zweite Zwischenfrage. Anhebung der Freibeträge zurück. Dies ist wirklich ein ganz wichtiger Bestandteil des Vorschlages. Von 1993 bis 1997 ist – ich bitte Sie, sich das noch einmal Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Frau Präsidentin, vor Augen zu halten – die Zahl der geförderten Studie- abgesehen davon, daß meine Frage wirklich kurz warrenden von 408 000 auf 238 000 gesunken. Mittlerweile und nur die Antwort lang, nicht beides, möchte ich die kann eine Familie mit zwei studierenden Kindern nur zweite Frage stellen. Frau Ministerin, Sie sagten gerade, noch dann mit einer Vollförderung rechnen, wenn das Sie empfänden es als zu eilig, daß wir den Vorschlag mit monatliche Bruttoeinkommen 2 985 DM unterschreitet. dem Drei-Körbe-Modell, der bislang Ihr Vorschlag war, Soweit sind wir inzwischen durch Ihre Säumnisse, durch eingebracht hätten. Könnten Sie sich vorstellen, daß wir Ihre Fehler in den letzten 16 Jahren gekommen. Daß nach dem, was Oskar Lafontaine gerade gesagt hat, der diese Grenze zu niedrig ist, ist eigentlich jedem sonnen- Meinung waren, es sei nicht das Privileg der Bundesre- klar. Deshalb will ich mit diesem Gesetzentwurf, mit gierung, eilig zu handeln? dieser Eilmaßnahme die Bedarfs- und Freibetragssätze anheben, um ein weiteres Absinken der Geförderten- quote zu verhindern. Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Möllemann, ich kann mir vorstel- Mit dem zweiten Teil der Novelle werden krasse len, daß eine Opposition durchaus für sich das Privileg Fehlentscheidungen, die wiederum die Opposition zu in Anspruch nimmt, Fehler zu machen und einen Ent-verantworten hat, korrigiert. wurf einzubringen, obwohl sich inzwischen die juristi- Erstens. Wir wollen Auslandsaufenthalte und Mo- sche Grundlage verändert hat. Durch den Bundesverfas- bilität von Studierenden stärker fördern, weil wir das für sungsgerichtsbeschluß haben wir eine andere Grundlage, wichtig halten. Wir wollen, daß unsere Jugendlichen die als wir sie noch vor einem Jahr hatten. Ich kann nur Möglichkeit haben, ihre Fach- und Fremdsprachenkom- wiederholen: Wenn Sie in der letzten Legislaturperiode petenz zu erweitern. Die Jugendlichen müssen für die die Courage gehabt hätten, (B) internationalen Herausforderungen gerüstet sein, um im (D) (Cornelia Pieper [F.D.P.]: Die Courage schon, internationalen Vergleich mithalten zu können. aber nicht die Mehrheit!) Meine Damen und Herren, fast die Hälfte aller Stu- den breiten Konsens mitzutragen, den Entwurf, den wir dierenden würde nach Umfragen an einem obligatori- vorgelegt haben, zu einem verabschiedungsfähigen Ge- schen Auslandsjahr als Bestandteil eines Studiengangs setzestext zu machen, dann müßten wir heute nicht dar- mit geregelter Anerkennung der Studienleistung teil- über diskutieren. Da Sie die Courage nicht gehabt ha-nehmen. ben, müssen wir heute, aber vor allen Dingen in den (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie kommenden Monaten die Debatte darüber führen. Denn beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das, was ich heute vorlege, ist eine Eilmaßnahme, ein erster Schritt, eine Reparatur. Wir werden in den näch- Das Haupthindernis für einen Auslandsaufenthalt von sten Monaten sehr intensiv über das eigentliche Reform- Studierenden sind zur Zeit die Probleme bei der Finan- konzept miteinander diskutieren müssen. zierung. Dies bestärkt uns, jetzt im 20. BAföG- Änderungsgesetz den Bereich der Auslandsförderung (Walter Hirche [F.D.P.]: Sie sind nur sauer, wieder auszubauen. Deshalb führen wir die bewährte weil wir auch schnell waren!) Regelung des § 5a wieder ein. – Nein, ich bin nicht sauer. Mein lieber Herr Hirche, ich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ glaube wirklich, daß diese Reform nicht für parteitakti- DIE GRÜNEN) sche Spielchen geeignet ist. Meine Damen und Herren, es müssen künftig wieder (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ alle Studierenden unabhängig vom Einkommen ihrer DIE GRÜNEN – Walter Hirche [F.D.P.]: Eltern die gleichen Chancen auf ein Auslandsstudium Richtig! – Cornelia Pieper [F.D.P.]: Das ma- haben. Die alte Bundesregierung hat Internationalität chen Sie doch!) und Mobilität verhindert. Es war einfach ein krasser Vielmehr geht es um die lebensnotwendige Förderung Fehler, die Studierenden mit den restriktiven BAföG- vieler Jugendlicher aus einkommensschwächeren Fami- Regelungen ausgerechnet für ihre Mobilitätsbereitschaft lien. zu bestrafen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Seien Sie doch nicht (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ so sauer, wenn wir einen Entwurf einbringen!) DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1793

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) Wir werden deshalb die Attraktivität von Ausbildung im renden gehen. Deshalb ist die Verlängerung der Studi-(C) Ausland wieder erhöhen. Künftig bleibt nach unserem enabschlußförderung dringend geboten. Vorschlag im Rahmen der Förderungshöchstdauer ein Ich habe bereits vorhin in meiner Antwort auf Ihre Auslandsaufenthalt bis zu einem Jahr unberücksichtigt. Zwischenfrage, Herr Möllemann, gesagt, daß wir zwar Zweitens. Wir erwarten von allen Studierenden einmit der vorliegenden BAföG-Novelle eine Trendwende zielgerichtetes Studium. Aber wir können die Augen hin zu mehr Chancengleichheit und sozialer Gerech- vor bestehenden Orientierungsbedürfnissen in der ersten tigkeit einleiten, daß aber die Hauptaufgabe noch vor Studienphase nicht verschließen. Dies wird zukünftig in uns liegt, nämlich eine grundlegende Reform der Aus- angemessener Weise bis zum Beginn des vierten Fach- bildungsförderung. semesters durch das Zulassen eines Ausbildungsab- Wir werden hierzu bis Ende dieses Jahres einent- bruchs oder Fachrichtungswechsels aus wichtigen Grün- scheidungsreifes Konzept vorlegen. Wir bauen bei un- den berücksichtigt. Der Beirat für Ausbildungsförderung seren Überlegungen auf den breiten Konsens auf, aus- hat nachdrücklich bestätigt, daß es Fälle gibt, in denen bildungsbezogene staatliche Leistungen wie Kindergeld der Studienaufbau einen Fachrichtungswechsel ausund Freibeträge zu einer elternunabhängigen Förderung wichtigen Gründen noch am Ende des dritten Fachseme- zusammenzufassen. Ergänzen wollen wir dieses eltern- sters rechtfertigt. Es wäre ungerecht, wenn das Förde- unabhängige Ausbildungsgeld durch eine einkommens- rungsrecht die Ausbildung junger Menschen aus ein-abhängig gewährte Ausbildungshilfe. kommensschwachen Familien erschweren würde. Des- halb ist diese Korrektur notwendig. Meine Herren und Damen, wer allerdings glaubt – das richtet sich jetzt noch einmal ganz konkret an die Drittens. Eine weitere Korrektur, die wir durchführen Adresse der F.D.P. –, diese Reform ohne Berücksichti- werden, bezieht sich auf das Engagement von Studie-gung der jüngsten Beschlüsse des Bundesverfassungsge- renden in Gremien und Organen studentischen der richtes zum Familienleistungsausgleich auf den Weg Selbstverwaltung. Wir möchten erreichen, daß dieses bringen zu können, der liegt falsch. Engagement entsprechend berücksichtigt wird, weil es (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Das sagen für eine lebendige Hochschule wichtig ist. Das muß wir ja!) dann auch im Ausbildungsförderungsrecht seinen Nie- derschlag finden. Nachteile für besonders engagierteEine Reform der Ausbildungsförderung kann es nur in Studierende müssen vermieden werden. Deshalb siehtenger Verknüpfung mit der Reform des Familienlei- unser Gesetzentwurf vor, daß Studierende, bei denenstungsausgleiches geben. Im Interesse der jungen Men- sich die Förderungshöchstdauer durch eine Gremientä- schen ist deshalb Sorgfalt angebracht. tigkeit verlängert, für die Zeit dieser Verlängerung wie- (B) der auf die Normalförderung zurückgreifen können. Ih- (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Ja! Das steht (D) nen entstehen also praktisch keine finanziellen Nachteile auch in unserem Antrag!) durch engagiertes Mitarbeiten in den Gremien der Hoch- Um es noch einmal zu wiederholen: Die erforderliche schule. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit Neuorientierung der Ausbildungsförderung darf nicht zu sein. einem parteitaktischen Spielchen verkommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD – Cornelia Pieper DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der [F.D.P.]: Das gilt auch für Sie!) PDS) Dabei handelt es sich um eine zu ernste Angelegenheit. Diese Möglichkeit muß natürlich erst recht gelten,Deshalb will ich noch einmal ausdrücklich festhalten: wenn soziale oder andere schwerwiegende Verlänge-Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr ein Re- rungsgründe den Ausbildungsabschluß innerhalb derformkonzept vorlegen. Genauso klar ist aber auch: Ich Förderungshöchstdauer unmöglich machen. Darunterlasse mich nicht zu unbotmäßiger Hast von denjenigen fallen zum Beispiel Krankheit, Unterbrechung der Aus- treiben, die in jahrzehntelanger Regierungsverantwor- bildung durch Grundwehr- bzw. Zivildienst oder Ablei- tung die Entschlußkraft, Änderungen vorzunehmen und stung eines freiwilligen sozialen bzw. ökologischen Jah- eine Strukturreform auf den Weg zu bringen, nicht auf- res. Deshalb führen wir die vorgesehenen Korrekturen gebracht haben. durch. (Beifall bei der SPD – Jürgen W. Möllemann Viertens. Wir verlängern – auch dies ist eine weitere [F.D.P.]: Was ist denn eine „unbotmäßige Korrektur, die wir durchführen – das bewährte Instru- Hast“?) ment der Studienabschlußförderung um weitere zwei – Ich meine damit eine Hast, die dazu führen würde, daß Jahre bis zum 30. September 2001. Denn es gibt nochwir hier ein Gesetz verabschieden, Herr Möllemann, das immer Studentinnen und Studenten, die alle erforderli- langfristig nicht tragfähig ist. Wir werden eine BAföG- chen Studienleistungen innerhalb der Förderungshöchst- Reform durchführen, die auch auf längerfristige Sicht dauer erbracht haben, die ihre Ausbildung aber trotzSicherheit für Studierende aus einkommensschwächeren Zulassung zur Abschlußprüfung aus hochschulinternen Familien bietet. Gründen nicht beenden können. Eine solche Examens- verzögerung, die auf organisatorische Defizite der (Abg. Cornelia Pieper [F.D.P.] meldet sich zu Hochschule zurückgeht, darf nicht zu Lasten der Studie- einer Zwischenfrage) 1794 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin Berechtigten die Bezugsgröße sind – aus verschiedenen (C) Pieper, ich kann leider keine Zwischenfrage mehr zulas- Gründen deutlich kleiner geworden ist. Wir sind uns sen, weil die angemeldete Redezeit schon überschritten auch darüber einig, daß die Anhebung der Bedarfssätze ist. Frau Ministerin, ich habe kein Recht, Sie zu unter- und der Freibeträge für die Auszubildenden bzw. Studie- brechen – das wissen Sie –, aber ich kann es Ihnen zur renden selbstverständlich zu begrüßen ist. Kenntnis geben. Auch hier gilt:Bildungsinvestitionen sind Zu- kunftsinvestitionen. Jeder Manager weiß, was der Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung Standortfaktor Bildung bedeutet. Die letzte OECD- und Forschung: Ein letzter Satz: Ich wünsche mir, daß Bildungsstudie stellt kurz und prägnant fest, daß Bil- dieser Entwurf eine breite Mehrheit in diesem Hausedung ebenso zur Stärkung des wirtschaftlichen Wachs- findet, damit die vielen jungen Menschen, die die not- tums wie zur persönlichen und sozialen Weiterentwick- wendigen Leistungsverbesserungen beim BAföG drin- lung und auch zur Verringerung sozialer Ungleichheiten gend brauchen, diese auch erhalten. beitragen kann. Deshalb waren in dem von uns zu ver- antwortenden Regierungsentwurf für den Haushalt 1999 Vielen Dank. noch entsprechende Erhöhungen beim BAföG vorgese- (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ hen. DIE GRÜNEN) Ich muß Sie, meine Damen und Herren von der rot- grünen Mehrheit, allerdings auch daran erinnern, daß Sie mit Ihrer BAföG-Novelle deutlich hinter dem zurückge- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat blieben sind, was Sie hier im Hause vor der Wahl laut- jetzt die Abgeordnete Angelika Volquartz. stark gefordert haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Angelika Volquartz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! ordneten der F.D.P.) Meine Damen und Herren! Über die Bedeutung vonErinnern wir uns: 2 Prozent mehr bei den Bedarfssätzen Studium und Hochschule, Wissenschaft und Forschung und 6 Prozent mehr bei den Freibeträgen – das sah die brauchen wir in diesem Hause nicht zu streiten. Dievon uns verantwortete 19. Novelle vor, also exakt die Daten liegen auf dem Tisch. Professor Wolfgang Früh- von Ihnen in der 20. Novelle geplante Erhöhung. Doris wald, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungs- Odendahl, die damalige bildungspolitische Sprecherin gemeinschaft, weist darauf hin, daß sich die Zahl derder SPD, hat diese 19. Novelle hier am 2. April 1998, al- Naturwissenschaftler in den USA innerhalb von 13 Jah- so vor noch nicht einmal einem Jahr, mit der Note „un- ren verdoppelt. Jürgen Rüttgers stellt fest: Weltweit er- (B) zureichend“ versehen. (D) scheinen pro Arbeitstag 20 000 Fachpublikationen in Wissenschaft und Technik. (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Da hat sie sich versprochen!) Wenn wir vom Aufbruch in die Wissensgesellschaft sprechen, dann geht es nicht um eine Utopie, sondernDa stellt sich natürlich die Frage, ob dieses Hohe Haus um die Lösung drängender praktischer Probleme. Dazu die damalige Bewertung auch für die 20. Novelle über- zählt die Situation an den Hochschulen ebenso wie die nimmt. Naheliegend wäre das. Förderung der Studierenden. Es geht um Chancen für Die Ministerin spricht davon, daß mit der vorliegen- den einzelnen und um unseren Platz im globalen Wett- den 20. Novelle krasse Ungerechtigkeiten beseitigt wür- bewerb. Lassen Sie mich deshalb zunächst mit der ge- den und daß die alte Bundesregierung Investitionen in botenen Deutlichkeit feststellen: Der Zugang zum Stu- die Zukunft nicht vorgenommen habe. Da muß ich Sie dium und dessen Verwirklichung dürfen nicht von der fragen: Wo ist der Unterschied zwischen dem letzten wirtschaftlichen Lage des Elternhauses abhängen. Das Jahr und diesem Jahr? war schon immer CDU/CSU-Position. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Dazu und zu Ihrer Äußerung, es sei seitens der vorheri- Die Union war es schließlich, die mit dem Vorläufer des gen Koalition nichts geschehen, würde ich gern noch BAföG, dem Honnefer Modell, im Jahre 1957 die Aus- etwas von Ihnen hören. bildungsförderung in Deutschland überhaupt begründet hat. Das muß einmal festgestellt werden. (Zurufe von der SPD: Ihre 16-Jahre-Bilanz ist ein Trauerspiel! – Bei Ihnen wären die Studie- (Beifall bei der CDU/CSU) renden leer ausgegangen!) Der Entwurf des 20. BAföG-Änderungsgesetzes, über Wir sind schließlich bei der 20. BAföG-Novelle. Davor den wir heute beraten, wird von der Regierung als „Re- muß doch irgend etwas gelaufen sein. Ich denke, man paraturgesetz“ bezeichnet. Die Frage ist allerdings, was sollte darüber noch einmal gründlich nachdenken. dieses Gesetz repariert. Es besteht sicherlich Einigkeit auf allen Seiten des Hauses, daß bei insgesamt 1,8 Mil- (Beifall bei der CDU/CSU) lionen Studierenden in Deutschland der Kreis der Ge- Mit der 19. Novelle haben wir eine Trendwende bei förderten in den letzten Jahren – mit einer Förderquote der rückläufigen Entwicklung der Förderquote erreicht. von 22 Prozent im Jahre 1998, berechnet nach der nor- mativen Methode, bei der die dem Grunde nach BAföG- (Zuruf von der SPD: Das ist ja lachhaft!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1795

Angelika Volquartz (A) Wurden 1998 – berechnet nach der eingangs erwähnten Niemand wird annehmen, daß dieses Problem (C) mit normativen Methode – insgesamt 22 Prozent der Studie- 20 DM BAföG mehr oder weniger gelöst sei. renden gefördert, sind es nach der von uns zu verant- Wenn wir uns die Studiendauer an deutschen Hoch- wortenden 19. Novelle für 1999 nunmehr 22,5 Prozent. schulen ansehen, dann müssen wir uns die Frage nach Hier von „Schweinereien“ der alten Regierung zu reden, der Organisation des Studiums auch vor dem Hinter- die es nun zu beseitigen gelte, wie es der Kollege Ste- grund der studentischen Erwerbstätigkeit stellen. phan Hilsberg am 12. November 1998 von dieser Stelle Während Ende der 60er Jahre die studentische Er- aus getan hat, erscheint grotesk. werbstätigkeit noch überwiegend in den Semesterferien (Beifall bei der CDU/CSU) stattfand, ist der Anteil derjenigen, die während des Se- mesters arbeiten, heute höher, nämlich so hoch, wie er Meine Damen und Herren, mit der Ankündigung der damals auf das ganze Jahr verteilt war: zirka 65 Prozent. Verdoppelung der Aufwendungen im Bildungsbe-Von diesen jobbenden Studierenden arbeiten 49 Prozent reich in den nächsten fünf Jahren sind Sie in den Wahl- tatsächlich, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, kampf gezogen. (Zuruf von der SPD: Und warum?) (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Leeres Ver- sprechen!) hingegen arbeiten 46 Prozent von ihnen mit dem Motiv, Erfahrung für die Berufspraxis zu sammeln. So sagt es Von diesen Aufwendungen muß ein Teil auch in dasdie 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes. BAföG gehen, für Investitionen in Köpfe verwendetMan muß also differenzieren, warum gejobbt wird, und werden. Sie erhöhen die Bedarfssätze jetzt aber lediglich kann nicht alles über einen Kamm scheren. um 2 Prozent und die Freibeträge um 6 Prozent. Es ist nicht nur erforderlich, eine BAföG-Novelle (Zuruf von der SPD: Sie hätten gar nichts ge- voranzubringen; wir müssen den Studierenden zugleich macht!) deutlich machen, daß damitLeistungsanforderungen Da gibt es natürlich Erklärungsbedarf. Sie haben in Ih- verknüpft werden. Es ist im Interesse der Studierenden rem sonst so schwammigen Koalitionsvertrag das The- ebenso wie im Interesse der Hochschulen, Studienfort- ma BAföG als einen Hauptschwerpunkt benannt. Trotz- schritte durch Prüfungen festzustellen. Deshalb haben dem sehen Sie eine Erhöhung der Bedarfssätze um nur wir bereits in der letzten Wahlperiode das Hochschul- 2 Prozent vor. rahmengesetz geändert und am 20. August 1998 in § 15 HRG studienbegleitende Prüfungen festgeschrieben. (Zuruf von der SPD: Das hat was mit den Nachweise von Studienfortschritten sind inzwischen in Schulden zu tun, die Ihre Regierung hinterlas- den meisten OECD-Ländern ein wichtiges Kriterium. (B) sen hat!) (D) Die Bundesrepublik Deutschland als Export- und Das bedeutet eine Realkürzung. So ist eine erfolgreiche Wissenschaftsnation ist im Hinblick auf die europäische BAföG-Reform nicht möglich. Im übrigen fallen dieEntwicklung auf den Dialog mit ausländischen Eliten BAföG-Steigerungen nicht höher aus als der Durch-angewiesen. Deshalb begrüße ich für meine Fraktion schnitt der übrigen Erhöhungen im Bildungshaushalt.ganz außerordentlich, daß die geplante Wiedereinfüh- Wenn Sie also gewissermaßen überall nur einen Schnaps rung des § 5a BAföG tatsächlich stattfindet. Wir unter- drauftun, kann von einem Hauptschwerpunkt wirklich streichen, daß das eine richtige Maßnahme ist. nicht mehr die Rede sein. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]) Weitere Anstrengungen sind auf dem Gebiet der Vergleichbarkeit und gegenseitigen Anrechenbarkeit Wie schon in anderen Fällen von dieser Stelle ausvon Leistungsnachweisen erforderlich, wenn die Mittel gesagt wurde: Sie haben ein Hauptversprechen aus dem für Auslandsausbildung wirklich effizient verwendet Wahlkampf und dem Koalitionsvertrag gebrochen. So werden sollen. Ein besonders geeigneter Weg ist das sieht es offensichtlich auch die Zeitschrift „Die Woche“, „European Credit Transfer System“. Es trägt zu einer von der man wahrlich nicht sagen kann, daß sie der Op- höheren Kompatibilität von im gesamten europäischen position sonderlich nahesteht. Dort heißt es lapidar:Ausland erbrachten Studienleistungen bei und stellt ein Auch das BAföG-Reförmchen im Mai, maximal 20 DM geeignetes Berechnungsmodell für deren Anerkennung – oder 10,23 Euro – mehr im Monat, bringt da keinedar. Eine Ausweitung des Systems sollte zum Beispiel Besserung. Wenn die Ministerin an der Stelle davondurch die Schaffung einer zentralen, unabhängigen und spricht, Studierende könnten sich mit dieser Erhöhung effizienten Beratungsstelle erreicht werden. In einem wieder mehr dem Studium widmen, dann frage ich mich weiteren Schritt ist anzustreben, daß die Studienförde- wirklich: Frau Ministerin, wissen Sie eigentlich, wasrung der fortschreitenden europäischen Integration an- 20 DM mehr bedeuten? geglichen wird. Damit kommen wir zum eigentlichen Problem: Mehr Wenn wir heute in der ersten Lesung über die als 25 Prozent der Studierenden brechen das Studium ab. BAföG-Novelle beraten, dann müssen wir auch über die – Das hat vor allem strukturelle Ursachen. Natürlichschon genannten Leistungsanforderungen, die sich ver- stellt sich die Frage, ob das Reifezeugnis heute noch in ändert haben und die sich verändern müssen, und über jedem Fall Hochschulreife bedeutet. – Das hat gravie-die Hochschulsituation sprechen. Es ist kontraproduktiv, rende Folgen für den einzelnen und für die Gesellschaft. daß der Ausbildungsabbruch oder der Fachrich- 1796 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Angelika Volquartz (A) tungswechsel einmal mehr möglich sein soll, ohne daß Ohne die Einführung des BAföG wären die Hochschu- (C) diese zahlenmäßig erweiterte und studienverlängernde len nicht geöffnet worden. Ohne die Einführung des Möglichkeit begründet wird. Drei Semester für dieBAföG hätten eine Menge Leute keine Chance zum Selbstfindungsphase an der Hochschule für Studierende, Studieren gehabt. Selbst unser Bundeskanzler erwähnt die im allgemeinen mit dem Reifezeugnis ausgestattet immer wieder, daß das BAföG für ihn eine relevante sind, das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Rolle gespielt habe. Deshalb ist für die zweite Stufe der Bildungsreform eine große Veränderung bei der Studie- rendenförderung unabdingbar. Das BAföG stand für die Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin, erste Stufe der Bildungsreform. Das Ausbildungsgeld, denken Sie bitte an die Zeit. Das Zeichen am Rednerpult das diese Koalition verwirklichen will, wird für die soll Ihnen das signalisieren. zweite Stufe stehen.

Angelika Volquartz (CDU/CSU): Danke, Frau Prä- Ein wesentlicher Punkt, an dem wir uns orientieren sidentin, ich bin gleich fertig. – Es reicht nicht, darauf zu werden, wird sein, die Studierenden als selbständige vertrauen, daß die Geförderten im eigenen Interesse ihre erwachsene Menschen zu betrachten, von denen wir an Abschlüsse zügig anstreben. der Hochschule etwas verlangen. Wir verlangen von ih- nen, daß sie etwas leisten, wobei man sich – das schiebe Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bei der ge- ich gern ein – inzwischen einig ist, daß die Leistungsbe- meinsamen Diskussion über die weitere Förderung der reitschaft der Studierenden sehr hoch ist und die Zumu- Studierenden daran arbeiten, die relativ bescheidenentungen, mit denen sie an den Universitäten zu tun haben, Veränderungen, die heute bei der ersten Lesung derdas eigentliche Problem darstellen. Also: Wir behandeln 20. BAföG-Novelle deutlich geworden sind, auszu-diese Menschen als Erwachsene, und auch die Förde- weiten. Lassen Sie uns gemeinsam an einer Reform ar- rung sollte sich daran orientieren. Sie sollte ihnen mög- beiten, an der sich die CDU/CSU-Fraktion konstruktiv lichst viele Freiheiten geben und Elemente von Eltern- beteiligen wird. Das ist selbstverständlich. unabhängigkeit beinhalten. Diesen Weg wollen wir ge- Herzlichen Dank. hen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das war die Vor diesem Hintergrund komme ich zur Benotung erste Rede der Kollegin Volquartz in diesem Plenum.der „BAföG-Reparaturnovelle“, die wir vorlegen. Ich Herzlichen Glückwunsch! denke, das, was wir vorlegen, ist selbstverständlich un- (B) zureichend. Es ist noch keine Strukturnovelle. Was wir (D) (Beifall) vorlegen, reicht überhaupt noch nicht aus. Wir haben in Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias Bernin- der letzten Legislaturperiode im Vergleich zu dem, was ger. wir heute vorlegen, viel mehr eingefordert. Wir sagen aber auch gar nicht, daß diese Novelle der große Wurf ist, sondern wir sagen: Das ist die erste Stufe, das ist ei- Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-ne „Reparaturnovelle“; die zweite Stufe wird die ent- NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!scheidende sein. Insofern fühlen wir uns auch durch die Diese Regierung hat sich ein sehr ehrgeiziges Ziel ge- Angriffe, die von seiten der Opposition geführt worden setzt, ein Ziel, von dem noch nicht klar ist, ob wir es er- sind, nicht getroffen; denn dies ist nur die „Reparaturno- reichen werden. Das zeigt die Diskussion, die die Bil- velle“, entscheidend ist die zweite Stufe. dungspolitiker mit den Rechts- und Finanzpolitikern auch in der Amtszeit der von der CDU/CSU geführten Unsere Koalitionsvereinbarung ist an dieser Stelle Bundesregierung geführt haben. Für die Bildungspoliti- keineswegs schwammig, sondern sie setzt sich ein ehr- ker ist noch nicht klar, ob wir es schaffen werden, eine geiziges Ziel. Wir sagen: Ende 1999 wollen wir den Strukturreform des BAföG auf den Weg zu bringen. Für Vorschlag zur Strukturreform auf den Tisch legen. Bis sie ist noch nicht entschieden, ob es uns gelingt, dasEnde 1999 – bekanntermaßen hat das Jahr bereits be- Versprechen, das wir den Wählerinnen und Wählern ge- gonnen – wollen wir die BAföG-Strukturreform ange- geben haben, tatsächlich einzuhalten. Ich gestehe Ihnen packt und Ihnen eine Lösung, über die es sich zu disku- gern zu, daß das ein Problem sein wird, bei dessen Lö- tieren lohnt, auf den Tisch gelegt haben. Meine Damen sung die Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker und Herren, das ist ein ehrgeiziges Ziel. Ich freue mich durchaus an einem Strang ziehen müssen. Insofern freue aber, daß wir in der Bildungspolitik nicht den Fehler ich mich über die Hinweise der F.D.P. zu ihrem mögli- gemacht haben, den diese Regierung in vielen anderen chen Verhalten gegenüber der Regierung, und ich freue Bereichen gemacht hat. Wir haben uns nämlich nicht mich, daß Sie, Frau Volquartz, das Angebot zur Mitar- treiben und hetzen lassen, um dann Vorschläge, die zum beit gemacht haben. Teil noch nicht ausgegoren waren, vorzulegen und uns letzten Endes nicht mehr um die Substanz der Reform zu Uns geht es darum, den Startschuß für eine zweite streiten, sondern um zu verbessern, zu verbessern, zu Stufe der Bildungsreform in Deutschland zu geben. Das verbessern. Unsere Ministerin ist den geschickteren Weg BAföG hat eine ganz wesentliche Rolle bei der letzten gegangen. Ich glaube auch, sie wird den erfolgreicheren Bildungsreform gespielt. Weg gehen und diese Strukturreform mit Sorgfalt auf (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den Weg bringen. Sie ist uns zu wichtig, als daß wir uns Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1797

Matthias Berninger (A) von irgend jemandem – sei es von der Opposition, sei es werden nicht diejenigen sein, die diese Reform komplett (C) von der öffentlichen Meinung – hetzen lassen. ausgestalten werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) und bei der SPD) Sollten wir dies nicht erreichen, sollten wir in der Re- Für den Aufbruch in die Wissensgesellschaft, für die gierungsverantwortung keinen Vorschlag auf den Tisch Veränderung der Art und Weise, wie Studierende studie- legen, von dem man wirklich sagen kann, das sei dieren, ist es nötig, daß man von einem Entwurf weg- Strukturnovelle, dann können Sie auf uns losprügeln.kommt, der alles bis ins letzte Detail regelt, und zu Aber ich bitte Sie doch so lange um die nötige Geduld einem Entwurf gelangt, der den Geförderten möglichst und erwarte von Ihnen, daß Sie uns zumindest erst ein- viel Freiheit läßt. Es wird auch nötig sein, daß der Ent- mal diese Chance einräumen. wurf wieder dem Gebot der sozialen Gerechtigkeit Rechnung trägt. Wir haben beim BAföG und bei der Im übrigen bin ich sehr optimistisch, weil bei dieser sonstigen Förderung der Studierenden heute das Pro- Regierung nicht nur die Bildungspolitiker sagen, wirblem, daß es eine große soziale Ungerechtigkeit gibt. Es bräuchten diese Reform, sondern weil – das haben Sie werden nämlich viele Wohlhabende weit mehr als sol- bei den Haushaltsberatungen gemerkt; hier haben wirche gefördert, die es nötig haben. Akzente gesetzt – die gesamte Regierung und die ge- Das bedeutet, daß man innerhalb der Studierenden- samte rotgrüne Koalition die Bildungsreform für eine förderung eine Umverteilung vornimmt. Das wird diese zentrale Frage halten. Das ist einer der ganz wesentli- Koalition versuchen. Wir werden zusammen mit den chen Unterschiede zu der Zeit vor dem Regierungs- Kolleginnen und Kollegen, die sich um das Familien- wechsel. Sie haben in den letzten Jahren beim BAföG recht kümmern, mit denen, die sich um das Steuerrecht gespart. Wir hingegen sind einen anderen Weg gegan- kümmern, und mit denen, die sich darum kümmern, die gen und werden diesen anderen Weg gemeinsam mit BAföG-Reform zu finanzieren, einen vernünftigen Vor- allen Kolleginnen und Kollegen der rotgrünen Koalition schlag auf den Tisch legen, der sozial gerechter ist als auch zu Ende gehen. Jeder, der sich von der Opposition alles, was bisher war. dem anschließen möchte, ist dazu herzlich eingeladen. (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Sie müssen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufpassen, daß Sie vor lauter Kümmern nicht und bei der SPD – Jürgen W. Möllemann verkümmern!) [F.D.P.]: Herr Kollege Berninger, wir haben nicht auf Sie losgeprügelt, sondern Sie nur ein Das wird allerdings ausgesprochen kompliziert, weil das Bundesverfassungsgericht uns die Lösung einiger (B) bißchen gekitzelt!) (D) zusätzlicher Probleme aufgegeben hat. Ich freue mich – Herr Kollege Möllemann, wenn Sie wieder einmalaber trotzdem darüber, weil das Verfassungsgericht dem aufstehen möchten, dann stellen Sie mir doch einfachGrunde nach gesagt hat, daß mehr Geld zu den Familien eine Frage. Ich werde sie Ihnen auch gerne beantworten. fließen müsse. Daß wir eine bessere Ausstattung der Im übrigen haben Sie mich nicht gekitzelt; dazu sind Sie Familien brauchen, bedeutet in der Konsequenz, daß mir doch ein bißchen zu weit entfernt. auch die Ausstattung der Studierenden am Ende besser sein muß als das, was wir heute auf den Tisch gelegt ha- (Heiterkeit) ben. Der entscheidende Punkt ist folgender, Herr Kollege (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Möllemann: Sie waren vier Jahre lang in den Gesund- und bei der SPD) heitsausschuß strafversetzt. Insofern haben Sie die Bil- dungsdebatte nicht verfolgen können, und auch Sie, Frau Wer definiert nun, was soziale Gerechtigkeit ist? Kollegin Pieper, waren damals noch nicht hier. Aber für (Detlef Parr [F.D.P.]: Sie definieren es!) uns ist es schon eine komische Situation, daß die Frakti- on, die ständig herumgenölt hat und sich im offenen– Entschuldigen Sie, dazu haben wir höchstrichterliche Streit mit Rüttgers befand, an der entscheidenden Stelle Urteile. In Karlsruhe sitzt jemand, der für diese Politik aber immer wieder eingeknickt ist, uns jetzt sagen will, einsteht und der jetzt höchstrichterlich bestätigt hat, daß wie wir es machen sollen. Darüber wundern wir uns ein den Familien während der Regierung Kohl 20 Milliar- wenig. Sie haben das Glück der Gnade des Zuspätkom- den DM jährlich vorenthalten wurden. mens in den Bildungsausschuß. Trotzdem dürfen wir (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Das ist eine uns einmal über Ihre Fraktion und Ihre politische Initia- tive köstlich amüsieren. Das ist insofern kein Kitzeln, etwas eigenwillige Interpretation eines Ur- teils!) sondern nichts anderes als das Eingeständnis, daß Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., in der Jetzt fragen ausgerechnet Sie uns, wer definiert, was so- Opposition angekommen sind. Wir wollen, daß Sieziale Gerechtigkeit ist. Das ist meiner Meinung nach et- möglichst lange da bleiben. Ob Ihre Opposition einmal was, was Sie sich in der Opposition leisten können, aber außerparlamentarisch sein wird, lasse ich dahingestellt. was Sie sich gegenüber den Menschen außerhalb dieses Parlaments nicht erlauben können. Wir wollen die Reform gestalten, und Sie können Hinweise dazu geben und daran mitarbeiten. Wir kön- Schauen Sie sich an, wie wenig junge Menschen aus nen einen breiten Konsens dazu hinbekommen. Aber Sie Familien mit geringem Einkommen den Weg in die 1798 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Matthias Berninger (A) Universität tatsächlich finden. Angesichts dessen istIhnen, daß diese Bundesregierung eine Strukturreform(C) heute das Bildungssystem in Deutschland jedenfallsauf den Weg bringen wird, die diesen Namen verdient nicht mit dem Label zu versehen, daß es sozial gerecht hat. sei. Vielmehr ist es sozial selektiv, und das wollen wir (Walter Hirche [F.D.P.]: Sprechen Sie jetzt für ändern. die Regierung? Das ist ja interessant!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch dann werden Sie mäkeln, aber wir werden am En- und bei der SPD – Detlef Parr [F.D.P.]: Was de zufrieden sein. ist mit den sozialdemokratischen Landesregie- rungen?) Vielen Dank. – Jetzt gehe ich auf die Landesregierungen ein, und ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finde es ausgesprochen wichtig, daß Sie das ansprechen. und bei der SPD) Dazu gab es nämlich im Bildungsausschuß – Herr Fried- rich hat die Diskussion auch verfolgen können – eine sehr einhellige Meinung. Wir haben mit gutem Grund in Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, daß wir beijetzt die Abgeordnete Cornelia Pieper. dieser Reform die Zusammenarbeit mit den Ländern brauchen; denn sie müssen dieser Reform zustimmen. Bis jetzt sieht die Arbeitsteilung zwischen Bund und Cornelia Pieper (F.D.P.): Verehrte Frau Präsidentin! Ländern ungefähr so aus: Man streitet sich über die Re- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin form, erreicht am Ende nichts, das BAföG sinkt, alleBulmahn, bei allem Respekt für Ihr bildungspolitisches freuen sich, daß ein bißchen Geld gespart wird, aberEngagement meine ich, man sollte nicht mit Steinen man übersieht, daß das zu Lasten derer geht, die denwerfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Ich bin der Weg in die Universität nicht finden können. Das ist ein Auffassung, Sie haben sich hinter Ihren Bemerkungen stillschweigendes Agreement gewesen, an dem Grüne, über das parteipolitische Kalkül, das die Opposition, das Sozialdemokraten, die verbliebenen Liberalen, vor allem die F.D.P. mit ihrem Antrag verfolge, versteckt. Wir ha- aber auch die Konservativen beteiligt waren. Die Auf- ben ein gemeinsames Ziel, auch das will ich hier einmal gabe, vor der wir stehen, ist, daß diese stillschweigende feststellen. Wenn das so ist, dann sollten wir diese De- Übereinkunft gebrochen wird. Die Aufgabe, vor der wir batte nicht auf dem Rücken der jungen Menschen, der stehen, ist, daß wir auch die Länder für diese ReformStudierenden in diesem Lande austragen. Wenn wir ein gewinnen müssen. Insofern brauchen wir ein klares Si- gemeinsames Ziel haben, dann, denke ich, sollte man gnal auch von den CDU-regierten Ländern, daß sie eine eigentlich gemeinsam das Ziel verfolgen, die BAföG- (B) elternunabhängige Förderung wollen. Reform endlich in Gang zu bringen. Da muß sich die(D) F.D.P. sicher selbst einmal auf die Schulter klopfen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Fangen Sie doch bei den SPD-regierten an!) (Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: An die Nase fassen!) Wir brauchen das klare Signal, daran mitarbeiten zu wollen. Wir haben diese klaren Signale bereits von den – Auch an die Nase fassen. – Aber ich sage ganz deut- sozialdemokratischen Landesregierungen, auch gibt es lich, Herr Berninger: Die Liberalen sind diejenigen ge- Gesetzentwürfe, so daß ich mich in diesem Fall aus-wesen, die in der alten Koalition die BAföG-Reform nahmsweise an die CDU-regierten Länder wenden muß. überhaupt zum Thema gemacht und vorangetrieben ha- ben. In der Tat haben wir alle einen großen Zeitverlust Dieses klare Signal zur Zusammenarbeit ist nötig,hinnehmen müssen. Ich denke, Sie sollten jetzt nicht weil wir bei dieser Reform schnell sein müssen. Wirmehr dafür sorgen, daß dieser Zeitverlust noch größer müssen schnell sein, damit die Bildungsreform in Gang wird. Sie haben im Bundestagswahlkampf doch große kommen kann. Sie kommt nicht in Gang, solange dieVersprechungen gemacht, das will ich hier einmal fest- Studierenden gezwungen sind, zu jobben, statt zu studie- halten. Sie haben den Studierenden versprochen, daß bei ren. Sie wird auch dann nicht in Gang kommen, wenneiner Regierungsübernahme die BAföG-Reform statt- wir weiterhin sagen: Wer reich ist, der kann im Ausland findet. Wenn die BAföG-Reform stattfinden soll, dann studieren, die anderen nicht. – Insofern haben wir beimüssen wir sie jetzt anschieben. dieser Novelle an einer ganz wesentlichen Stelle ange- setzt. Wir haben uns über Herrn Rüttgers sehr geärgert, (Bodo Seidenthal [SPD]: Haben Sie denn nicht der das einfach weggestrichen hat. Wir haben uns auch zugehört, was die Ministerin gesagt hat?) sehr darüber geärgert, daß er gesagt hat, Gremientätig- Ziel unseres Antrags ist, daß die Bundesregierung bis keit sei ihm nicht wichtig. Ich finde es gut, daß Sie ein- zum Sommer einen Gesetzentwurf vorlegt, weil wir gestehen, daß das ein Fehler war. Die Bundesregierung wollen, daß das reformierte Gesetz zur Bundesausbil- hält es für elementar, daß sich Studierende engagieren. dungsförderung den Studierenden bereits im Winterse- Wir wollen, daß nicht der Geldbeutel darüber entschei- mester 1999/2000 zugute kommt. den darf, wer international, sprich: im Ausland studieren darf. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: 16 Winter hatten Sie Zeit!) Angesichts der Zahlen liegt eine enorme Arbeit vor uns. Diese Arbeit schaffen wir nur gemeinsam. Ich wün- Sie erreichen dies nicht mehr, wenn dieser Gesetzent- sche mir, daß die CDU mitarbeitet. Ich versprechewurf erst Ende des Jahres vorgelegt wird. Das heißt, Sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1799

Cornelia Pieper (A) betreiben hier ein Täuschungsmanöver. Dieses Täu-renzierung mehr zwischen den Studierenden in Ost und (C) schungsmanöver werden wir nicht hinnehmen. West vorgenommen wird. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P.) Sie sollten eigentlich klüger sein und die offene Hand Meine Damen und Herren von der Regierungskoaliti- ergreifen, die wir Ihnen reichen. on, Sie sind mit einer großen BAföG-Reform im Wort. Das, was Sie vorgelegt haben, ist unglaubwürdig. Sie (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist sind dringend aufgefordert, Ihren Gesetzentwurf bis zur eine besonders starke Hand!) Sommerpause vorzulegen. Wir haben Ihnen einDrei- Körbe-Modell vorgeschlagen, welches nicht nur die Wir sollten die Zeit gemeinsam nutzen, um auch im Zustimmung des zuständigen Ausschusses im Bundesrat Ausschuß über diesen Gesetzentwurf zu beraten. In der findet. Auch der Bundesrat, Frau Ministerin, also die Tat darf dieser Gesetzentwurf kein Schnellschuß sein, Länder, hat sich für eine umfassende Reform der Aus- wie wir es bei Ihnen in Ihrer ersten Regierungszeit oft- bildungsförderung ausgesprochen. Er ist für die Schaf- mals erfahren mußten. Wir wollen uns die Zeit nehmen, fung einer einheitlichen Grundförderung. Damit ist die über diesen Gesetzentwurf gemeinsam zu beraten, aber Zusammenfassung aller ausbildungsbezogenen staatli- dazu muß er im Ausschuß vorliegen. Dazu soll unserchen Leistungen gemeint. – Sie können sich also nicht Antrag letztendlich beitragen. damit rausreden, daß die Länder, in denen die Union und die F.D.P. an der Regierung beteiligt sind, nicht willig Frau Ministerin, Sie machen es der Opposition leicht, seien, die BAföG-Reform mit auf den Weg zu bringen. weil Sie ausgerechnet den Gesetzentwurf einbringen, den Sie selbst als Opposition in der 13. Wahlperiode Ich kann Ihnen nur empfehlen: Unterstützen Sie den kritisiert haben. Wieder einmal ist der Hebel des Geset- Antrag der F.D.P., damit wir den Gesetzentwurf endlich zes an den Symptomen und nicht an den Ursachen ange- im Ausschuß behandeln können! Legen Sie einen Ge- setzt worden. Auch die neue Regierung hat damit diesetzentwurf vor! Wenn Sie, meine Damen und Herren Chance einer längst überfälligen Reform des BAföG im von der Koalition, den Antrag der F.D.P. heute im Ple- ersten Anlauf verpaßt. num ablehnen, dann ist das ein eindeutiges Zeichen da- für, daß Sie nicht vorhaben, bis zum Wintersemester Die Wahrheit ist, daß Ihre 20. Novelle mit 1999/2000 der eine BAföG-Reform umzusetzen und den 2prozentigen Anhebung der Bedarfssätze und der Studierenden damit das zu geben, was sie schon seit Jah- 6prozentigen Anhebung der Elternfreibeträge ledig- ren einfordern. Unterstützen Sie das Anliegen der lich einen – notwendigen – Inflationsausgleich darstellt. F.D.P.! Bringen wir die BAföG-Reform endlich auf den Das soll hier noch einmal gesagt werden. Auch Ihre An- Weg! Es ist Zeit dafür. (B) kündigung, eine Steigerung des BAföG-Satzes um 20 (D) DM, von 1 010 DM auf 1 030 DM, vorzunehmen, kann Vielen Dank. man den Studierenden weiß Gott nicht als ein Mehr an (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- sozialer Gerechtigkeit verkaufen. ten der CDU/CSU) Die 15. Sozialerhebung des Deutschen Studenten- werkes hat deutlich gemacht, daß die Lebenshaltungs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat kosten für die Studierenden in den alten Bundesländern jetzt die Kollegin Maritta Böttcher. seit 1994 um 4 Prozent gestiegen sind, in den neuen so- gar um 19 Prozent. Auch das ist bedauerlicherweise kein Thema für Sie. Sie haben mit dieser 20. Novelle das Maritta Böttcher (PDS): Frau Präsidentin! Meine Wahlversprechen gegenüber den Studierenden aus den Damen und Herren! Frau Kollegin Pieper, Sie waren in fünf neuen, nun langsam nicht mehr ganz so neuen Bun- der letzten Legislaturperiode noch nicht im Deutschen desländern und einem Teil Berlins nicht eingehalten, das Bundestag. Aber was Sie sagen, klingt schon ein biß- heißt: einen Betrug vollzogen. Diese nämlich gehenchen eigenartig. Es klingt, als wäre die F.D.P. heimlich trotz fast gleich hoher Lebenshaltungskosten mit gerin- Opposition gewesen. Das war sie wahrlich nicht. geren Bedarfssätzen und geringeren Zuschüssen für den (Beifall bei der PDS – Jürgen W. Möllemann Wohnbedarf leer aus. [F.D.P.]: Unheimlich!) Ich empfehle Ihnen, einmal die Drucksache des feder- Frau Bulmahn, liebe Kolleginnen und Kollegen von führenden Ausschusses im Bundesrat zu lesen, der deut- der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen, eigentlich lich gemacht hat, daß es jetzt an der Zeit sei, die für die hatte ich nach dem Wahlergebnis erwartet, daß wir be- Unterkunft gemäß § 13 Abs. 2 BAföG gewährten Beträ- reits zum jetzigen Zeitpunkt über BAföG- die ge endlich anzugleichen. Auch das beinhaltet Ihr Ge-Strukturreform diskutieren können, um spätestens im setzentwurf nicht. Ich frage mich erneut: Hat der Bun- nächsten Studienjahr zu neuen, gerechteren Förderbe- deskanzler die neuen Bundesländer nicht zur Chefsache dingungen zu kommen. Das findet nun leider nicht statt. erklärt? Auch zu diesem Punkt hört man von IhnenMehr als das Signal „Wir bleiben dran“ kann von dem nichts. vorliegenden Entwurf nicht ausgehen; das hat allerdings die Frau Ministerin ehrlicherweise hier gesagt. Im übrigen ist die F.D.P. der Auffassung, daß mit der BAföG-Reform endlich auch die Angleichung der übri- Daß die 20. Novelle nicht geeignet ist, grundlegende gen Bedarfssätze erfolgen sollte, daß also keine Diffe- Negativtrends in der Ausbildungsförderung zu stoppen, 1800 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Maritta Böttcher (A) kann ein einfacher Kostenvergleich deutlich machen.ßen Reformwerke auf sich warten lassen; Notlösungen (C) Wenn sich der Finanzaufwand von Bund und Län- sind ja bekanntlich auch die dauerhaftesten – und das dern für das BAföG 1997 auf dem Niveau von 1988 nicht nur in diesem Bereich. bewegt – und das trotz deutscher Einheit –, so wird er Neben der schon angesprochenen ausstehenden sich auch angesichts der Verbesserungen des vorliegen- Rücknahme der Verzinsung wurde auch wieder einmal den Entwurfs 1999 auf dem Niveau von 1977 und im die Ost-West-Anpassung verpaßt. Wir haben in unse- Jahre 2002 auf dem Niveau von 1975 bewegen. Richtig rem Antrag die einzelnen Punkte aufgeführt. Das ist zwar, daß bei der Rüttgersschen Zukunftsvariante zu Grundproblem, eine Förderung zu entwickeln, die weiter diesem Zeitpunkt schon die Ansätze von 1972 unter- greift als nur für jene 15 Prozent der Studierenden und schritten worden wären; an der Tendenz hat sich jedoch die eine dauerhafte, bedarfsgerechte, elternunabhängige nicht allzuviel geändert. Absicherung während des Studiums ermöglicht, muß in Die Auswüchse des neoliberalen Bildungsprogramms einem neuen Gesetz geregelt werden. Da, liebe Kollegin kann keine Reparaturnovelle mehr beseitigen, mit derPieper, gebe ich Ihnen recht: Das muß sehr, sehr schnell man nur an einigen Details herumbastelt – auch daspassieren, das muß bis Sommer vorgelegt werden. Wir noch unzureichend. So werden weder die Erwartungen werden auf jeden Fall dabei sein. der Studierendenvertretungen, der studentischen Ver- (Beifall bei der PDS) bände, der Gewerkschaften noch die des Deutschen Stu- dentenwerkes erfüllt. Die Verschlechterungen der 18. Novelle, die 1996 auch mit den Stimmen der SPD be- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie schlossen wurde, werden nur teilweise korrigiert. eine Zwischenfrage des Kollegen Hilsberg? Vor allem aber bleibt die Verzinsung von Teilen der Förderung erhalten. Die Studienabschlußförderung ist Maritta Böttcher (PDS): Ja bitte, Herr Kollege. weiterhin nur als verzinsliches Volldarlehen verfügbar. Seit Einführung im Herbst 1996 verzichtet ein Großteil der Studierenden auf diese Förderung. Zunehmend wird Stephan Hilsberg (SPD): Frau Böttcher, wollen Sie die fehlende finanzielle Absicherung durch vermehrtebitte zur Kenntnis nehmen, daß sich die Benachteiligung Werksarbeit kompensiert. Inzwischen sind 24 Prozent in Ostdeutschland nicht auf finanzielle Dinge, sondern der Studierenden dauerhaft erwerbstätig. Fast die Hälfte auf ein Problem der reinen Verwaltung erstreckt? Was davon arbeitet über 13 Stunden pro Woche, und die Tat- den finanziellen Beitrag des BAföG zu Studium und sache, daß 70 Prozent der erwerbstätigen Studierenden Unterhalt betrifft, so können ostdeutsche Studenten den keinen und weitere 19 Prozent nur einen geringen Zu-gleichen Betrag in Anspruch nehmen wie die westdeut- (B) sammenhang zwischen ihrer Arbeit und dem Studien-schen Studenten. (D) fach sehen, widerlegt die landläufige Meinung, sie wür- den arbeiten, um praktische Erfahrungen für den künfti- gen Beruf zu sammeln. Maritta Böttcher (PDS): Das nehme ich sehr wohl zur Kenntnis. Aber Sie wissen auch, Herr Kollege Hils- Die ersten Erfahrungen mit den Zwangsexmatrikula- berg, daß am Ende, wenn man es nachrechnet, der ost- tionen von sogenannten Langzeitstudierenden überStu- deutsche Student oder die ostdeutsche Studentin weniger diengebühren in Baden-Württembergzeigen doch, im Geldbeutel hat als der oder die westdeutsche Studie- daß es sich bei den meisten von ihnen um hart arbeiten- rende. de Selbstfinanzierer handelt, die seit Jahren versuchen, einen Studienabschluß zu erlangen und sich dazu ihren Vielen Dank. Lebensunterhalt verdienen müssen. Über den sozialen (Beifall bei der PDS) Nummerus clausus werden sie endgültig ins Aus ge- drängt. Die Begeisterung der baden-württembergischen Landesregierung über den Rückgang der Studierenden- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt kann ich zahlen zeigt einmal mehr, wie weit sich Politik hierzu- den Abgeordneten Ernst Dieter Rossmann aufrufen. lande schon von den Realitäten entfernt hat. Entgegen den verbreiteten Ansichten wird in Deutschland nämlich nicht zuviel, sondern zuwenig studiert. Laut OECD- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Präsiden- Analysen nimmt hier nur jeder vierte Jugendliche eintin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich Studium auf, während in den USA jeder zweite studiert, hier die Debatte anhört, dann könnte man das Gefühl in Polen, Finnland und Großbritannien über 40 Prozent haben, daß dem Parlament ein Grundsatz verlorenge- studieren. An diesem Zustand könnte durchaus etwasgangen ist: Wir dürfen auch den kleinen Fortschritt nicht geändert werden, nicht zuletzt mit Hilfe einer vernünfti- verachten. gen Politik. Dazu gehören eben auch grundlegende Ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ änderungen in der Ausbildungsförderung, die seit Jahren DIE GRÜNEN) auf der Tagesordnung stehen. Deshalb ist es gut, wenn heute in erster Lesung eine No- Die jetzige BAföG-Anpassung, die hoffentlich end- velle zum BAföG eingebracht wird. Dies ist vor allen gültig die letzte Korrektur des alten BAföGs sein wird, Dingen nicht nur gut für die jungen Menschen an den hat trotzdem noch einige Verbesserungen nötig. Außer- Schulen und Hochschulen; mit dieser BAföG-Novelle dem weiß man ja nie, wie lange die angekündigten gro- werden auch dieRichtsätze für die berufliche Bil- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1801

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) dung, für die Eingliederung Behinderter und für die daß wir schon im ersten Schritt fast die Hälfte der Steige- (C) Meisteraufstiegsfortbildung erhöht. Ich stelle das hier rungen realisiert haben, für die Sie vier Jahre gebraucht deshalb heraus, damit sich nicht bei der Bevölkerung der haben. Eindruck festsetzt, man würde hier eine Extrawurst für Studentinnen und Studenten braten. Diese Richtsätze (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sind der Bezugspunkt für die persönliche Ausbildungs- DIE GRÜNEN) förderung, und diese geht über die Hochschule hinaus. Deshalb sollte man etwas vorsichtiger sein. Darauf muß immer wieder hingewiesen werden, wenn wir uns hier im Parlament gemeinsam Mühe geben, die Im übrigen ist auch eine Erhöhung um 20 DM im Akzeptanz von Erhöhungen beim BAföG zu erreichen. Sinne eines zeitnahen Inflationsausgleiches nicht zu ver- Dafür setzt sich die SPD ein. Das haben wir verspro-achten. Für viele, die durch die Erhöhung der Freibeträ- chen. Wir haben auch versprochen, den kleinen Fort-ge überhaupt erst BAföG-fähig werden oder bleiben, ist schritt in den ersten hundert Tagen unserer Regierungs- das mehr als die in der Dienstag-Debatte von Herrn Ra- zeit voranzubringen, und zwar immer dort, wo es mög- chel eingeführte und mittlerweile vielgerühmte Pizza. lich ist, die soziale Lage von jungen Menschen zu ver- Ich finde, daß hier Herr Rachel damit auf eine bemer- bessern, und sei es in kleinen Schritten. kenswert subtile Weise den vormaligen Bildungsmi- nister Rüttgers nachträglich als Pizzaminister abqualifi- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ziert hat. Das ist er auch tatsächlich gewesen. DIE GRÜNEN – Joachim Hörster [CDU/ CSU]: Ihr habt die doch veräppelt!) (Beifall bei der SPD) Unser Grundsatz ist: Ohne ausreichende soziale Grund- Ich möchte wieder auf das zurückkommen, was junge förderung gibt es kein freies Lernen. Ohne freies Ler- Menschen von uns erwarten. Die Ministerin hat es ange- nen gibt es keine Chancengleichheit, keine Leistung und sprochen: Gerade die Erhöhung der Freibeträge ist das keine Motivation. Dies ist die Grundüberzeugung dereigentlich Wichtige, wenn wir die Zahl der geförderten Sozialdemokraten. Diesen Grundsatz haben wir in Ihrer Fälle halten wollen. Ich will darauf hinweisen, daß eine politischen Handlungsweise der letzten Jahre nicht im- Erhöhung um 6 Prozent dazu führt, daß 23 000 junge mer wiederfinden können. Wenn man in eine bestimmte Menschen mehr gefördert werden können. Diese Zahl Ecke dieses Parlaments geht, kann man einen schönen mag gering erscheinen. Aber es handelt sich – dies zur Spruch des Dichters Jandl – er wird auch Sie erfreuen, Veranschaulichung; vor allem weil Kollegin Volquartz Herr Möllemann – lesen, in dem er mit den Wortenwie ich auch aus Schleswig-Holstein stammt – immerhin „lechts“ und „rinks“ veranschaulicht, daß rechts undum die gesamte Anzahl von Menschen, die an der Chri- links durcheinandergebracht werden. Das ist vielleicht stian-Albrechts-Universität in Kiel studieren. (B) hier gar nicht mehr die Frage. Aber was es bedeutet, so- (D) ziale Gerechtigkeit in kleinen Schritten umzusetzen, das (Beifall bei der SPD) kann man auch an einer solchen Reparaturnovelle sehen. Wir stehen nicht an, hier zu sagen, daß diese kleine (Beifall bei der SPD) Novellierung, diese Reparaturnovelle, nicht der ent- Ich möchte Ihren Eifer ebenso wie Ihre Scheinheilig- scheidende Durchbruch ist. Dennoch möchten wir her- keit deshalb ein bißchen dämpfen, indem ich drei Fragen ausheben, daß es neben der Anpassung auch darum ge- stelle: Haben Sie eigentlich vergessen, daß das BAföG gangen ist, klare Fehlentscheidungen der alten Mehr- während Ihrer 16 Jahre dauernden Regierung nicht jedes heiten aus dem Jahre 1996 zu korrigieren. Als Sozial- Jahr angepaßt wurde? Da sollten Sie jetzt erst recht kei- demokrat mag man den RCDS, Ihren Führungsnach- ne großen Töne spucken. Haben Sie eigentlich verges- wuchs, nicht häufig als Kronzeugen für die Richtigkeit sen, daß die Gegenfinanzierung Ihrer Verbesserungen unserer Politik heranziehen wollen. Aber der RCDS hat beim BaföG häufig nur durch Kürzungen in vielen ande- ausdrücklich begrüßt, daß genau diese beiden Punkte re- ren Bereichen erreicht werden konnte? Um es anderspariert werden, und er hat ausdrücklich anerkannt, daß auszudrücken: Sie haben das Kleingedruckte dies ver- Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen ma- schlechtert, damit auf dem Titelblatt noch eine einiger- chen. maßen passable Zahl stehen konnte. Das unterscheidet Als vorhin Frau Volquartz geredet hat, hatte ich das sich von dem Ansatz, den wir jetzt verfolgen. Hier wird Gefühl, daß sie gar nicht sagen mochte, was Sie damals eben auch im Kleingedruckten verbessert, aber nichtden Studentinnen und Studenten wirklich eingebrockt verschlechtert. haben. Ihre Ausdrucksweise war auf einmal – um es (Beifall bei der SPD – Jürgen W. Möllemann deutlich zu sagen – sehr verschwommen und sehr ver- [F.D.P.]: Aber nicht im Großgedruckten!) quast. Haben Sie sich eigentlich vorgestellt, die beste Hochschule sei diejenige, in der sich keine jungen Men- – Zu dem Großgedruckten, das Sie hier einfordern: Ha- schen mehr in Selbstverwaltungsgremien der Hoch- ben Sie vergessen, daß Ihre Politik in der letzten Legis- schulen engagieren? Haben Sie deshalb 1996 diese laturperiode – wenn ich mich richtig erinnere – lediglich Strafbelastung eingeführt? Man muß hier offen anspre- zu 12 Prozent höheren Freibeträgen und zu 6 Prozentchen, daß wir dies ausdrücklich wieder zurücknehmen. höheren Bedarfssätzen geführt hat? Auf diese bemer- kenswerte Leistung hat einer Ihrer F.D.P.-Kollegen noch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ einen Lobgesang abgehalten. Aber wenn Sie sich diese DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Zahlen vergegenwärtigen, dann müssen Sie feststellen, PDS) 1802 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) In bezug auf die Spracherfahrung und die Auslands- dann möchte ich an Sie die Rückfrage stellen: Ist das,(C) erfahrung, die junge Menschen generell machen sollen, was Sie jetzt als Ihr BAföG-Modell einbringen – wo of- hat es zumindest gewisse Verbesserungen gegeben. Ich fensichtlich die Sozialliberalen Wort führen –, noch mit finde es durchaus bemerkenswert, daß der Aufwuchsdem vertretbar, was am Mittwoch von Ihren Neolibera- an Studenten, die Auslandserfahrung haben, wenn ichlen als Grundsatzposition verkündet wurde? die Zahlen richtig im Kopf habe, bis zu 27 Prozent be- (Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist Teil der trägt. Grundsatzposition!) Aber es geht doch nicht an, daß wir gerade denjeni- Ich habe das Gefühl, daß Ihre Position uneinheitlich gen, die BAföG beziehen und damit aus Familien kom- ist, was jetzt überdeckt werden kann, weil Sie in der men, die materiell schlechter gestellt sind, mit derBe- Opposition sind. Wir wollen sehen, ob Ihre Position am strafung von Auslandsstudienzeiten die Garotte in den Ende Teil der Regierungsposition wird; Nacken legen. Wir machen damit jetzt Schluß. An Ihrer Stelle wäre es fairer gewesen, zu sagen: „Wir haben da- (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Sie interpre- mals Mist gemacht; die neue Regierung nimmt es wie- tieren Herrn Gerhardt falsch!) der zurück; das ist gut, das ist in Ordnung“, statt dendenn wir wissen, daß wir die Länder in die große Mantel des Schweigens darüber zu breiten. BAföG-Reform einbeziehen müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Drittens. Für uns als Sozialdemokraten bleibt der Zu- DIE GRÜNEN) gang aller Bevölkerungsschichten, besonders der finan- ziell Schlechtergestellten, zur höheren Bildung und Ich stelle fest: Es wird sicherlich keine großen Debatten Ausbildung sicherlich der Kern. Aber der Hinweis ist mehr dazu geben, daß diese Reparaturnovelle in sichrichtig, daß speziell der sogenannte Mittelstand, die sinnvoll ist. Wir wollen ja auch noch weitergehen. „Neue Mitte“, in den letzten 16 Jahren – da haben Sie Es fällt auf, daß es von vielen Anträge gibt, aber kei- regiert – von manchem, was in bezug auf Bildungsförde- nen von der CDU. Zeigt das Ihr Desinteresse? Zeigt das rung bei ihm ankommen müßte, abgekoppelt worden ist. Ihr schlechtes Gewissen? Zeigt das vielleicht auch, daß Das haben Sie ja jetzt sogar in einen Ihrer Anträge hin- Sie nicht fähig sind, in diesem Gebiet Positionen zueingeschrieben. Der Mittelstand wird jetzt erleben, daß formulieren? von der SPD zusammen mit den Grünen mehr Bildungs- förderung ausgehen wird, als es CDU/CSU und F.D.P. (Norbert Hauser [Bonn] [CDU/CSU]: Warten geschafft haben. Sie es ab!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Jedenfalls haben F.D.P. und PDS, die vereinigten klei- DIE GRÜNEN) (B) (D) nen Oppositionsparteien, Anträge vorgelegt. Wir müssen Viertens: Solidarität durch Solidität. Unser Finanz- ausdrücklich anerkennen, daß das bei der PDS zur poli- minister würde relativ schnell merken, daß Ihr Finanz- tischen Linie gehört. plafond mit 5,9 Milliarden DM zu kurzsichtig angelegt (Beifall bei Abgeordneten der PDS) war. Wir tun wirklich gut daran, wie es die Ministerin gesagt hat, nicht nur die aktuelle Kindergelderhöhung, Bei der F.D.P. hat man dagegen das Gefühl, daß sie ihre die ja immerhin mit zusätzlichen 420 Millionen DM Linie – aus der Regierung in die Opposition und vonneues Wasser auf die Mühlen des Drei-Körbe-Modells dort ins Nirgendwo – noch sucht. Wir haben von dergebracht hat, sondern auch das Gebot des Bundesverfas- F.D.P. im übrigen nichts anderes erwartet. Ihr konstanter sungsgerichts mit einzubeziehen. Es ist nämlich nun Ehrgeiz als „Möchtegernbauchnabel“ der deutscheneinmal so, daß man, wenn man etwas grundlegend Neu- Nachkriegsgeschichte bewegt Sie dann natürlich dazu, es auf den Weg bringen will, nachdenken darf und muß. auch noch besonders viel zu fördern. Die große BAföG-Reform wird tatsächlich ein Jahrhun- Auch wenn Sie jetzt 16 Jahre lang geübt haben, unter dertwerk werden, auch weil es in dieser Form in Europa dem Teppich Fallschirm zu springen, nehmen wir Ihrdafür keine Beispiele gibt. Es wird gut sein, wenn es Angebot dennoch an, sich um eine gemeinsame grund- gleich am Anfang des nächsten Jahrhunderts steht. legende BAföG-Novellierung zu bemühen. Immerhin Sie sind herzlich eingeladen, uns Beifall zu klatschen haben 1971 und Walter Scheel in besterund unser Projekt mit kritischen Fragen nach vorne zu sozialliberaler Tradition das wirkliche BAföG, nicht das bringen. Wir sagen Ihnen aber ganz ehrlich: Ihre Vater- Honnefer Modell, mitbegründet. bzw. Mutterschaft brauchen wir an dieser Stelle nicht. Ich möchte an die F.D.P. im übrigen nur ein paar Danke schön. Bemerkungen richten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Erstens. Der Grundgedanke des Drei-Körbe-Modells DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der ist endlich auch von Ihnen akzeptiert. PDS) Zweitens. Wenn Sie jetzt das Hohelied der Basisför- derung mitsingen wollen, dann ist es gut. Ich denke an Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Auch Ihnen, Sockelbeträge und anderes. Wenn aber in der Parla-Herr Kollege Rossmann, im Namen des Hauses meine mentsdebatte am Mittwoch der Kollege Gerhardt mitGratulation zur ersten Rede. Vehemenz gegen soziale Sicherungssysteme, gegen (Beifall – Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Ist Kollektivismus, gegen Immobilität und anderes wettert, noch entwicklungsfähig!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1803

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer (A) Als letzter in der Debatte hat jetzt der Abgeordnete Der Leistung des Staates muß aber auch eine entspre-(C) Dr. Martin Mayer das Wort. chende Gegenleistung des Geförderten gegenüberstehen. Diese Gegenleistung besteht darin, daß er einen seiner Begabung entsprechenden Ausbildungsgang ernsthaft Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Frau und mit Fleiß betreibt. Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzent- wurf, den wir heute in erster Lesung behandeln, voll- (Beifall bei der CDU/CSU – Walter Hirche zieht eine routinemäßige Anpassung. Es handelt sich um [F.D.P.]: Ja, von Leistung war bisher noch keine Reparatur, sondern im Grunde um eine routine- nicht die Rede! – Gegenruf von der SPD: Elite mäßige Anpassung der Sätze des Bundesausbildungs- nach vorn!) förderungsgesetzes an die gestiegenen Lebenshaltungs- Die Ernsthaftigkeit, mit der jemand einen Ausbil- kosten. dungsgang betreibt, muß mit laufenden – ich sage: in der (Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/ Regel jährlichen – Leistungsnachweisen dokumentiert DIE GRÜNEN]: Routinereparatur!) werden. Diese Leistungsnachweise liegen auch im In- teresse der Studierenden selbst, denn so können sie Die Union stimmt dem im Grundsatz zu. rechtzeitig erkennen, ob ihr Studiengang ihren Neigun- Wenn Sie, Frau Ministerin, hier von einer Trendwen- gen und Fähigkeiten entspricht. de sprechen, dann kann ich nur sagen, Sie haben sehr bescheidene Ansprüche. Wie in fast allen Systemen der Sozialleistungen kann auch die staatliche Ausbildungsförderung vor einer allzu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- großzügigen Ausnutzung der Solidargemeinschaft letzt- ordneten der F.D.P.) lich nur dadurch geschützt werden, daß wir ein gewisses Der Gesetzentwurf ist nämlich wahrlich kein Anlaß, um Maß an Eigenleistung undEigenbeteiligung von den Weihrauchfässer zu schwingen oder Lorbeerkränze zu Betreffenden fordern. Dies ist ein Hilfsmittel, um eine binden. Der Mehrbetrag von 20 DM, den die Studieren- vernünftige Verwendung von Steuergeldern zu erreichen den bekommen sollen, wird nämlich den Studentenund entspricht auch – dieser Punkt ist noch viel wichti- durch die Beschlüsse der Koalition zur Scheinökosteuer ger – dem Subsidiaritätsprinzip; denn jeder sollte, wenn sehr schnell wieder aus der Tasche genommen. er oder seine Familie dazu in der Lage ist, zunächst sich selbst helfen, bevor er nach der Gemeinschaft ruft. Es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) entspricht auch unserem christlich-abendländischen Am Ende der Rechnung wird für viele ein Minus blei- Menschenbild, daß jeder in erster Linie zunächst einmal ben. für sich selbst Verantwortung trägt. (B) Die groß angekündigte Strukturreform ist auf Herbst (Beifall bei der CDU/CSU) (D) verschoben. Das hat vielleicht auch etwas Gutes, weil Bei der Diskussion über die neue Struktur der Aus- damit genügend Zeit bleibt und zumindest eine gewisse bildungsförderung sollten wir auch über unkonventio- Chance besteht, daß sie etwas solider wird als all dienelle Modelle nachdenken. Es sind schon einige vorge- Gesetze, die die Koalition bisher unter selbstgewähltem legt worden. Ich füge hinzu, daß wir bereit sind, darüber Zeitdruck verabschiedet hat und die letztlich zum Scha- nachzudenken, ob die finanzielle Leistung des Kinder- den der Nation durchgepeitscht worden sind. geldes den erwachsenen Studierenden direkt oder – wie (Beifall bei der CDU/CSU) bisher – über die Eltern gegeben wird. Über diesen Punkt sollten wir durchaus einmal nachdenken. Eine Strukturreform der Ausbildungsförderung des Bundes, die diesen Namen wirklich verdient, wird (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) nur dann gelingen, wenn wir alle unsere fest eingefahre- nen Positionen auch einmal verlassen. Dazu gehört, daß Im Zusammenhang mit der BAföG-Strukturreform wir die Grundsätze vorurteilsfrei diskutieren. möchte Als ich zwei Sätze aus der „Süddeutschen Zeitung“ Grundvoraussetzung gehört dazu auch, daß wir die Mei- zitieren: ster- und Hochschulausbildung in der staatlichen Förde- Auf lange Sicht wird eine neue BAföG-Regelung rung gleich behandeln, weil das, was gleich ist, auch den Weg für Studiengebühren ebnen. Je näher eine gleich behandelt werden muß. Die Ausbildungsgänge gerechte Ausbildungsförderung rückt, um so näher haben unterschiedliche Zeitabläufe und unterschiedliche rücken damit auch Studiengebühren. Anteile theoretischer Ausbildung. Aber der Teil der theoretischen Ausbildung, wo der Meister genauso wie Dieser Kommentar macht deutlich, daß, wenn eine der Student kein Geld verdient, muß gleich behandeltvernünftige Regelung für bedürftige Studierende getrof- werden. fen wird, Studiengebühren ein Element der Eigenver- antwortung und Eigenbeteiligung sein können. Die (Beifall bei der CDU/CSU) ideologische Festlegung der SPD auf ein Verbot von Die frühere Koalition hat ja mit demMeister-BAföG Studiengebühren bringt die Strukturreform in einem einen Einstieg geschaffen. Ich meine, daran sollten wir wichtigen Punkt von vornherein zum Scheitern. Deshalb festhalten. sollten Sie von dieser ideologisch festgelegten Position abrücken. Einigkeit besteht auch darin, daß niemand, der eine entsprechende Begabung und den Fleiß mitbringt, aus (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Geldmangel an einer Ausbildung gehindert werden soll. ordneten der F.D.P.) 1804 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (A) Im Zusammenhang mit dem eben zitierten lesens-und verwirklichen Sie mit uns gemeinsam, was Sie vor (C) werten Kommentar möchte ich darauf hinweisen, daßden Wahlen versprochen haben, nämlich Innovation, Ini- die Frau Ministerin mit Blick auf die 18. BAföG-tiative und Kreativität zu fördern! Novelle von „gröbsten Schweinereien“ spricht. Ich bitte Sie, diese Äußerung zurückzunehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Zurufe von der SPD: Das war so! – Wo sie recht hat, hat sie recht!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe Als Bildungsministerin sind Sie auch dem Stil der politi- damit die Aussprache. schen Auseinandersetzung verpflichtet und sollten inso- weit ein Vorbild sein. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – den Drucksachen 14/371, 14/358 und 14/398 (neu) an Zuruf von der SPD: Herr Mayer, sagen Sie das die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- mal Herrn Kollegen Austermann!) geschlagen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 14/371 soll dem Haushaltsausschuß zur Insgesamt kann eine Reform der finanziellen Ausbil- Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung dungsförderung nur dann gelingen, wenn sie in eine ent- überwiesen werden. Sind Sie einverstanden? – Das ist sprechende Gesamtreform eingebettet ist. Ich kann dies der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. jetzt nicht im einzelnen ausführen, will aber sagen, daß die Hochschulen durch Elemente des Wettbewerbs und Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- mit Leistungsanreizen effizienter gestaltet werden müs- ordnung. sen. Der Weg, den die unionsgeführte Koalition mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes vorgezeich- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- net hat, muß weiter gegangen werden. Eine Verfestigung destages auf Mittwoch, 3. März 1999, 13 Uhr ein. von Strukturen und der Abbau von Leistungsanreizen und Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß am Dienstag, Elementen des Wettbewerbs, wie von der neuen Koalition dem 2. März, aus Anlaß des Jubiläums „40 Jahre Wehr- im letzten Vierteljahr im Bereich der Sozialgesetzebeauftragte des Deutschen Bundestages“ im Ersatzple- durchgeführt, läßt für die Reform des Hochschulwesens narsaal Wasserwerk eine Feierstunde stattfindet, zu der und des BAföGs nichts Gutes erahnen. Sie alle herzlich eingeladen sind. Deshalb rufe ich Ihnen von der Koalition zu: Schwö- ren Sie dieser rückwärtsgerichteten Politik ab Die Sitzung ist geschlossen. (Lachen bei der PDS) (Schluß der Sitzung: 13.06 Uhr) (B) (D) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1805

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C)

Anlage 1 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Rühe, Volker CDU/CSU 26.2.99 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Rupprecht, Marlene SPD 26.2.99 Dr. Scheer, Hermann SPD 26.2.99 * Balt, Monika PDS 26.2.99 Schenk, Christina PDS 26.2.99 Becker-Inglau, Ingrid SPD 26.2.99 Schily, Otto SPD 26.2.99 Behrendt, Wolfgang SPD 26.2.99 * Schindler, Norbert CDU/CSU 26.2.99 Bläss, Petra PDS 26.2.99 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 26.2.99 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 26.2.99 Andreas Brudlewsky, Monika CDU/CSU 26.2.99 Schröder, Gerhard SPD 26.2.99 Bury, Hans Martin SPD 26.2.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 26.2.99 Diemers, Renate CDU/CSU 26.2.99 Dr. Stadler, Max F.D.P. 26.2.99 Erler, Gernot SPD 26.2.99 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 26.2.99 Dr. Fink, Heinrich PDS 26.2.99 Dr. Thalheim, Gerald SPD 26.2.99 Formanski, Norbert SPD 26.2.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 26.2.99 Frick, Gisela F.D.P. 26.2.99 Verheugen, Günter SPD 26.2.99 Fuchs (Köln), Anke SPD 26.2.99 Willner, Gert CDU/CSU 26.2.99 Dr. Fuchs, Ruth PDS 26.2.99 Gröhe, Hermann CSU/CSU 26.2.99 Wohlleben, Verena SPD 26.2.99 (B) (D) Günther (Plauen), F.D.P. 26.2.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 26.2.99 Joachim Dr. Wolf, Winfried PDS 26.2.99 Hasenfratz, Klaus SPD 26.2.99 Wolf (Frankfurt), BUNDNIS 90/ 26.2.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 26.2.99 Margareta DIE GRÜNEN Hempelmann, Rolf SPD 26.2.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 26.2.99 Hovermann, Eike SPD 26.2.99 Zierer, Benno CDU/CSU 26.2.99 * ––––––––––– Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 26.2.99 * * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Kopp, Gudrun F.D.P. 26.2.99 Kossendey, Thomas CDU/CSU 26.2.99 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 26.2.99 Anlage 2 Louven, Julius CDU/CSU 26.2.99 Lüth, Heidemarie PDS 26.2.99 Erklärung Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26.2.99 * des Abgeordneten Güther Friedrich Nolting Erich (F.D.P.) zur namentlichen Abstimmung über Mascher, Ulrike SPD 26.2.99 den Antrag der Bundesregierung „Deutsche Be- teiligung an der militärischen Umsetzung eines Neumann (Bremen), CDU/CSU 26.2.99 Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie Bernd an NATO-Operationen im Rahmen der Notfall- truppe (Extraction Force)“ (22. Sitzung, Seite Ost, Friedhelm CDU/CSU 26.2.99 1715) Dr. Pick, Eckhart SPD 26.2.99 In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht enthal- Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 26.2.99 ten. Rauber, Helmut CDU/CSU 26.2.99 Ich erkläre hiermit, daß mein Votum „Ja“ lautete. 1806 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999

(A) Anlage 3 Haushaltsausschuß (C) Drucksache 14/74 Nr. 2.64 Amtliche Mitteilungen Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Der Bundesrat hat in seiner 734. Sitzung am 5. Februar Drucksache 14/74 Nr. 1.2 1999 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Drucksache 14/74 Nr. 1.3 Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes Drucksache 14/74 Nr. 1.7 Drucksache 14/74 Nr. 1.8 für das Haushaltsjahr 1997 (Jahresrechnung 1997) auf- Drucksache 14/74 Nr. 1.22 grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Drucksache 14/74 Nr. 2.19 Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und Drucksache 14/74 Nr. 2.24 Drucksache 14/74 Nr. 2.25 § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen. Drucksache 14/74 Nr. 2.26 Drucksache 14/74 Nr. 2.29 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 14/74 Nr. 2.32 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 Drucksache 14/74 Nr. 2.33 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der Drucksache 14/74 Nr. 2.34 Drucksache 14/74 Nr. 2.55 nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 14/74 Nr. 2.63 Drucksache 14/74 Nr. 2.66 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 14/74 Nr. 2.70 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 14/74 Nr. 2.75 Drucksache 14/74 Nr. 2.79 Dritter Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit Drucksache 14/74 Nr. 2.84 zur Entwicklung der Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung und zur Umsetzung der Empfeh- Drucksache 14/74 Nr. 2.87 Drucksache 14/74 Nr. 2.91 lungen und Vorschläge der Konzertierten Aktion zur Drucksache 14/74 Nr. 2.93 Erhöhung der Leistungsfähigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Dritter Be- Drucksache 14/74 Nr. 2.96 Drucksache 14/74 Nr. 2.104 richt nach § 141 Abs. 4 SGB V) Drucksache 14/74 Nr. 2.105 – Drucksachen 13/11256, 14/69 Nr. 1.6 – Drucksache 14/74 Nr. 2.106 Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 14/74 Nr. 2.10 Drucksache 14/74 Nr. 2.11 Bericht über die „Vereinbarung zur gemeinsamen För- Drucksache 14/74 Nr. 2.15 derung von Hochschulbibliotheken“ – Hochschulbiblio- Drucksache 14/74 Nr. 2.17 theksprogramm - Drucksache 14/74 Nr. 2.18 – Drucksachen 13/11358, 14/69 Nr. 1.14 – Drucksache 14/74 Nr. 2.27 Drucksache 14/74 Nr. 2.30 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 14/74 Nr. 2.31 Drucksache 14/74 Nr. 2.44 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Drucksache 14/74 Nr. 2.58 (B) Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Drucksache 14/74 Nr. 2.83 (D) Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- Drucksache 14/74 Nr. 2.86 Drucksache 14/74 Nr. 2.92 ratung abgesehen hat. Drucksache 14/272 Nr. 106 Drucksache 14/272 Nr. 107 Innenausschuß Drucksache 14/74 Nr. 1.14 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/74 Nr. 1.16 Drucksache 14/74 Nr. 2.14 Drucksache 14/74 Nr. 2.23 Drucksache 14/74 Nr. 2.28 Drucksache 14/74 Nr. 2.80 Drucksache 14/74 Nr. 2.48 Drucksache 14/74 Nr. 2.99 Drucksache 14/74 Nr. 2.50 Drucksache 14/74 Nr. 2.108 Drucksache 14/189 Nr. 1.1 Rechtsausschuß Drucksache 14/74 Nr. 2.16 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 19 Drucksache 14/74 Nr. 1.4 Drucksache 14/272 Nr. 21 Drucksache 14/74 Nr. 2.43 Drucksache 14/272 Nr. 27 Drucksache 14/74 Nr. 2.46 Drucksache 14/272 Nr. 46 Drucksache 14/74 Nr. 2.47 Drucksache 14/272 Nr. 49 Drucksache 14/74 Nr. 2.103 Drucksache 14/272 Nr. 50 Drucksache 14/272 Nr. 53 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Finanzauschuß Drucksache 14/74 Nr. 1.1 Drucksache 14/74 Nr. 1.5 Drucksache 14/74 Nr. 2.6 Drucksache 14/74 Nr. 1.10 Drucksache 14/74 Nr. 2.36 Drucksache 14/74 Nr. 2.13 Drucksache 14/74 Nr. 2.41 Drucksache 14/74 Nr. 2.20 Drucksache 14/74 Nr. 2.54 Drucksache 14/74 Nr. 2.22 Drucksache 14/74 Nr. 2.68 Drucksache 14/74 Nr. 2.39 Drucksache 14/74 Nr. 2.85 Drucksache 14/74 Nr. 2.45 Drucksache 14/74 Nr. 2.95 Drucksache 14/74 Nr. 2.51 Drucksache 14/74 Nr. 2.52 Drucksache 14/74 Nr. 2.59 Ausschuß für Bildung und Forschung Drucksache 14/74 Nr. 2.65 Drucksache 14/74 Nr. 2.8 Drucksache 14/74 Nr. 2.73 Drucksache 14/74 Nr. 2.40 Drucksache 14/74 Nr. 2.77 Drucksache 14/74 Nr. 2.42 Drucksache 14/74 Nr. 2.89 Drucksache 14/74 Nr. 2.53 Drucksache 14/74 Nr. 2.100 Drucksache 14/74 Nr. 2.60 Drucksache 14/74 Nr. 2.107 Drucksache 14/74 Nr. 2.62 Drucksache 14/155 Nr. 3.1 Drucksache 14/74 Nr. 2.71 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1999 1807

(A) Drucksache 14/74 Nr. 2.74 Ausschuß für Tourismus (C) Drucksache 14/74 Nr. 2.78 Drucksache 14/272 Nr. 190 Drucksache 14/272 Nr. 183 Drucksache 14/272 Nr. 184 Drucksache 14/272 Nr. 185 Ausschuß für die Angelegenheitehen der Europäischen Drucksache 14/272 Nr. 186 Union Drucksache 14/74 Nr. 1.6 Drucksache 14/74 Nr. 1.11 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Drucksache 14/74 Nr. 1.12 Entwicklung Drucksache 14/74 Nr. 1.18 Drucksache 14/74 Nr. 2.94 Drucksache 14/74 Nr. 2.56

(B) (D)