Deutscher

148. Sitzung

Bonn, den 2. Dezember 1964

Inhalt:

Nachrufe auf die Abg. Dr. von Brentano, Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Even und Ehren 7263 A Pauschalabgeltungen für Leistungen eines Unternehmens Die Abg. Frau Griesinger, Frau Kleinert Schmücker, Bundesminister . . . . 7266 A und Dr. Preiß treten in den Bundestag Schmidt (Kempten) (FDP) . .. . 7266 C ein 7276 A

Frage des Abg. Cramer: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Dr. Dr. h. c. Friedensburg . . . . 7276 A Unterhaltung der ehemaligen 3. Hafen- einfahrt in Wilhelmshaven Kattenstroth, Staatssekretär 7266 D, 7267 A Erweiterung der Tagesordnung 7300 C Cramer (SPD) ...... 7267 A

Fragestunde (Drucksache IV/2776) Fragen des Abg. Benda: Frage des Abg. Dr. Wuermeling: Drohungen der Arabischen Liga gegen Urteil des Schöffengerichts Bonn vom deutsche Firmen und Personen 19. 11. 1964 Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7267 B, Dr. Bülow, Staatssekretär . . . 7264 C 7268 A, 7269 A, 7270 A, 7271 A Bausch (CDU/CSU) 7264 C Benda (CDU/CSU) ...... 7267 C Dr. Mommer (SPD) ...... 7268 B Frage des Abg. Dr. Wuermeling: Ritzel (SPD) ...... 7268 C Schutz der Fußgänger gegen verant- Metzger (SPD) . . . . 7268 D, 7269 A wortungslose Autoraserei Börner (SPD) 7269 A Dr. Bülow, Staatssekretär 7264 D, 7265 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7269 B Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 7265 A Wehner (SPD) ...... 7269 C Sänger (SPD) 7270 B Frage des Abg. Dr. Dröscher: Dröscher (SPD) . . . . 7270 D, 7271 A Auswertung der Berichte der Bundes- stelle für Außenhandelsinformation Schlüter (SPD) 7271 A Schmücker, Bundesminister 7265 B, 7266 A Gscheidle (SPD) 7271 B Dröscher (SPD) . . . . 7265 D, 7266 A Josten (CDU/CSU) ...... 7271 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Frage des Abg. Rollmann: Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 7277 A Deutsche Schule in Tokio Kurlbaum (SPD) ...... 7282 D Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7271 D Dr. Aschoff (FDP) ...... 7287 C Weinzierl (CDU/CSU) ...... 7291 B Fragen der Abg. Frau Geisendörfer: Schmücker, Bundesminister 7293 D, 7318 B Laufbahn für Wissenschaftsattachés — Zuständigkeit Dr. Meyers, Ministerpräsident des Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7272 A Landes Nordrhein-Westfalen . . 7306 B . Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . . 7272 B Dr. Schedl, Bayerischer Staatsmini ster für Wirtschaft und Verkehr . 7307 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 7272 D Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes 7308 C Fragen der Abg. Frau Freyh (Frankfurt) : Klein (Saarbrücken) (CDU/CSU) . 7309 A Lehrer-Ehepaare im Auslandsschul- dienst Arendt (Wattenscheid) (SPD) . . 7309 D Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7272 D, Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 7312 D 7273 B, 7274 A Ollesch (FDP) 7314 B Frau Freyh (Frankfurt) (SPD) . . 7273 A Matthöfer (SPD) 7273 C Heiland (SPD) 7315 B Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 7273 D Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . 7321 B Könen (Düsseldorf) (SPD) 7273 D, 7274 A Dröscher (SPD) ...... 7274 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- rung Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 7274 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 7300 D Fragen des Abg. Biechele: Dr. Barzel (CDU/CSU) 7303 A Deutsche Opfer im Kongo Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 7304 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 7275 A Dr. Starke (FDP) 7304 C Biechele (CDU/CSU) 7275 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag Frage des Abg. Dr. Imle: vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundes- republik Deutschland und dem Spani Errichtung einer Technischen Hoch- schen Staat über Kriegsopferversorgung schule in Flensburg und zu dem Notenwechsel vom 16. Mai Lenz, Bundesminister 7275 D 1963 (Drucksachen IV/718, IV/1433); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/2719) — Sammelübersicht 37 des Ausschusses für Zweite und dritte Beratung — Petitionen über Anträge von Ausschüs-- sen des Deutschen Bundestages zu Peti- Höhmann (Hessisch-Lichtenau) tionen (Drucksache IV/2762) 7276 D (SPD) 7323 A Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 7324 A Entwurf eines Gesetzes über das Zollkon- Majonica (CDU/CSU) 7324 C tingent für feste Brennstoffe 1965, 1966 Dr. Krümmer (FDP) 7325 A und 1967 (Drucksache IV/2471); Schrift- Dr. Mommer (SPD) 7325 C licher Bericht des Außenhandelsausschus- ses (Drucksache IV/2752) — Zweite und Dr. Kohut (FDP) 7326 D dritte Beratung —; in Verbindung mit Rasner (CDU/CSU) 7327 A

Fortsetzung der Aussprache über die Große Entwurf eines Siebenten Rentenanpassungs- Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, gesetzes (Drucksache IV/2666) — Zweite FDP betr. Situation des Energiemarktes, und dritte Beratung —; in Verbindung mit insbesondere Lage des Steinkohlenberg- dem baus und über die Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Energiepolitik und Lage des Steinkohlenbergbaus (Druck- Sozialbericht 1964 (Drucksache IV/2566) ; sachen IV/2695, IV/2721) Bericht des Haushaltsausschusses (Druck- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 III

sache IV/2790) ; Schriftlicher Bericht des Antrag der Fraktion der SPD betr. Gewäh- Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache rung von Weihnachtszuwendungen IV/2753) (Drucksache IV/2754) Büttner (SPD) ...... 7327 D Gscheidle (SPD) ...... 7341 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . . 7328 A Höcherl, Bundesminister 7342 C Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 7329 A Kohlberger (SPD) 7329 C Entwurf eines Gesetzes zu der Satzung der Maucher (CDU/CSU) 7330 B Europäischen Schule (Drucksache IV/2733) Ollesch (FDP) . . . . 7331 B, 7335 C — Erste Beratung — 7344 A Stingl (CDU/CSU) 7331 D Geiger (SPD) ...... 7332 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gebühren der Schlacht- Blank, Bundesminister 7336 A viehmärkte, Schlachthäuser und Fleisch- Dr. Schellenberg (SPD) 7336 D großmärkte sowie der hierzu ergangenen Verordnungen (Abg. Dr. Siemer, Burge- meister, Riedel [Frankfurt], u. Gen.) Entwurf eines Rentenversicherungs-Finanz- (Drucksache IV/2737) —Erste Beratung— 7344 B ausgleichsgesetzes (Drucksache IV/2354) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache IV/2745) — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweite und dritte Beratung — Beförderungsteuergesetzes (Abg. Varel- mann, Meis, Drachsler, Dr. Aschoff, Dr. Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 7338 A, Imle, Arendt [Wattenscheid], Hörmann 7340 A [Freiburg] u. Gen.) (Drucksache IV/2697) Deneke (FDP) 7338 B — Erste Beratung — 7344 B

Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsaus- Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- schusses über den Entschließungsantrag lung eines Nachtrags zum Bundeshaus- der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur haltsplan für das Rechnungsjahr 1964 dritten Beratung des Entwurfs des Haus- (Nachtragshaushaltsgesetz 1964) (Druck- haltsgesetzes 1962, hier: Einzelplan 09, sache IV/2755) — Erste Beratung — . . 7340 C Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksache IV/2728, Um- druck 72) 7344 C Entwurf eines Gesetzes zur Kürzung von juristischen Ausbildungszeiten für Be- amte und Richter (Abg. Dr. h. c. Güde, Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- Dr. Kanka, Dr. Hauser, Dr. Böhm [Frank- schusses über die von der Bundesregie- furt], Dr. Weber [Koblenz], Dr. Dichgans rung beschlossene Einundneunzigste Ver- und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache ordnung zur Änderung des Deutschen IV/2725) — Erste Beratung —; in Verbin- Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/2579, dung mit IV/2729) 7344 C

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Entwurf eines Gesetzes zur Kürzung von Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über juristischen Ausbildungszeiten für Be- die von der Bundesregierung zur Unter- amte und Richter (Abg. Busse, Frau Dr. richtung vorgelegten Diemer-Nicolaus und Fraktion der FDP) Vorschläge der (Drucksache IV/2726) — Erste Beratung — Kommission der EWG für eine Verord- nung des Rats über die Einführung ge- Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 7340 D, meinsamer Regeln für den grenzüber- 7341 B schreitenden Straßenpersonenverkehr (Drucksachen IV/2178, IV/2738) ; für eine Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 7341 A Verordnung des Rats über die Anwen- dung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Bin- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des nenschiffsverkehr (Drucksachen IV/2423, Gesetzes über die Gewährung von Weih- IV/2739) ; an den Rat für Richtlinien, Ent- nachtszuwendungen (SPD) (Drucksache scheidungen von Verordnung betr IV/2770) — Erste Beratung —; in Verbin- Verkehrswesen (Drucksachen IV/1313, dung mit IV/2740) 7344 D IV Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für schriften der Mitgliedstaaten für Anti- Gesundheitswesen über den von der Bun- oxydantien, die in Lebensmitteln verwen- desregierung zur Unterrichtung vorgeleg- det werden dürfen (Drucksachen IV/2528, ten Vorschlag der Kommission der EWG IV/2769) 7345 C für eine Richtlinie des Rats zur Festle- gung spezifischer Reinheitskriterien für Antrag betr. Qualitätssteigerung und Ra- konservierende Stoffe, die in Lebensmit- tionalisierung in der Molkereiwirtschaft teln verwendet werden dürfen (Druck- (Abg. Wächter, Logemann, Sander, sachen IV/2672, IV/2768) ...... 7345 B Walter, Ertl u. Gen.) (Drucksache IV/2727) 7345 D

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ubersicht 25 des Rechtsausschusses über die Gesundheitswesen über die von der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Bundesregierung vorgelegten Vorschläge Streitsachen vor dem Bundesverfassungs- der Kommission der EWG für eine Richt- gericht (Drucksache IV/2714) 7345 D linie des Rats zur Änderung der Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvor- schriften der Mitgliedstaaten für färbende Nächste Sitzung 7346 Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen und für eine Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvor Anlagen 7347

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Stenographischer Bericht Nach längerem Leiden verstarb am 24. November der Abgeordnete . Er wurde am Beginn: 9.01 Uhr 10. Dezember 1903 in geboren. Nach einer Handwerkslehre war er von 1921 bis 1924 als Arbeiter in den Krupp-Werken tätig. Durch die Mit- Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Sitzung ist er- arbeit im Katholischen Arbeitersekretariat Essen öffnet. und seine Teilnahme an zahlreichen Fortbildungs- Meine Damen und Herren! In der kurzen Zeit seit kursen der Christlichen Gewerkschaften arbeitete der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages hat er sich zum Kartellsekretär der Christlichen Gewerk- der Tod dreimal in unsere Reihen gegriffen. schaften und Diözesansekretär der Katholischen Arbeiterbewegung in Mainz hoch. Er übte dieses (Die Abgeordneten erheben sich.) Amt von 1927 bis 1939 aus. In diesem Jahr enthob Wir haben drei Kollegien verloren, die diesem Haus ihn die Gestapo aller seiner Ämter, und es begannen seit dem ersten Tag angehört und aktiv in ihm ge- für ihn Jahre der Verfolgung und der Bedrückung. wirkt haben. Nach dem Zusammenbruch stellte sich Johannes In einem feierlichen Staatsakt hat die Bundes- Even sofort in den Dienst des politischen und so- republik Deutschland am 17. November in diesem zialen Wiederaufbaus des geschlagenen und dar- Saale von Dr. Abschied ge- niederliegenden Landes. Er zählte zu 'den Mitbe- nommen. Hier an der Stätte seines aufopferungs- gründern der Christlich-Demokratischen Union in vollen Wirkens ist ihm mit der Trauerfeier und mit Nordrhein-Westfalen. Im gleichen Jahr 1945 war er dem Schlußwort, das der Präsident dieses Hohen auch Mitbegründer des Deutschen Gewerkschafts- Hauses gesprochen hat, die höchste Ehrung zuteil bundes und der Katholischen Arbeiterbewegung im geworden, die die Bundesrepublik Deutschland zu Kreise Bergheim, dessen Landrat er von 1946 bis vergeben hat. Heute, in der ersten Plenarsitzung 1948 war. Für die Christlich-Demokratische Union nach seinem Tode, gedenken wir noch einmal des gehörte er von 1946 bis 1950 dem Landtag von Nord- Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen und rhein-Westfalen an. Christlich-Sozialen Fraktion und langjährigen Bun- Johannes Even widmete seine Kraft vor allem den desministers des Auswärtigen, der am 14. Novem- sozialen Fragen unserer Zeit. Sie blieben sein ur- ber nach schwerer Leidenszeit in einem Darmstädter eigenes Arbeitsfeld, seit er in seiner Jugend im Krankenhaus verstorben ist. Es ist nicht die Stunde, Revier mit den sozialen Problemen konfrontiert wor- die Wurzelkräfte des Menschen und Politikers Hein- den war. Der Verbindung von katholischer Sozial- rich von Brentano und die Stationen seiner politi- lehre und praktischer Politik galt seine hingebungs- schen Laufbahn im einzelnen aufzuzeigen. Dies ist volle Arbeit als Schriftleiter der Zeitschrift „Ketteler in den Reden anläßlich des Staatsaktes und in zahl- Wacht" und als Verbandssekretär der Katholischen losen würdigenden Nachrufen im In- und Ausland Arbeiterbewegung Westdeutschlands. 1955 gehörte geschehen. Johannes Even zu den Mitgründern der Christlichen Wir gedenken in dieser Stunde mit Bewegung des Gewerkschaften Deutschlands. Er war Vizepräsident ehemaligen Außenministers und Fraktionsvorsitzen- der Internationalen Katholischen Arbeiterbewegung den der CDU/CSU als eines vorbildlichen Parlamen- und des Zentralkomitees der Deutschen Katho- tariers und aufrichtigen Kollegen. Neben vielem, liken. 1959 wurde er zum Verbandsvorsitzenden wofür Heinrich von Brent ano zu danken ist, schuldet der Katholischen Arbeiterbewegung gewählt. ihm der Deutsche Bundestag besondere Ehrerbietung Dein Deutschen Bundestag gehörte Johannes Even dafür, immer das Beispiel für einen parlamentari- seit 1949 für den Wahlkreis 64 — Bergheim—Eus- schen Stil gegeben zu haben, der in der politischen kirchen — an. Er war Mitglied des Ältestenrates, Auseinandersetzung Entschiedenheit in der Sache des Wahlmänner-Aussschusses und des Vorstandes mit Ritterlichkeit und Fairneß in vollendeter Weise seiner Fraktion. Im 2. und 3. Deutschen Bundestag zu verbinden wußte. gehörte er u. a. den Ausschüssen für auswärtige An- Mit Heinrich von Brentano ist ein Staatsmann gelegenheiten und für Arbeit an. Ferner war er Mit- heimgegangen. Der Deutsche Bundestag wird sein glied der Beratenden Versammlung des Europarates Vermächtnis stets in Ehren halten. und der Versammlung der Westeuropäischen Union. 7264 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Vizepräsident Dr. Jaeger gen wesentlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwin- Mit unserem Kollegen Johannes Even ist ein stil- digkeit (84 statt 50 km/h) ein Rentnerehepaar tödlich überfahren ler und kluger Mann aus unserer Mitte geschieden, hat, nur zwei Monate Gefängnis mit Bewährungsfrist ohne Füh- der in seiner Selbstlosigkeit vielen Menschen Hilfe rerscheinentzug beantragt hat? gewesen und Vorbild geworden ist. Wir tragen Herr Staatssekretär, ich darf bitten! schwer an diesem Verlust. Am 30. November verstarb nach längerer Krank- Dr. Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium heit der Abgeordnete . der Justiz: Zu der ersten Frage darf ich folgendes Er wurde am 17. Oktober 1894 in Essen geboren. sagen: Früh fand er in der katholischen Jugend- und Ver- Die Meldung ist dem Bundesjustizministerium be- bandsarbeit sein Arbeitsfeld. 1920 wurde er Jugend- kannt. sekretär in der Zentrale des Gewerkvereins christ- licher Bergarbeiter Deutschlands und Redakteur der Obwohl der Fall die Justizhoheit des Landes Nord- Zeitschrift „Die Knappenjugend". Aus der Bewäh- rhein-Westfalen und nicht die des Bundes berührt, rung in diesem Amt wurde Hermann Ehren auf bin ich ermächtigt, folgendes zu erklären: Empfehlung des christlichen Gewerkschaftsführers Das Urteil des Schöffengerichts Bonn vom 19. No- Heinrich Imbusch im Jahre 1925 Leiter der katho- vember 1964 ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die lischen Vereinszentrale Oberschlesien in Gleiwitz. Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte haben Seine politische Heimat fand Hermann Ehren in Berufung eingelegt. den Jahren der Weimarer Republik in der deutschen Das ist die Antwort auf die Frage 1. Zentrumspartei. Für sie war er Stadtverordneter in Gleiwitz und Mitglied des Oberschlesischen Provin- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? ziallandtages und Provinzialausschusses. Nach dem Zusammenbruch von 1945 wurde Hermann Ehren (Abg. Dr. Wuermeling: Von mir aus nicht!) aus Oberschlesien ausgewiesen. Er kehrte in die an- — Nein. gestammte Heimat, ins Revier — nach und Dortmund —, zurück und stellte sich in den Dienst Herr Abgeordneter Bausch zu einer Zusatzfrage! am politischen Wiederaufbau des Landes. Noch 1945 schloß er sich der Christlich-Demokratischen Union Bausch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, emp- an. Er widmete sich besonders der Vertriebenen- finden Sie es nicht als ganz ungewöhnlich, daß über- arbeit und wurde Stellvertretender Vorsitzender der haupt ein solches Urteil gefällt werden konnte? Hal- Landsmannschaft der Oberschlesier. Im Sinne dieser ten Sie es nicht für einen bedauerlichen Vorgang, I Arbeit wirkte er auch von 1949 bis 1954 als haupt- daß solche Urteile gefällt werden und im Lande der beruflicher Schriftleiter bei den „Ruhr-Nachrichten" Eindruck entsteht, man könne zwei Menschen tot- in Dortmund. Er war Präsident der Deutsch-Spani- fahren, ohne daß einem praktisch etwas geschieht? schen Gesellschaft. Dem Deutschen Bundestag gehörte Hermann Ehren Dr. Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium seit 1949 mit einer kurzen Unterbrechung über die der Justiz: Die Frage könnte sachgemäß nur der Landesliste Nordrhein-Westfalen an. Er war Mit- Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen be- glied des Ausschusses für gesamtdeutsche und Ber- antworten. Das Urteil ist noch nicht einmal abge- liner Fragen. Während der 1., 2. und 3. Legislatur- setzt. Es lag bis zum 30. Oktober — ich habe mich periode gehörte er den Ausschüssen für Heimatver- erkundigt — noch nicht schriftlich vor. Sie sehen triebene, für Lastenausgleich, für Fragen des Ge- vielleicht, daß der Fall prekär ist und daß der sundheitswesens und für Kulturpolitik an. Staatsanwalt zwei Monate beantragt hat, während das Gericht sogar auf drei Monate erkannt hat. Der Tod unseres erfahrenen und fleißigen Kolle- - Ferner ergibt sich aus der Bedeutung dieses Einzel- gen Hermann Ehren hinterläßt eine spürbare Lücke falles, daß sowohl die Staatsanwaltschaft als auch in unseren Reihen. der Angeklagte Berufung eingelegt haben. Ich Ich spreche den Angehörigen unserer verstorbenen glaube, es ist sehr schwer, vielleicht sogar unzuläs- Kollegen und der Fraktion der Christlich-Demokra- sig, in einem Fall, der noch in der Schwebe ist und tischen und Christlich-Sozialen Union die aufrichtige die Gerichte beschäftigt, sachlich zu dem Inhalt des Anteilnahme des Hauses aus. Verfahrens Stellung zu nehmen. Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erho- ben. Ich danke Ihnen. Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den ersten Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Wuerme- Punkt der Tagesordnung: ling —: Was gedenkt der Herr Bundesjustizminister zu tun, um den Fragestunde (Drucksachen IV/2776, IV/2777). strafrechtlichen Schutz des Lebens friedlicher Fußgänger gegen verantwortungslose Autoraserei so zu gewährleisten, wie es die Die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundes- Achtung vor dem Leben des Mitmenschen in einem geordneten kanzlers wird erst am Freitag aufgerufen. Wir kom- Rechtsstaat gebietet? men damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage Dr. Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium II/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling —: der Justiz: Hierauf darf ich folgendes antworten: Ist dem Herrn Bundesjustizminister die Meldung des Bonner Das Hohe Haus hat erst kürzlich — am 21. Ok- Generalanzeigers vom 21./22. November 1964 bekannt, derzu- folge ein Bonner Staatsanwalt gegen einen Autofahrer, der we tober 1964 — den von der Bundesregierung seiner- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7265 Staatssekretär Dr. Bülow zeit vorgelegten Entwurf eines Zweiten Gesetzes der BfA durch die „Nachrichten für Außenhandel" zur Sicherung des Straßenverkehrs verabschiedet. (NfA) erschlossen, die von der „Vereinigte Wirt- Das Gesetz wird gerade heute, am 2. Dezember schaftsdienste GmbH" (VWD) in Zusammenarbeit 1964, im Bundesgesetzblatt verkündet. Mit dem mit den zuständigen Ministerien und der Arbeits- Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs gemeinschaft Außenhandel der deutschen Wirtschaft hat das Hohe Haus — und auch die Bundesregie- herausgegeben werden. Der Zusammenarbeit mit rung — alles getan, was es derzeit zur Verbesserung der VWD liegt die Forderung der deutschen Wirt- des strafrechtlichen Schutzes im Straßenverkehr für schaft nach einer Rationalisierung der außenwirt- notwendig gehalten hat. schaftlichen Nachrichtengebung unter Berücksich- Das geltende Recht selbst ermöglicht durchaus tigung eines aktuellen Informationsbedürfnisses zu- eine angemessene Bestrafung wegen fahrlässiger grunde. Tötung. Für fahrlässige Tötung ist eine Gefängnis- Die VWD unterhält selbst zahlreiche eigene In- strafe bis zu fünf Jahren vorgesehen. formationsdienste, die zur Vervollständigung der Es hängt alles davon ab, wie das Gesetz in der BfA-Nachrichten in sinnvoller Weise beitragen. Die Praxis angewendet wird. Erscheint ein Urteil in Publikation der BfA-Nachrichten im Rahmen des einer Einzelsache nicht befriedigend, so ist es Auf- VWD-Nachrichtenagentur-Systems bietet die Mög- gabe der Staatsanwaltschaft, ein Rechtsmittel einzu- lichkeit, diese Nachrichten sehr weit zu streuen, da legen und auf eine Verschärfung der Strafe hinzu- ihre Bezieher bemüht sind, die Meldungen weiter zu wirken, wie es in dem in der Frage 1 erörterten Fall verbreiten. geschehen ist. Die VDW ist eine unabhängige Nachrichtenagen- tur; an ihr sind aber auch die Spitzenverbände der Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, deutschen Wirtschaft und die Gesamtheit der deut- Herr Abgeordneter Wuermeling. schen Zeitungsverlage — durch dpa vertreten — als Gesellschafter beteiligt. Die VWD repräsentiert Dr. Wuermeling (CDU/CSU) : Herr Staatssekre- also zugleich die im Bundesgebiet zu informieren- tär, da der Schutz des Lebens des Mitbürgers eine den Kreise. Die Gesellschaft schüttet keine Gewinne besonders wichtige Aufgabe gerade auch des Bun- aus; sie ist vielmehr gehalten, Gewinne zur Ver- desjustizministeriums ist, erlaube ich mir zu fragen, besserung der Nachrichtengebung einzusetzen. Sie ob das Justizministerium wohl bereit ist, die Frage stellt somit in Verbindung mit dem Kreis ihrer Ge- der Strafbarkeit solcher Handlungen und der Hand- sellschafter eine Organisation dar, die sich weit- habung bei der Bestrafung mit den Justizministern gehend der Gemeinnützigkeit nähert. Hierdurch ist der Länder bei nächster Gelegenheit einmal zu er- es der BfA als amtlicher Stelle möglich, ihre täg- örtern, um auch von da her durch Einwirkung sicher- lichen Nachrichten ohne besondere Druck- und Ver- zustellen, daß solche Vorkommnisse, wie sie be- triebskosten zu verbreiten. dauerlicherweise festgestellt worden sind, zukünftig Der Zusammenarbeit stimmte auch der Verwal- unterbleiben. tungsrat der BfA zu, der sich aus Vertretern der Bundes- und Länderministerien, der Spitzenorgani- Dr. Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium sationen der Wirtschaft und dies Deutschen Gewerk- der Justiz: Herr Abgeordneter, das kann ich zu- schaftsbundes zusammensetzt. sagen. Herr Kollege, darf ich trotzdem hinzufügen: Das ist die Antwort, die erarbeitet worden ist und die Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, ich heute morgen vorgefunden habe. Sollte sich et- Herr Staatssekretär. was anderes herausstellen — und ich bin begierig, Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- das zu hören —, etwa daß diese Handhabung, die bereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst auch mir nicht ganz einleuchtet, ausgenutzt wird, zur Frage III/1 — des Herrn Abgeordneten so bin ich selbstverständlich bereit, das zu prüfen und zu untersuchen. Dröscher — :

Trifft es zu, daß die Bundesregierung einer privaten Wirt- schaftsagentur die alleinige Auswertung der Berichte der vor- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter wiegend aus Steuergeldern finanzierten Bundesstelle für Außen- handelsinformation in Köln eingeräumt hat und damit einver- Dröscher eine Zusatzfrage. standen ist, daß die von dieser Bundesstelle zusammengestellten Informationen nicht von der übrigen Wirtschaftspresse bezogen werden können? Dröscher (SPD) : Herr Bundesminister, nachdem Herr Bundesminister, bitte. also die Berechtigung meiner Frage offenbar ge- worden ist, gestatte ich mir eine weitere Frage: Ist Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Die Ihnen bekannt, daß dieses Unternehmen, das ge- wissermaßen ein Monopol innehat, die Informatio- Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfA) nur zu einem Preis weitergibt, unterrichtet die am Außenhandel interessierten nen an Journalisten der ein Vielfaches der normalen Bezugsgebühr aus- Wirtschaftskreise, Verbände und Behörden durch macht, und zwar auch dann, wenn die Berichte nur Veröffentlichungen verschiedenster Art. Sie bedient sich bei deren Verbreitung der auch unter dem Ge- zur Information verwendet werden? sichtspunkt der Kostenersparnis jeweils geeigneten Veröffentlichungswege. Eine wichtige Informations- Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Nein, möglichkeit für die täglichen Nachrichten hat sich das ist mir nicht bekannt. 7266 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- zugestimmt, da der Herr Bundespostminister darge- frage. legt hatte, daß die Pauschalgebühr für die Einrich- tung eines Fernsprechhauptanschlusses in Höhe von Dröscher (SPD) : Herr Minister, sind Sie bereit, 90 DM der durchschnittlichen Höhe der tatsächlichen im Sinne Ihrer ersten Ausführungen darauf einzu- Einrichtungskosten entspricht und daß die Pauscha- wirken, daß das abgestellt wird? lierung zur Rationalisierung des Verwaltungsdien- stes notwendig ist. Danach ist es nicht so, daß die Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Ich Pauschalgebühr von 90 DM eine Ausnutzung der werde zunächst einmal prüfen, ob das, was Sie hier Monopolstellung der Deutschen Bundespost darstellt mitgeteilt haben, den Tatsachen entspricht, und ich und deshalb wirtschaftspolitisch zu beanstanden werde mich auch um die Konstruktion insgesamt wäre. kümmern. Falls das zutrifft, was Sie hier mitteilten, wird es selbstverständlich sofort abgestellt. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten). Vizepräsident Dr. Jaeger: Dann kommen wir zur Frage III/2 — des Herrn Abgeordneten Schmidt Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Bundesminister, (Kempten) —. darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie zwar grundsätzlich meine in der Frage zum Ausdruck Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die von ihr getragene Wirtschaftspolitik und die von ihr vertretene Mono- kommende Auffassung teilen, daß Sie aber im Hin- polgesetzgebung es nicht zulassen, daß ein Unternehmen für Leistungen, die allein von ihm erbracht werden können und blick auf die Bundespost aus Rationalisierungsgrün- dürfen, generelle Pauschalabgeltungen verlangt und eine Offen- den eine solche Monopolausnutzung, sagen wir ein- legung der tatsächlichen Leistungskosten ablehnt, obwohl in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die erbrachte Leistung weit mal, dulden? unter dem pauschalen Entgeltsatz liegt? Herr Bundesminister! Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, so, wie sich die Frage im Moment anhört, Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: So möchte ich sagen, daß ich im Grundsatz Ihrer Auf- allgemein, wie Sie die Frage formuliert haben, Herr fassung bin. Hier handelt es sich aber um eine Ver- Abgeordneter, ist sie schwer zu 'beantworten. Vor- ordnungsregelung. kehrungen gegen den Mißbrauch von Monopolmacht trifft z. B. § 22 des Kartellgesetzes. Danach kann die Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- Kartellbehörde einem Unternehmen, das für eine satzfrage. bestimmte Art von gewerblichen Leistungen markt- beherrschend ist, untersagen, bei Abschluß von Ver- Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Bundesminister, trägen über diese Leistungen seine Marktstellung darf ich Sie, da es sich um eine Verordnungsrege- beim Fordern von Preisen mißbräuchlich auszunut- lung handelt, darum bitten, daß Sie die Angelegen- zen. Ein solcher Mißbrauch könnte auch die Forcie- heit dem Bundeskartellamt übergeben und überprü- rung eines Pauschalentgelts sein, wenn in der über- fen lassen? Ich bin der Meinung, daß es sich um wiegenden Mehrzahl der Fälle die erbrachte Lei- eine ausgesprochene Ausnützung einer Monopol- stung ihrem Wert nach weit unter dem pauschalen gestaltung handelt. Entgelt läge. Ihre Anfrage, Herr Kollege, über die Pauschal- SchmüCker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr gebühr für die Herstellung eines Fernsprechanschlus- Kollege, ich will gern überprüfen, ob dieser Ihrer ses, die der Herr Staatssekretär im Bundesministe- Anregung entsprochen werden kann. rium für das Post- und Fernmeldewesen in der 146. Sitzung dieses Hohen Hauses am 12. Novem- ber 1964 beantwortet hat, läßt mich vermuten, daß Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, Sie mit Ihrer vorliegenden Frage auf den gleichen Herr Bundesminister. Gegenstand zielen. Unter dieser Voraussetzung darf Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Cramer ich dazu noch folgendes sagen: aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzmini- Für die Durchführung des Kartellgesetzes gegen- sters: über der Deutschen Bundespost ist ausschließlich Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zur Ver- hinderung eines Durchbruches an dem nördlichen Festmachege- das Bundeskartellamt zuständig. Die zuständige Be- lände der ehemaligen 3. Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven? schlußabteilung des Bundeskartellamtes hat jedoch in anderen Fällen die Ansicht vertreten, daß das Herr Staatssekretär, ich darf bitten. Kartellgesetz keine Handhabe 'bietet, die von der Bundespost erhobenen Fernsprechgebühren zu über- Kattenstroth, Staatssekretär im Bundesschatz- prüfen; denn die Fernsprechgebühren werden auf ministerium: Nach den Feststellungen der Bundes- Grund des § 14 des Postverwaltungsgesetzes durch vermögensverwaltung, der die Unterhaltung der Rechtsverordnung des Bundesministers für das Post- ehemaligen III. Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven ob- und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem liegt, und der zuständigen Deichbehörden dringt Bundesminister für Wirtschaft verbindlich festge- unterhalb der zerstörten nördlichen Schleusenmauer setzt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat der Wasser in den Innenhafen ein. Auf Grund dieser fraglichen Verordnung zur Änderung der Fern- Feststellungen ist das zuständige Niedersächsische sprechgebührenvorschriften vom 19. Dezember 1962 Wasserwirtschaftsamt Wilhelmshaven, dessen sich Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7267 Staatssekretär Kattenstroth der Bund bei Durchführung der entsprechenden teilweise mit Schreiben ähnlichen Inhalts, versucht, Unterhaltungsarbeiten bedient, beauftragt worden, einzelne Firmen in dritten Ländern, also keineswegs umgehend Vorschläge für die notwendigen Siche- nur deutsche Unternehmen, unter Hinweis auf nach- rungsmaßnahmen auszuarbeiten. Der Prüfungsbe- teilige Auswirkungen auf Exportinteressen in ara- richt soll in etwa 14 Tagen vorgelegt werden. Die bische Länder zur Aufgabe ihrer Beziehungen zu Bundesregierung wird sodann alle Sicherungsmaß- Israel zu bewegen. Die arabischen Staaten begrün- nahmen unverzüglich auf Kosten des Bundes durch- den diese Haltung mit der Feststellung, daß sie mit führen lassen. Israel noch keinen Frieden geschlossen hätten. Die Bundesregierung mißbilligt die aus dieser Einstel- lung herrührenden Boykottmaßnahmen und hat die Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, arabische Seite hierüber nicht im unklaren gelassen. bitte. Sie ist der Meinung, daß betroffene Unternehmen nach Prüfung und Abwägung ihrer Interessenlage Cramer (SPD) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen Forderungen, wie sie in der „Welt der Arbeit" ge- bekannt, daß auf eine Länge von etwa 200 bis 300 m schildert wurden, entgegentreten sollten. aus der 30 Jahre alten Deichfußsicherung durch Sprengung und Überflutung 50 % herausgewaschen Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, worden sind? Herr Abgeordneter Benda.

Kattenstroth, Staatssekretär im Bundesschatz- Benda (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, sind ministerium: Herr Abgeordneter, diese Tatsache ist Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es nicht nur mir in etwa bekannt. Die zuständige Deichschaukom- Sache der betroffenen Firmen, sondern auch der mission hat im Oktober den Schaden festgestellt. Ich Bundesregierung selber ist, deutsche Staatsbürger darf jedoch darauf hinweisen, daß die III. Hafen- und deutsche Unternehmen gegen einen Eingriff von einfahrt die Flutkatastrophe im Februar 1962 ohne ausländischer Seite in nach der deutschen Verfas- Schaden überstanden hat. Trotzdem ist beabsichtigt, sung geschützte Grundrechte zu schützen, Eingriffe, Abhilfe zu schaffen. In 14 Tagen wird die Bundes- die jeder deutschen privaten oder öffentlichen Stelle regierung nach Vorliegen des Prüfungsberichts in verboten werden? der Lage sein, darüber eine Entscheidung zu treffen. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- Die Bundesregierung kann ebenso wie die Regie- satzfrage, Herr Abgeordneter Cramer! rungen anderer westlicher Staaten nicht verhindern, daß arabische Stellen aus dem Ausland Briefe, wie sie in dem zitierten Zeitungsartikel wiedergegeben Cramer (SPD) : Glauben Sie, Herr Staatssekretär, worden sind, an einzelne Firmen absenden oder bei daß alle diese Maßnahmen so rechtzeitig durchge- Geschäftsbeziehungen bestimmte private Unterneh- führt werden können, daß keine Durchbruchsgefahr men bevorzugen, andere dagegen nicht. Sie be- besteht? obachtet jedoch alle diesbezüglichen Maßnahmen lau- fend mit großer Sorgfalt. Den Kampf gegen verfas- Kattenstroth, Staatssekretär im Bundesschatz- sungswidrige Erscheinungen kann sie innerhalb ministerium: Die für die Deichsicherheit zuständigen Deutschlands vornehmen gegenüber den Stellen, auf Stellen in Wilhelmshaven haben der Bundesregie- die sie Einfluß hat, aber nicht im Ausland. rung zur Auflage gemacht, bis Herbst 1965 Abhilfe zu schaffen. Sofortmaßnahmen wurden nicht gefor- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- dert. Wenn der Bericht in 14 Tagen ergibt, daß satzfrage, Herr Abgeordneter Benda. schneller gehandelt werden muß, wird die Bundes- regierung das tun. Benda (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, sind Sie nicht, soweit es sich um Ihren Geschäftsbereich Wir kommen zu Vizepräsident Dr. Jaeger: handelt, bei aller Notwendigkeit, die Angelegenheit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswär- auch nach ihren außenpolitischen Auswirkungen zu tigen Amts. Ich rufe auf die Frage VI/1 — des Ab- betrachten, doch der Meinung, daß in dieser Frage geordneten Benda —: ein sehr deutliches und offenes Wort der Bundes- Wie beurteilt die Bundesregierung den in der „Welt der Ar- regierung die beste Diplomatie wäre? beit" vom 6. November 1964 behaupteten Vorgang, wonach das Generalsekretariat der Arabischen Liga in Damaskus eine deutsche Firma unter Androhung des Abbruches der Geschäfts- beziehungen aufgefordert haben soll, eines ihrer Aufsichtsrats- Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: oder Vorstandsmitglieder zur Aufgabe seiner „pro-israelischen Aktivitäten" und seiner Mitgliedschaft in einer privaten, der Ein deutliches und offenes Wort empfiehlt sich im- Förderung der deutsch-israelischen Beziehungen gewidmeten mer dann, wenn es Aussicht auf Wirkung hat. Dann Vereinigung zu bewegen? bin ich sehr für etwas Derartiges. Dies ist ein sehr Herr Bundesminister, ich darf bitten. komplizierter Sachverhalt, mit dem sich die ver- schiedensten Regierungen anderer Länder in ähn- Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: licher Weise wie wir herumschlagen müssen und Herr Präsident, die Antwort darauf lautet wie folgt: der nur mit einer gewissen Sorgfalt behandelt wer- Schon seit vielen Jahren wird von arabischer Seite, den kann. 7268 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe die Frage Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: VI/2 — des Herrn Abgeordneten Benda — auf: Mir sind die Einzelheiten nicht gegenwärtig, da die

Falls der in der „Welt der Arbeit" behauptete, in der Frage Sache längere Zeit zurückliegt. Ich weiß aber, daß VI/1 in Bezug genommene Vorgang sich tatsächlich so abgespielt wir in der Sache energisch protestiert haben. haben sollte: Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um derartige Eingriffe ausländischer Stellen in die durch die Artikel 2 und 9 des Grundgesetzes geschützte Freiheit der Per- sönlichkeit und in die Vereinigungsfreiheit für die Zukunft zu Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter verhindern? Ritzel zu einer weiteren Frage.

Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Ritzel (SPD) : Ist die Bundesregierung bereit, Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Es ist Herr Bundesminister, sich nun endlich nicht nur auf Sache der betreffenden Unternehmen, nach freiem eine warnende Mahnung in bezug auf Boykottmaß- Ermessen unter Abwägung ihrer Interessenlage zu nahmen arabischer Staaten in dieser und ähnlichen entscheiden, ob sie derartigen Zuschriften entgegen- Fragen zu beschränken, sondern darüber hinaus die treten oder sie einfach ignorieren wollen. Die Bun- Frage zu prüfen, ob es die Würde unseres Volkes desregierung hat keine Möglichkeit, Ausländern in verträgt, daß von arabischen Staaten, die weitgehend bezug auf die von ihnen für richtig gehaltenen Ge- von uns ernährt werden, eine derartige Haltung schäftsmethoden Auflagen oder Vorschriften zu weiterhin eingenommen werden kann? machen. Die negative Einstellung der Bundesregie- rung zu den Versuchen von arabischer Seite, ihre Bundesminister des Auswärtigen: Interessen durch Boykottmaßnahmen zu vertreten, Dr. Schröder, ist wiederholt und auch öffentlich bekanntgegeben Herr Kollege Ritzel, diese Frage ist — wie meistens worden. in solchen Fällen — ein bißchen komplizierter. Hier handelt es sich nicht um Handlungen dieser betref- fen Staaten, sondern hier geht es um das General- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, sekretariat der Arabischen Liga, die ihrerseits natür- Herr Abgeordneter Benda. lich wieder in der Lage ist, gewisse Empfehlungen an die anderen Staaten zu geben. Der Sachverhalt ist also nicht etwa so, als ob wir hier unmittelbar mit Benda (CDU/CSU) : Herr Minister, hat zwischen diesen anderen Staaten konfrontiert wären. Ihrem Hause und dem Herrn Bundesminister der Justiz einmal ein Gespräch über die rechtliche Seite dieser Angelegenheit stattgefunden, die möglicher- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- weise ja auch für die Frage zukünftiger Aktionen frage, Herr Abgeordneter Ritzel. eine Rolle spielen könnte? Ritzel (SPD) : Ist vielleicht auch die Arabische mit ihrem Generalsekretariat dafür verant- Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Liga wortlich, daß Deutschen, die in die arabischen Län- Ich kann darüber nichts mit Sicherheit sagen. Ich der reisen wollen, die Einreise verweigert wird, nehme an — die Sache liegt ja viele Jahre zurück — , israelisches Visum haben? daß das einmal geschehen ist. Ich will ein solches weil sie in ihrem Paß ein Gespräch aber gerne führen. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Mir ist ein solcher Vorfall nicht bekannt. Benda (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, wären Sie bereit, mir nach Prüfung dieser Frage, speziell Herr Abgeordneter der rechtlichen Seite und der möglichen rechtlichen Vizepräsident Dr. Jaeger: Erwiderung solcher Maßnahmen, eine entsprechende Metzger zu einer Zusatzfrage. Mitteilung zu machen? - Metzger (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Bundesregierung angesichts Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: dieser Unfreundlichkeiten — ich denke an den Fall Das will ich gerne tun. Böhm, ich denke an den Fall des israelischen Vi- sums; es ist ja tatsächlich so, daß jemand, der ein Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, israelisches Visum hat, nicht in einen arabischen Herr Abgeordneter Dr. Mommer. Staat einreisen kann — die Möglichkeit hat, zumin- dest Vorhaltungen — ich will mich einmal vorsich- Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, ist es richtig, tig ausdrücken — in der Richtung zu machen, daß für diese Staaten leisten, daß die Regierung eines der arabischen Staaten wir ja Entwicklungshilfe gegenüber einem unserer Kollegen, nämlich Herrn daß wir also Erhebliches für diese Staaten tun und daß Unfreundlichkeiten unter Umständen Unfreund Professor Böhm, wegen seiner Tätigkeit für die Wiedergutmachung an Israel und wegen seines Ein- lichkeiten zur Folge haben könnten? tretens für die Normalisierung der Beziehungen zu Israel damit gedroht hat, ihm kein Einreisevisum Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: für dieses Land zu geben? Was hat die Bundesregie- Herr Kollege Metzger, es ist nicht ganz leicht, im rung gegen -dieses Vorgehen eines fremden Staates Rahmen einer Fragestunde dieses sehr komplexe gegen die Freiheit eines Abgeordneten dieses Hau- Feld zu beackern. Die Sache gehört schon seit vielen ses getan? Jahren zu unseren großen Leidproblemen. Sie liegt Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7269 Bundesminister Dr. Schröder auf beiden Seiten außerordentlich schwierig. Hier schildere nur die Schwierigkeiten, wie sie sind. Ich werden wir in Konflikte hineingezogen, auf die wir habe mich mit dem einen Teil der Schwierigkeiten nur einen sehr geringen Einfluß haben. Wir können hier noch gar nicht beschäftigt; vielleicht kommt das uns jeweils nur in Einzelfällen entsprechend ver- noch bei den späteren Fragen. Hier muß man eine halten, und das haben wir getan. Die generellen Ein- auf lange Sicht ausgewogene und richtige Politik zu wirkungsmöglichkeiten sind, glaube ich, geringer, treiben versuchen, und das tun wir. Das sieht viel- als man normalerweise annehmen könnte. leicht nicht immer sehr eindrucksvoll aus, ist aber nichtsdestoweniger nach unserer Meinung sehr wohl Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- abgewogen im 'deutschen Interesse. satzfrage, Herr Abgeordneter Metzger. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Metzger (SPD) : Aber sind Sie nicht der Meinung, frage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. Herr Bundesminister, daß die Bundesrepublik zum mindesten die Verpflichtung hat, ihre eigenen Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Minister, Staatsbürger zu schützen? ich frage noch einmal: Wann und wo sehen Sie die Möglichkeit, diesem Hause klare Erklärungen zu Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: geben und, nach Ihren eigenen Worten, das Feld zu Ja, das hat sie ganz sicher, und das tut sie. beackern?

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter Börner. Ich glaube durchaus, 'daß sich das, was man — ich will es jetzt mal vornehm umschreiben — als Nah- Börner (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht auch ostpolitik bezeichnen kann, in seinen Konturen all- der Meinung, daß die Bundesrepublik Deutschland mählich verdeutlicht. Es wird im nächsten Jahr wahr- es ihrer Selbstachtung schuldig ist, diese an Erpres- scheinlich einige Ereignisse geben, die uns die Mög- sung grenzenden Methoden mit entsprechenden lichkeit geben werden, weiter daran zu arbeiten. Konsequenzen in der Entwicklungshilfepolitik zu beantworten? Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Herrr Abgeordneter Wehner. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe gerade gesagt, daß das Feld komplizierter Wehner (SPD) : Herr Minister, wo, wenn nicht in ist, daß wir hier nicht unmittelbar mit Handlungen der Fragestunde des Bundestages, sollten denn von Staaten gegenüber der Bundesrepublik kon- eigentlich nach Ihrer Meinung solche schwierigen frontiert sind, sondern daß dies ein sehr viel diffu- Fragen und Vorkommnisse behandelt und öffent- seres Gelände ist. Deswegen, glaube ich, bietet der lich geklärt werden? von Ihnen angegebene Weg keine praktische und sinnvolle Lösung. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Das will ich sehr gern sagen, Herr Kollege Wehner. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Wir tun es im Grunde auch. Es gibt ein paar Themen, frage, Herr Abgeordneter Börner. von deren öffentlicher Behandlung oder, sagen wir mal: zu ausgesprochen öffentlicher Behandlung man sich im Interesse Deutschlands nicht besonders viel Börner (SPD) : Ist es nicht richtig, daß die Ara- versprechen kann. Das ist nun einmal so, weil jeder bische Liga, von der hier gesprochen wird, eine Satz und jeder Halbsatz, der hier gesagt wird, natür- überstaatliche Organisation ist und nicht den Cha- lich mit größter Sorgfalt in anderen Ländern und rakter einer Handelsagentur hat? anderen Kanzleien nachstudiert wird und, wirklich aus dem Augenblick heraus geboren, schädliche Fol- Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: gen haben kann. Deswegen glaube ich, daß das, was Ich wollte mich nicht hinsichtlich der juristischen wir auch in diesem speziellen Fall getan haben, das Qualifikation der Liga hier im einzelnen festlegen. richtige ist, zum Beispiel im auswärtigen Ausschuß Nur soviel ist sicher, daß wir es im Verkehr mit ihr ein solches Kapitel intensiver zu traktieren und nicht mit einem anderen Staat zu tun haben. dabei vielleicht zu Schlußfolgerungen zu kommen, die sich dann nachher auch öffentlich darlegen las- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, sen. Das ist meine Meinung von der Behandlung der Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. Sache. Ich bin in der Fragestunde immer bereit, so- weit zu gehen, wie ich glaube, es im deutschen Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Minister, Interesse vertreten zu können. Aber das hat eben um auf Ihre Ausführungen zurückzukommen: Wann irgendwo seine schnell erreichten Grenzen. werden ‘Sie „das Feld beackern", statt hier in ge- konnter Form immer auszuweichen? Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wehner. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Es ist nicht meine Art auszuweichen. Warum sollte Wehner (SPD) : Hat die Bundesregierung nicht ich ausweichen, wovor sollte ich ausweichen? Ich selber das Bedürfnis, daß solche bedauerlichen Vor- 7270 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Wehner kommnisse, von denen hier einige aufgegriffen wor- Bereinigung sowohl der einen wie der anderen den sind, von ihr öffentlich und fair klargestellt Sache. Das Ganze hängt eng miteinander zusammen. werden können, oder meinen Sie tatsächlich, daß sich Aber den Zeitpunkt genau anzugeben, an dem wir solche Dinge durch Schweigen von selber regeln? glauben, zu wirklich 'besseren Lösungen zu kommen, ist außerordentlich 'schwierig. Wir haben damit sehr Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: viel zu tun, 'daß es in diesem Nah-Ost-Bereich eine Nein, das ist nicht der Fall. Aber auch in beinahe tödliche Feindschaft gibt, die in einer so intensiven all den genannten Dingen hat es öffentliche Erklä- Weise von dort in andere Teile der Welt dringt, rungen gegeben. Sie können auch wiederholt wer- daß es außerordentlich schwer ist, sich dazu richtig den. zu verhalten. Ich bitte nur, eines nicht zu übersehen. Hier gibt es Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen: Es ist einen doppelten Tatbestand. Hier gibt es einmal zum großen Teil eine Frage, die nicht nur die Bun- einen Tatbestand, mit dem neben unis eine ganze desrepublik, sondern zahlreiche westliche Länder Reihe anderer westlicher Länder befaßt sind. Solche betrifft. Wenn man den Maßstab anlegen will, wie Boykottaufrufe und -androhungen beschränken sich man sich gegenüber Druck verhalten soll, dann kann nicht auf die Bundesrepublik, sondern reichen über man nicht einen objektiven absoluten Maßstab an- ein sehr weites Feld und werden von den betreffen- legen, sondern muß ein bißchen den Maßstab des den Ländern in einer nach 'deren Meinung mög- Verhaltens auch dieser anderen großen und bedeu- lichst geschickten Weise behandelt. tenden Länder anlegen, um unsere Haltung, die schwieriger ist als die der anderen, richtig abzu- Der zweite Teil des Komplexes, den ich noch nicht stimmen. behandelt habe, ist wieder für Deutschland empfind- licher als für andere Länder. Hier kommt manchmal Zu einer zweiten eine Wechselwirkung zustande, die es für uns be- Vizepräsident Dr. Jaeger: sonders schwierig macht. Das erklärt natürlich auch Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sanger. das Gefühl, aus dem heraus Sie Ihre Frage stellen. Sänger (SPD) : Herr Minister, könnte man ange- sichts der Tatsache, daß zwischen öffentlichen Aus- Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Frage sagen einiger arabischer Regierungen und unter Herr Abgeordneter Flämig. vier Augen geführten Gesprächen eine wesentliche Differenz klafft, solchen Regierungen nicht sehr Flämig (SPD) : Hat sich erledigt. deutlich machen, daß wir von den Grundsätzen unserer auf den Frieden und auf den Ausgleich ge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter richteten Politik nicht — und auch nicht in diesem Sänger. Fall — abweichen werden, also niemand zu unter- stützen bereit sind, der sich auf kriegerische Maß- Sänger (SPD) : Ist der Bundesregierung bekannt, nahmen vorbereitet? Herr Minister, daß es in den letzten, ich glaube, zwei bis höchstens drei Wochen zwei sehr peinliche Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Vorgänge gegeben hat? Es war einmal eine Erklä- Ich glaube, was Sie gerade aussprechen, ist sehr oft rung einer in Bonn ansässigen Botschaft eines ara- von der Bundesregierung öffentlich erklärt worden. bischen Staates, die nahezu den Eindruck einer Es ist in der Tat der Inhalt unserer Politik. Drohung machte, obwohl in dem Text ausdrücklich stand, es solle keine Drohung sein, und zum anderen Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- die Erklärung einer führenden ägyptischen Zeitung. frage Herr Abgeordneter Dröscher. Beide gipfelten in dem Trend, jetzt genüge es nicht mehr, zu fordern, die Bundesrepublik dürfe keine Dröscher (SPD) : Herr Bundesaußenminister, ich diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen, darf noch einmal auf Ihre Meinung zurückkommen, sondern jetzt müsse mehr gefordert werden. es sei unzweckmäßig, diese Fragen hier in der (Abg. Ritzel: Unverschämtheit!) Fragestunde zu erörtern, und Ihre Unterstellung, Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sol- daß jedes Wort, das hier gesprochen wird, regi- chem zunehmendem Druck einen Gegendruck ent- striert wird. Halten Sie es trotz dieser Meinung gegenzusetzen? nicht für gut, wenn wenigstens aus der Art der Frage und der Stimmung, die dadurch zum Aus- druck kommt, so etwas wie ein Barometer entsteht, Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: das auch im Ausland beachtet werden kann, ins- Ich kenne die beiden Vorkommnisse im einzelnen besondere bei den arabischen Staaten? nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, daß ich ein paar Tage weg gewesen bin. Ich will es mir aber Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: gern 'einmal zeigen lassen. Ich würde dazu folgendes sagen: Natürlich ist hier Herr Kollege Sanger, auch darauf lautet meine jede Frage zulässig, und jede Frage ist natürlich Antwort: Wir können diesen ganzen, sehr schwie- auch, wenn Sie so wollen, ein Stück Barometer. rigen Komplex, wie ich glaube, nur nach gewissen, Dagegen ist nicht das geringste einzuwenden. Auch nach unserer Auffassung langfristig richtigen Ge- die freie deutsche Presse ist in der Behandlung sichtspunkten behandeln. Dazu gehört eine gewisse dieser Fragen frei, und insoweit sie sie behandelt, Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7271 Bundesminister Dr. Schröder ist auch das ein Barometer. Aber es ist doch ein Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich möchte auch Unterschied zwischen dem, wie die Bundesregierung bezweifeln, ob diese Zusatzfrage noch in unmittel- hier im einzelnen reagiert, und dem, was sozusagen barem Zusammenhang mit ,der Frage steht — in an unmittelbarer Spontanmeinung deutlich wird. Ich mittelbarem sicherlich. meine, die Bundesregierung kann ihre Motive in Bitte, Herr Abgeordneter Gscheidle zu einer zwei- bestimmten Dingen besser in einem kleineren ten Zusatzfrage! Kreise als vor der großen Öffentlichkeit darlegen. Nur das meine ich. Gscheidle (SPD) : Herr Bundesminister, würden Sie es billigen, wenn sich Behörden der Bundesrepu- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- blik Deutschland aktiv einschalten, um die Unter- frage des Herrn Abgeordneten Dröscher. schriftenaktion des Deutschen Gewerkschaftsbundes für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Dröscher (SPD) : Sie haben aber doch, Herr Bun- Israel zu unterbinden? desaußenminister, Verständnis dafür, daß die Ab- geordneten von dieser Möglichkeit, die sie haben, Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Gebrauch machen, wenn sie einmal ihre Meinung Wenn ich es richtig verstanden habe, geht die Frage kundtun wollen? dahin, ob ich es billige, wenn man gegen die Unter- schriftenaktion des Deutschen Gewerkschaftsbundes Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Einfluß nimmt. Ich würde sagen, das ist eine Sache, Von mir aus steht dem nicht das allergeringste ent- die im Rahmen der freien Meinungsäußerung liegt — gegen. sowohl einerseits wie andererseits.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter des Herrn Abgeordneten Schlüter. Josten zu einer Zusatzfrage!

Schlüter (SPD) : Ist Ihnen auch nicht die Tatsache Josten (CDU/CSU) : Herr Minister, darf ich Sie bekannt, Herr Bundesminister, daß die deutschen nach Ihren bisherigen Darlegungen fragen: Verfolgt Staatsbürger, die den Staat Israel besuchen, an der die Bundesrepublik im Nahen Osten eine Politik, israelischen Paßkontrolle gefragt werden, ob sie auf welche uns möglichst die Freundschaft mit dem einen Sichtvermerk des israelischen Staates in Staate Israel und der arabischen Welt sichert? ihrem Paß Wert legen? (Heiterkeit.) Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Bundesminister des Auswärtigen: Mir ist dieser Vorgang — es ist offenbar etwas ähn- Dr. Schröder, liches wie das, was soeben schon gefragt wurde — in Ja. Ich glaube, das ist eine ganz gute Formulierung, der Tat nicht bekannt. Herr Kollege Josten. (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der Schlüter (SPD) : Sind Sie bereit, wenn Sie bei CDU/CSU.) einer Nachprüfung feststellen, daß es sich in der Tat so verhält, oder offiziell die Bundesregierung, gegen- Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur über 'den politischen Institutionen dieser arabischen Frage VI/3 — des Abgeordneten Rollmann —: Staaten in dieser Frage etwas zu unternehmen? Wann wird die Bundesregierung die völlig unzulänglichen räumlichen Verhältnisse der Deutschen Schule in Tokio durch einen Neubau Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: beheben? Ich möchte mich — ich habe es gerade schon gesagt Bitte, Herr Bundesaußenminister! — hier 'zurückhaltend ausdrücken. Es gibt gewisse Dinge, die man mit Sicherheit durchsetzen kann und Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: die man deswegen tut, und es gibt gewisse andere Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Der Dinge, auf die man nur einen begrenzteren Einfluß deutsche Schulverein in Tokio hat vor kurzem mit hat und die man dann unter Umständen lieber in Mitteln des Schulfonds des Auswärtigen Amts be- anderer Weise behandelt. Ich möchte mich also in reits ein Baugrundstück erworben. Im Entwurf des diesem Punkte keineswegs festgelegt haben. Bundeshaushaltsplanes für 1965 ist ferner ein Leer- titel für die Kosten des Bauvorhabens ausgebracht. Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- Das Auswärtige Amt beabsichtigt, nachdem bau- frage Herr Abgeordneter Gscheidle. fachlich genehmigte Pläne, die gegenwärtig ausge- arbeitet werden, bis dahin vorliegen dürften, für Gscheidle (SPD) : Herr Bundesminister, können das Haushaltsjahr 1966 die erste Baumittelrate zu Sie darüber Auskunft geben, wie hoch die Entwick- veranschlagen. lungshilfe der Bundesrepublik Deutschland an die arabischen Staaten im Jahre 1964 war? Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die Fragen VI/4, VI/5 und VI/6 — der Abgeordneten Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Geisendörfer: Das kann ich nicht aus dem Stegreif sagen; aber ich Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Beispiel anderer Staa- ten zu folgen und eine Laufbahn für Wissenschaftsattachés ein- will mir die Zahlen gern geben lassen. zurichten? 7272 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Vizepräsident Dr. Jaeger In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung — bei Bejahung des zuerst angeführten Beamten so unzureichend ist, der Frage VI/4 — die Zuständigkeit solcher Wissenschafts- attachés zu regeln? daß es sehr fraglich ist, ob er seiner Aufgabe in dem Hat die Bundesregierung — bei Bejahung der Frage VI/4 — gewünschtem Maße nachkommen kann? schon bestimmte Vorstellungen, bei welchen diplomatischen Ver- tretungen und wann solche Wissenschaftsattachés bestellt werden sollen? Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Bitte, Herr Bundesaußenminister! Sie sprechen von Washington. Das weiß ich nicht; das will ich mir aber gern noch einmal vortragen Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: lassen. Ich habe ja gerade gesagt, daß wir für diese Die Bundesregierung beabsichtigt, an einige deut- andere Stelle im Haushaltsplan 100 000 DM ange- sche Botschaften in den größten und wichtigsten setzt haben. Ich würde glauben, daß das eine Grö- Industrieländern technisch-naturwissenschaftliche ßenordnung ist, mit der man auch das Washingtoner Referenten zu entsenden, die in einem engen beruf- Problem behandeln könnte. Aber, wie gesagt, das lichen Kontakt zu der Forschung stehen und die — muß ich mir einmal in den Einzelheiten ansehen. hierauf kommt es wesentlich an — fähig sind, etwaige politische Auswirkungen technisch-natur- Vizepräsident Dr. Jaeger: Frau Abgeordnete, wissenschaftlicher Entwicklungen zu erkennen. Die Sie haben drei Fragen gestellt, haben also sechs Zu- Bundesregierung ist bemüht, hierfür aus den Krei- satzfragen. Bitte sehr! sen der Forschung geeignete Persönlichkeiten zu ge- winnen. Frau Geisendörfer (CDU/CSU) : Herr Bundes- Diese technisch-naturwissenschaftlichen Referen- minister, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß ten werden für die Dauer ihrer Tätigkeit Angehö- dieses Problem von Ihrem Haus mit Dringlichkeit rige des Auswärtigen Amts sein und von diesem und Nachdruck behandelt wird und daß die von den in Betracht kommenden Botschaften zugeteilt. Ihnen angedeuteten Lösungen möglichst bald reali- Es ist vorgesehen, zunächst bei der Botschaft in siert werden? London einen solchen Referenten einzusetzen. Mit dessen Entsendung ist im kommenden Frühjahr zu Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: rechnen. Für einen späteren Zeitpunkt werden — je Ich möchte Ihre Frage uneingeschränkt mit Ja be- nach den Erfahrungen — die Botschaften in Paris, antworten. Washington, Rom, Tokio für den Einsatz von tech- nisch-naturwissenschaftlichen Beratern in Erwägung zu ziehen sein. Die Mittel für einen ersten Referen- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage ten sind im Haushaltsplan 1965 mit 100 000 DM be- des Abgeordneten Schmitt - Vockenhausen. antragt. Schmitt - Vockenhausen (SPD) : Herr Minister, wie ist der Stand der Diskussion innerhalb der Eine Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Jaeger: Bundesregierung über die Entsendung von Entwick- lungshilfe-Attachés? Frau Geisendörfer (CDU/CSU) : Herr Bundes- minister, ist nicht gerade auch für Washington eine Herr Abgeordneter solche Stelle vorgesehen, nachdem in Washington Vizepräsident Dr. Jaeger: eine große Zahl von wissenschaftlichen und „ato- Schmitt-Vockenhausen, das scheint mir eine geson- maren" Attachés aus sehr viel kleineren Staaten als derte Frage, keine Zusatzfrage mehr zu sein. der Bundesrepublik Deutschland tätig ist und es, Ich rufe auf die Frage VI/7 — der Abgeordneten glaube ich, nachgewiesen ist, daß sie einen großen Frau Freyh (Frankfurt) —:

Einfluß und auch einen wichtigen politischen- Auf- Trifft es zu, daß Ehefrauen von im Auslandsschuldienst ver- trag haben? wendeten und durch das Auswärtige Amt vermittelten deutschen Lehrkräften grundsätzlich an der Schule, an der der Ehemann unterrichtet, nur als Ortskräfte angestellt werden, auch wenn sie die gleichen beruflichen Voraussetzungen wie ihre Ehemän- Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: ner mitbringen und die gleiche Verwendung im Auslandsschul- An der Botschaft Washington ist auf technisch dienst erstreben? naturwissenschaftlichem Gebiet zur Zeit ein Beam- ter des Auswärtigen Dienstes eingesetzt, der über Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: eine entsprechende abgeschlossene Ausbildung ver- Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: fügt. Die Entsendung eines Referenten nach Wa- Grundsätzlich wird nur ein Ehepartner als Lehrer shington erscheint daher nicht vordringlich. Dabei an eine deutsche Auslandsschule vermittelt. Der ist auch zu berücksichtigen, daß dem Militärattaché Grund liegt in folgendem: Die Erfahrung hat gelehrt, stab bei der Botschaft Washington ein technisch daß an Auslandsschulen Unfrieden entstanden ist, wissenschaftlicher Referent für Verteidigungsfragen wenn Ehepartner im gleichen Kollegium arbeiteten beigegeben ist. und gelegentlich gemeinsam in Gegensatz zu dem Kollegium gerieten. Es handelt sich also um Be- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- denken pädagogischer Art. satzfrage. Weitere Bedenken liegen darin, daß vom finan- ziellen Aspekt her ein großes Einkommensgefälle, Frau Geisendörfer (CDU/CSU) : Herr Bundes- wie es sich bei der gleichzeitigen Beschäftigung bei- minister, ist Ihnen bekannt, daß das Hilfspersonal der Ehepartner als vermittelte Kräfte an einer und Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7273

Bundesminister Dr. Schröder derselben Schule ergeben würde, innerhalb des Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Kollegiums leicht zu Neid und Zwistigkeiten führt. In der Tat wäre es schöner, wenn die Antwort posi- Aus dieser Erkenntnis heraus verfahren die Bun- tiv ausfallen könnte, wenn ich auch hier sozusagen desländer im innerdeutschen Schuldienst so, daß über eine bessere zahlenmäßige Auswirkung be- Lehrerehepaare möglichst nicht an der gleichen richten könnte. Dem Mangel ist ja, soweit es sich um Schule unterrichten. Was das Auslandsschulwesen das Zurückgreifen auf den Ehepartner handelt, ge- angeht, so hat der Auslandsschulausschuß der Stän- legentlich in der Weise abgeholfen worden, wie ich digen Konferenz der Kultusminister der Länder auf es geschildert habe. Im übrigen möchte ich sagen, seiner letzten Sitzung im Juli 1964 in Bad Kreuznach Frau Kollegin, daß der Fall, der hinter dieser An- beschlossen, auf eine frühere Empfehlung hinzuwei- frage steht, möglicherweise demnächst in einem sen, wonach Lehrerehepaare nicht an dieselbe Aus- positiven Sinne an einem anderen Ort eine Lösung landsschule vermittelt werden sollten. erfährt — Sie kennen den Fall nicht? —, Die Bundesregierung ist zwar nicht gehalten, den (Heiterkeit) Empfehlungen des Auslandsschulausschusses zu fol- also: an einem anderen Ort eine Lösung erfährt. Da gen; sie hat jedoch in Anerkennung der vorgetrage- ist ein entsprechendes Angebot gemacht worden. nen pädagogischen und finanziellen Bedenken eine Aber es wird nicht immer möglich sein, allen Prin- Vermittlung von Lehrerehepaaren an dieselbe Aus- zipien gleichzeitig Rechnung zu tragen. landsschule seit 1962 vermieden. Im übrigen wird auch im Bereich des Auswärtigen Dienstes der Vizepräsident Dr. Jaeger: Frau Abgeordnete Grundsatz befolgt, daß Ehepaare, die Angehörige Freyh, Sie haben keine Zusatzfrage mehr? — Dann des Auswärtigen Dienstes sind, nicht an derselben als nächster Herr Abgeordneter Matthöfer. Auslandsdienststelle verwendet werden. Die Bundesregierung erhebt jedoch in der Regel Matthöfer (SPD) : Herr Minister, Sie sprachen keine Einwendungen, wenn der einheimische Schul- von „Ehepartner". Gibt es auch Fälle, in denen verein den Ehepartner eines vermittelten Lehrers mitgebrachte Ehemänner nur als örtliche Kräfte ein- als Ortskraft anzustellen wünscht. gestellt werden? (Heiterkeit.) Frau Freyh (Frankfurt) (SPD) : Herr Minister, darf ich dieser Antwort also entnehmen, daß Sie Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: auch in Zukunft nicht bereit sein werden, Ehepaare Ich kenne einen solchen Fall nicht. Aber ich habe ja an den Schulen gleichwertig anzustellen und damit gesagt: das Problem der Gleichberechtigung läßt sich dem in meiner zweiten Frage erwähnten Grund- nicht unbedingt befriedigend regeln. Cum grano satz der Gleichberechtigung Geltung zu verschaffen? salis würde dort dasselbe gelten.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Diese Zusatzfrage Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter betrifft die Frage VI/8 — der Frau Abgeordneten Schmidt (Offenbach). Freyh (Frankfurt) —:

Wie beurteilt die Bundesregierung — falls die Frage VI/7 zu- Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) : Herr Minister, stimmend zu beantworten ist — diesen Sachverhalt vor allem meinen Sie nicht auch, daß man bei der Regelung, die im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichberechtigung? Sie vorschlugen — die Ehefrauen, die Lehrerinnen sind, als Ortskräfte einzustellen —, eine Lösung Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: finden müßte, um die beamtenrechtlichen Nachteile, Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sich die den Lehrerinnen dadurch entstehen, auszu- gerade auf dem Gebiete des Auslandsschulwesens gleichen? die Frage der Gleichberechtigung kaum befriedigend lösen lassen wird. Sie ist bestrebt, Lehrerehepaaren Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: bei der Verwirklichung des Wunsches zu helfen, im Ich glaube, daß das möglich sein müßte. Im Grunde Auslandsschuldienst tätig zu sein. Sie muß aller- können wir davon ausgehen, daß die Betreffenden dings auch bemüht bleiben, die eingangs geschilder- für die Zeit, in der sie im Auslandsschuldienst sind, ten Gefahren zu vermeiden. Dabei muß sie davon sowieso besser gestellt werden. Aber sie sollen da- ausgehen, daß der Ehepartner eines in den Aus- durch natürlich nicht in eine Lage kommen, in der landsschuldienst vermittelten Lehrers keinen Rechts- sie nachher versorgungsmäßig schlechter gestellt anspruch auf Vermittlung in den Auslandsschul- wären. Da stimme ich Ihnen ganz zu. dienst hat. Das ist die Antwort auf Ihre zweite Frage. Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter Könen (Düsseldorf). Vizepräsident Dr. Jaeger: Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? — Sie haben vier Zusatzfragen. Könen (Düsseldorf) (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß insbesondere in Südamerika Frau Freyh (Frankfurt) (SPD) : Wie beurteilt die deutsche Angestellte und Ingenieure, die wegen der Bundesregierung diese Antwort im Zusammenhang Lage ihres Arbeitsplatzes nicht in der Lage sind, mit dem spürbaren Lehrermangel, der auch an Aus- ihre Kinder in einer zentral gelegenen deutschen landsschulen herrscht? Schule unterrichten zu lassen, sich zusammentun, um 7274 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Könen — und zwar legen sie Wert darauf — ein Lehrer- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- ehepaar zu engagieren, im Wege eines Schul- frage! vereins oder sonstwie, weil sie mit Recht glauben, daß die Frau des Lehrers in Auslandsschulen in Dröscher (SPD) : Ich darf noch einmal fragen. solchen abgelegenen Gebieten nicht nur als Leh- Verstehen Sie, Herr Bundesaußenminister, daß die rerin, sondern auch als Vermittlerin vieler anderer betroffenen Ehepaare die zweitspurige Verwendung Dinge eine wertvolle Arbeit zu tun hat? des Ehepartners nur als Ortskraft als eine ausge- sprochene Benachteiligung und Diskriminierung be- trachten müssen? Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Ich weiß das nicht im einzelnen, Herr Kollege Könen, Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: aber möglicherweise haben Sie den Fall der deut- Ich verstehe schon, daß viele es so empfinden. Aber schen Schule in Santa Cruz in Bolivien im Auge, wo die Empfindungen des 'Menschen sind nicht immer in der Tat zwei andere Lehrerehepaare mit Doppel- berechtigt, wenn man gleichzeitig die Empfindungen kontrakt tätig sind und wo einem weiteren deut- anderer 'berücksichtigt. Die Empfindungen anderer schen Lehrerehepaar ein Doppelkontrakt angeboten gegenüber diesem Tatbestand sind ganz erheblich worden ist. Daraus ergibt sich, daß es örtliche Aus- anders. Die Empfindungen anderer sind die, daß es nahmen geben kann. hier. einem Ehepaar besonders und ungebührlich gut geht. Das ist leider so. Der Neid oder die Miß- Könen (Düsseldorf) (SPD) : Herr Minister, darf gunst spielt unter den Menschen eine größere Rolle, ich Ihnen sagen, daß ich Sie enttäuschen muß? Ich als das nach der Anlage der Schöpfung sein sollte. sprach jetzt von Kolumbien, wo die gleichen Ver- (Heiterkeit.) hältnisse sind. Dröscher (SPD) : Darf ich aus Ihrer Antwort Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: schließen, Herr Bundesaußenminister, daß das Aus- Gut, also ich habe hier Bolivien als ein Beispiel. Wie wärtige Amt die Position 'der Neidischen stärker es in Kolumbien ist, weiß ich nicht, aber ich will mir berücksichtigt als derjenigen, die Gerechtigkeit ver- das gerne einmal ansehen. langen? Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Könen (Düsseldorf) (SPD) : Herr Minister, sind Die Frage der Gerechtigkeit ist eine noch komplizier- wir uns, wenn ich einmal mit der Sache an Sie her- tere Frage, und dafür einen objektiven Maßstab an- antrete, darüber einig, daß in 2800 m Höhe die Ein- zugeben, ist noch schwieriger. Ich glaube, dies sind richtung deutscher Schulen ein wenig schwierig ist Dinge, die man wirklich nur als Lebens- und Gesell- und daß deshalb Lehrerehepaare dort sehr notwen- schaftsverhältnisse ansehen kann und bei denen man dig wären? den Versuch machen muß, zu Lösungen zu kommen, die sowohl für die Betroffenen wie für ihre Umwelt Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: erträglich sind und die auch nicht gegen Rechts- Ich dachte, daß das schon für Bolivien zuträfe. Aber prinzipien verstoßen. Das ist die Haltung, die ich für andere Plätze wird das möglicherweise ebenso hier eingenommen habe. gelten. Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- frage Frau Abgeordnete Beyer. Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter Dröscher! Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) : Herr Minister, halten Sie es familienpolitisch für richtig, Ehepart- Dröscher (SPD) : Herr Bundesaußenminister, ob- ner, die beide im Auswärtigen Dienst beschäftigt wohl ich hoffe, daß in Ihrer vorhin gegebenen posi- sind, in getrennten Ländern unterzubringen, wie das tiven Antwort der in Ihrem Amt vorgetragene Fall aus Ihren Ausführungen hervorgeht? des Lehrerehepaares Groß gemeint ist, der sich positiv entwickeln könnte, darf ich doch noch ein- Bundesminister des Auswärtigen: mal fragen: Sind Sie sicher, daß die von Ihnen ,ge- Dr. Schröder, Frau Kollegin, als ich gestern abend diese Antwort gebene Auskunft, auch in Innerdeutschland würden studierte, bekam ich an dieser Stelle einen leichten Lehrerehepaare möglichst nicht an einer Schule be- Schreck; das muß ich Ihnen zugeben. Diese Fälle schäftigt, noch den heutigen Gegebenheiten ent- sind aber nicht sehr häufig. Ich will Ihnen aus der spricht, nachdem z. B. in meinem Amt an zwei jüngeren Zeit einen Fall erzählen. Ein jüngeres Ehe- Schulen mit sehr gutem Erfolg Lehrerehepaare paar wurde entgegen diesem Grundsatz an dieselbe gleichzeitig an einem Schulort tätig sind? Stelle versetzt. Nach einer gewissen Zeit vergrö- ßerte sich die Familie auf natürliche Weise, Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin kein genauer Kenner der innerdeutschen (Heiterkeit) Schulverhältnisse, und ich muß mich auf das ver- und die Ehefrau quittierte den Dienst, so daß sich lassen, war mir die zuständigen Stellen als ihre das Problem auf diese Weise regelte. Dieser Grund- Politik erklärt haben. Daß es davon Ausnahmen satz hört sich sehr hart an; aber es gibt wohl nicht geben mag, 'das glaube ich schon. sehr viele praktische Fälle. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7275

Vizepräsident Dr. Jaeger: Damit komme ich Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: zu den Fragen VI/9 und VI/10 — des Abgeordneten Soweit es sich um die Beteiligung deutscher Militär- Biechele —: personen handelte, würde ich dem außerordentlich

Sind unter den Deutschen, die im Kongo (Bereich Stanleyville) zurückhaltend gegenüberstehen. Soweit es sich um in die Hände der Aufständischen geraten sind, Opfer zu bekla- die Unterstützung anderer Rettungsaktionen han- gen? delt, würde ich die Sache wesentlich positiver be- trachten. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den an Leib und Leben bedrohten Deutschen zu helfen? Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine vierte und Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: letzte Zusatzfrage! Ich darf die Antwort auf die beiden Fragen zusam- menfassen. Biechele (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, ich Nach den bisher vorliegenden Berichten sind habe nur „die Unterstützung anderer Rettungsaktio- keine deutschen Staatsangehörigen unter den jetzi- nen" im Auge. Würden Sie bereit sein, wenn es gen Opfern im Kongo zu beklagen. Die Weite des dahin käme, für die Bundesregierung in diesem Be- Raumes und die bestehenden Verkehrsverhältnisse reich eine Hilfe anzubieten? erschweren alle praktischen Maßnahmen, Leib und Leben zu schützen. Die dafür in Frage kommenden Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: deutschen Botschaften haben bereits vor längerer Das halte ich für durchaus möglich. Zeit alle zur Rettung möglichen Schritte unternom- men. Die Bundesregierung hat sich darüber hinaus Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, mit den zuständigen in- und ausländischen nationa- Herr Bundesminister. len wie internationalen Stellen in Verbindung ge- Infolge der fortgeschrittenen Zeit können die an- setzt und sie gebeten, bei der Rettung deutscher deren Fragen erst morgen 'beantwortet werden. Staatsangehöriger mitzuwirken. Wir kommen noch einmal zurück zum Geschäfts- bereich des Bundesministers für wissenschaftliche Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage! Forschung. Ich rufe die hierzu vorliegende Frage des Abgeordneten Dr. Imle auf:

Biechele (CDU/CSU) : Besitzt die Bundesregie- Wie beurteilt die Bundesregierung die Bestrebungen in Flens- burg, in Erweiterung der Staatlichen Schiffsingenieurschule und rung Informationen darüber, wieviel deutsche der Forschungs- und Erprobungsstelle für Schiffsbetriebstechnik eine Technische Hochschule zu errichten, wobei als erste Stufe Staatsbürger etwa in diesem Bereich gelebt haben die Errichtung einer Technischen Akademie als Außenstelle der und tätig gewesen sind? Universität Kiel in Betracht käme?

Ich darf bitten, Herr Bundesminister. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe hier keine Unterlagen darüber zur Ver- fügung, will das aber gern festzustellen versuchen. Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For- schung: Die Planung und Errichtung von neuen wis- senschaftlichen Hochschulen ist Aufgabe der Län- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- der. Wegen der großen Bedeutung der Hochschu- satzfrage! len für die wissenschaftliche Forschung ist die Bun- desregierung jedoch, wie sie wiederholt erklärt hat, Biechele (CDU/CSU) : Herr Minister, ist Ihnen bereit, sich an der Finanzierung der neuen Hoch- bekannt, ob in diesem Raum auch deutsche Entwick- schulen zu 'beteiligen. Hierüber hofft sie in Kürze lungsprojekte verwirklicht worden sind oder ver- mit den Ländern, die bekanntlich am 4. Juni dieses wirklicht werden sollen? Jahres ein Abkommen über die Finanzierung neuer Hochschulen abgeschlossen haben, zu einer Verein- barung zu kommen. Eine wesentliche Voraussetzung Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: für ihre Beteiligung an einem Neugründungsprojekt In einem gewissen Umfange, Herr Kollege, trifft das schon zu. ist für die Bundesregierung eine positive Beurtei- lung durch den Wissenschaftsrat.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine Zusatz- Soweit ich unterrichtet bin, ist die Frage der Er- richtung einer frage? Sie können ja vier Zusatzfragen stellen. Technischen Hochschule in Flensburg über den Stand von Vorerwägungen noch nicht hin- ausgekommen. Der Wissenschaftsrat hat sich mit Biechele (CDU/CSU) : Trifft es zu, Herr Bundes- diesem Neugründungsplan bisher nicht befaßt. Die minister, daß einige Regierungen — ich lese es von Bundesregierung und, wie ich höre, auch die Landes- der britischen Regierung — bei den Vereinten Na- regierung Schleswig-Holstein sind daher der Auf- tionen auf neue Rettungsaktionen drängen und daß fassung, daß zunächst eine Äußerung des Wissen- dabei an den Einsatz einer internationalen Streit- schaftsrates zu der Frage eingeholt werden sollte, macht gedacht ist, und sieht die Bundesregierung ob die Gründung einer Technischen Hochschule im unter Umständen eine Möglichkeit, wenn deutsche norddeutschen Raum empfohlen wird. Erst dann Staatsbürger noch bedroht sein sollten, sich an einer kann beurteilt werden, ob Flensburg als Standort solchen Aktion zu beteiligen? einer Technischen Hochschule in Betracht kommt. 7276 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Der Bundesminister für Verkehr hat am 23. November 1964 Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Herr Bundesminister. Bading, Dr. Imle und Genossen betr. Abladen von Schutt und Abfällen in der Nordsee - Drucksache IV/2711 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2765 verteilt. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende Der Bundesminister der Finanzen hat am 3. November 1964 der Fragestunde. Bevor wir in der Tagesordnung unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 4. Dezember 1963 über die derzeitige umsatzsteuerliche und ausgleichsteuer fortfahren, habe ich eine Reihe amtlicher Mitteilun- liche Behandlung von Schweineschmalz und Talg berichtet. Sein gen zu machen: Schreiben ist als Drucksache IV/2698 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft Die Mitgliedschaft im Bundestag haben erworben: und Forsten hat am 13. November 1964 zum Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die die Abgeordnete Frau Griesinger am 23. Novem- Regelung für verschiedene Mischfutterarten - Drucksache IV/2673 - mitgeteilt, daß er von einer Stellungnahme absieht, da der ber 1964 als Nachfolgerin für den am 16. Novem- Ministerrat der EWG über die Verordnung bereits Beschluß ber durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten gefaßt hat. Der Ausschuß hat gegen die Verordnung keine Bedenken erhoben. Dr. Hahn (Heidelberg) und die Abgeordnete Frau Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft Kleinert am 13. November als Nachfolgerin für den und Forsten hat am 19. November 1964 mitgeteilt, daß gegen die Verordnung Nr. 142/64/EWG des Rats vom 21. Oktober 1964 zur verstorbenen Abgeordneten Winterstein. Verlängerung und Anpassung der Grenzen der Erstattung bei der Erzeugung für Getreide- und Kartoffelstärke bis zum Ich begrüße die neuen Kolleginnen und wünsche 31. März 1965 (Amtsbl. 169/64) keine Bedenken erhoben werden. ihnen ,eine gute Zusammenarbeit. Der Bundesminister für Verkehr hat am 19. November 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 4. Novem- ber 1964 wegen der Errichtung einer D-Zug-Station im Raum (Beifall.) Bingen-Bingerbrück berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2775 verteilt. Sodann hat die Mitgliedschaft im Bundestag er- Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen worben - wieder .erworben, darf ich sagen - der überwiesen: Herr Abgeordnete Dr. Preiß am 24. November 1964 Verordnung des Rats über Maßnahmen, die beim Eintreten als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten einer Lage zu treffen sind, welche die Verwirklichung der in Art. 39 Abs. 1 Buchstaben c), d) und e) des Vertrages Dr. von Brentano. Der Herr Kollege Dr. Preiß mußte genannten Ziele gefährden könnte - Drucksache IV/2730 - sich einer Operation unterziehen und befindet sich an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum noch im Krankenhaus. Ich wünsche ihm baldige am 20. Januar 1965 Genesung. Verordnung des Rats zur Ergänzung der Verordnung Nr. 3 (Beifall.) und 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Stellung der Hilfskräfte bei den europäischen Gemeinschaf- Am 17. November hat der Herr Abgeordnete ten) - Drucksache IV/2734 - an den Ausschuß für Sozialpolitik mit der Bitte um Vorlage des Dr. Dr. h. c. Friedensburg seinen 78. Geburtstag Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Dezember 1964 gefeiert. Ich darf ihm die Glückwünsche des Hauses Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoef- fizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und meine eigenen aussprechen. - Drucksache IV/2748 - (Beifall.) an den Ausschuß für Inneres mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Dezember 1964 Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden Richtlinie des Rats über die Verpflichtung der Mitglied- staaten der EWG zur Aufrechterhaltung von Mindestvorräten ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht an Erdöl und Erdölerzeugnissen (Artikel 103 Absatz 2 und aufgenommen: Absatz 4 EWGV) - Drucksache IV/2756 - an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Be- Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. November 1964 richts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Januar 1965 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt: Verordnung des Rats über die Durchführung einer Grund- Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Ge- erhebung im Rahmen eines Erhebungsprogramms zur Unter- richtsverfassungsgesetzes (StPÄG) suchung der Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in der Gesetz zu dem Abkommen vom 5. März 1962 zwischen der EWG - Drucksache IV/2757 - Bundesrepublik Thailand Deutschland und dem Königreich an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit über den Luftverkehr der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. am 27. Januar 1965. Der Bundesminister des Innern hat am 13. November 1964 die Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausrüstung des des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vor- Luftschutzhilfsdienstes - Drucksache IV/2546 - -beantwortet. lagen überwiesen: Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2741 verteilt. Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 12. November Zolltarifs 1963 (Zollaussetzungen 1964 - III. Teil) - Druck- 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen sache IV/2732 - zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Be- die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raume handlung Soltau-Lüneburg - Drucksache IV/2639 - beantwortet. Sein Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Schreiben ist als Drucksache IV/2742 verteilt. Zolltarifs 1963 (Assoziierung zwischen der EWG und der Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 10. November Türkei) - Drucksache IV/2763 - 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtsstel- an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des lung der bei den Alliierten Beschäftigten - Drucksache IV/2638 Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. März 1965. - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2743 ver- teilt. Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 12. November 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtsan- Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: sprüche unehelicher Kinder gegenüber Angehörigen der alliierten Streitkräfte - Drucksache IV/2637 - beantwortet. Sein Schrei- ben ist als Drucksache IV/2744 verteilt. Beratung der Sammelübersicht 37 des Aus- Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und schusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Raumordnung hat am 21. November 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Dr. Imle und Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bun- Genossen betr. Schutz des Mutterbodens - Drucksache IV/2710 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2758 ver- destages zu Petitionen (Drucksache IV/2762). teilt. Der Bundesminister für Verkehr hat am 23. November 1964 Das Wort wird nicht begehrt. Ich nehme an, 'daß die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Dr. Imle und Genossen betr. Fischereirechte am Ober- dem Ausschußantrag zugestimmt wird. - Wider- rhein - Drucksache IV/2712 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2764 verteilt. spruch erfolgt nicht. So beschlossen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7277 Vizepräsident Dr. Jaeger Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung: Kostenpreisen nichts mehr zu tun haben und da- a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- durch die Absatzlage der Kohle verschärfen, da desregierung eingebrachten Entwurfs eines hier ein ruinöser und nicht mehr ein normaler Wett- Gesetzes über das Zollkontingent für feste bewerb gegeben ist. Außerdem steht Erdgas vor der Tür. Brennstoffe 1965, 1966 und 1967 (Drucksache IV/2471), Man sollte immer von zwei Voraussetzungen aus- Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- gehen: einmal davon, daß die europäische Stein- schusses (17. Ausschuß) (Drucksache IV/2752); kohle in voraussehbarer Zeit zu normalen Bedin- (Erste Beratung 138. Sitzung) gungen nicht wettbewerbsfähig wird, und zum an- deren davon, daß aus Gründen der Produktivität und b) Fortsetzung der Aussprache über die Große der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Mark- Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP tes gegenüber anderen Märkten eine möglichst betreffend Situation des Energiemarktes, ins- sichere, vor allem ausreichende und möglichst preis- besondere Lage des Steinkohlenbergbaus werte Energie zur Verfügung stehen soll. Aus der und über die Große Anfrage der Fraktion der ersten Voraussetzung ergibt sich, daß man entweder SPD betreffend Energiepolitik und Lage des die Steinkohle in Deutschland und der EWG zu Steinkohlenbergbaus (Drucksachen IV/2695, einem sehr großen Teil aufgeben oder daß man zu IV/2721) . mittelbaren oder unmittelbaren Subventionen grei- Herr Abgeordneter Blumenfeld hat einen Schrift- fen muß, wie es ja auch schon geschehen ist. Aus lichen Bericht erstattet. Ich nehme an, .daß eine der zweiten Voraussetzung ergibt sich, daß sich der Ergänzung nicht notwendig ist. — Wettbewerb unter marktgerechten Bedingungen Wir können damit in die Aussprache eintreten. vollziehen soll, womit eigentlich ausgeschlossen sein müßte, daß einer der Energieträger einen ruinösen Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Wettbewerb betreibt. Burgbacher. Der Begriff der Sicherheit kann nur relativ und nicht absolut verstanden werden. Sowohl die Bun- Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Herr Präsident, desrepublik als auch der Gemeinsame Markt sind meine Damen und Herren! Zunächst handelt es sich und bleiben energieimportabhängig, und diese Ener- um die Vorlage für Kohlezoll und Kohlekontingent. gieimportabhängigkeit wird mit der Steigerung der Ich glaube, daß wir darüber keine Debatte mehr zu Energienachfrage, die nicht nur unvermeidbar, son- führen brauchen. Wir haben in dieser Vorlage die dern auch notwendig ist, noch steigen. Als sicher Einfuhr der Kohlenmenge nicht wie bisher erhöht, wird man ansehen dürfen die Energieträger an hei- sondern sie mit Rücksicht auf die Kohlesituation auf mischer Energie, worunter ich Energie in Europa dem alten Stand belassen. Wir haben die Verteilung oder im EWG-Raum verstehe. Dann folgen die an- in Verbrauchsnähe gebracht und haben die Ver- deren Räume des freien Europa, dann folgen die längerung auf drei Jahre vorgeschlagen, weil wir Räume der NATO-Welt, dann die der neutralen annehmen, daß diese Frage nach drei Jahren auf Welt und — als unsicherstes Glied — die des EWG-Ebene ihre Regelung gefunden hat. Ostens. Es scheint aber nicht gleichgültig zu sein, Nun zu dem Hauptthema! Ende 1956 hat das ob in der Bundesrepublik und im Gemeinsamen Europäische Parlament in Straßburg in langen De- Markt der Grad der Energieversorgung aus heimi- batten die Probleme erörtert, die sich aus der da- schen Energieträgern 10 bis 20 % oder 30 bis 50 % mals gegebenen Kohlenmangellage ergaben. Es beträgt. Alle Länder der freien Welt überlegen eine wurde die Frage erörtert, ob nicht die Bestimmung Notstandsgesetzgebung, die nicht nur für Fälle des der Pariser Verträge über die Verkündung der heißen, sondern auch für Fälle des sogenannten kal- Mangellage angewandt werden müßte. Knapp zwei ten Krieges eine relative Sicherheit gewährleistet, Jahre später hat das gleiche Europäische Parlament d. h. die Sicherheit, die aus geologischen Gründen, die Probleme erörtert, die sich aus dem Kohlen- aus Gründen der Vorkommen der Energieträger überfluß, der dann an Stelle des Mangels eingetreten möglich ist. war, ergaben. Aus diesem historisch belegten Bei- Was soll eine Notstandsgesetzgebung nutzen, spiel mag man ersehen, daß in der energiewirt- wenn im Falle eines kalten Krieges die gesamte schaftlichen Entwicklung Prognosen auf längere Energieversorgung und damit praktisch das wirt- Sicht zwar zweckmäßig sind, aber immer mit der schaftliche und zivile Leben mehr oder weniger notwendigen Skepsis, vor allem in Hinblick auf stillgelegt wird? Wenn in der Bundesrepublik für ihre praktischen Folgerungen, gesehen werden müs- die Bundeswehr über 20 Milliarden DM jährlich sen. ausgegeben werden, so hat dieses notwendige Ab- Diese Kohlenüberflußlage besteht nun also schon wehrinstrument nur seine Effektivität mit einem seit sechs Jahren. Es ist gelungen, in diesen sechs Minimum an eigener Energieversorgung, auf jeden Jahren Förderung und Verkauf der deutschen Stein- Fall mit einem Minimum der Energieversorgung, die kohle zu sichern. Die jetzt in den Revieren des man dringend und unverzichtbar braucht. Steinkohlenbergbaus eingetretene Unruhe ist durch die Anmeldung auf Grund des Rationalisierungs- Man könnte demzufolge auch so argumentieren, verbandsgesetzes entstanden. Sie ist verschärft wor- daß ein öffentlicher Zuschuß zur sicheren Energie- den durch die Tatsache, daß auf dem Heizölmarkt versorgung eigentlich zur sicheren Verteidigung der Preiszusammenbrüche zu verzeichnen sind, die mit Freiheit und Existenz notwendig ist — wie es übri- 7278 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Burgbacher gens in der USA-Gesetzgebung mit dieser Begrün- Ich bitte, diese Hinweise nicht so aufzufassen, als dung geschieht. wollte ich behaupten, ,daß die Preise über die Kostenpreise der europäischen Steinkohle steigen; Diese Feststellung hat nicht nur Bedeutung für das liegt mir fern. Ich habe schon in der Einleitung den Fall des kalten oder heißen Krieges, sondern bemerkt, daß in absehbarer Zeit ohne öffentliche hat auch in sogenannten ruhigen Zeiten, in denen Hilfe die europäische und die deutsche Steinkohle auf politischer, parlamentarischer und diplomatischer nicht wettbewerbsfähig sein kann, aber nicht nur Ebene gearbeitet und gefochten wird. Denn der prä- wegen des Öls, sondern wegen der unter gänzlich sumtive Gegner weiß über den Grad der Sicherheit anderen geologischen Voraussetzungen geförderten in der Energieversorgung und damit der Überlebens- US-Kohle. möglichkeit genau Bescheid, und je nachdem, wie ernst er sie nimmt, beurteilt er die Stärke unserer Wenn ich in diesem Zusammenhang auf das Argumente. scheinbar ferner liegende Gebiet der Reinhaltung der Luft und des Wassers hinweise, so bitte ich das In allen Ländern bestehen dirigistische oder re- so zu verstehen, daß die Luftverunreinigung durch striktive Bestimmungen auf dem Gebiet der Energie- die Verwendung der Heizöle und die Gefahr der versorgung. In vielen Teilen der freien Welt, wie Wasserverunreinigung durch Undichtigkeit von Öl- etwa in England, Frankreich, Osterreich und de leitungen oder Öltransporten bestehen. Ich erwähne facto im wesentlichen auch in Italien und in ge- das, weil auf diesem Gebiet wahrscheinlich noch wissem Sinne in Holland, ist die Energiewirtschaft Kosten auf uns zukommen, die den Ölpreis beein- verstaatlicht oder staatlich beherrscht. Es gibt in der flussen können. freien Welt außer der Bundesrepublik, die eine re- lativ liberale Energiepolitik betreibt, nur noch die Wir brauchen die Steinkohle. Die Steinkohle ist skandinavischen Länder mit liberalen Märkten für vor allem nicht substiuierbar in der Eisen- und Energiewirtschaft. Gleichzeitig ist festzustellen, daß Stahlgewinnung und schwer substituierbar in allen die Bundesrepublik seit Jahren eine hervorragende auf Kohle gebauten Elektrizitätswerken. Würde man wirtschaftliche Entwicklung nimmt und voraussicht- die Kohlenförderung erheblich schrumpfen lassen, so würde das auch für die Entwicklung der Eisen- lich in der Zukunft nehmen wird und demzufolge eine ständig steigende Energienachfrage zu erwarten und Stahlindustrie und der deutschen Elektrizitäts- ist. wirtschaft von negativer Bedeutung sein. Aus ,diesen Gründen stürzt sich die internationale Die Notwendigkeit, etwas zu tun, haben Bundes- Ölindustrie auf diesen deutschen Markt, um sich tag und Bundesregierung rechtzeitig erkannt. Sie einen möglichst großen Anteil für das Erdöl zu haben vor allem die Richtlinie verkündet, daß der sichern. Das ist nicht nur ein prinzipieller Kampf des deutsche Steinkohlenbergbau die echte Chance Öls, sondern es ist auch ein individueller Kampf haben muß, 140 Millionen Tonnen jährlich zu för- dern und zu verkaufen. Abgesichert ist diese Er- zwischen den einzelnen Ölunternehmen. Daher er- klären sich die Preiszusammenbrüche. klärung durch das Gesetz über das Zollkontingent für feste Brennstoffe, das wir heute verabschieden Sicherlich ist es jedem Verbraucher von schwerem wollen, durch die Heizölbesteuerung, durch die Bei- oder leichtem Heizöl sehr zu gönnen, daß er sich zu hilfen zur Knappschaft, durch das Gesetz über den den billigsten Preisen, die es in der Welt gibt, ver- Rationalisierungsverband und noch einige andere sorgen kann. Er trifft aber aller Wahrscheinlichkeit Maßnahmen. nach eine Entscheidung auf Grund eines Irrtums, Bei der Beurteilung der Hilfe an die Knappschaft nämlich insofern, als er annimmt, daß diese Preise mit rund 1,8 Milliarden DM jährlich muß man aller- in Zukunft bleiben, während sie heute schon jen- dings in Betracht ziehen, daß der Bergbau über- seits unserer Bundesgrenzen erheblich höher sind proportional mit sozialen Leistungen belastet ist, als bei uns und also in der Höhe, in der sie 'bei uns die sich aus der Eigenart des Berufs ergeben, und bestehen, nicht bleiben werden. außerdem, daß die Knappschaft bei relativ sinkender Aktiv-Belegschaft und relativ ständig steigender Die derzeitigen Welterdölvorkommen reichen für Zahl der Bezugsberechtigten lebt. Anders formuliert den derzeitigen Welterdölbedarf knapp 40 Jahre. ist es so, daß, wenn die Knappschaft ein Teil der Die Erdölindustrie sagt, daß noch neue Erdölvor- allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherung wäre, kommen gefunden werden. Das mag sein. Vom Ver- dieser Tatbestand überhaupt nicht erkennbar wäre. brauch her aber ist zu sagen, daß der Ölverbrauch rasant weiter steigen wird, auch bei angemessenen Nun sind auf Grund des Rationalisierungsver- Preisen. Außerdem müssen wir geradezu hoffen, daß bandsgesetzes 31 große und fünf kleine Schacht- die Entwicklungsländer sich entwickeln, das heißt anlagen zur Stillegung angemeldet worden. Auf der vor allem, daß sie anfangen oder fortsetzen, ihren Basis der Förderung von 1959 bis 1961 würde das Energiebedarf zu steigern. Was bedeutet es aber, die Stillegung von 26 Millionen Tonnen bedeuten, wenn rund 1 Milliarde Menschen beginnen, Energie von denen bereits 4 Millionen stillgelegt sind. zu verbrauchen, auch wenn sie in bescheidenem Um- Es ist nun zweifellos so, daß in diesen Anmeldungen fang beginnen! Das bedeutet, daß dann die Nach- sogenannte Vorsorgeanmeldungen enthalten sind, frage nach Öl und demzufolge nach den Heizölen d. h. die Anmeldungen von all den Schachtanlagen, erheblich steigt und daß sich dann selbstverständ- die noch nicht wissen, ob sie stillegen, die aber zur lich die Preise auf ein anderes Niveau einpendeln Vermeidung eventueller finanzieller Nachteile die werden. Frist gewahrt haben. Es scheint jetzt schon erkenn- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7279

Dr. Burgbacher bar, daß von den 26 Millionen 12 bis 15 Millionen dern die Preise für schwere und leichte Heizöle zwi positiv rationalisierbar sind, d. h. daß heute schon schen 20 und 80 % über den bei uns zur Zeit erhobe- feststeht, daß diese Menge an anderer Stelle geför- nen Preisen liegen. dert werden wird. Von den verbleibenden 12 bis Wenn man, nebenbei bemerkt, die fiskalischen 14 Millionen Tonnen ist sicherlich ein großer Teil Belastungen der Heizöle in den europäischen Län- sogenannte Vorsorgeanmeldung und entfällt. Es dern miteinander vergleicht, stellt man fest, daß bei würde vielleicht noch die Gefahr einer vorläufig den leichten Heizölen Großbritannien und Belgien echten Reduktion der Förderung um 5 bis 7 Mil- weit über unseren Belastungen, fast beim Doppelten, lionen Tonnen bestehen. liegen. Frankreich liegt in der Belastung mit uns Man sollte diese Zahlen, die ja noch nicht effek- gleich. Nur die Niederländer liegen etwas unter tiv sind, bei allen Beteiligten mit Ruhe und Be- unserer Belastung. Beim schweren Heizöl liegen wir sonnenheit beurteilen, vor allem sich in die inneren in der Belastung allerdings an der Spitze, aber mit Zusammenhänge vertiefen. Eine offizielle Liste geringen Abständen zu Großbritannien und Italien, der Antragsteller ist noch nicht bekannt. Was man mit größeren zu den Niederlanden. aber darüber hört, zwingt zum Nachdenken. Wenn Glaubt man nun, daß sich die Ölindustrie inner- unter den beantragten Stillegungen solche mit halb des 'Gemeinsamen Marktes auf den niedrigsten 1700 kg pro Mann und Schicht und darunter sind, so Preis, nämlich den bei uns, einpendelt, oder ist das leuchtet der Antrag sozusagen ohne weiteres ein. nicht irreal? Wir wollen nicht sagen, daß sie sich Für die zwischen 1700 und 2200 kg fängt es schon an, auf den höchsten Preis einpendelt, obwohl mir das problematisch zu werden. Ganz problematisch aber bei ständig steigender Nachfrage gar nicht ausge- wird es, wenn für Zechen über 2200 kg, ja, bis schlossen erscheint, auf jeden Fall möglicher als um- 3000 kg pro Mann und Schicht vorsorglich Still- gekehrt. Wir wollen aber annehmen, daß das Ein- legungen beantragt sind. pendeln irgendwo zwischen dem niedrigsten und Warum sage ich das? Nun, die Durchschnitts dem höchsten Preis stattfinden wird. Dann würde die Schichtleistung im Jahre 1963 betrug in Belgien 1,8 t, Wettbewerbssituation schon erheblich anders aus- in Frankreich 1,9 t, in Holland 2,1 t und in der Bun- sehen. desrepublik 2,5 t, heute wahrscheinlich geht sie auf 2,8 t zu. Was nun die gebauten, im Bau befindlichen und angemeldeten Raffineriekapazitäten in der Bundes- Ab 1970 ist der Gemeinsame Markt nach den Rö- republik betrifft, so werden sie 1968 auf knapp 100 mischen Verträgen vollendet. Dann soll im Gemein Millionen Jahrestonnen ausgerichtet sein. Das ent- samen Markt jedes Gut dort gefördert oder erzeugt spricht wärmewertmäßig übrigens auch genau 140 werden, wo das unter den günstigsten Bedingungen Millionen Tonnen Steinkohle. Damit ist entgegen geschieht, natürlich auch unter Berücksichtigung der den Prognosen der Ölindustrie, die sie der Bundes- Frachtfragen usw. Aber auch unter dieser Berück- regierung damals bekanntgegeben hat, der Stand sichtigung wird man generell sagen dürfen, daß nach erreicht, der in der der Bundesregierung mitgeteilten den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes die Vorausschau frühestens 1975 hätte erreicht werden relativ am wenigsten gefährdeten Zechen die deut- sollen. Die Ölindustrie wendet ein, daß die Nach- schen sein müßten. Es scheint nicht ohne weiteres frage eben stärker gestiegen sei, als sie vermutet verständlich, daß wir heute Zechen stillegen, deren habe. Das stimmt auch. Aber offensichtlich ist doch Schichtleistungen erheblich über denen in anderen das Angebot noch stärker gestiegen als die Nach- Ländern liegen. Selbstverständlich muß man bei die- frage; denn wie wäre sonst der Preiszusammenbruch sem Schichtleistungsvergleich neben den Transport- zu erklären? Es ist also so, daß man der Ölindustrie auch die Sortenfrage mit in Betracht ziehen. Mit an- die Abweichung von den Zahlen, die sie der Regie- deren Worten, es erscheint mir notwendig, daß rung damals mitgeteilt hat, nicht allein vorhalten sichergestellt wird, daß im Rahmen des Rationalisie-- kann. Das Entscheidende ist vielmehr, daß sie eine rungsverbandsgesetzes stillgelegt wird nur aus Situation geschaffen oder zugelassen hat, bei der der Rationalisierungsgründen und aus keinen anderen Überfluß des Öls zu Preiszusammenbrüchen führt, unternehmerisch oder privatwirtschaftlich noch so an denen sie letzten Endes selbst keine Freude ha- verständlichen Gründen. ben kann und mit denen sie auf die Dauer nicht existieren kann. (Abg. Arendt [Wattenscheid] : Dann müssen Sie unseren Antrag annehmen!) Die großen Ölgesellschaften in England und vor allem in den USA können rote Zahlen bei uns leicht Es ist also eine Aufgabe für Bund und Bergbau, verkraften, einmal, weil sie in allen anderen Ländern alle Anmeldungen darauf zu überprüfen, ob sie dem höhere Preise haben, und zum anderen, weil sie sich Sinn der Rationalisierung entsprechen oder nicht. Es eben sagen — und das würde ich an ihrer Stelle wäre nützlich, wenn alle Unternehmensleitungen mit auch tun —: Wenn von den großen freien Ländern der Stillegung nicht beginnen würden, bevor diese der westlichen Welt die Bundesrepublik die relativ Kernfrage für jede Schachtanlage geprüft ist. liberalste Energiepolitik hat, dann gehen wir mit Wenn man sich die Preise für die Heizöle ansieht, unserem Überfluß dahin, weil wir dann immer noch muß man feststellen — ich will auf die reizvolle Ver- bessere Preise bekommen, als wenn wir den Über- lesung der Zahlen der Zeit wegen hier verzichten -, fluß ins Meer schütten oder sonstwie nutzlos ver- daß sie in der Bundesrepublik die niedrigsten in der brennen müßten. So sind die Preisdifferenzen zu ,den anderen europäischen Län Welt sind und daß in erklären. 7280 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Burgbacher Wir haben kürzlich den kritischen und pessimisti- Herr. Außerdem ist Politik mehr als Rechenschieber- schen Bericht der Deutschen Erdöl-AG in Hamburg arithmetik. gehört. Aus diesem Bericht ergibt sich, daß bei dem Dann wird ein Gesetz über die Ölpipelines kom- Preischaos auf dem Heizölmarkt die großen inter- men. Das heißt, Leitungen für das Öl sollten unter nationalen Gesellschaften im Rahmen ihrer Gesamt- das gleiche Recht gestellt werden wie Gas- und bilanz mit Jahreserträgen von einigen Milliarden Stromleitungen nach dem Energiewirtschaftsgesetz. Dollar all dies spielend verkraften können. Die deut- Man sollte dieses Gesetz sehr schnell erlassen. An schen Ölgesellschaften müssen sich mit diesen Prei- dieser Stelle sei bemerkt, daß sich der nächste Bun- sen aber auch abfinden. Sie haben jedoch keine destag einer Reform des Energiewirtschaftsgesetzes internationale „Mutter", die ihnen von den reichen angelegen sein lassen muß. Denn so, wie es jetzt ist, Einnahmen aus anderen Ländern einen Zuschuß für daß es nur auf Gas- und Elektrizitätswirtschaft ab- den deutschen Markt geben könnte. Das heißt, ihre gestellt ist, kann es wohl nicht bleiben, nachdem Existenz ist gefährdet; das heißt aber auch, daß feststeht, daß andere Energien auf dem Markt sind dieses Preischaos vom Standpunkt der internatio- oder auf den Markt kommen. nalen Ölgesellschaften die angenehme Folge hat, daß die deutschen Ölgesellschaften in ihrer Existenz er- Die Anmeldung der Raffinerien und der Ölleitun- schüttert, wenn nicht gar auf die Dauer ernstlich gen mag ein erster Schritt für weitere Maßnahmen bedroht werden. Kann uns das gleichgültig sein? — sein. Von wesentlicher Bedeutung außer informa- Ich glaube nicht. Deshalb haben Bundestag und tiver Art ist diese Maßnahme zunächst wohl nicht. Bundesregierung das Gesetz über die Beihilfen aus Dagegen ist die Anregung, daß sich deutsche dem Mineralölsteueraufkommen zugunsten der För- Kohle, deutsches Erdgas und deutsches Öl bzw. euro- derung der heimischen Ölindustrie mit der Möglich- päische Kohle, europäisches Erdgas und europäisches keit zu Krediten bis 800 Millionen DM verabschiedet. Öl zu einer echten Zusammenarbeit zusammenfin- Welche Aussichten hat die Steigerung der Pro- den, beginnend hier in der Bundesrepublik, vor duktion heimischen Öls, wenn die Heizölprodukte allem um bei der Erdgasentwicklung die Vorgänge weit unter Kostenpreis verkauft werden müssen? zu vermeiden, die wir bei der Ölentwicklung zu ver- Sollen wir uns die Möglichkeit zur Steigerung hei- zeichnen haben, eine sehr wichtige und nützliche An- mischer Energiedarbietung — darunter verstehen regung. Ich hoffe, daß die, die es angeht, sie gut ge- wir nicht nur Kohle, sondern auch heimisches 01 hört haben, vor allem aber beachten, um eventuelle und Erdgas — verscherzen? Maßnahmen dieses Hauses durch ihr eigenes Ver- halten überflüssig zu machen. In der vom Bundeswirtschaftsminister am 13. No- vember gehaltenen Rede zu den Großen Anfragen Die Förderung des Baus von Blockheizwerken ist der Koalition und der Opposition sind gewichtige eine gute Anregung, aber ein bescheidener Beitrag Ansatzpunkte für weitere Maßnahmen enthalten; ich zur Gesamtlösung des Problems. nenne die Förderung der Verstromung der Kohle. Herr Präsident Schneider aus Düsseldorf hat Es ist zweifellos für eine Volkswirtschaft von gro- eine Anregung gegeben, die ich wenigstens mittei- ßem Interesse, wenn ein so wichtiger Energiezweig len möchte. Die Regierung bitten wir, sie zu prüfen. wie die Elektrizitätswirtschaft vorwiegend, wenn Seine Anregung war, man sollte sich einen euro- nicht ausschließlich, auf heimischer Energie beruht. päischen Heizölpreis auf Grund der vorhandenen Nur dann ist mit der sicheren Elektrizitätsversor- Preissituation in allen Ländern sozusagen erdenken gung unter allen Umständen zu rechnen. Bei den und dann die Differenzen zu diesem europäischen heutigen Ölpreisen ist die Erzeugung von Strom aus Heizölpreis bei den Importen nach bekannten Vor Kohle teurer als aus Öl. Über die Festigkeit der bildern positiv oder negativ abschöpfen. Ölpreise haben wir uns genügend ausgesprochen. Wir haben in der Bundesrepublik eine Heizöl Ich bin deshalb der Auffassung, daß ernstlich- steuer. Sie bringt zur Zeit rund 500 Millionen DM überlegt werden kann, durch gesetzliche Maßnah- ein. Die Bundesregierung hat das Recht, sie zu er- men die Elektrizitätserzeugung nicht nur in der Bun- höhen. Es könnte angebracht sein, zu prüfen, ob und desrepublik, sondern im Gemeinsamen Markt auf wann man von diesem Recht Gebrauch machen die heimischen Energien abzustellen, also Stein- sollte, ganz oder teilweise. Wahrscheinlich wird man kohle, Braunkohle, Wasserkraft, deutsches bezw. aber prüfen müssen, ob die bis jetzt gesetzlich vor- europäisches Erdöl und Erdgas. Ob man dabei dem gesehene Degression der Heizölsteuer ab 1967 zur Verbraucher zumuten will, eine etwa vorhandene gegebenen Zeit noch verantwortet werden kann. Differenz zwischen den Selbstkostenpreisen von Der bayerische Wirtschaftsminister Schedl, für Steinkohle und denen von internationalem Öl hin- dessen Bekenntnis zur Aufrechterhaltung der Kohle zunehmen — sie ist relativ unbedeutend bei ange- wir alle dankbar sein dürfen, hat nun in Fortsetzung messen stabilisierten Ölpreisen —, oder ob man die seiner Initiative am 13. November von diesem Platz Differenz sonstwie ausgleichen will, etwa durch aus eine weitere Frage zur Diskussion gestellt, die Subventionen, scheint mir eine sekundäre Frage zu sicherlich auch zu prüfen ist, nämlich die der Ein- sein. Dagegen sollte man an der primären Frage, führung einer Frachtbasis der Kohle, also sozusagen wenigstens die Elektrizitäsversorgung in Europa auf eines Kohlenpreises, der in der ganzen Bundesrepu- heimische Energie zu stellen, nicht ohne weiteres blik, wenn auch nicht absolut, so doch relativ gleich, mit dem Rechenschieber in der Hand vorübergehen. auf jeden Fall weniger ungleich ist als zur Zeit. Der Rechenschieber ist, wie wir alle wissen, ein Er meint, daß auch hei der Bundesbahn die Kohle guter Knecht, aber in vielen Fällen ein miserabler transporte ohne Verluste, ja, sogar mit Gewinnen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7281

Dr. Burgbacher für die Bundesbahn verbilligt werden könnten, und das gegenwärtige Ölimportprogramm der Regie- tritt schließlich für eine offene Subvention der Kohle rung vor dem amerikanischen Kongreß auf. Das ein. Die offene Subvention der Kohle wird zur Zeit American Petroleum Institute — API — gab eine auf EWG-Ebene durch eine Initiative der interexe- Grundsatzerklärung zur Importfrage heraus, wo- kutiven Kommission für Energiepolitik im EWG nach es Aufgabe der Regierung sei, „ein geeignetes Raum ebenfalls geprüft und vorgeschlagen. Programm zur Beschränkung der Öleinfuhren vor- zulegen, wenn das freie Einströmen von Öl die Nun haben inzwischen Gespräche bei dem Herrn Sicherheit des Landes bedrohen, die nationale Ver- Bundeskanzler mit dem Herrn Bundeswirtschafts- teidigung beeinträchtigen oder im Gegensatz zu minister und Vertretern der Ölindustrie, wenigstens den übergeordneten Interessen der USA stehen von etwa 75 % der Ölindustrie, stattgefunden. Bei sollte". Zu den nationalen Sicherheitsinteressen der diesen Gesprächen hat sich ein an sich erfreulich Vereinigten Staaten gehöre vor allem auch die erscheinendes Ergebnis gezeigt. Die Ölindustrie Erhaltung einer gesunden heimischen produzieren- möchte nämlich selber dafür sorgen, daß sie nicht den Energieindustrie. „Angesichts der zur Zeit mit einem höheren Angebot auf den Markt kommt, herrschenden Umstände sind wir einstimmig der als der prozentualen Zuwachsrate der Energienach- Meinung, daß stets gewisse Beschränkungen für frage gegenüber dem Vorjahr entspricht, und will Öleinfuhren im nationalen Interesse nötig sind", Angebote an Kraftwerke nicht ohne Einvernehmen heißt es in dieser Erklärung, die von einem Aus- mit der machen und noch einiges Bundesregierung schuß unter dem Vorsitz des Standard-Oil-Präsi- andere. Am Schluß erwartet sie, daß die Bundes- denten ausgearbeitet worden war. regierung die in diesem Gentlemen's Agreement vorgesehenen Maßnahmen unterstützt. Aus der Ab- Auch aus einer anderen Richtung wird der Kampf sicherung der in dieser Besprechung vorgetragenen gegen die Ölimporte in die USA geführt: 36 Sena- Auffassung der Ölindustrie, von der man nicht toren aus den Öl produzierenden Staaten drängen weiß, wie sie sich praktisch auswirkt, ergibt sich Präsident Johnson, diese Einfuhren baldigst zu logischerweise, daß die beste Absicherung des in beschränken, da „die sich stetig verschlechternde Aussicht gestellten Verhaltens der Ölindustrie Situation in den Ölstaaten einer Katastrophe zu- durch Anwendung des § 10 des Außenwirtschafts- steuere". Wir brauchen das Wort „Ölstaaten" nur gesetzes gewährleistet werden kann. durch „Kohlestaaten" zu ersetzen, dann haben wir alles, was wir in unserer Situation brauchen. Wir erlauben uns deshalb, die Bundesregierung zu bitten, von dem ihr nach § 10 des Außenwirt- Nun wird die Frage aufgeworfen, ob dieser § 10 schaftsgesetzes souverän zustehenden Recht Ge- mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages und des brauch zu machen. § 10 gibt der Bundesregierung GATT in Übereinstimmung zu bringen sei. Ich die Möglichkeit, in verschiedenartigen Stufen von möchte behaupten, daß ,es möglich ist, nach den Ar- sozusagen verschiedensten Härtegraden sich in die tikeln 115 und eventuell 226 des Römischen Vertra- Regulierung des Energiemarktes einzuschalten. Das ges die Vereinbarkeit zu erreichen. Ich bin aber un- geht von der automatischen Genehmigung bei der abhängig davon fast sicher, daß die Entwicklung der Anmeldung über alle möglichen Stufen, von der europäischen Energiewirtschaftspolitik, was die Lizenzierung bis zur Kontingentierung. Der Bundes- Kohle- und Ölfragen betrifft, in ungefähr der Rich- regierung muß natürlich überlassen bleiben, wann, tung der Ausführungen, die ich hier mache, laufen wie und mit welchen Härtegraden das geschieht. Es wird. Ich erinnere noch einmal daran, daß die inter Ölwird sehr wesentlich davon abhängen, wie die exekutive Arbeitsgruppe der Europäischen Kommis- industrie das in Aussicht gestellte Verhalten tat- sionen zur Zeit eine Vorlage über die Subventionie- sächlich durchführt. rung der europäischen Steinkohle in allen Körper- schaften Europas diskutieren läßt, und zwar — das Wer an die historisch gewordenen Zeiten des ist auch interessant — deshalb, weil man bekannt- Kohle-Öl-Kartells seligen oder unseligen -Angeden- lich in idem Pariser Vertrag über die Errichtung der kens zurückdenkt, wer an die frühere Erklärung der Montanunion nur an Kohlemangel und nie an Kohle- Ölindustrie bei der Bundesregierung zurückdenkt, überfluß gedacht hat, so daß der Vertrag in diesem der wird sich einer gewissen Skepsis nicht er- Punkte heute nicht mehr den tatsächlichen Verhält- wehren können. Aber § 10 des Außenwirtschafts- nissen entspricht. Ich erwähne das nicht als Kritik gesetzes kann dann die Absicherung der Erklärung an den Schöpfern dieser Verträge — sie waren min- sein, die die Ölindustrie im letzten Gespräch selber destens so klug, wahrscheinlich klüger als wir —, gewünscht hat. sondern ich erwähne das, weil sich also so große, Es ist interessant, daß sich die gleiche Ölindustrie weise Männer in der Prognose über die Energieent- anderswo auch anders verhalten kann. So spricht wicklung handfest getäuscht haben, und das erwähne die internationale Öl industrie in den USA — das ich, um zu vermeiden, ,daß wir auf Grund einer sind zwar nicht dieselben Menschen, aber dieselben Augenblickssituation irreparable Entschlüsse für alle Kräfte — verschiedene Sprachen. Während die Zukunft fassen. deutschen Töchter der Ölkonzerne eine Politik der (Beifall bei der CDU/CSU.) freien Einfuhr in die Bundesrepublik propagieren, versuchen die Zentralen derselben Konzerne, den Nun wird natürlich mit Recht über die Wettbe- Import billigen Rückstandsöls in die USA durch werbsfähigkeit der bundesrepublikanischen und der Steuern und Einfuhrquoten zu beschränken. So europäischen Industrie auf Grund verschiedener tritt die Sun Oil Co. als Sprecherin der US-ameri- Energiepreise nachgedacht. Die Wettbewerbsfähig- kanischen Ölindustrie in einer Kampagne gegen keit von deutschen oder EWG-Produkten entscheidet 7282 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Burgbacher sich aber nicht an einem Kostenfaktor, sondern an sich auch steigern müssen und sollen, und die Ener- der Gesamtheit aller Kostenfaktoren. Man muß des- gie soll so preiswert wie möglich sein. halb bei der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit Es soll aber auch angestrebt werden, der hei- immer von dieser Gesamtheit der Kostenfaktoren mischen Energie in dieser Entwicklung einen Platz ausgehen, z. B. von den Unterschieden in der Lohn- zu lassen, wahrscheinlich durch Kombination der gestaltung, die auch heute noch in der freien Welt, verschiedensten Maßnahmen, von denen in diesem in der NATO, außerordentlich groß sind. Referat und vor allem in der Politik der Bundes- Im vorliegenden Falle ist es so, daß bei dem Preis- regierung gesprochen wird. chaos auf dem Heizölmarkt die deutsche Wirtschaft Gestern hat sich der Landtag Nordrhein-Westfalen zur Zeit eine sozusagen überproportionale Wettbe- mit diesen Fragen in einer stundenlangen Sitzung werbsfähigkeit gegenüber der Wirtschaft der ande- befaßt und eine Entschließung gefaßt, die ich Ihrer ren EWG-Länder besitzt, die ganz andere Heizöl- Aufmerksamkeit empfehle. preise zu zahlen haben. Dagegen wäre vom deut- schen Standpunkt aus gar nichtseinzuwenden, wenn Die Entschließung, die wir Ihnen vorschlagen, dieser Vorgang nicht später mit volkswirtschaft- deckt sich in wesentlichen Punkten mit der Entschlie- lichen Nachteilen bezahlt werden müßte. Es droht ßung des Landtags Nordrhein-Westfalen. aber eben die Gefahr, daß er mit übernotwendiger Ich erlaube mir, Ihnen den Antrag Umdruck 511 *) Stillegung der Zechen bezahlt wird; und da diese vorzulegen. Der Zeit wegen möchte ich darauf ver- irreparabel ist, ist dieser Weg falsch. zichten, ihn punktweise zu begründen, weil alles, was ich ausführte, die Begründung für diese Ent- Der Vizepräsident der Hohen Behörde hat kürzlich schließung ist. auf einer Pressekonferenz in Brüssel als Richtzahl für die EWG - Produktion an Steinkohle 200 bis 220 Den Antrag der Fraktion der SPD zu den Großen Millionen Tonnen genannt. Zur Zeit sind es 240 Mil- Anfragen finden Sie auf Umdruck 514 **). lionen Tonnen. Auch wenn man solchen Richtzahlen Wir bitten — das Hohe Haus wird das verste- auf europäischer Ebene, wo man anfängt, sie zu nen- hen —, dem Entschließungsantrag der Koalition auf nen, keine übertriebene Bedeutung beimessen kann, Umdruck 511 den Vorzug zu geben und den Antrag muß man doch feststellen, daß, wenn es sich um eine der Fraktion der SPD abzulehnen. eventuelle, so maßvolle Reduktion der europäischen Steinkohle handelt, nicht die deutsche Steinkohle (Beifall bei der CDU/CSU.) die erste zu sein braucht, diese Reduktion durchzu- führen. Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Es gibt Sachverständige, die der Meinung sind, Abgeordnete Kurlbaum. daß von 1980 ab infolge der enormen Steigerung des Weltenergiebedarfs an den errechneten 10 Mil- Kurlbaum (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen liarden Tonnen Steinkohle-Einheiten 2,6 Milliarden und Herren! Da wir heute zweifellos eine ausgiebige fehlen werden. Es kann weiter festgestellt werden, Debatte haben werden — und angesichts der großen daß die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion Problematik auch haben müssen —, werde ich mich sich darauf einrichten, ihre Förderkapazitäten an bei meinen jetzigen Ausführungen auf das allge- Steinkohle ausweiten, in den USA bis 1980 um meine energiepolitische Problem beschränken; zu 100%, in Rußland um 50 %. den Spezialproblemen des Steinkohlenbergbaues und der Gemeinden, die von den Stillegungen be- Die ante portas stehende Atomelektrizität kann uns troffen werden, werden sich nachher Freunde von in unserer Haltung zur heutigen Kohle- und Energie- mir noch im einzelnen äußern. politik noch nicht entscheidend beeinflussen. Auch Wenn man die energiepolitische Auseinander- bei optimistischer Entwicklung der Atomelektrizität setzung der letzten Jahre in diesem Hause an sich wird sie im Jahre 1970 oder 1975 höchstens — höch- vorübergehen läßt, wird man folgendes festhalten stens! — 10 % des dann vorhandenen Strombedarfs müssen. Ende 1958 wurde der Kohlezoll beschlossen, decken. Das wären wahrscheinlich 2 bis 2,5 % des zusammen mit einem zollfreien Kohlekontingent. dann vorhandenen Gesamtbedarfs. Dieses Gesetz war zunächst eng befristet; seine Gel- Die Zunahme an Energienachfrage, die wahr- tungsdauer mußte mehrmals verlängert werden. scheinlich einer Verdoppelung der Energienachfrage Schon im Jahre 1960 erwies sich diese Maßnahme in zehn Jahren entsprechen dürfte, wird, das ist un- als unzureichend. Man ging zur Heizölsteuer über, bestritten, zunächst vor allem dem Öl zufallen, dann befristete sie zunächst bis 1963 und hat sie nunmehr dem Erdgas und dann, im Jahre 1970 anfangend, der bis 1967 befristet. Warum sage ich das? Ich sage Atomelektrizität. das, weil daraus offenbar wird, daß die Bundes- regierung und die Mehrheit in diesem Hause bei Daß wir in der Bundesrepublik und in Europa mit jeder dieser Beratungen von der Illusion ausgegan- diesen Erwägungen weit entfernt sein wollen von gen sind, man könne die Probleme der deutschen irgendwelchen nach Autarkie auf dem Energiesek- Energiewirtschaft und insbesondere die Probleme tor auch nur riechenden Überlegungen, möchte ich des Steinkohlenbergbaues kurzfristig mit befristeten ausdrücklich feststellen. Die Importabhängigkeit der Maßnahmen lösen. Bundesrepublik und des Gemeinsamen Marktes von zur Zeit 30 bis 35 % wird sich unvermeidlich stei- *) Siehe Anlage 2 gern — wahrscheinlich bis auf 60 % —, sie wird **) Siehe Anlage 3 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7283

Kurlbaum In diesem Zusammenhang möchte ich ein gewisses unser umfangreiches Kölner Programm von 1962 zur Vokabularium beanstanden, das auch von diesem Energiepolitik an, da können Sie das alles nach- Platz aus angewendet wurde; es wird so getan, als lesen, wenn Sie guten Willens sind. wenn es sich beim deutschen Steinkohlenbergbau (Beifall bei der SPD.) um so etwas wie eine Art Gesundungsprozeß han- dele. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist nicht Nun hat Bundeswirtschaftsminister Schmücker eine krank. Aber er sieht sich einem Strukturwandel Diagnose über die Lage auf dem Energiemarkt und in der Energiewirtschaft gegenüber, dem Rechnung im Steinkohlebergbau gegeben, auf die ich jetzt im zu tragen ihm angesichts seiner Kostenlage schwer- einzelnen eingehen möchte. Der Herr Bundeswirt- fallen muß. Das Problem des Steinkohlenbergbaues schaftsminister hat mit Recht von einem Struktur- besteht insbesondere darin, daß er wegen der rela- wandel außerordentlichen Ausmaßes gesprochen. tiven Starrheit seiner Kosten und wegen seiner Darin können wir ihm nur zustimmen. Man könnte knappen Gewinnspannen natürlich in seiner Preis- höchstens hinzufügen, daß dann aber auch außer- politik nicht den Spielraum hat, den die großen ordentliche Anstrengungen nicht nur materieller, internationalen Mineralölkonzerne haben. sondern auch geistiger Art vollbracht werden müs- sen, um mit dem Problem fertig zu werden. Es handelt sich also nicht darum, immer wieder Augenblicksschwierigkeiten durch befristete Maß- Zweitens hat Herr Bundeswirtschaftsminister nahmen zu beseitigen. Nein, es handelt sich um Schmücker hingewiesen auf die Langfristigkeit der einen langfristigen Anpassungsprozeß der Stein- Investitionen, die in der Natur und der Technologie kohle an die rasante Entwicklung auf dem Öl- und des Steinkohlebergbaus begründet sind. Auch darin Gassektor. Niemand in diesem Hause kann eine kann man ihm zustimmen. Man sollte aber dieses zuverlässige Aussage darüber machen, wie lange Argument durch ein anderes Argument ergänzen und wie schwierig dieser Anpassungsprozeß sich und sollte darauf hinweisen, daß die Menschen, die auf die Dauer gestalten wird. Ich glaube, daß die ihre Lebensarbeit dem Steinkohlebergbau widmen Ehrlichkeit gegenüber denjenigen, die im Steinkoh- und in Zukunft widmen sollen und widmen wollen, lenbergbau beschäftigt sind, und denjenigen, die letzten Endes auch eine sehr langfristige Entschei- dort ihr Geld investieren sollen, aber auch die dung treffen müssen und daß auch für diese lang- Ehrlichkeit gegenüber den Verbrauchern der Stein- fristige Entscheidung aller dieser Menschen die rich- kohle es erfordert, daß mit mehr Klarheit und Ehr- tige Vertrauensgrundlage geschaffen werden muß. lichkeit über diese Probleme gesprochen wird. Dann hat Herr Bundeswirtschaftsminister Schmük- Wir wundern uns allerdings nicht darüber, daß ker gesprochen von der Unübersichtlichkeit der zu- die Bundesregierung auch bei diesen Problemen künftigen Entwicklung. Nun, meine Damen und immer wieder versucht, mit einer hinhaltenden Herren, die rasante Entwicklung der Technik im all- Taktik mit ihnen fertigzuwerden. Wir haben etwas gemeinen bringt es mit sich, daß auf vielen Gebieten Ähnliches auch bei der Agrarpolitik immer wieder die Entwicklung nicht ganz einfach zu übersehen feststellen müssen. Allerdings hat die Bundesregie- ist. Das ist, so würde ich sagen, etwas Allgemeines, rung diese Taktik gerade auf dem Gebiete der und wir sehen die Aufgabe des Unternehmertums Agrarpolitik nunmehr in den letzten Tagen bezüg- in einer freien Wirtschaft darin, mit diesen schwie- lich des Getreidepreises mit so etwas wie einem rigen Problemen der langfristigen technischen Ent- Offenbarungseid beenden müssen. wicklung fertig zu werden. Das kann also auch das (Zuruf.) Besondere nicht sein. — Bitte schön! Das Sonderproblem des Steinkohlebergbaus liegt in etwas anderem. Das Sonderproblem des Stein- kohlebergbaus liegt für uns Volkswirtschaftler Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zwischen- - darin, daß es sich hier um eine wichtige, unverzicht- frage Herr Abgeordneter Blumenfeld. bare Energiequelle in der Bundesrepublik handelt, die bei den derzeitigen Heizölpreisen infolge ihrer Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Kollege Kurl- Kostenlage gegenüber ihren bisherigen Abnehmern baum, welche konkreten Lösungen hat denn die so- in Wettbewerbsschwierigkeiten gerät. Es ist heute zialdemokratische Bundestagsfraktion hier in den auch durch die Ausführungen des Herrn Burgbacher Energiedebatten der letzten Jahre dargelegt? hier wiederum zum Ausdruck gekommen, daß man nun allerdings allgemein der Meinung ist, es sei außerordentlich unsicher, ob die derzeitige Preis- (SPD) : Ich bin eben gerade dabei, Kurlbaum situation beim Heizöl langfristig aufrechterhalten unsere Vorstellungen darzulegen. Bitte äußern Sie werden wird. Daran sind berechtigte Zweifel zu sich dann nachher, wenn ich meine Darlegungen ge- äußern. Wir wissen, daß schon im vorletzten Winter macht habe. die Mineralölwirtschaft den erhöhten Heizmaterial (Abg. Blumenfeld: In der Vergangenheit, bedarf in einer sehr markanten Weise für sich preis- war meine Frage, Herr Kurlbaum! — Abg. lich ausgenutzt hat. Wehner: Können Sie nachlesen!) Dais Sonderproblem der Steinkohle liegt darin, Meine Damen und Herren, ich kann jetzt nicht daß sie abgeschirmt werden muß durch die Maßnah- alle die Vorschläge darlegen, die insbesondere men dieses Hauses und durch die Maßnahmen der mein Freund Deist in großer Ausführlichkeit hier Bundesregierung gegenüber einem Konkurrenten, im Bundestag gemacht hat. Schauen Sie sich auch der eine geballte Wirtschaftsmacht darstellt und der 7284 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Kurlbaum im Gegensatz zur Kohle in der Lage ist, seine Kon- Wärmepreis für das Heizöl heute schon in weiten kurrenzpreise beliebig herauf- und herunterzumani- Gebieten der Bundesrepublik wesentlich unter dem pulieren. Um dieses Problem handelt es sich in Wärmepreis der Steinkohle. Wenn die Umstellung erster Linie: Wie kriegen wir die Heizölpreise in von Steinkohle auf Heizöl noch nicht das Tempo den Griff, damit dieses willkürliche Herauf- und angenommen hat, das dem Unterschied der Wärme- Heruntermanipulieren von seiten dieser großen preise entsprechen würde, dann liegt das nur daran, Machtgruppen nicht mehr in dem Umfang erfolgen daß bei den Abnehmern eine totale Unsicherheit kann wie in der Vergangenheit? Die Bundesregie- darüber besteht, wie sich die Preise des Heizöls in rung hat bisher offensichtlich die Meinung vertre- Zukunft entwickeln werden. Ich hatte Gelegenheit, ten, daß man dieses Problem lediglich durch gutes vor dieser Debatte mit einigen bedeutenden Ab- Zureden lösen könne, sie meint, man solle mit den nehmern von Steinkohle und Heizöl auch aus dem betroffenen führenden Mineralölfirmen reden. Herr Bereich der Elektrizitätswirtschaft zu sprechen. Die Burgbacher hat schon einiges über diese Verhand- einen wollen angesichts der zu erwartenden Erhö- lungen gesagt. hung des Heizölpreises zunächst noch keine Maß- nahmen treffen. Andere wiederum haben sich schon Da ist zunächst einmal die Frage zu stellen: Zu- bei Neubauten dafür entschieden — dafür gibt es reden wozu? Offensichtlich will man zu einer frei- wichtige Beispiele —, ihren Heizstoffverbrauch un- willigen Selbstbeschränkung des Angebots zureden. gefähr auf die Grundlage 30 % Kohle und 70 % Wie soll diese freiwillige Selbstbeschränkung des Heizöl umzustellen. Angebots zustande kommen? Die Bundesregierung stellt sich das offenbar so vor, daß es durch Ver- Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, kann das abredung unter den Unternehmen geschieht. Wir für die Steinkohle sehr gefährlich werden. Darum stellen die berechtigte Frage, ob überhaupt schon ist es auch hier notwendig, daß die Bundesregie- alle, die an einer solchen Verabredung mitwirken rung nicht nur den Wunsch äußert: 140 Millionen t müßten, ihre Zustimmung zu erkennen gegeben Steinkohle, sondern endlich konkret sagt, was ihre haben. Nach den Nachrichten, die wir in der Presse Zielvorstellung für die Konkurrenzpreise zur Stein- lesen, hat sich bisher nur ein beschränkter Kreis zu kohle ist. Erst das kann allen Beteiligten das not- einer solchen Verabredung bereit gefunden. Wir wendige Ausmaß an Sicherheit für ihre Überlegun- haben soeben von Herrn Burgbacher gehört, daß gen geben. dieser beschränkte Kreis gleichzeitig eine Absiche- Nun zu den Maßnahmen, die der Herr Bundes- rung durch Maßnahmen der Bundesregierung ge- wirtschaftsminister hier am 13. November im ein- wünscht hat. Schließlich stellen wir die Frage: Wie- zelnen aufgeführt hat! Er hat zunächst gesagt, daß weit soll diese Selbstbeschränkung des Angebots die bisherigen Maßnahmen — Kohlenzoll, zollfreies gehen? Kontingent, Heizölsteuer — aufrechterhalten wer- Damit kommen wir zu der notwendigen Konkre- den. Ich glaube, es kann gar kein Zweifel bestehen, tisierung, die der Nervus rerum der ganzen An- — das hat Herr Dr. Burgbacher ja schon gesagt —, gelegenheit ist. Wir erlauben uns die Frage an die daß das bis auf weiteres geschehen muß. Aber durch Bundesregierung, wie eine solche Vereinbarung Aufrechterhaltung bisheriger Maßnahmen allein über eine freiwillige Selbstbeschränkung mit den kann man die akute Krise, in der wir jetzt stehen, geltenden Bestimmungen des Kartellgesetzes in Ein- zweifellos nicht beseitigen. klang zu bringen ist. Vor allen Dingen fragen wir: Was sind also die neuen Maßnahmen der Bundes- Wieweit soll diese Selbstbeschränkung gehen, und regierung? Da ist zunächst die Rede von der Förde- welche Wirkung auf die Verbraucherpreise wird zu rung des Steinkohlenabsatzes bei Elektrizitätswer- erwarten sein? Es ergibt sich hier also eine beinahe ken und bei sogenannten Blockheizwerken. Herr endlose Kette von Fragen, auf deren Beantwortung Dr. Burgbacher hat hierzu schon eine Bemerkung wir, glaube ich, ein Recht haben. gemacht, eine sehr zurückhaltende Bemerkung, die Dabei kommt es immer wieder auf folgendes hin- darauf schließen läßt, daß auch er von der quantita- aus: Es ist notwendig, daß die Bundesregierung ge- tiven Wirkung dieser Maßnahme nicht gerade sehr rade in diesem Punkte ihre Vorstellungen weit mehr überzeugt ist. Ich vermag darüber kein Urteil ab- konkretisiert, als sie das bisher getan hat. Es ist zugeben, weil bisher nicht gesagt worden ist, wel- dem Steinkohlenbergbau nicht damit gedient, wenn ches Ausmaß die steuerliche Förderung des Ab- der Herr Bundeswirtschaftsminister hier verkündet, satzes der Kohle für diese Zwecke haben wird. daß die Aufrechterhaltung einer Steinkohlenförde- Selbst wenn wir wüßten, welches Ausmaß die För- rung von 140 Millionen Tonnen erwünscht sei. Der derung durch die Steuergesetze hat, könnten wir Steinkohlenbergbau möchte vielmehr wissen — das immer noch nichts dazu sagen, wenn wir nicht wis- ist die konkrete Frage —, welche Zielvorstellungen sen, auf welche Höhe in Zukunft der Heizölpreis die Bundesregierung bezüglich der Konkurrenz- ungefähr gebracht werden soll. Denn jedes Unter- preise des Heizöls hat. Nur die richtige Relation nehmen, das vor der Frage steht, ob es Heizöl oder zwischen den Preisen von Steinkohle und Heizöl Kohle verwenden soll, wird den — von Herrn Dr. kann zu dem Ausmaß an Sicherheit führen, das die Burgbacher nicht sehr geliebten — Rechenschieber Steinkohle für sich beanspruchen kann. nehmen und sich die steuerliche Förderung und die Heute besteht folgende Lage. Wenn man die Differenz zwischen Heizölpreis und Steinkohlenpreis Heizölpreise nicht auf die Gewichtseinheit, sondern, ausrechnen. wie das viel richtiger ist, auf den Wärmegehalt die- Immer wieder kommen wir also auf das Problem, ses Heizstoffes bezieht, dann liegt der sogenannte daß die gesamte Diskussion der energiepolitischen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7285 Kurlbaum Situation zu keinem Ergebnisführen kann, wenn Ferner ist darauf hinzuweisen, daß eine solche die Bundesregierung nicht ihre Zielvorstellungen mengenmäßige Verknappung des Angebots natürlich über die Preisrelationen auf diesem Markte bekannt- die Gefahr von Preissteigerungen in sich schließt, die gibt. Das hat sie bis heute nicht getan, sie hat sich der Verbraucher zu bezahlen hat. Darum ist wieder über dieses Problem vollständig ausgeschwiegen. In die Frage wichtig: Wie weit sollen diese Preissteige- der Entschließung, die wir Ihnen vorgelegt haben, rungen gehen? Wir landen immer wieder bei der- haben wir entscheidenden Wert darauf gelegt, daß selben Frage: bei der Konkretisierung des Niveaus, die Bundesregierung nicht nur bezüglich einer abso- auf dem die Heizölpreise zu stabilisieren sind. luten Größe des zukünftigen Steinkohlebergbaues ihre Absichten konkretisiert, sondern auch bezüg- Man spricht hier davon, daß die Mineralölwirt- lich der Preisrelationen das Notwendige sagt. schaft sich mit einer solchen Lösung einverstanden erklärt. Ich finde das nicht gerade sehr überraschend. Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker hat von Die Aufforderung, das Angebot zu verknappen, läuft einer Meldepflicht für Neuanlagen von Raffinerien, doch im wesentlichen darauf hinaus: Liebe Mineral- von Ölleitungen und ähnlichen festen Anlagen ge- ölwirtschaft, verzichte auf einen allzu großen Um- sprochen. Es ist interessant, daß auch Herr Dr. Burg- satz, verkleinere ihn etwas, aber erziele um so bacher selbst hinter diesen Vorschlag ein Frage- höhere Gewinne! zeichen gesetzt hat. Er hat sich auch sehr zurückhal- (Abg. Blumenfeld: Wie wollen Sie die tend geäußert. Unsere Meinung dazu wird Ihnen Heizölpreise stabilisieren?) von vornherein klar sein. Wir haben ja eine ähnliche — Das ist natürlich die Frage. Ich werde darauf noch Diskussion schon im Zusammenhang mit unseren zu sprechen kommen. Kartellgesetznovelle gehabt. Die Bundesregierung verharrt in ihrer Novelle dabei, Zusammenschlüsse (Abg. Blumenfeld: Das wäre sehr interes- lediglich meldepflichtig zu machen. Sie will also sant! — Abg. Wehner: Ihre Regierung soll- das Phänomen der Zusammenballung wirtschaft- ten Sie fragen! — Weiterer Gegenruf von licher Macht in der Bundesrepublik nach wie vor der SPD: Immer an ,die falsche Adresse!) nur meldepflichtig machen. Auf dem Energiemarkt — Lassen Sie uns doch einmal in Ruhe darüber haben wir es mit einem ähnlichen Problem zu tun. reden. Ich habe ja gar nicht bestritten, daß eine Sta- Wir sind der Meinung, daß man sich hier mit hand- bilisierung erfolgen muß. Ich habe im Gegenteil er- festeren Methoden vertraut machen muß. Wie die klärt: Hier muß gesagt werden, auf welcher Höhe USA auf diesen Gebieten vorgehen, ist bekannt. Man stabilisiert werden muß. Das ist die Gretchenfrage, sollte sich ihre Erfahrungen und ihre Methoden, ge- die wir der Bundesregierung stellen, rade was die volkswirtschaftlich unerwünschte Macht zusammenballung betrifft, zunutze machen. Die (Beifall bei der SPD) Amerikaner haben wirklich jahrzehntelang Erfah- das müssen sowohl der Steinkohlenbergbau als auch rungen sammeln können im Umgang mit Großmäch- der Verbraucher wissen, und solange uns das nicht ten auf privatwirtschaftlicher Grundlage, mit denen bekanntgegeben wird, werden wir uns nicht mit auch wir es hier auf dem Energiemarkt zu tun haben. einer generellen Vollmacht zufrieden erklären kön- Wir glauben, daß auch dieser Vorschlag der Bun- nen. Wir wollen die Konkretisierung des Ziels, auf desregierung verhältnismäßig wenig bringen wird. das Sie zusteuern wollen.

Nun hat der Herr Bundeswirtschaftsminister an- Herr Blumenfeld, Sie kennen die Diskussion im gekündigt, daß die Bundesregierung unter Umstän- Wirtschaftsausschuß und wissen ganz genau, wie un- den die Anwendung des § 10 des Außenwirtschafts- wohl uns allen — mit Recht — im Wirtschaftsaus- gesetzes in Erwägung ziehen wird, und dazu ist schuß bei dem Zollkontingent für Kohle ist. Denn einiges zu sagen. auch hier ist die Frage völlig offen, ob nicht uner- - wünschte Pfründe entstehen können bei denen, die Wir sind der Meinung: so wie .die Lage sich — über die Kontingente verfügen. Sie kennen dieses eben auf Grund immer nur kurzfristiger Maßnah- Problem sehr genau, und gerade auf ein ähnliches men — entwickelt hat, wird wahrscheinlich gar nichts Problem steuern wir hier zu. anderes übrigbleiben, als auch dieses Instrument Darum sind wir der Meinung, daß das Problem anzuwenden. Aber, meine Damen und Herren, ver- unseres Energiemarktes nicht durch einzelne, kurz sprechen Sie sich von der Anwendung dieses Instru- befristete Maßnahmen gelöst werden kann. Darum ments keine Dauerlösung des Problems! Damit wer- haben wir in unserem Antrag an die Bundesregie- den Sie nicht auskommen; denn dieses Instrument rung auch die Forderung nach der Vorlage eines um- hat sehr unerquickliche Nebenwirkungen. Ich möchte fassenden Energiewirtschaftsgesetzes aufgestellt. sie genau charakterisieren. Die Anwendung des Ohne das können wir nicht auskommen. Herr Burg- § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes muß eindeutig bacher hat sich ja auch schon ähnlich geäußert, wenn- zu einer Verringerung des mengenmäßigen Ange- gleich er offenbar der Meinung zu sein scheint, daß bots führen. Man kann die Frage nach der Anwen- man das noch auf die lange Bank schieben könne. dung des § 10 nicht mit Ja oder Nein beantworten. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß hier schon Vielmehr stellt sich die Frage: Bis zu welcher Grö- außerordentlich viel Zeit versäumt worden ist. ßenordnung der Verknappung des Angebots soll man gehen? Das ist hier die entscheidende Frage, Im übrigen möchte ich auch noch auf folgendes und ohne ihre Beantwortung ist eine prinzipielle aufmerksam machen, — es muß nachher im Aus- Stellungnahme nicht gerade sehr sinnvoll. schuß sehr genau überlegt werden —: Wenn Sie 7286 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Kurlbaum hier eine Beschränkung des Angebots nicht nur für durchgesetzt. Die Verkaufspreise sind von ihrer Heizöl vornehmen, Herr Burgbacher, sondern auch Genehmigung abhängig, der Bau von Rohrleitungen für Rohöl, dann bitte ich Sie, einmal die Frage zu gleichermaßen. Wie sieht es in Frankreich auf dem beantworten, wie Sie es erreichen wollen, daß sich Gebiet des Gases aus? In Frankreich gibt es, wie die Beschränkung der Rohöleinfuhren nicht auf die Sie wissen, nur die Gaz de France, also ein hundert- Tankstellenpreise auswirkt. Wenn sich die Beschrän- prozentiges staatliches Monopol. Außerdem hat sich kung nicht auf die Tankstellenpreise auswirken in Frankreich der Staat maßgebliche Beteiligungen sollte, Herr Burgbacher, dann stelle ich die Frage, in der Ölwirtschaft gesichert. In Italien gibt es die ob dadurch nicht immerhin die Versorgung der staatliche ENI, die einen Einfluß auf 20 % des ge- freien Tankstellen, bei denen mindestens 10 % unse- samten Mineralölabsatzes hat. rer Kraftfahrer ihren Bedarf zu billigeren Preisen decken können, in Zukunft gefährdet wird und da- Ich spreche jetzt gar nicht von Großbritannien. Da mit nicht die freien Tankstellen überhaupt zum Ver- sehen die Verhältnisse natürlich noch ganz anders schwinden gebracht werden. Dais ist eine sehr aus. Ich spreche jetzt von den Ländern, mit denen schwierige Frage, die wir heute hier nicht im Plenum Sie sich einen Vergleich, auch von Ihrer Ideologie ausdiskutieren können. Aber bitte, im Zusammen- aus gesehen, mindestens gefallen lassen müssen. hang mit Ihrem Vorschlag ergibt sich ein Problem, Wie sieht es nun in diesem Zusammenhang in der mit dem sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß sehr Bundesrepublik aus? Die Bundesrepublik geht auf eingehend wird befassen müssen. diesem Gebiete einen gefährlichen Alleingang. — Nun komme ich zum letzten Problem. Auch wir Ich bin gerne bereit, Ihnen gleich zu antworten. Ich haben in unserem Entschließungsantrag die Bundes- will Ihnen nur noch ein paar Zahlen dazu in Erin- regierung aufgefordert, sich Gedanken zu machen nerung bringen. In der Bundesrepublik gibt es von und Vorschläge vorzulegen über Maßnahmen, die Seiten der öffentlichen Hand überhaupt keinen verhindern, daß wir den Einfluß auf den Energie- irgendwie gearteten maßgeblichen Einfluß in der markt schrittweise verlieren und damit unsere ûl- und Gaswirtschaft. Im Gegenteil, der atomisier- Selbständigkeit in der Versorgung mit Energie ein- ten übrigen Wirtschaft stehen auf diesem Gebiet fol- büßen, die eine der entscheidenden Lebensgrund- gende Ziffern gegenüber: Die 'drei großen Mineral- lagen unserer Volkswirtschaft ist. ölkonzerne kontrollieren in der Bundesrepublik be- reits 60 % der Raffineriekapazität. Sie haben an Sie werden sich vielleicht, wie das der Herr Bun- dem Markte des leichten Heizöls einen Anteil von deswirtschaftsminister auch getan hat, auf die soge- 60 %, an dem Markte des schweren Heizöls einen nannte freiheitliche Wirtschaftsordnung berufen. Anteil von 70 %. Sie sind also auf diesem Gebiet Meine Damen und Herren, war bedeutet dieser Be- marktbeherrschend. Auf dem Gebiete der deutschen griff? Wie kann man in diesem Zusammenhang Erdgasförderung handelt es sich um einen Anteil überhaupt von einer freiheitlichen Wirtschaftsord- von sogar 75 %. nung sprechen, wenn wir uns hier einer Gruppe gegenübersehen, nämlich den großen Mineralölkon- zernen der Welt, die einen Jahresumsatz von 100 Vizepräsident Dr. Dehler: Jetzt sind die Zah- Milliarden DM haben und deren Gewinne nach Be- len genannt. Herr Abgeordneter Blumenfeld kann zahlung aller Steuern bei etwa 5 Milliarden DM im die Frage stellen. Jahr liegen? Das ist die allergrößte Machtzusammen- ballung wirtschaftlicher Art auf privatrechtlicher Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Kollege Kurlbaum, Grundlage in dieser Welt. Wie kann man sich darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie gegenüber einer solchen Machtzusammenballung für die Bundesrepublik ebenso wie für die von auf unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung berufen Ihnen angeführten Beispiele Frankreich, England wollen! und Holland einer Verstaatlichung des Bergbaus (Lebhafter Beifall bei der SPD.) und aller übrigen Energieversorgungen und einem Eine solche Vorstellung haben wir jedenfalls nicht staatlichen Dirigismus das Wort reden? von einer demokratischen freiheitlichen Wirtschafts- (Lebhafte Zurufe von der SPD.) ordnung, sondern nach unserer Ansicht muß die Bundesrepublik einer solchen geballten Macht mit Kurlbaum (SPD) : Herr Blumenfeld, von einer dem entsprechenden Instrumentarium ausgerüstet Verstaatlichung des Bergbaus habe ich kein Wort entgegentreten können. gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen, 'daß auf (Erneuter Beifall bei der SPD.) dem Gebiete derjenigen Energiearten, die gerade Das ist der entscheidende Punkt. dem Steinkohlenbergbau das Leben schwer machen, alle anderen großen Industrieländer Westeuropas Lassen Sie mich jetzt einige Vergleiche ziehen. sich einen maßgeblichen öffentlichen Einfluß ge- Wie sieht es z. B. in den Niederlanden aus? In den sichert haben, kleinen Niederlanden, gewiß rein machtpolitisch ge- (Beifall bei der SPD.) sehen einer verhältnismäßig kleinen Nation in un- serer Welt, hat es die Regierung verstanden, sich der dazu verwendet werden kann, gerade den Wei- nach den Erdgasfunden eine maßgebliche Beteiligung terbestand der Steinkohle zu sichern. Wir in der an der Gewinnung und am Verkauf des Erdgases zu Bundesrepublik gehen einen gefährlichen Allein- sichern. Sie hat über die rein zahlenmäßige Betei- gang, indem wir das nicht tun. ligung hinaus noch Sonderrechte gefordert und (Beifall bei der SPD.) Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7287

Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie noch Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der eine Zusatzfrage? Herr Abgeordneter Blumenfeld Abgeordnete Dr. Aschoff. möchte eine weitere Frage stellen. Dr. Aschoff (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg eine Bemer- (SPD): Ja, bitte! Kurlbaum kung zur Situation. Vor einigen Wochen hat ein hoher Regierunsgbeamter mir gegenüber zum Aus- Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Kollege Kurlbaum, druck gebracht, daß wir sozusagen in einer Stern- darf ich nicht trotzdem noch einmal fragen, ob Sie stunde der zukünftigen energiepolitischen Entwick- nicht auch der Meinung sind, daß die von Ihnen als lung ständen. Ich bin nun nicht sternkundig. Soweit Beispiel angeführten Maßnahmen der öffentlichen ich mich mit Sternen beschäftigt habe, hat sich das Hand, wie Sie es genannt haben, in den anderen im wesentlichen auf das Studium der Venus be- Ländern zur Voraussetzung haben, daß es da eine schränkt. maßgebliche staatliche Beteiligung oder völlige (Heiterkeit.) staatliche Kontrolle dieser 'Energieträger gibt? Des- Dabei habe ich festgestellt, daß diese sowohl als wegen habe ich die Frage gestellt, ob Sie das für Morgen- wie als Abendstern erscheinen kann. Ich die Bundesrepublik befürworten. habe nun den dringenden Wunsch, diese Debatte, die wir in dieser Form eigentlich nicht mehr alle (Abg. Wehner: Sie sind ein Gehilfe für zwei Jahre wiederholen sollten, möge nicht unter Propaganda! — Weitere Zurufe von der dem Zeichen des Abendsterns stehen, sondern uns SPD.) selbst wie auch der Bevölkerung zeigen, daß der feste Wille vorhanden ist, die bisher nicht gelösten Kurlbaum (SPD): Herr Blumenfeld, man kann Probleme einer positiven Erledigung zuzuführen. doch nicht in dieser Schwarz-weiß-Façon über diese Für die Fraktion der FDP darf ich zunächst erklä- Dinge diskutieren. Wir haben hierzu dm einzelnen ren, daß wir dem Zollkontingentsgesetz zustimmen. Vorschläge zu machen, und die werden wir im Aus- Unsere Zustimmung ist durch die Überlegung be- schuß beraten. Wir schlagen nur vor, daß wir uns dingt, daß in der zur Zeit besonders schwierig ge- einmal gemeinsam sehr genau ansehen, was in den wordenen allgemeinen Energiesituation nichts ge- Niederlanden geschehen ist, was in Frankreich ge- schehen sollte, was derzeit laufende Dinge ändern schehen ist, was in Italien geschehen ist und was und damit wieder die Erkenntnis der gegebenen eben in der Bundesrepublik nicht geschehen ist. Voraussetzungen erschweren könnte. Man sollte aber die Zustimmung zum Zollkontingentsgesetz (Beifall bei der SPD.) doch mit einer Feststellung verbinden, die auch für Wir glauben, allein dafür ist es notwendig, unse- unsere zukünftigen Beratungen nützlich wäre. rem Antrag Rechnung zu tragen, die Wettbewerbs- Dieses Gesetz ist zweifellos ein Kompromiß, verhältnisse auf dem Energiemarkt der Bundes- durch den berechtigte Wünsche bestimmter Bevöl- republik und die Wettbewerbsverhältnisse auf den kerungs- und Landeskreise zurückgestellt worden Energiemärkten der anderen großen westeuro- sind. Wir sollten die Gelegenheit ruhig benutzen, päischen demokratischen Länder einmal neben- uns bei süddeutschen Freunden und bei denen, die einander zu betrachten und zu analysieren. Wir ste- im norddeutschen Raum besondere Interessen ha- hen auf dem Standpunkt, Herr Blumenfeld, daß das ben, dafür zu bedanken, daß sie im übergeordneten sehr wichtig ist und daß es sich hierbei um eine Interesse ihre Bedenken gegen dieses Gesetz zu- Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung über rückgestellt haben. eine unserer Lebensgrundlagen handelt. Die Ener- gieversorgung ist nicht nur eine Lebensgrundlage Das Gesetz sollte nun der Anlaß sein, die Ener- für die großen Unternehmungen, sondern letzten giedebatte vom ,13. November fortzusetzen. Ich Endes die Grundlage des zukünftigen Lebensstan- möchte nicht Gefahr laufen, die Ausführungen von dards unserer Gesamtbevölkerung überhaupt. Herrn Kollegen Burgbacher zu wiederholen . Wir ha- ben unsere Auffassung zu dieser Großen Anfrage (Beifall bei der SPD.) durch den Herrn Kollegen Brand hier vortragen las- sen. Wir stehen hinter seinen Ausführungen. Ich Wir glauben, die Sache wäre es wohl wert, daß möchte mich darauf beschränken, zweckmäßiger- die Bundesregierung einmal eine zusammenfas- weise zu den einzelnen Punkten unserer Ent- sende ungeschminkte, lückenlose Darstellung der schließung noch einige ergänzende Bemerkungen zu Verhältnisse bei uns und den anderen demokra- machen, , die sich auch auf die Ausführungen des tischen Staaten herausgibt, damit sich nicht nur Herrn Kollegen Kurlbaum beziehen. die Spezialisten in diesem Parlament ein Bild von dieser entscheidenden Lebensfrage machen können, Wie kam es eigentlich, daß wir im November in sondern jeder einzelne Abgeordnete, der das sonst einer emotional hochgepeitschten Stimmung plötz- wegen seiner allgemeinen Überlastung mit anderen lich meinten, Fragen nicht tun kann. Es ist notwendig, daß sich (Widerspruch bei der SPD) jeder einzelne Abgeordnete des Hauses in dieser jetzt müsse über Energie gesprochen werden? Dar- Frage angesprochen fühlt. Dann werden wir ge- über kann man ganz ruhig reden. Wenn ich Ihnen meinsam zu brauchbaren Lösungen kommen. meine Begründung gesagt habe, Herr Kollege, wer- (Beifall bei der SPD.) den Sie mir vermutlich sogar zustimmen. 7288 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Aschoff Für mich war die Tatsache erstaunlich, — daß von abgehen, immer nur zu sagen, er führe zu un- man teilweise wohl nicht voraussah —, daß an wirtschaftlichen Stillegungen. Das soll er nicht. Er einem bestimmten Stichtag Anmeldefristen eines soll zu Stillegungen führen — das ist der Sinn die- Gesetzes ablaufen, das in der Überschrift die Worte ses Gesetzes gewesen—, die innerhalb des Kohlen- „Rationalisierungsverband für den Steinkohlenberg- bergbaus unrentable Zechen ausschließen. Dabei bau" trägt. Ich persönlich hätte, wenn ich darüber müssen — darauf legen wir besonderen Wert, und hätte bestimmen können, niemals dafür gestimmt, das ist in unserem Entschließungsantrag zum Aus- daß diese Frist vom Juli auf den Oktober verlän- druck gekommen — sämtliche Voraussetzungen, gert wurde, und habe auch überall, wo ich gefragt deren Erfüllung notwendig ist, um eine Härte ge- wurde, gegen diese Verlängerung gesprochen. Ich genüber der Belegschaft zu vermeiden, strengstens bin sehr zufrieden, daß der Herr Bundeswirtschafts- beachtet werden. minister neulich erklärt hat, daß eine weitere Ver- längerung der Frist über Juli 1965, den Beginn der Diese Vorsorge erstreckt sich auch auf die Frage, Stillegungen, hinaus, nicht erwogen wird. Meine die man in diesem Kreise heute nicht ausführlich Fraktion hält es für untragbar, daß durch eine Ver- erörtern kann, wie das Schicksal der Betroffenen in längerung von Fristen eine weitere Unruhe in die bezug auf die zunächst zu erhaltende Wohnberech- Belegschaften und in die verantwortlichen Unter- tigung in Zukunft entschieden werden wird. Das nehmensführungen getragen wird. große Problem des Bergarbeiterwohnungsbaus steht sowieso vor uns, genauso wie die vorhin schon an- Über den Rationalisierungsverband ist allerdings geklungene Frage, der Tragbarkeit aller heute vor- in diesem Zusammenhang einiges zu sagen. Wir handenen Sozialversicherungen. Es gilt den Vor- haben seinerzeit im Wirtschaftsausschuß bei der wurf abzuwehren, daß hier unzumutbar subventio- Beratung dieses Gesetzes sehr ausführlich darüber niert wird, während Leistungen für Ausgeschiedene gesprochen, inwieweit es dem Bundeswirtschafts- in einem Ausmaß übernommen werden müssen, das minister möglich sein sollte, auch die wirtschaftliche bei anderen Berufszweigen nicht vorhanden ist. Das Lage einer Zeche zu untensuchen. Es ist damals sei- ist ein weites Feld. Es gehört genauso zu dem von tens der beteiligten Regierungsvertreter das Beden- Herrn Kurlbaum angedeuteten Thema der lang- ken erhoben worden, daß das über die Verantwort- fristigen Überlegungen. lichkeit der Regierung hinausginge. Nun ist das Ge- setz so konstruiert, daß die Voraussetzungen für die Meine Damen und Herren, wir kommen in unserer Gewährung einer Stillegungsprämie als solche ge- Entschließung dann zu einer positiven Einstellung prüft werden, während das andere innerhalb der zu den Erklärungen der Bundesregierung über ihre Unternehmen stattfindet. Soweit ist das alles schön Absichten. Wir lassen keinen Zweifel daran, daß und gut. man nach unserer Meinung nicht immer nur ununter- brochen von Absichten sprechen kann, sondern wir Die Praxis zeigt eine Schwierigkeit, die darin be- legen entscheidenden Wert darauf, daß nun Maß- steht, daß es offenbar möglich ist, innerhalb der Kon- nahmen ergriffen werden. Über einen Teil dieser zerne die schwächste Konzernzeche zu schließen, Maßnahmen haben wir bereits vor zwei Jahren wobei sich der nicht erwünschte Tatbestand ergeben gesprochen. kann, daß daneben eine sehr viel schlechtere Zeche liegt, die einer anderen Firma gehört. Wir müssen Nun ist uns angekündigt worden, daß die Ver- uns darüber klar sein, daß die Tatsache, daß eine stromung stärker an die Kohle gebunden werden in sich hervorragend funktionierende Zeche stillge- soll. Wir begrüßen das, nachdem festgestellt worden legt werden soll, weil sie im Konzern die schwächste ist, daß sich die damit für sieben Jahre verbundenen ist, während eine wirklich schwache, die nicht dazu finanziellen Lasten bei Unterstellung einer zwanzig- gehört, weiter arbeitet, psychologisch vom geistigen jährigen Laufzeit dieser Elt-Werke in einem trag- Normalverbraucher schwer zu verkraften ist. baren Ausmaß halten werden und wir damit fest- - stellen können, daß 15,3 Millionen t sozusagen Es muß also — und das möchten wir bei dieser sicher untergebracht sind. Gelegenheit zum Ausdruck bringen; Herr Burg- bacher hat das schon erwähnt — durch die Aufsicht Diese Frage der Unterbringung der Tonnage des Bundeswirtschaftsministeriums dafür Sorge ge- bringt mich sofort auf die zweite Frage — ich nehme tragen werden, daß Stillegungen nur dort stattfin- an, Herr Arendt, daß Ihr Lächeln wohlwollend ist —: den, wo sie dem Gedanken einer echten Rationali- Wie stehen wir zu der Zahl von 140 Millionen Ton- sierung, d. h. einer Hebung der Wettbewerbsfähig- nen? Meine Freunde haben gegenüber der Nennung keit dienen, aber nicht der Schrumpfung — das einer solchen Zahl von jeher Bedenken gehabt, weil schon gar nicht —, auch nicht irgendeinem Interesse wir unter gar keinen Umständen den falschen Ein- an betriebswirtschaftlichen Verbesserungen, die auf druck erwecken wollen, als ob man in einer freien ganz anderen Gebieten liegen. Es wird interessant Wirtschaftsordnung irgend jemandem eine soge- sein, zu hören, inwieweit in dem bundeseigenen nannte Garantie geben könne. Zechenbesitz derartige Überlegungen wirksam ge- Abet auch nach unserer Auffassung ist es not- worden sind oder wirksam werden. Dort besteht wendig — damit schließe ich an die Ausführungen natürlich die Möglichkeit, innerhalb verschiedener von Herrn Kurlbaum an —, daß man sowohl der Gesellschaften, die praktisch einen Eigentümer Unternehmensleitung in einem Wirtschaftszweig, haben, solche Voraussetzungen zu schaffen. der ganz langfristig investieren muß, als auch der Endlich sollte man, wenn man über die Konse- Belegschaft, von der man täglich Leistungssteigerung quenzen des Rationalisierungsverbandes spricht, da im Sinne der Rationalisierung erwartet, nicht nur Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7289

Dr. Aschoff ein Gefühl, sondern auch eine Sicherheit dafür gibt, die vorgesehene Maßnahme auch modern ist. Sie daß sie mit einer gewissen Größenordnung und wird sich aber finanziell für die Förderungssicherung Sicherheit ihrer Entwicklung rechnen können. vermutlich nicht in größerem Umfange auswirken. Wir haben deshalb die Formulierung gewählt, Es bleiben nun noch einige Punkte, die auch in daß wir von der Bundesregierung erwarten, daß sie den Entschließungen nicht angesprochen sind. Absatzverhältnisse schafft, die diese Förderung er- möglichen. Gerade was die Absatzverhältnisse an- In den Gesprächen war auch das Problem der langt, Herr Kurlbaum, sind wir, glaube ich, gar nicht Vorratshaltung angeschnitten worden. Ich darf Sie weit auseinander. Nur meine ich, daß man heute — in diesem Zusammenhang auf folgende Überlegun- das spricht gegen Ihre eigene Argumentation — na- gen hinweisen: Wir stehen in diesem Hause ja vor türlich nicht in der Lage ist, theoretisch irgend- den großen Aufgaben der Notstandsgesetzgebung. welche Preisfixierungen beim Heizöl festzulegen; Dabei beschränke ich mich persönlich auf alle die das wäre ja ein ausgesprochener Eingriff in die gesetzlichen Maßnahmen, die zum Bevölkerungs- Marktwirtschaft. Vielmehr werden wir — darin bin schutz, zur zivilen Landesverteidigung und zur Wirt- ich mit Ihnen einig —, wenn auch vielleicht nicht schaftssicherung gehören. In diesem Zusammenhang im Plenum, sondern im Wirtschaftsausschuß — lei- gewinnt das Problem der Vorratshaltung auf dem der sind wir nie dazu gekommen, den notwendigen Energiesektor einen ganz bedeutenden und wichti- Energie-Unterausschuß in diesem Hause zu bil- gen Akzent. Ich halte es für unerläßlich, daß die Bun- den —, mit der Bundesregierung überlegen müssen, desregierung auf dem Gebiet der Vorratshaltung welche langfristige Entwicklung über das Jahr 1970 sehr schnell zu Vorschlägen kommt. Dabei reicht es auf dem Gebiet der Preisrelationen zu verfolgen ist. nach unserer Auffassung nicht aus, zu sagen: es ist Ihr Vorschlag führt dann umgekehrt ja auch dazu, ein Vorrat von soundso viel Prozent der Förderung daß er unter Umständen allein auf Kosten des Ver- oder der Einfuhr anzulegen!, sondern es wird, wie brauchers ausgeführt wird, nämlich durch eine An- Besuche und Rücksprachen in den benachbarten hebung der Heizölpreise. Das will auch kein Ländern Mitgliedern meines Ausschusses gezeigt Mensch. Wir müssen uns überlegen, welche Maß- haben, darüber hinaus auch notwendig sein, gewisse nahmen dabei möglich sind. Hinzu kommt, daß wir Standort- und Lagerungsvorschriften zu schaffen. in den nächsten Jahren nicht nur die Relation dieser Rein wettbewerbsmäßig gesehen — Herr Kollege Preise, sondern dazu noch die Relation zu dem Preis Kurlbaum, vielleicht interessiert Sie das — ist ja des auf uns zukommenden Erdgases einkalkulieren die Frage der Lagerhaltung für die Frage einer Ko- müssen, über das heute noch gar nicht gesprochen stenverteilung zwischen den verschiedenen Energie- worden ist. trägern natürlich auch von einer entscheidenden Be- In diesem Sinne sind nach unserer Auffassung die deutung. Deshalb sollten wir sie nicht außer acht 140 Millionen Tonnen als Richtzahl eine Notwen- lassen. digkeit, wobei ich durchaus zugebe, daß es darauf Dann ist in der Entschließung des nordrhein-west- ankommen wird, Maßnahmen über das hinaus, was fälischen Landtages eine Forderung angesprochen, heute als Tageslösung vorgeschlagen wird, zu tref- die von uns unterstützt wird, nämlich die beschleu- fen und für eine längere Zeit der Zukunft beizu- nigte Schaffung eines Gesetzes über Pipelines. Ich behalten. Denn darüber sind wir uns wohl einig — begrüße es, daß der nordrhein-westfälische Land- das ist ja auch ein Teil der pragmatischen Wirt- tag in seiner Entschließung zum Ausdruck bringt, schaftspolitik —: Vorsorge auf dreißig Jahre können daß das in engstem Einvernehmen mit der Bundes- wir in der Energiewirtschaft durch Gesetze von regierung gesteuert werden soll, weil ich es un- heute wohl kaum treffen. Ich darf nur an das möglich fände, wenn etwa einzelne Ländergesetze Schicksal der berühmten Prognose der „Atomwei- kämen, die uns dann wieder eine einheitliche Kon- sen" erinnern. Wir werden alle Jahre wieder vor zeption in der Energiewirtschaft erschweren würden. neue Situationen gestellt sein. Der zweite Punkt ist der Vorschlag der Bundes- Es geht bei der Pipeline-Gesetzgebung auch nicht regierung — auf Wunsch des Hauses —, eine An- darum, auf diese Weise versteckt irgend jemand zu meldepflicht einzuführen. Ich gebe zu, daß diese An- beschweren, insbesondere etwa Interessen des süd- meldepflicht natürlich keinen unmittelbaren Einfluß deutschen oder des Rhein-Main-Raumes zu stören, auf die Kapazitäten hat. Ich könnte mir aber doch sondern es geht einfach darum, strukturell dafür zu vorstellen, daß damit erstens der Bundesregierung sorgen, daß vor allem das auf uns zukommende Erd- die Möglichkeit gegeben ist, überhaupt authentische gas nach allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesichts- Unterlagen über die Entwicklungslinie zu gewinnen, punkten zu den für den Verbraucher günstigsten während sie ja heute auf die wohlwollende Mittei- Preisen bis in die letzte Ecke kommt. lung irgendwelcher Interessenten angewiesen ist. Deshalb ist dieses Gesetz notwendig. Es wird nur Zweitens bestände vielleicht die Möglichkeit, durch möglich sein, wenn wir gleichzeitig das Energiewirt- Einführung von Fristen den Bau so in den Griff zu schaftsgesetz ändern — das ist eine Forderung, die bekommen, daß zwischen Anmeldung und Baube- die Koalition erhebt, aber auch die Opposition ist ginn eine längere Frist liegen könnte. Das alles sind der Auffassung, daß es baldmöglichst geändert wer- Dinge, die erörtert werden müssen. Aber es handelt den muß —, insbesondere die §§ 2 und 4, um zu sich nicht um ein Allheilmittel. erreichen, daß die gesamte Primär- und die gesamte Was bezüglich der Fernheizwerke oder Blockheiz- Sekundärenergie in Bundesregie erfaßt werden werke gesagt worden ist, ist eine gute Sache, weil kann. 7290 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Dr. Aschoff Wenn man das aber in einem Energiewirtschafts- folgendes. Der § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gesetz machen will, sollte man gelegentlich darüber wird offenbar in weiten Kreisen mißverstanden. nachdenken, ob es sehr praktisch ist, wenn nicht ein- Meine Fraktion legt Wert auf folgende aus- mal die Zuständigkeiten für die Energie in einem drückliche Feststellung. Wir verbinden mit der An- Bundesministerium zusammengefaßt, sondern auf wendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes in verschiedene Häuser verteilt sind, wie es jetzt der keiner Weise den Gedanken einer Kontingentierung. Fall ist. Wir würden zu jedem Schritt entschlossen sein, wenn wir feststellten, daß die Bundesregierung aus Meine Damen und Herren! Bei der Betrachtung dem § 10 eine Kontingentierung bis zum Bezugs- der Pipeline-Gesetzgebung ergeben sich zwei neue scheinsystem entwickelte. Wir waren der Auf- Gesichtspunkte. Der eine die Entwicklung beim Erd- fassung, daß der Sinn eine Lizensierung ist. gas. Ich darf bemerken, daß im Kreise meiner Freunde die Entwicklung der internationalen Ver- Die Lizenzierung kann man wie folgt beschreiben flechtung auf dem Energiemarkt mit sehr starker — hier knüpfe ich wieder an die Worte von Herrn Sorge betrachtet wird. Wir sind durchaus d'accord Kurlbaum an —: nach unserer Auffassung kann eine mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, wenn wir Lizenzierung nicht den Sinn haben — Herr Kurl- sagen: wir sind stolz auf einen liberalisierten Kapi- baum, ich finde den Satz fast gefährlich —, zu einer talverkehr und alles. Aber wir meinen doch, daß es Verknappung zu führen, sondern wir wollen dem gerade unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs Verbraucher — das haben wir ausdrücklich gesagt — eine zumindest nicht sehr angenehme Entwicklung weiterhin die freie Wahl ermöglichen. ist, wenn die Beziehungen zwischen dem Gas- erzeuger in Holland und der Bundesrepublik in Zu- Wir wollen also eine solche Lizenzierung dahin kunft ausschließlich von der Absicht und der Wei- verstanden wissen, daß man die heutige Höhe der chenstellung zweier oder dreier internationaler Kon- Einfuhr zugrunde legt — das ist mit gutem Willen zerne abhängen. Wir bedauern auch, daß es, was die doch zu machen —, gleichgültig ob Sie einen Stichtag Gewichtigkeit der Teilhaber an der deutschen Erd- festlegen und sagen: „Wir legen die Einfuhr von ölproduktion angeht, nunmehr langsam offenbar voriger Woche zugrunde", oder ob Sie — was auch dazu kommt, daß dieselben Konzerne auch im deut- unschwer möglich ist — eine Feststellung über den schen Erdölgeschäft eine so überwiegende Stellung derzeitigen Verbrauch treffen. Sie haben Anhalts bekommen, daß die gutgemeinte Absicht der Bun- werte über den durch Strukturwandel bedingten desregierung und des Bundestages auf dem Gebiete Übergang von einem Brennstoff zum anderen. der Förderung des deutschen Erdöls — wofür wir hier in diesem Hause nicht nur 800 Millionen DM, Wir wollen uns nichts vormachen, und das wird sondern im ganzen 2 Milliarden DM zur Verfügung sich auch die Kohle nicht vormachen können: im gestellt haben — nicht verwirklicht wird. Wir sehen Hausbrand wird aus den verschiedensten Gründen also mit Interesse aus privatwirtschaftlicher Sicht gelegentlich, hier und da, eine weitere Abwande- der Entwicklung entgegen, wie weit es gelingen rung von der Kohle zum Öl eintreten. Bei der Indu- wird, im Rahmen der beteiligten Unternehmen For- strie liegen die Dinge schon wieder anders, weil men zu finden, die auch die berechtigten Interessen man sie an dieser Hinsicht beeinflussen kann. Wir der gesamten deutschen Volkswirtschaft auf dem haben außerdem aus den letzten Jahren — ich frage Gebiete der eigenen Erdölförderung und auf dem das Bundeswirtschaftsministerium, ob ich darüber Gebiete des zukünftigen Bezuges und der Verteilung richtig orientiert bin — doch ziemlich ausreichende von Erdgas sicherstellen werden. Wenn das nicht Anhaltswerte für den jährlichen Anstieg an Zusatz- gelingt, ist die zukünftige Energiepolitik wieder nur energie, die ja jeder den anderen Energieträgern ein Torso, bei dem ein großer, entscheidender Teil zubilligen will, ohne die Kohle hier zu beteiligen. nicht erledigt ist. - Wenn man alles das zusammennimmt, kommt man Meine Damen und Herren, wir haben dann in der zu folgender Überlegung. Die Regierung bekommt Entschließung — damit komme ich zu dem letzten von uns keinen Auftrag, so und so zu verfahren, „heißen" Punkt — zu dem § 10 des Außenwirt- sondern sie soll nur gezwungen werden, eine gesetz- schaftsgesetzes Stellung genommen. Einer der Her- liche Handhabe zu benutzen, um im Wege der Li- ren Vorredner hat vorhin gesagt, es habe in den zenz zu verhindern, daß das entgegen jeder Vor- Besprechungen über die Einfuhrbeschränkungen für aussage um das Mehrfache gestiegene Einfuhrvolu- Mineralöl ein sogenanntes Gentleman's Agreement men an Öl verhindert wird, um eine weitere Derou- stattgefunden. Ich möchte unterstellen, daß ein sol- tierung des Energiemarktes zu verhindern. Wenn ches Gentleman's Agreement existiert. Ich glaube man das ganz offen sagt, haben selbst meine aber, daß man ein solches Agreement nicht zum Ge- Freunde, wenn auch mit schwersten Bedenken, eine setz machen kann, unter dem wir hier zu arbeiten Möglichkeit, der Regelung zuzustimmen. Wir tun haben. Ich halte es für mit der Würde und der Ver- das in der Erwartung, daß die Regelung im Interesse antwortung einer Regierung und eines Parlaments der unter Umständen Betroffenen liegt. Ich glaube, schlecht vereinbar, sich in volkswirtschaftlichen daß die Mineralölwirtschaft selbst vermutlich besser Grundsatzfragen auf Gentleman's Agreements zu dabei fährt, wenn sie ein von der Regierung klar stützen. geregeltes Verhältnis vor sich sieht, als wenn diese Verhältnisse alle halbe. Jahre wiederkehren und hier Nun, lassen wir einmal den Inhalt und die Wirk- erörtert werden müssen. Insofern begrüßen wir die samkeit außer Beurteilung. Dann ergibt sich doch Vorschläge der Bundesregierung. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7291 Dr. Aschoff Wir stehen gemeinsam mit der CDU hinter dem der Rationalisierungsstillegungen aufgeben zu müs- Entschließungsantrag, dessen wesentliche Punkte ich sen. eben noch einmal erwähnt habe. Die geschäftsord- Ich glaube sagen zu können, daß Bundesregierung nungsmäßige Behandlung der Entschließungen wird und Bundestag einig sind in dem Ziel, soweit wie sich ergeben, wenn die Bundesregierung, wie wir nur möglich Abhilfen zu gewähren. Das, worüber hoffen, noch eine abschließende Erklärung über die aber nicht überall Einigkeit herrscht, ist die Me- von ihr eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnah-. thode, wie Abhilfen herbeigeführt werden können. men abgegeben hat. Ich bin nicht ermächtigt, bereits Das Ziel ,der Bundesregierung und damit auch der einen Antrag zur formellen Erledigung der Ent- CSU-Landesgruppe ist bekannt. Wir wollen das ge- schließung zu stellen. Aber vielleicht darf ich einen ordnete Zusammenwirken aller Energieträger auf persönlichen Gedanken entwickeln. Ich habe den dem Energiemarkt zur Erhaltung eines angemesse- Eindruck, daß wir in der Energiefrage — auch Herr nen Energiepreises unter Wahrung der Interes en Kurlbaum hat das anklingen lassen — mit den s aller Energieverbraucher herbeiführen. Wir wollen Plenardebatten und dem Entschließungsantrag allein in diesem Rahmen die Aufrechterhaltung eines in der Sache nicht weit genug kommen. Es wird Kohleabsatzes in Höhe von ca. 140 Millionen Ton- nötig sein, daß wir uns selbst die Voraussetzung schaffen, in den dafür vorhandenen Ausschüssen die nen. Man soll nicht sagen, daß wir, die CSU-Landes- Dinge von Grund auf einmal so mit der Bundes- gruppe, partikuläre Sonderinteressen eines energie- regierung zu besprechen, daß konkrete gesetzliche fernen Raumes verträten. Regelungen oder volkswirtschaftlich gemeinsam ver- Wir haben zur Erreichung dieses Ziels Opfer ge- antwortete Prognosen erarbeitet werden. bracht — ich verweise nur auf unsere Zustimmung zur Verlängerung des Heizölsteuergesetzes —, und Sie gestatten, daß ich auch als Wahl-Nordrhein- wir sind bereit, dafür weitere Opfer zu bringen. Dies Westfale — seit 8 Jahren — noch etwas dazu sage. sind Opfer unserer Energieverbraucher für Kohle Es handelt sich in der jetzigen Situation nicht allein als schutzbedürftiges Allgemeingut. um ein Problem, das nur mit Verstand, Rechenschie- ber usw. erledigt werden kann, sondern es ist für Das Aufkommen an Heizölsteuer und damit die das nordrhein-westfälische Land ein soziologisches, zugunsten von Hilfsmaßnahmen für die Kohle gesellschaftspolitisches Problem erster Klasse, von zweckgebundenen Mittel haben sich gegenüber den dem wir genauso betroffen sind wie der Kumpel, dem Entwurf zugrunde liegenden Schätzungen we- der unter Umständen hier ernstlich gefährdet wird. sentlich erhöht. Die Forderung des Kohlebergbaus, Das möchte ich für meine nordrhein-westfälischen die ,ein Teil der Abgeordneten dieses Hauses über- Freunde ausdrücklich feststellen. nommen hat, ist die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes. Dies ist nicht erst seit (Beifall bei der FDP. — Zuruf von der gestern so, vielmehr kreisen auch alle Energie- SPD: Das hat aber Konsequenzen!) debatten der Vergangenheit um diesen Punkt. Die — Bitte sehr, das ist mir klar. Wir sollten es uns CSU hat von jeher davor gewarnt, diesen Weg zu daher sehr überlegen, ob wir nicht etwa durch beschreiten, und sie tut es heute wieder. Wir war- eine schlichte Überweisung an Ausschüsse in der nen davor, weil wir befürchten, daß, ganz gleich, Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, wir seien welches die Anfangsschritte sein mögen, am End- nicht bereit, uns zu einer Meinung durchzuringen. punkt der Entwicklung eine Kontingentierung, d. h. Wir müssen vielmehr beides verbinden. Diesen Ge- eine Verbrauchszuteilung für den Letztverbraucher danken nur als persönliche Anregung. stehen wird. Nach unserer Auffassung würde das (Beifall rechts und in der Mitte.) gegen die Grundsätze unserer freien sozialen Marktwirtschaft verstoßen, zu der sich auch die Opposition erst in Karlsruhe wieder laut bekannt Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort- hat der hat. Abgeordnete Weinzierl. Die große Frage ist, ob die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gleichzeitig wirksam Weinzierl (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine und EWG-konform gestaltet werden kann. Einfuhr- Damen und Herren! Was das Hohe Haus heute be- restriktionen für Rohöl kann die Bundesregierung wegt, ist der Wellenschlag einer in einem hervor- im Alleingang nur für Drittländer verfügen. Nach ragend wichtigen Teil unseres Vaterlandes aus- Art. 226 des EWG-Vertrages bedürfen Rohölrestrik- gebrochenen sozialen Unruhe, dm Ruhrgebiet und tionen gegenüber den EWG-Ländern der Genehmi- im Aachener Raum. Es sind die verständlichen Sor- gung durch die Kommission. Einschränkungen gen der Bergleute, die von uns nicht nur beruhigt gegenüber Drittländern allein sind aber nicht wirk- werden müssen, die vielmehr einen Anspruch dar- sam, weil sie durch Einschleusungen über EWG auf haben, daß der Grund ihrer Sorge selbst abge- Länder spielend umgangen werden können. stellt wird. (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wann soll Zwei Ursachen sind für die Unruhen maßgebend. denn die Vorlesung beendet sein?) Es sind ,der Verlust der anerkannten Lohnspitzen- Durch den Einsatz des Energieträgers Öl haben position der Bergarbeiter und die Furcht älterer, die energiefernen Gebiete beträchtliche wirtschaft- verdienter Bergleute, ihren erreichten sozialen Sta- liche Strukturverbesserungen erzielt. Ein dem tus durch Verlust ihres Arbeitsplatzes und auch — Energieverbraucher aufgezwungener Verzicht auf wie das befürchtet wird — ihrer Wohnung im Zuge die freie Wahl des Energieträgers würde die Er- 7292 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Weinzierl folge zunichte machen. Jedenfalls aber würde jede wirtschaftlichen Politik, der dirigistische Maßnahmen wirtschaftliche Strukturpolitik und jede sinnvolle nur in den Ausnahmefällen erlaubt, wo es unser Raumordnungspolitik in die Zukunft hinein unmög- Sozialstaatsprinzip gebietet, sollte gewahrt werden. lich gemacht, wenn Öl für den Letztverbraucher kontingentiert würde. Welche Wege schlägt nun die CSU vor? Um es knapp auszudrücken: den Einsatz aller Mittel zur Ein weiterer Gedanke, der entscheidend die An- Erhaltung des Steinkohlebergbaues im bisherigen wendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes Rahmen und zu diesem Zweck den Einsatz aller verbietet. Das Vertrauen des Verbrauchers, des Mittel, die gegenüber dem erwünschten Erfolg ver- Gewerbes und der Industrie auf eine früher getrof- hältnismäßig entsprechend sind. Der bayerische fene energiepolitische Entscheidung des Staates, die Wirtschaftsminister Dr. Schedl hat' ein Programm Anlaß für Investitionen gewesen ist, muß geschützt vorgelegt, das realisierbar erscheint und das dazu werden. geeignet ist, den Kohleabsatz auf lange Sicht zu Die CSU-Landesgruppe ist der Auffassung, daß sichern. Und darum, meine sehr verehrten Damen von diesen Grundsätzen der Energiepolitik dann und Herren, geht es. Die Programmpunkte sind abgegangen werden müßte, wenn die Besorgnisse bekannt; ich erwähne sie kurz in rascher Aufzäh- der SPD zuträfen, daß die internationalen Mineral- lung: Schaffung von Kohlefrachtbasen entsprechend ölgesellschaften durch ihre Marktpolitik die Selb- dem Vorbild bei Stahl und Eisen; Finanzierung der ständigkeit unserer Energieversorgung in Frage Frachtverbilligung für revierferne Gebiete durch stellten. Die CSU-Landesgruppe sieht aber vorder- Einführung einer Kohlefrachtabgabe in den revier- hand weder Anzeichen für monopolistische Bestre- nahen Gebieten, um einen Ausgleich für die ganze bungen der großen Ölgesellschaften noch für einen Bundesrepublik und für die gesamte Energiepolitik Verdrängungswettbewerb der übrigen Energieträger zu erreichen; Förderung der Verstromung im Strom- gegenüber der Kohle. Von 1950 bis heute hat sich absatzgebiet und besondere Verbilligung der Trans- der Marktanteil der großen internationalen Gesell- portkosten für Kohle, die zu diesem Zweck ein- schaften an den Mineralölerzeugnissen nicht ver- gesetzt werden soll; Bereitstellung weiterer Mittel größert; er ist im Gegenteil bei den großen Gesell- für den beschleunigten Ausbau des Rhein-Main schaften zurückgegangen. Auch das Aufbaupro- Donau-Kanals, weil der dann auch wieder für eine gramm für Raffineriekapazitäten läßt nicht den bestimmte Menge von Kohle den Absatz sichern Schluß zu, daß große Gesellschaften ihre Marktstel- wird. lung in monopolistischer Weise ausbauen wollen Dieses Programm beruht auf dem Grundgedan- oder können. Noch heute muß ein beträchtlicher ken, daß, auf lange Sicht gesehen, der Kohle nicht Fehlbedarf an Raffinerieerzeugnissen, insbesondere dadurch geholfen werden kann, daß das übrige an Leichtöl, durch Importe gedeckt werden. Diese Energieangebot beschränkt wird, sondern nur da- Situation wird sich auch bis 1970 nicht wesentlich durch, daß der Kohlenabsatz fest gesichert wird. verändern. Bis heute ist der absolute mengenmäßige Dazu kann vor allem auch die Verstromung in Marktanteil der Kohle durch andere Energieträger Kohlekraftwerken im Stromabsatzgebiet, selbstver- nicht zurückgedrängt worden. ständlich mit bestimmten Schwerpunkten auch die Wenn der Kohleabsatz von 124 Millionen Tonnen Verstromung am Ort, führen. Ein Gutachten der im Jahre 1963 auf 115 Millionen Tonnen zurückge- Technischen Hochschule Aachen besagt ja, daß für gangen ist, so nicht deswegen, weil die Kohle Kun- längere Strecken der Transport von Kohle billiger den verloren hat, sondern weil der Kohleeinsatz — ist, als etwa — man spricht von Strecken zwischen z. B. bei der Stahlerzeugung oder bei der Verstro- 300 und 400 km — den Strom zu transportieren. Ich mung und auch beim Eigenverbrauch der Zechen — weise darauf hin, daß hier gerade für die in weiter rationeller geworden ist. Es trifft zu, daß gegenüber Zukunft festzulegende Sicherung bestimmter Kohle- absatzmengen noch manches getan werden kann. den Absprachen über den Ausbau von Raffinerie-- kapazitäten 1962 nach den heutigen Planungen ein (Sehr gut! und Hört! Hört! bei der SPD.) Mehr von 13 Millionenn Tonnen Steinkohleneinhei- Mit Hilfe von Großkraftwerken wird man einen ten im Jahre 1966 vorhanden sein wird. Anderer- gewaltigen Teil der Kohleförderung binden kön- seits hat sich aber auf Grund der effektiven Ent- nen. Beispielsweise wird allein das Großkraftwerk wicklung des Energieverbrauchs erwiesen, daß die Franken zwischen Erlangen und Nürnberg nach Energienachfrage bis 1966 weit über die den dama- Abschluß der letzten Ausbaustufe einen jährlichen ligen Absprachen zugrunde liegenden Schätzungen Kohleverbrauch von ca. 2,4 Millionen t haben. Der hinauswachsen wird und daß die Mehrinvestitionen aufgezeigte Weg kann dahin führen, daß man durch für Raffineriekapazitäten noch unter dem erwarteten Transportkostenverbilligung für lange Strecken die Nachfragezuwachs liegen werden. Kohle überall im Bundesgebiet zum ungefähr glei- Gestern wurde bekannt, daß die Mineralölindu- chen Preis anbietet. Das hat unser Wirtschaftsmini- strie in Verfolg der Anregungen, die sie aus dem ster bei seinen Ausführungen in der letzten Plenar- Gespräch mit dem Herrn Bundeskanzler mitgenom- sitzung gesagt. Er hat darauf hingewiesen, daß wir men hat, eine Absprache über Rohöleinfuhren und das, was bei den Kokereigasen möglich geworden die Verteilung des Energiebedarfs auf die Energie- ist, auch hier anstreben sollten im Sinne der Siche- träger getroffen hat. Das macht die Anwendung des rung des Absatzes von Kohlen aus dem Ruhrgebiet. § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes zunächst unnötig, Der Ausbau von Wasserwegen in die revierfernen solange die Absprachen gehalten werden, und das Gebiete ist für die Kohle immens wichtig geworden. wollen wir hoffen. Der Grundsatz unserer markt Beispielsweise wurde der Beschluß zum Ausbau der Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7293 Weinzierl Stromerzeugungskapazitäten beim Großkraftwerk Auffassung, daß wir, wenn wir auf die Verwendung Franken auf Kohlenbasis erst im Hinblick auf die der elektrischen Energie bis in die letzte Veräste- Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals mög- lung beim Verbraucher hinein hinarbeiten, damit lich. auch die sicherste Investitionspolitik in unserer ge- Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich mich samten Volkswirtschaft treiben. Dann wird es eines etwas mit der Haltung der SPD in der Energiefrage Tages gleich sein, ob der elektrische Strom, dessen befassen. Die SPD-Fraktion dieses Hauses fragt un- Ausnutzung dann gesichert ist, nun von der Wasser- ter Nr. 3 ihres Antrags die Bundesregierung danach, kraft oder von der Kohle oder vom Öl oder vom wie sie das Vertrauen in den Fortbestand des deut- Gas oder von der Atomenergie. kommt. Jedenfalls schen Steinkohlenbergbaues wiederherstellen wolle. ist auf der Verbraucherseite dafür gesorgt, daß die Dies gibt Anlaß zu der Feststellung, daß es die SPD Investierungen in weitester Zukunft genutzt werden selbst war, die zu wiederholten Malen das Ver- können. trauen des deutschen Steinkohlebergbaues auf sei- Eine weitere Sicherung ist darin zu sehen, daß die nen zukünftigen Fortbestand untergraben hat. Verbundwirtschaft im Sektor der 'Elektrizität schon (Lachen und Zuruf von der SPD: Ach nee!) sehr weit vorangeschritten ist. Mit der Zielsetzung, möglichst viel Kohle zu verstromen, steuern wir eine Die Bundesnegierung und die Regierungsparteien moderne Entwicklung an, die jedem Verbraucher sind dem zwar immer wieder widerlegten, aber dient; denn der elektrische Strom wird nach wie vor ständig wiederholten Vorwurf der SPD ausgesetzt, die kultivierteste Energie sein, die wir dem Ver- sie hätten kein energiepolitisches Konzept. braucher darbieten können. (Abg. Wehner: Wie mit des Kaisers neuen Kleidern!) Gerade darum möchte ich vor zu frühzeitigen Still- legungen warnen. Ich glaube, es ist erlaubt zu sagen, daß es die Bun- (Abg. Heiland: Sie dürfen nicht vor der desregierung bisher erreicht hat, daß wir in dem energiepolitischen Raum einen Ausgleich gefunden Bundestagswahl kommen; da haben Sie haben und bisher noch immer gut vorwärts gekom- recht!) men sind. Es ist auch sehr zu überlegen, ob man dort, wo viel- (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wohin denn?) leicht die Kohle zunächst nicht noch weiter abbau- würdig bleibt, zu Stillegungen schreitet, weil näm- Wir bitten die SPD, einmal mit aller Deutlichkeit zu lich damit diese Vorräte ein für allemal verloren erklären, was sie haben will, ob Maßnahmen, die sind. Wir sollten uns das reiflich überlegen, schon unabweislich zur Verteuerung unserer Energieko- im Hinblick darauf, daß wir eines Tages diese Kohle sten ohne durchgreifende Verbesserung der Kohle wieder brauchen werden, wenn wir die Verstromung situation führen, oder Beibehaltung einer Politik, verbilligt haben werden, und dazu ist unsere Tech- die den billigen Energiepreis sichert und damit ver- nik, ist unsere Wissenschaft aufzurufen. Sie soll an braucherfreundlich ist. Auch in der SPD muß die der Verstromung arbeiten, sie soll alles tun, um Einsicht vorhanden , sein, daß entweder nur das eine dem Verbraucher eine möglichst billige elektrische oder nur das andere zu haben ist. Wir sehen uns Energie darbieten zu können. hier aufgerufen, einmal im Reviergebiet den Vor- marsch des Öls zu stoppen und zum anderen im re- Es wird notwendig sein, die Probleme in den Aus- vierfernen Gebiet die Energiekosten zugunsten des schüssen gründlich zu beraten und zu versuchen, Letztverbrauchers zu verbilligen. das Bestmögliche herauszuholen. (Zurufe von der SPD.) (Beifall in der Mitte. — Abg. Schmitt Es ist bekannt, daß es dabei nicht nur um Vockenhausen: Die Vorlesung ist beendet! die- Ener- giekosten allein geht, sondern daß die Energieko- Wir haben aber schon Besseres gehört! — sten in die Herstellungskosten aller Produkte ein- Weitere Zurufe von der SPD.) gehen. Sie wissen, wie die verschiedenen Produk- tionszweige am Energiekostenfaktor beteiligt sind. Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der (Zuruf von der SPD: Helft ihm doch einmal, Herr Bundesminister für Wirtschaft. mit den Zeilen zurechtzukommen!) Ich möchte mit besonderem Nachdruck noch ein- SchmüCker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr mal auf die Verstromung der Kohle hinweisen. Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, es (Zuruf von der SPD: Ganz neu!) sei doch gut, daß wir heute noch einmal eine Ener- giedebatte durchführen. Ich begrüße das besonders Die Kohle wie auch das Öl werden in bestimmtem deswegen, weil wir ,es hier mit einem konkreten Ausmaß als Grundstoffe benötigt. Das Öl wird sehr Problem zu tun haben, das jeder erfassen kann, und viel als Treibstoff für unseren Verkehr, für die Ar- trotzdem, ja trotzdem, mit einem Problem von so beitsmaschinen usw. verwendet. Zur Deckung des weittragender Bedeutung, daß bei allen Einzelfragen Bedarfs des Gewerbes und der Industrie bis in die die Grundsätzlichkeit angesprochen ist, aus allen letzte Verästelung beim Verbraucher und in den Einzelfragen die Grundsatzprobleme deutlich wer- Haushalten hinein wird der elektrische Strom in den. Hier bei dieser Debatte haben wir nicht die Zukunft in zunehmendem Umfang die moderne Möglichkeit, uns hinter Grundsätzen beim Detail zu Energie der Zukunft sein müssen. Auch ich bin der verstecken oder im Detail Grundsätze zu verraten. 7294 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Schmücker Nun darf ich im Blick auf die sozialdemokratische Aber offenbar ist es so, .daß die Bevölkerungen Fraktion sofort sagen: Ich begrüße die Debattenrede der verschiedenen Länder auch unterschiedlich rea- des Kollegen Kurlbaum, aber ich möchte in aller gieren. Ich bin auf jeden Fall keineswegs traurig, Freundschaft — das darf ich gerade bei Herrn Kurl- daß wir bei, uns in Deutschland Reaktionen bis zur baum betonen — sagen, wir sind hier unterschied- heftigen Demonstration hatten, weil daraus hervor- licher Meinung, nicht unterschiedlich in der Beurtei- geht, daß unsere Menschen noch ein Verhältnis zu lung der Dringlichkeit und der Wichtigkeit des Pro- ihrer Arbeit besitzen, ein Verhältnis zu ihrem Beruf blems, nicht unterschiedlich in dem Bemühen um die haben. Niemand sage, es sei leicht, Altgewohntes, Sache, aber wir sind unterschiedlich 'in der Meinung Herkömmliches aufzugeben. Das ist nicht einmal über den Weg der Politik. Vieles von dem, was Sie leicht, wenn etwas viel Besseres dafür geboten wird. hier kritisiert haben, Herr Kurlbaum, ist nichts an- Man denke doch nur daran, wie schwer es den deres als Ihre Darstellung, eben daß Sie anderer Hunderttausenden geworden ist, die aus der Land- Meinung sind. wirtschaft in andere Berufe gegangen sind. Wie häufig hat ein gewerblich tätiger Unternehmer und (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Arbeitnehmer lächelnd neben einer kleinen Bauern- Ich lege Wert darauf, nicht in schwarz-weiß zu hütte gestanden und sich gefragt: Warum schinden malen, aber auch jede Verwischung zu vermeiden; diese Menschen sich noch so ab? Meine Damen und hier muß wieder klar und deutlich ,diskutiert werden. Herren, das ist ein Vorgang, der nicht mit dem Rechenstift zu erfassen ist. Man muß selbst einmal (Beifall bei den Regierungsparteien.) durch diese — ich wiederhole — harte Mühle ge- gangen sein, um zu begreifen, was das alles be- Meine Damen und Herren! Ich möchte darum am deutet. Es gibt nun einmal eine Vielzahl von Ge- Anfang noch einmal mit aller Deutlichkeit die An- werben, die heute nicht mehr gefragt sind, weil der sicht der Bundesregierung dartun. Es ist weiterhin Markt bestimmt, was produziert wird. Unsere freie das Ziel der Bundesregierung, die deutsche Wirt- Wahl, das kaufen zu können, was wir wollen, das schaft und die deutschen Privathaushalte möglichst ist der Markt. Deshalb finden in vielen alten Ge- billig und sicher mit Energie zu versorgen. Niedriger werben viele Menschen keine Tätigkeit mehr. Das Preis und ungestörte Versorgung sind jeweils nicht ist in allen Bereichen so. Der Fortschritt 'hat dafür extrem zu erhalten. Das liegt nun einmal in der Un- gesorgt, daß auf den einzelnen Menschen eine hö- vollkommenheit dieser Welt. here Leistung kommt. Das bedeutet, daß diese Lei- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) stung mit einer geringeren Anzahl von Menschen erbracht werden kann oder aber daß, falls es vom Es kommt darauf an, beide Bedingungen so mitein- Markt gefordert wird, mehr Güter zur Verfügung ander zu verbinden, daß jede in optimaler Form er- gestellt werden können. füllt werden kann. Wir brauchen billige und sichere In den letzten Jahren haben viele Bergleute ihren Energie, um im technischen Fortschritt den Anschluß Beruf verlassen. Zwar hat immer neben der Stamm- an die Spitze zu erhalten. Aber die Energieversor- belegschaft ein großer Teil fluktuierend Beschäftig- gung selber unterliegt auch dem Wandel, den jeder ter gestanden, aber die Gesamtbeschäftigtenzahl ist technische Fortschritt mit sich bringt. doch von 550 000 auf 350 000 zurückgegangen. Wir Mancher mag sich in den letzten Wochen ge- müssen auch heute noch damit rechnen, daß ein fragt haben, weshalb der Notruf der Bergleute und leichter Rückgang in den Beschäftigtenzahlen an- der Appell der betroffenen Gemeinden so starken halten wird. Um es aber gleich zu sagen: Wer Widerhall in der gesamten deutschen Bevölkerung glaubt, man könne ohne den Bergmann, wir könn- gefunden haben. Nun, das liegt nicht nur daran, daß ten in der Energiepolitik ohne die Kohle auskom- die gesamte deutsche Bevölkerung der Arbeit des men, der irrt. Bergmanns Achtung zollt und dem Bergmann selbst Es kommt nun darauf an, den Arbeitsplatzwechsel Zuneigung entgegenbringt, es liegt auch daran, daß und, wo es not tut, auch den Wohnungswechsel so jeder — wenn nicht er selber, so doch in seinem sozial zu gestalten, wie es irgendwie möglich ist. Freundes- oder Verwandtenkreis — es kennenge- In einem der vielen Gespräche in meinem Hause lernt hat, was es bedeutet, sich infolge eines tech- sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafts- nischen Fortschritts umstellen zu müssen. Diese Not- bundes, Herr Rosenberg, mir einmal, auch er sei wendigkeit der dauernden Anpassung ist eine der sich darüber im klaren, daß man heutzutage in der harten, der sehr harten, aber nicht zu vermeidenden Lage sein müsse, ja, in der Lage ist, eine Wirt- Seiten der Marktwirtschaft. Wir haben unsere schaftspolitik zu betreiben, die jedem einen Arbeits- Marktwirtschaft nicht zuletzt deswegen soziale platz garantiert, aber niemand sei in der Lage, den Marktwirtschaft genannt, weil wir wollen, daß die Arbeitsplatz, den sich der einzelne nach Beruf und in einer modernen Wirtschaft notwendige Anpas- Heimat jeweils wünsche, zu garantieren. Ich füge sung so sozial wie nur irgend möglich vorgenom- men wird. Übrigens, meine Damen und Herren, kann hinzu — und sicherlich auch in Übereinstimmung die Wirtschaftspolitik betrieben werden nach wel- mit den Sozialpolitikern —, daß ein solcher Wechsel chem Rezept auch immer, die moderne Wirtschaft nur erfolgen darf, wenn er sozial abgesichert ist und muß rationalisieren, sie muß Anpassungen vorneh- wenn raumpolitisch die nachteiligen Folgen behoben men. Davon gibt es keine Ausnahme, in keinem sind. Land der Welt, und zwar gleichgültig, wie es re- Darum hat der Bund seit Jahren eine bewußte giert wird. regionale Förderung betrieben und dafür in den Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7295

Bundesminister Schmücker letzten Jahren über eine Viertelmilliarde auf- Grundsätze willen, bei den Anpassungsvorgängen gewandt. Und würde ich mehr Mittel bekommen, auch das Unvermeidbare als solches, eben als un- wer würde froher darüber sein als ich, meine Damen vermeidbar zu 'bezeichnen und nicht die Schuld — und Herren! Diese Politik soll weiter verstärkt wer- um politische Geschäfte zu machen und um private den. Sie kann nur in Zusammenarbeit mit den Län- Geschäfte zu machen — auf die falsche Stelle zu dern und den Gemeinden verstärkt werden. Ich schieben. möchte hier wiederholen: Was das Land Nordrhein- (Beifall in der Mitte.) Westfalen und die Gemeinden des Ruhrgebietes in Ich spreche diese Bitte auch deswegen aus, damit den letzten 15 Jahren an struktureller Umstellung wir künftig unsere Strukturpolitik ausbauen können. geleistet haben, ist bewunderungswürdig. Die neuen Industrieräume, die in der Bundesrepublik entstan- Bei der Debatte über Zollermäßigungen im ver- den sind, hatten es dagegen viel leichter. Leichter flossenen Sommer habe ich bereits darauf hinge- hatten es auch die Industrieräume, die nicht auf wiesen, daß für weitere Bereiche Rationalisierungs- alte Rohstoffbasen ausgerichtet waren. Wer diese verbände gegründet werden oder daß nach den Vor- Feststellung bezweifelt, der möge sich nur einmal schlägen der Betroffenen strukturelle Maßnahmen die Steuerkraft der alten Industriegemeinden des ergriffen werden sollen. Das geht aber doch nur, Ruhrgebiets oder der Gemeinden der neuen Wirt- meine Damen und Herren, wenn die Notwendigkeit schaftsräume der Bundesrepublik ansehen. Deshalb solcher Maßnahmen eingesehen wird und wenn alle ist es auch limmer mein persönliches Anliegen ge- führenden Kräfte sich darum bemühen, diese Ein- wesen, die wettbewerbsverfälschende, auch regio- sicht bei unserer Bevölkerung zu stärken. nalpolitisch wettbewerbsverfälschende Gewerbe- Ich möchte nun zu den einzelnen Diskussionsbei- steuer aus ihrer dominierenden Rolle herauszu- trägen kommen. Ich darf bei dem Kollegen Wein- bringen. zierl beginnen und ihm für das Verständnis danken. Ich ziehe also die politische Schlußfolgerung, daß Nun, es ist gar nicht so einfach, Verständnis aufzu- die soziale Marktwirtschaft ohne eine bewußte bringen, wenn man weit vom Schuß ist. Aber, Herr Strukturpolitik, die in erster Linie von den Gemein- Kollege Weinzierl, Ihre Sorge um die Anwendung den, dann von den Ländern, aber koordinierend des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes — ich komme vom Bund betrieben werden muß, nicht durchführ- gleich im einzelnen noch darauf zurück — ist zwar bar ist. verständlich, aber auch, wie ich glaube, ein wenig Die zweite Feststellung ist aber die, daß um der übertrieben. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die Wahrhaftigkeit willen jede politische Partei und sich aus dem GATT und aus den EWG-Verträgen jede wirtschaftliche Vereinigung die Pflicht hat, ergeben, und darum habe ich in Straßburg — viel- wenn sie sich zur sozialen Marktwirtschaft, zur leicht ein wenig zu temperamentvoll — einen be- Wettbewerbswirtschaft, bekennt, auch die Nachteile, sonders dringenden Appell an alle gerichtet und die persönlichen Nachteile, die der einzelne jeweils habe gesagt, daß wir auch hier nicht die Möglich- in Kauf nehmen muß, als dem System innewohnend keit haben, in die nationale Isolierung zurückzu- anzuerkennen und zu vertreten. Das aber, meine gehen, sondern daß es höchste Zeit wird, eine ge- Damen und Herren, geschieht zur Zeit nur in einem meinsame Energiepolitik zu beginnen, die leider da- sehr, sehr geringen Ausmaß. durch aufgesplittert ist, daß wir eine Montanunion,. ein Euratom und eine EWG-Behörde haben. (Zustimmung in der Mitte.) (Abg. Steinhoff: Der Ministerrat der EWG!) In Grundsatzaussprachen wird mit den Vokabeln Wettbewerb, Preisstabilität, Freiheit der Tarifpart- — Meine Damen und Herren, der Ministerrat der ner schwungvoll gearbeitet. Aber wenn es dann da- EWG ist ein Rat, der auf Einstimmigkeit angewie- rum geht, einmal die unbequemen Kehrseiten dieser sen ist, und sie können einen Institution, die auf Ein- Dinge durchzustehen, dann verlieren leider viel zu stimmigkeit angewiesen ist und die noch nicht das viele den Mut und gehen den einfachsten Weg; sie Recht zu Mehrheitsbeschlüssen hat, keinen Vorwurf schimpfen jeweils auf den anderen, und wenn sie als Institution machen. Vielleicht investieren Sie dann beide zusammen sind, schimpfen sie gemein- etwas in diese Sache; dann werden Sie mir recht sam auf Bonn. Man verlangt die Freiheit für den geben. einzelnen, und wenn hie und da ein einzelner in Ich habe diesen Appell in Straßburg noch einmal dieser oder jener Funktion die Freiheit nicht richtig aufgegriffen und gesehen, wie die Parlamentarier gebraucht oder ein einzelner in dieser oder jener aller Fraktionen zustimmten. Ich kann auch hier Stellung — will ich lieber sagen — die Funktion nur sagen, daß sich die Bundesregierung Mühe gibt, der Freiheit nicht richtig sieht, dann schimpft man voranzukommen. Sie alle wissen, welche Schwierig- auf den Staat, so als lebten wir in einer Staatswirt- keiten dabei zu überwinden sind. Ich darf vielleicht schaft, die für alles und jedes natürlich verantwort- jetzt in Erwiderung Ihres Zwischenrufs folgendes lich sein muß. sagen. Wenn bei diesen Bemühungen hin und wieder Wenn ich das sage, so sage ich es keineswegs, um einmal einige Pannen eintreten, dann sollte man sie die Verantwortung, die beim Staat liegt, zu schmä- solidarisch beheben und nicht zum Gegenstand einer lern, sondern ich sage es, um die Verantwortung, polemischen Auseinandersetzung machen. die beim einzelnen liegt, anzusprechen. (Beifall bei der CDU/CSU.) Ich bitte Sie also um der Wahrhaftigkeit der Dis- Meine Damen und Herren, die Betroffenen wissen kussion willen und um der Wahrhaftigkeit der genau, was ich meine. 7296 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Schmücker Ich möchte jetzt zu den Ausführungen von Herrn Hause von seinem Bereich einmal sagte, die Lager- Aschoff kommen und sagen, daß sich die Frage der haltung der von einem Unternehmen produzierten Verlängerung der Fristen natürlich hervorragend Güter sozusagen von der Bundesbahn durchgeführt für Glossen eignet. Wäre ich noch in meinem alten wird, weil .sie immer auf Achse sind. Das ist ein Beruf, ich hätte auch nicht gezögert, einiges darüber Nachteil der Wettbewerbswirtschaft oder, sagen wir, zu schreiben. Aber der Hergang ist so, wie es das der noch nicht ausreichend vollzogenen steuergesetz- letzte Mal gesagt habe. Es kam eine Anregung, und lichen Anpassung an die Marktwirtschaft. Ich wäre ich versprach, diese Anregung aufzugreifen und mich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mithülfen, Schritt für mit den Beteiligten zu unterhalten. Ich stellte fest, es Schritt — es ist nämlich teuer — eine Änderung war ein Alleingang. Darum war die Sache für mich durchzuführen. wieder vom Tisch, und sie ist vom Tisch, Herr Aschoff. Herr Kollege Burgbacher, ich habe sehr genau zugehört, als Sie sagten, nur aus Gründen der Ratio- Dann haben Sie gefragt, wie wir sicherstellen nalisierung solle stillgelegt werden. Das ist richtig, könnten, daß über den Rationalisierungsverband und wir müssen darauf achten. Es soll sich niemand kein Mißbrauch getrieben wird. Nun, Herr Aschoff, genieren, wenn er etwas anderes gewahr wird, auch wir können heute noch nicht eingreifen. Das Gesetz bei Bundesgesellschaften, mir das zu sagen. Ich bin ist hier beschlossen. Aber in dem Augenblick, wo wir dann bereit, in ,diesem Sinne mit einzugreifen, mit am Zuge sind, nämlich bei der Prämienantragstel- aufzupassen. lung, werden wir so handeln, wie Sie es mit Recht und, wie ich weiß, mit Unterstützung des ganzen (Beifall bei den Regierungsparteien.) Hauses gefordert haben. Ich habe das übrigens — wenn Sie Wert darauf Jetzt möchte ich sehr gern auf den Punkt Lager- legen, werde ich es vorlesen — in der letzten Rede haltung ausführlich eingehen. Ich weiß nicht, wie- schon gesagt. viel Zeit mir der Herr Präsident gibt. Aber ich muß Es wird Sie nicht wundern, daß 'ich mich über den einige Minuten darauf verwenden, wenn ich es tun Antrag der CDU/CSU und der FDP freue und daß soll. ich auch den Antrag, der gestern in Nordrhein-West- falen angenommen worden ist, durchaus begrüße, Vizepräsident Dr. Dehler: Sie können weiter- Herr-Ministerpräsident. Es ist darin ein Punkt ent- sprechen. Sie unterliegen keiner Beschränkung. halten, Herr Kollege Burgbacher — das ist auf Seite 2 der zweite Absatz: „nimmt mit Befriedigung Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Ich davon Kenntnis . . ." ; es geht dann weiter mit dem dachte, daß wir vielleicht um 13 Uhr Schluß machen Öl —, zu dem ich nach den letzten Ereignissen — die wollten, und dann schaffe ich das nicht ganz. für mich ein wenig enttäuschend waren, das gebe ich zu; aber das hängt nun einmal mit dem Geschäft zu- Ich bin in der Tat der Meinung, daß die gesamte sammen — vielleicht noch einmal ausführlich Stel- Lagerhaltungspolitik noch nicht in Übereinstimmung lung nehmen werde. steht mit den Grundsätzen der Wettbewerbswirt- schaft, der sozialen Marktwirtschaft. Denn durch die Nun habe ich das Vergnügen, mich mit Herrn Wettbewerbswirtschaft wird jeder Unternehmer zum Kurlbaum auseinanderzusetzen. Herr Kurlbaum, als schnellen Umsatz gezwungen. Wenn wir dazu un- Sie die ersten zehn Minuten gespochen hatten, da sere Steuergesetzgebung betrachten, stellen wir fest, habe ich mich gefragt, wie Sie jetzt wohl die Kurve daß das Prinzip „Großer Umsatz, kleiner Nutzen" kriegen zu dem SPD-Antrag. Denn Sie haben gesagt: Der Steinkohlenbergbau ist nicht ungesund, es han- ebenfalls in diese Richtung weist. Volkswirtschaftlich delt sich hier um Strukturwandlungen, kurzfristige sind wir aber darauf angewiesen, eine gewisse Be- Maßnahmen helfen nicht, und niemand weiß, wie vorratung durchzuführen. lang und wie schwierig der Prozeß sein wird. Das Man könnte jetzt einigermaßen enttäuscht fest- ist genau meine Meinung; so denke auch ich. Aber stellen, daß aus dem Prinzip der Marktwirtschaft als Sie dann anfingen, uns hinhaltende Taktik vor- heraus die Sicherung der Lagerhaltung nicht gewähr- zuwerfen, da wurde, wie ich meine, wieder deutlich, leistet ist. Aber ich halte diesen Schluß nicht für daß wir politisch — das ist doch ehrenwert — unter- richtig. Der Fehler muß irgendwo anders liegen. Wir schiedliche Auffassungen haben. Wenn wir politisch haben schon häufiger diskutiert — auch wir beide unterschiedliche Auffassungen haben und nicht in —, wo er wohl liegen mag. Nun, es ist keine Aus- der Lage sind, sie auszudiskutieren, halte ich mich rede: Er liegt nach meiner Meinung in der unter- an die Bibel: An ihren Früchten sollt ihr sie erken- schiedlichen Behandlung der sogenannten Betriebs- nen. mittel - das ist dasselbe wie Lagerhaltung — und des angelegten Vermögens, ist also im wesentlichen Ich kann Ihnen sagen: 140 Millionen t sind noch ein steuerliches Problem. Wenn wir es aber jetzt da. „Noch da", werden Sie sofort sagen und das lösen wollen, Herr Aschoff, kostet das eine Un- ausnutzen, weil ich es vielleicht hätte anders sagen summe, die wir uns heute nicht leisten können. Aber müssen. ich bitte Sie trotzdem sogar um Ihre Kameradschaft, Aber im übrigen können wir bei allen Schwierig- dieses Problem im Interesse der Sicherung der Ver- keiten, die in den europäischen Ländern bestehen, sorgung möglichst bald zu lösen. Es muß eine steuer- mit einiger Genugtuung feststellen, daß unsere liche Besserstellung der Lagerhaltung erfolgen. Es Probleme die geringsten sind und wir in einer sehr, darf nicht so bleiben, daß, wie ein Kollege aus dem sehr schwierigen Situation nicht vor den Problemen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7297 Bundesminister Schmücker gestanden haben, wie andere; ich meine die Suez- Das ist die eigentliche Gefahr. Davor möchte ich im Krise. Interesse der Kohle warnen. Sie muß jeden Augen- Meine Damen und Herren, natürlich ist es not- blick wissen, wie es um sie steht und welche Aus- wendig, langfristig vorzugehen. Gerade das habe sichten sie hat. ich mich bemüht deutlich zu machen, nicht nur in Aber im übrigen ist es doch so — ob kurzfristig meiner Antwort, sondern auch in den Maßnahmen, oder langfristig —: Alle Gutachten, die ich gelesen die ich gleich noch einmal aufzählen werde. habe, kommen gemeinsam zu der Feststellung, daß Herr Kurlbaum, Sie haben dann den Ausdruck wir Schwierigkeiten im wesentlichen eigentlich nur „geistige Investitionen" gebraucht. Es tut mir leid, in einer Übergangsphase von fünf bis sechs Jahren daß ich sie vorhin schon einem anderen Kollegen haben. Es gibt sogar Berechnungen, die sagen: Nach zurückgegeben habe. Ich bin der Meinung, man muß sieben Jahren werden die Amerikaner mehr Erdöl hier geistig etwas investieren. Tun Sie es auch, importieren als heute Europa. Schon daraus soll her- Herr Kurlbaum! Lesen Sie Seite 7251 ! Da steht vorgehen, daß die Sorge um das Kohleproblem eine nämlich, was Sie von mir gefordert haben. Da steht vorübergehende Sorge ist. Ich glaube, man sollte es im einzelnen. Ich brauche es nicht zu wieder- das mit in Rechnung stellen. Ich selber habe das holen. Zutrauen, daß die Kohle wieder voll wettbewerbs- fähig wird. Nun haben Sie ein gewisses Mißtrauen gegen die freiwillige Selbstbeschränkung. Das muß man Dazu aber, meine Damen und Herren, bedarf es haben; davon bin auch ich überzeugt. Man darf gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten. Ich hier nicht, nur weil man es will, daran glauben, daß möchte hier sagen — was eigentlich in Erwiderung es so kommt, wie man möchte, sondern man muß auf Ihre Ausführungen gesagt werden muß -: Die jeden Tag mißtrauisch, höllisch aufpassen, ob die Kohle ist noch nicht verloren. Herr Kurlbaum, Sie Dinge auch funktionieren. können nicht einmal zuversichtlich tun und dann, wenn Sie kritisieren, so tun, als wenn schon alles Sie haben recht, der Kreis, der beim Herrn Bun- verloren wäre. Nein, man muß doch während seiner deskanzler war, war nicht vollständig. Man hätte ganzen Darstellung den roten Faden — oder neh- vielleicht einen größeren Saal nehmen müssen. Es men Sie eine andere Farbe; ich meine jedenfalls, den ist jetzt meine Aufgabe, mit denen, die noch nicht richtigen Faden — in der Hand behalten. da waren, zu sprechen und zu einem Ergebnis zu kommen. Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon Herr Kurlbaum, ich will Ihnen aber sagen, wes- erwähnt: jedes Ding hat zwei Seiten, manches sogar halb ich für den § 10 in der Hand, im übrigen aber drei Seiten. Wenn nun das Öl verknappt werden für eine Selbstbeschränkung bin: weil ich eine Be- soll, damit die Kohle bestehen kann, dann heißt das hörde verhindern möchte. doch, daß das Öl für diejenigen knapper wird, die Öl haben wollen, und da kann ich nicht gleichzeitig (Zustimmung bei den Regierungsparteien.) darüber schimpfen, daß es knapper wird. Meine Sie haben gefragt, ob diese Maßnahme mit dem Damen und Herren, ich muß doch jeweils die Kon- Kartellgesetz vereinbar sei. Nun, Sie wissen, Vor sequenzen aus einer Maßnahme ziehen. abreden sind nicht genehmigungspflichtig. Sie ken- (Beifall bei der CDU/CSU.) nen auch den § 8 des Kartellgesetzes, wo davon die Rede ist, daß den übergeordneten Gesichtspunk- Darauf kommt es mir an, und ich glaube, daß unsere ten Rechnung getragen werden muß. Dabei will ich gesamte politische Debatte — darum habe ich die gleich hinzufügen, daß Zwangskartelle natürlich Eingangsbemerkungen gemacht — darunter leidet. nicht möglich sind. Die Quadratur des Zirkels ist auch hier nicht zu er- reichen. Wenn man verknappen will, dann muß man Dann, meine Damen und Herren, fing die- Sache auch die Konsequenzen ziehen. Bei jeder Maßnahme wieder an, kritisch zu werden. Denn nachdem Sie muß man wissen, daß sie Auswirkungen hat, und vorher von dem schwierigen, langwierigen Prozeß wenn die Auswirkungen kommen, muß man bereit gesprochen hatten, wollten Sie nun plötzlich Preis- sein, sie ganz bewußt in Kauf zu nehmen. relationen von mir hören, so etwa wie das be- kannte Verhältnis 100 : 85 bei Brot- und Futter- Nun komme mir niemand und sage: Das kannst getreide. Meine Damen und Herren, ich hoffe meine du dadurch ändern, daß du in den Haushalt hin- bäuerlichen Freunde nicht zu verärgern, wenn ich eingehst. — Meine Damen und Herren, der Preis gestehe, daß auch ich meine: Selbst diese Markt- wird immer bezahlt und wird immer vom Bürger ordnungen könnte man freiheitlicher gestalten. Aber dieser Republik bezahlt, ob über die Theke oder ich werde mich bis zum letzten dagegen wehren, über das Finanzamt. Ich warne davor, wieder Illu- daß das Marktordnungsprinzip in die gewerbliche sionen aufkommen zu lassen, als könne man von Wirtschaft eindringt. Wir müssen sehen, daß wir irgendwoher sein Geld holen und etwas verbilligen. hier mit freieren Lösungen zurechtkommen. Wir Nein, es wird immer der Preis bezahlt. wissen doch, daß der Preis u. a. eine ganz bestimmte (Beifall bei den Regierungsparteien. — Funktion zu erfüllen hat: daß wir an dem Preis Abg. Wehner: Auch heute nachmittag?) erkennen, was in der Wirtschaft los ist. Jeder, der den Preis verfälscht, kaschiert auch den Wirtschafts- — Natürlich wird er auch heute nachmittag bezahlt, ablauf. und ich stehe dazu, Herr Kollege Wehner, daß er (Beifall bei der CDU/CSU.) bezahlt wird, genauso, wie ich dazu stehe, daß wir 7298 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Schmücker als deutsches Volk Milliarden aufbringen, um un- ziehen. Wir müssen nach vorn. Wir sehen jetzt an sere Kohle zu sichern. den Maßnahmen verschiedener Länder, wie man sich (Beifall bei den Regierungspartein.) zurückzieht, daß man sich abkapselt. Mit der natio- nalen Abkapselung fängt auch im wirtschaftlichen Herr Kurlbaum hat auf etwas hingewiesen, was Bereich das Unglück an. auch mich — ich gebe es zu — seit Monaten be- drückt. Wir haben schon früher einmal darüber ge- (Beifall bei der CDU/CSU.) sprochen. Ich meine die geballte Macht der hier am Wir müssen nach vorn, wir müssen vorstoßen. Geschehen beteiligten Unternehmen. Darum bin ich dem Deutschen Bundestag so dank- (Sehr richtig! bei der SPD.) bar, daß er dieses Gesetz verabschiedet hat, durch Wir müssen doch, Herr Kurlbaum, einmal überle- das die deutschen Unternehmen ins Spiel gebracht gen: Handelt es sich hier um eine Konzentration, werden. Darum werden Sie von mir auch niemals die aus technischen Gründen notwendig ist, oder hören, daß ich über die „Zebras" schimpfe, also die- handelt ,es sich um eine marktwidrige Konzentra- jenigen, die in Kohle- und Ölunternehmen sitzen. tion? Ich glaube, bei der Internationalität dieses Ge- Das ist die natürliche Fortentwicklung, daß die schäftes wir man um eine gewisse Konzentration Kohlenunternehmen sich dort betätigen, und aus nicht herumkommen. Es war das Bemühen dieses dieser Fortentwicklung sollen sie schließlich ihre Hohen Hauses, durch das Umstellungsgesetz bei Aufgaben als Unternehmer und auch ihre sozialen Ablösung der Präferenzen dafür zu sorgen, daß wir Aufgaben erfüllen. Deutschen — und das heißt immer: deutsche Fir- (Zustimmung bei der CDU/CSU.) men — mit ins Spiel kommen. Ich freue mich dar- über, daß das trotz der hohen Summen —es hat sich Vor einem aber warne ich, meine Damen und damals um eine Milliarde gehandelt — hier so sach- Herren: zu glauben, daß man diese Entwicklung bes- lich abgehandelt und verabschiedet worden ist. Es ser gestalten könne, indem man vor ein Haus ein ist unser Bemühen, mit unter die Big Five — die Schild stellt: „Energiebehörde", und in dieses Haus dann die Großen Sechs oder Sieben werden mögen Menschen hineinsteckt. Meine Damen und Herren, — zu kommen. Aber eins läßt sich doch nicht be- das ist noch niemals der bessere Weg gewesen. In streiten, Herr Kurlbaum: Diese Großen Fünf — oder einer Notlage ein unvermeidbarer Weg; und ich Sechs oder Sieben, wenn Sie den deutschen Markt stehe nicht an, zu erklären, daß wenn die Not so nehmen— sind ja keine Einheit, diese Großen Fünf groß sein sollte, ich nicht zögern würde, von dieser bilden ja keine große Koalition, sondern sie sind Ultima ratio Gebrauch zu machen. einzelne Unternehmer, die sich am Markt streiten. Ich möchte nun zu dem Antrag der SPD Stellung (Abg. Kurlbaum: Wie lange, wissen Sie nehmen und dann gleich noch einmal die Frage der nicht, Herr Minister!) Ölgesellschaften aufgreifen. Der Antrag der SPD macht — ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, was Natürlich nicht! Ich bin ebensowenig ein Prophet ich jetzt sage — nach meiner Meinung einer sozia- wie Sie; aber ich sage, daß ich keiner bin. listischen Partei alle Ehre; denn was darinsteht, ist (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs eine sozialistische Vorstellung. Das ist Ihr gutes parteien.) Recht, meine Herren. Aber Sie sollten es nach meiner Herr Kurlbaum, ich möchte darauf hinweisen, daß Meinung auch sagen. Lesen Sie es selbst: aus der Entwicklung der Heizölpreise hervorgeht, ... einen Bericht über die Ziele, die die Bundes- wie diese sich untereinander bekriegen, regierung hinsichtlich der Beteiligung der ver- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) schiedenen Träger der Energiewirtschaft an der Energieversorgung der Bundesrepublik und der und weil sie sich untereinander bekriegen, muß die - Preisrelationen auf dem deutschen Energiemarkt Kohle als Nichtbeteiligter darunter leiden. Das ist doch der Tatbestand. Es ist nicht etwa die Zusam- verfolgt. menballung als solche, sondern es ist der ruinöse Ich kann nur fragen: Wie stellen Sie sich das vor? Wettbewerb unter diesen, die Sie insgesamt als Das müssen Sie hier einmal dartun. Ich halte ein Macht annehmen, und darunter muß ein anderer solches Verfahren nicht für möglich, oder, wenn es leiden. Das ist das, was ich gern verhindern möchte. dennoch gemacht wird, für gefährlich .Sie werden Wir müssen nur die Form finden, um hier zu einem weder das Optimum der sicheren und billigen Ver- guten Ergebnis zu gelangen. sorgung erreichen, noch werden Sie soziale Ruhe Ich danke also Herrn Kurlbaum für diesen Hin schaffen; und letzten Endes können Sie die ganze weis. Welche Rolle die internationalen Gesellschaf- Zeche nur bezahlen — wie es immer gemacht wird — ten in Europa spielen, das wird spätestens in ein aus dem großen, als anonym angesehenen Steuer- bis zwei Jahren eines der bewegenden Themen in säckel, was aber im Einzelfall der Aufbringung eine unserer Bevölkerung sein. Davon 'bin ich fest über- verdammt individuelle und harte Sache ist und zeugt. keine anonyme. Sie fordern weiter: (Zuruf von der SPD.) Vorschläge für Maßnahmen, die verhindern, daß — So wird es sein, jawohl. Aber, Herr Wehner, wir die Bundesrepublik beim Zugang zu ausländi- müssen doch sehen, daß wir um Gottes willen bei schen Öl- und Gasquellen und bei der Einfuhr, dieser Debatte nicht den Fehler von 1929 und 1930 Herstellung und Verteilung flüssiger und gas- machen und uns auf die nationalen Grenzen zurück förmiger Brennstoffe noch weiter in die Ab- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7299

Bundesminister Schmücker hängigkeit von den großen Mineralölkonzernen ich sogar den „Neuen Vorwärts", und darin stand gerät. so etwas. Herr Kollege Arendt hat glücklicherweise zwei Funktionen; vielleicht ist er Ihnen sehr dank- Ich habe vorhin schon ausdrücklich betont, ,daß ich bar, daß Sie ihm jetzt einige Sätze aus seinem. Kon- Herrn Kurlbaum dankbar dafür bin, daß er dieses zept gestrichen haben. Von ihm hatte ich es gelesen. Thema hier angeschnitten hat. Wir sind noch nicht einer Meinung, vielleicht werden wir es auch nicht; Nun muß ich wieder auf mein Thema zurückkom- aber das Thema ist wichtig. men. Ich möchte noch einmal begründen, weshalb In der Besprechung mit dem Herrn Bundeskanzler man versuchen soll, möglichst mit einer Selbstbe- hat es eigentlich ziemlich rasch eine Einigung gege- schränkung, mit einer Absprache zu Rande zu kom- ben. Was ich nicht sofort begriff — sehen Sie es mir men, die kartellrechtlich möglich ist. Man soll es bitte nach —, war, weshalb man von allen Seiten deswegen versuchen, weil erstens die Aufsicht oder über den § 10 hinausgehen wollte und, nun: nicht die Verantwortung des Staates nicht das unterneh- gleich eine Behörde, aber doch schon ein bißchen merische Risiko und damit auch nicht das unterneh- mehr als den § 10 haben wollte. Ich habe das erst merische Können ersetzen kann. Darüber hinaus bin nicht begriffen, und letztens begreife ich es heute ich der Meinung, daß die soziale Marktwirtschaft auch wieder nicht. Denn, meine Damen und Herren, davon lebt, daß man im freien Spiel der Kräfte auch darüber sollen sich auch die Anhänger der sozialen mit dem Appell an die Vernunft und nicht unbedingt Marktwirtschaft klar sein: Wenn ein Staat eine Be- mit dem Befehl von oben arbeitet. hörde einrichtet, ihnen das unternehmerische, das Es mag sein, daß wir uns nur sehr geringfügig Absatzrisiko und was weiß ich, jedes wirtschaftliche unterscheiden. Vielleicht! Ich möchte nur betonen, Risiko durch die Quoteneinteilung und die Festset- was ich vorhin darzustellen anfing. Ich war über- zung der Preisrelationen abnimmt, dann ist auch rascht, daß man viel mehr Dirigismus von mir ver- kein moralisches Recht mehr zum Gewinn gegeben. langte, weil es sich im Dirigismus bequemer arbei- (Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.) ten läßt und weil dann immer der Staat die Schuld hat, wenn es schiefgeht, und man selber durch die Ich muß das in aller Deutlichkeit sagen, so wie ich Gewinnabsicherung profitiert. Das kommt nicht in vorhin erklärt habe: Wenn man die Marktwirtschaft Frage, meine Damen und Herren! Wer sich an die- will, muß man auch den Arbeitnehmern sagen, daß sem Wirtschaftsleben unternehmerisch beteiligen es Unangenehmes und Hartes gibt, was man ge- will, muß das in Verantwortung nicht nur für sein meinsam durchstehen muß. Kein Unternehmer in Unternehmen, sondern auch für die Gemeinschaft Deutschland darf sich einbilden, daß ihm Idas Risiko tun. Sollte sich herausstellen, daß es nicht geht — vom Staat abgenommen wird und daß er dennoch die bisherigen Erfolge haben uns Recht gegeben —, verdienen kann. Das muß hier einmal festgestellt dann allerdings bin ich bereit, einzugreifen. Jedoch werden. möchte ich Sie herzlich bitten: tun Sie alles, daß dies (Beifall bei den Regierungsparteien.) vermieden wird, damit wir mit diesem Dirigismus nicht in eine nationale Abkapselung kommen und Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter damit die ersten Sünden begehen, wie es vor 35 Jah- Kurlbaum zu einer Zwischenfrage. ren gemacht worden ist — mit einem Ende, das fürchterlich war. Kurlbaum (SPD) : Herr Bundeswirtschaftsminister, (Beifall bei den Regierungsparteien.) sind Sie sich dessen bewußt, daß Sie bei der Aus- legung dessen, was ich hier vorgetragen habe, weit Ich darf nun noch einmal die Maßnahmen der über das hinausgegangen sind, was ich gesagt habe? Bundesregierung nennen. Die Bundesregierung hat Sind Sie sich bewußt, daß ich mit keinem Wort da- sich zu folgenden energiepolitischen Maßnahmen von gesprochen habe, daß eine Energieaufsichts- bekannt. behörde Preise festsetzen soll? Wissen Sie nicht, Erstens. Zur unmittelbaren Stabilisierung des daß es aber z. B. eine Rankenaufsicht schon lange Steinkohleabsatzes wird ein Gesetz zur steuerlichen gibt und daß es eine Versicherungsaufsicht schon Begünstigung der Verwendung von Steinkohle in lange gibt? Sind Sie sich nicht dessen bewußt, daß, der Elektrizitätswirtschaft eingebracht. wenn Sie in Zukunft den § 10 anwenden wollen, Zweitens. Um einen besseren Überblick über die die Öffentlichkeit zum mindesten wissen will, wel- künftige Entwicklung des Mineralölmarktes zu ge- che Zielvorstellungen die Bundesregierung bezüg- winnen, hat die Bundesregierung einen Gesetzent- lich der Anwendung dieses Gesetzes hat? Sind Sie wurf zur Begründung einer Meldepflicht für Raffine- sich dessen bewußt, daß man, wenn Sie eine Vor- rie- und Rohrleitungsbauten verabschiedet. Und in schrift wie den § 10 handhaben wollen, wissen muß, diesem Gesetz steht eine Voranmeldefrist, so daß wie stark man ihn anwendet und welches Resultat damit praktisch auch ein Bauaufschub gegeben ist. man mit dem Paragraphen erreichen will, d. h. daß man Vorstellungen quantitativer Art haben muß? Drittens. Dem Bundestag werden unverzüglich (Zurufe von der CDU/CSU.) Gesetzentwürfe für eine Regelung des Rohrleitungs- problems und für die Begründung einer Vorratshal- tung im Mineralölbereich vorgelegt werden. Schmücker, Bundesministed für Wirtschaft: Lie- ber Herr Kollege Kurlbaum, ich kann die Beurtei- Viertens. Im Zusammenwirken mit der Mineralöl- lung der Politik Ihrer Fraktion nicht nur aus wirtschaft wird die Bundesregierung für eine Ent- einem Vortrag entnehmen. Hin und wieder lese wicklung des Mineralölmarktes sorgen, die auf die 7300 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Schmücker Absatzsituation der Steinkohle Rücksicht nimmt. lich in die eigene Kraft und in die Kraft der Soli- Der Bundeswirtschaftsminister wird der Bundes- darität, kann eine so schwere Aufgabe wie diese regierung eine Verordnung vorschlagen, die vor- meistern. sieht, § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes für Ölein- (Lebhafter Beifall bei den fuhren in Anspruch zu nehmen, um die von der Regierungsparteien.) Mineralölwirtschaft beabsichtigte Selbstbeschrän- kung abzustützen. Vizepräsident Dr. Dehler: Wir unterbrechen (Beifall bei den Regierungsparteien.) hier die Energiedebatte. Um 15 Uhr wird eine Re- gierungserklärung zu der Frage des europäischen Er tut dies auf Beschluß des Kabinetts. Getreidepreises abgegeben. Es ist vorgesehen, daß Ich möchte, wie ich eingangs sagte, da es sich hier die Fraktionen dazu ihrerseits Erklärungen abgeben. um ein faßbares, griffiges Problem handelt — zwar Sodann wird die Beratung des Tagesordnungspunk- um ein Spezialproblem, das aber solche grundsätz- tes 3, die Energiedebatte, fortgesetzt. Dazu werden lichen Auswirkungen hat —, auch mit einer politi- zunächst der Herr Ministerpräsident des Landes schen Erklärung schließen und sagen, ich habe Ver- Nordrhein-Westfalen und der Herr Bayerische trauen in unsere Menschen, daß sie im Wettbewerb Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, sodann nicht nur aus der Mentalität der Tageskasse handeln, die Herren Abgeordneten Arendt und Dr. Philipp sondern daß sie die Vernunft der langfristigen Über- sprechen. legung walten lassen und so das Richtige anstreben. Ich unterbreche Das gilt für die Arbeitnehmer und ihre Gewerk- die Sitzung bis 15 Uhr. schaften genauso wie für die Unternehmer und ihre (Unterbrechung der Sitzung von 13.02 Uhr Verbände. Ich weigere mich, beiden die Verantwor- bis 15.01 Uhr.) tung und damit die Handlungsfreiheit abzunehmen. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Vizepräsident Dr. Dehler: Wir setzen die Wer das will, der soll sich nicht Marktwirtschaftler unterbrochene Sitzung fort. nennen. Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um Der frei in der Verantwortung handelnde Mensch die Beratung des Schriftlichen Berichts des Außen- war immer noch demjenigen überlegen, der bei handelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der allem, was er tut, unter dirigistischem Zwang steht. Bundesregierung beschlossene Achtundneunzigste Staatliche Eingriffe vorübergehend, zur Abwendung Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs einer Gefahr: ja, und zwar ein klares Ja; aber nein, 1963 (Zollaussetzungen 1964 — III. Teil) - Druck- und ein entschiedenes Nein, zum Dirigismus als sachen IV/2732, IV/2785 —. Das Haus ist damit ein- Wirtschaftsprinzip! Wir alle werden, auch bei un- verstanden; es ist so beschlossen. terschiedlichen Ansichten, dafür sorgen, daß dem Arbeiter an der Ruhr kein vermeidbarer Schaden Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: zugefügt wird, daß die Kohle uns erhalten bleibt, daß durch eine moderne Energieversorgung der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung. wirtschaftliche Fortschritt ermöglicht wird. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Die beste Garantie sind nicht Gesetze — auch nicht die Gesetze, die ich selber vorschlage —, son- Dr. Dr. h. C. Erhard, Bundeskanzler: Herr Präsi- dern der klare, saubere Wille zur Verantwortung dent! Meine Damen und Herren! In den letzten und die richtige Gestaltung der jeweiligen Interes- Tagen habe ich nach eingehender sachlicher Vorbe- senlage. Diese Politik hat sich in der gesamten Wirt- reitung im Bundeskabinett eine Entscheidung ge- schaft, und nicht nur dort, bewährt. Wir- haben, troffen, die nicht nur für unsere Agrarpolitik und europäisch gesehen, die geringsten Schwierigkeiten damit für unsere Landwirtschaft von großer Bedeu- im Kohlebereich und auch im Energiebereich, wie tung ist. Unsere Maßnahme hat die Festigung der die große Prüfung — ich erwähnte sie vorhin — europäischen Zusammenarbeit und damit die Straf- bewiesen hat. Wir haben die 140 Millionen t gehal- fung der Europapolitik überhaupt zum Ziele. Die ten, und wir werden alles tun, um sie weiterhin Bundesregierung legt Wert darauf, das Hohe Haus sicherzustellen. Ich bin auch davon überzeugt: Mit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Ihrer Unterstützung, mit Unterstützung der Gewerk- Ich habe die deutsche Delegation angewiesen, in schaften, der Verbände und der Unternehmer kön- den Brüsseler Verhandlungen der Harmonisierung nen wir die Schwierigkeiten dieser Jahre meistern. der Getreidepreise in der Europäischen Wirtschafts- Aber wir sollten es so frei, so freiwillig und so ge- gemeinschaft vom 1. Juli 1967 an grundsätzlich zuzu- meinschaftlich wie nur eben möglich tun. Bei allem stimmen. Dabei hat die Bundesregierung in enger aber hat die Sache den Vorrang. Ich würde es be- Fühlungnahme mit dein Koalitionsfraktionen gehan- dauern, wenn wir zur letzten Möglichkeit greifen delt. Überdies lag mir daran, diese Entscheidung müßten, aber ich würde nicht zögern, es zu tun. nicht gegen, sondern mit der deutschen Landwirt- Ich bitte das Hohe Haus, die Bundesregierung bei schaft zu treffen. ihren Bemühungen zu unterstützen und auch mitzu- Die Entscheidung ist nach sorgfältiger Abwägung helfen, den besorgten Menschen das Gefühl der aller damit zusammenhängenden Fragen und nach Sicherheit zu geben; denn Angst ist ein schlechter Prüfung der sich daraus ergebenden Folgen getrof- Weggenosse. Nur wer zuversichtlich ist, zuversicht fen worden. Ich war und bin der Überzeugung, daß Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7301 Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard der derzeitige deutsche Getreidepreis unter Berück- Freunde den Blick auf das große gemeinsame Ziel sichtigung der Produktions- und Kostenbedingungen gerichtet halten. Das alte Europa ist nicht unter- nicht überhöht ist. Auch hielt ich es im Frühjahr die- gegangen. Wenn es einig ist, wird es vielmehr eine ses Jahres für untunlich, bereits für spätere Jahre Renaissance erleben. Dann wird vergessen sein, den Zeitpunkt für eine Preissenkung anzugeben und daß es nach dem Zusammenbruch so scheinen festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und mochte, Europa, das der Welt so viel gegeben hat, Bedingungen die Bundesregeirung bereit sein sei verloren. Wir danken es unseren amerikanischen könnte, in dieser Frage andere Vereinbarungen zu Freunden, daß sie uns damals in großer Not die treffen. Hand zur Rettung gereicht haben. Nachdem der Zeitpunkt einer Angleichung bislang (Beifall bei den Regierungsparteien.) bewußt offengehalten wurde, war nunmehr eine Ent- scheidung notwendig und möglich. Wie Sie wissen, Ich wiederhole es: Europa lebt. Und das gerade hat sich im Verlauf der letzten acht Monate immer heißt und bedeutet, daß wir die Vollendung als deutlicher gezeigt, daß die Getreidepreisfrage zum einen Auftrag erkennen, der den Nationen Größe Schlüsselproblem für jeden weiteren Fortschritt der und Entschlossenheit für das Werk abverlangt. europäischen Integration geworden ist. Zwar hat die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemein- Zu den anstehenden Problemen ist es kaum erfor- schaft in ,den letzten Jahren nicht nur im gewerb- derlich, die einschneidenden Wandlungen zu erör- lichen Sektor ,eine Beschleunigung erfahren. Auch im tern und zu begründen, denen sich die deutsche Agrarbereich ist bereits für etwa 85 % der landwirt- Landwirtschaft gegenübersieht. Die Dynamik der schaftlichen Erzeugnisse in Form von Marktordnun- Technik stellte und stellt an unsere Bauern außer- gen ein einheitliches Instrumentarium geschaffen gewöhnliche Anforderungen, die alle traditionellen worden. Diese Regelungen stellen jedoch nur den Vorstellungen sprengen mußten. Die Vollbeschäfti- Rahmen dar, der seinen agrarpolitischen Inhalt erst gung hat darüber hinaus die Arbeitsverhältnisse durch eine gemeinsame Preispolitik erhält. Entschei- auf dem Lande von Grund auf verändert. Im Ge- dende Grundlage dieser Preispolitik ist aber ohne meinsamen Markt sieht sich die deutsche Landwirt- jeden Zweifel der Getreidepreis. Diese Frage mußte schaft beim Absatz ihrer Erzeugnisse vor neue Auf- von uns im richtigen Augenblick aufgegriffen wer- gaben und noch unbekannte Probleme gestellt. den, Diese Situation verlangt nach einer Neuorientierung der Absatzpolitik und der Absatzorganisation. (Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Sagten Sie „im richtigen Augenblick"?) Das alles bedingt tiefgreifende Umstrukturierun- um den Fortschritt in allen übrigen Bereichen der gen, die auch die Lebensverhältnisse der bäuerlichen wirtschaftlichen und politischen europäischen Zu- Bevölkerung berühren werden. Die großen Anstren- sammenarbeit zu ermöglichen. Dieser Schritt sollte gungen der Landwirtschaft, die sie bereits in den außerdem auch die neue deutsche Europa-Initiative vergangenen Jahren unternehmen mußte, um mit unterstützen. dieser Entwicklung fertig zu werden, verdienen volle Anerkennung. Der Grüne Bericht der Bundes- Deshalb habe ich es für richtig gehalten, der vor- regierung hat darüber alljährlich Auskunft gegeben. zeitigen Verwirklichung eines gemeinsamen Ge- Es ist auch nicht erforderlich, die Anstrengungen treidepreises unter gewissen Voraussetzungen und des Bundes und der Länder zu betonen, die unter- Erwartungen nunmehr zuzustimmen. nommen wurden und werden, um der Landwirtschaft Ich weiß, daß dieser Schritt die deutsche Land- die schwierige Umstellung zu erleichtern. Die Bun- wirtschaft vor sehr schwerwiegende Probleme desregierung hat diese Aufgabe zu jeder Zeit sehr stellt und daß es zunächst so scheinen mag, als ob ernst genommen. diese Entscheidung dem deutschen Volk nur zu- - Trotzdem kann die Anpassung der Landwirtschaft sätzliche Lasten aufbürden würde. Diese einseitige Rechnung geht indessen nicht auf. Wir beschreiten an die veränderten Verhältnisse noch keineswegs als diesen Weg in der Absicht, einen Durchbruch für abgeschlossen gelten. Um so schwerer wiegt der Europa zu erzielen. Umstand, daß nunmehr eine Angleichung der euro- päischen Getreidepreise zum 1. Juli 1967 eine Be- (Beifall bei den Regierungsparteien.) schleunigung dieses Prozesses erzwingt. Die Land- Diese Politik soll auch ein weiterer wesentlicher wirtschaft wird dadurch nicht nur von einer immer Beitrag zur Festigung und Vertiefung des deutsch- fühlbareren Erlösminderung betroffen werden, es französischen Verhältnisses sein. stehen ihr zudem zweieinhalb Jahre weniger zur Verfügung, um die Umstrukturierung und Rationa- (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.) lisierung so weit voranzutreiben, daß sie für den

Die deutsch - französische Freundschaft lebt. Auch der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt voll gerüstet französische Staatspräsident hat das in seiner Straß- ist, d. h. also, daß die Halbierung der verbleibenden burger Rede mit eindringlichen Worten neuerdings Übergangszeit die deutsche Landwirtschaft vor zu- bekräftigt. Gewiß sind nirgendwo in der Welt die sätzliche Schwierigkeiten stellt, die sie ohne staat- nationalen Interessen zweier Völker ohne weiteres liche Hilfe nicht bewältigen kann. Die Bundesregie- kongruent. Demzufolge bleibt eine gemeinsame rung war sich von Anfang an dessen bewußt, daß Politik auch immer wieder Belastungen ausgesetzt, bei einer Vorverlegung der Angleichung der EWG an denen sich aber gerade die Freundschaft zu be- Getreidepreise die deutsche Landwirtschaft unseres währen hat. Ich weiß, daß auch unsere französischen Beistandes bedarf. 7302 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard Die Bundesregierung vertritt ferner mit den Orga- kann nach unserer Vorstellung ein bedeutsames Da- nisationen der Landwirtschaft die Auffassung, daß tum in der Geschichte der europäischen Einigung dieser Angleichung des deutschen Getreidepreises werden. im Europäischen Markt die Beiseitigung von Wett- Wenn es gelingt, die gemeinsame Agrarpolitik bewerbsverzerrungen vorauszugehen hat. bis zum 1. Juli 1967 nahezu vollständig zu verwirk- Die Position unserer Landwirtschaft innerhalb der lichen, wenn zum gleichen Zeitpunkt auf dem ge- deutschen Volkswirtschaft und im Gemeinsamen werblichen Sektor die Zollunion durch den Abbau Markt der sechs Länder muß folglich im wohlver- der Zollgrenzen und die Anwendung des gemein- standenen Gemeininteresse gefestigt und gesichert samen Zolltarifs vollendet sein wird und die er- werden. Ein Niedergang der Landwirtschaft und ein forderlichen Beschlüsse über den Fortfall der Steuer- Verfall unserer Dörfer würden auch der gewerb- grenzen gefaßt sind und dazu noch mit einem er- lichen Wirtschaft, und nicht nur der auf dem Land folgreichen Abschluß der Kennedy-Runde die ansässigen, zum Schaden gereichen. Außenbeziehungen unserer Gemeinschaft eine feste (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.) Grundlage finden, dann kann niemand mehr die po- litische Bedeutung dieser Entwicklung verkennen. Diese Einsicht erfordert die Fortsetzung einer Agrar- politik, die die bäuerliche Bevölkerung in ihrer so- Wenn aus so weiter Sicht in den kommenden Mo- zialen und wirtschaftlichen Existenzgrundlage festigt naten jedes Mitgliedsland seinen eigenen Beitrag und ihr die Möglichkeit gibt, sich den Bedingungen zu leisten gewillt ist und die zu treffenden Entschei- des Gemeinsamen Marktes anzupassen. dungen von hohem gegenseitigen Verständnis und gemeinsamer Verantwortung getragen sind, dann Die Bundesregierung fühlt sich verpflichtet, dafür wird die drohende Stagnation in der Europäischen zu sorgen, daß der deutschen Landwirtschaft ein Wirtschaftsgemeinschaft endgültig überwunden Ausgleich für die bestehenden Wettbewerbsverzer- sein, dann wird sich auch für jedermann deutlich er- rungen in der EWG hinsichtlich der Kosten, Lasten kennbar zeigen, welche vorwärtsstrebende Kraft und Sozialleistungen gewährt wird, solange deren und Stärke dieser Gemeinschaft zum Nutzen aller Harmonisierung noch nicht auf andere Weise her- innewohnt. Die Bundesregierung ist von der Richtig- gestellt ist. keit und Wichtigkeit der Politik der europäischen Demzufolge wird die Bundesregierung dem Deut- Einigung zutiefst überzeugt. Nach ihrer Vorstellung schen Bundestag in Übereinstimmung mit den Koa- sollte die bevorstehende Übereinkunft nicht nur die litionsfraktionen bereits für 1965 ein Anpassungs- wirtschaftliche Integration vorantreiben, sondern programm in Höhe von 840 Millionen DM vorlegen, unseren gemeinsamen Willen stärken, auch die das insbesondere zur Verstärkung der Investitionen übrigen Bereiche ides politischen Lebens in die Be- Mittel in Höhe von 380 Millionen DM und weitere mühungen um ein immer engeres Zusammenleben Mittel zur Mehrung der sozialen Sicherheit gerade der europäischen Völker einzubeziehen. auch der kleineren und mittleren Betriebe im Aus- Ein einiges Europa stärkt zugleich die atlantische maß von 300 Millionen DM vorsieht. Dieses Pro- Allianz und wird damit zu einem gleichwertigen gramm wird fortgeführt und ab 1966 durch eine Partner. Die Bundesregierung hat ihre Vorstellun- weitere Hilfe in Höhe von 260 Millionen DM vor gen zur Neubelebung der europäischen Union in allem für die Verbesserung der Marktstruktur und ihren Vorschlägen vom 4. November 1964 entwik- der Markttechnik auf 1,1 Milliarden DM aufgestockt kelt. Sie hofft und erwartet, daß ihre europäischen werden. Freunde bei der Prüfung dieser Vorschläge den Mit diesem Programm bringt die Bundesregierung gleichen Geist der Kooperation bezeugen werden, ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, der Landwirt- wie er von deutscher Seite bei der Lösung der schaft in den noch verbleibenden Jahren des Über- Getreidepreisfrage unter Beweis gestellt wurde. gangs so weit und so wirksam zu helfen, daß sie Wenn sich die Mitgliedstaaten in der Außenpolitik, zum Beginn des gemeinsamen Agrarmarktes allen der Verteidigungspolitik und der Kulturpolitik zu Aufgaben und Anforderungen vollgewachsen und enger Zusammenarbeit in einer europäischen poli- in der Lage ist, auch für sich die Chancen eines um- tischen Union bereit finden, wird eine wichtige fassenderen Marktes wahrzunehmen. Etappe auf dem Wege zur Einigung und Stärkung Europas erreicht sein. Dieser Erfolg würde auch Mit ihrer Entscheidung weiß sich die Bundes- manchen Verzicht auf die Wahrnehmung nur natio- regierung einig mit der überwältigenden Mehrheit naler Interessen und die für ,das Ganze und das Ziel des Deutschen Bundestages, auch wenn damit Opfer gebrachten Opfer rechtfertigen. verbunden 'sind, Opfer, die wir für den Fortschritt der europäischen Sache zu bringen bereit sein Es kann hier festgestellt werden — ich hoffe, das wollen. Hohe Haus teilt diese Auffassung —, daß diese Ent- (Beifall bei den Regierungsparteien.) scheidung notwendig und nützlich war, daß 'sie glei- chermaßen dem europäischen wie dem deutschen Die Bundesregierung hofft und erwartet zugleich, Interesse dient. daß ihre Maßnahmen den Prozeß der wirtschaft- lichen Einigung Europas in seiner Gesamtheit be- (Beifall bei den Regierungsparteien.) schleunigen und daß sie einen nachhaltigen Impuls auf die europäische Zusammenarbeit auch in den Vizepräsident Dr. Dehler: Wir treten in die übrigen politischen Bereichen auslösen. Der Tag, Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete an dem dieses Tor nun aufgestoßen wurde, soll und Dr. Barzel. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7303

Dr. Barzel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine bisher als absolute Reservate nationalstaatlicher Damen und meine Herren! Die Bundestagsfraktion Politik galten. der CDU/CSU begrüßt die Entscheidung der Bundes- Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU ist bereit, regierung, die der Herr Bundeskanzler soeben mit- die finanziellen Zusagen der Bundesregierung, die geteilt hat. Wir stimmen ihr zu, und wir beglück- in diesem Zusammenhang unerläßlich waren, zu re- wünschen die Bundesregierung zu diesem wesent- alisieren. Das wird schon bei der Verabschiedung lichen Schritt. des Haushalts 1965 in einigen Wochen geschehen. (Beifall bei der CDU/CSU.) Die deutsche Landwirtschaft hat Anspruch auf zu- Der Fortgang der Einigung Europas auf der Grund- sätzliche Leistungen, einmal wegen ihrer Lage ins- lage der deutsch-französischen Freundschaft, der gesamt, zum zweiten wegen ,der zu erwartenden Ausbau der atlantischen Gemeinschaft, kurzum, die Einnahmeminderung durch die Senkung des Ge- gesamte Stärkung der westlichen Welt drohten eine treidepreises und zum dritten im Hinblick auf unsere unerwünschte und gefährliche Entwicklung zu neh- landwirtschaftliche Strukturpolitik. men für den Fall, daß der Ausbau des gemeinsamen Unsere Politik war so angelegt, daß bis 1970 die europäischen Marktes nicht zügig voranschreitet. deutschen Bauern in den Stand gesetzt sein sollten, Die Politik der Bundesregierung bedeutet, daß die sich im Wettbewerb des Gemeinsamen Markts gut deutsche Seite — zu Opfern bereit und entschlossen behaupten zu können. Nachdem der Zeitpunkt hier- — alles in ihren Kräften Stehende tut, damit Europa für vorverlegt werden mußte, ist es ein zwingendes und seine Einigung weiter voranschreiten können. Gebot, Mittel schneller und im höheren Umfang Die Haltung der Bundesregierung bedeutet ein bereitzustellen, weil unsere Bauern möglichst wett- Opfer. Wir sind dankbar, daß es gelang, in dieser bewerbsgleiche Voraussetzungen bis zum 1. Juli schwierigen Frage durch konstruktive Gespräche 1967 haben müssen. Eine von 1970 um drei Jahre Verständnis bei den Beteiligten und schließlich de- vorgezogene Preisangleichung kann von unserer ren Zustimmung zu erzielen. Die deutschen Bauern Landwirtschaft nur verkraftet werden, wenn wir zu- haben damit ihre gute Gesinnung und ihren euro- sätzlich helfen. päischen Geist erneut unter Beweis gestellt. Die Angleichung des deutschen Getreidepreises im europäischen Markt muß die Beseitigung von Wett- (Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und bewerbsverzerrungen zur Voraussetzung haben. Die Zurufe von der SPD.) deutsche Landwirtschaft muß in die Lage versetzt — Bezweifeln Sie das? werden, auf dem gemeinsamen Agrarmarkt der sechs Länder ihre Position festigen zu können. Das erfor- Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung der dert die Fortsetzung einer Agrarpolitik, die die deut- Bundesregierung gewinnen die deutschen Vor- sche Landwirtschaft in ihren sozialen und wirtschaft- schläge zur weiteren politischen und ökonomischen lichen Existenzgrundlagen an die im Gemeinsamen Vereinigung Europas einen besonderen R ang. Die Markt bestehenden Bedingungen anpaßt. Es kommt Bundestagsfraktion der CDU/CSU erklärt erneut auf den Ausgleich der für 'die deutsche Landwirt- und in aller Form, daß sie diesen Vorschlägen zu- schaft bestehenden Wettbewerbsnachteile bei den stimmt, und appelliert an die Partner der Gemein- Kosten, bei den Lasten und bei den Sozialleistun- schaft, diese Vorschläge mit allem Ernst zu prüfen gen in der EWG an, solange deren Harmonisierung und auf sie einzugehen. Wir brauchen einen „euro- nicht auf andere Weise sichergestellt ist. päischen Frühling", wir brauchen die Stärkung Europas und der atlantischen Gemeinschaft. Wie bisher wird die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU ihre Agrarpolitik an dem Grundsatz der Erhal- (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von tung und Förderung des bäuerlichen Familien- der SPD.) betriebs orientieren und alles in ihren Kräften Ste- Die Bundesnegierung hat aus diesem Geiste gehan- hende tun, um diesen wichtigen Zweig der deutschen delt und eine schwere Frage, allen Unkenrufen zum Volkswirtschaft gesund, lebens- und wettbewerbs- Trotz, zügig gelöst. fähig zu erhalten. Die 'deutsche Landwirtschaft hat, gestützt auf die Politik der Bundesregierung und Meine Damen und meine Herren, ich glaube, es dieses Hauses, in einer sich wandelnden Gesellschaft ist eine sehr, sehr ernste Frage, über die wir hier Produktivitätsfortschritte zu verzeichnen, die bewei- diskutieren. Daß Sie angefangen haben, meine Da- sen, daß sie gewillt und imstande ist, sich auch öko- men und meine Herren, ein bißchen Heiterkeit in nomisch zu behaupten. Wir werden ihr weiter helfen. den Saal zu bringen nach dem Satz, in dem ich den (Beifall bei der CDU/CSU.) Dank an die deutschen Bauern aussprach, wird wohl das Protokoll festgehalten haben. Zu den Erfahrungen unserer Generation gehört auch die des Hungers. Vor diesem Hintergrund be- (Beifall bei der CDU/CSU.) hält auch im wachsenden Europa die heimische land- Die nun mögliche weitere Einigung Europas wird wirtschaftliche Erzeugung ihren mehr als ökono- auch die Europäer im unfreien Teil unseres Konti- mischen Rang. Wir ermuntern die Bundesregierung, nents erneut mit Hoffnung erfüllen. Sie wird zu- ihre europäische Politik fortzusetzen; denn wir wis- gleich — und auch das haben wir bei diesen Fragen sen, in dem Maße, in dem wir Europa und die atlan- zu prüfen — den Kommunisten zeigen, daß ihre tische Gemeinschaft stärken, wächst zugleich unsere Rechnung nicht aufgeht. Aus freiwilliger Einsicht Chance, die Einheit aller Deutschen auf der Grund- finden sich hier Nationen in Fragen zusammen, die lage der Selbstbestimmung zu erringen. 7304 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Barzel Es ist gut, daß die Bundesregierung zu gleicher ihre bisherige Politik der Versprechungen und Wahl- Zeit auf beiden Hauptgebieten der deutschen Politik geschenke fortsetzen zu wollen. tätig geworden ist: Der Wiedervereinigung des (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Vaterlandes und der Einheit Europas. Wir werden CDU/CSU.) Sie, Herr Bundeskanzler, auf diesem Wege gern unterstützen, und ich meine, wir sind gemeinsam auf dem richtigen Wege. Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Starke. (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord neten der FDP.) Dr. Starke (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ge- ehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Vizepräsident Dr. Dehler: Besucher der Tri- Demokratischen Partei hat in der Aussprache im büne dürfen sich an Beifallskundgebungen nicht be- Deutschen Bundestag vom 19. März 1964 mit Ent- teiligen. schiedenheit Rücksichtnahme auf die deutsche Land- wirtschaft bei der Harmonisierung der Getreide- Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt preise in der EWG gefordert. Die Verhandlungen (Gellersen). zwischen Bundeskanzler und Bauernverbänden ha- ben einen Weg eröffnet, in Brüssel in die Gespräche Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Präsident! über die Harmonisierung der Getreidepreise einzu- Meine Damen und Herren! Namens meiner politi- treten. Es ist festzustellen, daß die Bundesrepublik schen Freunde darf ich folgende Erklärung abgeben. und in ihr die deutsche Landwirtschaft damit Bereit- schaft zeigen, im Falle einer Einigung in der EWG Die SPD-Fraktion nimmt für heute die Erklärung in der Frage der Getreidepreise ein echtes Opfer für des Bundeskanzlers zur Kenntnis. Wir begrüßen es, die politische und wirtschaftliche Einigung Europas daß die Bundesregierung in der Frage der gemein- zu bringen. Dieses Opfer soll den kommenden Ver- samen Agrarpolitik unter dem Druck der Ereignisse handlungen zur Einigung Europas auf Grund der endlich tätig geworden ist und dabei die Landwirt- Initiative der Bundesregierung einen neuen und ent- schaft mit in ihr Gespräch einbezogen hat. Es ist scheidenden Impuls geben und sollte von den Part- erfreulich, daß sie mit ihren Verhandlungsvorschlä- nern in der EWG entsprechend gewürdigt werden. gen nunmehr einen Beitrag zur Beendigung der Das Opfer der deutschen Landwirtschaft gebietet europäischen Krise leistet. auch, gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen zu be- Die Bundesregierung hat die deutsche Landwirt- seitigen und Wettbewerbsnachteile in Kosten, schaft jahrelang über das Unvermeidbare getäuscht. Lasten und Steuern sowie etwaige Erlösminderun- gen dauernd und in voller Höhe auszugleichen. Das (Beifall bei der SPD.) muß unbeschadet des Art. 43 Ziffer 3 des EWG Sie hat den deutschen Bauern mit dem Versprechen Vertrages zusammen mit anderen Maßnahmen geschehen, hinzuhalten versucht, den deutschen Getreidepreis durch ein deutsches Anpassungsgesetz zu halten. Dieses ungute Spiel hat sie nunmehr be- das verhindert, daß die Landwirtschaft in Zukunft in die Rolle eines Bittstellers gedrängt wird. enden müssen. (Beifall bei der SPD.) (Beifall bei der FDP.) Mit der Einsicht, daß es notwendig ist, die Landwirt Die Bundesrepublik muß in Brüssel mit gleicher schaft auf den Gemeinsamen Markt vorzubereiten, Hartnäckigkeit für Fortschritte in der europäischen kommt die Bundesregierung leider um Jahre zu spät. Entwicklung wie für die um derentwillen der deut- schen Landwirtschaft gegebenen Zusagen eintreten. (Erneuter Beifall bei der SPD.) Der Zusammenhang darf nicht gelöst werden. - Es wird schwer sein, die Versäumnisse der Vergan- Die Harmonisierung der Getreidepreise wird genheit wettzumachen. keine erkennbare Entlastung für die deutschen Ver- braucher bringen. Gerade deshalb muß die Bundes- Die SPD-Fraktion möchte die Erklärung des Bun- regierung mit aller ihrer Autorität und mit allen deskanzlers mit ihren Zielsetzungen und Auswir- ihren Möglichkeiten die Bevölkerung darüber auf- kungen in allen Einzelheiten gewissenhaft prüfen klären, daß die gewaltigen finanziellen Lasten, die und wird deshalb erst in der nächsten Woche aus- wir jetzt im Innern auf uns nehmen, nicht ein Ge- führlich Stellung nehmen. schenk an die deutsche Landwirtschaft, sondern vielmehr die Voraussetzung dafür sind, daß wir Die Ausgleichsvorschläge für die deutsche Land- trotz des Opfers einer Getreidepreisharmonisierung wirtschaft erwecken allerdings den Eindruck, daß es vor Ende der Übergangszeit in einem gesunden sich hier um unausgereifte Verlegenheitsentschei- Europa auch eine gesunde deutsche Landwirtschaft dungen handelt, die den Kern der Probleme nur erhalten. wenig berühren. (Beifall bei der FDP.) (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Nicht die Landwirtschaft will öffentliche Hilfe statt Mitte.) eines Preises, der die auch bei ihr ständig anstei- Offensichtlich hat die Bundesregierung in der zu genden Kosten deckt. Die Rücksicht auf die Ver- rückliegenden Zeit wenig Gedanken .auf notwendige braucher und vor allem der seit Jahren in der euro- und zeitgerechte Lösungen verwandt. Sie scheint päischen Agrarpolitik eingeschlagene Weg führt Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7305

Dr. Starke zum jetzigen Vorgehen, das nicht nur in der Land- werden dabei insbesondere auch Staatspläne zu wirtschaft selbst als nachteilig und abträglich emp- einer immer erhöhten Produktion der Partnerländer funden wird. Hier dürfen wir nicht Vorwürfe erhe- einer kritischen Würdigung unterzogen werden müs- ben, sondern wir müssen alle helfen, diese Pro- sen, was der Vorsitzende der Liberalen Fraktion im bleme materiell und geistig zu bewältigen. Europäischen Parlament schon vor über Jahresfrist Die Freien Demokraten werden den landwirtschaft- gefordert hat. Es geht hierbei um die lebenswichtige lichen Familienbetrieben — die aus ihrer gesell- Frage, ob der EWG-Agrarmarkt nur über den Preis schaftspolitischen Vorstellung nicht wegzudenken gesteuert werden soll oder ob nicht auch Mengen- sind — bei der Bewältigung ihrer Probleme ihre regelungen erforderlich sind, und im Zusammenhang Unterstützung auch weiterhin ebensowenig ver- damit um die Frage des Verhältnisses der EWG zu sagen wie den lohnintensiven und Dienstleistungs- den dritten Ländern, also um die wahre Schicksals- betrieben vom Kohlenbergbau bis zu Handel, Hand- frage der Gemeinschaft. werk, Gewerbe und freien Berufen. Das muß um so deutlicher gesehen werden, als (Lachen bei der SPD.) aller Wahrscheinlichkeit nach für die Durchführung der Kennedy-Runde, die von der Entwicklung der Wir sind im Begriff, den entscheidenden Schritt EWG-Agrarpolitik nicht getrennt werden darf, die in die Richtung weiterer großer Staatssubventionen Frage der Mengenregelungen weit wichtiger werden zu gehen. Die Freien Demokraten stellen mit allem wird als die Preisfrage. Die Bundesregierung wird Nachdruck fest, daß sie diesen Weg gesellschafts- dabei auch nicht übersehen, daß zwei Drittel unseres politisch für unglücklich und kaum noch mit unserer Exportes, der nicht nur für uns, sondern auch für die freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsord- EWG als Ganzes gleich wichtig ist, in die dritten nung vereinbar halten. Länder außerhalb der Gemeinschaft geht. (Beifall bei der FDP. — Lachen bei der SPD.) All dies zeigt, daß man nicht einzelne Probleme Wir werden in Europa um die Durchsetzung der isoliert herausgreifen darf. Fragen des Wegfalls der Grundsätze ringen müssen, denen wir Freiheit und Steuergrenzen sind nicht weniger wichtig als die Wohlstand in der Bundesrepublik zu verdanken Fragen der parlamentarischen Kontrolle, der ge- haben. meinsamen Konjunktur- und Wirtschaftspolitik und Auch wenn wir von längerfristigen Auswirkun- schließlich die Frage der politischen Einigung über- gen absehen, stehen wir schon jetzt vor schwer- haupt. Die gemeinschaftliche Entwicklung Europas wiegenden finanzpolitischen Entscheidungen. Die hängt gerade von einem Gleichgewicht in der Be- Freien Demokraten stellen dazu fest, daß die handlung und Lösung dieser Fragen ab. Finanzpolitik, die seit 1961 betrieben worden ist und die als Kernstück der Regierungspolitik anzusehen In diesem Rahmen muß für die Agrarpolitik fol- ist, ohne Einschränkung fortgesetzt werden muß. gendes gelten: Der Herr Bundeskanzler hat feste Zusagen gegeben; Der derzeitige deutsche Getreidepreis ist unter Be- ihm obliegt es nun auch, zu entscheiden, wie sie rücksichtigung der Produktions- und Kostenverhält- ohne Ausweitung des Bundeshaushalts finanziert nisse nicht überhöht. Ziel müßte daher sein, ein werden. Er wie vor allem auch der Bundesfinanz- europäisches Getreidepreisniveau herzustellen, das minister können der vollen Unterstützung der der deutschen Kostenlage entspricht. Gelingt das Freien Demokraten dabei gewiß sein. Bei dem hier nicht, muß ein voller und dauernder Ausgleich ge- zu erwartenden Ringen darum, welche Ausgaben währleistet werden. Auf die Dauer kann eine euro- gestrichen werden, welche Aufgaben unerfüllt blei- päische Agrarpolitik nur dann erörtert und ziel- ben müssen, wird vielen erst die Größe des Opfers strebig betrieben werden, wenn die Landwirtschaft bewußt werden, das wir der europäischen Einigung kostenechte Preise erhält. zu bringen uns entschlossen haben. - (Beifall bei der FDP.) Das alles zeigt, daß im gleichen Atemzug auch die Finanzierung des Gemeinschaft neu gestaltet werden Gesellschaftspolitisch bedenklich wäre ein Einkom- muß. Die höheren inneren Lasten, die die Bundes- mensausgleich durch Sozialsubventionen. regierung jetzt im Interesse der europäischen Eini- gung auf sich nimmt, werden unsere Möglichkeiten (Beifall bei der FDP.) in europäischen Finanzfragen begrenzen. Eine Über- Die Harmonisierung des europäischen Getreide- prüfung der bestehenden Bestimmungen muß eine preises verlangt folgendes: endgültige Lösung nach Art. 201 des EWG-Vertrages ergeben, die eine gerechte Lastenverteilung zwi- 1. Bei der Festsetzung des europäischen Getreide- schen den Partnern in der Gemeinschaft herbeiführt; preises muß eine Revisionsklausel die Kaufkraft- der Zusammenhang darf auch hier nicht übersehen entwicklung berücksichtigen. werden. 2. Die Relation zwischen den Erzeugerpreisen für Unlösbar verknüpft damit und mit der Getreide- Brot- und Futtergetreide muß unverändert bei preisfrage sind andere Preisfragen und weitere Pro- 100 : 85 verbleiben. bleme der Agrarpolitik; sie müssen gemeinsam gelöst werden. Nur so wird endlich die Gesamt 3. Der Getreidepreis muß in Rechnungseinheiten konzeption einer europäischen Agrarpolitik sichtbar ausgedrückt werden. Dabei muß ein besonderer werden, auf die sich die Bundesregierung und die Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitäts- deutschen Landwirtschaft einstellen können. Gewiß weizen sichergestellt werden. 7306 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Dr. Starke 4. Auch bei der Festlegung der Preise für die Vizepräsident Dr. Dehler: Darf ich meine B itte tierischen Veredelungsprodukte sowie Zuckerrüben wiederholen, unserem verehrten Gast volle Auf- und Ölsaaten sind die Kriterien, welche maßgeblich merksamkeit zu schenken. die Kosten des Getreidepreises bestimmen, zu be- rücksichtigen. Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nord- 5. Bei der Verwirklichung des gemeinsamen Agrar- rhein-Westfalen: Nach der heutigen Erklärung des marktes dürfen marktferne landwirtschaftliche Er- Herrn Bundeswirtschaftsministers in diesem Hohen zeugungsgebiete nicht benachteiligt werden. Dabei Hause ist es zunächst meine Pflicht, ihm und der ist insbesondere die schwierige Situation in den gesamten Bundesregierung Dank zu sagen Zonenrandgebieten und in den benachteiligten Mit- (Beifall bei der CDU/CSU) telgebirgs- und Bergbauerngebieten zu berücksich- tigen. für die Maßnahmen, welche die Bundesregierung 6. Die Freien Demokraten fordern eine verpflich- nunmehr zugunsten des deutschen Steinkohlenberg- tendere Gestaltung des Landwirtschaftsgesetzes; da- baues beschlossen hat. Der Herr Bundeswirtschafts- zu liegt ein FDP-Antrag vor. minister hat zu meiner besonderen Freude in seiner Erklärung auf die Entschließung hingewiesen, welche 7. Die Freien Demokraten fordern ferner ein der Landtag von Nordrhein-Westfalen in der gestri- EWG-Anpassungsgesetz für die deutsche Landwirt- gen Sondersitzung als Ergebnis seiner Energie- schaft mit folgenden Zielsetzungen: a) ein lang- debatte auf Antrag aller Fraktionen einstimmig ge- fristiges Investitionsförderungsprogramm mit Zins- faßt hat. In dieser Entschließung forderte der Land- sätzen, die entsprechend der Einkommenslage der tag von Nordrhein-Westfalen erstens eine Verord- deutschen Landwirtschaft tragbar sind — hierzu ge- nung zur Lizenzierung der Mineralöleinfuhren ge- hört als vordringliche Maßnahme die Konsolidie- mäß § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes, zweitens rung der Altschulden —, b) Verbesserung der land- den Erlaß eines Gesetzes zur Begründung einer An- wirtschaftlichen Qualitätsproduktion und Absatz- meldepflicht für den Bau von Raffinerien und Rohr- sicherung, c) ein langfristiges Strukturprogramm, leitungen, drittens die Änderung des Bergarbeiter- welches sicherstellt, daß die landwirtschaftliche Pro- wohnungsbaugesetzes zugunsten der von Stillegun- duktion durch leistungsfähige Familienbetriebe auch gen betroffenen Bergleute und viertens eine Rege- für die Zukunft gesichert wird. lung des schwerwiegenden Bergschädenproblems. 8. Die Freien Demokraten fordern außerdem eine Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der heute gesetzliche Regelung zur Förderung der bäuerlichen diese Entschließung des Landtags von Nordrhein- I Veredelungswirtschaft und zur Vermeidung einer Westfalen ausdrücklich begrüßt hat, hat im Einver- nehmen mit der Bundesregierung erklärt, daß die Überproduktion an Veredelungserzeugnissen als in seinen Geschäftsbereich fallenden Forderungen Folge eines harmonisierten Getreidepreises. des Landtags Nordrhein-Westfalen — nämlich zu 1 9. Die vorgenannten gesetzlichen Maßnahmen und 2, also die Verordnung gemäß § 10 des Außen- müssen, wie es für andere Länder bereits geschehen wirtschaftsgesetzes und der Erlaß eines Gesetzes zur ist, als EWG-konform durch die EWG anerkannt Begründung einer Anmeldepflicht für den Bau von werden. Raffinerien und Rohrleitungen — erfüllt werden. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich danke Ihnen (Beifall bei der FDP und Abgeordneten dafür. der CDU/CSU.) Bei der weiterhin vom Landtag von Nordrhein- Westfalen erhobenen Forderung nach Änderung des Vizepräsident Dr. Dehler: I m Ältestenrat ist Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes handelt es sich vereinbart worden, daß wir hier abbrechen- und die um eine bedeutsame Maßnahme zum Schutze der Aussprache in der nächsten Woche weiterführen. — von Zechenstillegungen betroffenen Bergarbeiter Das Haus ist einverstanden. und ihrer Familien. Das Bergarbeiterwohnungsbau- Wir kehren zurück zu Tagungsordnungspunkt 3, gesetz ist einmal zum Schutze der Bergarbeiter und Energiedebatte. Das Wort hat der Herr Minister- ihrer Familien erlassen worden. Unter den verän- präsident des Landes Nordrhein-Westfalen. derten Verhältnissen der heutigen Zeit droht es sich nach dem bekannten Goethe-Wort „Gesetz wird (Anhaltende Unruhe.) Unsinn, Wohltat Plage" in sein Gegenteil zu ver- — Darf ich um Ruhe bitten. kehren. Aber es darf nicht sein, daß das, was ein- mal zum Schutze des Bergarbeiters von diesem Ho- hen Hause beschlossen worden ist, sich nunmehr Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nord- gewissermaßen als eine Strafe gegen ihn wendet. rhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Deswegen ist es nach Auffassung der Landesregie- Herren! Wie Sie wissen, hat sich der Landtag des rung und des Landtags von Nordrhein-Westfalen Landes Nordrhein-Westfalen gestern in einer ganz- notwendig, sicherzustellen, daß dem Bergmann, der tägigen Sondersitzung mit den Problemen der durch die Stillegung seiner Zeche den Arbeitsplatz Steinkohle, die zu über 90% im Lande- Nordrhein aufgeben muß, nicht auch noch sein Wohnrecht auf Westfalen beheimatet ist, befaßt. Grund des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes ge- (Fortgesetzte Unruhe. — Glocke des nommen wird. Präsidenten.) (Beifall in der Mitte.) Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7307

Ministerpräsident Dr. Meyers Daß diese Bergarbeiter, wenn sie wollen, in ihren Zunächst bin ich durchaus nicht sicher, daß restrik- Wohnungen verbleiben können, ist eine grund- tive Maßnahmen allein — oder zu einem wesent- legende Voraussetzung für alle strukturellen, sozia- lichen Teil — auf die Dauer gesehen uns das Ziel der len und kulturellen Maßnahmen, die wir im Ruhr- Erhaltung eines leistungsstarken marktfähigen deut- gebiet durchführen und durchführen werden. schen Steinkohlenbergbaus an der Ruhr und an der Wir haben hier bereits Verständnis beim Bundes- Saar werden erreichen lassen. Ich habe Verständnis, minister für Wohnungswesen, Städtebau und Raum- wenn man zunächst davon ausgeht, .daß die Be- ordnung gefunden. Er hat der Landesregierung von lastung eines ,der entscheidenden — gegenwärtig, zu Nordrhein-Westfalen zugesagt, alsbald eine ent- dieser Stunde: des entscheidenden — Konkurrenten sprechende Novelle zum Bergarbeiterwohnungsbau- der deutschen Steinkohle, nämlich des Öls, der Stein- gesetz dem Bundesrat und diesem Hohen Hause zur kohle Luft schaffen könnte. Es ist nicht verwunder- Beschlußfassung zuzuleiten. lich, diese Auffassung im Steinkohlenland zu hören, denn im Rhein-Ruhr-Gebiet lagen im vergangenen Im übrigen — und das betrifft die vierte Forde- Jahr 45 % — sogar noch etwas mehr —der Raffine- rung des Landtags — sind wir mit der Bundesregie- riekapazität in .der Bundesrepublik, liegen in diesem rung in Verhandlungen eingetreten, um das Berg- Jahr noch 41 %, und bei 40 % wind .es wohl längere schädenproblem gemeinsam zu lösen. Zeit bleiben. Die Bundesregierung hat damit den Wünschen Um aber zu einer endgültigen Lösung zu kommen, entsprochen, die Landtag und Landesregierung von um auf die Dauer von Hunderttausenden von Men- Nordrhein-Westfalen — einstimmig, wie ich noch- schen ,die Sorgen zu nehmen, die bis zur Sorge um mals betonen möchte, über alle Parteien hinweg — das Dach über den Kopf gehen, wie wir eben von im Interesse der Gesunderhaltung unseres Stein- Herrn Ministerpräsident Meyers gehört haben, muß kohlenbergbaus und damit einer gesicherten und man den Menschen die Möglichkeit geben, aus eige- billigen Energieversorgung der Bundesrepublik er- ner Kraft das, was sie schaffen, auch sinnvoll dem hoben haben. Es liegt nunmehr an Ihnen, den Mit- gesamten Volk anzubieten. Diese Möglichkeit kann gliedern dieses Hohen Hauses, die zu erwartenden — zumindest zum Teil — durch einige Maßnahmen Vorlagen der Bundesregierung sobald als möglich . geschaffen werden. Ich darf zu drei Punkten noch zu verabschieden. einmal Stellung nehmen, nicht zuletzt, um Mißver- Unsere Bitte geht dahin: Geben auch Sie uns Ihre ständnisse, die offenbar bereits aufgetreten sind, zu Hilfe, meine Damen und Herren, damit es uns ge- beseitigen. meinsam gelingt, eine ernste Gefahr für die ge- Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, um der samte Bundesrepublik abzuwenden. Nur so können Steinkohle in allen revierfernen Gebieten ihren Ab- wir im Interesse unseres ganzen Volkes sicherstel- satz zu erhalten, die Frage einer Frachtbasis ernst- len, daß auch in Zukunft das Ruhrgebiet das große lich zu diskutieren. Dabei muß man davon ausgehen, zusammenhängende, moderne, aber auch befriedete daß gepoolte Frachten absolut nichts Neues sind; industrielle Herzstück Europas bleibt. sie wären auch für die Kohle nicht absolut neu. Es (Beifall bei den Regierungsparteien.) gibt sie auch in anderen Bereichen, und dort wird, wie mir scheint, dieses Verfahren mit Vorteil ange- wandt; ich denke an die Zementindustrie, um ein Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Beispiel zu nennen, ich denke an Stahl und Eisen, Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr des Frei- um ein zweites zu nennen. Wenn man das weiß, staates Bayern. sollte man sich nicht von vornherein auf den Stand- punkt stellen, daß das hier nicht möglich oder nicht Dr. Schedl, Bayerischer Staatsminister für Wirt- sinnvoll wäre. schaft und Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen - Weiter muß man davon ausgehen, daß in den und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Burgbacher Genuß eines Frachtenausgleichs nur .die über die hat mit Genugtuung und Dankbarkeit — wie er sich Eisenbahn versandte Kohle kommen sollte; denn in seinem Vortrag heute vormittag ausgedrückt hat über große Entfernungen Massengüter auf der Straße — zur Kenntnis genommen, daß auch ein Sprecher zu verschicken, scheint mir nicht unbedingt im ge- eines revierfernen Landes die Erklärung abgegeben samtwirtschaftlichen Interesse zu liegen, und Trans- hat, daß die Sorgen der Kohle unser aller Sorgen porte über kurze Strecken können unter keinen Um- sind. ständen noch in den Genuß eines Frachtenausgleichs (Beifall bei der CDU/CSU.) kommen. Die Tarife im Wasserstraßenverkehr sind eine andere Frage; sie stehen hier nicht zur Diskus- Ich darf diese Erklärung in aller Form wiederholen sion. und darf hinzufügen, daß das nicht nur meine per- sönliche Auffassung ist, sondern die Auffassung der Wenn wir also die Anwendung einer Frachten Regierung des Landes, die zu vertreten ich die Ehre basis auf jenen Anteil der Kohleförderung beschrän- habe. ken, der über die Schiene abgesetzt wird, dann wird nach den Zahlen des Jahres 1963 das Volumen auf Aber nicht, um das zusagen, stehe ich hier vor nicht ganz 42 Millionen Tonnen eingeengt. Davon Ihnen, meine Damen und Herren. Ich glaube, ,es ist könnte nach einer überschlägigen Berechnung etwa notwendig, zu den Vorschlägen, die heute der Herr die Hälfte — vielleicht etwas weniger, vielleicht Bundeswirtschaftsminister gemacht hat, noch ein etwas mehr — in den Genuß dieser Maßnahmen paar Anmerkungen anzufügen. kommen, durch die der Markt für die Kohle im Nor- 7308 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Staatsminister Dr. Schedl den wie im Süden und im Südwesten gefestigt würde und Raffinerien und zu der damit verbundenen und durch die dort eine Stärkung der Stellung der Möglichkeit des Verzögerns des Baubeginns. Ich Kohle auf dem Markt, insbesondere auch gegenüber darf nur daran erinnern — es ist Ihnen sicher be- den anderen Wettbewerbern im Energiebereich, zu kannt, aber auch an Bekanntes sollte man sich ge- erzielen wäre. legentlich bewußt und nicht nur zufällig erinnern—, Die zweite Frage, die Verstromung der Kohle, daß im Jahr 1963 etwa 60 % des in der Bundesrepu- hat, wie mir scheint, bereits einen wesentlichen An- blik verbrauchten leichten Heizöls Importware Be- stoß dadurch bekommen, daß der Herr Bundeswirt- weisen sind und nicht aus der Inlandsproduktion schaftsminister das Versprechen abgegeben hat, daß stammen und daß etwas über 20 %, rund 22 %, des Kohlenstrom oder die Kohle, die verstromt wird, schweren Heizöls, also des spezifischen Marktgeg- steuerlich begünstigt würde. Ich begrüße das sehr, ners der Kohle, auch aus Importen stammten. möchte aber hinzufügen, daß diese Maßnahme allein Hieraus muß wohl der Schluß gezogen werden, nicht ausreicht, um Kohlenstrom zu annähernd glei- daß das Hinauszögern des Baues von Raffinations- chen Bedingungen in allen Teilen der Bundesrepu- anlagen durchaus nicht der Weisheit letzter Schluß blik auf den Markt und damit an den Verbraucher sein kann. Das könnte nämlich nur bedeuten, daß bringen zu können. in noch größerem Maße ein gewisser Unsicherheits- Ich halte gerade diese Maßnahme, Herr Bundes- faktor in die Versorgung mit Energie auf dieser wirtschaftsminister, für außerordentlich wichtig, Basis ins Land getragen wird, insbesondere im weil ja, wenn Restriktionen auf dem Markt wirk- Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die die sam werden, automatisch die Preise anziehen müs- Bundesrepublik im Rahmen der Europäischen Wirt- sen, und darüber wird sicherlich nicht nur auf der schaftsgemeinschaft hat. Das wollte ich noch an- einen Seite Freude herrschen. Ich bin sicher, daß fügen, aber nicht, um nun auf Umwegen doch noch das Öl sehr gern davon Kenntnis nimmt, daß der gegen die Kohle zu sprechen. Es ist meine tiefe Markt eingeengt wird, denn das wird sich auf die Überzeugung, daß das Problem Kohle ein deutsches beteiligten Gesellschaften, ganz gleich, ob sie rein- Problem ist und nur durch Opferbereitschaft und blütige oder nicht mehr reinblütige Ölgesellschaften Kooperation gelöst werden kann. sind, vom Ertrag her gesehen kaum nachteilig aus- (Beifall in der Mitte und rechts.) wirken. Um so notwendiger wird es sein, daß man durch diese Maßnahmen, und zwar die steuerliche Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Maßnahme verbunden mit einer besonderen Maß- Herr Ministerpräsident des Saarlandes. nahme zur Verbilligung der Frachten — denn dar- um geht es entscheidend —, die Bäume, die Preis- bäume auf der anderen Seite nicht in den Himmel Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes: wachsen läßt. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um mir Es wäre auch zu überlegen, ob nicht beim Neubau den Hinweis zu gestatten, daß es außer dem Land von Kraftwerken auf Steinkohlebasis die durch die Nordrhein-Westfalen — dort zwar zu 90 % — besonderen, spezifischen Einrichtungen für die Ver- noch in einem anderen Teil unseres deutschen Va- stromung der Steinkohle notwendigen zusätzlichen terlandes einen intensiven Steinkohlebergbau gibt, Investitionen etwa aus Mitteln des Heizölsteuerauf- nämlich an der Saar. Dieses Land hat, wie Sie wissen, kommens schmackhafter gemacht werden sollen, um wegen seiner Kohlevorkommen im Laufe der Ge- insgesamt — und hier sehe ich eine reale Möglich- schichte sehr oft seinen Besitzer wechseln müssen. Die keit — dem Ölstrom durch den Kohlenstrom über Kohle ist in besonderem Maße auch sein Schicksal den Preis eine ernste Konkurrenz zu machen. Ich gewesen und bestimmt es auch heute noch. An der bin sicher, daß es hier Wege gibt, die zu einem be- Saar bildet der Bergbau wie kaum irgendwo anders achtlichen Erfolg führen. die Grundlage der Existenz der Menschen, die Gene- Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber rationen hindurch den Beruf des Bergmanns mit Stolz auch noch einmal betonen, daß diese Maßnahmen ausgeübt haben. Der saarländischen Regierung liegt wahrscheinlich auf die Dauer nicht ausreichen. In- daher außerordentlich viel daran, daß die Grundlage folgedessen sollten zur Marktsicherung für die der Wirtschaft an der Saar erhalten bleibt und daß Kohle und damit in erster Linie zur Sicherung der der Saar-Bergmann mit Vertrauen in die Zukunft Existenz und der Ruhe derer, die im Kohlenbergbau schauen kann. In diesem Zusammenhang unter- beschäftigt sind, auch solche Maßnahmen ergriffen streiche ich sehr die Ausführungen, die mein Kol- werden, die eine dauerhafte Lösung versprechen. lege, der Ministerpräsident Dr. Meyers, für das Land Der beschleunigte Bau der Großschiffahrtsstraße Nordrhein-Westfalen von dieser Stelle aus gemacht würde den Markt der Kohle nicht nur im Süddeut- hat. Auch die saarländische Regierung begrüßt die schen Raum, sondern auch im europäischen Südost- Maßnahmen, die heute von der Bundesregierung raum beeinflussen, und zwar entscheidend. Ich füge zum Schutz der Steinkohle angekündigt worden hinzu, daß diese meine Auffassung auch von den sind, und hofft, daß sie bald ausgeführt werden. Ländern geteilt wird, die vom Kohlenproblem pri- (Beifall in der Mitte und rechts.) mär betroffen sind. Es gäbe noch sehr viel zur Anwendung des § 10 Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der des Außenwirtschaftsgesetzes zu sagen. Es gäbe Abgeordnete Klein (Saarbrücken). Ich bitte um Ent- noch viel zu sagen zu dem angekündigten Gesetz schuldigung, daß ich heute vormittag an Ihre Wort- über die Anmeldepflicht für den Bau von Pipelines meldung zunächst nicht gedacht habe. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7309

Klein (Saarbrücken) (CDU/CSU) : Herr Präsident! vorliegt, dessen Annahme sicherlich helfen wird, Meine Damen und Herren! Auf Grund des Antrages daß wir aus dieser Situation herauskommen. der Koalition hat sich in der Diskussion bis jetzt Daß 30 Stillegungsanträge gestellt wurden, ist ein sehr viel Positives ergeben. einmaliger Vorgang in der Bergbaugeschichte. Mit Gestatten Sie mir, daß ich mit einigen wenigen Recht sind die Belegschaften auf Grund dieser Vor- Sätzen doch noch etwas zu dem Problem an sich gänge unruhig geworden und unzufrieden. U m so sage. Allein, daß wir schon mehrmals und heute mehr ist es zu begrüßen, daß durch diesen Antrag wieder über diese Frage debattieren, beweist uns, eine neue, bessere Grundlage geschaffen werden wie schwierig dieses Problem geworden ist. Es ist soll. an der Zeit, daß wir uns darüber klar werden, ob Bei all diesen Überlegungen dürfen Sie nicht ver- die Kohle für unser Land noch von Bedeutung, ob sie gessen: die Bundesrepublik ist ein ausgesprochenes notwendig ist. Jeder vernünftige und klar denkende Kohleland und fördert weit mehr als die Hälfte Mensch wird diese Frage bejahen. Wenn dem aber aller in der Montanunion anfallenden Kohle. Schon so ist, dann müssen auch klare Existenzgrundlagen allein aus diesem Grunde müssen gerade wir dem für diesen Wirtschaftszweig geschaffen werden. Es Bergbau ein bedeutend größeres Interesse zuwen- hat keinen Sinn, einen Wirtschaftszweig so dahin- den als alle übrigen europäischen Länder. Herr Pro- vegetieren zu lassen. Zunächst erfolgen notwendige fessor Burgbacher hat heute morgen auf die Pro- Investitionen, und dann wird man nach einiger Zeit Kopf-Leistung hingewiesen. Es ist einfach nicht zu vor die Tatsache gestellt, den Betrieb stillegen zu verstehen, daß wir mit der höchsten Pro-Kopf-Lei- müssen. Für die Belegschaften ist das von Bedeu- stung in ganz Europa nun die ersten sein sollen, die tung. Wenn es richtig ist, was in den Zeitungen Stillegungen im größten Umfang vornehmen. Des- steht, daß die Hibernia 300 Millionen DM innerhalb wegen sage ich hier: Wenn Herr Bockelmann, der von 2 bis 3 Jahren investiert hat, jetzt aber auf der Chef der BP, in seiner Rede glaubte sagen zu müs- Stillegungsliste steht, so muß man sagen: das ist sen, diese Energiedebatte sei hochgespielt worden, ein Vorgang, der volkswirtschaftlich einfach nicht so erwidere ich, meine Damen und Herren, 30 vertretbar ist, daß aber diese selben Gruben durch Zechenanlagen braucht man nicht mehr hochzuspie- eine Zwangslage zu diesen Handlungen gebracht len. Die Zahl der Stillegungsanträge ist so hoch, daß wurden. An diesem einen Beispiel erkennen wir, es kaum noch vertretbar ist. Die Menschen haben daß wir klare Verhältnisse schaffen müssen, wenn recht, wenn sie sich hiergegen wehren, so auch der die gesamtwirtschaftliche Zusammenarbeit, das In- Bergmann. einanderfügen der einzelnen wirtschaftlichen Lei- In Anbetracht dieser neuen Lage müssen wir zu stungen und Werte, Frucht tragen soll. weiteren, neuen Überlegungen kommen. Die Frage Herr Professor Burgbacher hat heute morgen an- muß immer wieder und sehr ernst gestellt werden: geführt — und ich weiß das aus Zuschriften —, daß Was dient unserer Gesamtwirtschaft am sinnfällig- draußen sehr häufig gesagt wird, die Stützen, die sten? Dient es ihr, wenn die Bundesrepublik sich man dem Bergbau gibt, würden sich zu Lasten des völlig abhängig macht von außereuropäischer Ölverbrauchers auswirken. Meine Damen und Her- Energieversorgung? — Dies kann nicht richtig sein. ren, das ist ein Irrtum. Man sollte froh sein, daß die All das müssen wir überlegen und daher immer zu Kohle als Preisregulator vorhanden ist. Sie ist das neuen Gedanken und neuen Hilfen für den Indu- Gut, das im Verlauf von Jahren gegenüber allen striezweig kommen, der es in der Tat verdient hat. anderen Wirtschaftsgütern größte Preisstabilität Fühlbaren Maßnahmen, so wie sie in diesem Antrag aufzuweisen hat. Wenn dieser Regulator einmal gefordert werden, stimme ich und stimmen wir nicht mehr da sein würde, kämen die Ölkonzerne sicherlich alle gern zu. Fühlbare Maßnahmen sind von den Kampfpreisen ab und würden dem Ver- es meiner Meinung nach, und sie sind unumgäng- braucher sagen, was der wahre Wert des Öles ist. lich, um das anstehende Problem, das uns allen viel Somit liegt es im Interesse von uns allen, daß hier Sorge macht, zu lösen. klare Verhältnisse geschaffen werden. Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Die Eine andere Frage berührt die Belegschaften. Abgeordnete Arendt. Belegschaften müssen aus dieser Unsicherheit eben- falls heraus. Wir müssen uns über kurz oder lang erneut einige Gedanken machen über die Knapp- Arendt (Wattenscheid) (SPD) : Herr Präsident! schaftsausgleichsleistung, die ja irgendwie mit der Meine Damen und Herren! In früheren Debatten Altersgrenze in Zusammenhang steht. Das müssen des Deutschen Bundestages wurde der sozialdemo- wir tun, um die Unsicherheiten aus den Belegschaf- kratischen Fraktion der Vorwurf gemacht, sie ten herauszubringen. brächte Große Anfragen aus purer Bosheit ein, es sei aber unser aller Verpflichtung, dafür zu sorgen, Ich halte es nicht für richtig, zu sagen — wie das daß Ruhe eintrete. Sowohl die heutige Debatte hier geschieht —, daß die Bundesregierung in der Ver- als auch die gestrige Debatte im Landtag des Lan- gangenheit nichts getan hat. Wer will, kann sich des Nordrhein-Westfalen zeigen, glaube ich, daß davon überzeugen, daß viele Maßnahmen getroffen einige Probleme im Steinkohlenbergbau und dar- wurden und daß sie fruchtbringend waren. Aber heute über hinaus auf dem Energiemarkt nicht gelöst sind, stehen wir vor einer neuen Lage und neuen Ver- und das seit sechs Jahren. Selbst wenn man uns hältnissen. Neue Lagen erfordern auch neue Maß- glauben machen will, daß alles in Ordnung ist, nahmen. Ich freue mich daher, daß dieser Antrag bleiben doch einige Tatsachen bestehen, die ich 7310 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Arendt (Wattenscheid) dem Hohen Hause in die Erinnerung zurückrufen sollen. Darunter befinden sich Schachtanlagen mit möchte. einer Leistung von über drei Tonnen pro Mann und Die Förderung insgesamt ist um 8 Millionen t Schicht. Ich kann das, was Herr Professor Burgbacher reduziert worden, obwohl Zechenschließungen mit gesagt hat, nur unterstreichen. einem Förderausfall in der Größenordnung von Aber eines sollte uns auch zu denken geben. Von 17 Millionen t vorgenommen wurden. Die Differenz den ausländischen Zechengesellschaften hat nur eine zwischen den 8 Millionen und den 17 Millionen ist einzige Gesellschaft eine Schachtanlage zur Still- in einer Leistungssteigerung nie gekannten Aus- legung angemeldet. Alle anderen ausländischen Ge- maßes aufgefangen worden. Die Leistung des ein- sellschaften haben Abstand davon genommen, zelnen Mannes ist von 1500 kg auf 2700 kg gestie- Schachtanlagen zur Stillegung anzumelden. Daraus gen. Es gibt in der Bundesrepublik keinen Wirt- könnte man auch den Schluß ziehen, daß andere schaftszweig, der in der letzten Zeit eine solche Pro- europäische Länder, Mitgliedsländer der Europäi- duktivitätszunahme zu verzeichnen gehabt hätte schen Wirtschaftsgemeinschaft, die Situation des wie der Steinkohlenbergbau. Trotz dieser Tatsache Kohlebergbaus und ,die Bedeutung des Bergbaus sind 36 Anlagen insgesamt erneut zur Stillegung für die Zukunft anders einschätzen. am 31. Oktober angemeldet worden. Nun ist zwar von § 16 die Rede, 'der einen Miß- Meine Damen und Herren von den Koalitions- brauch ,dieses Gesetzes verhindern 'soll, und der fraktionen, hier möchte ich gleich ein erläuterndes Herr Wirtschaftsminister 'hat ja heute morgen noch Wort sagen. Die sozialdemokratische Fraktion hat einmal bestätigt, daß es nicht zu einer Termin- der Bundesregierung mehr als einmal den Vorwurf änderung kommt. Ich habe große Zweifel — diese gemacht, daß sie zu spät, zu wenig durchgreifend Bemerkung werden Sie mir erlauben, Herr Mini- gehandelt, mit einem Wort, daß sie zu wenig wirk- ster —, ob es bei diesem Termin bleibt, nämlich same Maßnahmen getroffen habe. Ich möchte meine Beginn der Stillegung am 1. September 1965. Wenn Skepsis nicht unterdrücken und sage: Ich habe auch es nicht dabei bleibt, bedeutet das, ,daß wir — wahr- jetzt das Gefühl, daß diese Maßnahmen zu spät scheinlich aus wahltaktischen Gründen — diesen kommen. Darauf komme ich aber nachher noch zu Wust ungelöster Fragen vor uns herschieben. Wir sprechen. werden uns wieder sprechen, Herr Kollege Burg- bacher, werden sehen, ob es nicht dazu kommt. Meine Damen und Herren, es geht um eine Grundsatzentscheidung. Das hat auch der Bundes- Die 'Bundesregierung hat heute — und das haben wirtschaftsminister betont. Wenn wir bereit sind, in einem Antrag auch die Koalitionsfraktionen ge- in der Bundesrepublik eine bestimmte Fördermenge tan — die Anwendung des § 10 des Außenwirt- an Steinkohlen aufrechtzuerhalten, so ergeben sich schaftsgesetzes verlangt. Wenn Sie die alten Proto- daraus zwei Konsequenzen. Die eine Konsequenz kolle nachlesen, werden Sie feststellen, ,daß wir ist: man muß dann auch dafür sorgen, daß Men- schon im vorigen Jahr sowohl eine Energieeinfuhr schen bereit sind, in die Grube zu fahren und die stelle als eine mögliche Maßnahme als auch die Kohlen zu fördern. Die andere Konsequenz besteht Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes darin, daß man einmal das näher unter die Lupe vorgeschlagen haben. Dieser Paragraph des Außen- nimmt, was der Kollege Burgbacher gesagt hat. Er wirtschaftsgesetzes spricht so deutlich und so richtig kam in seinen Ausführungen heute morgen zu dem wie keine andere Bestimmung den gegenwärtigen Ergebnis, daß der deutsche Steinkohlenbergbau auf Zustand auf dem Energiemarkt an. Grund der geologischen und technischen Bedingun- Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat nun aber gen und Verhältnisse, die niemand verändern kann, gesagt: „Wir wollen keine Kontingentierung; allen- im Vergleich zur amerikanischen Kohlenindustrie falls eine Anmeldung, eine Lizenzierung." Das nicht wettbewerbsfähig ist, erst recht nicht im Ver- würde doch bedeuten, daß sich am gegenwärtigen gleich zu anderen Energieerzeugern außerhalb- Zustand nichts ändert, wenn man nicht bereit ist, Europas, in Europa und in Deutschland. Wenn die wenigstens vorübergehend Kontingentierungen vor- Feststellung richtig ist, daß der Kohlebergbau nicht zunehmen, um eine Entlastung des Absatzes für wettbewerbsfähig ist, dann kann man nicht auf der Steinkohle und feste Brennstoffe sicherzustellen. einen Seite die Fiktion aufrechterhalten, der Berg- bau würde sich im freien Wettbewerb gegenüber Wenn man das eine will, muß man auch den Mut anderen Energieträgern behaupten können, auf der haben zu sagen, daß sich inzwischen durch diese Er- anderen Seite aber Maßnahmen ankündigen, die eignisse die Verhältnisse so gestaltet haben, daß angeblich der Sicherheit dieses Wirtschaftszweiges man einfach etwas drastischere Maßnahmen ergrei- dienen. fen muß. Wir halten das auch gar nicht für ein Un- Ich möchte hier keine Ausführungen darüber ma- glück oder für eine Schande, sondern wir meinen, Hand- chen — obwohl das sehr wichtig wäre —, was in daß man bei einer elastischen und flexiblen der nächsten Zeit, was 'im nächsten Jahr, im über- habung dieser Möglichkeiten durchaus in der Lage nächsten Jahr, im Jahr 1975 und im Jahr 1980 sein ist, den Bedürfnissen des Marktes Rechnung zu tra- soll, sondern ich möchte die Aufmerksamkeit dieses gen. Auf der anderen Seite aber kann man auch die Hohen Hauses auf die jetzige Situation lenken. Sie Verhältnisse im eigenen Land regeln. ist dadurch gekennzeichnet, daß die vielgepriesene In ,diesem Zusammenhang darf ich folgendes noch Maßnahme der Bundesregierung, nämlich die Bil- einmal unterstreichen. Daß der Heizölpreis heute so dung eines Rationalisierungsverbandes, dazu ge- extrem niedrig ist, hängt auch damit zusammen, daß führt hat, daß 36 Schachtanlagen stillgelegt werden die Tochtergesellschaften der großen Mineralölkon- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7311

Arendt (Wattenscheid) zerne zwar das Rohöl bei ihren Muttergesellschaften Wenn man das so vorliest und erklärt: Hier ist zu recht hohen Preisen einkaufen, hier in der Bun- ja alles getan, um die sozialen Bedingungen für desrepublik also Verluste machen, die Muttergesell- jenen Kreis der Belegschaft zu regeln, der durch schaften aber Verluste in einer Region ihres Nieder- diese „Rationalisierung im besten Sinne" seinen lassungsbereichs gegen Gewinne anderswo ausglei- Arbeitsplatz verliert, dann hört sich das gewaltig chen können. an. Man sollte sich aber die Mühe machen, einmal (Beifall bei der SPD.) festzustellen, was sich denn an konkreten Zahlen dahinter verbirgt. Wenn Sie das tun, werden Sie Darüber sind sich wohl alle im klaren: wenn dieser feststellen, daß die Abfindung für den Verlust des Marktkampf beendet wäre — und er wäre späte- Anspruchs auf Deputatkohle genau 180 DM beträgt. stens beendet, wenn wir (die Produktionsanlagen für Die einmalige Zahlung von 180 DM bedeutet also, feste Brennstoffe, d. h. die Zechen, geschlossen hät- daß die Ansprüche auf den Bezug von Hausbrand ten —, würden auch die deutschen Verbraucher er- kohle endgültig aufgegeben sind. Was das für den leben, daß die jetzt so extrem niedrigen Preise ge- einzelnen bedeutet, der 40 Jahre alt ist und seinen waltig steigen. Dann ist es aber zu spät, und dann Arbeitsplatz durch die Schließung der Zeche ver- werden wir nicht mehr soviel Möglichkeiten haben, liert, das kann man, glaube ich, leicht ausrechnen. die Probleme durch Anstrengungen im eigenen Land zu regeln. Herr Kollege Klein, Sie haben — mit Recht, meine ich — auf das Knappschaftsausgleichsgesetz hinge- Ein Aspekt ist bei diesen Auseinandersetzungen wiesen. Nur wundere ich mich, warum nicht im zu kurz gekommen. Ich habe ihn vorhin nur ange- vorigen Jahr in diesem Hohen Hause, als wir die deutet. Es sei mir erlaubt, hierzu ein paar Bemerkun- Gelegenheit hatten, diese Fragen vernünftig und gen zu machen. Wie hoch auch immer die Förderung grundsätzlich zu regeln, eine Einigung herbeige- in .der Bundesrepublik sein soll und was auch immer führt werden konnte, um diesen berechtigten An- geschehen soll, um die Leistung noch weiter zu stei- liegen Rechnung zu tragen. gern, ob es sich um 280 000, um 300 000 oder um 320 000 Bergleute handelt, man wird bei einer be- (Beifall bei der SPD.) stimmten Fördermenge Bergleute brauchen, die be- Es ist nicht so, daß jemand, der vor Erreichung reit sind, ihre Arbeitskraft unter diesen erschwerten des 55. Lebensjahres ausscheidet, Wartegelder er- Bedingungen einzusetzen. Diese Belegschaften wer- hält. Denn das Knappschaftsausgleichsgesetz sieht den nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung ganz eindeutig vor, daß jemand 55 Jahre alt sein stehen, wenn wir nicht durch Besserung der sozialen und die bekannten Voraussetzungen erfüllt haben und der sonstigen Bedingungen in diesem Wirt- muß, wenn er in den Genuß der Knappschaftsaus- schaftszweig dafür sorgen, daß die Bergleute sagen gleichsleistung kommen will. Es gibt im Ruhrgebiet können, sie haben tatsächlich die Spitzenstellung, Tausende von Bergleuten, die bei der Stillegungs- die ihnen vom Bundeskanzler und von anderen maß- welle 1959 recht lange von sogenannten Sozialplan- geblichen Politikern zuerkannt wurde. Wenn die zahlungen leben mußten, bis sie das pensionsfähige Entwicklung so weitergeht, dann werden wir hier Alter erreichten. Die Regelung erscheint also bei bald eine Mangellage erklären müssen, und dann näherer Betrachtung nicht so generös und epochal, wird es großer Anstrengungen bedürfen, um die wie es hier teilweise zum Ausdruck kommt. Verhältnisse einigermaßen in die Reihe zu bringen. Dazu könnte man noch eine ganze Menge ausfüh- (Zuruf von der SPD: Dann gibt es wieder ren. Aber ich will es mit diesen beiden Punkten CARE-Pakete!) bewenden lassen. Ich wollte nur zeigen, daß es des — Oder etwas Ähnliches, ja. Nachdenkens wert ist, ob dieser so große Katalog in der Wirkung und Substanz ausreicht für die Lö- Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Parade- sung der vielen Probleme, die sich hinter den stück der bei solchen Veränderungen auf- sozialem Zechenschließungen verbergen. Gebiet erforderlichen Maßnahmen sagen. Das hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Ant- Die Bergleute haben diese Auseinandersetzungen wort auf unsere Anfrage getan, und davon war auch seit sechs Jahren hingenommen, und man hat ihnen gestern im Landtag die Rede. Ich darf hier einmal mehr als einmal in diesen sechs Jahren gesagt: „Das diesen Katalog — das ist nämlich wirklich ein Kata- ist eine vorübergehende Erscheinung. Wir werden log — darstellen, was angeblich alles gezahlt wird. alles tun, was nottut." Nötig aber ist, daß die Berg- Da wird die Vergütung von Fahr- und Anreise leute wieder Vertrauen zu diesem Arbeitsplatz und kosten aufgeführt, da ist von Umschulungsbeihilfen zu diesem Wirtschaftszweig bekommen. Wir mögen und anderen Zuschüssen die Rede, da ist bei Arbeits- noch so viele Debatten führen; wenn keine Taten losigkeit ein Wartegeld zusätzlich zum Arbeitslosen- folgen, werden wir dieses verlorengegangene Ver- geld vorgesehen, da sind Übergangsbeihilfen bis trauen nicht wieder erwecken. zum Anschluß an die Knappschaftsausgleichsleistung (Beifall bei der SPD.) vorgesehen, da ist die Möglichkeit der vorzeitigen Invalidisierung, da sind Abfindungsbeträge für den Schauen Sie sich bitte einmal die Zahlen an. Der Verlust des Anspruchs auf Deputatkohle und die Anteil der jüngeren Belegschaftsmitglieder — das Aufrechterhaltung der Wohnberechtigung in be- werden in einigen Jahren die leistungsfähigen stimmten Fällen vorgesehen. — Ich will hier nicht Hauer unter Tage sein — ist von 15 % auf 4 % diese Punkte im (einzelnen kritisieren und kommen- der Gesamtbelegschaft im Jahre 1964 zurückgegan- tieren. Ich möchte nur zwei herausgreifen. gen. 7312 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Arendt (Wattenscheid) Ich hatte bei der Begründung unserer Großen An- wir uns in diesem Hause über Maßnahmen werden frage am 13. November Gelegenheit, auf die Ent- unterhalten müssen, wie wir ausreichende Beleg- wicklung im Lehrlingswesen hinzuweisen. Ich schaften für den Steinkohlenbergbau zur Aufrecht- möchte in dem Zusammenhang nur noch einmal in erhaltung einer gewissen Produktion erhalten kön- die Erinnerung zurückrufen, daß unter solchen Um- nen. ständen im nächsten oder übernächsten Jahr wahr- Ich glaube, wir sollten — nicht aus Überlegungen, scheinlich kaum ein Lehrling bereit ist, einen so un- wie sie sich durch die Zeitentwicklung ergeben, son- sicheren Arbeitsplatz einzunehmen. Das sind aber dern in der klaren Erkenntnis, daß wir in der Bun- nicht die einzigen Unsicherheitsfaktoren. desrepublik über Bodenschätze verfügen — die Nut- An der Ruhr und in allen anderen Steinkohlenge- zung unserer Bodenschätze in einem gewissen Um- bieten, auch an der Saar und in Süddeutschland, ist fange aufrechterhalten, um nicht in Importabhängig- eine prekäre Situation entstanden. Der Anspruch keit zu geraten. Wir sollten auch bereit sein, dafür der Bergleute auf die Spitzenstellung in der Lohn- einen gewissen Betrag zur Verfügung zu stellen. skala ist mehrfach öffentlich ausgesprochen und an- Auf lange Sicht ist das billiger als das, was sich aus erkannt worden. Diese Spitzenstellung ist aber einer Importabhängigkeit ergeben würde. nicht vorhanden. Die Folge ist, daß die Interessen- (Beifall bei der SPD.) vertretung der Bergleute, die Gewerkschaften, die Wenn das anerkannt wird, dann ergeben sich, Tarife gekündigt haben. Die Tarifverhandlungen glaube ich, daraus einige konkrete Maßnahmen. Wir sind gescheitert, weil ein Angebot gemacht wurde, würden meinen, daß dazu auch die Anwendung des welches für die gewerkschaftliche Organisation der § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gehört, aber Arbeitnehmer unannehmbar war. In allen Bereichen nicht nur als Drohung oder als Damoklesschwert, unserer Wirtschaft sind in (der letzten Zeit Lohn- sondern in der praktischen Handhabung. Weiter und Gehaltsverhandlungen geführt und neue Tarife wäre da auch die Frage zu überlegen, ob man nicht abgeschlossen worden. Es ist zu Verbesserungen eine zentrale Einfuhrstelle schafft. Das Beispiel der Einkommensverhältnisse gekommen. Aber den Frankreichs, das über eine solche Zentralstelle ver- Bergleuten mutet man zu, auf solche Fortschritte zu fügt, zeigt recht deutlich, daß hier die Möglichkeit verzichten. besteht, gewisse Instrumente, die schon zur Ver- Meine Damen und Herren, ich möchte sagen — fügung stehen, so einzusetzen, daß die heimischen auch wenn wir es früher des öfteren schon gehört Energiequellen geschützt werden. Diese Einfuhr- haben, auch als es nicht so war —: Die Lage ist stelle müßte und dürfte — das haben wir auch wirklich ernst! Wir sollten gemeinsam versuchen, schon mehrfach gesagt — nicht nur für Rohöl, diese Fragen so zu regeln, daß die Bergleute das für Heizöl und für flüssige Energieträger, son- Gefühl bekommen, hier geschieht wirklich etwas dern könnte auch für feste Brennstoffe, für die wir und hier versucht man nicht, durch langatmige Aus- in dem Kohlenzollgesetz eine Regelung. getroffen führungen, durch das Aufzählen vieler Maßnahmen, haben, zuständig sein. Durch das Koordinieren und den Eindruck zu erwecken, daß alles in bester Ord- das Zusammenwirken dieser Kräfte könnten wir nung sei. zu einer Energiepolitik kommen, die sowohl den Forderungen der Verbraucher nach preisgünstiger Man sollte auch nicht den Fehler machen, wie ihn Energie Rechnung trägt als auch den Gesichtspunkt einige namhafte Politiker — ich möchte keine Na- der Versorgungssicherheit — daß wir nicht in eine men nennen — gemacht haben, die sagen: Mit der Importabhängigkeit geraten — berücksichtigt. Unruhe ist es gar nicht so schlimm, im Grunde ge- nommen macht die gewerkschaftliche Organisation Ich möchte die Bundesregierung, insbesondere nur deshalb dieses Theater oder diesen „Theater- den Herrn Bundeswirtschaftsminister, auffordern, donner", wie sie sagen —, weil sie ihren Mitglie- alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen so ein- derbestand aufrechterhalten will. Ich glaube- nicht, zusetzen, daß endlich die seit sechs Jahren an- daß die Gewerkschaften ein Parteienersatz sind und dauernde Krise beendet wird und daß sie nicht in Anstrengungen% unternehmen müssen, über die 5 der nächsten Zeit durch weitere Schrumpfungsmaß- Klausel zu kommen. Es kommt vielmehr darauf an, nahmen zu einem neuen Höhepunkt geführt wird. daß die Bergleute, vertreten durch ihre Organisa- Ich wäre sehr dankbar, wenn das Hohe Haus diesen tionen, das Gefühl bekommen, daß hier wirklich Bemühungen den entsprechenden Nachdruck ver- alles geschieht, um jene Ansprüche zu realisieren, leihen würde. die sie sich durch ihre Arbeit und durch ihr Ver- (Beifall bei der SPD.) halten in den vergangenen Jahren, insbesondere nach 1945, erworben haben. Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der (Beifall bei der SPD.) Abgeordnete Dr. Philipp. Eins sollte hier, glaube ich, nicht verschwiegen wer- den, weil es uns als politisches Gremium sehr inter- Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) : Herr Präsident! essieren muß: Wenn es zu tarifpolitischen Ausein- Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu- andersetzungen in diesem wichtigen Wirtschafts- nächst einige Bemerkungen zu den Ausführungen, zweig kommt, wird sich sehr schnell herausstellen, die Herr Kurlbaum heute morgen gemacht hat. daß diese Auseinandersetzungen nachhaltige Aus- wirkungen auf die Belegschaftsentwicklung haben Herr Kurlbaum, Sie sagten, die Maßnahmen, die werden. Ich sehe schon den Tag kommen, an dem die übrigen Regierungen in der Europäischen Ge- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7313 Dr.-Ing. Philipp meinschaft angewendet hätten, seien eigentlich maß- haben sicher auf die Wahl im Oktober/November geblich, und wir sollten uns doch auch mit diesen 1965 nicht d'en geringsten Einfluß. Dingen befassen. (Zuruf von der SPD: Aber für die Kommu Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die nalwahlen in Nordrhein-Westfalen waren Erfindung dieser Dinge nicht erst heute erfolgt ist, sie wichtig!) sondern daß bereits im vergangenen Jahr mein — Auch auf 'die Kommunalwahlen hat es sicher Freund Burgbacher diese Maßnahmen in den einzel keine Auswirkung gehabt. Sie wissen ganz genau, nen Ländern Europas einschließlich Englands hier daß die drei Monate bei diesem Problem absolut dargelegt hat und daß es den Kollegen bereits da- keine Rolle spielen. mals jederzeit freistand, sie zu studieren. Aber zusammenfassend folgendes: Diese Energie- Ich will damit sagen, Herr Kurlbaum: Sie haben debatte war gekennzeichnet durch den besonderen uns da nichts Neues gesagt. Wir kennen selbstver- Ernst, der der Situation an Rhein, Ruhr und Saar ständlich die Maßnahmen, die in den anderen Staa- entspricht. Es geht nunmehr meines Erachtens allein ten getroffen worden sind, und sind auch der Mei- darum, dem Bergbau und den im Bergbau tätigen nung, daß es der Überlegung wert ist, inwieweit Menschen sowie der Bevölkerung, die mit dem Berg- man sie auf unsere Verhältnisse transponieren bau wirtschaftspolitisch und sozial verbunden ist, kann. durch sofort wirksame Maßnahmen das Vertrauen Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, und die Zuversicht in die Zukunft wiederzugeben. war der: Sie sagten, die Bundesregierung müsse ein Ich glaube, das ist das Problem. Ich bin sehr dankbar, Instrumentarium haben. Sie rufen gewissermaßen daß alle Redner dies heute ganz klar und deutlich nach diesem Instrumentarium, sprechen aber keine herausgestellt haben. Ich bin auch unserem Bundes- konkreten Fragen dabei an. Ich kann mich deutlich wirtschaftsminister sehr dankbar, daß er gerade in entsinnen, Herr Kurlbaum, daß es, als wir in den Beziehung hierauf sehr eindeutig seine Maßnahmen vergangenen Jahren — zuletzt nicht mehr — über angekündigt hat. Ich glaube, die Durchführung der den Kohlenzoll und die Heizölsteuer sprachen, ge- angekündigten Maßnahmen ist geeignet, das Ver- rade Ihre Fraktion war, die da mit sehr viel Zurück- trauen, das die Bergleute und die Bergbauwirtschaft haltung dieses Instrumentarium der Bundesregie- in die Erklärungen der Regierung haben, wiederher- rung an die Hand zu geben gewillt war. zustellen bzw. zu verfestigen. Es geht also heute meines Erachtens, mit einem Wort gesagt, allein Ich will weiter darauf hinweisen, daß auch heute, darum, daß die allseitig als notwendig erkannte Jah- Herr Kurlbaum, die Anwendung des Außenwirt- resförderung, die wir gemeinsam immer wieder her- schaftsgesetzes von Ihnen nicht ganz klar herausge- ausstellen, im Absatz ermöglicht wird. Wie gesagt, stellt worden ist. Ich freue mich, daß Herr Arendt um dieses Problem allein geht es und damit gleich- das sehr deutlich ansprach. Ich wollte schon darauf zeitig darum, den Bergbau von dem Alpdruck zu be- hinweisen, daß eigentlich eine gewisse Diskrepanz freien, daß man trotz vieler Deklamationen die hei- zwischen den Auffassungen der SPD hier in Bonn mischen Energieträger doch abschreiben will. und in Düsseldorf sei, weil in Düsseldorf nach der gemeinsamen Erklärung der Fraktionen, die uns Auch insoweit ist sowohl in Bonn als auch in heute vorgelesen wurde, die ,SPD-Landtagsfraktion Düsseldorf gestern und heute das eindeutige Be- sehr eindeutig die Anwendung des Außenwirt- kenntnis evident geworden, und das sollte den schaftsgesetzes gefordert hat. man in Menschen an Rhein und Ruhr zeigen, das Bonn und überhaupt von seiten der Politik die Not- Nach diesen Vorbemerkungen auch noch zwei wendigkeit der angekündigten Maßnahmen ganz Worte zu Herrn Arendt. Herr Arendt, Sie sagten, es klar erkannt hat. Das Gebot der Stunde ist eben, sei möglich, daß wir die Frist, die für den Beginn - den Schlußstrich unter die Stillegungen zu ziehen. der Stillegungen gesetzlich vorgeschrieben ist, viel- Diese Frage ist es, die die Bergbaureviere in be- leicht verlängern. Halten Sie wirklich die Bundes- sonderem Maße beschäftigt. Sie ist die schwerste regierung und die Koalition für so töricht, diese Pro- Hypothek, die auf dem Revier lastet. Nur auf der bleme noch weiter offenzulassen? Das wäre ja ge- Grundlage eines solchen Schlußstriches ist ein so rade das Gegenteil von Wahlgeschenk, wenn man rigoroser und schmerzlicher Rationalisierungspro- diese Fristen verlängerte; denn man würde die Un- zeß überhaupt in der Öffentlichkeit und in der Be- ruhe in den Revieren noch viel länger aufrechterhal- völkerung weitgehend zu vertreten. ten. — Bitte schön, Herr Arendt! Die gestrige Debatte in Düsseldorf hat gezeigt, daß alle dort vertretenen Parteien die Lage sehr Arendt (Wattenscheid) (SPD) : Herr Philipp, wür- ernst und richtig eingeschätzt haben. Sie haben also den Sie mir dann einmal erklären, warum die Frist demzufolge, was meines Erachtens auch eine Beson- vom 31. August auf den 31. Oktober bei der Anmel- derheit ist, die Sachlage einstimmig herausgestellt. dung verlegt worden ist? Auch in unserem Hohen Hause ist heute in vielen (Zuruf von der SPD: Wegen der Kommunal Fragen Übereinstimmung erzielt worden. Deswegen wahl in Nordrhein-Westfalen!) sollte heute nicht mehr um, sagen wir, parteipoli- tische Grundsätze gerungen werden. Alle — alle, sage ich — sind wir uns einig, daß es allein darum Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) : Sicherlich nicht geht, der gemeinsamen Erkenntnis der energiepoli- wegen der Wahlprobleme; denn diese drei Monate tischen Notwendigkeiten die Realisierung - um 7314 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr.-Ing. Philipp das Wort von Herrn Arendt zu gebrauchen — die hen habe, und ich glaube, daß die Befürworter dieser Tat unverzüglich folgen zu lassen. sogenannten vernünftigen Energiepolitik die letzte Wie dringend erforderlich die von der Regierung Vernunft auch nicht darin sehen, daß am Ende der genannten Maßnahmen sind, geht z. B. aus folgen- Kontingentierung des Heizöls der Bezugsschein für dem eindeutig hervor. Die Raffinerien erzeugten in das Heizöl steht. Herr Kollege Arendt, das steckt den ersten neun Monaten des Jahres 1964 22 % doch eigentlich in der Kontingentierung drin, daß mehr Fertigprodukte als in der vergleichbaren Zeit das Heizöl zugeteilt wird; denn sonst hätte die Kon- des Vorjahres. Ein besonders großer Sprung hierbei tingentierung ja ihren Sinn verfehlt. war beim Heizöl festzustellen. Es wurde nämlich Wir glauben, daß wir in dem Rahmen, der durch gegenüber dem Vorjahr um 55% mehr leichtes unseren Antrag auf Umdruck 511 ausgewiesen wird, Heizöl und um 27 % mehr schweres Heizöl abge- eine vernünftige Energiepolitik machen: die Siche- setzt. Die stürmische Aufwärtsentwicklung der Raf- rung einer Förderung von 140 Millionen Tonnen. finerieproduktion ist also bei uns weiterhin unge- Mir scheinen die Maßnahmen, die -der Abnahme brochen. Gleichzeitig aber blieben die Heizölein- dieser 140 Millionen Tonnen dienen, besser zu sein fuhren entgegen der Voraussage der Mineralöl- als eine Abwehr über die Kontingentierung gegen- wirtschaft in alter Höhe bestehen. Kein Wirtschafts- über einem neuen Energieträger. Für das Revier darf zweig hat sich seit Jahren derartige Zuwachsraten ich einem Minister eines revierfernen Landes für leisten können. Das ist überhaupt nur mit dem ver- die Ausführungen danken, die er 'hier machte und lustreichen Verdrängungswettbewerb erklärbar. die uns bewiesen haben, daß der Gegensatz zwischen Diese Zahlen, meine Damen und Herren, sprechen revierfern und reviernah weitgehend überwunden für sich. ist. Ich glaube, daß die Ideen des bayerischen Wirt- Es bleibt meines Erachtens nur noch übrig, Sie zu schaftsministers Schedl über Verstromung der Kohle bitten, die von den Fraktionen der FDP und der in revierfernen Gebieten von mir und von meinen CDU/CSU vorgelegte Entschließung anzunehmen. Freunden aus dem Revier eine nähere Betrachtung Ich bitte gleichzeitig um die Überweisung der übri- verdient hätten. Zumindest herzlichen Dank, Herr gen Anträge an die entsprechenden Ausschüsse. Minister, für Ihre Anregung. Im übrigen darf ich mich ganz kurz fassen und Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, Ihnen noch zurufen: Der Worte sind nunmehr in daß mit der Anmeldepflicht für Raffinerien und Düsseldorf und Bonn genug gewechselt! In den Rohrleitungen, daß mit der Möglichkeit der Lizen- Bergbaurevieren wollen die Menschen endlich Ta- zierung der Öleinfuhren von unserer Seite her das ten sehen. Taten erwarten auch meine Freunde in Notwendige getan wird, um einen Überblick über Übereinstimmung mit den Zielen der Regierung. Die die Entwicklung auf dem Energiemarkt zu erhalten Taten bestehen in den von der Regierung angekün- und um nicht mit restriktiven Maßnahmen, sondern digten Maßnahmen. Die Regierung aber kann sicher mit Förderungsmaßnahmen den Absatz der Kohle zu sein, daß sie auf diesem Wege von Nord bis Süd sichern. begleitet wird und daß alle diese Maßnahmen un- Eine Bitte an die Bundesregierung: Die Tatsache, terstützen werden. daß 36 Anlagen in die Liste der unter Umständen zu (Beifall in der Mitte.) schließenden Anlagen aufgenommen wurden, hat im Revier naturgemäß großes Aufsehen erregt. Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter, Zweifellos wird letzten Endes nur ein Teil dieser Sie beantragen, die Entschließung an die Ausschüsse Anlagen stillgelegt. Aber wir bitten, darauf zu zu überweisen? achten, daß die notwendigen Stillegungen behutsam vor sich gehen, daß bei der Prüfung der Notwendig- (Abg. Dr. Philipp: Ich wollte beantragen, keit einer Stillegung in den Gemeinden, in denen die die Entschließung heute anzunehmen!)- ganze Gemeinde bisher von dieser Anlage gelebt — Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Das ent- hat, in der also über den Kreis der betroffenen Berg- spricht wohl auch nicht dem Willen der Fraktionen. leute Tausende von Einwohnern mit betroffen wer- Die Fraktionen haben Überweisung an die Aus- den, ein ganz strenger Maßstab angelegt wird. schüsse vereinbart. — Herr Abgeordneter Ollesch (Beifall bei der CDU/CSU.) hat das Wort. Sicherlich werden wir an der Stillegung einiger Ollesch (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Anlagen nicht vorbeikommen. Meine Damen und Herren, das Verfahren ist nicht ganz neu. Vor eini- ehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen gen Jahren, Herr Arendt, haben wir sehr harte Dis- war bei der Diskussion um die Rationalisierung im kussionen um die Stillegung einiger Zechen im deutschen Steinkohlenbergbau sehr oft von ver- Bochumer Raum gehabt, und all die Befürchtungen, nünftiger Energiepolitik die Rede, und es wurde der die damals erhoben wurden — sie hatten allerdings Bundesregierung und den Parteien, die die Bundes- einen geringeren Umfang —, erwiesen sich als regierung tragen, vorgeworfen, sie ließen es an einer vernünftigen Energiepolitik fehlen. gegenstandslos, weil es gelungen war, für Aus- gleichsindustrien zu sorgen. Heute erklärt die Stadt Wir haben in den vergangenen Wochen von de- Bochum, daß sie von der Aufregung um die Zechen- nen, die uns die Vorwürfe machten, im Zusammen- stillegung nicht betroffen wird. Wenn es uns ge- hang mit diesen Vorwürfen nie gehört, wie denn lingt, die strukturelle Umänderung zumindest des diese vernünftige Energiepolitik eigentlich auszuse nördlichen Ruhrgebietes in ähnlichem Maße zu er- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7315 Ollesch reichen, hätten wir diese Dinge, die uns jetzt unter Herr Burgbacher hat gesagt — ich habe es wört- den Nägeln brennen, weitgehend entschärft. lich mitgeschrieben —: Der Heizölpreis hat mit dem Kostenpreis nichts mehr zu tun; er bestätigt es jetzt. Ich glaube, daß wir im Zuge der Modernisierung Das besagt, daß auch da die Marktwirtschaft nicht auf dem Energiesektor um die Frage der Stillegung funktioniert. Wenn irgendein Sektor in unserer auch bei einer Förderung von 140 Millionen Tonnen Wirtschaft — ganz gleich, aus welchen Gründen — nicht herumkommen. Bei einer Leistungssteigerung, ruinöse Preise macht und damit nationalen Reich- Herr Kollege Arendt, werden wir immer wieder ge- turn, den unser Volk in den nächsten Jahrzehnten zwungen sein, Anlagen abzuwerfen. Wir müssen wieder dringend zum Leben braucht, gefährdet, hat also dem Problem der Umstrukturierung die aller- die Regierung einzugreifen, weil da mehr kaputt- größte Aufmerksamkeit schenken, und das muß geht als ein paar Zechen. auch von seiten der Bundesregierung geschehen. (Beifall bei der SPD.) Vielleicht noch ein Wort zu den bundeseigenen Sie haben noch ein Wort gesagt, das ich nicht un- Gesellschaften. Bei ihnen scheint es mir bei der An- tergehen lassen möchte, Herr Kollege Burgbacher, meldung doch an der Koordinierung gefehlt zu und dieses Wort weist schon in die Zukunft. Sie haben; vielleicht ist auch keine Koordinierung be- haben gesagt: Es muß eine europäische Hilfe für die absichtigt gewesen. Es geht den Menschen in un- Kohle geben, und zwar schon wegen der geologi- serem Revier nicht ein, daß eine bundeseigene Ge- schen Verhältnisse in Europa. Sie haben dabei an sellschaft eine Anlage, die sie vor einigen Jahren die Flözmächtigkeit in Amerika gedacht. Sie haben mit erheblichen Investitionsbeträgen modernisiert da absolut recht, und ich bin mit Ihnen einer Mei- hat, zur Stillegung anmeldet, während gleichzeitig nung. die andere bundeseigene Gesellschaft in der unmit- telbaren Nachbarschaft mit einem Aufwand von Wenn die Marktautomatik auf einem solchen -zig Millionen eine neue Anlage auffährt. Diese Gebiet nicht funktioniert, müssen staatliche Über- Dinge stoßen bei uns auf und bringen dem einzel- legungen angestellt werden, was getan werden nen Zweifel daran, daß die strukturellen Verände- muß, damit die Gesamtwirtschaft gesund bleibt. Es rungen unbedingt notwendig sind. tut mir außerordentlich leid, Herr Minister, Sie ha- ben es sich etwas zu leicht gemacht. Hier den Fe- (Beifall bei den Regierungsparteien.) tisch der Marktwirtschaft anbeten und langfristige Entwicklungen nicht sehen — daß nämlich die Kohle Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der auch in diesem Land auf Jahrzehnte eine Grundlage Abgeordnete Heiland. unserer Existenz sein wird —, das ist etwas aus der hohlen Hand Politik gemacht. Heiland (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ge- (Beifall bei der SPD.) ehrten Damen und Herren! Das Kohleproblem hat Nun lassen Sie mich zu der Frage Stellung neh- nicht nur den Bund, sondern auch die Gemeinden men, zu der ich mich eigentlich zu Wort gemeldet von Zeit zu Zeit stark bewegt. Zu diesem Problem habe! Meine Damen und Herren, wenn wir uns die muß auch gesagt werden, daß in Notzeiten — erster Gemeinden, die betroffen werden, ansehen, wenn Weltkrieg, Ruhrkampf, zweiter Weltkrieg, Wieder- wir wissen, daß diese Gemeinden, nämlich die Ge- aufbau unserer Wirtschaft — der Bergmann auf- meinden in Deutschland, die sogenannte Grund- gerufen wurde, das Letzte durch Sonderschichten stoffindustrie-Gemeinden sind, an dieser marktwirt- herzugeben, um die deutsche Wirtschaft überhaupt schaftlichen Entwicklung, an der Prosperität unserer wieder in Schwung zu bringen. Wirtschaft nicht so haben teilhaben können wie an- (Sehr wahr! bei der SPD.) dere Gemeinden, und wenn wir weiter wissen, daß das für die Infrastruktur — um dieses Wort hier zu Wenn die deutsche Wirtschaft eine Chance der übernehmen —, für die gesamte Bürgerschaft eine Wiedergesundung gehabt hat, dann dankt sie das Rolle spielt, dann wird uns klar sein, daß wir da in einem ganz wesentlichen Maße der Einsatzbereit- eine Ausgleichspolitik treiben müssen. Überlegen schaft des deutschen Bergmannes, der in der ersten Sie sich einmal, was das für die Menschen dieses Zeit nach dem Kriege mit einer Scheibe trockenen Raumes bedeutet! Ich nehme an, daß mein Kollege Brotes in den Berg gefahren ist, um die erste Kohle Willeke nach mir noch sprechen wird; er wird wis- für den Betrieb wieder zu fördern. sen, was zum Beispiel die 23er Jahre in unserer Ge- (Beifall (bei der SPD.) gend für alle diese Menschen bedeutet haben, daß die Unsicherheit nie aus der Bergbaugegend heraus- Wenn da sogenannte marktwirtschaftliche Bedin- gekommen ist, wie die Leute immer unter diesem gungen gegeben gewesen wären, hätte der Bergbau Druck gestanden haben und daß die Menschen ein die Möglichkeit gehabt, erstens für seine Betriebe Anrecht darauf haben, daß man ihre Lebenspro- die Rationalisierungsmittel zu verdienen und zwei- bleme als Ganzes ernst nimmt. tens auch den Arbeitern die Spitzenstellung zu ge- ben. Wir alle wissen, daß der Kohlebergbau seit Wenn ich heute meine Schulkollegen sehe, die Jahrzehnten an der Marktwirtschaft über den Preis 40 Jahre im Bergbau gewesen sind, habe ich manch- nicht teilgenommen hat. Wer anderes erzählt — und mal ein schlechtes Gewissen, daß ich körperlich re- sei er Wirtschaftsminister —, zeigt nur, daß er die lativ gut aussehe und sie dafür, daß sie für uns alle Dinge nicht in der ganzen Konsequenz dargestellt Kohle gemacht haben, mit kürzerem Leben und zer- hat. störter Gesundheit bezahlen. Wenn diese Menschen 7316 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Heiland nun auch noch in die Existenznot hineinkommen, Ich möchte noch eine andere Frage aufwerfen. kann man das nicht einfach mit ein paar Worten Auch der Bergmann wird durch die Politik der Bun- von der „Automatik der Marktwirtschaft" vom Tisch desregierung angereizt, Eigentum zu bilden, Eigen- wischen. heimbau zu betreiben. Wenn er sich nun ein Eigen- (Beifall bei der SPD.) heim gebaut hat, aber sein Arbeitsplatz verloren- Die Gemeinden im Revier haben seit der Krise geht und wenn er sich dann irgendwo anders eine damit zu tun. Herr Dr. Burgbacher sprach heute neue Existenzmöglichkeit suchen muß — wo bleibt davon, daß wir 1956 noch eine Kohlenmangellage dann dieses garantierte Eigentum, das heimisch hatten und man da im Revier nach Möglichkeit die machen soll? Klinken geputzt hat, um einmal ein paar Waggons (Beifall bei der SPD.) Kohle außer der Reihe zu bekommen. Wir kennen Heute gibt es Städte im Revier, die schon Tau- auch noch die „Heimkehrerkohle", die billig aus sende von Auspendlern haben. Es gibt Städte, die dem Revier heraus — und teuer aus Frankreich in Gefahr geraten, Schlafstädte zu werden. Gladbeck oder von woanders her wieder hereingekommen ist. ist in Gefahr, dazu zu werden. In diesem Zusammen- (Sehr wahr! bei der SPD.) hang dürften einige Zahlen nicht uninteressant sein; denn man muß einmal wissen, wie die Berufsstruk- Sie müssen also bedenken, daß diese Menschen, die tur dieser Städte aussieht. Im dritten Quartal 1958 um ihre Existenz bangen, ein Anrecht darauf haben, waren in Recklinghausen 77 % der Beschäftigten zu wissen, was mit ihnen passiert. Bergleute, in Herne 63 %, in Wanne-Eickel 72 %, in Castrop-Rauxel 75 %, in Herten 72 %, in Watten- Die Zechen haben einmal Gesundheitshäuser scheid 58 % und in Oer-Erkenschwick sogar 83 %. gebaut, sie haben Bildungseinrichtungen, Werks- büchereien und ähnliche Einrichtungen geschaffen. Sie alle wissen, daß die Gemeinde Selm, die im Wir haben alle in diesen Jahren erlebt, daß Jahre 1928/29 in dieselbe Krise kam, sich heute das alles klamm-heimlich eingeschlafen ist. Das noch nicht erholt hat, weil die Frage der Struktur- ist alles der veränderten Lage zum Opfer gefallen. hilfe bis heute — ich habe mich zur Vorbereitung Die betreffenden Aufgaben fallen neu den Gemein- dieser Debatte eingehend danach erkundigt — noch den zu. Wir haben eine stagnierende Bevölkerungs- nicht gelöst ist. entwicklung, eine starke Abwanderung zu verzeich- Wie sieht es denn mit der Strukturänderung aus? nen. Wie will man denn noch Bergbau machen? Es Die Zechengesellschaften haben das Industriegelände hat folgende kuriose Sache gegeben: Die Zeche in Recklinghausen zu 70 % in der Hand, in Herne Brassert in Marl ist zur Stillegung angemeldet. Der zu 60 %, in Wanne-Eickel zu 57 % und in Watten- Werksdirektor erfährt das einen Tag, bevor es scheid zu 53 %. Wir haben es doch erlebt: vor zwei öffentlich bekanntgemacht wird. Am Montag steht Jahren, als ein Industriewerk sich in Herten nieder- das in der Zeitung. Am nächsten Samstag erscheint lassen wollte, gab es dafür vom Bergbau nicht die dann in der Zeitung eine Annonce: Eltern, schickt Grundstücke, und zwar wegen eines brennenden uns zu Ostern eure Kinder als Bergbaulehrlinge! Problems, wegen der Bergschädenfrage. Hier darf Brassert ist ein sicherer Arbeitsplatz. — Wenn das ich vielleicht auch einmal — ich weiß nicht, ob es nicht die Ironie auf die Spitze getrieben ist und ganz im Stil des Hauses ist — die Herren von Nord- wenn das nicht Schindludertreiben mit dem guten rhein-Westfalen ansprechen. Der Herr Minister- Glauben von Menschen und vertrauenzerstörend präsident scheint gerade gegangen zu sein; aber ist! Wo will denn der Bergbau noch die Arbeits- der Herr Wirtschaftsminister ist noch da. Die Berg- kräfte herkriegen, um Kohle für uns alle, für unser schädenregelung für die Ansiedlung neuer Indu- Volk zu schaffen, wenn wir so mit dem Potential strien in diesen Gemeinden, die eine andere struk- Arbeitskraft umgehen? turelle Form erhalten, ist ein ganz ernstes Problem. Und dann dürfen wir auch die älteren Bergleute Dem werden wir uns alle stellen müssen. Wir wer- nicht vergessen, die ihr Leben lang im Vertrauen den eine Lösung finden müssen. Wir werden auf ihr Bestes hergegeben haben. An dieser Stelle darf keinen Fall die Gemeinden draufhängen lassen kön- es einmal ausgesprochen werden: der Bergmann ist nen. Es gehört mit in die Überlegung hinein, wie ein Allround-Handwerker erster Güte, man mit dem Bergschädenproblem fertig wird. Höchstwahrscheinlich kann es der Bergbau in Form (Beifall bei der SPD) einer völlig veränderten Struktur. Früher war das aber im vorgerückten Alter nicht ohne weiteres an ganz selbstverständlich. Im Kohlepreis liegt das jedem Arbeitsplatz einsatzfähig. vielleicht nicht mehr darin, aber dann gehört es eben in die Überlegung mit hinein. (Sehr wahr! bei der SPD.) Ich möchte noch hinzufügen, daß bei den Stillegun- Deshalb hat er einen Anspruch darauf, daß man sich gen nicht nur die Bergwerke betroffen werden, son- Gedanken um sein persönliches Schicksal macht. Es dern auch eine große Zahl von Nebenbetrieben in wird gesagt: Na ja, er kann sich ja verlegen lassen, der Nähe der Bergwerke. Die Zulieferbetriebe des und wir geben eventuell Fahrprämien. Meine Bergbaus werden ganz hart getroffen. Sie sitzen Damen und Herren, ich höre so häufig das Wort häufig in denselben Gemeinden, und wir bekommen von dem Recht auf Heimat. Gilt es nicht auch für eine zweite große Welle wirtschaftlicher Störungen. diejenigen, die sich durch ihre Arbeit ein Leben lang an einem Arbeitsplatz ein Heimatrecht erwor- Dabei interessiert vielleicht auch einmal, wie die ben haben? Steuerentwicklungen in diesem Revier mittlerweile Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7317 Heiland aussehen. Bei den Kommunalsteuern haben wir in daß Gladbeck jetzt wirklich in Gefahr gerät, eine unserer Gegend Steigerungen von ungefähr 40 %, Invalidenstadt zu werden, indem man die Leute, in der Rhein-Main-Gegend weit über 100 %, und die noch produzierfähig sind, nach Westerholt und wenn wir nach Ludwigshafen, also in den badischen von Westerholt die Invaliden in diese Stadt ver- Raum, kommen, ist es eine noch viel größere Stei- legen will. Wie eine Stadt von nur alten Leuten gerung. Dort haben wir die echte Produktivitäts- funktionieren soll und wann auch auf die Stadt der steigerung, die in diesen Jahren über Deutschland Deckel gemacht wird, ist eine Frage, die bei dem gekommen ist und sich niederschlägt, während die Problem offenbleibt. Ruhrgebietsgemeinden schon infolge ihrer Struktur Ich glaube deswegen, daß man gleichzeitig mit hängengeblieben sind. Die Fragen sind nicht zu vielleicht notwendigen Stillegungen eine vernünf- lösen, wenn die Gemeinden nicht im Wege einer tige Strukturpolitik für die Ansiedlung neuer Indu- Strukturveränderung wenigstens neue Betriebe be- strie entwickeln muß. Anderenfalls hat man seine kommen. Pflichten nicht erfüllt. Jetzt kommt noch eine viel wichtigere Frage. (Beifall bei der SPD.) Energiepolitik kann man nicht nur machen, wenn man in Druck ist. Vielleicht muß die Stillegung der Hier gilt nicht das freie Spiel der Kräfte. Das wird einen oder anderen Zeche, weil sie nicht wirtschaft- sich irgendwo in diesem Raum auf dem Markt schon lich ist, in Erwägung gezogen werden. Aber dann von selber regeln. Ich will nicht noch über Bottrop muß man das langfristig planen und muß lang- und auch nicht über die Stadt reden, in der ich tätig fristig dafür sorgen, daß eine andere wirtschaftliche bin. Betätigung in dieser Gegend möglich ist. Ich möchte nur einige konstruktive Vorschläge Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir viel Sorge machen. Man sagt, daß man nichts mehr tun könne. bei den Nebenbetrieben haben, zumal wenn wir uns Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung, wenn noch fragen, was es nach den eingehenden Unter- sie jetzt schon fortschrittlich Fernwärme fördern suchungen mit den Zahlen hinsichtlich der wirt- will, nicht mit Blockheizwerken aufhören darf. Wenn schaftlichen Entwicklung auf sich hat: Zunahme des das einen Sinn haben soll, muß man einen schnellen Ausbau des Leitungsnetzes Gewerbesteueraufkommens von 1956 bis 1962 betrug wirtschaftlich ermög- im Ruhrgebiet 34,5 %, im Rhein-Main-Raum 121 %, lichen. Dabei handelt man noch ein Zweites ein: im Rhein-Neckar-Raum 158 %. Wer das Revier ver- Man wirkt mit an der Lösung des Problems der Reinhaltung der Luft. folgt hat, der weiß, daß es auch in Nordrhein-West- falen zwischen Rheinland und und Westfalen mitt- Meine Damen und Herren, wenn ich bei der Rein- lerweise ein Gefälle gibt und daß man auch diese haltung der Luft bin, muß ich noch einmal zum 01 Milliarden, die im volkswirtschaftlichen Vermögen zurückkommen. Es ist einfach nicht wahr, daß das angelegt sind, in einer solchen Gegend nicht einfach 01 für Heizzwecke schon seinen gerechten Preis ge- wegschrumpfen lassen kann. funden hat. Die Sicherheitsmaßnahmen beim Heizöl gegen die Gefahr der Wasserverseuchung sind noch Ich hatte Ihnen schon gesagt, daß bei Selm die gar nicht angelaufen. Die Kosten schließen diesen Dinge bis heute noch nicht in Ordnung sind. Dieselbe Faktor noch gar nicht ein. Stellen Sie sich einmal Gefahr besteht jetzt in zwei Städten, in Gladbeck vor: Die Leute, die sich in gutem Glauben eine Öl- und in Waltrop, wenn Waltrop stillgelegt würde, heizanlage haben bauen lassen, hören nun plötz- wie es angesichts der Anmeldung durch die in staat- lich, daß sie noch 2000, 3000, 4000 DM Kosten für lichem Besitz befindliche Zeche Hibernia zu befürch- die Sicherung aufbringen müssen. Und falls ein sol- ten ist. Heute werden 40 % der Gemeindesteuern cher Tank einmal ausläuft, sind die Kosten noch in Waltrop durch den Bergbau aufgebracht. Dort höher; denn keine Versicherung übernimmt noch leben Tausende von Menschen. Bisher gibt es dort, das Risiko für eine Heizanlage, die länger als fünf weil eine Teilstillegung vor einigen Jahren statt- Jahre in der Erde liegt. Außerdem ist die höchste gefunden hat, schon 2500 Auspendler. Nun ist noch Schadenssumme, über die Sie abschließen können, ein Rest von 2000 da. Die Bergwerksgesellschaft hat wenn Sie überhaupt noch eine Versicherung ab- z. B. in Waltrop durch Steigerung der Produktivität schließen können, 50 000 DM. Wenn ein Heizöltank von ungefähr 1300 kg auf 2700 kg in diesen zwei- ausläuft, kann die Wasserverseuchung so groß sein, einhalb Jahren Einmaliges an Rationalisierung her- daß die Schäden von einem einzigen Tank die Mil- ausgeholt. Der Dank dafür an die Bergleute ist, daß lionengrenze überschreiten. jetzt der Betrieb zur Stillegung angemeldet wird. Wie sieht es in Gladbeck aus? Dort waren im dritten Wir brauchen auf lange Zeit gesundes Wasser. Quartal 1958 84 % im Bergbau beschäftigt. Durch die Deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, bisherige Stillegung in mehreren Schächten sank von wie wir die Frage der in der Erde liegenden Heizöl- 1960 bis 1963 das Gewerbesteueraufkommen von tanks in Ordnung bekommen. Wir wissen, daß am 4,3 Millionen DM auf rund 2 Millionen DM. Trotz 1. Oktober ein Gesetz das erzwingen wird. Wir wis- Lohn- und Gehaltserhöhung ging die Gewerbesteuer sen, daß es länger dauern wird. Dabei kommen dann zurück.- Die Auslieferungen bei den Zulieferungs noch ganz andere Preise heraus, und man wird dann und den übrigen Betrieben sind dabei nicht berück- sehen, daß die Situation auch kostenmäßig ganz an- sichtigt. Die Hauptauswirkungen sind entstanden ders aussieht. durch die Zusammenlegung der Schachtanlagen Ich bin also der Meinung, daß die Regierung sich Möller nach Rheinbabe und Zweckel nach Scholven. bei der Fernwärme gerade im Revier auf keinen Letztere wurde dann auch noch 1963 stillgelegt, so Fall nur auf die Heizwerke stützen kann; denn im 7318 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Heiland Revier bietet sich sogar die Möglichkeit an, daß man gern bereit, dieses Problem welter zu prüfen, und keine neuen Heizwerke baut, sondern versucht, die ich habe eben auch schon mit Herrn Kienbaum ver- Fernwärme bei den Zechen sofort anzuzapfen, so abredet, daß wir uns in der Konferenz der Länder- daß die Gemeinden dann allein mit dem Leitungs- wirtschaftsminister in der kommenden Woche um bau der Kohle schon eine Entspannung geben kön- einen Weg bemühen wollen. nen. Ich gehe nicht besonders darauf ein, daß Sie, Herr Eines der Probleme ist auch noch nicht gelöst. Ich Kollege Arendt von „purer Bosheit" gesprochen ha- weiß, die Bundesregierung kennt die Zahl, aber ich. ben und davon, daß jemand hier glauben machen würde ihr trotzdem empfehlen, noch einmal genau wolle, alles sei in Ordnung. Meine Damen und Her- anzusehen, wie viele Bergschüler in den letzten ren, ich weiß überhaupt nicht, wann alles in Ordnung Jahren die Bergschulen besuchen, und sich die Zahl ist. Muß man sich nicht jeden Tag bemühen, wir um geben zu lassen, wie viele neue Absolventen von uns selber und wir in der Politik um alles? Ich weiß den Bergakademien kommen. Wenn man das genau gar nicht, woher dieser Kinderglaube kommt, jeman- weiß, weiß man, daß man in eine ungeheure Gefahr dem unterstellen zu können, er meine, alles sei im- kommt, in die Gefahr, daß wir nicht nur keine Berg- mer in Ordnung. Nein, wir müssen uns dauernd um leute mehr haben, die die Kohle aus der Erde holen, die Kohle bemühen, und ich verbitte es mir, daß hier sondern daß wir auch keine leitenden Bergmänner gesagt wird: „pure Bosheit". mehr haben, die in der Lage sind, ein Bergwerk zu führen. (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von Ich glaube also, daß die Bundesregierung gut dar- der SPD.) an tut, sich den Ernst der Stunde, der sehr groß ist, — Jawohl! Ich verbitte es mir, daß gesagt wird: vor Augen zu führen, und ganz klar und offen zu „pure Bosheit". sagen, ob sie in dieser Frage mit der Sozialdemo- kratischen Partei der Meinung ist, daß die Kohle in (Weitere Zurufe von der SPD.) unserem Land in dem Bereich, den wir zeitlich über- — Herr Präsident, ich muß das sagen dürfen. Wenn sehen können, ein notwendiger und wichtiger Fak- hier von „purer Bosheit" gesprochen wird, habe ich tor, eine Grundlage unserer Wirtschaft ist. Wenn sie das Recht, mich dagegen zu wehren. Ich gehöre die- das ist, darf man sie nicht dem absolut freien Spiel sem Parlament genauso lange an der Kräfte überlassen; dann muß man etwas für die wie Sie alle, meine Damen und Herren, und gehöre ihm auch heute noch Erhaltung der Kohle tun; dann muß man etwas de an. für tun, daß die Bergleute im Vertrauen auf eine ver- nünftige, kluge Staatsführung ihre Arbeit an unse- (Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zu rem Volk, an der Kohle weiter tun können. rufe von der SPD.) (Beifall bei der SPD.) Ich habe heute morgen darauf hingewiesen, daß ich mich dagegen wehre, daß man den alten marxistisch Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der paradiesischen Wunderglauben hinüberrettet in ein Herr Bundeswirtschaftsminister. Godesberger Programm. Marktwirtschaft hat von Anfang an bedeutet: Härte für den Unternehmer, der immer sein Unternehmen und sein Vermögen SchmüCker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr riskieren muß. Sie bedeutet auch für den Arbeit- Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- nehmer die Schwierigkeiten eines Fließbandes, des ren! Die Rede des Kollegen Heiland macht es not- Akkords, des Bemühens um eine Berufsausbildung wendig, sofort darauf zu antworten; denn er hat und des Unterkommens in einer Arbeitsstätte. Nie- gerade das getan, vor dem zu warnen ich mich heute mand hat das verschwiegen; und wenn wir draußen morgen — nicht aus der hohlen Hand, sondern aus - sind, legen wir Wert auf die Feststellung, daß dies tiefer Überzeugung — bemüht habe. nicht ein Wirtschaftswunder ist, sondern ein Erfolg Zunächst möchte ich aber — da ich nun das Wort der Arbeit. Wer uns fragt, warum wir so weit ge- habe — kurz auf die vorangehenden Ausführungen kommen sind, dem antworten wir: weil wir uns eingehen. Dem Herrn Ministerpräsidenten Meyers Mühe geben. Meine Damen und Herren, Mühe ist möchte ich sagen, daß ich mit ihm der Meinung bin dieses Leben und nichts anderes. Das wünsche ich — und ich habe das auch in der ersten Aussprache hier festzustellen, und dieses Recht lasse ich mir schon gesagt —, daß man versuchen muß, das Woh- von Ihnen nicht bestreiten. nungsbaugesetz zu ändern. Ich könnte Ihnen jetzt die einzelnen Paragraphen vorlesen; aber ich glaube, (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von es genügt, daß ich meine Zustimmung hier generell der SPD.) gebe. Es darf auf keinen Fall passieren, daß jeman- Aber Sie, meine Damen und Herren, haben sich dem auf Grund der Strukturwandlungen, die ihn zu angewöhnt, diese Debatten in der Form einer Auk- einer Änderung des Wohnsitzes oder des Beschäfti- tion zu führen. Jeder bietet mehr, im Preis und in gungsverhältnisses zwingen, wohnungsmäßig Nach- der Zeit. Das ist zu ändern, nehmen Sie sich das teile entstehen. zu Herzen! Herr Schedl hat einige Bedenken geäußert. Ich (Beifall bei der CDU/CSU.) verstehe sie, aber ich glaube nicht, daß er das Kunst- stück allein mit Frachtensubventionen oder Frach- Sie werden hier gestellt nach Ihrem echten Ver tenumberechnungen fertigbringt. Immerhin sind wir mögen. Sie sollen Farbe bekennen und uns nicht Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7319 Bundesminister Schmücker in sehr, sehr guten Formulierungen und Adjektiven gehen nach der Pensionierung noch so viele in an- übertreffen. dere Beschäftigungen? —, ihm das. Gefühl zu er- halten, daß er gebraucht wird. Ich bin aber gern (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.) bereit, über diese Frage in den Ausschüssen weiter Ich stimme mit dem Kollegen Arendt darin über- zu diskutieren. Einstweilen kann ich Ihnen aber ein, daß es notwendig ist, diesen Beruf attraktiv zu hierzu noch nicht eine Entscheidung der Bundesre- erhalten. Denn selbstverständlich müssen die Men- gierung mitteilen, weil sich nicht nur innerhalb der schen bereit sein, diesen schweren Beruf zu ergrei- Bundesregierung, sondern, wie ich weiß, auch in fen. Aberglauben Sie doch nicht, daß Sie einen diesem Hohen Hause und auch in der Öffentlichkeit Beruf reizvoll für die Menschen machen können, etwa gleichgewichtig zwei durchaus respektable wenn Sie dauernd über diesen Beruf klagen! Sie Meinungen gegenüberstehen. können viel mehr erreichen, wenn Sie die Schwere Nun zur Einfuhr- und Vorratsstelle. Ja, Herr und die Verantwortung — denn das wollen die Kurlbaum, es ist — anders, als Sie dargestellt hat- Menschen — herausstellen und wenn Sie eine An- ten — so gekommen, wie ich es vermutet hatte. Ich erkennung dafür geben, daß diese schwere Verant- pflege sonst nicht gern in alten Berichten herumzu- wortung und diese harte Arbeit für uns alle über- blättern. Das kann für jeden mal ein Nachteil sein, nommen werden. Sie mögen sagen, Herr Heiland, auch für mich. Ein Politiker mit Humor erträgt das das sei aus der hohlen Hand gesprochen. Das mag einigermaßen. Aber immerhin habe ich mir die De- Ihr Jargon bleiben, meiner wird es nicht. batte vom 29. März 1963 noch einmal durchgelesen. Sie haben sich zu den Stillegungen geäußert, Herr Da steht: Kollege Arendt, und dabei einige Kritik ausgespro- Bleibt das schwierige Problem der Lizenzierung. chen. Nun, ist es nicht immer so, wenn Anmeldun- Ich möchte ganz deutlich sagen: Wir sind keine gen notwendig sind, daß diese Anmeldungen über Freunde der Lizenzierung. Wir sind überhaupt das tatsächliche Ergebnis erst einmal vorsorglich keine Freunde von restriktiven Maßnahmen. hinausgehen? Es gab mal eine Zeit, da mußte nicht aus politischer Ideologie, sondern aus der Zwangs- So geht das nun diesen Vortrag hindurch und landet lage heraus alles angemeldet werden. Wir haben dann wieder bei der Einfuhrstelle. uns immer wieder darüber amüsiert, welcher Be- Meine Damen und Herren, ich bin nicht in der darf angemeldet wurde. Er betrug das Vielfache des Lage — vielleicht reichen meine geistigen Investi- tatsächlichen Bedarfs. tionen da nicht —, das aufzuhellen. Aber das müs- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) sen Sie doch einmal dartun. Sie können nicht ein- fach von der Einfuhrstelle sprechen und auf der Es ist Ihr gutes Recht — und benutzen Sie dieses anderen Seite gegen die Lizenzierung oder sogar gute Recht —, so lange zu zweifeln, wie es geht. gegen die Registrierung sein. Was die Bundesregie- Aber die Rechnung wird erst aufgemacht, wenn die rung in der Hand hat, genügt, um die Warenbewe- Zahlen vorliegen. Wenn Sie dann noch ein Recht gungen zu beobachten. Wir haben, um eine Ein- haben zu kritisieren, tun Sie es. Ich bin davon über- griffsmöglichkeit zu bekommen, die Fristen ver- zeugt, daß diese Maßnahmen zum guten Ende ge- kürzt. Auch dagegen hatte sich Ihr Sprecher vor bracht werden. einem Jahr ausgesprochen. Sie haben sodann eine Bemerkung über die Ge- winnverlagerung gemacht, die möglicherweise bei Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Kollegen Firmen erfolgt, die im wesentlichen außerhalb der Heiland machen. Herr Kollege Heiland hat daran Bundesrepublik ihre Zentrale haben. Das brauchen erinnert, daß der Bergmann in einer Zeit der Not nicht unbedingt große Staaten zu sein. Es gibt auch von uns allen aufgerufen worden ist, das Letzte kleine Länder, in die man sich hineinflüchten kann. herzugeben. Nun, das ist insoweit richtig, als wir Sie alle kennen dieses Praktiken. Niemand kann das — nicht von diesem Platz aus, sondern in un- etwas beweisen. Man vermutet. Ich pflege zu sagen: seren Funktionen, die wir damals hatten — viel- Was möglich ist, wird auch getan. Die einzige leicht getan haben. Schlußfolgerung aus diesem auch von mir in keiner Er hat dann gesagt, wenn damals die Unterneh- Weise gutzuheißenden Verhalten — dieses Ver- men die Möglichkeit gehabt hätten, über den Preis halten muß getadelt werden — ist doch die, daß zu verdienen, hätte alles besser ausgesehen. Herr man erstens versucht, das durch Doppelbesteue- Kollege Heiland, damals war Inflation. Die dama- rungsabkommen möglichst auszuschalten — das ha- ligen Zuwendungen bestanden in Bergmannspunk- ben wir getan —, und zweitens, durch indirekte Be- ten und ähnlichen Dingen. Ich glaube nicht, daß es steuerung — Sie wissen, wie diese indirekte Be- irgendwie möglich gewesen ist, damals den Grund- steuerung gerade beim Öl, beim Benzin aussieht — stock für die Entwicklung zu legen. den anderen das Hauptgeschäft bei diesen Versu- Trotzdem nehme ich die Anmerkung des Kollegen chen zu verderben. Heiland auf und verwende sie im Zusammenhang Sie sprachen über die Frage der früheren Ver- mit meinen Ausführungen von heute morgen. Meine rentung. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich Ausführungen haben doch in der Aufforderung be- für diesen Gedanken — Sie wissen das, ich habe standen, daß wir alle zusammenstehen, damit wir mich mit Ihnen darüber unterhalten — sehr viel die freiheitliche Wirtschaftsordnung bewahren. Sympathie habe. Aber ich kann auch nicht einfach Meine Forderung an die übrigen, denen es besser das Argument vom Tisch wischen, das da sagt, es geht, war, Solidarität zu zeigen, wie es in schweren sei für den Menschen ebenso wichtig — und warum Zeiten — jetzt nehme ich Ihr Wort auf —, als wir 7320 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Schmücker keine ausreichende Energieversorgung hatten, auch glaube, wenn Sie alles mit rechten Augen ansehen, der Bergmann getan hat. werden Sie das auch nicht bestreiten können. Aber, Herr Heiland, vom Fetisch der Markt- Mir kommt es darauf an, daß durch solche Reden, wirtschaft zu sprechen ist, wenn Sie es mir an- wie Sie sie soeben gehalten haben, nicht das lasten wollen, zumindest eine ziemliche Übertrei- Wesentliche zerstört wird, was wir brauchen: das bung; oder Sie haben meine Ausführungen heute Vertrauen in die eigene Kraft und das Vertrauen morgen nicht gehört. Möglicherweise sehen Sie die in die Gegenseitigkeit. Ich wiederhole: Jeden Tag Marktwirtschaft auch so ähnlich an wie die Prin- werden neue Probleme gestellt, und jede Lösung zipien, die in Ihrem neuen Programm festgelegt bringt als solche schon neue Aufgaben mit sich. sind. Wir tun das nicht. Ich habe heute morgen Wir haben die Arbeitslosigkeit überwunden und schon einmal gesagt — es ist eine schwere Sache —: die Menschen aus den Löchern herausgeholt. Heute Zur Marktwirtschaft können sich nur Völker ent- müssen wir uns darum sorgen, mit den Problemen schließen, die den Mut haben, dieses schwere, aber der Vollbeschäftigung fertig zu werden, und es erfolgreiche, wie wir sehen, Wirtschaftssystem zu wäre doch nicht zu verstehen, wenn es uns bei übernehmen. dieser wirtschaftlichen Position, die wir haben, nicht gelingen sollte, den Strukturwandel sozial und Nun weiß ich sehr wohl, daß eine Existenznot — wirtschaftlich so vernünftig, wie es geht, durchzu- denn das war doch der Kern meiner Ausführungen führen. Ich könnte Ihnen jetzt eine Reihe von heute morgen — vorhanden ist und daß wir alle Städten nennen — ich beschränke mich auf Bochum; verpflichtet sind, hier solidarisch zu helfen. Herr sicherlich ist das der glücklichste Fall von allen —, Heiland hat hier sehr wirkungsvoll dargestellt — wo das durch gemeinsame Anstrengungen gelun- er lebt ja in der Umgebung, in der die Erregung gen ist, durch Anstrengungen, die auch ein wenig ist; darum ist es auch verständlich —, in welchen in Widerspruch zu dem stehen, was Sie bezüglich Sorgen und Nöten sich die Menschen befinden. Aber, des Verhältnisses internationaler und deutscher Herr Heiland, darf ich Sie einmal fragen: Wer von Gesellschaften gesagt haben und was ich selber uns ist in der Lage, am Beruf, an der Stellung die auch denke. Das weiß ich sehr wohl; aber an diesem Sorgen und Nöte der anderen Menschen abzulesen? Beispiel wird deutlich, daß wir uns auf keinen Wer weiß um die Lasten, die auch der Nachbar im Fall aus der Einzelbeurteilung dieser Lage heraus Parlament zu tragen hat? Tun wir doch nicht so, als in eine Stimmung bringen lassen dürfen, die ich für träfe das Schicksal nur den einzelnen. Das Schick- gefährlich halte, in eine Stimmung: hie nationale sal fordert jeden von uns, und jeder von uns muß Wirtschaft und dort internationale Wirtschaften. sich stellen! Meine Damen und Herren, unser Wohlstand lebt Meine Damen und Herren, auch in anderen Be- zu einem ganz wesentlichen Teil von der Außen- rufsgruppen gibt es solche Last, und in anderen wirtschaft, und der Kapitalverkehr ist ein Teil der Situationen gibt es schwerere Last. Wir haben doch Außenwirtschaft. Wer diesen Teil einengt und ein- mit der Wirtschaftspolitik, die Sie bekämpft haben, schränkt, der muß in Kauf nehmen, daß auch das meine Damen und Herren, dafür gesorgt, daß sich gesamte Niveau gesenkt wird. bei uns die Lebensverhältnisse gerade der arbeiten- den Schichten gebessert haben. Und Sie säßen auch Nun noch kurz zu den Vorschlägen, die Sie, Herr nicht in Ihrem Rathaus, Herr Heiland, wenn diese Heiland, genannt haben! Wirtschaftspolitik nicht betrieben worden wäre, Sie nannten die Blockheizwerke und haben dazu (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der eine Variante gebracht. Ich will sie gern weiter SPD) überlegen. Sie ist nicht neu. in Ihrem Rathaus, das ich Ihnen gönne und das Was Sie zum Öl bezüglich der Gefährdung der hoffentlich sehr viele Städte bekommen. Wasserverhältnisse usw. gesagt haben, ist ja in - diesem Hause nichts Unbekanntes. Darf ich Sie dar- Herr Heiland hat dann hier ein Ereignis ange- an erinnern — Herr Kollege Schmidt sitzt dort prangert. Er hat es mit Namen genannt. Und wenn drüben —, wie wir einmal versucht haben, durch er einige Bundesgesellschaften zu tadeln gehabt ein Gesetz die Reinhaltung des Wassers zu sichern, hätte, hätte ich nicht angestanden, ihn dabei zu und wie uns dann der Bundesrat klargemacht hat, unterstützen. Wenn das so ist — so habe ich vori- das sei nicht unsere Sache. Wenn Sie also eine ges Mal schon erklärt —, wie mir berichtet worden solche Forderung stellen — ich weiß nicht, wie es ist, dann kann man das Verhalten dieser Unter- in Nordrhein-Westfalen ist; ich nehme an, dort hat nehmung nur tadeln. Wir hatten Gelegenheit, Sie, man ein Gesetz —, dann müssen Sie auch die Herr Heiland, und einige weitere Herren im Bun- Adresse richtig wählen. deswirtschaftsministerium zu hören. Ich selber war (Abg. Heiland: Sie haben mich anschei leider durch eine andere Sache verhindert. Aber Sie nend nicht richtig verstanden! Ich habe nur können nicht bestreiten, daß ich mich in vielen Be- sprechungen — nicht gerade in dieser — um die gesagt, daß dadurch noch ein Preis auf das Fragen gesorgt und gekümmert habe. Wir haben Öl kommt!) Ihnen dargetan, wie das Bundeswirtschaftsministe- — Ich bin der Meinung, daß alle Sicherungen gege- rium die Entwicklung sieht und was wir zu tun ben werden müssen und daß man das mit einkalku- gewillt sind, und es ist Ihnen dabei gesagt worden, lieren muß. Aber, Herr Heiland, der wesentliche niemand wird in diesem Staate einem Schicksal Vorteil liegt ja gar nicht im Preis, sondern vor überlassen, das unverschuldet über ihn kommt. Ich allem in der Bequemlichkeit — Bequemlichkeit ist Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7321

Bundesminister Schmücker ein harter Ausdruck, sagen wir: darin, daß eine Ar- Es muß noch eines festgestellt werden: Die Rat- beitserleichterung im Haushalt erzielt wird; und häuser und die Politik in unseren Rathäusern waren das können wir nicht zurückdrücken. lange Jahre, bevor die Wirtschaftspolitik der Bun- desrepublik einsetzte, da. Sie haben dann darauf hingewiesen, daß zuwenig (Beifall bei der SPD.) Bergschüler da seien. Das ist richtig. Aber dieses Phänomen haben wir doch in fast allen Berufen. Es Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auch ge- gehört doch einfach zur Entwicklung, daß, wenn die sagt, was die Bundesregierung in der Hand habe, Produktivität des einzelnen sich erhöht und wenn genüge, um mit den Problemen fertig zu werden. Wir neue Tätigkeiten entstehen, die herkömmlichen mit stellen aber fest — deshalb haben wir heute diese geringeren Zahlen auskommen müssen. Das wirkt Debatte — , daß das, was sie in der Hand hat und sich auch auf die Schulen aus, und man darf sich wie sie es angewendet hat, bisher nicht genügt hat, nicht darüber wundern, daß hier ein völlig gleich- um mit den Problemen fertig zu werden. Sonst laufender Vorgang entsteht. brauchten wir uns ja heute nicht darüber zu unter- halten. Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß (Beifall bei der SPD.) ich die Debatte damit wieder unterbrochen habe. Ich Nun aber zu den Problemen, über die ich sprechen hätte sonst gern zum Schluß gesprochen, glaubte wollte. aber, es sei notwendig, diese Bemerkungen jetzt zu machen, weil es nicht zutrifft, daß wir die Kohle Es hat vorhin geheißen — auch wieder aus dem etwa dem freien Spiel — geschweige dem „Dschun- Munde des Herrn Bundeswirtschaftsministers —, gel" — überlassen. Wir haben ja Maßnahmen vor- man solle nicht über den Beruf klagen, sondern eine gesehen, die ganz ausdrücklich von der chemisch Anerkennung geben. Sehen Sie, mir geht es nun um reinen Wettbewerbswirtschaft abweichen, und ich diese Anerkennung für den Beruf des Bergmanns. habe gesagt, daß es notwendig ist, diese Maßnah- Die Debatte über die Energiepolitik und auch die men zu ergreifen. Sagen Sie also nicht, wir über- Großen Anfragen, die vorgelegt worden sind, haben ließen die Kohle dem absolut freien Spiel. sich richtigerweise auch mit einigen sozialpolitischen Auswirkungen und Aspekten beschäftigt. Sowohl Sie haben rhetorisch sehr geschickt geschlossen: die Große Anfrage der CDU/CSU und FDP als auch „Wer mit der SPD der Meinung ist ...". Nun gut, die Große Anfrage der SPD haben einige sozialpoli- es ist Ihr gutes Recht, sich selber vornean zu nennen. tische Punkte angedeutet. Aber wenn Sie uns schon die Verantwortung für all das geben, was bisher getan worden ist, und all Ich möchte hier gleich auf den Unterschied in der das, was an neuen Aufgaben auf uns zukommt — Fragestellung hinweisen, weil ,er in dieser Frage das sind nämlich die Probleme, die Sie anspre- sehr entscheidend ist. Die Koalitionsparteien geben chen , dann, bitte, seien Sie auch so konsequent und zu — das tun sie übrigens auch in ihrem Entschlie- anerkennen Sie, was an Wirtschaftspolitik bisher ßungsantrag —, daß eine soziale Unsicherheit bei in Deutschland und speziell auch im Ruhrgebiet und den Bergleuten vorhanden ist und ein Unsicherheits- gefühl im Bergbau besteht. Sie bestätigen damit also für die Kohle Gutes geleistet werden konnte. Daß ganz eindeutig unsere bisher immer vorgetragene man sich auf diesen Leistungen nicht ausruhen darf, Aussage, daß die Energiepolitik, so wie sie geführt ist selbstverständlich. Aber diese Leistungen geben worden ist, die die Rechtfertigung dafür, das, was jetzt notwendig soziale Unsicherheit im Bergbau nicht weggeschafft, sondern herbeigeführt hat und daß ist, von dem tun zu lassen, der sich bisher bewährt darüber hinaus sogar noch eine gewisse Gefahr für hat; und ich meine, das sei die Bundesregierung. die Sozialversicherung der Bergleute heraufbe- (Lebhafter Beifall bei den schworen wurde. Ich erinnere nur an das, was der Regierungsparteien.) Herr Bundesfinanzminister bei der Einbringung des Bundeshaushalts gesagt hat. In der Fragestellung be- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der schränkt man sich aber dann in Absatz 6 für meine Abgeordnete Hörmann. Begriffe ,etwas dürftig auf die Beseitigung von Här- ten für die von Zechenstillegungen betroffenen Berg- leute. Man will also nur mit den bisher üblichen Hörmann (Freiburg) (SPD) : Herr Präsident! Methoden, mit einigen kleinen Pflästerchen versu- Meine Damen und Herren! Ich möchte einiges auf chen, 'die entstehenden Wunden zu heilen. Nach das antworten, was der Herr Bundeswirtschaftsmi- unserer Meinung kann man aber damit die anste- nister gesagt hat, weil mir seine Ausführungen henden Probleme sozialpolitischer Art im Bergbau etwas polemisch vorgekommen sind. Ich habe auch — ich sage es ganz klar —, nämlich die Frage der seine Aufregung gar nicht verstanden. Es war kein Altersgrenze und auch das Problem der Knapp- Grund zur Aufregung. Wir wollen uns hier ja über schaftsausgleichsleistung, dieser neuen Struktur- ganz normale, konkrete Vorschläge. und Probleme rente, wie ich sie bezeichnen möchte, nicht lösen und unterhalten, darüber, wie man dem Steinkohlenberg- auch nicht genügend klären. bau helfen kann. Mir kommt es vor, wie wenn man sich einen Luftpopanz aufbaut und dann hinein- Wir fragen deshalb in unserer Großen Anfrage schlägt, und es ist nichts dahinter. wesentlich konkreter und ganz eindeutig, ob man nicht diese beiden Fragen, die Frage der Alters- (Heiterkeit bei der SPD. — Zuruf von der grenze und die Frage der Knappschaftsausgleichs- CDU/CSU.) leistung, neu überdenken und besser angehen sollte. 7322 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Hörmann Wir hatten das ja schon früher angestrebt. Sicher Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und sind Sie damit einverstanden. Ich kann jetzt zu die- Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. ser späten Stunde auf keinen Fall dazu noch Argu- Ich schließe die Aussprache. mente und Begründungen vortragen. Wir werden dazu noch Gelegenheit bekommen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Gesetzentwurf über das Zollkon- Wenn ich mich aber frage, was die Bundesregie- tingent für feste Brennstoffe 1965, 1966 und 1967, rung in ihrer Antwort und in der Diskussion heute Drucksachen IV/2471, bzw. IV/2752. zu diesen Problemen sagt, muß ich eigentlich fest- Ich rufe in zweiter Beratung auf den § 1 mit den stellen, daß diese Antwort der Bundesregierung für vom Ausschuß beschlossenen Änderungen, die §§ 2 uns und für die Bergleute vollkommen unbefrie- bis 16 einschließlich Einleitung und Überschrift. digend ist, weil man nach wie vor nicht bereit ist, Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht das Problem der Senkung der Altersgrenze für das der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zu- Altersruhegeld und auch das von uns angeschnittene zustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- Problem der Knappschaftsausgleichsleistung vom zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist 50. Lebensjahr an hier entsprechend anzugehen und so beschlossen. eine Lösung vorzubereiten. Ich komme zur In der Antwort der Bundesregierung und auch in einer Presseverlautbarung des Herrn Bundes- dritten Beratung. arbeitsministers wird auf die finanzielle Lage der Knappschaft hingewiesen. Mir kommt das etwa so Auf Grund der langen allgemeinen Aussprache, die vor, als verfahre man nach der Methode, sich laufend wir über die gesamte Lage hatten, wird hier eine im Kreise zu drehen: Durch die Stillegungen der allgemeine Aussprache sicherlich nicht mehr ge- Zechen haben die Knappschaften weniger Einnah- wünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor. men, die Bundeszuschüsse werden größer, die Lasten werden gleichzeitig größer — das dreht sich dauernd Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Ge- im Kreise, und deswegen ist keine Möglichkeit ge- setzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- geben, diese dringenden sozialpolitischen Aufgaben probe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — in Angriff zu nehmen. Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Wir erinnern uns bei dieser Frage ein bißchen an Dann kommen wir zur Abstimmung über Punkt die Handhabung der Probleme aus dem Bereich der 3 b). Es liegen drei Anträge zu den Großen Anfragen Landwirtschaft. Wir haben uns heute mittag ja bei vor, der Antrag der Fraktion der SPD auf Um- der Erklärung der Regierung darüber schon unter- druck 510 *), der Antrag der Fraktionen der halten können. Sie müssen verstehen, daß die Berg- CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 511 und der leute angesichts der Gleichartigkeit dieser Fragen Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 514. Es und angesichts der Unterschiedlichkeit der Behand- ist wohl am zweckmäßigsten, wenn ich über die lung in finanzieller Hinsicht kein Verständnis auf- Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs abstim- bringen können und auch kein Verständnis aufbrin- men lasse, zuerst also über den Antrag der Fraktion gen werden. der SPD auf Umdruck 510.

Es ist unsere Aufgabe, für die Sicherheit im Berg- (Zuruf von der SPD: Ausschußüberwei bau zu sorgen und auch die sozialen Probleme zu sung! — Abg. Rasner: Herr Präisdent, ich lösen, die durch die Strukturveränderung, durch die würde vorschlagen, alle Anträge an den Ausschuß zu überweisen! Das ist wesent notwendige Rationalisierung hervorgerufen- werden. Diese Fragen dürfen eben nicht nur auf dem Rücken lich zweckmäßiger; denn dann ist der des Bergmannes ausgetragen werden. Wenn wir den Ausschuß weiter mit dieser Materie Bergbau als Grundstoffindustrie erhalten, ihm einen beschäftigt!) sicheren Platz im Rahmen der Volkswirtschaft geben — Gut. Soll an den Ausschuß für Wirtschaft über- und die Bergleute im entsprechenden Ausmaß wiesen werden? hierfür halten wollen, müssen wir eben den Men- (Zustimmung.) schen in den Mittelpunkt stellen, ihm die entspre- chende Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihm — Alle drei von mir bereits aufgerufenen Anträge das entsprechende Verständnis entgegenbringen. werden an den Ausschuß für Wirtschaft überwie- sen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlos- Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute vor- sen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abge- mittag auf die Freiheit hingewiesen. Wir meinen schlossen. eben, daß zur Freiheit für den einzelnen Menschen Meine Damen und Herren, mir ist eine interfrak- auch die entsprechende Sicherheit und dafür auch die tionelle Vereinbarung mitgeteilt worden, nach der entsprechende Unabhängigkeit gehören. Aus diesem nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung vorgezogen Grunde werden wir uns erlauben, Sie wieder mit und behandelt werden soll. — Widerspruch erfolgt dem Problem der Altersgrenze zu beschäftigen; wir nicht. werden uns damit auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD.) *) Siehe Anlage 4 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7323 Vizepräsident Dr. Jaeger Dann rufe ich Punkt 11 der Tagesordnung auf: völlig unzureichend; sie richtet sich nach dem mili- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- tärischen Rang und den entsprechenden Bezügen. desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dafür müssen die Beschädigten, soweit sie nicht Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Mai 1962 Schwerstbeschädigte sind, noch Dienst verrichten. zwischen der Bundesrepublik Deutschland Eine zusätzliche Versorgungsrente kennt man nicht. und dem Spanischen Staat über Kriegsopfer- Ähnlich unzulänglich ist die Versorgung der Hinter- versorgung und zu dem Notenwechsel vom bliebenen. 16. Mai 1963 (Drucksachen IV/718, IV/1433); Die Angehörigen der spanischen Freiwilligen Schriftlicher Bericht des Ausschusses für aus- division können nach Meinung der SPD-Fraktion wärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) nicht mit den ehemals Wehrdienstverpflichteten aus (Drucksache IV/2719). Luxemburg und Belgien, hier also aus dem Raume (Erste Beratung 118. Sitzung) Eupen-Malmedy, gleichgestellt werden. Hier handelt es sich um ehemalige Soldaten, die, wie der Fach- Der Berichterstatter, der Abgeordnete Paul, hat ausdruckseinerzeit hieß, eingedeutscht worden sind. einen schriftlichen Bericht vorgelegt; ich danke ihm Die Soldaten der Blauen Division kamen auf Ver- dafür. anlassung ihrer Regierung aus Gründen, die nur In zweiter Beratung rufe ich Art. 1, — Art. 2, diese Regierung zu vertreten hatte, wie eingangs - Art. 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wird schon dargelegt wurde. das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Daraus folgt: Zuständig für die Abgeltung der Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das durch den Einsatz dieser spanischen Division ent- Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — standenen Schäden ist allein der spanische Staat. Mit Mehrheit beschlossen. (Beifall bei der SPD.) Ich komme zur Die deutsche Staatskasse kann nicht die Aufgabe dritten Beratung haben, unzureichende innerspanische Versorgungs- leistungen aufzustocken. und eröffne die allgemeine Ausprache. Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Höhmann. (Erneuter Beifall bei der SPD.) Angesichts der Tatsache, daß m an bereit ist, den Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Herr Prä- spanischen Freiwilligen Versorgung zu gewähren, sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! sich aber um die südtiroler Kriegsbeschädigten fast Für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei gar nicht gekümmert hat, ist die Frage nach dem habe ich folgende Erklärung abzugeben. Warum berechtigt. Die Südtiroler deutscher Sprache Im Jahre 1941 wurde in Spanien die Aufstellung hatten fast alle für Deutschland optiert und wurden einer Freiwilligendivision proklamiert, die auf deut- wehrdienstpflichtig. Sie müßten also ebenso behan- scher Seite gegen die Sowjetunion kämpfen sollte. delt werden wie die Luxemburger oder die ehemali- Dies geschah vor dem Hintergrund der national- gen Soldaten aus dem Raume Eupen—Malmedy. sozialistischen Forderung nach dem Kriegseintritt Tatsächlich ist aber für diesen Personenkreis noch Spaniens an der Seite der sogenannten Achsen- nichts erreicht worden. Die SPD-Fraktion erwartet, mächte einerseits und dem Bemühen, für den Ein- daß die Bundesregierung energisch an dieses Pro- satz der „Legion Condor" im spanischen Bürger- blem herangeht. Es geht nicht an, daß man sich be- krieg eine Gegengabe zu bieten, andererseits. Ein müht, Spanier zu versorgen, und die Südtiroler dar- weiterer Grund für die Entsendung einer spanischen über vergißt. Division an die Ostfront ist militärisch-taktischer (Beifall bei der SPD.) Die Armeeführung wollte einen möglichst Natur: - Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat bei der großen Teil des Offizierskorps mit moderner Krieg- Beratung des vorliegenden Vertrages vor dem Aus- führung bekanntmachen. Deshalb wurden die Offi- wärtigen Ausschuß des Bundesrates erklärt, dem ziere nach entsprechender Fronterfahrung bald ab- Ministerpräsidenten und Vertreter des Staatschefs gelöst und durch andere ersetzt. Insgesamt waren in Spanien Muños Grande liege diese Sache sehr am Blauen 5000 bis 6000 spanische Offiziere bei der Herzen. Division, eine Anzahl, die in keinem Verhältnis zur Mannschaftsstärke 'stand. Der Fronteinsatz war (Zuruf von der SPD: Das kann ich mir also — will man von den außenpolitischen Über- denken!) legungen der spanischen Seite, welche nur die Spa- Spanien erhebe diese Forderung auf Einbeziehung nier selbst zu vertreten haben, absehen — ein Ma- in die deutsche Kriegsopferversorgung schon seit növer zwecks Erlernung moderner Kriegführung mit zehn Jahren. neuesten Waffen, ein sehr blutiges, risikoreiches und verlustreiches Manöver. Deshalb wurde die (Hört! Hört! bei der SPD.) 250. Division im Jahre 1943 auch wieder zurück- Da drängt sich der Verdacht auf, daß Herr von Mer- beordert. katz mit der Paraphierung dieses Vertrages die in- Die traurige Hinterlassenschaft dieses Manövers nerpolitischen Verhältnisse in Spanien stabilisieren sind ca. 1000 Kriegsbeschädigte, 1200 Eltern gefalle- helfen wollte, ner Soldaten, 110 Witwen und 5 Waisen. Die Ver- (Hört! Hört! bei der SPD — Lachen in der sorgung dieser Opfer ist nach unseren Begriffen Mitte) 7324 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Höhmann (Hessisch-Lichtenau) eine rührende Geste zwischen Gleichgesinnten, Majonica (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine (Beifall bei der SPD — erneutes Lachen in Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt der Mitte) dem Gesetz zunächst aus sozialen und menschlichen Gesichtspunkten zu. Ich meine, daß wir Verantwor- ein Liebesdienst zur Festigung der Macht des ehe- tung tragen für die Erbmasse des Dritten Reiches im maligen Capitan general Muños Grande — er war Guten und im Bösen und daß wir eine derartige der Chef der Blauen Division — und des ehemaligen Verantwortung auch in diesem Falle nicht einfach Gefreiten — das ist wohl die erste Stufe für vom Tisch wischen können. höchste Staatsämter — dieser Einheit Castiella. Ich denke, daß man diese rührende Geste tatsächlich (Zurufe von der SPD.) nur um der guten Freundschaft willen gemacht hat Aber ich gebe gern zu, daß mit diesem Gesetz und um einen entsprechenden Liebesdienst zu er- und der Zustimmung der CDU/CSU zu diesem Ge- weisen. setz auch bewußt eine freundliche Geste gegenüber Die SPD-Fraktion kann sich dieser Haltung nicht dem spanischen Staat gemacht wird. ausschließen. Sie lehnt es ab, dem spanischen Staat (Zuruf von der SPD.) Versorgungsaufgaben abzunehmen. Uns verbindet mit Spanien eine langjährige gute (Beifall bei der SPD.) Tradition ungeachtet der innenpolitischen Verhält- nisse, die in diesem Staate herrschen mögen. Wir Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der müssen auch zusammen mit dem Herrn Staatssekre- Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. tär Dr. Carstens erkennen, daß die gegenwärtige spanische Regierung eine ausgezeichnete Haltung in der deutschen Frage und in der Berlin-Frage ein- Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen genommen hat. Gerade in diesen Tagen wird in Amts: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Madrid ein Platz nach Berlin benannt. Ich meine, Ich darf zu diesem Komplex folgendes erklären. daß es eine ungute Angelegenheit ist, gegen einen Es ist richtig, daß im letzten Krieg mehrere tausend Staat und gegen eine Regierung hier zu polemisie- Spanier mit Zustimmung der spanischen Regierung ren, die uns gerade in der nationalen deutschen auf deutscher Seite gekämpft haben und daß meh- Frage in allen internationalen Organisationen unter- rere tausend von ihnen gefallen sind oder verwun- stützt hat. det worden sind. Die spanische Regierung hat die (Beifall bei der CDU/CSU.) Bundesregierung seit mehreren Jahren darum ge- beten, diesen Spaniern und ihren Hinterbliebenen Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Rede eine Versorgung zu gewähren. Die Bundesregie- hinweisen, die der spanische Außenminister in der rung hat geglaubt, sich dieser Bitte nicht entziehen letzten Generalversammlung der Vereinten Natio- zu sollen. nen gehalten und in der er sich in einer ganz be- sonders intensiven Weise gerade für unsere Be- Sie hat sich dabei auch von der Haltung leiten lange eingesetzt hat. Ich darf auch darauf hinwei- lassen, die Spanien in den für Deutschland lebens- sen, meine Damen und Herren, daß Spanien seit wichtigen Fragen einnimmt. Die spanische Regie- einiger Zeit eine bewußte Hinwendung zu Europa rung hat den Standpunkt Deutschlands in der Frage vorgenommen und eine bewußte innenpolitische der deutschen Wiedervereinigung, in der Berlin- Liberalisierung durchgeführt hat. frage, in der Frage der Nichtanerkennung der so- wjetischen Besatzungszone stets rückhaltlos unter- (Zuruf von der SPD.) stützt. Spanien ist eines derjenigen Länder, das in In diesem Zusammenhang möchte ich nur erwähnen, den für uns lebenswichtigen Fragen auf unserer daß das Protestantenstatut in diesem Jahr die Zu- Seite steht. stimmung des spanischen Episkopats gefunden hat (Zuruf von der SPD: Das ist doch kein und damit auch auf diesem Gebiete Dinge abgebaut Argument!) werden, die uns von unserem Standpunkt aus an der spanischen innenpolitischen Entwicklung nicht — Ich glaube, das ist ein Argument, das in den gefallen haben. außenpolitischen Beziehungen in Betracht zu ziehen (Zuruf von der SPD.) ist. (Beifall bei der CDU/CSU.) Meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, gerade aus Ihren Reihen kommt doch das Im Hinblick auf das, was soeben über die Süd- Wort von dem „Wandel durch Annäherung". Soll tiroler gesagt worden ist, darf ich mitteilen, daß das nur für kommunistische Staaten gelten oder nach einer Regelung, die vor wenigen Monaten ge- gilt das auch für einen Staat wie Spanien? troffen wurde, auch die Südtiroler, die auf seiten (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) der deutschen Wehrmacht gekämpft haben, in den Genuß von Versorgungsbezügen gelangen werden. Wir können doch einfach nicht übersehen, welche Rolle bei der Frage der westlichen Verteidigung (Beifall bei den Regierungsparteien.) der spanische Staat spielt. Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen, daß Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der es für mich eine sehr ungute Angelegenheit ist, daß Herr Abgeordnete Majonica. hier die innenpolitischen Probleme eines anderen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7325 Majonica Landes in einer derartigen Weise beleuchtet wer- — Sie wissen, was vorangegangen ist und was sich den, wie das gerade geschehen ist. Es gibt viele in Spanien vollzogen hat. Man muß den geschicht- Länder mit innenpolitischen Verhältnissen, die wir lichen Ablauf in einem größeren Zusammenhang kritisieren würden. Wenn wir aber beginnen woll- sehen. ten, das im Deutschen Bundestag zu tun, würden (Zurufe von der SPD: Es waren sogar die wir bald einen Scherbenhaufen in der deutschen Christlichen Demokraten in der Regierung! Außenpolitik und einen Scherbenhaufen in der — Es waren auch Liberale drin!) deutschen Frage haben. — Ja, das ist eine Angelegenheit, die Sie nicht ohne (Beifall bei der CDU/CSU.) weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen kön- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der nen. Herr Abgeordnete Dr. Krümmer. (Lachen bei der SPD.) Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir aus all den Über- Dr. Krümmer (FDP) : Herr Präsident, meine Da- legungen menschlicher und durchaus politischer Art, men und Herren! Die Fraktion der Freien Demokra- die ich Ihnen vorgetragen habe, um Annahme des tischen Partei sieht in dem vorliegenden Vertrags- Gesetzentwurfs bitten. werk, das nun zum Gesetz werden soll, die Erfül- (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu lung eines Gebotes der Menschlichkeit, eines Ge- rufe von der SPD.) botes, das aus einer Zeit stammt, die, rückwärts betrachtet, sehr unerfreulich gewesen ist. Aber die Menschen, die sich damals eingesetzt, die Gesund- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der heit und Leben verloren haben, haben das gleiche Abgeordnete Dr. Mommer. getan, was unzählige andere auch getan haben, denen man nun einfach auf Grund einer mensch- Dr. Mommer (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- lichen Verpflichtung einen gewissen materiellen men und Herren! Ein paar Bemerkungen zu dieser Ausgleich gewähren möchte. Debatte. Zunächst: wenn man jetzt hier so tut, als (Zurufe von der SPD: Dafür ist nur Herr ob das Wort „Wandel durch Annäherung" ein Wort Franco zuständig! — Das ist nur Herrn der Sozialdemokraten sei, so muß ich sagen, Herr Francos Aufgabe, nicht unsere!) Majonica: das stammt von Präsident Kennedy, so- — Ich komme gleich darauf. Es gibt sehr viele der- viel ich weiß, nicht aber von den Sozialdemokraten. artige Fälle, die, rückschauend betrachtet, ganz an- (Abg. Majonica: Aber Sie haben es doch ders aussehen als in dem Augenblick, in dem diese aufgenommen! Sie wollen es doch nicht de Menschen sich eingesetzt haben. mentieren?!) Ich darf einschalten, daß wir mit Befriedigung von — Herr Majonica, an dem Wort ist etwas Gutes der Mitteilung des Herrn Staatssekretärs im Aus- dran, und ich würde Ihnen darin recht geben, daß wärtigen Amt Kenntnis genommen haben, daß für . man sich das nach allen Seiten überlegen muß. Sie die Südtiroler aus einem gleichen Grundsatz heraus können sicher sein, daß wir uns das überlegen. eine Regelung gefunden werden soll. (Sehr schön! in der Mitte.) Nun aber zurück zur 250. Division. Wenn man Wir überlegen uns das auch in bezug auf unsere den Grundsatz der Menschlichkeit anerkennt und Beziehungen zu Spanien. Wir legen Wert darauf, zu wenn man weiß, daß die Hilfe, die vom eigenen dem spanischen Staat, so wie er nun einmal ist, gute Staat geleistet wird, nicht dem entspricht, was wir Beziehungen zu haben, und eine sozialdemokratische für unsere Menschen für richtig halten, so muß man Regierung würde versuchen, gute Beziehungen zu eine Regelung treffen, und diese Regelung kann Spanien aufrechtzuerhalten. doch nur mit der spanischen Regierung im Vertrags-- wege getroffen werden. Mit dieser Regierung unter- (Sehr gut! in der Mitte.) hält die freie Welt weitestgehend Beziehungen zum Aber was hat das mit dem Problem zu tun, mit Teil sehr enger Art, und auch wir haben mit dieser dem wir uns hier bei diesem Vertrag beschäftigen? Regierung politische und diplomatische Beziehungen Hier geht es darum, wer eine bestimmte Last tragen aus wohlerwogenen Gründen. Gewiß, wir sind ent- muß, .die durch .den 2. Weltkrieg entstanden ist. Wir schlossen, bei uns nicht wieder einen Rückfall in ein bekennen uns dazu, daß wir immer dann für Lasten System zu riskieren, das wir mit all seinen Folgen aus dem 2. Weltkrieg einspringen, wenn kein ande- erlebten und in grauenhafter Erinnerung haben. rer höherrangiger Lastenträger da ist. Wenn z. B. Aber es hängt nicht von uns ab, wer in Madrid Staatenlose aus den baltischen Staaten Kriegsver- regiert und wie in Spanien regiert wird. Das ist sehrte sind und in .diesem Land leben, bekommen sie nicht unsere Angelegenheit. Verzeihen Sie, wenn Renten wie die deutschen Staatsangehörigen selber. ich die Frage stelle: Wie wäre es, wenn jenes Land Wo immer die Opfer des Krieges zu Hause gewesen — statt jetzt unsere Politik, unser Anliegen zu sein mögen, welche Nationalität sie immer gehabt unterstützen — von Moskau abhängig geworden haben mögen, welche politische Gesinnung sie immer wäre? gehabt haben mögen, wir stehen gerade für sie. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Wenn wir hier diesen Vertrag ablehnen, so nicht Zuruf von der SPD: Wer spricht den von deswegen, weil hier unterstellt würde, daß die un- Moskau, wenn es sich um Republikaner freiwillig Freiwilligen Faschisten gewesen seien, handelt!) sondern deswegen, weil doch ein wenig Ordnung 7326 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Dr. Mommer auch in solchen Dingen herrschen muß. Nicht das freuen, wenn Sie und Ihre Freunde im Umgang mit Deutsche Reich war verantwortlich dafür, daß die der spanischen Diktatur so viel Zurückhaltung üben Angehörigen der Blauen Division auf deutscher Seite würden, wie wir z. B. üben im Umgang mit der gekämpft haben, sondern das waren Überlegungen jugoslawischen Diktatur. im Interesse der spanischen Regierung, und die (Sehr richtig! bei der SPD) spanische Regierung soll die Konsequenzen ihres eigenen Handelns tragen. Wir bringen nämlich immer sehr deutlich zum Aus- druck: Da gibt es eine tiefe Kluft zwischen uns, die (Beifall bei der SPD.) an Freiheit und Menschenrechte glauben und darin Darauf kommt es uns an und auf gar nichts ande- das höchste Gut in unserem Staate sehen, und de- res. Unterstellen Sie nicht, daß bei unserer Ableh- nen, die das anders handhaben. nung dieses Vertrages Motive innerpolitischer oder (Zuruf von der CDU/CSU.) ideologischer Art eine Rolle spielten! Sie spielen keine Rolle. Wenn morgen eine andere Regierung — Ich spreche jetzt zu den innerpolitischen Aspek- käme und sagte: Wir haben mit unseren Truppen ten. Ich habe deutlich gemacht, daß ich die Gele- auf eurer Seite gekämpft, bei uns sind die Renten genheit ergreifen möchte, dazu einmal ein Wort niedriger als bei euch; nun, liebe Deutsche, stockt zu sagen. Ich muß Ihnen sagen, der Reiseverkehr, unsere Renten einmal auf die deutsche Höhe auf!, der sich manchmal zwischen hier und Madrid ent- dann würden wir auch bei einem sehr befreundeten wickelt, gefällt mir so wenig, wie es mir gefällt und demokratischen Staat — es gibt einen solchen (Abg. Dr. h. c. Dr..-Ing. E. h. Möller: Vorsicht!) Fall, wo das theoretisch denkbar wäre — sagen: — ich weiß, Vorsicht —, wenn linksradikale Gruppen Nein, dieses Land muß selber für eine diesem Land in der Bundesrepublik, die es einmal gab — prak- und seinem Lebensstandard angemessene Versor- tisch sind sie heute inexistent —, gung aufkommen. Das ist der einzige Grund, der uns bei der Ablehnung dieses Antrags leitet. (Abg. Rasner: Es gibt doch noch die Falken!) (Beifall bei der SPD.) einen Reiseverkehr mit Jugoslawien entwickeln. Wenn man das sehr intim gestaltet, Und nun gestatten Sie noch ein Wort zum Um- gang mit Diktaturen unter ideologischen Gesichts- (Zuruf von der Mitte) punkten. muß ich mir gestatten, an der Festigkeit der demo- kratischen Überzeugung dieser Reisenden zu zwei- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter feln. Dr. Mommer, gestatten Sie eine Zwischenfrage? (Abg. Rasner: Na, na, na!) — Ich habe gesagt: Wenn man 'diese Beziehung intim (SPD) : Ja, bitte. Dr. Mommer gestaltet, scheint mir Vorsicht geboten zu sein. Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte, Herr Majo- (Abg. Rasner: Das ist aber gegenüber Kolle nica. gen ein hartes Wort!) — Es ist gut, daß die Gelegenheit da ist, dieses harte Majonica (CDU/CSU) : Herr Kollege Dr. Mom- Wort einmal zu sprechen. mer, soweit ich die Geschichte kenne, hat sich die spanische Regierung mit der Blauen Division frei- (Beifall bei der SPD.) gekauft von dem Eintritt Spaniens an der Seite Es liegt an Ihnen, im Umgang mit Diktaturen so zu Hitlers in den 2. Weltkrieg. Wäre Ihnen der Ge- verfahren, wie wir das tun. Wenn Sie uns beobach- samteintritt Spaniens in den 2. Weltkrieg sympathi- ten, dann sehen Sie, wie sehr vorsichtig wir da sind, scher gewesen? - daß wir niemals Anlaß geben zu dem Verdacht, daß (Heiterkeit bei der SPD.) wir Sympathien für ein diktatorisches Regime in einem anderen Land haben könnten. Dr. Mommer (SPD): Herr Majonica, wenn das so Um gute auswärtige Beziehungen wollen wir uns gewesen ist, wie Sie es hier sagen — was ich nicht jederzeit bemühen, mit Spanien sowohl wie mit nachprüfen kann —, konnte Franco in diese Lage anderen diktatorisch regierten Ländern. Aber unsere nur kommen durch seine eigene Politik, durch seine demokratische Überzeugung leitet uns auch bei der eigene Verfilzung mit dem nationalsozialistisch-fa- Wahl unserer politischen Reiseziele. schistischen Regime in diesem Lande. (Beifall bei der SPD.) (Lebhafter Beifall bei der SPD.) Zum Umgang mit Diktaturen: Es ist ganz gut, daß Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der wir die Gelegenheit haben, einmal ein Wort dazu Abgeordnete Dr. Kohut. zu sagen. Wir müssen uns bemühen um gute Bezie- hungen zu allen Ländern, und wir dürfen nicht nach (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen der demokratischen Legitimation der Regierungen Dr. Kohut und Herren! Nur ein kurzes Wort! Wenn es um so sehr fragen, wie wir das nach unseren eigenen Renten geht, werden wir von aller Welt in Anspruch Überzeugungen manchmal tun möchten. Aber es gibt genommen. da ja doch eine Frage, die sich uns im Umgang mit den Diktaturen von rechts und von links immer wie- Ich möchte nur einen Vorschlag zur Güte machen. der praktisch stellt. Herr Majonica, ich würde mich Vielleicht kann man dem Generalissimus Franco Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7327 Dr. Kohut ein Kompensationsgeschäft vorschlagen: gegen die Die Tagesordnung ist heute ergänzt worden um die Division, die er uns, vielmehr Hitler, gestellt hat, Beratung des Schriftlichen Berichts des Au- mit der Legion Condor aufzurechnen. Ich glaube, ßenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die Legion Condor hat ihm im Spanischen Bürger- die von der Bundesregierung beschlossene krieg doch außerordentlich geholfen. Vielleicht wäre Achtundneunzigste Verordnung zur Ände- das ein Vorschlag. Man läßt dieses Gesetz unter rung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollaus- den Tisch fallen und unterbreitet der spanischen Re- setzungen 1964 — III. Teil) (Drucksachen IV/ gierung diesen Kompromißvorschlag. 2732, IV/2785). (Abg. Dr. Roesch: Dann müßte er noch was Ich schlage Ihnen vor, diesen Punkt jetzt zu behan- bezahlen!) deln. — Widerspruch erfolgt nicht. Es liegt der Schriftliche Bericht des Abgeordneten Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Urban vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort Abgeordneter Rasner. wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Aus- schusses, die Verordnung unverändert anzunehmen, Rasner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da- zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- men und Herren! Herr Kollege Mommer, Sie haben zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine die „demokratische Zuverlässigkeit" einiger Mit- Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltun- glieder dieses Hauses mit einem Fragezeichen ver- gen. Einstimmig angenommen. sehen. Ich möchte Sie herzlich bitten, diesen Vor- wurf zurückzunehmen. Es hat von Ihrer Fraktion Zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Rasner. oft genug Appelle gegeben — Sie selbst gehören auch dazu —, so etwas nicht zu tun. Rasner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da- Sie erweisen dem Hause einen guten Dienst, wenn men und Herren! Ich möchte bitten, daß wir das Sie hier heraufkommen und dieses Fragezeichen Rentenanpassungsgesetz jetzt vorziehen. Ich bin mir zurücknehmen. dabei der Zustimmung aller Fraktionen sicher. (Beifall bei der CDU/CSU.) Vizepräsident Dr. Jaeger: Es wird also vor- geschlagen, Punkt 12 der Tagesordnung vorzuziehen. Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Der Bericht des Haushaltsausschusses liegt nunmehr Abgeornete Dr. Mommer. vor. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf Punkt 12 der Tagesordnung: (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- Dr. Mommer Zweite und dritte Beratung des von der Bun- men und Herren! Ich glaube, daß es nützlich ist, desregierung eingebrachten Entwurfs eines wenn wir uns hier einmal so unterhalten. Ich will Siebenten Gesetzes über die Anpassung der natürlich niemanden beleidigen, und ich möchte auch Renten aus den gesetzlichen Rentenversiche- nicht behauptet haben — das habe ich auch nicht —, rungen sowie über die Anpassung der Geld- daß diejenigen, die da einen intensiven Reisever- leistungen aus der gesetzlichen Unfallver- kehr entwickeln, nun keine Demokraten seien. Aber sicherung (Siebentes Rentenanpassungsgesetz fassen Sie das, was ich gesagt habe, bitte als Mah- — 7. RAG) (Drucksache IV/2666) nung auf. in Verbindung mit dem Sozialbericht 1964 (Abg. Rasner: Danke, in Ordnung; das genügt!) (Drucksache IV/2566) Wenn es auf zukünftige Entwicklungen Einfluß hat, a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Aus- hat es sich gelohnt, daß ich das Wort ergriffen habe. schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Beifall bei der SPD.) (Drucksache IV/2790), b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das Sozialpolitik (20. Ausschuß) (Drucksache Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ände- IV/2753). rungsanträge liegen nicht vor. (Erste Beratung 142. Sitzung) Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Der Bericht des Haushaltsausschusses, erstattet Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Mai von Herrn Abgeordneten Dr. Götz, liegt vor. Ist eine 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und mündliche Ergänzung notwendig? — Das ist nicht dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter für und zu dem Notenwechsel vom 16. Mai 1963. Wer seinen Bericht. dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Berichterstatter für den Ausschuß für Sozialpolitik Gegenprobe. — Das Ergebnis der Abstimmung ist ist der Abgeordnete Büttner. Auch er hat einen zweifelhaft. Wir müssen auszählen. Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich erteile ihm das Wort zu einer Berichtigung. Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Aus- zählung bekannt. Mit Ja haben 168 Mitglieder des Hohen Hauses gestimmt, mit Nein 120, ein Abgeord- Büttner (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen neter hat sich enthalten. Das Gesetz ist in der Schluß- und Herren! Ich will hier nur eine ganz kurze Be- abstimmung angenommen. richtigung bekanntgeben. Im Schriftlichen Bericht 7328 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Büttner Drucksache IV/2753 muß auf Seite 2 der Absatz vor hätten, könnten wir Ihnen klarmachen, daß von einer „Besonderer Teil" lauten: reinen Lohnbezogenheit bei der Eigenart dieses An- Der mitberatende Haushaltsausschuß hat in passungsmechanismus überhaupt nicht gesprochen seiner Sitzung am 2. Dezember 1964 be- werden kann. Global könnte man davon reden; aber schlossen, dem Gesetzentwurf in der vom Aus- eine ganze Reihe von Renten sind ganz unterschied- schuß für Sozialpolitik beschlossenen Fassung lich herausgekommen, und wenn schon von Lohn- zuzustimmen. bezogenheit gesprochen wird, muß man bei diesen kleinen Renten an die niedrigen Einkommen dieser Menschen um die Jahrhundertwende erinnern, die Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Berichtigung den Renten zugrunde lagen. Hier soll ja jetzt er- wird zu Protokoll genommen. freulicherweise durch eine in der Beratung befind- Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die liche „Härtenovelle" ein Ausgleich erfolgen. Wenn §§ 1, 2, 3 und 4 auf. — Das Wort wird nicht ge- das alles also Unsinn sein soll, dann wäre ja auch wünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzu- die Härtenovelle vollkommen unsinnig. Dieser Son- stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. derzuschuß ist eine soziale Angelegenheit und als — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so be- solche, glaube ich, auch 1957 vom ganzen Hause ver- schlossen. standen worden. Wenn es also 1957 eine soziale Wir kommen zu § 5. Dazu liegt der Antrag der Angelegenheit und ein Härteausgleich gewesen ist, Fraktion der SPD Umdruck 513 *) Ziffern 1 und 2 dann ist es doch heute, im Jahre 1964, vollkommen vor. Der Antrag wird begründet. Bitte, Herr Abge- unverständlich, daß man nach den Preissteigerungen ordneter. und nach den prozentualen sechsmaligen Anpassun- gen, die ja auch die Veränderung in unserem Sozial- gefüge zum Ausdruck bringen, nicht endlich bei der Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) : Herr Präsident! siebenten Rentenanpassung diese Dinge für die Meine Damen und Herren! Auch in diesem Jahr Menschen, die damals schon einen solchen Härteaus- sprechen wir wieder den Sonderzuschuß der Renten- gleich von der sozialen Seite her bekommen muß- gesetze des Jahres 1957 an. Er ist wohl eines der ten, korrigieren will. unerfreulichsten Dinge in der Rentengesetzgebung überhaupt. Erfreulicherweise — ich weiß nicht, ob das alle Kolleginnen und Kollegen wissen — ist der Bundes- Der Sonderzuschuß wurde seinerzeit rund 1,5 Mil- rat diesmal zum erstenmal einstimmig der Auffas- lionen Rentnern bei der pauschalen Umstellung sung gewesen, daß es aus einer ganzen Reihe von nach Tabellen, die 6,5 Millionen Rentner betrafen, Gründen jetzt an der Zeit ist, auch den Sonderzu- gewährt. Durch die Eigenart — dieses Wort „Eigen- schuß in die Anpassung einzubeziehen. Der Bericht art" möchte ich unterstreichen — des aufgebauten spricht an einer Stelle davon, daß auch bei höheren Tabellen-Zahlenmaterials, kam eine sehr starke Ver- Renten der Sonderzuschuß gewährt werde. Das kann zerrung unseres Rentengefüges heraus. Bei diesem vorkommen; aber ich bitte, mir aus meiner Kennt- Mechanismus der Umstellung wären 1,5 Millionen nis der Dinge abzunehmen, daß es sich zu 95% um Rentner völlig leer ausgegangen, wenn man nicht Klein- und Kleinstrentner handelt, die diesen klei- auf den Einfall gekommen wäre, einen sogenannten nen Zuschuß bekommen haben, den wir nun sechs- Sonderzuschuß in Höhe von 21 DM 'bzw. 14 DM für mal nicht einbezogen haben. die Witwe zu gewähren. Nicht einmal alle diese Menschen haben die vollen 21 DM oder 14 DM be- Die finanzielle Last, die der Bundeshaushalt sei- kommen, sondern wenn bei der pauschalen Umstel- nerzeit übernommen hat, ist von Jahr zu Jahr rück- lung — um ein Beispiel zu bringen — 10 DM als Er- läufig gewesen. Die Finanzlage bei der Rentenver- höhung herauskamen, also „errechnet" wurden, sicherung ist so gut, daß nach unserer Auffassung wurden im Falle meines Beispiels nur 11 DM Zu- die Kosten, die von Fachleuten des Bundesrates auf schlag gewährt. In allen sechs Rentenanpassungen 35, 38, vielleicht auch 40 Millionen DM geschätzt ist dieser Sonderzuschuß nicht in die Anpassung sind, bei einer Kassenlage von 24 Milliarden DM einbezogen worden. Ein Teil dieser 1,5 Millionen von den Rentenversicherungen verkraftet werden Renten — ich habe es Ihnen soeben zu erklären können, ohne daß also der Bundeshaushalt, der versucht: 10 DM plus 11 DM — ist inzwischen aus- Steuerzahler in irgendeiner Form in Anspruch ge- gelaufen, da diese 11 DM durch die Anpassung auf- nommen wird. gebraucht worden sind. Es sind jetzt noch ungefähr Deshalb legen wir Ihnen auch in diesem Jahr wie- 1 Million Menschen übrig, die wirkliche Kleinst- der unseren Änderungsantrag vor, in § 5 Abs. 1 die rentner sind, und es ist paradox, angesichts der all- Worte „den Sonderzuschuß und" zu streichen und gemeinen Lage und der Finanzlage der Rentenver- in Konsequenz dessen den § 5 a einzufügen, also sicherungen, die erfreulicherweise als gut zu be- eine grundsätzliche Änderung des Rentengesetzes zeichnen ist, diese Menschen mit Kleinstrenten aus- in bezug auf die Einbeziehung des Sonderzuschusses zuschließen, soweit es den Sonderzuschuß betrifft. vorzunehmen. Dieser Sonderzuschuß ist eine soziale Diese Rentner könnten gerade eine bessere Auf- Leistung zum Ausgleich von Härten, eine Leistung, besserung gebrauchen. die für den Menschen mit einem sehr kleinen Ein- Es wird hier immer angeführt, die Rente sei jetzt kommen gegeben wurde. Ich ersuche deshalb, die eine „lohnbezogene Rente". Wenn wir mehr Zeit kleine Aufstockung dieser Kleinrenten — die für diese Empfänger aber sehr fühlbar ist — bei der *) Siehe Anlage 5 siebten Rentenanpassung zu beschließen und damit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7329

Meyer (Wanne-Eickel) der einstimmigen Auffassung des Bundesrates zu wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — folgen. Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. (Beifall bei der SPD.) Ich komme zu § 13 und damit zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 512 *). Wird das Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Wort zur Begründung des Antrages gewünscht? — Abgeordnete Kühn. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kohlberger!

Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) : Herr Präsident! Kohlberger (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr und Herren! Ich habe den Antrag auf Umdruck 512 Kollege Meyer hat schon darauf hingewiesen, daß für meine Fraktion zu begründen. Er behandelt ein wir diesen Vers nun alle Jahre hier wiederhören. für die Betroffenen schwerwiegendes Problem. Es Wir können uns der Auffassung, die Herr Kollege betrifft Menschen, die neben ihrer oft bescheidenen Meyer für seine Fraktion vorgetragen hat, nicht an- Rente auf andere Sozialleistungen angewiesen sind. schließen. Deshalb fordert meine Fraktion mit diesem Antrag eine echte Anpassung von Geldleistungen inner- Herr Kollege Meyer, es ist nicht so — wie Sie halb dieses Siebenten Rentenanpassungsgesetzes. hier vorgetragen haben —, daß diese Minimalren- Es ist keine echte Anpassung, so meinen wir, wenn ten, die hier angepaßt werden, nicht lohnbezogen Hunderttausende von Rentnern nur fünf Monate sind. Es ist auch nicht richtig, daß damit das Renten- im Jahr finanzielle Leistungen erhalten, um dann gefüge insgesamt in Frage gestellt wird und es des- am 1. Juni 1965 real schlechter gestellt zu sein als halb sehr wohl möglich ist, auch den Sonderzuschuß in den ersten fünf Monaten des Jahres. einzubeziehen. Wir sind der Meinung, daß es viel zweckmäßiger ist, so, wie die Bundesregierung das Das Parlament muß sich seit Jahren immer wieder getan hat, Regelungen in einer Härtenovelle vorzu- mit dieser leidigen Angelegenheit befassen. Das ist schlagen, über die wir uns ja in Kürze im Aus- meiner Meinung nach keine gute Politik für diesen schuß zu unterhalten haben werden. Wenn wir jetzt Kreis von Menschen, sondern eine Politik gegen Ihrem Antrag folgten, würden wir in einem sehr diesen Kreis, und wir möchten das ändern. entscheidenden Punkte unsere Rentenneuregelungs- In § 13 Abs. 1 des Siebenten Rentenanpassungs- gesetze von 1957 in Frage stellen. gesetzes wird festgestellt, daß die Erhöhungsbeträge, Wir bitten daher, den Antrag der SPD in allen die zu leisten sind, bis Ende Mai 1965 unberücksich- Punkten abzulehnen. tigt bleiben. Seit einigen Jahren bemüht sich meine Fraktion, die Mehrheit des Parlaments davon zu überzeugen, daß bei der Beratung und Verabschie- Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das dung der Rentenanpassungsgesetze die Anrechnung Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. auf die Sozialleistungen bei den Renten ausgesetzt Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstim- wird. Wir sind davon überzeugt — und das ist in men über den Änderungsantrag der Fraktion der diesem Hause mehr als einmal gesagt worden —, SPD Umdruck 513 Ziffer 1, in § 5 Abs. 1 die drei daß es sozial ungerecht und widersprüchlich ist, fünf Worte „den Sonderzuschuß und" zu streichen. Wer Monate lang innerhalb eines Jahres finanzielle Mit- diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich tel zu geben, um sie dann in den weiteren sieben um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- Monaten wieder zu nehmen. probe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag Mehr als eine Million Rentner, so schätzen wir, ist abgelehnt. erhalten nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Ich komme zu Ziffer 2 des Umdrucks, dem An- Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesentschädigungs- trag, in § 5 den Abs. 4 zu streichen. gesetz. dem Bundessozialhilfegesetz, dem Jugend- wohlfahrtsgesetz und einer Reihe anderer Gesetze (Zuruf: Das ist damit erledigt!) Beihilfen. Ein großer Teil dieser Rentner wird, wenn — Ist erledigt. es nach Ihrem Vorschlag geht, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, nach fünf Monaten Wir stimmen ab über § 5 in der Ausschußfassung. von der Rentenanpassung ausgestoßen. Ich bin der Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Auffassung, daß das eine Politik der gläsernen Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Taschen ist, aus denen der Staat wieder nimmt, was Das erste war die Mehrheit. er bereits gegeben hat, ohne Rücksicht auf die be- (Zuruf von der SPD: Stimmenthaltungen!) troffenen Menschen. — Wer wünscht sich der Stimme zu enthalten? — Jedes Mitglied dieses Hauses hat, seitdem es Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit Rentenanpassungsgesetze gibt, Zuschriften von Rent- angenommen. nern erhalten, die auch andere sozialgesetzliche Leistungen empfangen und die berechtigt darüber Ich komme nun zu Umdruck 513 Ziffer 3, dem Klage führen, daß der durch die Rentenanpassung Antrag, einen neuen § 5 a einzufügen. bedingte Erhöhungsbetrag der Renten auf diese an- (Zuruf: Das ist auch erledigt!) deren sozialgesetzlichen Leistungen angerechnet wird. Die SPD-Fraktion hat bei den Beratungen und — Dann komme ich zu den §§ 6 bis 12. Wird hierzu Verabschiedungen sämtlicher bisher ergangener das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen *) Siehe Anlage 6 7330 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Kohlberger Rentenanpassungsgesetze aus gesetzgeberischer und gleichzeitig Rentner aus der Sozialversicherung sozialpolitischer Verantwortung jeweils mit aller wären. Das trifft aber nicht zu. In dem Augenblick Deutlichkeit auf diese für die Rentner nicht zumut- nämlich, wo Sie hier erhöhen und damit nur diejeni- bare und widersinnige Auswirkung der Anpassungs- gen begünstigen, die Renten aus der Sozialversiche- gesetze hingewiesen. Niemand ist hier in diesem rung. bekommen, lassen Sie die anderen stehen, Saal, der erklären kann, daß ihm diese Sachlage schaffen praktisch also auf anderen Gebieten wie- nicht bekannt sei. Wir fordern auch heute wieder derum Ungerechtigkeiten. Gerechtigkeit für die Rentner, die — ganz gleich (Abg. Dr. Schellenberg: Die können wir ja aus welchen Gründen — auch nach anderen sozial- gemeinsam beseitigen!) gesetzlichen Regelungen leistungsberechtigt sind. Wir sollten uns heute 'bereit erklären, seit Jahren Weil wir uns ernsthaft mit diesem Problem be- bestehendes Unrecht aufzuheben. Oder soll in der faßt haben, haben wir in der Kriegsopferversorgung Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, daß dieser begonnen, diese Härte ganz entscheidend zu mil- Antrag nur deshalb nicht angenommen werden kann dern. Sie müssen einmal die Dinge ganz klar und und auch in den letzten Jahren nicht angenommen nüchtern sehen. Wir haben nämlich bei den Witwen wurde, weil er von der SPD-Fraktion eingereicht 25 % und bei den Beschädigten 30 % außer Ansatz wurde? Daß unser Antrag realisierbar ist und ohne gelassen, abgesehen von den fünf Monaten. Und Schwierigkeiten viel Ärger und viel Ungerechtigkei- nun muß ich einmal im Zusammenhang sagen, wie ten beseitigt, wird sicher von niemandem in diesem sich das in der Praxis auswirkt. Hause bestritten. Ich habe gerade vor zwei Tagen einen Bescheid Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß die in die Hand bekommen, wo die Witwenrente nach Erhöhung aus der Rentenanpassung den Rentnern dem Bundesversorgungsgesetz umgerechnet wurde, in jedem Falle und in vollem Umfang zugute kom- und zwar nachträglich nach dem Vierten, Fünften men und dadurch ihr Einkommen echt und dauernd und Sechsten Anpassungsgesetz, also für Zeiten, die erhöht werden soll. Den 31. Dezember schlagen wir zum Teil über zweieinhalb Jahre zurückliegen. Die Ihnen als Kompromiß vor, und zwar deshalb, weil Überzahlung wurde zunächst festgestellt mit 127 Sie unseren Anträgen auf Anrechnungsfreiheit seit DM. Nach § 60 a bleiben aber 5 DM außer Ansatz; Jahren nicht zugestimmt haben. Wir möchten Ihnen Rückforderung im Ergebnis also 11 DM. Das ist an mit diesem Antrag die Möglichkeit geben, einer bis sich etwas absolut anderes als das, was von Ihnen zum 31. Dezember 1965 begrenzten Regelung zu- dargestellt wird. zustimmen. Wir bitten Sie, unserem Antrag auf (Zuruf von der SPD: Das ist aber nur e i n Umdruck 512, das Wort „Mai" durch das Wort „De- Beispiel, Herr Kollege Maucher!) zember" zu ersetzen, zuzustimmen. Damit würden wir erreichen, daß alle Rentner zumindest im Jahre — Das ist ein Beispiel, das für alle Renten zutrifft 1965 gerechter behandelt werden und daß die einmal und das zeigt, daß bei nachträglicher Feststellung gegebenen Erhöhungsbeträge für rund eine Mil- nur der Betrag angerechnet wird, der über 5 DM lion Rentner diesen nach einigen Monaten wieder liegt. entzogen werden. Wenn Sie jetzt einmal das Bundesversorgungs- (Beifall bei der SPD.) gesetz in seiner Gesamtheit betrachten, stellen Sie drei Gruppen fest. Die eine Witwe, die nur die Ver- Viezpräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der sorgungsrente hat, die lassen Sie auf dem gleichen Abgeordnete Maucher. Stand. Die zweite Witwe, die mit Rente aus der Sozialversicherung jetzt im Durchschnitt bei 300 DM liegt, die also schon mehr hat, soll nach Ihrem Vor- (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da- Maucher schlag zusätzlich etwas bekommen. Die dritte Gruppe men und Herren! Auch hier kann man feststellen, bezieht Berufsschadensausgleich. Wenn Sie den Be- daß dieses Problem jedes Jahr bei der Diskussion rufsschadensausgleich mit in Betracht ziehen, so er- der Anpassung der Renten zur Sprache kommt. gibt sich: Erhöhen Sie hier die Rente, so wird sich (Zurufe von der SPD: Leider! — Abg. Dr. auf der anderen Seite der Berufsschadensausgleich Schellenberg: Aber nicht gelöst wird!) wieder entsprechend verringern. Das müssen Sie in — Leider. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Zusammenhang ebenfalls sehen. Wenn Mitte es ist aber nicht so, wie soeben der Sprecher der des Jahres neue Rentenfälle kommen, findet in die- SPD gesagt hat: Weil der Antrag von der SPD sen Fällen, weil es neue Anträge sind, eine volle kommt, deshalb wird er abgelehnt. Sie alle wissen, Anrechnung statt. daß wir uns im Kriegsopferausschuß und Sie sich Sie schaffen auch hier wieder Ungleichheiten. In auch im Sozialpolitischen Ausschuß mit diesen Pro- der Tat müssen all diese Dinge in den zuständigen blemen auf Grund eines entsprechenden Antrags Gesetzen geregelt werden. In der Kriegsopferversor- eingehend befaßt haben. gung haben wir den Anfang gemacht. In der Sozial- Sie haben ohne Zweifel recht, wenn Sie sagen, daß hilfe sind die Hilfesätze für den Lebensunterhalt in die Anrechnungen eine unliebsame Enttäuschung der Zwischenzeit geändert worden. Bei anderen Ge- auslösen. Sie sprechen davon, die geltende Regelung setzen, die noch in Betracht kommen — Lastenaus- sei ungerecht. Ich möchte Ihnen dazu gleich sagen: gleichsgesetz usw. —, kann man diese Dinge nicht Das wäre dann richtig, wenn alle beteiligten Emp- generell regeln. Wir würden auch hier wieder neue fänger von Rentenleistungen auf anderen Gebieten Ungerechtigkeiten schaffen. Wir können also das Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7331

Maucher Problem der gegenseitigen Anrechnung nicht mit gangenheit schon einmal einen ähnlichen Antrag diesem Gesetz lösen. gestellt haben, den wir angesichts der Schwierig- Wenn Sie jetzt ein Jahr nicht anrechnen, dann keiten bei der technischen Durchführung der An- geben Sie der Person, wenn ich annehme, sie hat passung nicht aufrechterhalten konnten. Der Kol- 100 DM, damit 10 DM für das Jahr 1965. Nun kommt lege Maucher hat in etwa schon dargelegt, wie schwierig die Anrechnung wird, wenn wir so ver- der 1. Januar 1966. Dann müssen sie ab 1. Januar 1966 die Erhöhung vom 1. Januar 1965 anrechnen. fahren, wie Sie wollen. Wir sind der Meinung, daß Es kann sein, daß das 7 % sind. Dann kann ab die- das Problem der Anrechnung von Leistungen nicht sem Zeitpunkt die Anrechnung unter Umständen speziell hier, sondern generell einmal geregelt wer- höher sein, als sie im Vorjahr war. Sie erhöhen ein- den sollte, um Unerträglichkeiten auszuschalten. mal die Rente im Plafond, um ein Beispiel nach dem Wir bitten Sie, diesen Antrag abzulehnen und es Bundesversorgungsgesetz anzuführen: bei der Witwe bei dem Termin Mai zu belassen. von 300 auf 310 DM. Dabei bleibt es. Sie haben ohne (Beifall bei den Regierungsparteien.) Zweifel damit im Augenblick für ein Jahr eine Nicht- anrechnung; dann aber für das volle Jahr. Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und (Abg. Dr. Schellenberg: Was wollen Sie Herren! Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Wir machen, um diese Härten in der Kriegs kommen zur Abstimmung. opferversorgung zu beseitigen?) Wer dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf — Ich habe Ihnen gesagt, Herr Kollege Schellen- Umdruck 512, in § 13 Absatz 1 das Wort „Mai" berg: a) haben wir praktisch die ersten fünf Monate durch das Wort „Dezember" zu ersetzen, zuzustim- frei, b) haben wir neu eingeführt, daß über den men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — eigentlichen Freibetrag von 40 DM bei der Witwe 25 Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die und beim Beschädigten 50 DM außer Ansatz bleiben, Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. und c) wäre die Durchführung gar nicht möglich; Sie Ich komme damit zum § 13 in der Ausschußfas- schaffen verwaltungsmäßig erhebliche Schwierig- sung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich keiten. Wir haben hier einen entscheidenden Ansatz um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- zur Verbesserung gemacht. probe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthal- Wenn wir aber beim Bundesversorgungsgesetz tungen angenommen. bleiben und denen, die schon mehr haben, mehr Ich rufe auf §§ 14, — 15, — 16, — Einleitung und geben und die anderen stehenlassen, was ist dann Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer im Grunde das Ergebnis? Wir müssen doch das den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen System in seiner Gesamtheit sehen und überlegen, wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich was hier getan werden kann. Meine persönliche bitte um die Gegenprobe. — Angenommen! Meinung geht dahin, daß wir eine entsprechende Gesamtregelung — Anpassung allgemein — finden Ich komme zur müssen. Das ist eine ganz natürliche und objektive dritten Beratung Überlegung, die vom Grundsatz der Gerechtigkeit bestimmt ist. Diese Haltung nehmen wir nicht des- und eröffne die allgemeine Aussprache. halb ein, weil die SPD den Antrag gestellt hat, Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl. sondern weil die in dem Antrag zum Ausdruck gebrachte Absicht im gesamten gesehen nicht zu Stingl (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen dem auch von uns gewünschten Ziel führt. und Herren! Wir sind zum letztenmal in diesem 4. Deutschen Bundestag dabei, ein Rentenanpas- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der sungsgesetz zu verabschieden. Nach dem Wortlaut - Abgeordnete Ollesch. der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze sind wir gehalten, uns jedes Jahr im Herbst mit der Ollesch (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen Frage zu beschäftigen, ob denn die Renten, die schon und Herren! Ich spreche die Kollegen von der SPD gezahlt werden, der Entwicklung der Löhne und Fraktion an. Sie werden sicherlich nicht ernsthaft Gehälter angepaßt werden sollen oder nicht. Wir den Vorwurf aufrechterhalten, daß wir Anträge nur tun dies heute zum siebenten Male. deshalb ablehnen, weil sie von der SPD kommen. Es könnte, weil hier keine lebhafte Debatte — (Zuruf der Abg. Frau Korspeter.) wie sonst in sozialpolitischen Dingen — geführt wird, den Anschein erwecken, diese Sache sei nicht Ich glaube, gnädige Frau, die Praxis im Sozial- von so hoher Bedeutung. Gerade deshalb geziemt ausschuß beweist die Unhaltbarkeit dieses Vor- es dem Hohen Hause, auch in der Dritten Lesung wurfs. noch ein paar Worte über dieses Siebente Renten- (Abg. Geiger: Zum Teil!) anpassungsgesetz zu sagen. — Sie konzedieren schon: zum Teil; das ist immer- Das Siebente Rentenanpassungsgesetz paßt, wie hin eine Berichtigung, zwar keine vollendete, aber es schon im Namen sagt, zum siebenten Male die eine Teilberichtigung. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Wir empfinden genauso wie Sie die Unerträglich- also aus der Arbeiterrentenversicherung, aus der keit des Systems der Anrechnung von Leistungen. Angestelltenversicherung und aus der knappschaft- Sie werden sich erinnern, daß wir selber in der Ver lichen Rentenversicherung, an. Es paßt aber auch, 7332 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Stingl die Renten aus der Unfallversicherung an, und zwar noch Möglichkeiten der Bereinigung gibt. Die so zum zweitenmal, nachdem dieses Hohe Haus das genannte Härte-Novelle ist hier ja nicht umsonst Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz verabschie- eingebracht worden. det hat. Dieses Siebente Rentenanpassungsgesetz hat für die gesetzlichen Rentenversicherungen zur immerhin möchte ich Ihnen, meine Damen und Folge, daß sich die Renten von dem Niveau, das sie Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, nach der Rentenreform 1957 hatten, um 57 % er- sagen, daß unser Argument, das wir Ihnen immer höhen. Es hat zur Folge, daß sich die Unfallrenten entgegengehalten haben, man sollte den Rentenver- nach der Verabschiedung des Unfallversicherungs- sicherungsträgern auch eine Weile Ruhe gönnen, Neuregelungsgesetzes um 15,6 % erhöhen. seinen Sinn hatte. Bei der Bundesversicherungs- anstalt für Angestellte hat es im Jahre 1958 z. B. Wenn wir einmal die Arbeit nur dieses Bundes- noch 111 000 nicht erledigte Anträge gegeben. Jetzt tags betrachten, können wir alle miteinander mit sind es nur noch 70 000. Wir können feststellen, daß Genugtuung darauf verweisen, daß sich die Lebens- die Bearbeitungsdauer inzwischen auf etwa 3 Wo- haltungskosten des Zwei-Personen-Rentnerhaushalts chen im Normalfall zusammengeschrumpft ist. Das in den Jahren, in denen dieser Bundestag tätig ist, ist doch ein Zeichen dafür, daß wir recht beraten von 105,3 Punkten auf 116,6 Punkte, also um 11,3 waren, als wir beabsichtigten, den Beamten dort in Punkte, die Renten dagegen um 32,2 % erhöht haben. den Anstalten Ruhe zu gewähren, damit sie sich ein- Damit wird für den Zwei-Personen-Rentnerhaushalt arbeiten konnten. Außerdem brauchten wir die Er- durch unser Siebentes Rentenanpassungsgesetz eine fahrungen dieser Jahre, und wir sind überzeugt, in Ihrem Wert, in Ihrer Kaufkraft um ca. 20 % daß wir jetzt bei einer Bereinigung von Härten Bes- höhere Rente erreicht. seres leisten können als vorher. Wir haben also die Tatsache zu verzeichnen, daß Wir stellen fest, daß die 1957 begründete Soli- dieser Bundestag, und zwar jedes Jahr wieder, in darität der Generationen sich bewährt hat, daß sie ernster und gemeinsamer Arbeit auch an die Rent- Grundlage unseres Rentenversicherungssystems ner gedacht hat. Dies kommt auch in den Durch- bleiben soll. Nur so können wir sicherstellen, daß schnittsrenten zum Ausdruck. Ich will Sie nicht mit am Wirtschaftsleben der arbeitenden Menschen auch Zahlen langweilen, zumal die Aussagekraft bezüg- diejenigen teilhaben, die die Voraussetzung für lich der Durchschnittsrenten nicht allzu hoch ist. Ich diese Arbeit geschaffen haben. will also durchaus diese Einschränkung machen. Aber ich möchte Sie doch darauf hinweisen, daß die (Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.) Versichertenrenten in der Arbeiterrentenversiche- Seinerzeit ist gesagt worden, wir könnten das rung im Durchschnitt. 143,2 DM betrugen und 1964, nicht durchhalten. Dieses Argument hat nicht ge- 184,8 DM betragen, daß die Durchschnittsrenten in zogen. Wir haben es durchgehalten. Das Beitrags- der Angestelltenversicherung von 222 auf 307 DM aufkommen ist keineswegs so klein gegenüber den und die Durchschnittsrenten in der knappschaftlichen Ausgaben geworden, daß wir jetzt im Prozentsatz Rentenversicherung von 186 auf 405 DM gestiegen bei den Abzügen hätten höher gehen müssen. Wir sind. können feststellen, daß das Rentenversicherungs- Sie sehen also, daß sich dieser Bundestag auch system in diesem Deckungsabschnitt ohne Sorge be- den Rentnern gegenüber sehen lassen kann, ,daß er trachtet werden kann. Selbstverständlich müssen sich seiner Verantwortung bewußt war, indem er wir uns für die späteren Deckungsabschnitte jeweils dafür gesorgt hat, daß auch die Rentner am wirt- Rechenschaft geben. Wir müssen die notwendige schaftlichen Aufstieg teilnehmen können. Wir haben Besonnenheit aufbringen und uns in den Gesetzen jetzt immerhin eine Ausgabe der Rentenversiche- danach richten, daß das, was wir heute versprechen, rungsträger von jährlich 27 Milliarden DM. Man auch morgen gehalten werden kann. Was wir 1957 sollte in der Öffentlichkeit auch einmal sagen,- daß versprochen haben, hat die Tüchtigkeit unserer so viel vom Sozialprodukt auch denen zur Ver- Arbeiter und Angestellten in der Solidarität zu den fügung gestellt wird, die nicht mehr im Erwerbs- Rentnern uns halten lassen. leben stehen. Wir werden durch das Siebente Ren- Wir bitten Sie, dem Gesetz auch in der dritten tenanpassungsgesetz in den gesetzlichen Renten- Lesung zuzustimmen. versicherungen wieder eine Erhöhung der Zahlun- (Beifall bei der CDU/CSU.) gen um 1,7 Milliarden DM erreichen. Dazu kommen noch die entsprechenden Beträge in der Unfallver- sicherung. Wir wollen damit sagen: Die Rentenver- Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der sicherungsneuregelungsgesetze von 1957 haben sich Abgeordnete Geiger. bewährt; die lohnbezogene Rente hat sich durch- gesetzt und ist — das können wir auch feststellen Geiger (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und — in der Welt ein Vorbild geworden. Sicher wird Herren! Ich freue mich, daß ich heute nicht einen von manchen bezweifelt, daß die Rente Lohnersatz Streit über einige sozialpolitische Probleme mit dem ist, der sie sein soll. Aber wenn an verschiedenen Kollegen Stingl anfangen muß. Wir haben eine ver- Stellen noch Unzuträglichkeiten festgestellt werden, hältnismäßig starke Übereinstimmung zu verzeich- so müssen wir darauf verweisen, daß in solchen nen. Aber diese Übereinstimmung kommt nicht von Fällen das Arbeitsleben eben entsprechend kurz ungefähr; denn das, was der Herr Kollege Stingl oder daß die Löhne damals entsprechend niedrig vorgetragen hat und was Inhalt der Rentengesetze waren. Wir wissen sehr wohl, daß es auch dabei des Jahres 1957 ist, ist —ich möchte das ganz deut- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7333 Geiger itch sagen — im wesentlichen der Arbeit der sozial- immer wieder auf die Tatsache hinzuweisen, daß in demokratischen Bundestagsfraktion und der Sozial- der Invalidenversicherung von den männlichen Ren- demokratischen Partei zu verdanken. tenempfängern aus eigener Versicherung etwa 75 % (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der eine Rente unter 300 DM erhalten. In der Angestell- Mitte.) tenversicherung sind es 41 %, die eine Rente unter 300 DM erhalten. Wenn wir bis zu 400 DM gehen, Wir mußten, lieber Herr Kollege Stingl, einige der sind es in der Invalidenversicherung 96 % der Emp- wesentlichen Gedanken der Rentenneuordnungs- fänger von Invalidenrente aus eigener Versicherung, gesetze gegen den Widerstand vieler Teile in der die eine Rente unter dieser Grenze erhalten, und in Koalition und sogar in Ihrer CDU-Fraktion durch- der Angestelltenversicherung immerhin 62 %. Ich setzen — ganz zu schweigen von der Regierung. Wir meine, diese Zahlen sind aussagekräftiger als etwa freuen uns deshalb ganz besonders, daß uns dies ge- die Durchschnittsrentenzahlen, bei denen es höhere lungen ist, und wir freuen uns darüber hinaus, daß und niedrigere gibt, die dann den Durchschnitt ent- sich das Prinzip, den Rentner, den auf ein Rentenein- sprechend formen. kommen angewiesenen Menschen an der Einkom- Wenn wir aber, meine sehr verehrten Kollegin- mensentwicklung teilhaben zu lassen, bewährt hat, nen und Kollegen, die Frauenrenten vergleichen, so wie wir das schon in unserem Gesetzentwurf vom dann ergibt sich bei der Arbeiterrentenversicherung, Jahre 1956 vorgeschlagen haben, also zu einem Zeit- daß allein 96 % der Frauenrenten aus eigener Ver- punkt, wo Sie solche Vorlagen noch gar nicht ge- sicherung weniger als 200 DM betragen. In der An- macht hatten, zu einem Zeitpunkt, bei dem der da- gestelltenversicherung sind es 83 % der Rent- malige Wirtschaftsminister und heutige Bundes- nerinnen, die eine Rente unter 300 DM erhalten, kanzler, Professor Erhard, von dem „Gift der Ren- und wenn wir bis zu 400 DM gehen, liegen sogar tendynamik" und davon sprach, daß dieser Renten- 92 % der Frauenrenten aus der Angestellten- dynamik „die Giftzähne ausgebrochen werden müß- versicherung unter diesem Wert. ten". Nun, bei der Art, wie der damalige Wirtschafts- minister und der heutige Kanzler Sozialpolitik ge- Ich meine, mit dieser Rentenhöhe wird ganz deut- macht hat und noch heute macht, wundert es nicht, lich aufgezeigt, daß erstens das Ziel der Renten- daß aus Versehen ganz gesunde und gute Zähne reform noch nicht erreicht ist und daß darüber hin- ausgebrochen worden sind. Das ist bei dieser Art aus trotz aller Steigerungen auch in der künftigen von Sozialpolitik auch gar nicht verwunderlich. Zeit noch viel zu tun bleibt, um den Menschen am Ende ihres Arbeitslebens ein angemessenes Einkom- Schon bei der Schaffung der Rentengesetze und men zu geben, den Menschen, die während ihres der Prägung des Begriffs der dynamischen Rente Arbeitslebens die Voraussetzungen — Herr Kollege ist von vielen die Gefahr einer Inflation beschworen Stingl, hier kann ich Sie unterstützen — für das Er- worden. Es hat viele Unberufene gegeben, die be- gebnis unserer Volkswirtschaft geschaffen haben. haupteten, daß die Rentendynamik eine Inflation hervorrufen würde. Ich will mich im einzelnen damit (Lebhafter Beifall bei der SPD.) nicht weiter auseinandersetzen, sondern nur bemer- Wir sollten bei der Betrachtung der Dinge auch ken, daß die meisten von uns zwei Inflationen daran denken, daß die genannten Rentenerhöhun- wachen Geistes und Verstandes mitgemacht haben gen nicht ein Geschenk der Koalition, der Regierung und daraus doch die Erfahrung gewonnen haben, daß oder gar der CDU sind, sondern diese Rentenent- weder Lohnerhöhungen, am allerwenigsten aber wicklungen sind das Ergebnis einer sehr starken Rentenerhöhungen die Ursachen von Geldentwer- Beitragserhöhung, die zum Teil unter großen Opfern tung rund Inflationen sind. Diese Inflationen hatten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht ganz andere Ursachen, nämlich zwei verlorene Welt- werden mußte. Denken Sie daran, daß die Renten- kriege, wobei im letzten Kriege die Vermögenswerte leistungen durch diese Beitragsleistungen ermöglicht von drei oder vier Generationen im wahrsten- Sinne worden sind! Wir hatten im Jahr 1956 noch einen des Wortes dem Erdboden gleichgemacht worden Beitrag zur Rentenversicherung von 5,9 % des Brut- sind. toverdienstes, während wir seit 1957 einen Beitrag Wir sollten bei der Betrachtung dieser Dinge auch von 14 % des Bruttoverdienstes mit erhöhter Bei- nicht vergessen, bei allem Wohlwollen unserer Ar tragsbemessungsgrenze haben. Diese Erhöhung muß belt gegenüber, daß wir das eigentliche Ziel der Ren- von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebracht tenreform bis heute noch nicht erreicht haben, näm- werden. Das sollten wir bedenken, damit wir die lich das Ziel, daß die auf ein Renteneinkommen an- richtige Relation bei der Betrachtung dieser Ent- gewiesenen Menschen, die Arbeiter ebenso wie die wicklung haben. Ich kann noch einmal unterstrei- Angestellten, am Ende eines erfüllten Arbeitslebens chen, daß durch eine solche Beitragsentwicklung etwa 75 % ihres Durchschnittsverdienstes als Rente stärker ins Bewußtsein gekommen ist, daß es sich ausgezahlt bekommen. hier eben um die Solidarität der Generationen han- delt. Diese Solidarität der Jungen und Arbeitsfähi- Herr Kollege Stingl, Sie haben gerade das Problem gen für die Älteren und die nicht mehr Arbeitsfähi- der Durchschnittsrente angesprochen, und ich muß gen ist in der Rentenversicherung schon immer gern Ihnen recht geben: An der Entwicklung der Durch- erbracht worden. schnittsrenten kann man nicht allzuviel ablesen; sie hat wenig Aussagekraft. Aber wie das Ergebnis die- Ich brauche nicht zu betonen, daß in diesen Ren- ser Entwicklung ist, wird einem deutlicher, wenn ten natürlich Zuschüsse des Staates enthalten sind, man auf die Rentenhäufung hinweist. Dabei ist die Bundesregierung und Bundestag bewilligen und 7334 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Geiger festlegen. Aber auch diese Leistungen werden nicht derjenigen, die beispielsweise eine Kriegsopfer als Geschenke gegeben, sondern zur Abgeltung der rente erhalten, und denjenigen, die eine Invaliden- Kriegsfolgelasten, ganz abgesehen davon, daß der rente erhalten. Nach der sozialdemokratischen Vor- Anteil der Staatsmittel an der einzelnen Rente stellung ist dann keine Gleichheit gegeben, wenn keine steigende, sondern eine sinkende Tendenz man alles gleich schlecht regelt. Man muß vielmehr hat, und ganz abgesehen davon, daß durch die Ver- versuchen, die Frage vernünftig und richtig zu besserung der Rentenleistung auch auf vielen ande- lösen. ren Gebieten nicht unerhebliche Einsparungen ge- (Beifall bei der SPD.) macht werden können. Es würde einmal lohnen, Eine vernünftige und richtige Lösung kann aber solche Gegenüberstellungen aufzuzeigen, damit man nicht darin bestehen, daß man dem, der einen auch hier richtige Relationen und Größenverhält- Rechtsanspruch oder einen moralischen Anspruch nisse hat. hat, etwas nicht bewilligt, weil es auch der andere Diese Leistungen der Rentenversicherung waren nicht bekommt. Das möchte ich mit aller Deutlich- nicht zuletzt aber auch möglich durch die Leistungs- keit sagen. Bei einer Behandlung dieser Fragen, steigerung der heutigen Rentner, solange sie noch so wie Sie sie auch jetzt wieder bei der Abstimmung im Arbeitsleben standen, und die Leistungssteige- geübt haben, bleibt, wie Herr Kollege Kohlberger rung derjenigen, die heute im Arbeitsleben stehen. schon ausführte, bei den Empfängern dieser Lei- Ich brauche dafür gar nicht meine eigenen Gedanken stungen das Gefühl zurück, daß die eine Hand etwas zum Ausdruck zu bringen. Ich hoffe, ich befinde gibt, was die andere mehr oder weniger verschämt mich hier in guter Gesellschaft, wenn ich den Herrn oder unverschämt wieder zurücknimmt. Die Lei- Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herrn stung wird bei einer solchen Handhabung in Frage , anführe, der aus Anlaß der Haus- gestellt. So sollten wir keine Sozialgesetze machen. haltsberatung darauf hingewiesen hat, daß wir 1960 Dabei ist noch ganz abgesehen von der ungeheu- ein Bruttosozialprodukt von 286 Milliarden DM hat- ren Verwaltungsaufblähung, Herr Kollege Maucher. ten, daß es 1963 376 Milliarden DM betrug und daß Wenn jetzt die Renten erhöht werden, müssen alle es in diesem Jahre, 1964, nach seiner Schätzung Kriegsopferrenten dagegengerechnet werden und mindestens 410 Milliarden DM betragen wird, und umgekehrt. das ohne nennenswerten Zuwachs der erwerbstäti- (Widerspruch bei der CDU/CSU.) gen Bevölkerung, ebenfalls nach einer Feststellung des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozial- —Natürlich! Und wenn dann nach Jahren verspätet ordnung. Darauf wollten wir noch einmal bei der und gegen härtesten Widerstand des Bundeskanz- Betrachtung dieser Dinge hinweisen. lers die Kriegsopferrenten erhöht werden, dann wird wieder umgekehrt gerechnet. Jedesmal hat der Ver- Nun, lieber Herr Kollege Stingl, muß ich ein biß- waltungsapparat das Ganze durchzuexerzieren. chen Wasser in den Wein gießen — was einem (Abg. Stingl: Das stimmt doch einfach nicht! Schwaben sehr schwer fällt —, den Sie und wir im Das haben Sie doch auch, wenn diese Be allgemeinen wegen dieser ermöglichten Leistung träge nicht frei sind!) heute hier kredenzen können, einmal weil Sie nicht einmal unseren bescheidenen Anträgen auf Ein- — Nein, man hat es nicht in diesem Maße. Man bezug des Sonderzuschusses von 14 und 21 DM zu- könnte übrigens noch bessere Regelungen finden, gestimmt haben, zum anderen weil Sie dem noch bei denen das ganz ausgeschlossen wäre, Herr bescheideneren Antrag, wenigstens bis zum 31. De- Kollege Stingl, aber nicht auf Grund der Vorschläge, zember 1965 eine Anrechnung auszusetzen, eben- die Sie machen. Man braucht nur die Kriegsopfer- falls Ihre Zustimmung versagt haben. Alle Ihre Be- renten zu dynamisieren; dann wird schon ein Teil gründungen, auch Ihre, Herr Kollege Ollesch, tref- geregelt. Aber das nur nebenbei. fen den Kern der Dinge nicht. Ich habe mich mehr Ich muß noch etwas Wasser in den Wein gießen. als gewundert, daß gerade der Kollege Maucher- Bei allem Respekt vor der Erhöhung der Renten hier darzustellen versucht hat, daß es sich hierbei dürfen wir auch nicht vergessen, daß die nominale gar nicht um ein Problem handelt, sondern daß Kaufkraft der Renten eben nicht so zum Ausdruck alles das längst bei der Kriegsopferversorgung oder kommt — der Kollege Stingl hat einige Zahlen bei einer Reihe anderer Gesetze geregelt sei. Herr genannt — wie die Höhe der Nominalrenten. Ich Kollege Maucher, ich will jetzt nicht sagen, Sie komme auf etwas andere Zahlen, nehme aber an, behaupten das wider besseres Wissen. Ich würde daß meine stichhaltiger sind, weil sie nicht von Ihnen aber empfehlen, dieses Problem einmal mit einem optimistischen Koalitionsstandpunkt aus ge- Ihren Freunden bei Kriegsopferverbänden, etwa wonnen sind. Die Renten haben sich seit 1957 etwa beim VdK, zu behandeln. Sie werden dann sehen, um 44 v. H. erhöht, während die reale — — daß es nicht geregelt ist, auch nicht mit der teil- (Abg. Stingl: Aber Herr Geiger, das ist weisen Nicht-Anrechnung. Sie haben hier ein Bei- einfach falsch! Sie müssen doch immer die spiel gebracht, das sehr schlecht ist: trotz Ihres neue Basis nehmen und nicht vom Hundert Rechenexempels ist bei Ihrem Beispiel noch eine satz von damals ausgehen!) Überzahlung von 5 DM vorhanden, die die Renten- - Nein, es stimmt nicht ganz, wenn man nur die empfängerin zurückzahlen muß. So kann man die jeweilige Anpassung nimmt. Die Gesamterhöhung Frage nicht lösen. beträgt etwa 44 % — streiten wir nicht um die Man kann sie auch nicht damit lösen, daß man Höhe; die Relationen bleiben trotzdem —, während sagt, es bestehe eine unterschiedliche Behandlung real durch die Preiserhöhungen, die rasante Preis- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7335 Geiger entwicklung den Rentnern etwa 24 vom Hundert der künftigen Zeit immer noch eine Anerkennung geblieben sind. — Verzeihung: eine Aufgabe. (Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Stingl: Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter, Sehen Sie, das war wieder eine typische gestatten Sie eine Zwischenfrage? Freudsche Fehlleistung!) — Entschuldigen Sie: es bleibt uns immer noch eine Aufgabe. Die Anerkennung von Ihrer Seite fehlt uns (CDU/CSU) : Herr Kollege Geiger, ist Ihnen Stingl natürlich. — Es bleibt uns eine Aufgabe, eine, wie entgangen, daß sich die Erhöhung der Rente jeweils ich hoffe, gemeinsame Aufgabe, nämlich zu dem Ziel nicht auf 100, also auf die ursprüngliche Rente be- der Rentenreform zu kommen, daß ein Versicherter zieht, sondern schon auf die erhöhte, und daß da- nach einem erfüllten Arbeitsleben wenigstens eine durch die Gesamterhöhung 57 % — 56,9 %, um es Rente von etwa 75 % des Durchschnittseinkommens genau zu sagen — und nicht 44 % ausmacht? Wenn hat. Es bleibt die Aufgabe, entsprechend dem wach- sie also 1957 100 war, dann war sie im nächsten senden Volkseinkommen auch den Anteil der auf Jahr 106,4, und die nächste Erhöhung wurde nicht ein Renteneinkommen angewiesenen Menschen zu auf der Basis 100, sondern auf der Basis 106,4 be- erhöhen. rechnet. (Beifall bei der SPD.)

Vizepräsident Schoettle: Herr Kollege Stingl, Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat Herr Sie sollten fragen! Abgeordneter Ollesch.

Geiger (SPD) : Ich bin für mathematische Bei- Ollesch (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- spiele dankbar, Herr Präsident, auch dann, wenn sie ehrten Damen und Herren! Die Frage der Urheber- nicht in eine Frage gekleidet sind. Herr Kollege schaft scheint hinreichend geklärt zu sein. Nun, wir Stingl, das ist mir natürlich auch bekannt, und ich sind keinesfalls die Urheber der dynamischen Rente. mache keinen Rechenfehler, wenn ich die Dinge fest- Das betonen wir, und das bekennen wir. Ob es eine stelle. Aber es kommt auf den Ausgangspunkt an, Belastung für uns ist, daß wir nicht die Urheber und meine Zahlen sind insoweit exakt. Real bleibt sind, das werden die Abgeordneten des nächsten den Rentnern etwa eine 24%ige Erhöhung ihres Ein- Bundestages erfahren, die sich mit den Fragen der kommens. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, Deckung für den nächsten Deckungsabschnitt be- was in den letzten Monaten etwa durch erneute schäftigen, nicht mehr wir. Mietsteigerungen für diesen Personenkreis hinzu- Wir führen die siebente Rentenanpassung durch, gekommen ist. und wir stimmen für diese Rentenanpassung. Aber wir müssen etwas Wasser in den Wein gießen, Herr Aber ich will diese Dinge hier nicht vertiefen, Kollege Geiger. sondern vielmehr der Freude der Sozialdemokrati- schen Partei Ausdruck geben, daß es gelungen ist, (Abg. Stingl: Sie haben Wein im Wasser, den von uns aufgestellten Grundsatz zu erhalten, ich habe offensichtlich nur Wein gehabt!) und daß die Anpassung der Renten bisher durch- — Ja, wir haben Wasser, Herr Kollege Stingl. — führbar war. Alle Voraussagen, die wir in dieser Es wird sich herausstellen, wer mit seinen Prophe- Sache gemacht haben, waren besser und hatten gül- tigere Aussagekraft als die Voraussage, die Sie bis- zeiungen recht gehabt hat. Denn auch in diesem her bei jeder einzelnen Rentenanpassung gemacht Jahre, Herr Kollege, hat der Sozialbeirat eine Bei- haben. Ich will jetzt darauf verzichten, Sie daran zu tragserhöhung empfohlen, auch in voller Kenntnis erinnern, wie oft nach Ihren Voraussagen die Ren- der finanziellen Lage. tenversicherungen schon zusammengebrochen sein Wir nehmen in diesem Bundestag die letzte An- müßten; ich will es Ihnen im einzelnen nicht vor- passung vor. Herr Kollege Stingl hat erklärt, in lesen. Jedenfalls war unsere Meinung, daß diese welcher Höhe die Renten seit 1957 gesteigert wer- Leistungen möglich sind, exakter und gültiger als den konnten. Auch wir sind erfreut darüber. Aber Ihre falschen Prophezeiungen vorher. wir machen uns natürlich Gedanken für die Zukunft. (Beifall bei der SPD.) Denn überall im ganzen Land ist 'bei den jetzt Zah- lenden das Gefühl vorhanden, daß sie, wenn sie Das schließt nicht aus, daß sich jeder Verantwort- selber einmal rentenbezugsberechtigt sein werden, liche laufend ernste Sorgen um die künftige finan- schwerlich so hohe Renten erhalten werden, wie sie zielle Entwicklung der Rentenversicherungen machen heute gezahlt werden. Nun, das wird sich heraus- muß. Da lassen wir Sozialdemokraten uns von nie- stellen, wenn wir über die nächste versicherungs- mandem übertreffen. technische Bilanz diskutieren werden. Die Überle- gungen, die hier und da schon angestellt werden, (Oh-Rufe von der CDU/CSU.) die Deckungszeiträume zu verkürzen, sollten uns Aber der Sozialbericht und all die anderen Fest- warnen im Hinblick auf die Sicherung der Finanzie- stellungen haben uns recht gegeben und haben Ihre rung unserer Rentenversicherung. Wir werden uns falschen Prophezeiungen als das erwiesen was sie hier und heute nicht damit zu beschäftigen haben. sind, eben als Unkenrufe, die nicht zutreffen. Ich Aber auf den nächsten Bundestag kommen diese freue mich, daß das so ist. Aber es bleibt uns auch in Fragen sicherlich zu. 7336 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Ollesch Wir stimmen der Rentenanpassung, obwohl wir sicherungen eine Anpassung erlaube, lassen die An- für das System der Dynamisierung nicht verantwort- gaben über die Finanzlage der gesetzlichen Renten- lich sind, auf der Grundlage der bestehenden Ge- versicherungen im diesjährigen Sozialbericht ein- setze zu. deutig erkennen, daß auch bei weiterer Anpassung (Beifall bei der FDP.) in dem laufenden Deckungsabschnitt das gesetzlich vorgeschriebene Rücklagesoll in der Angestellten- Vizepräsident Schoettle: Das Wort. hat Herr versicherung in vollem Umfange und in der Arbei- Bundesminister Blank. terrentenversicherung fast voll erreicht wird. Ich bin glücklich, daß allen kritischen Voraussagen zum Trotz die Finanzlage der Rentenversicherungen ian Bundesminister für Arbeit und Sozial- Blank, ersten Deckungsabschnitt sich so günstig entwickelt aufgaben: Zum siebten Male seit der Rentenreform hat, daß bei laufenden Anpassungen am Ende des im Jahre 1957 verabschieden Sie ein Rentenanpas- Deckungsabschnitts am 31. Dezember 1966 das Rück- sungsgesetz. Ich möchte Ihnen allen danken dafür, lagesoll praktisch erfüllt sein wird. daß es auch in diesem Jahr gelungen ist, dieses für die Rentner so wichtige Gesetz so rechtzeitig zu Ich bin sicher, daß wir die Finanzierungsprobleme verabschieden, daß es noch vor Jahresschluß in des zweiten Deckungsabschnitts lösen werden, die Kraft treten kann und die Rentner Ende Februar mit mit der voraussichtlichen Änderung des Bevölke- der Rentenzahlung für den Monat März in den Ge- rungsaufbaus infolge der Zunahme der Zahl der nuß der Rentenerhöhung kommen. Ich weiß, daß es alten Menschen zusammenhängen. Wir werden ge- besonderer Anstrengungen und Mühe bedurfte, um meinsam Mittel und Wege finden, die Finanzlage diese nicht einfache Materie in der zur Verfügung der Rentenversicherungen so zu gestalten, daß auch stehenden Zeit zu beraten und den Entwurf zu ver- .in Zukunft den aus dem Arbeitsleben Ausgeschiede- abschieden. nen eine Rente gewährleistet ist, die ihrer Arbeits- leistung entspricht und die sie an dem wirtschaft- Gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Be- lichen Fortschritt teilhaben läßt. merkungen zur Rentenanpassung: Die Rentenreform des Jahres 1957, die eine entscheidende Änderung Von dieser Stelle aus auch meinen besonderen in der Auffassung von der Sicherung des arbeiten- Dank an den Sozialbeirat. Er ist uns allen auch in den Menschen gegen die Wechselfälle des Lebens diesem Jahr mit seinen in dem Gutachten zusammen- brachte, hat sich bewährt. Die Rente soll gewähr- gefaßten Überlegungen eine wertvolle Hilfe bei der leisten, daß der aus dem Erwerbseben ausscheidende Entscheidung über die Rentenanpassung gewesen. Versicherte nach einem erfüllten Arbeitsleben den Dank schon im voraus auch wieder an alle Bedien- im Durchschnitt seiner versicherten Tätigkeit erar- steten der Deutschen Bundespost, die, wie wir wis- beiteten Lebensstandard aufrechterhalten kann. sen, genauso wie in den vergangenen Jahren recht- Aber nicht nur bei der erstmaligen Festsetzung der zeitig die schwierigen Umstellungsberechnungen für Rente soll dies gelten; die Rentner sollen auch wäh- unsere Rentner durchführen werden! rend der Laufzeit ihrer Rente an der weiteren wirt- (Beifall bei den Regierungsparteien.) schaftlichen Entwicklung teilhaben. Der Verwirklichung dieser sozial-ethischen Grund- Vizepräsident Schoettle: Ich schließe die all- satzentscheidung des Jahres 1957 dienen die Renten- gemeine Aussprache in der dritten Beratung. anpassungsgesetze. Durch die bisherigen sieben Wir kommen zur Schlußabstimmung. Rentenanpassungen — ich rechne die jetzige schon ein — erhöhen sich die Renten seit der Rentenreform Zu einer Erklärung zur Abstimmung 'hat der Abge tatsächlich um 57 v. H. Im gleichen Zeitraum ist das ordnete Professor Schellenberg das Wort erbeten. durchschnittliche beitragspflichtige Entgelt in- der ge- setzlichen Rentenversicherung um rund 67 v. H. ge- Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Präsident! Meine stiegen. Die Renten treiben also nicht die Löhne, Damen und Herren! Namens der sozialdemokrati- sondern sie folgen ihnen vielmehr in zeitlichem Ab- schen Fraktion gebe ich zur Abstimmung folgende stand. Durch die organische Verbindung der Ent- Erklärung ab: wicklung der Renten mit der Entwicklung der Löhne Erstens. Die sozialdemokratische Fraktion wird wird gewährleistet, daß die Rentner an dem Wirt- auch dem Siebten Rentenanpassungsgesetz zustim- schaftsfortschritt in angemessenem Ausmaß teilneh- men. men, und daran wollen wir festhalten. Die jährliche Anpassung der Renten an die wirt- Es hat sich gezeigt, daß der mit der Rentenreform schaftliche Entwicklung ist für uns Sozialdemokra- im Jahre 1957 beschrittene Weg richtig ist. Er muß ten eine selbstverständliche Verpflichtung. Die sozial- nach meiner Auffassung auch konsequent weiterge- demokratische Bundestagsfraktion kann es für sich gangen werden. Eine Änderung der Grundgedanken in Anspruch nehmen, diesen Grundsatz zuerst in der Rentenreform mit ihrer Anpassung der Renten ihrem Gesetzentwurf vom 18. April 1956 niederge- an den Einkommensfortschritt ist durch nichts be- legt zu haben, dem dann erst mehrere Monate spä- gründet. ter eine Regierungsvorlage folgte. Diese Auffassung wird auch durch die Daten des Das Prinzip der jährlichen Rentenanpassung war Sozialberichts gestützt. Während in den vergange- damals noch hart umstritten. Erst nach heftigen po- nen Jahren immer noch Bedenken bestanden, ob die litischen Auseinandersetzungen wurde diese Renten- der gesetzlichen Rentenver finanzielle Situation dynamik — zum Teil gegen Stimmen von Abgeord- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7337

Dr. Schellenberg neten der Regierungskoalition, auch derjenigen, die rechnungsvorschriften im gesamten Sozialrecht er- jetzt der CDU angehören —.beschlossen. sucht wurde. (Abg. Ruf: Kein Fraktionszwang!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja inzwi schen erfolgt!) Zweitens. Die Bundesregierung hat — auch das muß festgestellt werden — die jährlichen Renten- Diese Angelegenheit ist immer noch nicht erledigt. anpassungen oft sehr skeptisch beurteilt. Das ist eine bedauerliche Tatsache. (Abg. Ruf: Aus guten Gründen!) Fünftens. Die Rentengesetze enthalten trotz der jährlichen Anpassungen noch zahlreiche Härten und Wiederholt that die Bundesregierung in ihren frühe- Ungerechtigkeiten. Herr Kollege Stingl hat von der ren Sozialberichten erklärt, es sei gerade noch die Härtenovelle gesprochen. Bei der Ausschußberatung nächste Rentenanpassung möglich, dann aber müß- haben uns aber die Sachverständigen erklärt, daß ten entweder Beitragserhöhungen oder Leistungs- die Härtenovelle in der Fassung der Regierungs- kürzungen vorgenommen werden. vorlage zwar eine Reihe von Härten beseitigt, aber neue schafft. Beispielsweise hat die Bundesregierung im ersten Sozialbericht behauptet, es würde sich im Jahre 1964, (Abg. Ruf: Darüber sprechen wir später!) sofern die Renten jährlich angepaßt werden, ein — Darüber werden wir morgen sprechen; denn wir Defizit von 1,2 Milliarden DM ergeben. Tatsache kommen morgen im Ausschuß für Sozialpolitik zur ist aber, daß sich in diesem Jahre — trotz der Anpas- Einzelberatung der Härtenovelle. Ich will an dieser sungen — ein Überschuß von 2 Milliarden DM ergibt Stelle erklären, daß wir Sozialdemokraten alles und daß das Vermögen der Rentenversicherungen tun werden, damit möglichst bald die wesentlichsten jetzt rund 24 Milliarden DM beträgt. Härten und Ungerechtigkeiten des geltenden Ren- (Abg. Ruf: Und im nächsten Jahr zurück tenrechts beseitigt werden. gehen wird!) Sechstens. Die volle Anpassung der Renten an die — Es hat sich erwiesen, Herr Kollege Ruf, daß die wirtschaftliche Entwicklung ist für uns Sozialdemo- Sozialdemokraten die Finanzentwicklung der Ren- kraten ebenso wie die Beseitigung der Härten und tenversicherungen wesentlich zutreffender beurteilt Ungerechtigkeiten eine Forderung der Gerechtig- haben als die Bundesregierung und auch die Regie- keit. rungsparteien. Es wurde heute davon gesprochen, daß die Renten (Beifall bei der SPD.) sich seit 1957 um 57 % bezogen auf 1965 erhöhten. Dennoch bleiben die Renten hinter der Lohn- und Entgegen der Skepsis, die von der Bundesregierung Gehaltsentwicklung um 17 % zurück. in den verschiedenen Sozialberichten geäußert wurde, hat sich — das können wir mit Freude fest- Unsere älteren Mitbürger haben durch ihre frü- stellen — der Grundsatz der jährlichen Rentenanpas- here Arbeitsleistung die Voraussetzung für den sung sozialpolitisch und finanziell voll bewährt. Wohlstand von heute und morgen geschaffen. Sie haben sich dadurch ein Recht erworben, ständig, Drittens. In der Rentenanpassung kommen die und zwar voll, an der Entwicklung des Wohlstandes wirtschaftlichen Leistungen unseres ganzen Volkes teilzunehmen. zum Ausdruck. Gewiß gewährt der Bund seit jeher (Beifall bei der SPD.) Zuschüsse zu den Renten. Der Anteil der Bundes- zuschüsse ist jedoch, gemessen an den Gesamtaus- gaben der Rentenversicherung, abgesehen von dem Vizepräsident Schoettle: Meine. Damen und Sonderproblem der Knappschaftlichen Versicherung Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung über von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die Bundeszu-- das Siebente Rentenanpassungsgesetz. Wer dem schüsse haben 1957 noch 32 % der Rentenausgaben Gesetz in der Fassung, die ihm in der zweiten Be- betragen und sind jetzt auf 22 % der Rentenaus- ratung gegeben worden ist, zustimmen will, den gaben gesunken. bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Ge- genprobe. Enthaltungen? — Das Gesetz ist in (Abg.. Ruf: Aber absolut gestiegen!) dritter Lesung einstimmig angenommen. Dementsprechend stieg der Anteil, den die Ver- Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: sicherten und ihre Arbeitgeber aufbringen. Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Viertens. Mit Bedauern stellen wir fest, daß die desregierung eingebrachten Entwurfs eines Mehrheit heute zwei wichtige Anträge abgelehnt Gesetzes über die Neuregelung des Finanz- hat, die größere Gerechtigkeit bei der Rentenan- ausgleichs zwischen der Rentenversicherung passung bringen sollten, nämlich Anpassung der der Arbeiter und der Rentenversicherung der Sonderzuschußrenten und Nichtanrechnung der An- Angestellten (Rentenversicherungs-Finanz- passung für das ganze Jahr 1965. ausgleichsgesetz — RFG) (Drucksache IV/2354), Meine Damen und Herren, es muß an dieser Stelle festgestellt werden; daß bereits vor drei Jahren bei Schriftlicher Bericht des Ausschusses für So- Verabschiedung des Vierten Rentenanpassungsge- zialpolitik (20. Ausschuß) (Drucksache setzes die Bundesregierung auf Grund eines sozial- IV/2745). demokratischen Antrages um Überprüfung der An (Erste Beratung 134. Sitzung) 7338 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Vizepräsident Schoettle Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abge- das aufzuklären, was durch diesen Gesetzentwurf ordneten Kühn vor. In einem Brief des Abgeordne- auf die Dauer geregelt wird und was dann nachher ten Kühn wird darauf aufmerksam gemacht, daß in praktisch noch reparabel wäre. Art. 3 in der Überschrift ein Druckfehler enthalten Drittens glaube ich, daß es eine gute Gelegen- ist; es muß dort nicht „31. Dezember 1963", sondern heit wäre für ein persönliches Bekenntnis zu dem „31. Dezember 1964" heißen. — Bitte, Herr Bericht- Für oder Wider einer gegliederten Sozialversiche- erstatter. rung, zu dem Für oder Wider echter Selbstverwal- tungsaufgaben in den Sozialversicherungsträgern. Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) : Darf ich außer- dem darauf hinweisen, daß in Nr. 3 des Art. 3 die (Abg. Rasner: Es fehlen aber 56 FDP Zahl „311,6" in „311,5" berichtigt werden muß. Kollegen!) Diese Berichtigung ist gleichfalls in dem Brief ent- Nun, Sie haben über das Thema „Ausschuß" ge- halten. sprochen. Im Schriftlichen Bericht steht, daß der Gesetzentwurf und die Änderungen vom Ausschuß Vizepräsident Schoettle: Das Haus nimmt ohne Gegenstimmen beschlossen worden sind. Ich diese Berichtigungen zur Kenntnis. Wir treten in bedaure, hier folgendes feststellen zu müssen. Ganz die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. sicher war das Verfahren hinsichtlich der Gestaltung — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die der Tagesordnung im Ausschuß korrekt. Wir haben Aussprache. es dennoch als ungewöhnlich empfunden. Die Tages- ordnung der Ausschußsitzung, in der dieser Ge- Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf setzentwurf abschließend beraten worden ist, lag Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — Einleitung schon lange Zeit vor. Auf dieser Tagesordnung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Artikeln, stand aber die Beratung dieses Gesetzentwurfs der Einleitung und Überschrift zustimmen will, den nicht. Wir sind erst am frühen Morgen dieses Aus- bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die schußsitzungstages darüber orientiert worden, daß Gegenprobe. — Vier Gegenstimmen. Enthaltungen? die Herren von der CDU und von der SPD die Ent- — Keine Enthaltungen. Die aufgerufenen Bestim- scheidungen über dieses Gesetz noch am Nachmittag mungen sind angenommen. ganz schnell treffen wollten. Wir treten in die (Zuruf von der SPD: Was heißt „ganz dritte Beratung schnell", Herr Deneke?) ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das — Was heißt „ganz schnell"? Sie haben es eben Wort hat Herr Abgeordneter Deneke. außerordentlich schnell gemacht. Finden Sie es so ungewöhnlich, daß auch wir uns unter Umständen einmal von einer Ausschußsitzung fernhalten, ohne (FDP) : Meine sehr verehrten Damen, Deneke einen dramatischen Auszug zu veranstalten? Das Herr Präsident, meine Herren! Wir haben in der muß man ja vielleicht auch nicht immer. Sie ver- zweiten Lesung bereits gegen den Gesetzentwurf halten sich gelegentlich ja auch so. gestimmt und wir werden auch in der dritten Lesung dagegen stimmen. Meiner Meinung nach würde sich (Zuruf von der SPD: Wir sind vorher ein dieser Gesetzentwurf ganz ausgezeichnet für eine gezogen!) namentliche Abstimmung eignen, und zwar aus — Sie sind vorher eingezogen? Wir hätten ja auch drei Gründen. Erstens glaube ich, daß es um eine einziehen müssen, um erst dramatisch auszuziehen. sehr weittragende Sachentscheidung geht. Aber es sind auch noch einige aus dem Ausschuß (Zuruf von der CDU/CSU.) ausgezogen, ohne das dramatisch zu machen; die haben an der Abstimmung im Ausschuß auch nicht — Ich habe ja noch gar nichts gesagt; Herr Ruf, - teilgenommen. warten Sie doch erst einmal ab! (Abg. Frau Korspeter: Das können Sie nicht (Zuruf: Was denn? — Heiterkeit.) vergleichen!) — Sie werden sehen, Sie werden hören. — Nein? Aber ich habe es gerade getan, gnädige Meiner Meinung nach geht es in diesem Gesetz- Frau. Ich glaube doch, daß ich es vergleichen kann. entwurf um eine weittragende Sachentscheidung Ich will Sie natürlich nicht noch viel länger hier in und nicht um eine Entscheidung, die schon 1957 Anspruch nehmen, aber einen Teil der Länge dieser getroffen worden ist; es ist also nicht so, daß nun Ausführungen provozieren Sie durch Ihre Zwischen- nur noch berichtigt wird, was 1957 falsch gemacht rufe. worden ist. Ich möchte jetzt versuchen, zum Sachlichen zu Zweitens glaube ich, daß eine solche namentliche kommen und Ihnen die Gründe unserer Ablehnung Abstimmung auch zur Aufklärung der Öffentlichkeit zu sagen. Wir lehnen ,dieses Gesetz ebenso ab, wie sehr zweckdienlich wäre. wir bereits — mein Kollege Ollesch hat schon dar- (Zuruf von der SPD: Dann würden Sie am auf Bezug genommen — die Grundsatzentscheidung schlechtesten abschneiden!) zu diesen Gesetzen im Jahre 1957 abgelehnt haben, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß allzu viele ein Interesse daran haben, die Beteiligten und Wir glauben, daß hier ein weiterer Schritt zur Betroffenen nicht allzu schnell und allzu voll über Aufgabe des Versicherungsprinzips in der Sozialver- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7339

Deneke sicherung getan wird. Im Jahre 1957 ging man vom meine, Sie sollten den Angestellten offen erklären, Anwartschaftsdeckungsverfahren zum Abschnitts daß die Angestellten künftig die Arbeiterrentenver- deckungsverfahren über, das tatsächlich ein Umlage- sicherung mitfinanzieren sollen; dann wäre das ein verfahren ist, ein Umlageverfahren mit längeren ehrliches Verfahren. Fristen und insofern modifiziert. Wenn Sie jetzt den Wanderversicherungsausgleich abschaffen, befürch- Im wesentlichen habe ich hier nur noch einmal an ten wir, daß Sie sich damit praktisch den Weg ebnen die Gründe erinnern wollen, die uns zur Ablehnung wollen zu noch kürzeren Abschnitten der Deckung, dieses Gesetzentwurfs führen. Die meisten dieser d. h. zum reinen Umlageverfahren. Sie sehen genau- Gründe sind Ihnen — jedenfalls den Fachleuten — so wie wir den Rentenberg des nächsten Deckungs- aus der Literatur bekannt, wo sie sehr ausführlich abschnitts auf sich zukommen, und Sie werden auch behandelt worden sind. Ihre Überlegungen angestellt haben, wie Sie das noch etwas aufhalten können. Natürlich ist das eine Ich bedauere auch, daß dieser Gesetzentwurf mit einigen Inkonsequenzen, mit einiger Unlogik und in Methode, mit der man das aufhalten könnte. Un- seres Erachtens wird also hierdurch der Übergang der Begründung mit einigen dialektischen Späßen zum reinen Umlageverfahren vorbereitet. gespickt ist, die nicht zur vollen Aufklärung der Be- troffenen und der Beteiligten beitragen können. Un- logisch ist beispielsweise bei Ihrem Vorhaben die Ab- Aber mehr noch: Die Bundeszuschüsse hatten ein- mal eine sachliche Funktion. Interessanterweise wicklung des bisherigen Wanderversicherungsaus- stand nämlich in der Begründung zur Regierungs- gleichs. Sie haben gute rechtliche Begründungen ge- vorlage von 1956: „In Zukunft soll die Alterssiche- geben; aber in diese Systematik, die Sie hier ver- rung allein aus Beiträgen finanziert werden, wäh- fechten, paßt diese Abwicklung weiß Gott nicht mehr rend der Staatszuschuß für die Invaliditätssicherung hinein. Genauso unlogisch ist, daß Sie den Wander- Verwendung finden soll." Das steht in der Begrün- versicherungsausgleich mit der Knappschaft auf- rechterhalten. Es ist sehr interessant, daß Sie ihn dung zu § 1389 RVO. dort aufrechterhalten, während Sie ihn für die An- Die Praxis ist ganz offensichtlich längst von dieser gestellten nicht aufrechterhalten wollen. Ich möchte damaligen Begründung abgerückt. Es ist offensicht- auch wissen, wie Sie mit der Logik die weiterbe- lich, daß die Bundeszuschüsse heute mit verwendet stehenden Erstattungsansprüche vereinbar halten werden, um auch die Alterssicherung zu finanzieren. können. Wenn beispielsweise ein Arbeiter jahrelang Das bedeutet aber praktisch, daß Sie von zweck- in der Arbeiterrentenversicherung war, dann zwei gebundenen Bundeszuschüssen übergegangen sind Monate lang oder auch nur einen Monat lang — das zu einer allgemeinen Subventionierung aus Bundes würde schon genügen — in die Angestelltenver- mitteln. Das ist praktisch ein weiterer Schritt, um sicherung geht und dann wieder herauswächst, so eine staatliche Versorgungskasse für Arbeitnehmer bekommt er Erstattung aus der Angestelltenver- einzurichten. sicherung. Das ist nicht logisch, das ist nicht konse- quent. Damit bin ich auch bereits bei dem zweiten Haupt- grund, weswegen wir gegen diesen Gesetzentwurf Zum Schluß noch zwei kleine Bemerkungen über stimmen. Wir sind der Auffassung, daß bereits in die dialektischen Späße. Da steht in der Begrün- dem Gesetz von 1957 und nun fortgesetzt durch das dung — oder es ist mündlich vorgetragen worden —, neue Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, der Wanderversicherungsausgleich werde nicht eklatant gegen die soziale Gerechtigkeit verstoßen wegfallen, sondern in den Finanzausgleich aufgehen. wird. Die Bundeszuschüsse wirken sich nämlich prak- Nun muß ich Ihnen allerdings sagen: wenn etwas tisch so aus, daß auf dem Wege über die Steuern „aufgeht", dann ist es nachher wohl weg. Nach auch solche Bundesbürger die Altersversorgung meiner Meinung heißt „in etwas anderes aufgehen", durch die Rentenversicherungen mitfinanzieren,- die daß es wegfällt. Natürlich fällt es weg. Das sind sozial oder wirtschaftlich keineswegs etwa glänzen- doch dialektische Scherzchen. der dastehen als .viele Angestellte und Arbeiter. Ich erinnere Sie nur an die Debatten, die wir hier im Etwas anderes will ich Ihnen auch nicht vorent- Hause über die Lage des sogenannten kleinen Mit- halten. In der Begründung heißt es, es könnte auch telstandes, über Einzelhandel, Handwerk, aber auch ein Wanderversicherungsausgleich in umgekehrter über die freien Berufe hatten. Ich bin der Auffas- Richtung, zugunsten des abgebenden Versicherungs- sung, daß durch Abschaffung des Wanderversiche- zweiges, in Betracht kommen. Das heißt doch, in der rungsausgleichs der Weg frei gemacht wird, um die Dialektik die Dinge auf den Kopf stellen. soziale Ungerechtigkeit diesen Gruppen gegenüber Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir zu verstärken. Ich bedauere das außerordentlich. werden —nicht bloß wegen der knappen Besetzung — keinen Antrag auf namentliche Abstimmung stel- Durch die Abschaffung ides Wanderversicherungs- len. Wir haben das gar nicht nötig; denn unsere Ab- ausgleichs findet aber meines Erachtens auch noch lehnung ist ganz klar und bekannt. Wir werden uns eine weitere Benachteiligung statt, nämlich eine aber selbstverständlich, wenn irgend jemand aus eklatante Benachteiligung der Angestellten. Prak- Ihren Fraktionen das Bedürfnis hat, sich hier na- tisch bedeutet der Beschluß, den Sie heute hier fas- mentlich zu bekennen, dem Antrag, den Sie dann sen wollen, daß Sie damit die Chance, später einmal vielleicht stellen werden, gern anschließen. doch auch in den Beiträgen und in den Leistungen zu differenzieren, endgültig begraben wollen. Ich (Beifall bei der FDP.) 7340 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Vizepräsident Schoettle: Ich halte den Aus- Änderungen mehr vornehmen, sondern das Gesetz druck „dialektische Späße" gegenüber einem Be- so beraten, wie es der Ausschuß beschlossen hat. richt, der an dieses Haus erstattet ist, nicht für zu- (Beifall bei der CDU/CSU.) lässig. (Sehr gut! in der Mitte.) Vizepräsident Schoettle: Das Wort wird Das Wort hat der Abgeordnete Kühn. weiter nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) : Herr Präsident! Rentenversicherungs-Finanzausgleichsgesetz in der Meine Damen und Herren! Bei der fortgeschrittenen dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich Zeit gestatten Sie mir, verehrter Herr Kollege De- vom Platz zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — neke, daß ich nicht die Diskussion, die 1956 und 1957 Enthaltungen? — Das Gesetz ist gegen 10 Stimmen über das System der Rentenneuregelungsgesetze der FDP in der Schlußabstimmung angenommen. hier geführt worden ist, neu eröffne. Ich glaube, diese Diskussion ist damals in großer Breite und Ich rufe auf den Punkt 5 der Tagesordnung: mit großer Intensität geführt worden. Die überwie- gende Mehrheit dieses Hauses hat sich zu dem Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über System der Rentenneuregelungsgesetze, so, wie sie vorliegen, bekannt. Wir müssen daher bei allen un- die Feststellung eines Nachtrags zum Bundes- seren jetzigen Beratungen über die Konsequenzen haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1964 von diesem System ausgehen. Es erscheint mir un- (Nachtragshaushaltsgesetz 1964) (Drucksache zweckmäßig, wenn wir 'hier bei einer Konsequenz IV/2755) . aus den Gesetzen jetzt so tun, als ob wir die ganze Die Bundesregierung wünscht den Entwurf nicht Diskussion erneut aufgreifen wollen. Es war dazu zu begründen. die Möglichkeit gegeben, und, Herr Kollege Deneke, Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird hier muß ich Sie leider berichtigen: es wäre sicher nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. auch ,die Möglichkeit gegeben gewesen, über das, was Sie hier noch einmal im einzelnen vorgetragen Der Entwurf soll dem Haushaltsausschuß über- haben, im Ausschuß weiterzudiskutieren. Denn wir wiesen werden. — Diesem Vorschlag wird nicht haben im Ausschuß nicht nur einmal über diese widersprochen. Der Entwurf ist dem Haushaltsaus- Frage gesprochen, sondern wir haben uns außerhalb schuß überwiesen. der Anhörung der Sachverständigen in vier Sitzun gen mit diesem Gegenstand beschäftigt. Ich rufe auf Punkt 6: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ich muß zum Steuer der Wahrheit auch noch sagen, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, Dr. Hauser, Dr. daß in der von Ihnen gerügten Ausschuß-Sitzung Böhm (Frankfurt), Dr. Weber (Koblenz), Dr. vom 12. November dieses Jahres das Verfahren so Dichgans und Fraktion der CDU/CSU ein- war, daß Sie, allerdings korrekterweise, bemängelt gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kür- haben, daß die Frage nicht auf der Tagesordnung zung von juristischen Ausbildungszeiten für stand, daß aber dann der Herr Vorsitzende in Zu- Beamte und Richter (Drucksache IV/2725); sammenarbeit mit dem Obmann des Ausschusses, Herrn Kollegen Horn, darauf hingewiesen hat, daß b) Erste Beratung des von den Abgeordneten wir selbstverständlich, obwohl an sich die Beratung Busse, Frau Dr. Diemer-Nicolaus und Frak- nur fortging — den wir hatten sie in Berlin abge- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines brochen und setzten sie hier fort —, trotzdem der Gesetzes zur Kürzung von juristischen Aus- bildungszeiten für Beamte und Richter (Druck- Fraktion der FDP Gelegenheit geben wollten,- sich mit der Frage noch einmal zu beschäftigen. Wir sache IV/2726). haben also die Beratung ausgesetzt und haben mit Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- Rücksicht auf diesen Ihren Wunsch die Nachmittags- wünscht? — Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nico- sitzung erst für 16 Uhr angesetzt. laus!

(Hört! Hört! bei der SPD.) Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) : Herr Präsi- Wir haben dann im Ausschuß eine halbe Stunde auf dent, meine Damen und Herren! Ich werde mich Ihr Erscheinen gewartet und erst, als wir durch an die Absprache halten, daß die Gesetzentwürfe Telefonanruf feststellen mußten, daß die Abgeord- heute nicht mehr von uns begründet werden. Ich neten der FDP-Fraktion nicht mehr im Hause waren, möchte aber von mir aus beantragen, daß die beiden unter uns mit der Beratung begonnen. Ich glaube, Gesetzentwürfe an den Rechtsausschuß verwiesen es ist absolut korrekt, wenn wir feststellen, man ist werden, denn wenn es sich auch um eine Änderung wirklich im weistesten Sinne Ihrem Wunsch ent- in einem Beamtengesetz handelt, die sonst zum gegengekommen. Sie haben die Möglichkeiten ge- Innenministerium und Innenausschuß ressortiert, so habt, aber Sie haben sich der Entscheidung entzogen. werden Sie aufgrund eigner Berufsausbildung, in welchem Beruf es auch gewesen sei, doch wohl be- Wenn wir hier sagen, die Entscheidung ist ein- stätigen: Die Frage, wie lange gegebenenfalls und mütig gefaßt, kann dem also niemand widersprechen. in welcher Weise eine bestimmte Berufsausbildung Ich glaube, wir sollten aus diesem Grunde keine wie die bei den Juristen nach der ersten Prüfung Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7341

Frau Dr. Diemer - Nicolaus während der Referendarzeit erfolgen kann, können letztere ist die Mehrheit. Darf ich daraus schließen, doch am besten die Juristen im Rechtsausschuß be- daß dieselbe Mehrheit die Vorlagen an den Aus- urteilen. Ich wäre deshalb dankbar, wenn das Hohe schuß für Inneres — federführend — sowie an den Haus dem Antrag auf Verweisung in den Rechts- Rechtsausschuß — mitberatend — überwiesen haben ausschuß zustimmen wollte. will? — Das ist der Fall; es ist so beschlossen.

Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung: Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung Schmitt - Vockenhausen (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich be- von Weihnachtszuwendungen (Drucks ache daure sehr, der verehrten Kollegin Frau Dr. Diemer- IV/2770) ; Nicolaus widersprechen zu müssen. Es handelt sich b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD eindeutig um eine Vorlage beamtenrechtlicher betr. Gewährung von Weihnachtszuwendun- Natur, die im übrigen drei Gesetze ändern soll und gen (Drucksache IV/2754). die ihrer ganzen Natur nach zum Innenausschuß — Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Ab- federführend — gehört. geordnete Gscheidle. Ich schlage deshalb vor, die Gesetzentwürfe an den Innenausschuß — federführend — und zur Mit- Gscheidle (SPD) : Ich habe die Ehre, namens der beratung an den Rechtsausschuß zu überweisen. SPD-Bundestagsfraktion die Anträge betreffend Ge- Der Rechtsausschuß ist in der Lage, hier alle Argu- währung von Weihnachtszuwendungen und den mente sachgerecht vorzutragen. Selbstverständlich Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes werden wir gerade Ihre Argumente, hochverehrte über Gewährung von Weihnachtszuwendungen — Frau Kollegin, zumal sie immer mit solchem Nach- Drucksachen IV/2754 und IV/2770 — zu begründen. druck vorgetragen werden, sorgfältig prüfen und gegebenenfalls berücksichtigen. Um etwa aufkommende Arger gleich zu däm- pfen: ich habe im Hinblick auf die vorgeschrittene Vizepräsident Schoettle: Frau Kollegin Dr. Zeit die Absicht, für die Begründung der beiden Diemer-Nicolaus, ich kann Sie nicht hindern, die Drucksachen nur 6 Minuten zu verwenden. Aussprache zu verlängern. Sie haben das Wort. Die Gewährung eines Weihnachtsgeldes an Be- amte, Soldaten, Richter und Versorgungsempfänger des Bundes ist eine lange Leidensgeschichte. Als wir Frau Dr. Diemer - Nicolaus (FDP) : Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich bedaure, Ihrem Antrag im November 1960 an die Bundesregierung appell- widersprechen zu müssen. Ich hätte nichts dagegen, lierten, dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes, wenn der Innenausschuß mitberatend tätig ist. Aber für ein Weihnachtsgeld vorzulegen, hatte die Bun- die Federführung muß auf Grund ganz nüchterner desregierung ausweichend geantwortet, indem sie Überlegungen beim Rechtsausschuß liegen. Schon darauf hinwies, sie wolle die Frage im Zusammen- bei der Behandlung der Rechtsanwaltsordnung hang mit den Vorarbeiten für eine Novelle zum haben wir uns im Rechtsausschuß eingehend über Bundesbesoldungsgesetz erneut prüfen. Die Prüfung die Frage unterhalten, in welcher Form Referendare verlief negativ, weil die Bundesregierung auf dem ausgebildet werden sollen. Sie spielte ferner bei der Standpunkt verharrte, daß das Weihnachtsgeld dem Bundesnotarordnung eine Rolle. Das sind Beratungs- Besoldungsgesetz nicht adäquat sei. vorgänge, die in dieser Form beim Innenausschuß Der von meiner Fraktion daraufhin am 29. Juni nicht zu verzeichnen sind. Ich darf noch eins sagen: 1961 eingebrachte Änderungsantrag zum Bundesbe- Referendare sind eine besondere Art der Beamten. soldungsgesetz wurde infolgedessen abgelehnt, und Da wird damit gerechnet, daß der größte Teil nach- zwar diesmal von den Regierungsparteien. Aller- her nicht Beamter auf Lebenszeit wird. Das hängt dings erzielten wir den Erfolg, daß die CDU/CSU eben mit der speziellen Form der Berufsausbildung gezwungenermaßen einen Entschließungsantrag ein- als solcher zusammen. Insofern handelt es sich um brachte, nach dem die Bundesregierung erneut ge- atypische Beamte. Haben Sie bitte im Sinne einer beten wurde, die Frage der Gewährung von Weih- sachgerechten Arbeit Verständnis dafür, daß die nachtszuwendungen an Beamte zu prüfen. 1961 be- Federführung beim Rechtsausschuß liegen muß. schloß das Bundeskabinett dann, den Bundesbeam- ten einen Vorschuß zu Weihnachten auf eine für Vizepräsident Schoettle: Weitere Wortmeldun- das Frühjahr 1962 beabsichtigte Beamtenbesoldungs- gen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. novelle zu gewähren. Erst nachdem im Jahre 1962 Wir entscheiden jetzt über die Überweisung der alle Länder mit Ausnahme des Saarlandes unbe- beiden Gesetzentwürfe. Es war strittig, ob der Innen- fristete Regelungen für die Gewährung eines Weih- ausschuß oder der Rechtsausschuß federführend sein nachtsgeldes an Beamte eingeführt hatten, folgte soll. Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus hat für den der Bund zu Weihnachten 1963 mit einer Regelung, Rechtsausschuß plädiert. Ich lasse über den Vor- die sich an den in den Tarifverträgen für den öffent- schlag, die Vorlagen an den Rechtsausschuß — lichen Dienst vereinbarten Weihnachtszuwendungen federführend — zu überweisen, abstimmen. Wer orientierte. Diese Weihnachtszuwendungen entspre- diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um chen heute in ihrer Höhe nicht mehr den allgemei- ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das nen Regelungen. Die Beamtenorganisationen haben 7342 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Gscheidle deshalb im Laufe dieses Jahres wiederholt an die 16. April 1964 enthaltene Konkurrenzklausel wider Bundesregierung appelliert, die bisherigen Sätze der spricht einer Entscheidung, die dieses Parlament in allgemeinen Entwicklung anzupassen, und in diesem § 16 des Bundesbesoldungsgesetzes getroffen hat. Zusammenhang ein 13. Monatsgehalt gefordert. (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sehr richtig!) Bei den Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Entsprechende Vorstellungen beim Bundesminister Angestellten im öffentlichen Dienst haben der Bund, des Innern haben im Verlauf dieses Jahres zu einer die Länder und die Kommunen auf die Forderung grundsätzlichen Zusage — die jedoch bislang nicht nach einem 13. Monatsgehalt zuletzt ein Angebot eingelöst wurde — für eine entsprechende Ände- von 331/3% der Monatsvergütungen bzw. der Mo- rung geführt. Die Konkurrenzklausel bei Gewäh- natslöhne und 20 DM pro Kind als Ablösung des rung der von uns geforderten Zulage, wenn näm- bisherigen Weihnachtsgeldes gemacht. Entspre- lich beide Ehegatten im öffentlichen Dienst be- chende Tarifverträge für diese Beschäftigungsgrup- schäftigt sind, wäre deshalb zu streichen. pen des öffentlichen Dienstes stehen vor dem Ab- schluß. c) Die Behandlung der Vollweisen. Bei der Ge- währung von Zuwendungen der dargestellten Art Aus dieser skizzierten Entwicklung ergibt sich ist ferner sicherzustellen, daß für ein Kind, für das unseres Erachtens folgendes: nach beamtenrechtlichen Vorschriften neben Voll- Erstens. Im Hinblick auf die allgemeine Entwick- waisengeld auch Kinderzuschlag gezahlt wird, lung in der Industrie und der gewerblichen Wirt- Weihnachtszuwendungen nicht gegenseitig aufge- schaft müssen die bisherigen Sätze der Weihnachts- rechnet werden. zuwendungen an Beamte, Richter des Bundes, Ver- Wir bitten Sie um Überweisung und rasche Be- sorgungsempfänger und Soldaten angehoben wer- handlung in den zuständigen Ausschüssen des Deut- den. Eine gleiche Behandlung aller Beschäftigten- schen Bundestags. gruppen im öffentlichen Dienst erscheint angebracht. Die Bundesregierung konnte im Hinblick auf diese (Beifall bei der SPD.) Entwicklung ihr bisheriges Verhalten in dieser Frage nicht fortsetzen, wie ich dargestellt habe, Vizepräsident Schoettle: Wird das Wort ge- ohne das Vertrauen der Beamten in die Fürsorge wünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister ihres Dienstherrn schwer zu schädigen. Auch nach des Innern. Kenntnis der Pressemitteilung über den Beschluß des Bundeskabinetts am heutigen Tag bleibt für mich die Frage offen, ob die Ruhestandsbeamten Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Präsi- einbezogen sind. Das ist aus der Pressemitteilung dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nicht ersichtlich, ebenso der Zeitpunkt der Aus- bestätige dem Kollegen Gscheidle sehr gerne, daß er zahlung. wegen der zeitlichen Inanspruchnahme sehr scho- nend mit uns verfahren ist. Sachlich sind seine Aus- Zweitens. Bei der Auszahlung des Weihnachts- führungen nicht in allen Punkten richtig. Ich darf geldes auf der Grundlage des Gesetzes über die sie ergänzen und verbessern. Gewährung von Weihnachtszuwendungen vom 16. April 1964 haben sich Befürchtungen bestätigt, (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zensor! — die seitens der SPD-Bundestagsfraktion schon bei Weitere Zurufe von der SPD.) der Beratung dieses Gesetzes vorgetragen wurden. — Nein! Ergänzen ist doch gut, und Verbessern Im Zusammenhang mit der Änderung dieses Ge- kommt uns allen zugute. setzes sollten diese Härten beseitigt werden. Dazu gehört: (Heiterkeit.) a) die Klärung der Rechtsnatur der Zuwendung.- Wir sind alle darauf angewiesen, richtig informiert Die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die zu werden, aber Ihre Darlegung war dafür nicht Weihnachtszuwendungen als Besoldungsbestandteil ausreichend. zu erklären, wurde von der Bundesregierung ab- Herr Kollege Gscheidle, es ist richtig, daß, wie gelehnt. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei Sie bemerkt haben, die Bundesregierung heute das diesen Zahlungen um einen Vermögensanspruch be- große Vertragswerk, das im Rahmen der Tarifver- sonderer Art, dessen Weiterentwicklung nach dem handlungen zustande gekommen war, die insgesamt gegenwärtigen Sach- und Rechtsstand noch nicht ab- 37 Stunden in Anspruch genommen haben, im we- schließend überblickt werden könne. Eine grund- sentlichen gebilligt hat. Das Vertragswerk bezieht sätzliche Normierung könne deshalb nicht erfolgen, sich auf der einen Seite auf den Komplex der Weih- weil hierzu mindestens ein unmittelbarer Bezug auf nachtszuwendungen und auf der anderen Seite auf die allmonatlich zustehenden Dienstbezüge vor- die Löhne und Vergütungen. Es hat insgesamt ein handen sein müsse. Mit der Erfüllung unserer erfreuliches Ergebnis erbracht. ersten Forderung wäre diese Voraussetzung ge- schaffen, und die Zuwendungen in Höhe von einem Ich darf seine entscheidenden Sätze hier einmal Drittel der Dienstbezüge müßten nunmehr aus- informationshalber bekanntgeben. Einmal wurden drücklich als Besoldungsbestandteil erklärt werden. die Löhne und Vergütungen für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst um 6 % angehoben, b) Die Streichung der Konkurrenzklausel. Die wobei die Definition bei den Arbeitern des öffent- in § 4 Abs. 2 der Verordnung zum Gesetz über die lichen Dienstes in Pfennigbeträgen zum Ausdruck Gewährung von Weihnachtszuwendungen vom kommt. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7343 Bundesminister Höcherl Zweitens wurde in der Frage des Weihnachtsgel- Zu Ihrer weiteren Frage, Herr Kollege Gscheidle, des ein ganz neuer Weg beschritten. Es gibt von was mit der Konkurrenzklausel sei, darf ich Ihnen nun an kein Weihnachtsgeld mehr in diesem Be- mitteilen, daß die Konkurrenzklausel im Tarifver- reich der Tarifordnung, sondern wir haben mit einer trag aufgelöst ist und daß sie sich mit der Neuord- ersten Stufe eines 13. Monatsgehalts begonnen, und nung, mit dem Übergang auf ein dreizehntes Monats- zwar mit 331/3%. Über die Bemessungsgrundlage gehalt in einer ersten Stufe in der bisherigen Form wird in diesen Tagen noch verhandelt. Ich bin über- erledigt. Anders liegen die Dinge bei der Frage der zeugt, daß man sehr bald zu einer Einigung kommt, Erklärung zu einem Besoldungsbestandteil. Damit einer Einigung, die vor allem im Bereich der groß- wird ein ganz großer Komplex und eine im wesent- städtischen Gemeinden und bei Verkehrsbetrieben lichen prinzipielle Frage angesprochen. Ich glaube, gewisse Schwierigkeiten gebracht hat. daß diese Frage im Ausschuß erledigt werden muß. Drittens darf ich bemerken, daß zum erstenmal Nun noch ein weiteres. Sie haben natürlich mit auch dem Arbeiter im öffentlichen. Dienst eine zu- Ihrer Vorlage hier einen Einzelgang, einen Vorlauf sätzliche Leistung gewährt werden kann, indem vorgelegt, genauso wie schon bei dem rechtlichen — auch auf Vorschlag der Arbeitgeber — ein Sozial- Status, indem Sie nämlich die Annahme dieses Ver- zuschlag gegeben wird zum Ausgleich. der Kinder- tragswerks nicht abgewartet haben. Die Bundes- geldleistungen, die bei Beamten und bei Angestell- regierung ist der Meinung, daß man in einer solchen ten im Ortszuschlag enthalten sind. Das sind 15 DM Frage, die weitgehend auch die Länder und Gemein- und ab sechs Kindern 20 DM. den berührt, doch den ordentlichen Gesetzgebungs- weg einhalten sollte. Die Vorlage ist ja in Auftrag Beachtenswert und bemerkenswert sind vor allem gegeben, und die Anhörungen finden statt. Man noch die Umstände, daß die Vereinbarung dieser sollte aber dem Bundesrat die Möglichkeit geben, ersten Stufe für ein 13. Monatsgehalt auf drei Jahre sich vorher zu äußern, weil er in weiten Bereichen abgeschlossen ist, daß die lineare Anhebung der und in bedeutenden, auch in wirtschaftlichen Inter- Vergütungen auf 15 Monate lautet und daß eine essen davon betroffen ist. Es ist richtig, Herr Kollege Vereinbarung in der Frage der Kündbarkeit der Schmitt, Sie wollen wohl sagen — — Arbeitszeit dahin erzielt werden konnte, sie bis zum 31. März 1966 zu sistieren. Dazu kommen eine (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Minister, ganze Reihe von Nebenleistungen, die man insge- nachdem wir die Weihnachtszuwendung für samt als Rankenwerk angesprochen hat und in de- 1962 erst im Gesetz von 1964 hatten, will nen auch noch wesentliche Verbesserungen für die ich jetzt dafür sorgen, daß die Gesetzgebung sen Bereich enthalten sind. etwas flüssiger geht!)

Dieser Abschluß ist im wesentlichen heute be- —Ja, das verstehe ich schon. Aber die Leute wollen stätigt worden. Die Bundesregierung hat in Ergän- ja nicht ein Gesetz, sondern sie wollen ihr Geld, zung dessen aus eigenem Recht heute beschlossen, und das sollen sie kriegen. daß allen Beamten und Versorgungsempfängern des (Heiterkeit. — Zuruf von der Mitte: Sie Bundes eine angemessene Regelung ebenfalls in wollen beides!) der Form einer ersten Stufe eines 13. Monatsgehalts gewährt werden soll. Die Versorgungsempfänger Wie aus der Historie des Herrn Kollegen Gscheidle sind also einbegriffen. zu entnehmen ist, mußte dem Innenminister ja auch bestätigt werden, daß er einen Vorschuß und dann Wir werden uns auch bemühen, im Einklang mit eine Vorauszahlung bis zum Inkrafttreten des Ge- dem Parlament, in diesem Fall mit dem Haushalts- setzes gewähren konnte und daß er das gegeben ausschuß, Maßnahmen zu treffen, um im Wege der hat, was der Personenkreis, der Anspruch auf un- Vorschußleistung und der Anrechnung des -bereits sere Fürsorge hat, von uns erwarten kann. gezahlten Weihnachtsgeldes noch einen wesent- Es würde aber immerhin gut sein, und ich würde lichen Teil dieser Beträge vor Weihnachten zur Aus- Ihnen sehr dankbar sein, Herr Kollege Schmitt- zahlung zu bringen, obwohl es nicht ganz uninter- Vockenhausen, der Sie als Vorsitzender des Aus- essant wäre, im Hinblick auf die Steuergesetzgebung schusses darüber zu befinden haben, wenn beide auf den 1. Januar 1965 abzuheben; es wäre etwas Vorlagen gemeinsam behandelt würden. Ich glaube mehr. Wenn also die technische Ausführung nicht nicht, daß der Personenkreis die Differenz von drei mehr möglich ist, sollte niemand sich grämen; er be- oder vier Tagen so honorieren wird. Es ist doch so, kommt mehr, als er vorher bekommen kann. Damit daß wir von .der Koalition — und ich bestätige gern, ist auch die Frage wegen der Versorgungsempfänger auch die Vertragspartner bei den Tarifverhandlun- beantwortet. gen, die der äußere Anlaß waren — uns in der glei- Was nun den „Leidensweg" betrifft, Herr Kollege chen Richtung bewegt haben. Es hat keine Verhand- Gscheidle, nun, der Leidensweg hatte seine Gründe lungen gegeben, bei denen nicht schon von der vor allem darin, daß nach der Meinung der Regie- ersten Sekunde an auf 'diese Entwicklung hin ver- rung die Frage der 'bisherigen Zuwendungen eines handelt worden wäre. Weihnachtsgeldes doch im Besoldungsbereich ein Insgesamt gesehen muß ich sagen, es ist ein Akt Fremdkörper war. Ich bin froh, daß es heute möglich der Fürsorge, ein Akt auch einer großzügigen Für- ist, diesen Fremdkörper abzulösen und ihn durch sorge, die so oft bestritten worden ist; und wir sind eine Regelung zu ersetzen, die angemessen ist und Ihnen außerordentlich dankbar dafür, daß Sie end- die in das Besoldungsrecht paßt. lich dazu beitragen, die Dinge zu einem guten 7344 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Bundesminister Höcherl und weihnachtlich befriedigenden Abschluß zu brin- den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmelde- gen. wesen zur Mitberatung. — Diesen Vorschlägen wird (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Was heißt nicht widersprochen; es ist so beschlossen. hier endlich? Endlich haben wir die Bundes regierung so weit, daß sie unseren Über Ich rufe auf den Punkt 14 der Tagesordnung: legungen und Vorschlägen folgt!) Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirt- Vizepräsident Schoettle: Wird weiter das schaftsausschusses (16. Ausschuß) über den Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ schließe die Aussprache. Die beiden Vorlagen sollen CSU, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs überwiesen werden an den Ausschuß für Inneres des Haushaltsgesetzes 1962 — federführend — und an den Haushaltsausschuß hier: Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Wird diesen Bundesministers für Wirtschaft (Drucksache Überweisungsvorschlägen widersprochen? — Das IV/2728, Umdruck 72). ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen. Berichterstatter ist der Abgeordnete Mertes. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt und außer- Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: dem seinen Bericht noch ergänzt und die Ergänzung Erste Beratung des von der Bundesregierung zu Protokoll gegeben *). eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Satzung der Europäischen Schule (Drucksache Die Aussprache ist geschlossen. IV/2733). Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer dem An- Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- trag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich wünscht? — Das ist nicht der Fall; die Aussprache um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — ist geschlossen. Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist Die Vorlage soll überwiesen werden an den Aus- einstimmig angenommen. schuß für Kulturpolitik und Publizistik — federfüh rend —, an den Ausschuß für Auswärtige Angele- Ich rufe auf den Punkt 15 der Tagesordnung: genheiten — mitberatend — und an den Haushalts- ausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Diesen Beratung des Schriftlichen Berichts des Vorschlägen wird nicht widersprochen. Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Es ist so beschlossen. Einundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontin- Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: gente für Weine aus Griechenland) (Druck- sachen IV/2579, IV/2729). Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Siemer, Burgemeister, Riedel (Frankfurt) und Berichterstatter ist der Abgeordnete Bading; er Genossen eingebrachten Entwurfs eines Ge- hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Der Antrag setzes zur Änderung des Gesetzes über die des Ausschusses lautet: Gebühren der Schlachtviehmärkte, Schlacht- Der Bundestag wolle beschließen, häuser und Fleischgroßmärkte sowie der hier- der Verordnung — Drucksache IV/2579 — zu ergangenen Verordnungen (Drucksache unverändert zuzustimmen. IV/ 2737). Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegen- gewünscht; die Aussprache ist geschlossen.- probe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Die Vorlage soil an den Ausschuß für Ernährung, Keine Enthaltungen. Der Antrag des Ausschusses Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für ist einstimmig angenommen. Kommunalpolitik und Sozialhilfe überwiesen wer- den. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen. Ich rufe die Punkte 16, 17 und 18 zusammen auf: Es ist so beschlossen. Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- schusses für Verkehr, Post- und Fernmelde- Ich rufe auf den Punkt 10 der Tagesordnunng: wesen (23. Ausschuß) über den von der Bun- Erste Beratung des von den Abgeordneten desregierung zur Unterrichtung vorgelegten Varelmann, Meis, Drachsler, Dr. Aschoff, Dr. Vorschlag der Kommission der EWG für eine Imle, Arendt (Wattenscheid), Hörmann (Frei- Verordnung des Rats über die Einführung burg) und Genossen eingebrachten Entwurfs gemeinsamer Regeln für den grenzüberschrei- eines Gesetzes zur Änderung des Beförde- tenden Straßenpersonenverkehr (Druck- rungsteuergesetzes (Drucksache IV/2697). sachen IV/2178, IV/2738); Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. schusses für Verkehr, Post- und Fernmelde wesen (23. Ausschuß) über den von der Bun Die Vorlage soll überwiesen werden an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an *) Siehe Anlage 7 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7345 Vizepräsident Schoettle desregierung zur Unterrichtung vorgelegten Ich rufe Punkt 21 auf. Vorschlag der Kommission der EWG für eine (Zuruf: Punkt 19!) Verordnung des Rats über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des — Nein, Punkt 19 wird am Freitag aufgerufen. Sie Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsver- müssen am Freitag auch etwas zu tun haben, Herr kehrs (Drucksachen IV/2423, IV/2739) ; Kollege.

Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts Ich rufe also Punkt 21 auf: des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fern- meldewesen (23. Ausschuß) über die von der Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- schusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) ten Vorschläge der Kommission der EWG über die von der Bundesregierung vorgeleg- an den Rat für Richtlinien, Entscheidungen ten Vorschläge der Kommission der EWG für und Verordnungen betreffend Verkehrswesen — ich bitte um Entschuldigung, ich kann nichts dafür, (Drucksachen IV/1313, IV/2740). es geht nicht auf meine Kappe — Es handelt sich hierbei um Berichte des Ausschus- eine Richtlinie des Rats zur Änderung der ses für Verkehr-, Post- und Fernmeldewesen über Richtlinie des Rats zur Angleichung der Vorschläge der Kommission der EWG an den Rat. Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Der Ausschuß empfiehlt, in allen drei Fällen von färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwen- den Vorschlägen der Kommission Kenntnis zu neh- det werden dürfen, men. eine Richtlinie des Rats zur Angleichung der Berichterstatter zu allen drei Vorlagen ist der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Abgeordnete Faller. Wünscht er das Wort? — Das Antioxydantien, ist nicht der Fall. (Zuruf von der Mitte: Erbarmung!) Ich komme zur Abstimmung über die Ausschuß- anträge auf den Drucksachen IV/2738, IV/2739 und — ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen — IV/2740. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein die Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Keine Gegen- in Lebensmitteln verwendet werden dür- fen stimmen. Enthaltungen? — Ebenfalls nicht. Damit (Drucksachen IV/2528, IV/2769). sind die Anträge des Ausschusses einstimmig ange- Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Jung- nommen. mann. Ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abgeord- neten liegt vor. Wer dem Antrag des Ausschusses (D) Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: auf Drucksache IV/2769 zustimmen will, .den bitte ich Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — schusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine. Der über den von der Bundesregierung zur Unter- Antrag des Ausschusses ist angenommen. richtung vorgelegten Vorschlag der Kommis- sion der EWG für eine Richtlinie des Rats Ich rufe Punkt 22 auf: zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmit Beratung des Antrags der Abgeordneten teln(Drucksachen verwendet werden dürfen Wächter, Logemann, Sander, Walter, Ertl und IV/2672, IV/2768). Genossen Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. betr. Qualitätssteigerung und Rationalisie- Jungmann; er hat einen Schriftlichen Bericht vor- rung in der Molkereiwirtschaft (Drucksache gelegt. Das Haus wünscht keine Ergänzung -des Be- IV/2727). richts. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag soll Der Antrag des Ausschusses lautet: an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushalts- Der Bundestag wolle beschließen: ausschuß überwiesen werden. Wird diesen Über- 1. Der Vorschlag der Kommission der EWG für weisungsanträgen widersprochen? — Das ist nicht eine Richtlinie des Rats zur Festlegung spe- der Fall. Es ist so beschlossen. zifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet wer- Ich rufe Punkt 23 auf: den dürfen (Drucksache IV/2672), wird zur Beratung der Übersicht 25 des Rechtsaus Kenntnis genommen. schusses (12. Ausschuß) über die dem Deut- 2. Der Bundesregierung wird empfohlen, darauf schen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor hinzuwirken, daß die von ihr erkannten Män- dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache gel bei den weiteren Beratungen beseitigt IV/2714). werden. Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer dem Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegen- ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe probe! — Keine Gegenstimmen. Der Antrag des bitte! — Keine Gegenstimmen. Der Antrag des Aus- Ausschusses ist angenommen. schusses ist angenommen. 7346 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 Vizepräsident Schoettle Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Donnerstag, den 3. Dezember, 14 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 20.28 Uhr.)

Berichtigung

Es ist zu lesen: 147. Sitzung Seite 7231 C Zeile 3 von unten statt „nachher den" : nachher nicht den. Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7347

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Liste der beurlaubten Abgeordneten b) Urlaubsanträge Dr. Atzenroth 31. 12. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Blachstein 31. 12. a) Beurlaubungen Dr. Dittrich 19. 12. Gaßmann 31. 12. Bading ** 3. 12. Dr. Gossel 19. 12. Bauer (Würzburg) * 5. 12. Hahn (Bielefeld) 31. 12. Bazille 15. 12. Hammersen 30. 1. Frau Berger-Heise 3. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 1. Berkhan * 5. 12. Peters (Poppenbüll) 19. 12. Fürst von Bismarck * 5. 12. Dr. Preiß 31. 12. Dr. h. c. Brauer* 5. 12. Frau Strobel ** 13. 12. Corterier * 5. 12. Eisenmann 4. 12. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Erler * 5. 12. ** Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) * 5. 12. Parlaments Dr. Dr. h. c. Friedensburg 2. 12. Dr. Furler * 5. 12. Gedat 15. 12. Anlage 2 Umdruck 511 Dr. Gradl 4. 12. Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Dr. von Haniel-Niethammer 4. 12. Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP Dr. Hellige 4. 12. - Drucksache IV/2695 - betr. Situation des Ener- Herold 4. 12. giemarktes, insbesondere Lage des Steinkohlen- Frau Dr. Hubert * 5. 12. bergbaus Jacobs * 5. 12. Dr. Jaeger * 5. 12. Der Bundestag wolle beschließen: Kahn-Ackermann * 5. 12. 1. Der Deutsche Bundestag Dr. Kliesing (Honnef) * 5. 12. Dr. Kopf * 5. 12. - teilt die Auffassung der Bundesregierung, Kriedemann ** 4. 12. daß die Unsicherheit im Steinkohlenbergbau Leber 2. 12. umgehend beseitigt und den Bergleuten und Lenze (Attendorn) * 5. 12. Unternehmen das notwendige Vertrauen in Maier (Mannheim) 4. 12. die Zukunft eines leistungsfähigen Bergbaus Frau Dr. Maxsein * 5. 12. und die dazu erforderliche Sicherheit erhal- Memmel * 5. 12. ten werden muß; Dr. von Merkatz * 5. 12. - begrüßt die Erklärung der Bundesregierung, Dr. Meyer (Frankfurt) * 5. 12. die wirtschaftspolitischen Maßnahmen so aus- Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 2. 12. zurichten, daß im Zusammenwirken mit den Freiherr von Mühlen * 5. 12. Bemühungen des Bergbaus Absatzverhält- Paul * 5. 12. nisse geschaffen werden, die einer Stein- Frau Dr. Probst ** 2. 12. kohlenförderung von 140 Millionen Jahres- Rademacher 2. 12. tonnen entsprechen; Frau Renger * 5. 12. - ist beeindruckt von dem Ausmaß der beim Richarts ** 4. 12. Rationalisierungsverband des Steinkohlen- Rohde ** 2. 12. bergbaus angemeldeten Stillegungen und Dr. Rutschke * 5. 12. bittet die Bundesregierung, alles zu tun, daß Dr. Schmid (Frankfurt) * 5. 12. allein der mit dem Gesetz über den Ratio- Dr. Schneider (Saarbrücken) 4. 12. nalisierungsverband verfolgte Rationalisie- Dr. Seffrin * 5. 12. rungszweck erreicht wird. Er hält es für drin- Seidl (München) * 5. 12. gend erforderlich, dabei die Leistungsfähig- Dr. Serres * 5. 12. keit der zur Stillegung angemeldeten Zechen Dr. Starke 2. 12. im Vergleich zu den Zechen des Gemein- Storch ** 3. 12. samen Marktes sowie die langfristige Versor- Dr. Süsterhenn * 5. 12. gung mit den notwendigen Kohlearten zu be- Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 3. 12. rücksichtigen; Dr. Wahl * 5. 12. - begrüßt die Maßnahmen, die die Bundes- Weinkamm ** 2. 12. regierung und die Hohe Behörde zur Milde- Welke 5. 12. rung sozialer Härten vorgesehen haben. Im Wienand * 5. 12. Interesse der betroffenen Bergleute, der mit Wischnewski ** 2. 12. ihnen wirtschaftlich und sozial verbundenen Dr. Zimmer * 5. 12. Bevölkerung, der Bergbaugemeinden und des 7348 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Bergbaus selbst fordert er die Bundesregie- Anlage 3 Umdruck 514 1 rung auf, alles zu tun, damit die Bergleute aus ihrer betrieblichen, fachlichen, familiären Antrag der Fraktion der SPD zu den Großen An- und persönlichen Umwelt nur in den unver- fragen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP — Druck- meidbaren Fällen herausgerissen werden; sache IV/2695 — betr. Situation des Energiemarktes, insbesondere Lage des Steinkohlenbergbaus und der — teilt die Auffassung der Bundesregierung, Fraktion der SPD — Drucksache IV/2721 — betr. daß die neuen großen Anstrengungen des Energiepolitik und Lage des Steinkohlenbergbaus. Bergbaus sowie die in letzter Zeit erneut ein- getretene Verschärfung der Situation zusätz- Der Bundestag wolle beschließen: liche Maßnahmen erforderlich machen. Er er- Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag wartet daher die von der Regierung ange- unverzüglich vorzulegen: kündigten Maßnahmen, insbesondere die Vorlage der vorgesehenen Gesetze über die 1. einen Bericht über die Ziele, die die Bundes- Förderung der Kohlenverwendung zur Strom- regierung hinsichtlich erzeugung mit steuerlichen Mitteln und die a) der Beteiligung der verschiedenen Träger der Anmeldepflicht für Raffinerien und Rohr- Energiewirtschaft an der Energieversorgung leitungen; der Bundesrepublik und — nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, daß b) der Preisrelationen auf dem deutschen Ener- sich Vertreter der Mineralölindustrie bereit giemarkt erklärt haben, einen wirksamen Beitrag zur verfolgt. Erleichterung der schwierigen Lage des Stein- kohlenbergbaus zu leisten. Er sieht mit der 2. Vorschläge für Maßnahmen, die verhindern, daß Bundesregierung die hierzu zugesagten Maß- die Bundesrepublik beim Zugang zu ausländi- nahmen hinsichtlich des künftigen Heizöl- schen Öl- und Gasquellen und bei der Einfuhr, angebots, insbesondere auch im Bereich der Herstellung und Verteilung flüssiger und gas öffentlichen Stromversorgung, als einen ge- förmiger Brennstoffe noch weiter in die Abhän- eigneten Weg an unter der Voraussetzung, gigkeit von den großen Mineralölkonzernen ge- daß das Heizöl und die übrigen Energieträger rät; nicht mehr als den jeweiligen Zuwachs des 3. den Entwurf eines umfassenden Energiewirt- Energieverbrauchs in Anspruch nehmen und schaftsgesetzes, durch das einer Energieaufsicht alles geschieht, um diese Maßnahmen nach- die Möglichkeit gegeben wird, Maßnahmen zu haltig und umfassend wirksam zu machen. treffen, die den Verbraucher vor dem Mißbrauch 2. Um diese Wirksamkeit herbeizuführen, hält es wirtschaftlicher Macht schützen und den heimi- der Deutsche Bundestag für unerläßlich, daß die schen Energieträgern einen ihrer volkswirtschaft- Bundesregierung von der Möglichkeit der An- lichen Bedeutung entsprechenden Platz auf dem wendung des Außenwirtschaftsgesetzes Gebrauch deutschen Energiemarkt sichern. macht. Er fordert daher im Anschluß an seine Bonn, den 2. Dezember 1964 Entschließung vom 16. Mai 1962 — Umdruck 101 (neu) — die Bundesregierung auf, unver- Erler und Fraktion züglich die Einfuhr von Rohöl und Heizöl nach § 10 Außenwirtschaftsgesetz in die Liste der Genehmigungspflichtigen Wareneinfuhren einzu- Anlage 4 Umdruck 510 beziehen unter Respektierung der Grundsätze der freien Wahl des Verbrauchers. Diese Sofort- Antrag der Fraktion der SPD zu den Großen An- maßnahme ist Voraussetzung, um die- vorge- fragen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP — Druck- nannten von Bundestag und Bundesregierung sache IV/2695 — betr. Situation des Energiemarktes, verfolgten Ziele zu erreichen, weil die angekün- insbesondere Lage des Steinkohlenbergbaus, und digten gesetzlichen Maßnahmen nicht sofort und der Fraktion der SPD — Drucksache IV/2721 — betr. die entsprechende Verordnung nach dem Außen- Energiepolitik und Lage des Steinkohlenbergbaus. wirtschaftsgesetz frühestens nach 9 Monaten wirksam werden können. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag 3. Angesichts der von der Bundesregierung dar- unverzüglich je einen Bericht vorzulegen: gelegten Situationen auf dem deutschen Energie- markt und der zu erwartenden Entwicklung in 1. über die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märk- den nächsten Jahren fordert der Deutsche Bun- ten der Bundesrepublik für Mineralölprodukte destag die Bundesregierung auf, das Energie- und Erdgas, der insbesondere Aufschluß über wirtschaftsgesetz zu auszugestalten, daß es alle folgende Fragen enthält: Primärenergien erfaßt und den Erfordernissen Mit welchen absoluten und prozentualen An- einer neuzeitlichen Energiepolitik gerecht wird. teilen an der Einfuhr, Herstellung und am Ab- Bonn, den 1. Dezember 1964 satz sowie an der Raffinerie-Kapazität und an den Verteilungsanlagen von Mineralölproduk- Dr. Barzel und Fraktion ten, insbesondere von Heizöl, sowie von Erd- Mischnik und Fraktion gas sind die international verflochtenen Mine- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7349

ralölgesellschaften, die inländischen Mineral- des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgeset- ölunternehmen, insbesondere die Bergbau- zes und Artikel 2 § 25 Abs. 2 des Knappschaftsren- unternehmen, die übrige deutsche Gruppe so- tenversicherungs-Neuregelungsgesetz werden ge- wie der unabhängige Importhandel beteiligt? strichen." Welches sind die entsprechenden Ziffern für die Unternehmen, an denen der Bund direkt Bonn, den 1. Dezember 1964 oder indirekt beteiligt ist? Erler und Fraktion Mit welcher Entwicklung der genannten Daten muß voraussichtlich in der Zukunft gerechnet werden? Anlage 6 Umdruck 512 Welches sind die vergleichbaren Daten für diese Märkte in den EWG-Ländern und in Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Großbritannien? zweiten Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes über 2. über die bisherige Tätigkeit des Rationalisie- die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen rungsverbandes im Steinkohlenbergbau, der un- Rentenversicherungen sowie über die Anpassung ter anderem Aufschluß geben soll aber: der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallver- 1. die Höhe der bisher vom Bund und vom sicherung (Siebentes Rentenanpassungsgesetz — 7. Rationalisierungsverband gezahlten Still- RAG) (Drucksachen IV/2666, IV/2753). legungsprämien und den nach den erfolgten Anmeldungen noch erwarteten Prämienauf- Der Bundestag wolle beschließen: wand, In § 13 Abs. 1 tritt an die Stelle des Wortes „Mai" das Wort „Dezember". 2. die Zahl der stillgelegten Schachtanlagen, deren Rentabilität besser ist als die Rentabi- Bonn, den 1. Dezember 1964 lität von Zechenanlagen in der Bundesrepu- blik oder in anderen EWG-Ländern, deren Erler und Fraktion Stillegung nicht vorgesehen ist, Anlage 7 3. die Höhe des zur Rationalisierung in An- spruch genommenen Bürgschafts- und Rück- Schriftliche Ergänzung bürgschaftsvolumens, des Abgeordneten Mertes zu dem Schriftlichen Be- 4. den Umfang der bereits durchgeführten, der richt des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/ in Angriff genommenen und der angemelde- 2728). ten Rationalisierungsinvestitionen, die auf- Das Für und Wider einer Warentesteinrichtung ist grund des Gesetzes zur Förderung der Ratio- seit einigen Jahren und zunehmend in der letzten nalisierung im Steinkohlenbergbau steuerlich Zeit in der breiten Öffentlichkeit, bei Verbänden, begünstigt werden. Regierungsstellen und auch hier im Bundestag er- Mit welchem effektiven Rationalisierungserfolg örtert worden. Man konnte dabei fast den Eindruck kann aufgrund dieser Maßnahmen gerechnet gewinnen, nun sei der Stein der Weisen gefunden. werden? Doch das ist sicher stark überbetont. Die Bildung eines Warentestinstituts löst nicht alle Probleme. Bonn, den 13. November 1964 Vergleichende Warentests können zwar die Markt- Erler und Fraktion übersicht der Verbraucher verbessern, aber natürlich nur in begrenztem Umfang. Es Ist klar, daß bei einem Angebot von etwa 500 000 verschiedenen Anlage 5 Umdruck 513 Konsumerzeugnissen jeweils nur ein ganz kleiner Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Sektor vergleichenden Warentests unterzogen wer- zweiten Beratung des von der Bundesregierung ein- den kann. Allerdings dürfte es sich hierbei gerade gebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes über um den interessantesten Bereich handeln, in dem ein die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen besonders dringendes Bedürfnis nach Information Rentenversicherungen sowie über die Anpassung besteht, etwa um komplizierte technische Güter, der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallver- Kunststofferzeugnisse u. ä.

sicherung (Siebentes Rentenanpassungsgesetz — 7. Daneben bleibt die Notwendigkeit einer breiten RAG) (Drucksachen IV/2666, IV/2753). Verbraucherunterrichtung durch Schaffung von wei- teren Beratungs- und Informationsmöglichkeiten be- Der Bundestag wolle beschließen: stehen. Hinzuweisen ist z. B. auf die Vorschriften 1. In § 5 Abs. 1 sind die Worte „den Sonderzu- über die Preisauszeichnung, Handelsklassen, Grö- schuß und" zu streichen. ßenvorschriften (im Rahmen des Maß- und Gewichts- 2. In § 5 wird Absatz 4 gestrichen. gesetzes) sowie auf die Einrichtung von Beratungs- stellen und die Herausgabe von aufklärenden 3. Folgender neuer § 5 a wird eingefügt: Schriften. Das Ziel, nämlich richtiges Verbraucher- „§5a verhalten zu fördern, eine zweckmäßige Einkom- Artikel 2 § 36 Abs. 2 des Arbeiterrentenversiche- mensverwendung zu unterstützen und den Wett- rungs-Neuregelungsgesetzes, Artikel 2 § 35 Abs. 2 bewerb anzuregen, kann nur durch eine Vielzahl 7350 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 ineinandergreifender Maßnahmen erreicht werden, es sich aber darum handelt, zu verhindern, daß wobei diese Maßnahmen sowohl staatlicher als auch Verbrauchern minderwertige Waren aufgeschwätzt freiwilliger Art — wie beispielsweise Gütezeichen werden, dann kann hier nach meiner Meinung keine und kontrollierte Warenkennzeichnungen — sein gesetzliche Regelung helfen. Hier ist vielmehr der können. Die Information der Verbraucher durch ver- typische Fall gegeben, daß der einzelne in seiner gleichende Warentests ist nicht mehr als ein Mittel Entscheidung frei bleiben muß, ihm aber bei Wah- neben einer ganzen Reihe von anderen Mitteln zur rung seiner freien Entscheidung ausreichende Mög- Verbraucheraufklärung. Ein Preiswettbewerb kann lichkeiten zur Information gegeben werden sollten. nur funktionieren, wenn der Verbraucher die Einen wesentlichen Fortschrtit in dieser Richtung Warenkenntnisse besitzt, die notwendig sind, um bedeutet die Errichtung der „Stiftung Warentest" die Preiswürdigkeit des Warenangebots beurteilen durch die Bundesregierung. zu können. Der Beratung des Wirtschaftsausschusses lagen So gesehen verliert die Errichtung einer „Stiftung der Vorschlag der Bundesregierung zur Errichtung Warentest" ihre vermeintlichen Schrecken für die einer „Stiftung Warentest" und der Antrag der Wirtschaft. Sind Besorgnisse auch begreiflich, so SPD zu einem Gesetz zur Errichtung eines Waren- scheinen die möglichen Gefahren doch erst mit Hilfe testinstituts zugrunde. Bei der Erörterung wurden von Euckens „pointierend hervorhebender Methode" die Probleme besonders untersucht, die für Objek- sichtbar gemacht worden zu sein, oder wie man auch tivität und Neutralität der Warentesteinrichtung sagen könnte: „übertreiben macht anschaulich". Es von Bedeutung sind, die Frage der Unabhängigkeit ist nicht so, daß durch vergleichende Warentests, vom Staat und des Umfangs der Haftung, die Aus- wie sie vorgesehen sind, die Wirtschaft in irgend- wirkung der vorgeschlagenen Organisationsformen ein Zwangskorsett geschnürt werden könnte. Ver- auf die praktische Arbeit und schließlich die dabei nünftige Tests einer unabhängigen Einrichtung — entstehenden Kosten. Außerdem wurde die Mög- die gerade auch vom Staat unabhängig ist — wer- lichkeit der Mitwirkung der bisher schon an der den sicherlich eine gewisse Wirkung haben. Sie Bildung eines Warentestinstituts interessierten werden beispielsweise für die Sortimentsgestaltung Gruppen bzw. Verbände gründlich geprüft. des Handels und die Produktionsplanung des Her- Der Wirtschaftsausschuß hat sich nach eingehen- stellers von großer Bedeutung sein. Daß die Wir- der Beratung entschlossen, dem Vorschlag der Bun- kung aber nicht über eine sinnvolle Typenbereini- desregierung zur Errichtung einer „Stiftung Waren- gung oder Produktanpassung hinausgeht, zeigen die test" zuzustimmen und damit den Antrag der SPD vielfältigen Erfahrungen im Ausland. Eine solche als erledigt anzusehen. Wirkung liegt im Interesse aller, auch des einzelnen Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundes- Betroffenen. tages hat sich in seiner Sitzung vom 12. 11. 1964 1 In den Beratungen des Wirtschaftsausschusses dieser Entscheidung des federführenden Wirtschafts- bestand grundsätzliche Übereinstimmung über die ausschusses angeschlossen. Notwendigkeit, ein Warentestinstitut zu schaffen. Der Wirtschaftsausschuß bittet nunmehr den In bezug auf die Gestaltung einer solchen Institution Deutschen Bundestag, auf der Grundlage und im gab es verschiedene Vorstellungen. Doch das Ziel Sinne des vorliegenden Berichts seiner Entschei- war stets dasselbe: Errichtung einer neutralen, ob- dung zuzustimmen. jektiven, von Interessenten und vom Staat unab- hängigen, leistungsfähigen Einrichtung. Aus dieser prinzipiellen Übereinstimmung heraus kam der Wirtschaftsausschuß zu dem Entschluß, den Vor- Anlage 8 schlag der Bundesregierung zur Errichtung einer Schriftliche Antwort „Stiftung Warentest" zu befürworten und auf seine möglichst baldige Verwirklichung zu drängen. des Bundesministers Höcherl für den Bundesminister Dazu noch einen allgemeineren Gedanken zur — der Vorsitzende des Bundesverteidigungsrates Verbraucherpolitik: Wir beschäftigen uns hier im vom 13. November 1964 auf die Mündliche Anfrage Bundestag in Zusammenhang mit Gesetzen immer des Abgeordneten Hammersen (Drucksache IV/2709 wieder mit dem Schutz des Verbrauchers. So Frage V) : wie ich werden auch sie immer wieder mit Teilt die Bundesregierung die kürzlich von einem bekannten Militärtheoretiker vertretene Auffassung, daß alle Energien, die Forderungen auf eine Erweiterung dieses Schut- für die Militärpolitik aufgewandt werden, „so zu lenken" seien, zes konfrontiert. Dabei wird häufig gerade daß sie dem militärischen Inst rument zugute kommen", da im Atomzeitalter „jede Hoffnung auf Schutz der Zivilbevölkerung zu auch ein gesetzlicher Schutz des Verbrauchers vor einer Illusion zusammenschrumpfen" müsse und daher „eine Militärpolitik, welche auf starken Divisionen beharrt, besser ist unreellen Angeboten verlangt. Handelt es sich, als eine Sicherheitspolitik, bei der außerordentliche Summen für wie meistens, um Tatbestände, die mit den Bestim- einen fiktiven Bevölkerungsschutz ausgegeben" würden (Adel- bert Weinstein in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom mungen des Grundgesetzes nicht vereinbar sind, 3. November 1964) ? so kann einem Begehren auf eine Regelung nicht entsprochen werden. Sofern es sich um Fragen der Die Bundesregierung teilt die von Ihnen zitierte Gesundheit oder der Sicherheit handelt — ich er- Auffassung eines Militärtheoretikers nicht, wonach innere an das Arzneimittelgesetz und den dem Bun- jeder Bevölkerungsschutz fiktiv sei. destag vorliegenden Entwurf über die Werbung Die Gefährdung der Zivilbevölkerung in einem auf dem Gebiete des Heilwesens —, ist die Rege- Verteidigungsfall ist gerade im Atomzeitalter so lung durch Gesetz selbstverständlich geboten. Wenn vielfältig, daß jede verantwortungsbewußte Vertei- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7351

digungspolitik den höchstmöglichen Schutz anstre- Maßnahmen im GATT beteiligt. Von dem Ergebnis ben muß. Sie muß Vorkehrung gegen die dem Geg- dieser Untersuchung wird es abhängen, ob und ner zur Verfügung stehenden Aggressionsmittel welche Möglichkeiten sich für einen verstärkten treffen. Hierzu bedarf es eines ausgewogenen Ver- Schutz der gefährdeten Bereiche der Textilindustrie teidigungssystems, in dem die zivile Verteidigung ergeben. In der gegenwärtigen Lage sieht die Bun- gleichrangig neben der militärischen Verteidigung desregierung dazu noch keinen Anlaß. Die durch den steht. EWG-Vertrag vorgesehenen Schutzklauseln können gegenüber Großbritannien, das nicht EWG-Mitglied Die Auffassung der Bundesregierung, daß militä- ist, keine Anwendung finden. rische und zivile Verteidigung eine Einheit bilden, ist auch die unveränderte Meinung der NATO. Diese empfiehlt sogar den Mitgliedsstaaten ver- stärkte Bemühungen auf dem Gebiet des Zivil- Anlage 10 schutzes, insbesondere des Schutzraumbaues. Schriftliche Antwort Bundesregierung und NATO stimmen auch darin überein, daß der Kampfwert gerade der deutschen des Bundesministers Schmücker vom 25. November Verbände wegen der besonderen Gegebenheiten 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeord- weitgehend von den Vorsorgemaßnahmen für die neten Seibert (Drucksache IV/2709 Fragen VII/2, zivile Bevölkerung abhängt. Die von dein. zitierten VII/3 und VII/4) : Militärtheoretiker geforderten starken Divisionen Teilt die Bundesregierung nach den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit die Auffassung, daß eine Beseitigung der Preis- sind nur dann stark, wenn ihre Operationsfreiheit bindung der zweiten Hand oder zumindest die branchenweise gesichert ist. Das setzt aber wiederum einen aus- Festsetzung maximaler Handelsspannen zu einer Verbilligung der Lebenshaltung der Verbraucher führen wird? reichenden Schutz der Zivilbevölkerung voraus. Ist die Bundesregierung ebenfalls der Meinung, daß die nach Die Bundesregierung weiß sich in der Einschät- einer Entscheidung des Bundeskartellamtes mit Wirkung vom 16. August 1964 aufgehobene Waschmittelpreisbindung, deren zung der zivilen Verteidigung, ihrer Rückwirkung Einführung zu Beginn dieses Jahres Preiserhöhungen bis zu 30 % je Kilogramm Waschpulver bedingte, eine mißbräuchliche Preis- auf Kampfwert und Operationsfreiheit der Streit- festsetzung darstellte? kräfte sowie der Notwendigkeit praktischer Maß- Wird die Bundesregierung angesichts des Fehlens einer Preis- nahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung einig mit bindung in Frankreich, der beabsichtigten Beschränkung der Preisbindung in Belgien und des Verbots kollektiver Preisbindun- der breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages, gen in den Niederlanden im Interesse der wirtschaftlichen Inte- den Länderregierungen und der NATO. gration Schritte unternehmen, um auch in der Bundesrepublik eine Regelung vorzubereiten, welche eine spätere Angleichung der wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Preisbindung Hingegen glaubt die Bundesregierung nicht, daß erleichtern würde? die von dem zitierten Militärtheoretiker vertretene Auffassung von einem größeren Teil der Bevölke- Zu Frage 1 rung geteilt wird. Vielmehr glaubt sie, daß die Be- Die Bundesregierung ist auch nach den Erfahrun- völkerung von ihr aktive Maßnahmen erwartet. gen der jüngsten Vergangenheit der Ansicht, daß Deshalb will die Bundesregierung den Gedanken eine Beseitigung der Preisbindung der zweiten des Zivilschutzes in der Bevölkerung noch mehr Hand in vielen Fällen zu einer Verbilligung der als bisher verankern. Sie will abwegigen Theorien Lebenshaltung der Verbraucher führen kann. Preis- praktische Maßnahmen gegenüberstellen. senkungen können insbesondere dort erwartet wer- den, wo sich die Angebots-/Nachfragesituation, nachdem der Hersteller den gebundenen Preis zu- Anlage 9 letzt festgesetzt hat, in der Richtung eines Ange- botsüberhanges verändert hat oder wo der Her- Schriftliche Antwort steller von vornherein zu wenig Rücksicht auf die - tatsächlichen Marktverhältnisse genommen hat. So- des Bundesministers Schmücker vom 25. November lange das Preisbindungsprivileg fortbesteht, ist das 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bundeskartellamt bemüht, solche überhöhten ge- Schmidt (Kempten) (Drucksache IV/2709 Frage VII/1) : bundenen Preise im Wege der Mißbrauchsaufsicht Ist die Bundesregierung bereit, auf Grund der durch die zu beseitigen. 15%ige Erhöhung der Einfuhrzölle seitens Großbritanniens auch für die Textilindustrie in der Bundesregierung entstandenen Han- neuen Lage Überlegungen bezüglich eines verstärkten Schutzes Die branchenweise Festsetzung maximaler der gefährdeten Bereiche der Textilindustrie im Rahmen der im delsspannen für preisgebundene Markenwaren ist EWG-Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten anzustellen, die über die Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums in der nach Auffassung der Bundesregierung kein geeigne- Fragestunde vom 16. Oktober d. J. hinausgehen? tes Mittel, um überhöhte gebundene Preise zu be- Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die kämpfen. Ein derartiges Vorgehen würde voraus- 15%ige Importabgabe in Großbritannien sich auch setzen, daß neben die kartellrechtlichen Mißbrauchs auf den Export von Erzeugnissen der Textil- und vorschriften neue öffentlich-rechtliche Preisvor- Bekleidungsindustrie auswirken wird. Sie beobach- schriften treten. Die Bundesregierung lehnt dies aus tet diese Entwicklung mit Aufmerksamkeit. In der wohlerwogenen wirtschaftspolitischen Gesichts- Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten punkten ab. Haase am 4. November 1964 hat die Bundesregie- rung bereits darauf hingewiesen, daß sie gemeinsam Zu Frage 2 mit ihren EWG-Partnern in der GATT-Ratstagung Das Bundeskartellamt als für die Entscheidung zu- vom 30. Oktober 1964 gegen das britische Vorgehen nächst zuständige Behörde hat die Preisbindungen protestiert hat und sich an der Prüfung der britischen als mißbräuchlich angesehen. Die Bundesregierung 7352 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

teilt die Ansicht des Bundeskartellamtes. Allerdings Zu Frage 9: sind die Mißbrauchsverfahren noch nicht abge- Die Bundesregierung hat von der Darstellung in schlossen, so daß die zuständigen Gerichte noch ab- der Zeitschrift „PARDON" erst zu einem so späten weichend entscheiden können. Zeitpunkt Kenntnis erhalten, daß die sofort einge- Zu Frage 3 leiteten Untersuchungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Das Ergebnis der Prüfung werde Die sich gegen den Fortbestand der Preisbindung ich Ihnen baldmöglichst mitteilen. richtende Entwicklung in mehreren - europäischen und außereuropäischen Ländern wird von der Bun- Zu Frage 10: desregierung aufmerksam verfolgt. Darüber, daß Die Bundesregierung hält die Behauptungen der die zunehmende Integration der EWG-Staaten dazu Zeitschrift — vorbehaltlich des Untersuchungsergeb- zwingen wird, die Aufrechterhaltung des Preisbin- nisses — für unglaubhaft. dungsprivilegs von Zeit 2u Zeit wieder neu zur Diskussion zu stellen, waren sich die Mitglieder des Allgemein bemerke ich: Wirtschaftsausschusses schon bei der Beratung des Kartellberichts am Anfang dieses Jahres einig. Die Der sachgerechten Durchführung des Verfahrens zur Bundesregierung wird nicht zögern, Vorschläge zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wird von Angleichung des deutschen Kartellrechts zu machen, der Bundesregierung größte Aufmerksamkeit ge- falls die vertikale Preisbindung in anderen EWG- widmet. Die Vorsitzenden der Prüfungsgremien sind Ländern durch Gesetze oder behördliche Verfügun- in ihre Aufgaben eingewiesen und über ihre Pflich- gen überwiegend für unzulässig erklärt werden ten und Rechte belehrt. Bei ,der Entscheidung ist die sollte. gesamte Persönlichkeit des Antragstellers und sein sittliches Verhalten zu würdigen. Vom Kriegsdienst- verweigerer wird erwartet, daß er sich den Behör- den der Bundeswehrverwaltung gegenüber erklärt, Anlage 11 damit diese seine wahre innere Einstellung ergrün- den können. In der mündlichen Verhandlung müs- Schriftliche Antwort sen deshalb an den Antragsteller sachdienliche Fra- des Staatssekretärs Gumbel vom 19. November 1964 gen gerichtet werden. Die Vorsitzenden der Prü- auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten fungsgremien — Beamte der Bundeswehrverwaltung Felder (Drucksache IV/2709 Fragen IX/7 und IX/8) : —, die lediglich die Verhandlung führen, aber kein Stimmrecht haben, sind gehalten, bei der Befragung Haben nunmehr alle Truppenärzte, die zugleich Standortärzte sind, eine geeignete Schreibkraft zur Verfügung? Alter, Intelligenz und Bildungsgrad des Antragstel- lers zu berücksichtigen. Es ist unzulässig, die in der Teilt das Bundesverteidigungsministerium die Meinung der Truppenärzte, daß jeder über 600 Mann umfassende Sanitäts- Regel noch jugendlichen Wehrpflichtigen vor schwie- bereich über eine Schreibkraft verfügen müßte, die neben einer entsprechenden Allgemeinbildung ausreichende Kenntnisse in rige geistige und seelische Probleme zu stellen. Die Stenografie und Maschinenschrift aufweist? Rechtsstaatlichkeit des geübten Verfahrens hat das Zu Frage 7: Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Frage nach den Schreibkräften für die Trup- penärzte, die zugleich Standortärzte sind, kann ich nicht uneingeschränkt mit ja beantworten. Wenn im Anlage 13 Einzelfall eine geeignete Schreibkraft nicht vorhan- Schriftliche Antwort den ist, so liegt das ausschließlich an der Arbeits- marktsituation. Die erforderlichen Stellen stehen im des Bundesministers Stücklen vom 20. November Organisations- und Stellenplan jedenfalls zur Ver- 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten fügung. Dröscher (Drucksache IV/2709, Frage XI/9) : Ist der Herr Bundespostminister bereit, auf die Oberpostdirek- Zu Frage 8: tion Koblenz einzuwirken mit dem Ziel, daß die seit 1926 von der Stadt Bad Kreuznach und von der dortigen Kurverwaltung Ja. geforderte Postnebenstelle im Kurbezirk, die angesichts der wachsenden Ausdehnung der Stadt und der überregionalen Be- deutung des Bades immer dringlicher benötigt wird, eingerichtet wird? Ich bedaure, die Anfrage grundsätzlich mit „Nein" Anlage 12 beantworten zu müssen, und darf im einzelnen dazu Schriftliche Antwort ausführen:

des Staatssekretärs Gumbel vom 19. November 1964 Die Stadtverwaltung Bad Kreuznach hatte die Ein- auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten richtung eines Postamtes im Kurbezirk der Stadt be- Dr. Bechert (Drucksache IV/2709 Fragen IX/9 und antragt. Die Oberpostdirektion Koblenz hat den An- 1X/10): trag aus folgenden Gründen abgelehnt.

Ist die Darstellung, welche die Zeitschrift „Pardon" in der In Bad Kreuznach, das 37 000 Einwohner zählt, be- September-Nummer 1964, S. 30 bis 33, über die Verfahren bei stehen 2 Postämter. Die Einrichtung eines dritten gewissen Prüfungsausschüssen für Kriegsdienstverweigerer gege- ben hat, im wesentlichen richtig? Postamtes ist vorgesehen. Der Mittelpunkt des Kur-

Hält die Bundesregierung die in „Pardon" geschilderten Prü- betriebs, das Kurhaus, ist von den bestehenden fungsmethoden fur vertretbar und mit dem Sinn der Grund- Postämtern 1,2 bzw 0,9 km entfernt. Diese Entfer- gesetzbestimmung vereinbar, welche das Recht auf Kriegsdienst- verweigerung gewährleistet? nungen müssen nach den allgemein geltenden Richt- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7353 linien für die Einrichtung von Ämtern und Amtsstel- a) Wirtschaftliche Gründe: len des Postwesens als durchaus tragbar und auch Der Druck mit Zweifarben-Rotationsmaschinen, für Kurgäste zumutbar angesehen werden. Im Kur- also mit einer zweiten Farbe und einem zweiten bezirk sind außerdem 2 Amtliche Abgabestellen für Druckzylinder, würde die Druckkosten etwa ver- Postwertzeichen, 3 Münzfernsprecher und 2 Wert- doppeln. Die Herstellungskosten der amtlichen zeichengeber vorhanden. Damit ist dem Verkehrs- Fernsprechbücher würden dadurch um mehrere bedürfnis der Stadt und ihrer Kurgäste in vollem Millionen ansteigen. Umfang Rechnung getragen. Die Kurgäste — mit deren Interesse die Stadtverwaltung ihren Antrag b) Drucktechnische Gründe: vor allem begründet — sind nur verhältnismäßig Der Überdruck müßte so kräftig in der Farbe selten, etwa bei der Abhebung von Postspareinla- gehalten werden, daß er gut lesbar ist. Dadurch gen, auf die beiden Postämter angewiesen. Ältere wäre nicht zu vermeiden, daß zumindest die oder gehbehinderte Kurgäste finden dafür sicher feine Schrift teilweise schlecht oder ganz unleser- Unterstützung in ihren Hotels oder bei ihren Quar- lich wird. Müßten mehrere Ortsnetzkennzahlen tiergebern. auf derselben Seite 'abgedruckt werden, erhöht Die Einrichtung zusätzlicher Postanstalten wird sich die Gefahr der Verstümmelung der Einträge häufig von Stadt- und Landgemeinden gefordert entsprechend. unter Hinweis auf die ganz besonders gelagerten c) Betriebliche Gründe: Eigenheiten dieser Gemeinden. Sie würde jedoch in Die Wiedergabe einer einheitlichen Ortsnetz- jedem Einzelfall einen erheblichen Aufwand an Mit- kennzahl der Landesfernwahl ist bei dem derzei- teln und an Personalkosten erfordern, der bei der tigen Ausbau des Selbstwählferndienstes nur bekannten schwierigen Finanzlage der Post nicht zu sehr bedingt möglich. Wegen der begrenzten vertreten wäre. (Ein zusätzliches Annahmepostamt Aufnahmefähigkeiten der technischen Einrichtun- im Kurbezirk in der Stadt Bad Kreuznach würde die gen müssen zahlreiche Verkehrsbeziehungen Post selbst bei einfachsten Betriebsverhältnissen mit über den vereinfachten Selbstwählferndienst ab- Mehrausgaben in Höhe von 12 500 DM jährlich be- gewickelt werden. Alle Verkehrsbeziehungen zu lasten.) Es kann daher nicht erwartet werden, daß und von einem Ortsnetz wiederzugeben, würde die Post auf alle an sie herangetragenen Wünsche vor allem bei größeren Ortsnetzen sehr auf- auf die Bereitstellung zusätzlicher Betriebseinrich- wendig und als Überdruck nicht mehr möglich tungen eingeht, wenn die Verkehrsverhältnisse und sein. Nur die einheitliche Ortsnetzkennzahl ab- das Verkehrsaufkommen solche Einrichtungen nicht zudrucken, ist aus den oben angegebenen Grün- unbedingt rechtfertigen. Ich darf bemerken, daß die den allein dann möglich, wenn das Ortsnetz unter Bundesrepublik mit 27 700 Ämtern und Amtsstellen einer einheitlichen Ortsnetzkennzahl der Landes- des Postwesens, auf die Bevölkerungszahl und die fernwahl erreichbar ist. Die Möglichkeit, die Orts- Gebietsgröße 'bezogen, in der ersten Reihe aller eu- netzkennzahl in diesen Fällen neben dem Orts- ropäischen Postverwaltungen steht. netznamen wiederzugeben, wird z. Z. geprüft. Sollte die Stadtverwaltung Bad Kreuznach jedoch Bei Ortsnetzen, die unter mehreren Ortsnetz- bereit sein, wie sie in den letzten Tagen angedeutet kennzahlen zu erreichen sind, kann daher auf hat, die gesamten Kosten für die Einrichtung der von das Nachschlagen im Verzeichnis der Fernsprech- ihr geforderten Postanstalt zu übernehmen, so Ortsnetze (AVON) nicht verzichtet werden. könnte ihrem Antrag nähergetreten werden. Die Oberpostdirektion Koblenz •steht deswegen noch mit Zu Frage 1.: der Stadtverwaltung in Verhandlungen. Die Möglichkeit, die Postleitzahlen in den Fern- sprechbüchern neben den Ortsnamen wiederzugeben, ist bei der Einführung der Postleitzahlen mehrfach Anlage 14 geprüft worden. Aus den soeben dargelegten be- Schriftliche Antwort trieblichen Gründen ist die Wiedergabe der Orts- netzkennzahl in den amtlichen, sowie in den nach des Bundesministers Stücklen vom 20. November amtlichen Unterlagen hergestellten Fernsprech- 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten büchern nicht oder nur sehr begrenzt möglich. Dr. Rinderspacher (Drucksache IV/2709 Fragen XI/10 Wenn nur die Postleitzahl neben dem Ortsnetz- und XI/11): namen abgedruckt werden würde, würde sie mit Ist die Bundesregierung bereit, bei den Fernsprechbuchver- Sicherheit als Ortsnetzkennzahl verwendet werden. lagen darauf hinzuwirken, daß sie zu allen Ortsangaben auf dem Kopf der Seiten der Fernsprechbücher und bei den Orts- Ein weiterer Grund, die Postleitzahl nicht neben überschriften des laufenden Verzeichnisses die Postleitzahlen dem Ortsnetznamen abzudrucken, ist folgender: Der mit eindrucken? betriebliche Aufbau des Post- und Fernmeldedienstes Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß in den d Fernsprechbüchern die Vorwählnummern in einem grauen Über- deckt sich vielfach nicht, . h., daß für die unter druck quer über den Seiten der Ortsverzeichnisse erscheinen? einem Ortsnetz aufgeführten Teilnehmer für die postalische Anschrift nicht dieselbe, sondern ver- Aus Gründen der besseren Verständlichkeit zu- schiedene Postleitzahlen zutreffen. Die Wiedergabe nächst zu Frage 2.: der Postleitzahl neben dem Ortsnetznamen würde Der Überdruck der Ortsnetzkennzahl ist aus wirt- somit auch postalische Fehlleitungen und damit Be- schaftlichen, drucktechnischen und betrieblichen triebserschwernisse statt -erleichterungen hervor- Gründen nicht angezeigt. rufen. Aus diesem Grunde wurde dem amtlichen 7354 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964

Fernsprechbuch ein besonderes Postleitzahlenver- Diese Bestimmungen gelten auch für die Lieferung zeichnis für die jeweiligen Orte .des AFeB-Geltungs- französischen Weizens nach China. bereichs beigebunden. Die von der Deutschen Bundespost angestrebte vielseitige Verwendbarkeit ihrer Verzeichnisse Anlage 17 konnte bisher nur beim Verzeichnis der Fernsprech- Ortsnetze (AVON) verwirklicht werden, weil sich Schriftliche Antwort hier Postleitzahl und Ortsnetzkennzahl eindeutig des Bundesministers Blank vom 16. November auf den Namen des Ortsnetzes beziehen. Trotz der 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeord- übersichtlichen Spaltenbezeichnungen in diesem neten Schmitt -Vockenhausen (Drucksache IV/2713, Verzeichnis konnte nicht verhindert werden, daß Frage IV): Teilnehmer die Postleitzahl als Ortsnetzkennzahl an- wenden. Sind Konsequenzen aus dem Forschungsbericht „Probleme der Arbeitsbereitschaft" von Prof. Dr. Dr. Erich Fechner, Tübingen, für die Gesetzgebung des Bundes vorgesehen? Der Forschungsbericht soll bei einer Neuregelung Anlage 15 der Arbeitszeitordnung als Material verwertet wer- Schriftliche Antwort den. Er stellt die bisher umfassendste Studie auf dem Gebiet der Arbeitsbereitschaft dar. Ob dem des Staatssekretärs Dr. Carstens vom 23. November Ergebnis des Forschungsberichts gefolgt werden 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten kann, läßt sich allerdings zur Zeit nicht sagen, da Ritzel (Drucksache IV/2713 Frage I) : sich die Diskussion über die Probleme der Arbeits- Weiß die Bundesregierung, daß arabische Staaten deutschen bereitschaft noch in vollem Fluß befindet. Privat- oder Geschäftsreisenden die Einreiseerlaubnis versagen, wenn die Pässe dieser Deutschen ein Einreisevisum für Israel Fechner vertritt die Auffassung, die Arbeitsbereit- enthalten? schaft lasse sich begrifflich nicht so erfassen, daß Der Bundesregierung ist die Praxis der arabischen eine vollauf befriedigende arbeitsschutzrechtliche Staaten bekannt. Von ihr werden im übrigen nicht Regelung möglich wäre. Es gebe nur folgende zwei nur deutsche Staatsangehörige, sondern auch Staats- Möglichkeiten zur Lösung des Problems: angehörige anderer Länder betroffen. „man überläßt die Regelung den mit dem Sach- Die arabischen Staaten begründen diese Haltung gebiet am nächsten befaßten Sozialpartnern, die mit dem Hinweis, daß sie bisher mit Israel noch von Fall zu Fall eine tragbare Lösung finden keinen Frieden, sondern lediglich Waffenstillstands- mögen und begnügt sich mit einer Generalklausel, abkommen geschlossen haben. Irak befindet sich die das dabei anzustrebende Ziel allgemein um- völkerrechtlich noch heute im Kriegszustand mit schreibt; oder man versucht einen neuen Weg der Israel. Zu ihrem Bedauern sieht die Bundesregie- exakten Feststellung des Intensitätsgrades der In- rung keine Möglichkeit, eine Sonderregelung für anspruchnahme, indem man diesen Intensitätsgrad deutsche Staatsangehörige bei den arabischen Staa- abstrakt zahlenmäßig festzustellen versucht". ten herbeizuführen. Andere Wissenschaftler halten dagegen eine De- finition des Begriffs der Arbeitsbereitschaft für mög- lich. So kommen die im Auftrag der Gewerkschaft Anlage 16 der Eisenbahner Deutschlands erstatteten Gutachten Schriftliche Antwort und auch das im Auftrag der Deutschen Bundesbahn erstattete Gutachten zu einer Bestimmung des Be- des Bundesministers Schwarz vom 23. November griffs der Arbeitsbereitschaft. Die Begriffsbestim- 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten mungen dieser Gutachten sind allerdings nicht ein- Reichmann (Drucksache IV/2713 Frage III) : heitlich.

Ist es zutreffend, daß französische Weizenlieferungen nach Das Problem der Arbeitsbereitschaft ist ferner, China durch den EWG-Garantiefonds subventioniert werden sollen? wie bereits der Herr Bundesminister des Innern in der 128. Sitzung des Deutschen Bundestages am Nach Art. 20 Abs. 2 der EWG-Getreidemarkt- 4. Juni 1964 ausgeführt hat, Gegenstand von Rechts- ordnung (Verordnung Nr. 19 EWG) sind die Mit- streitigkeiten. Auch nach meiner Auffassung sollten gliedsländer ermächtigt, bei der Ausfuhr von Ge- zumindest die Entscheidungen der Revisionsinstan- treide nach dritten Ländern Erstattungen zu gewäh- zen in diesen Rechtsstreitigkeiten abgewartet wer- ren, um den Unterschied zwischen den Preisen des den. Mitgliedslandes und den Weltmarktpreisen auszu- gleichen. Sofern es sich um die Ausfuhr von Über- schüssen handelt, kann nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Anlage 18 der Verordnung Nr. 25 EWG dem Mitgliedsland die gezahlte Erstattung aus dem europäischen Ausrich- Schriftliche Antwort tungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft ver- gütet werden, und zwar bei Ausfuhren im Getreide- des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 14. No- wirtschaftsjahr 1964/65 in Höhe von drei Sechstel vember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Ab- des Erstattungssatzes des Mitgliedslandes mit dem geordneten Baier (Mosbach) (Drucksache IV/2713, niedrigsten durchschnittlichen Erstattungsbetrag. Frage V) : Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1964 7355

Mit welchem Ergebnis hat das Bundesverkehrsministerium in In der Erwägung, daß die Bundesregierung für die Einhaltung den verflossenen Jahren neue Entwicklungen für Leitplanken des Grundgesetzes, also auch der Pressefreiheit, im gesamten zur Sicherung der von der Fahrbahn abkommenden Fahrzeuge Bundesgebiet, damit auch in Berlin, Sorge zu tragen hat, frage geprüft? ich die Bundesregierung: Sind die merkwürdigen Vorgänge in Berlin, bei denen das Presseamt des Senats Nachforschungen und Recherchen bei Einsendern von Leserbriefen ohne Wissen Die bisher im Auftrag des Bundesministers für der betreffenden Zeitung durchführen ließ, nach Auffassung der Verkehr durch das Innenministerium Baden Bundesregierung mit dem Grundgesetz vereinbar Württemberg durchgeführten Anfahrversuche an Leitplanken haben ergeben, daß die an den Bundes- Um bei den sich widersprechenden Pressemeldun- autobahnen aufgestellten Leitplanken in der Regel gen ein klares Bild von dem Sachverhalt zu be- das Überqueren des Mittelstreifens ohne erhebliche kommen, habe ich versucht, mir das Protokoll der Schadenwirkung an den mit der Leitplanke in Be- Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses vom rührung gekommenen Fahrzeugen verhindern. Es 5. November 1964 zu beschaffen, in der die in Ihrer wird angestrebt, auch in den ungünstigen Fällen, bei Anfrage erwähnten Vorgänge erörtert worden sind. denen besonders schwere Lastkraftwagen von der Leider ist das Protokoll noch nicht gedruckt, so daß Fahrbahn abkommen oder Fahrzeuge mit hoher ich zu Ihrer Frage nur in abstrakter Form Stellung Geschwindigkeit unter stumpfen Winkel gegen die nehmen kann. Leitplanke anfahren, den Schutz gegen ein Über- queren des Mittelstreifens zu erhöhen und die In Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes wird die Mei- Schadenwirkung an den betroffenen Fahrzeugen zu nungsfreiheit ebenso wie die Pressefreiheit gewähr- verringern. Zu diesem Zwecke sind bisher einzelne leistet. Im staatlichen Bereich tragen der Bund und neu entwickelte und verbesserte Leiteinrichtungen die Länder einschl. der Gemeinden die ungeteilte durch Anfahrversuche geprüft worden. Der Bericht Verantwortung dafür, daß die Grundrechte der Mei- über diese Untersuchungen liegt noch nicht vor. Der nungsfreiheit und der Pressefreiheit beachtet wer- Bundesminister für Verkehr ist jedoch darüber den. Die Vorgänge, auf die sich Ihre Frage bezieht, unterrichtet, daß sich durch nachträgliche konstruk- fallen primär in die Verantwortung des Landes Ber- tive Änderungen an den bereits aufgestellten Stahl- lin, leitplanken eine Verbesserung ihrer Wirkungs- weise in den genannten ungünstigen Fällen erzielen läßt. Die Meinungsfreiheit gilt auch für Meinungs- äußerungen in Form von Leserbriefen an eine Zei- Bei den Anfahrversuchen wurden auch Drahtseil- tung. abschrankungen und Aluminiumleitplanken geprüft. Die Anzahl der durchgeführten Anfahrten reicht Sofern der Verfasser eines Leserbriefes nicht ge- jedoch nach Mitteilung des Innenministeriums gen strafrechtliche Vorschriften verstößt, ist jede Baden-Württemberg für eine abschließende Beurtei- Behörde gehalten, bei Untersuchungshandlungen lung noch nicht aus. sich immer der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit bewußt zu bleiben. Anlage 19 Schriftliche Antwort Soweit Leserbriefe durch besondere tatsächliche des Bundesministers Höcherl vom 13. November Umstände in das von Art. 5 GG geschützte Rechts- 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten gut der Pressefreiheit fallen, ist die gleiche Zurück- Müller (Berlin) (Drucksache IV/2722) : haltung geboten.

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