07–08 2019 AnwaltsÖSTERREICHISCHES 429–524 blatt

438 PORTRAIT DES MONATS Elisabeth Selbert – Die Sternstunde ihres Lebens

439 ABHANDLUNGEN Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Leistbarer Zugang zum Recht Highlights aus dem Wartungerlass der Gebührenrichtlinien 2019

486 IM GESPRÄCH Prof. Dr. Armin Höland – Weniger Streit in Europa

www.rechtsanwaelte.at

Österreichische Post AG · MZ 02Z032542 M · Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Wollzeile 1–3, 1010 Wien · ISSN 1605-2544 2019ANWALTSTAG | 26. – 27. September © Simply Foto © Bryan Reinhart© Simply Foto EINLADUNG zum Anwaltstag 2019 vom 26. bis 27. September 2019 in Salzburg

Alle Informationen und das Anmeldeformular fi nden Sie unter www.anwaltstag.at Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an [email protected] 429 Editorial

Nach der Wahl ist vor der Wahl

ie EU-Wahl ist geschlagen. Das bedeutet neue Mehr- der EU gehen wird. D heitsfindung auf europäischer Ebene. Die Zusammen- Bleibt es bei der Ten- setzung der neuen Kommission für die Funktionsperiode denz der Verfolgung bis 2024 ist politisch zu verhandeln. Die post-Juncker Kom- von Rechtsstaatlich- mission soll nach Presse-Meldungen noch „selbstbewusster keitsdefiziten, und und mächtiger“ werden. In Österreich steht nach turbulen- wenn ja, in welcher ten innenpolitischen Zeiten eine Neuorientierung bevor. Form? Wie wird die Andere Mitgliedstaaten der EU haben richtungsweisende Diskrepanz zwischen Wahlen anstehen. Der Brexit mit seinen bislang primär Rechtsstaatlichkeits- der UK-Innenpolitik geschuldeten Turbulenzen ist immer politik und anderen noch nicht abgehandelt. Was bedeutet das für die österrei- Vorhaben der EU chische Anwaltschaft? im justizpolitischen Die politischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Bereich, wo Kern- sich die Anwaltschaft mit ihren Forderungen auf EU-Ebene werte der Anwalt- und international bewegen muss, noch bevor dann Ent- schaft wie die Ver- wicklungen mit neuen Anforderungen auf nationaler Ebene schwiegenheit ange- „aufschlagen“, werden zukünftig nicht einfacher. Vorarbeit griffen werden, aufgelöst? Zu welchen Justizthemen wird auf europäischer Ebene ist wichtig, noch bevor es zur natio- es „mehr Europa“ und mit welchen Konsequenzen geben? nalen Umsetzungsgesetzgebung kommt. Kritik an umzuset- Wird die justizielle Säule mit einer letztlich menschlich 2019/169 zendem EU-Recht auf nationaler Ebene hilft wenig, wenn richterlichen Entscheidung nach jahrelanger politischer die EU-rechtlichen Umsetzungsvorgaben schon feststehen. Aushöhlung qua Befürwortung „alternativer Streitbeile- Abgesehen von nationalen Sonderwegen („Gold-Plating“) gungsmechanismen“ bis hin zu einer Rechtsfindung nur wird gerne vergessen, dass die nationalen Regierungsvertre- über Algorithmen in Online-„Verfahren“ wieder gestärkt? ter am umzusetzenden EU-Recht mitgewirkt haben und na- Der ÖRAK fordert eine/n Justizkommissar/in, der/die tionales Recht mehrheitlich von der EU ausgeht. sich auf die Verteidigung und Stärkung der justiziellen Säu- „Dauerbrenner“ neben anderen Sachmaterien sind – nur le in Europa und die Bedeutung der AnwältInnen als Ga- unvollständig und pars pro toto genannt – der Kampf für ranten des Rechtsstaats besinnt. Der ÖRAK wird sich wei- die Rechtsstaatlichkeit, gegen überbordende Geldwäsche- terhin über das Büro Brüssel und die Delegation bei der melde- und sonstige Berichtspflichten, Whistleblower-Be- Dachorganisation CCBE mit allen den Delegationen zur stimmungen sowie die Abgrenzungsprobleme der DSGVO Verfügung stehenden KollegInnen als Experten, denen an zu anderen Grundrechten einschließlich der damit verbun- dieser Stelle großer Dank auszusprechen ist, proaktiv ein- denen Verständnisprobleme der jeweils vollziehenden Be- setzen. Für alle RechtsanwältInnen als erste Ansprechpart- hörden für die unabhängig selbstverwaltete Anwaltschaft. ner der Rechtsuchenden bleibt auch nach der Wahl der Von überbordenden, zT erheblich an der Praxis, letztlich Vorrang des Klienteninteresses mit der Verpflichtung der auch am Schutzziel vorbei zielenden Regulierungsvorstel- verständlichen Übersetzung des Rechtes die erste Wahl. lungen und den damit einhergehenden bürokratischen Be- lastungen sind alle AnwältInnen täglich betroffen. MARCELLA PRUNBAUER-GLASER Eine wichtige Frage wird sein, wohin die europäische Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskam- Reise iS der Rechtsstaatlichkeits-Thematik angesichts der mertages (ÖRAK) beunruhigenden Entwicklungen selbst in Mitgliedstaaten

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 430 Inhalt 07-08_2019

429 Editorial 439 ABHANDLUNGEN 485 SERVICE 431 Wichtige Informationen 432 Werbung & PR 440 Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den 486 Im Gespräch 433 Recht kurz & bündig Ursachen 489 Termine 437 Europa aktuell Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer 490 Chronik 438 Portrait des Monats 451 Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 496 Aus- und Fortbildung Walter Fuchs 501 Rezensionen 461 Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei 510 Zeitschriftenübersicht Gericht Christian Moser 469 Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergan- 515 RECHTSPRECHUNG genheit, Gegenwart und Zukunft Hanns Prütting 516 Disziplinarverfahrensrecht Bildlegende: Die Mütter des Grundgesetzes 475 Leistbarer Zugang zum Recht 516 Umgehungsverbot (vlnr): , , Helene 518 Weber, Elisabeth Selbert. Foto: ullstein bild – Andreas Geroldinger Das rechtlich vollzogene Vorur- HDG 482 Highlights aus dem Wartungserlass teil – eine Entscheidungskritik der Gebührenrichtlinien 2019 Erik Pinetz AUTOREN DIESER AUSGABE: RA Dr. Manfred Ainedter, Wien RA Mag. Gerold Beneder, Wien RA Dr. Michael Buresch, Wien Dr. Walter Fuchs, MA, Wien RA Mag. Franz Galla, Wien Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Geroldinger, Linz RA Dr. Adrian Eugen Hollaender, Wien RA Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer, Wien Mag. Jessica König, ÖRAK Büro Brüssel RA Dr. Wolfgang Kropf, MBL, Wien RA Britta Kynast, ÖRAK Büro Brüssel Mag. Susanne Laggner-Primosch, Klagenfurt RAA Dr. Florian Leitinger, Graz RAA MMag. Theresia Leitinger, M.A.I.S., Graz HR Mag. Dr. Wilhelm Mahler-Hutter, Berndorf Mag. Maximilian Maier, Dornbirn Mag. Danijela Milicevic, ÖRAK Mag. Christian Moser, ÖRAK Dr. Gerhard Nogratnig, BMVRDJ RAA Dr. Erik Pinetz, LL.M. (WU), MSc. (WU), Wien Sergio Pollak, Linz RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Hanns Prütting, Köln Mag. Eva-Elisabeth Röthler, ÖRAK RA Dr. Ullrich Saurer, Graz RA Dr. Wolf-Georg Schärf, Wien RA Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer, Wien Mag. Fabian Stegmayer, Bibliothek RAK Wien RA Mag. Dr. Felix Karl Vogl, Schruns RA Dr. Josef Weixelbaum, Linz Dr. Markus Zeiringer, BMVRDJ

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 431 Wichtige Informationen

Kundmachung der Änderung des § 7 der kommissär gem § 34 Abs 2 Z 2 RAO für Dr. Thaddäus URSULA KOCH (UK) Schäfer bestellt. (26. 4. 2019) ÖRAK, Generalsekretär- Satzung Teil B 2018 Stellvertreterin Auf Initiative der im ÖRAK eingerichteten Arbeitsgruppe der Rechtsanwaltsanwärter wurde § 7 der Satzung Teil B Beschluss der Tiroler 2018 geändert. Künftig soll eine Beitragsermäßigung bei Rechtsanwaltskammer Ersteintragung in der Versorgungseinrichtung Teil B für Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, Lieben- insgesamt zweimal zwölf Kalendermonate möglich sein. eggstraße 6, wurde mit Bescheid des Ausschusses der Tiro- Durch die bisherige Regelung der Beitragsermäßigung für ler Rechtsanwaltskammer, Abt. 1, vom 20. 5. 2019 gemäß zwei Kalenderjahre wurden jene Personen benachteiligt, § 34a Abs 7 RAO mit Ablauf des 20. 5. 2019 von seiner die sich erst am Ende des Kalenderjahres in die Liste der Funktion als Kammerkommissär des verstorbenen RA Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen eintragen ließen. Univ.-Doz. Dr. Herbert Fink enthoben. Durch die neue Regelung wurde diese Benachteiligung be- Dr. Hubertus Rohracher, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbü- seitigt. Bei der Vertreterversammlung am 24. 5. 2019 wurde hel, wurde mit Wirksamkeit per 21. 5. 2019 zum Kammer- die Änderung einstimmig beschlossen. Mit Bescheid vom kommissär gem § 34a Abs 2 RAO des verstorbenen Rechts- 3. 6. 2019 hat der Bundesminister für Verfassung, Refor- anwalt Univ.-Doz. Dr. Herbert Fink bestellt. (20. 5. 2019) men, Deregulierung und Justiz die Änderung genehmigt. Die Änderung der Satzung Teil B 2018 wurde am Beschluss der Tiroler 11. 6. 2019 auf der Homepage des ÖRAK unter Kundma- Rechtsanwaltskammer chungen veröffentlicht. Zeitpunkt des Inkrafttretens ist Löschung der „Dr. Reinhard Kraler Rechtsanwalt GmbH“ der darauffolgende Tag. Die aktuelle Fassung der Satzung aus der Liste der Rechtsanwaltsgesellschaften der Tiroler Teil B 2018 finden Sie unter www.rechtsanwaelte.at unter Rechtsanwaltskammer mit Ablauf des 20. 5. 2019. dem Menüpunkt Kammer – Gesetzestexte. UK

Kundmachung der Satzung Teil C 2019 Mit dem Berufsrechtsänderungsgesetz 2016 (BGBl I 2017/ 10) wurde die Kompetenz zur Erlassung der Satzungen für die Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwaltskammern für den Fall der Krankheit auf die Vertreterversammlung des ÖRAK übertragen. Diese Gesetzesänderung hat der ÖRAK zum Anlass genommen, diese Verordnungen umfas- send zu überarbeiten. Bei der Vertreterversammlung am 24. 5. 2019 wurde die österreichweit gültige Satzung Teil C 2019 einstimmig beschlossen. Mit Bescheid vom 3. 6. 2019 hat der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregu- lierung und Justiz die Verordnung genehmigt. Die Satzung Teil C 2019 wurde am 11. 6. 2019 auf der Homepage des ÖRAK unter Kundmachungen veröffent- licht. Zeitpunkt des Inkrafttretens ist der darauffolgende Tag. Erläuterungen, Textgegenüberstellungen und weiter- führende Informationen finden Sie im Mitgliederbereich unter www.rechtsanwaelte.at unter dem Menüpunkt Ver- sorgungseinrichtungen/Satzungen. UK

Beschluss der Tiroler Rechtsanwaltskammer Über Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 11, wurde mit Beschluss des Diszip- linarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 11. 4. 2019 zu D 18–27 gemäß § 19 Abs 1a DSt 1990 die einstwei- lige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft verhängt. Für die Dauer der Untersagung wurde Dr. Klemens Ste- fan Zelger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, als Kammer-

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 432 Werbung & PR

BESTELLFORMULAR MANNERSCHNITTEN Preis €/Stk. Anzahl Gesamt WERBEARTIKEL 2 knusprige Waffeln gefüllt mit Haselnusscreme mit 0,50 beidseitiger Banderole „Bevor es Brösel gibt...“ und „Sollten Sie mal Brösel haben...“ mit R-Logo, ca. 15 g BONBONS Füllmenge Preis €/Pkg. Anzahl Gesamt Bonbon in Wickler aus blauer Folie, ½ kg 17,00 Aufdruck „Fruchtgenuss“ mit R-Logo, Fruchtmix (Himbeere, Zitrone und Pfirsich) 1 kg 32,00 KUGELSCHREIBER Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Stabilo Metallkugelschreiber 7,50 silber mit R-Logo und austauschbarer Mine KUGELSCHREIBER Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Blau, mit Aufdruck 0,75

ANSTECKPIN „R“ Preis €/Stk. Anzahl Gesamt R-Logo ausgestanzt 2,50 als Ansteck-Pin, ø ca 15 mm LANYARD TRAGESCHLAUFE Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Blau, mit Aufdruck „www.rechtsanwaelte.at“, 1,50 mit Karabiner Länge: 45 cm (ohne Karabiner)

STOCKSCHIRM MIT HOLZGRIFF & KUNSTLEDERDETAIL Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Stockschirm, marineblau, 20,00 Fiberglas, teflonbeschichtet, mit Aufdruck Ø 115 cm SCHLÜSSELANHÄNGER Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Pfeife mit roter LED-Leuchte, 1,10 blau mit Aufdruck

NOTIZBÜCHER Format Preis €/Pkg. Anzahl Gesamt 100 Blatt, Hardcover kratzfest laminiert, A5 8,90 Kern kariert, gelocht und perforiert, mit Leseband und Kapitalband A4 9,90 POST IT HAFTNOTIZBLOCK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Weiß, mit Aufdruck 1,75 DIN A7, 50 Blatt

SCHREIBBLOCK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Weiß, mit Aufdruck 2,00 DIN A4, 50 Blatt kopfgeleimt

AUFKLEBER Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Logo 1,00 Maße: 12 x 3 cm

USBSTICK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Sonderform R-Logo in 3D, 7,50 16 GB Datenvolumen, USB 2.0

GESAMT zuzüglich Spesen für Versand und Verpackung Preis €

AUSFÜLLEN UND Name bzw Firma: ...... BESTELLEN Straße: ...... PLZ/Ort:......

Datum: ...... Unterschrift:......

Retournieren Sie dieses Formular bitte an die RADOK GmbH per Fax an die Fax-Nummer 01 / 535 12 75-13 oder per E-Mail an [email protected]. RADOK Gesellschaft für Organisation, Dokumentation und Kommunikation Gesellschaft m.b.H., Wollzeile 1-3, 1010 Wien Preise Netto in Euro zzgl. USt.

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 433 Recht kurz & bündig

Diese Ausgabe von § 19 Abs 2 UGB § 1 UWG „Recht kurz & bündig“ 2019/173 entstand unter 2019/170 Mitwirkung von

Die Anwendung des § 19 Abs 2 UGB bei Zum Rechnungslegungsanspruch im ULLRICH SAURER (US) mehrstöckigen Personengesellschaften Anwendungsbereich des UWG Rechtsanwalt

Aus § 19 Abs 2 UGB, welcher normiert, dass erkennbar sein 1. Im UWG ist grundsätzlich kein Anspruch auf Rech- MANFRED nungslegung geregelt, jedoch kann dieser in Analogie zum AINEDTER (MA) muss, wenn in einer Personengesellschaft keine natürliche Rechtsanwalt Person unbeschränkt haftet, geht nicht hervor, dass eine na- Immaterialgüterrecht bei Verletzung einer geschützten Rechtsposition gewährt werden. FRANZ GALLA (FG) türliche Person bereits auf erster Ebene unbeschränkt haf- Rechtsanwalt ten muss. Ein dementsprechender Firmenzusatz ist also nur 2. Die geschützte Rechtsposition erstreckt sich sowohl auf dann notwendig, wenn auf keiner der vorhandenen Gesell- sittenwidriges Verhalten in Bezug auf Erzeugnisse als auch schafterebenen eine natürliche Person unbeschränkt haftet. die rechtsgrundlose Verwendung von zugewiesenen Sa- OGH 27. 2. 2019, 6 Ob 28/19i JusGuide 2019/19/17675. US chen, zu denen auch Kundenlisten gehören. 3. Der Rechnungslegungsanspruch erstreckt sich allerdings § 75 AktG; § 26 AngG nicht auf die Einsicht in Geschäftsbücher, da die Geheim- 2019/171 haltungsinteressen zu berücksichtigen sind. Somit genügt es, nur die entsprechenden Belege vorzulegen. Rücktritt bzw Austritt eines Vorstandsmitglieds OGH 29. 1. 2019, 4 Ob 118/18h JusGuide 2019/18/ einer AG 17655. US 1. Die Amtsniederlegung bzw der Rücktritt führt jedoch nicht auch zu einer Beendigung des Vorstands-Anstellungs- § 7 VerG vertrags. Zwar geht die Rücktrittserklärung, die gegenüber 2019/174 dem Aufsichtsrat abzugeben ist, meist mit einer konkluden- ten Kündigung einher, dies ist jedoch nicht zwingend. Ein Zu Beschlüssen unzuständiger Vereinsorgane berechtigter Rücktritt aus wichtigem Grund bildet immer 1. § 7 VerG normiert, dass gesetz- oder statutenwidrige Be- auch einen Austrittsgrund und umgekehrt stellt ein wichti- schlüsse eines Vereins bis zu ihrer erfolgreichen Anfechtung ger Austrittsgrund auch einen Grund zum Rücktritt dar. wirksam sind, es sei denn, Inhalt und Zweck des verletzten 2. Ein wichtiger Grund für einen Austritt liegt dann vor, Gesetzes oder die guten Sitten erfordern die absolute Nich- wenn eine Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses für tigkeit des Beschlusses. das Vorstandsmitglied unzumutbar ist; hierfür kann § 26 2. § 7 VerG orientiert sich bei der Unterscheidung zwischen AngG analog angewendet werden. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit an §§ 195ff AktG. Details 3. Zusätzlich berechtigen Gründe zum Austritt, die die dieser Regelung wurden aber in das VerG nicht übernom- Mandatsausübung unmittelbar beeinflussen, wie rechtswid- men, vielmehr hat der Gesetzgeber der Rsp die Differenzie- rige Eingriffe in den Aufgabenbereich des Vorstandsmit- rung überlassen, wann Nichtigkeit eines Beschlusses eines glieds oder zB auch die Gefahr der Haftung aller Mitglieder Vereinsorgans vorliegt oder (bloß) dessen Anfechtbarkeit. für die Pflichtenvernachlässigung eines einzigen. 3. Laut Rsp bewirkt die Fassung eines Beschlusses durch ein OGH 27. 2. 2019, 6 Ob 29/19m JusGuide 2019/19/17635. US unzuständiges Vereinsorgan die Nichtigkeit des Beschlusses. OGH 27. 2. 2019, 6 Ob 168/18a JusGuide 2019/19/ § 35 Abs 1 Z 6, § 83 GmbHG 17676. US 2019/172 § 2 UWG Zum Abschluss eines Vergleichs durch den Liquidator 2019/175 einer GmbH 1. Für die Geltendmachung von Rückforderungsansprü- Irreführungseignung eines Registrierungshinweises chen nach § 83 GmbHG bedarf es keines vorausgehenden 1. Ein „R“ im Kreis wird allgemein als Hinweis auf eine re- Gesellschafterbeschlusses nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG. gistrierte Marke verstanden. Derartige Schutzrechtshinwei- 2. Gem § 83 Abs 4 GmbHG können Zahlungen gegen den se richten sich gegen Mitbewerber und auch gegen poten- Verpflichteten weder ganz noch teilweise erlassen werden. tielle Kunden, um sie auf das Bestehen des Markenrechts Eine Rsp dazu, ob ein Vergleich über derartige Ansprüche aufmerksam zu machen. vereinbart werden kann, ist – soweit ersichtlich – nicht vor- 2. Ein Registrierungshinweis nach dem Wortbestandteil ei- handen. Nach hL steht aber dieser Bestimmung ein Ver- ner Wort-Bild-Marke kann auch dann irreführend sein, gleich unter gewissen Voraussetzungen (zB Unsicherheiten wenn damit im direkten Verhältnis zu einem Mitbewerber in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, Drittvergleichsfä- eine nicht gegebene Exklusivität der Leistung suggeriert higkeit) nicht entgegen. wird. OGH 24. 1. 2019, 6 Ob 219/18a JusGuide 2019/19/ OGH 25. 4. 2019, 4 Ob 118/18h JusGuide 2019/18/ 17674. US 17654. US

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 434

Recht kurz & bündig

§ 39 PSG; §§ 54 und 68 NO § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO (§ 270 Abs 2 Z 5 2019/176 StPO) 2019/180 Das Verlesen von Beilagen als Notwendigkeit für das Zustandekommen eines Notariatsakts Gerichtsnotorische Umstände müssen als solche 1. Eine Vermögenswidmung bedarf dann keiner Annahme, festgestellt werden wenn sie Teil der Stiftungsurkunde ist. Erfolgt die Wid- Dass (auch) gerichtsnotorische Tatsachen keiner Begrün- mung jedoch mit einem eigenen Notariatsakt und wird da- dung bedürfen, entbindet das Gericht nicht davon, bei An- bei auf die bereits errichtete Stiftung verwiesen, handelt es nahme von Gerichtsnotorietät sich im Urteil auf diese zu sich jedenfalls um eine annahmebedürftige Nachstiftung. berufen, also zu behaupten, dass eine Tatsache ohnehin al- Sowohl eine annahmebedürftige Nachstiftung als auch eine len Mitgliedern des Schöffensenats bekannt war. einseitige Stiftungserklärung haben jedenfalls in Notariats- OGH 21. 11. 2018, 15 Os 131/18f EvBl-LS 2019/40. MA aktform zu erfolgen. 2. Wird dem Notariatsakt ein Verzeichnis der Widmungen als Beilage angeschlossen und mit diesem verbunden, so § 427 Abs 1 StPO (§§ 262, 281 Abs 1 Z 3 und 8 StPO) muss auch diese vom Notar geprüft, unterzeichnet und ver- 2019/181 lesen werden. Das Verlesen allein des Hinweises, dass die Abwesenheitsurteil nach Anklagemodifikation Widmungen im Verzeichnis Teil des Notariatsakts sind, Vernehmung „zum Anklagevorwurf“ bedeutet Einhaltung ist nicht ausreichend für das Zustandekommen eines Nota- von § 262 StPO, soweit dessen Missachtung mit Nichtigkeit riatsakts, da die Voraussetzungen des § 68 Abs 1 lit e und f aus § 281 Abs 1 Z 8 StPO bedroht ist. NO damit nicht erfüllt sind. OGH 13. 11. 2018, 14 Os 118/18m (LG Salzburg 31 Hv 21/ OGH 30. 10. 2018, 2 Ob13/18b. US 18y) EvBl 2019/42. MA

§ 7 Abs 2 StGB (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) 2019/177 § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB 2019/182 Bestreiten einer Erfolgsqualifikation Negativfeststellungen zur Erfolgszurechnung nach § 7 Abs 2 Fortgesetzte Gewaltausübung StGB sind als Feststellungsmangel geltend zu machen. Wiederholte Begehung verlangt keineswegs die Feststellung OGH 6. 11. 2018, 12 Os 114/18h (LGSt Wien 84 Hv 11/ von zumindest fünf Taten. Vielmehr ist die Verwirklichung 18d) EvBl 2019/34. MA dieses Qualifikationstatbestands – ähnlich wie beim Grund- tatbestand des § 107b Abs 1 StGB – anhand (nicht schema- § 67 Abs 2 StGB tischer, sondern) einzelfallbezogener Betrachtung der Fak- 2019/178 toren Art, Intensität und Anzahl der Angriffe zu beurteilen. Dabei können – wie vom Gesetzeswortlaut (arg „wieder- Nationalsozialistische Betätigung im Internet holt“) vorgegeben – schon zwei (im Rahmen einer fortge- § 67 Abs 2 zweiter Fall StGB knüpft nur an die Verwirkli- setzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 3 StGB begange- chung eines Erfolgs iS des äußeren Tatbestands an, nicht ne) Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbe- hingegen an die von der Strafnorm sanktionierte materielle stimmung diese Qualifikation begründen, wenn sie von ent- Rechtsgutsbeeinträchtigung (sofern diese nicht ohnehin ei- sprechender Art und Intensität sind. nem tatbildmäßigen Erfolg entspricht) oder an den Bezugs- OGH 16. 10. 2018, 11 Os 99/18w (LG Leoben 10 Hv 69/ punkt eines im Tatbestand formulierten (erweiterten) Vor- 16t) EvBl 2019/43. MA satzes. OGH 10. 10. 2018, 13 Os 105/18t (LG Salzburg 49 Bl 59/ 17h) EvBl 2019/35. MA § 1 Abs 1 GRBG (§ 10 GRBG; § 48 Abs 1 Z 4, § 282 StPO) § 281 Abs 1 Z 1 StPO (§ 345 Abs 1 Z 1 StPO) 2019/183 2019/179 Keine Erledigung von Grundrechtsbeschwerden Besetzungsrüge fußt nicht auf Urteilsfeststellungen Verstorbener Ob § 281 Abs 1 Z 1 (§ 345 Abs 1 Z 1) StPO vorliegt und ob Gem § 1 GRBG steht nur dem Betroffenen Grundrechtsbe- der Rügeobliegenheit entsprochen wurde, beurteilt der schwerde zu. Eine Legitimation anderer Personen zur Erhe- OGH auf einer von ihm selbst in freier Beweiswürdigung bung einer Grundrechtsbeschwerde ist nur im Fall ges Ver- geschaffenen Sachverhaltsgrundlage, bezogen auf die Zeit tretung (§ 1034 ABGB) gegeben. Diese endet mit dem Tod des erstinstanzlichen Verfahrens. des Vertretenen. OGH 21. 11. 2018, 15 Os 129/18m EvBl-LS 2019/39. MA OGH 11. 12. 2018, 14 Os 95/18d EvBl-LS 2019/47. MA

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 435

Recht kurz & bündig

§ 28a Abs 1 SMG (§ 28 Abs 1 StGB) Nach der Rsp des OGH bestehe im Regelfall keine Ver- 2019/184 pflichtung zur Nachfrage bei einem der Ehestörung ver- dächtigen Dritten, weil durch die damit möglicherweise Ein- und Ausfuhr über mehrere Staatsgrenzen kann verursachten (weiteren) Heimlichkeiten der Zweck eines tatbestandliche Handlungseinheit sein Überwachungsauftrags gefährdet werden könnte. Gleiches Eine in kurzer zeitlicher Abfolge bei einheitlicher Motiva- gilt umso mehr im Verhältnis zwischen den Ehegatten, ist tionslage gesetzte mehrmalige Ein- und Ausfuhr von Sucht- doch die Gefahr, dass die Nachfrage beim Ehegatten zu gift, also deren Transport über mehrere Staatsgrenzen hin- (weiteren) Heimlichkeiten und gezielten Verschleierungs- weg, bildet eine tatbestandliche Handlungseinheit. Schon handlungen führt, entsprechend höher, zumal der Ehegatte deshalb ist es verfehlt, sie mehreren Verbrechen des Sucht- in der Regel ein größeres Interesse daran haben wird, dass gifthandels nach § 28a Abs 1 Fall 2 und 3 (und Abs 4 Z 3) sein Verhalten geheim bleibt, als der vermeintliche Ehestö- SMG zu unterstellen. rer. Im hier beurteilten Fall lag auch keine besondere Kon- OGH 13. 11. 2018, 11 Os 106/18z EvBl-LS 2019/48. MA stellation vor, die im Verhältnis zum Störer oder zum Ehe- gatten die Obliegenheit der Nachfrage vor Beauftragung ei- § 862a ABGB; § 12 ECG nes Detektivs ausnahmsweise zu rechtfertigen vermocht hätte. 2019/185 OGH 20. 3. 2019, 5 Ob 187/18p Zak 2019/282, 157. FG E-Mail im Spam-Ordner ist zugegangen Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den § 41 ZPO; § 1333 Abs 2 ABGB Machtbereich des Empfängers ist in der Rsp anerkannt, dass 2019/187 dieMailboxdesEmpfängersjedenfallsdannzuseinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, Geltendmachung vorprozessualer Anwaltskosten dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist. Konkret ist nach Teilerledigung des Hauptanspruchs eine E-Mail für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar, Anwaltliche Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und in dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist Einbringungsmaßnahmen sind grundsätzlich akzessorisch und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden zum Hauptanspruch und können nur im Kostenverzeichnis kann, das heißt, sobald ein Abruf durch den Empfänger geltend gemacht werden. Für eine selbständige Geltendma- möglich ist. Allgemein reicht es aus, wenn eine Willenser- chung ist der ordentliche Rechtsweg nur dann zulässig, klärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, wenn der Hauptanspruch durch Erfüllung, Verzicht oder selbst wenn sie dieser persönlich nicht erhalten hat; es ge- Anerkenntnis erloschen oder darüber ein Vergleich ge- nügt, dass der Adressat die Möglichkeit hatte, die Erklärung schlossen worden ist. Wenn von mehreren Ansprüchen ein- zur Kenntnis zu nehmen. zelne zur Gänze erledigt sind, sich die vorprozessualen an- Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 ECG gelten elektro- waltlichen Leistungen aber jeweils auf die Rechtsverfolgung nische Vertragserklärungen als zugegangen, wenn sie die nicht nur der bereits erledigten Ansprüche, sondern auch Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Um- der noch nicht erledigten Ansprüche beziehen und sie sol- ständen abrufen kann. chermaßen nicht klar abgrenzbar sind, sind sie im Interesse Das BerG sei laut OGH in seiner Entscheidung von diesen einer einfachen Handhabung weiterhin im Kostenverzeich- Grundsätzen ausgegangen, wenn es (auch) das Einlangen nis geltend zu machen. der Erklärungen im „Spam-Ordner“ desEmpfängersan Da aber grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstand- der von diesem angegebenen E-Mail-Adresse als wirksamen punkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen Zugang beurteilt hat. OGH 20. 2. 2019, 3 Ob 224/18i Zak 2019/268, 153. FG

§ 90 Abs 1, § 1295 Abs 1 ABGB 2019/186

Haftung für die Kosten der Überwachung des untreuen Ehegatten Nach Auffassung des BerG bestehe hier eine Ersatzpflicht (auch) des untreuen Ehegatten nur dann, wenn dieser ehe- widrige Kontakte gegenüber dem verletzten Ehegatten wahrheitswidrig bestreite oder eine darauf gerichtete Frage nicht beantworte, diesen damit im Unklaren über die Bezie- hung lasse und dadurch einen Nachforschungsaufwand ver- ursache. Der OGH sah dies anders:

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 436

Recht kurz & bündig

hat, oblag es hier dem Kläger, jene Tatsachen zu behaupten rens, ja sogar die gesamte Prozessführung, übertragen kann und zu beweisen, aus denen abzuleiten ist, dass für die von (§ 64 Abs 1 Z 3 ZPO). Hat der Verfahrenshelfer nach außen ihm eingeklagten vorprozessualen Kosten die Akzessorietät keine Erklärung über den Umfang der Substitution abgege- zum Hauptanspruch weggefallen ist. Nach Meinung des ben, ist das Gericht verpflichtet, Zustellungen weiterhin an OGHistderKlägerhierseinerBehauptungspflichtnicht den Verfahrenshelfer (und nicht unmittelbar an dessen nachgekommen. Die Honorarnoten, auf die er sich bezog, Substituten) vorzunehmen. seien Urkunden und diese wiederum seien Beweismittel; sie Entgegen der Annahme des BerG hatte die Verfahrenshel- stellenkeinProzessvorbringendarundkönnensolches ferin hier nach außen eine solche Erklärung über den Um- nicht ersetzen. fang der Substitution abgegeben. Die Substitutin gab näm- OGH 29. 1. 2019, 2 Ob 92/18w Zak 2019/287, 158. FG lich in der ersten von ihr für die Beklagte verfassten Eingabe bekannt, dass die bestellte Verfahrenshelferin „die Verfah- § 64 Abs 1 Z 3, §§ 84, 93 Abs 1, § 464 ZPO renshilfe“, demnach das gesamte Verfahren, an die Substi- 2019/188 tutin substituiert und ihr Substitutionsvollmacht erteilt ha- be. Das ErstG war daher verpflichtet, die Zustellung nicht Zustellung an den Substituten des unmittelbar an die Verfahrenshelferin, sondern an deren Verfahrenshilfeanwalts Substitutin vorzunehmen. Ein Verfahrenshilfeanwalt kann sich eines Substituten be- OGH 20. 2. 2019, 5 Ob 247/18m Zak 2019/289, 159. FG dienen, dem er einzelne Akte oder Abschnitte des Verfah-

http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilimmolex – Zeitschrifte&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilfür Miet- und e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018Wohnrecht

http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilJährlich 11 Hefte (monatlich außer August). Erscheint 2019e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 im 23. Jahrgang. Jahresabonnement 2019 EUR 246,– inkl. Versand (in Österreich) http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilKennenlern-Abonnement 2019: 3 Hefte EUR 15,– inkl. Versande&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 (in Österreich) http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobil=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_20185-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilnz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contentnz.at/produkt e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilmanz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contema Schwerpunkt: Wohnrecht und Digitalisierunge&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018nt=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilmanz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contem Die Digitalisierung hat auch die Immobilienwirtschaft und die rechtsberatendene&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018nt=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 Berufe schon längst erfasst: • Smart Contracts – technische Grundlagen und rechtsgeschäftliche Abläufe (Pittl/Gottardis) http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilmanz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contem • Schriftlichkeit bei Mietverträgen im digitalen Zeitalter – wie stehte&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 es um nt=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018die eigenhändige Unterschrift? (Beck/Brandstetter) http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilmaanz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_conten• Smart Home – ein Instrument der Rechtsdurchsetzung? (Mandl) e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018t=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 • Einsatz moderner Technologien in der Hausverwaltung – Herausforderungen und Chancen (Troger) http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilanz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contena e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018t=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 Jetzt in der immolex 6/2019 http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilannz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contentEinzelheft EUR 26,40 bestellen unter 01/531 61-100 e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018

http://www.manz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobilnz.at/produkte/Zeitschriften/Fachzeitschriften-Ueberblick.html?isbn=1605-2536-1&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_contentn MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH e&utm_content=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018=Inserat_201801&utm_campaign=ZS_Heft_in_Heft_immolex_01_2018 tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1014 Wien www.manz.at

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt MANZ CLOUD Auf Wolke sicher Worauf Sie sich verlassen können: Daten, die Sie über das Internet in die MANZ Cloud hochladen, sind in einem Rechenzentrum in Österreich gespeichert. Sie haben immer und überall Zugriff – via Computer, Smartphone oder Tablet.

icher it S heit M ve rt ra u t .

Speicherort DSGVO- Dokumente sicher Vollständige Kollaboratives in Österreich konform teilen und anfragen Verschlüsselung Arbeiten

Jetzt anfragen: +43 1 531 61-655 oder [email protected] Mehr Infos unter cloud.manz.at Maßgeschneidert für die Beratungspraxis

2019. XXVIII, 408 Seiten. Geb. EUR 89,– ISBN 978-3-214-00853-6

Vondrak (Hrsg)

Steuerrecht für Juristen 2. Auflage

Auch die Neuaufl age des MANZ-Handbuchs des Jahres 2012 ist nach Lebenssachverhalten gegliedert, die in der Beratungspraxis eines Juristen täglich vorkommen können. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht das rasche Auffi nden aller notwendigen Informationen im Zusammenhang mit • der Errichtung von Kapital- und Personengesellschaften sowie (Privat)stiftungen • zahlreichen Verträgen (Miete, Liegenschaftskauf, Kredit, Schenkung) • Umgründungen • Asset Deal/Share Deal, etc und wird ergänzt durch einen Überblick zum Finanzstrafrecht und Internationalem Steuerrecht unter Berück- sichtigung der unzähligen Novellen der letzten 7 Jahre. Steuerliche Konsequenzen dieser Themenbereiche werden ausführlich erläutert und anhand von mehr als 170 Grafi ken, Beispielen und Praxistipps leicht verständlich und praxisnah veranschaulicht. MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1010 Wien www.manz.at

    !

  !

JuraPlus AG    Tödistrasse 18 CH-8002 Zürich      T elefon +41 44 480 03 11 [email protected]  !! ! ! !! www.jura-plus.ch 437 Europa aktuell

EuGH: Neue Regelung zur Zulassung BRITTA KYNAST Leiterin ÖRAK-Vertre- tung in Brüssel. Die Au- torin ist in Deutschland von Rechtsmitteln zugelassene Rechtsan- wältin. eit dem 1. 5. 2019 gelten am Gerichtshof und am Ge- Ein Rechtsmittel wird dann „ganz oder in Teilen“ zuge- 2019/189 S richt der Europäischen Union neue Regelungen zur lassen, „wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder Zulassung von Rechtsmitteln. Demnach sollen Rechtsmittel die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufge- gegen Entscheidungen, die bereits durch eine unabhängige worfen wird“.2 Dieses ist im Antrag auf Zulassung des Beschwerdekammer bestimmter Einrichtungen und sodann Rechtsmittels darzustellen, für den eine Begrenzung auf ei- durch das Gericht geprüft worden sind, unter der Bedin- ne Länge von sieben Seiten vorgesehen ist.3 gung einer vorherigen Zulassung stehen. Betroffen sind ua Angestoßen worden seien die neuen Regelungen durch Entscheidungen der Beschwerdekammern der folgenden einen Reflektionsprozess im Rahmen der Reform des Ge- Einrichtungen: richtssystems der Europäischen Union. Die neu geschaffene • Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum Rechtslage solle es dem Gerichtshof ermöglichen, „sich auf (EUIPO), die Rechtssachen zu konzentrieren, die seine ganze Auf- • Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO), merksamkeit erfordern“, so eine Pressemitteilung des • Europäische Chemikalienagentur (ECHA), EuGH.4 • Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA). Zu beachten ist, dass diese Liste nicht abschließend ist. Das neue Verfahren soll auch gelten „für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts, die eine Entscheidung einer 1 Siehe Art 58a Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union. unabhängigen Beschwerdekammer betreffen, die nach dem 2 Siehe Art 58a Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union. 3 Siehe Art 170a Verfahrensordnung des Gerichtshofs. (Zum Zeitpunkt des 1. 5. 2019 innerhalb einer sonstigen Stelle der Union einge- Redaktionsschlusses wurde noch keine konsolidierte Verfahrensordnung auf richtet wurde und die anzurufen ist, bevor eine Klage vor der Homepage des Gerichtshofs veröffentlicht, diese kann im Amtsblatt der Europäischen Union gefunden werden, ABl L 2019/111, 73.) dem Gericht eingereicht werden kann“.1 4 Pressemitteilung Nr 53/19.

Neue EU-Regeln für Kaufverträge über Waren und digitale Inhalte

er Rat hat am 15. 4. 2019 ein Paket angenommen, das Vorschrift wird eine Mindestfrist für die Gewährleistung D aus der Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte ver- von zwei Jahren und eine einjährige Frist für die Umkehr tragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte der Beweislast zugunsten des Verbrauchers eingeführt. In JESSICA KÖNIG und digitale Dienstleistungen und der Richtlinie (EU) beiden Richtlinien ist Vollharmonisierung vorgesehen, je- Juristischer Dienst 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des doch wird den EU-Mitgliedstaaten ein gewisser Regelungs- ÖRAK-Vertretung in Brüssel Warenkaufs besteht. spielraum zur Aufrechterhaltung ihres bisherigen Verbrau- Das Ziel sei, den europäischen Verbrauchern ein hohes cherschutzniveaus gewährt. 2019/190 Maß an Schutz und Rechtssicherheit zu bieten, insbesonde- Mit dieser förmlichen Annahme ist das Gesetzgebungs- re beim Kauf über die Grenzen hinweg, und es den Unter- verfahren jetzt abgeschlossen und die Mitgliedstaaten haben nehmen erleichtern, EU-weit zu verkaufen. Die Richtlinie nach Inkrafttreten dieser Richtlinien (20 Tage nach Veröf- über digitale Inhalte sieht insb vor, dass der Verbraucher, fentlichung im EU-Amtsblatt) zwei Jahre Zeit, diese Richt- wenn es nicht möglich ist, Mängel innerhalb einer angemes- linien umzusetzen. senen Frist zu beheben, Anspruch auf Preisminderung oder vollständige Erstattung hat. Außerdem darf die Garantiezeit nicht kürzer als zwei Jahre sein. Die Warenverkaufsrichtli- nie gilt für alle Waren, auch für Produkte mit einem digita- len Element (zB intelligente Kühlschränke). Mit der neuen

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 438 Portrait des Monats

Die Sternstunde ihres Lebens 1919 wurde in Österreich und Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt – ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung von Frauen und Männern. Als 30 Jahre später das deutsche Grundgesetz (GG) erlassen wurde, setzte sich die Rechtsanwältin Elisabeth Selbert vehement für Gleichberechti- gung ein.

2019/191 s war ein Satz, um den die deutsche Juristin und Politi- sie sich nebenbei um ihre beiden Söhne kümmern musste, E kerin unerbittlich kämpfte: „Männer und Frauen sind promovierte die revolutionäre Juristin nach sieben Semes- gleichberechtigt.“ Art 3 Abs 2 GG verdankt seinen Wortlaut tern mit dem Thema „Ehezerrüttung als Scheidungsgrund“ hauptsächlich Elisabeth Selbert, die als eine von nur vier und war damit ihrer Zeit weit voraus. Erst 1977 fanden ihre Frauen unter 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rats Vorschläge Eingang in die Eherechtsreform. an der Ausarbeitung der deutschen Verfassung mitwirkte. In der NS-Zeit wurde Adam Selbert aus dem Staatsdienst entlassen und vier Wochen im KZ in Schutzhaft genom- men. Elisabeth legte das zweite Staatsexamen ab und stellte den Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft, der jedoch zu- nächst abgelehnt werden sollte. Fünf Tage bevor das Gesetz zur Änderung der Rechtsanwaltsordnung in Kraft trat, wo- nach Frauen als Anwälte nicht mehr zugelassen werden durften, unterschrieben zwei ältere Senatspräsidenten, die sich für Selbert einsetzten, in Vertretung für den im Urlaub befindlichen Oberlandesgerichtspräsidenten, ihre Zulas- sung. Ihr Mann blieb durch politische Verfolgung bis 1945 erwerbslos und Elisabeth ernährte die Familie allein.

Politisches Erbe Zeit ihres Lebens engagierte sich Selbert dafür, dass „die Gleichberechtigung in der Praxis bis zur letzten Konse- quenz durchgeführt wird“,wiesieselbstsagt.Alsihr Die vier „Mütter des Grundgesetzes“ (vlnr): Frieda Nadig, Helene Wessel, Helene Weber und Gleichberechtigungssatz bereits drei Mal vom Parlamenta- Elisabeth Selbert Foto: ullstein bild – HDG Bonn rischen Rat abgelehnt worden war, mobilisierte sie halb Deutschland, hielt Vorträge, sprach Journalisten und Ehe- Die ursprüngliche Formulierung aus der Weimarer Verfas- frauen von CDU-Mitgliedern an und erreichte neben unter- sung „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürger- stützender Medienberichterstattung, dass Protestnoten wä- lichen Rechte und Pflichten“ war ihr nicht ausreichend, sie schekörbeweise an den Parlamentarischen Rat geschickt wollte einen Verfassungsgrundsatz aufnehmen, so dass viele wurden. Im vierten Anlauf gelang es ihr, die Gleichberech- der damaligen familienrechtlichen Bestimmungen im Bür- tigung durchzusetzen, was sie als „Sternstunde ihres Le- gerlichen Gesetzbuch ebenfalls überarbeitet werden muss- bens“ bezeichnete. Unter demselben Titel wurde 2014 die ten. Dies dauerte allerdings noch geraume Zeit. 1957 strich Entstehungsgeschichte des Art 3 Abs 2 GG mit Iris Berben das Gleichberechtigungsgesetz etwa das Letztentschei- als Elisabeth Selbert verfilmt. dungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten, Die anderen drei Frauen im Parlamentarischen Rat, die 20 Jahre danach wurde die „Hausfrauenehe“ abgeschafft zunächst nicht einer Meinung mit Selbert waren, gehörten und das Scheidungsrecht reformiert. ab 1949 dem ersten deutschen an. Sie selbst bekam Juristische Karriere von ihrer Partei hingegen nur einen unsicheren Listenplatz Martha Elisabeth Rohde wurde 1896 in Kassel als zweite von und verfehlte den Einzug in den Bundestag um 200 Stimmen. vier Töchtern eines Gefangenenaufsehers geboren. Ihr Nach drei Wahlperioden im hessischen Landtag zog sie sich Wunsch, Lehrerin zu werden, scheiterte an der teuren Aus- aus der Politik zurück und arbeitete wieder als Rechtsanwäl- bildung. 1914 bekam sie wegen des kriegsbedingten Mangels tin. Auch ihre Enkel Susanne und Axel schlugen diese Karrie- an männlichen Arbeitskräften eine Stelle als Postbeamtenan- re ein und sind zudem politisch engagiert. 2006 würdigte die wärterin im Telegrafendienst der Reichspost und lernte am Deutsche Bundespost Elisabeth Selbert mit einer Briefmarke. Schalter ihren späteren Ehemann Adam Selbert kennen. Er nahm sie auf politische Veranstaltungen mit, sie trat der SPD CHRISTIAN MOSER ÖRAK, Juristischer Dienst bei und begann nach der Hochzeit, Jus zu studieren. Obwohl

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 439 Abhandlungen

440 Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen

451 Prozessebbe: Wo liegen die Gründe?

461 Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht

469 Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

475 Leistbarer Zugang zum Recht

482 Highlights aus dem Wartungserlass der Gebührenrichtlinien 2019

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 440 Abhandlungen

Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen

I. EINLEITUNG II. BESTANDSAUFNAHME

GERHARD NOGRATNIG Während die Anfallszahlen der Gerichte in den letzten Jahren 1. Überblick Der Autor ist Leiter der in diversen Außerstreitmaterien (zB Erwachsenenschutz, Per- Abteilung III 5 im Bun- Bereits ein grober Überblick zeigt, dass die Veränderungen desministerium für Ver- sonensorge, zuletzt auch in Insolvenzsachen)1 extrem zuge- fassung, Reformen, De- der Anfallszahlen, die in den klassischen zivilrechtlichen nommen haben, gehen diese im Bereich der zivilrechtlichen regulierung und Justiz. Streitverfahren (C, Cg) zumindest bis in die 90er-Jahre zu- Streitverfahren seit Jahren zurück. Im Gegensatz zu den Rück- rückreichen, nicht immer kontinuierlich verlaufen, insge- gängen in Strafsachen bei den Bezirksgerichten (der Anfall in samt aber einen deutlichen Abwärtstrend beschreiben. Da- Strafsachen bei den Landesgerichten ist hingegen weitgehend bei ist bemerkenswert, dass im Jahr 2018 die Anfallszahlen – stabil), die sich ohne Weiteres auf die Einführung der Diver- erstmals seit vielen Jahren – sowohl in erster Instanz (C, sion (im Erwachsenenstrafrecht mit 1. 1. 2000) und die struk- Cg, Cga) als auch bei den Oberlandesgerichten und dem turelle Neuverteilung der Rollen durch die Strafprozessre- Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelinstanzen in Zivilsa- form2 seit dem Jahr 2008 zurückführen lassen, ist die Suche chen (RMZ-OLG, RMZ-Ob/Oba/Obs) im Vergleich zum nach den Gründen für den Rückgang der Zivilverfahren un- Vorjahr wieder leicht gestiegen sind (s Abbildung 1).6 gleich schwieriger und beschäftigt die Justizverwaltung bereits Seit dem Jahr 2002 beträgt der Anfallsrückgang im Be- MARKUS ZEIRINGER seit geraumer Zeit. Als im August 2018 auch der ÖRAK dazu Der Autor ist Richter und reich der allgemeinen Streitsachen bei den Bezirksgerichten eine Evaluierung startete, beteiligte sich das BMVRDJ mit ei- Referent in der Abteilung (C) knapp 45%, bei den Landesgerichten (Cg) verstärkt III 5 im Bundesministe- ner aktuellen Analyse zum Rückgang der Zivilverfahren, die rium für Verfassung, Re- durch die Anhebung der Wertgrenzen bei den Bezirksge- sich mit den möglichen Ursachen anhand der in der Justiz formen, Deregulierung richten mit 1. 1. 2013 (auf € 15.000,–) rund 47% und in Ar- und Justiz. zur Verfügung stehenden Daten („VJ“-Daten) wie Anzahl beitsrechtssachen (Cga) rund 39%. Lediglich der Anfall in 2019/192 und Art der Verfahren (Fallcodes),3 Klägerstruktur und Sozialrechtssachen (Cgs) pendelte sich nach einem massi- Streitwertklassen, auseinandersetzte. Der Rückgang in Zivilsa- ven Anstieg in den Jahren 2007 bis 2010 sowie einem darauf chen, der kein österreichisches Spezifikum darstellt, sondern folgenden Einbruch relativ konstant bei zuletzt ca +3% über ähnlich auch in Deutschland auftritt, macht sich – in unter- dem Ausgangsniveau des Jahres 2002 ein (s Abbildung 2). schiedlicher Intensität – über alle Instanzen hinweg bis hin zum Obersten Gerichtshof bemerkbar. Diese Entwicklung 1 So sind zB in den Jahren 2006 bis 2018 die richterlichen Vorgänge im stößt nicht nur unter den betroffenen Berufsgruppen, sondern Bereich Sachwalterschaft/Erwachsenenschutz bundesweit von rund 46.700 zunehmend auch in der wissenschaftlichen Literatur4 auf In- auf 111.000 und allein im Bereich der aufwendigen Personensorge von rund 25.500 auf 40.000 gestiegen; zu den Insolvenzsachen (S) s unten Abbildung 1. teresse. Trotz des mittlerweile breiteren Dialogs sind die Ur- 2 BGBl I 2004/19. 5 3 Jedem Verfahren/jeder Klage wird in der „VJ“ bei der Erfassung (abhängig sachen, viele sprechen von einem multikausalen Phänomen, vom Anspruch/Streitgegenstand) ein bestimmter „Fallcode“ zugeordnet, der nach wie vor weitgehend unerforscht. Umfassende Studien Auskunft über die Art des Verfahrens gibt. 4 Vgl nur Prütting, Rückgang der Klageeingangszahlen bei den staatlichen existieren bisher keine, Hypothesen zu den möglichen Fakto- Gerichten, DRiZ 2/2018, 62; aktuell auch Fuchs, Warum gibt es immer weni- ren gibt es hingegen viele. Mit diesem Beitrag soll versucht ger streitige Zivilverfahren? in Ganner/Voithofer (Hrsg), Innsbrucker Beiträ- ge zur Rechtstatsachenforschung – Tagungsband 2018 (in Druck). werden, die gängigsten Erklärungsansätze an den der Justiz 5 Vgl Graf-Schlicker, Der Zivilprozess vor dem Aus? dAnwBl 2014, 573 (576); Prütting, DRiZ 2/2018, 65. zur Verfügung stehenden Daten zu messen, wobei der Schwer- 6 Freilich ohne Anhaltspunkte für eine nachhaltige Trendumkehr. Im punkt zunächst auf einer deskriptiven Bestandsaufnahme 1. Quartal 2019 ist ein leichter Anstieg bei den C-Verfahren und ein deutli- cher im Bereich Cgs festzustellen, begleitet von Rückgängen in Cg- und Cga- und in weiterer Folge auf der Ursachenforschung liegen wird. Sachen.

*DWWXQJHQ                    &                    &J                    &JD                    &JV                    (                    50=2E2ED2EV                    50=55D5V 2/*                    50=5 /*                    6 %*                    6 /*                     Abbildung 1: Anfallsentwicklung seit dem Jahr 2002 samt Differenz in absoluten Zahlen und in Prozent

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 441

Abhandlungen

Abbildung 2: Prozentuelle Entwicklung zentraler Gattungen der ersten Instanz im Vergleich zum Jahr 2002

Abbildung 3: Prozentuelle Entwicklung der RMZ-Gattungen im Vergleich zum Jahr 2002

Auch die Rechtsmittelinstanzen verzeichnen seit dem Jahr Rückgange von über 90% zu beobachten, die absoluten Zah- 2002 einen erheblichen Anfallsrückgang, der im Bereich der len sind hier aber gering (s Abbildung 4). Landesgerichte (R) und Oberlandesgerichte (R/Ra/Rs) bei Nicht unerhebliche Zuwächse zeigen sich hingegen im knapp über 30% und beim Obersten Gerichtshof (Ob/Oba/ Bereich der FC „Sonstiger Streitgegenstand – allgemeine Obs) immerhin noch bei rund 23% liegt (s Abbildung 3). Streitsache“ (sonstige Volltextklagen),8 „Schadenersatz/Ge- währleistungsanspruch“, „einstweilige Verfügungen“ und „ – “ 2. Allgemeine Streitsachen Besitzstörung allgemeine Streitsache (s Abbildung 5). a) Entwicklung der Streitverfahren Im Bereich der allgemeinen Streitsachen bei den Bezirks- und Landesgerichten (C, Cg), die hier kumuliert nach Fall- gruppen abbildende Fallcodes (FC) dargestellt werden, zei- gen sich in absoluten Zahlen die stärksten Rückgänge bei den großen FC „Sonstiger Anspruch – allgemeine Streitsa- che“ (dh sonstige Mahnklagen),7 „Lieferung/Kaufpreis“, „ “ „ “ „ Versicherungsvertrag , Werklohn/Honorar und Darle- 7 Dieser FC wird für sonstige Klagen/Ansprüche verwendet, die in Form hen/Kredit/Bürgschaft“. Prozentuell sind in den Bereichen einer Mahnklage eingebracht/eingeklagt werden. 8 Dieser FC wird für sonstige Klagen/Ansprüche verwendet, die nicht in „Wechselmandatsverfahren“ oder „Wechselklage“ sogar Form einer Mahnklage eingebracht/eingeklagt werden.

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 442

Abhandlungen

&ĂůůĐŽĚĞƐ ϮϬϬϮ ϮϬϬϰ ϮϬϬϲ ϮϬϬϴ ϮϬϭϬ ϮϬϭϮ ϮϬϭϰ ϮϬϭϲ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ ^ŽŶƐƚŝŐĞƌŶƐƉƌƵĐŚͲĂůůŐĞŵĞŝŶĞ^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϭϯϬϮϵϮ ϭϬϬϭϲϵ ϵϬϯϬϬ ϳϭϯϳϯ ϲϰϯϯϮ ϱϮϭϮϲ ϰϵϲϵϯ ϰϯϭϱϰ ϰϳϰϴϯ ͲϴϮϴϬϵ Ͳϲϯ͕ϱϲй >ŝĞĨĞƌƵŶŐͬ<ĂƵĨƉƌĞŝƐ ϭϮϳϭϳϴ ϭϮϴϰϴϳ ϵϴϰϭϴ ϴϲϭϬϵ ϴϬϬϳϰ ϳϮϱϲϮ ϲϰϮϳϰ ϱϲϬϵϰ ϰϵϵϮϱ ͲϳϳϮϱϯ ͲϲϬ͕ϳϰй sĞƌƐŝĐŚĞƌƵŶŐƐǀĞƌƚƌĂŐ ϭϰϲϲϬϰ ϭϱϬϵϰϱ ϭϰϬϴϳϲ ϭϯϮϯϭϭ ϭϯϯϳϱϳ ϭϭϬϱϰϯ ϭϬϳϰϰϭ ϭϬϱϭϲϰ ϭϬϱϲϳϵ ͲϰϬϵϮϱ ͲϮϳ͕ϵϮй tĞƌŬůŽŚŶͬ,ŽŶŽƌĂƌ ϳϮϲϬϮ ϳϭϮϴϴ ϲϰϳϮϲ ϱϵϳϳϳ ϱϱϳϭϴ ϱϮϵϬϱ ϰϴϱϵϴ ϰϮϬϳϬ ϯϴϮϲϳ Ͳϯϰϯϯϱ Ͳϰϳ͕Ϯϵй ĂƌůĞŚĞŶͬ<ƌĞĚŝƚͬƺƌŐƐĐŚĂĨƚ ϰϲϰϮϱ ϰϲϳϱϴ ϰϯϯϵϲ ϯϱϴϭϰ ϯϰϬϱϱ ϮϳϬϱϲ Ϯϰϴϯϭ ϭϴϳϲϰ ϮϬϲϱϯ ͲϮϱϳϳϮ Ͳϱϱ͕ϱϭй ĞŝƚƌĂŐ ϰϯϰϵϯ ϰϳϯϯϲ ϯϯϰϮϯ Ϯϴϳϱϳ ϯϰϵϵϱ ϯϯϳϴϲ ϯϰϲϬϬ ϯϮϳϱϰ Ϯϲϴϵϱ Ͳϭϲϱϵϴ Ͳϯϴ͕ϭϲй ^ĐŚĂĚĞŶĂƵƐsĞƌŬĞŚƌƐƵŶĨĂůů ϭϴϲϴϲ ϭϵϯϭϳ ϭϳϵϰϭ ϭϲϬϯϵ ϭϯϴϳϲ ϭϮϲϬϴ ϭϬϴϳϵ ϭϬϮϴϳ ϵϴϲϴ Ͳϴϴϭϴ Ͳϰϳ͕ϭϵй <ƺŶĚŝŐƵŶŐ ϭϮϴϴϮ ϭϯϬϭϳ ϭϭϯϴϬ ϳϬϮϰ ϱϴϲϲ ϱϳϬϭ ϱϭϮϭ ϱϬϴϵ ϰϵϬϴ Ͳϳϵϳϰ Ͳϲϭ͕ϵϬй DŝĞƚĞͬWĂĐŚƚͬĞŶƺƚnjƵŶŐƐĞŶƚŐĞůƚͲƵŶďĞǁĞŐů͘^ĂĐŚĞ ϭϵϲϲϮ ϭϵϲϴϲ ϭϴϵϱϬ ϭϳϴϬϵ ϭϲϳϱϰ ϭϱϭϮϲ ϭϰϮϮϬ ϭϮϯϳϮ ϭϮϬϮϮ ͲϳϲϰϬ Ͳϯϴ͕ϴϲй DŝĞƚĞͲďĞǁĞŐůŝĐŚĞ^ĂĐŚĞŶͬ>ĞĂƐŝŶŐ ϲϭϴϮ ϱϴϴϰ ϱϬϱϰ ϰϬϬϬ ϯϮϳϯ ϮϮϰϬ ϭϴϳϰ ϭϰϮϵ ϭϯϰϭ Ͳϰϴϰϭ Ͳϳϴ͕ϯϭй sĞƌƐŽƌŐƵŶŐƐůĞŝƐƚƵŶŐ ϭϲϬϵϳ ϭϰϱϬϵ ϭϳϳϳϮ ϭϳϳϵϴ ϮϬϭϯϭ ϭϲϲϮϲ ϭϰϮϵϱ ϭϰϭϲϭ ϭϯϯϭϯ ͲϮϳϴϰ Ͳϭϳ͕ϯϬй tĞĐŚƐĞůŵĂŶĚĂƚƐǀĞƌĨĂŚƌĞŶ ϮϬϯϮ ϭϱϯϭ ϭϭϳϲ ϳϳϵ ϱϴϮ ϯϳϮ ϮϱϮ Ϯϭϭ ϭϲϳ Ͳϭϴϲϱ Ͳϵϭ͕ϳϴй ^ĐŚĞŝĚƵŶŐ ϳϭϳϱ ϲϵϯϲ ϳϮϬϳ ϲϵϵϵ ϲϱϬϰ ϱϵϮϮ ϱϵϴϭ ϱϲϬϱ ϱϯϵϮ Ͳϭϳϴϯ ͲϮϰ͕ϴϱй WƌćƚŽƌŝƐĐŚĞƌZćƵŵƵŶŐƐǀĞƌŐůĞŝĐŚ ϯϬϴϴ ϯϬϭϬ Ϯϰϵϳ ϮϰϯϬ ϮϬϴϱ ϭϵϰϵ ϭϳϴϴ ϭϲϲϱ ϭϱϵϬ Ͳϭϰϵϴ Ͳϰϴ͕ϱϭй ĞƐŝƚnjƐƚƂƌƵŶŐͲĞƐƚĂŶĚƐĂĐŚĞ ϭϲϮϬ ϭϱϴϲ ϭϱϯϵ ϭϬϴϴ ϴϳϴ ϳϮϭ ϱϴϮ ϱϬϳ ϰϲϰ Ͳϭϭϱϲ Ͳϳϭ͕ϯϲй hŶƚĞƌŚĂůƚ ϭϳϵϯ ϭϲϴϬ ϭϭϲϯ ϭϭϬϮ ϵϳϭ ϴϲϱ ϳϵϬ ϳϴϵ ϳϭϬ ͲϭϬϴϯ ͲϲϬ͕ϰϬй džĞŬƵƚŝŽŶƐƌĞĐŚƚůŝĐŚĞ<ůĂŐĞ ϭϰϱϭ ϭϮϳϬ ϭϭϮϰ ϭϬϲϰ ϭϬϭϰ ϵϬϰ ϴϳϭ ϳϯϯ ϱϰϵ ͲϵϬϮ ͲϲϮ͕ϭϲй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ƚƌĞŝƚŐĞŐĞŶƐƚĂŶĚͲĞƐƚĂŶĚƐĂĐŚĞ ϭϳϰϱ ϭϯϭϳ ϭϮϲϵ ϮϰϬϯ ϭϳϲϴ ϭϯϬϲ ϭϮϱϭ ϭϭϮϵ ϴϰϱ ͲϵϬϬ Ͳϱϭ͕ϱϴй DĂƐƐĞŶďĞĨƂƌĚĞƌƵŶŐƐŵŝƚƚĞů ϮϯϮϯϳ ϵϲϮϱ ϮϮϯϳ ϯϯϰϱ ϳϵϮϵ ϭϬϱϳϳ ϭϲϲϰϯ Ϯϳϲϱϴ ϮϮϱϲϰ Ͳϲϳϯ ͲϮ͕ϵϬй WƌćƚŽƌŝƐĐŚĞƌsĞƌŐůĞŝĐŚͲĂůůŐĞŵĞŝŶĞ^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϭϬϬϯ ϭϭϬϮ ϵϮϱ ϴϯϯ ϳϮϮ ϲϯϱ ϱϯϳ ϱϬϲ ϰϭϬ Ͳϱϵϯ Ͳϱϵ͕ϭϮй /ŶƐŽůǀĞŶnjƌĞĐŚƚůŝĐŚĞ<ůĂŐĞͲĂůůŐĞŵĞŝŶĞ^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϴϭϱ ϱϳϯ ϲϵϵ ϰϮϬ ϰϵϮ ϰϮϰ ϱϭϮ ϯϬϵ ϰϮϱ ͲϯϵϬ Ͳϰϳ͕ϴϱй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ƚƌĞŝƚŐĞŐĞŶƐƚĂŶĚͲ&ĂŵŝůŝĞŶƌĞĐŚƚƐƐĂĐŚĞ ϰϵϯ ϯϴϰ ϯϯϰ ϰϲϳ Ϯϳϰ ϮϰϮ Ϯϯϰ Ϯϰϵ ϮϭϬ ͲϮϴϯ Ͳϱϳ͕ϰϬй ZćƵŵƵŶŐ ϮϴϭϬϰ ϯϬϳϳϭ ϯϬϲϰϰ ϯϯϭϯϲ ϯϬϮϳϲ ϯϬϱϱϮ ϯϬϳϯϳ Ϯϲϱϯϳ Ϯϳϴϲϭ ͲϮϰϯ ͲϬ͕ϴϲй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌŶƐƉƌƵĐŚͲĞƐƚĂŶĚƐĂĐŚĞ ϭϭϵϱ ϭϬϰϭ ϭϭϲϲ ϭϮϲϲ ϭϰϳϮ ϭϮϲϵ ϭϮϵϬ ϭϭϱϳ ϵϵϭ ͲϮϬϰ Ͳϭϳ͕Ϭϳй tĞĐŚƐĞůŬůĂŐĞ ϮϬϴ ϭϭϮ ϲϴ ϳϯ ϰϮ ϯϯ Ϯϵ Ϯϱ ϭϮ Ͳϭϵϲ Ͳϵϰ͕Ϯϯй EŝĐŚƚŝŐĞƌŬůćƌƵŶŐĚĞƌŚĞ ϭϳϰ Ϯϰϰ ϰϳ ϰϱ ϭϵ ϭϳ ϮϬ Ϯϲ ϭϴ Ͳϭϱϲ Ͳϴϵ͕ϲϲй ĞƐŝƚnjƐƚƂƌƵŶŐͲ&ĂŵŝůŝĞŶƌĞĐŚƚƐƐĂĐŚĞ ϭϴϳ ϭϳϰ ϭϯϲ ϭϮϮ ϴϵ ϵϳ ϳϴ ϵϬ ϲϲ ͲϭϮϭ Ͳϲϰ͕ϳϭй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌŶƐƉƌƵĐŚͲsĞƌŬĞŚƌƐƐĂĐŚĞ ϭϵϰ ϭϯϬ ϵϳ ϭϵϯ ϭϯϯ ϭϰϴ ϭϯϵ ϭϰϮ ϭϬϴ Ͳϴϲ Ͳϰϰ͕ϯϯй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌŶƐƉƌƵĐŚͲ&ĂŵŝůŝĞŶƌĞĐŚƚƐƐĂĐŚĞ ϭϬϵ ϵϯ ϴϳ ϭϬϬ ϵϯ ϳϯ ϳϳ ϳϱ ϲϯ Ͳϰϲ ͲϰϮ͕ϮϬй ƵĨŚĞďƵŶŐĚĞƌŚĞ Ϯϴ ϰϰ ϯϮ Ϯϴ Ϯϯ Ϯϱ ϭϵ ϯϬ ϭϱ Ͳϭϯ Ͳϰϲ͕ϰϯй 'ĞǁĞƌďůŝĐŚĞƌZĞĐŚƚƐƐĐŚƵƚnjͬhƌŚĞďĞƌƌĞĐŚƚ ϲϴϴ ϲϭϮ ϱϴϲ ϲϮϰ ϲϳϵ ϱϰϬ ϱϴϰ ϱϱϯ ϲϴϯ Ͳϱ ͲϬ͕ϳϯй 

Abbildung 4: Rückläufige FC seit dem Jahr 2002 samt Differenz in absoluten Zahlen und Prozent

&ĂůůĐŽĚĞƐ ϮϬϬϮ ϮϬϬϰ ϮϬϬϲ ϮϬϬϴ ϮϬϭϬ ϮϬϭϮ ϮϬϭϰ ϮϬϭϲ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ƚƌĞŝƚŐĞŐĞŶƐƚĂŶĚͲĂůůŐ͘^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϲϬϲϰ ϲϭϴϰ ϲϳϯϯ ϵϴϲϭ ϭϬϱϳϭ ϵϵϱϴ ϭϭϭϰϳ ϭϮϭϱϮ ϭϮϴϳϮ ϲϴϬϴ ϭϭϮ͕Ϯϳй ^ĐŚĂĚĞŶĞƌƐĂƚnjͬ'ĞǁćŚƌůĞŝƐƚƵŶŐƐĂŶƐƉƌƵĐŚ ϭϱϳϵϮ ϭϴϭϴϱ ϭϵϯϭϴ ϮϰϬϭϵ ϮϬϵϱϰ ϭϳϬϳϳ ϭϳϬϴϵ ϭϲϳϮϰ ϭϴϬϯϮ ϮϮϰϬ ϭϰ͕ϭϴй ŝŶƐƚǁĞŝůŝŐĞsĨŐ͘ĂƵƘĞƌŚĂůďͲĂůůŐ͘^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϯϬϯ Ϯϵϰ ϯϱϮ ϰϯϴ ϭϭϴϲ ϭϮϭϴ ϭϮϲϳ ϭϯϮϭ ϭϯϱϳ ϭϬϱϰ ϯϰϳ͕ϴϱй ŝŶƐƚǁĞŝůŝŐĞsĨŐ͘ĂƵƘĞƌŚĂůďͲ&Ăŵ ϭϯϬϯ ϭϲϲϯ ϮϮϭϮ ϮϯϵϮ ϮϬϯϯ Ϯϭϲϴ ϮϮϱϲ ϮϮϯϳ ϮϮϯϲ ϵϯϯ ϳϭ͕ϲϬй ĞƐŝƚnjƐƚƂƌƵŶŐͲĂůůŐĞŵĞŝŶĞ^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϱϳϭϮ ϱϱϬϳ ϰϴϳϴ ϰϳϴϬ ϱϮϳϰ ϲϯϯϱ ϱϳϬϲ ϲϲϲϵ ϲϰϬϵ ϲϵϳ ϭϮ͕ϮϬй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ƚƌĞŝƚŐĞŐĞŶƐƚĂŶĚͲsĞƌŬĞŚƌƐƐĂĐŚĞ ϮϬϰ Ϯϲϲ ϮϵϬ ϯϱϵ ϯϰϱ ϯϯϳ ϰϮϳ ϯϴϵ ϰϲϴ Ϯϲϰ ϭϮϵ͕ϰϭй WƌćƚŽƌŝƐĐŚĞƌsĞƌŐůĞŝĐŚͲ&ĂŵŝůŝĞŶƌĞĐŚƚƐƐĂĐŚĞ ϳϰϵ ϵϳϯ ϳϴϬ ϵϱϲ ϵϬϴ ϴϭϭ ϴϬϮ ϳϱϭ ϴϮϵ ϴϬ ϭϬ͕ϲϴй ŵƚƐŚĂĨƚƵŶŐ ϮϯϮ ϭϴϭ ϭϵϰ ϮϬϭ ϮϮϰ Ϯϯϰ Ϯϱϳ Ϯϭϭ Ϯϯϴ ϲ Ϯ͕ϱϵй  Abbildung 5: Wachsende FC seit dem Jahr 2002 samt Differenz in absoluten Zahlen und Prozent

b) Klägerstruktur Versicherungen) zugeordnet. Damit waren aber zumindest Eine detaillierte Auswertung der Klägerstruktur ist beson- knapp 35% aller Klagen des Jahres 2002 und knapp 50% ders schwierig, weil die vorhandenen Daten uneinheitlich aller Klagen des Jahres 2018 (der Gattungen C/Cg)9 erfasst, sind (zT variiert die Schreibweise der Kläger) und selbst was darauf hindeutet, dass Klein- und Einzelkläger überpro- nur wenig Struktur haben. Die Analyse musste sich daher portional zurückgehen. auf „Großkläger“ beschränken, dh solche, die in einem der beiden Vergleichsjahre 2002 und 2018 zumindest 300 Kla- gen eingebracht haben. Die Kläger wurden in weiterer Folge 9 Die Gattungen C und Cg werden auch hier gemeinsam betrachtet, um den „händisch“ bestimmten Sparten (zB Telekommunikation, Effekt der zwischenzeitigen Wertgrenzenverschiebung auszublenden.

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 443

Abhandlungen

<ůćŐĞƌͬ^ƉĂƌƚĞŶ ϮϬϬϮ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ dĞůĞŬŽŵŵƵŶŝŬĂƚŝŽŶ ϳϬϵϬϱ ϭϴϵϵϯ ͲϱϭϵϭϮ Ͳϳϯ͕Ϯϭй sĞƌƐŝĐŚĞƌƵŶŐĞŶ ϭϱϬϮϳϵ ϭϬϴϳϳϲ ͲϰϭϱϬϯ ͲϮϳ͕ϲϮй ;KŶůŝŶĞͲͿsĞƌƐĂŶĚŚĂŶĚĞů Ϯϵϴϯϱ ϵϬϰϲ ͲϮϬϳϴϵ Ͳϲϵ͕ϲϴй ĂŶŬĞŶ Ϯϱϳϯϱ ϭϬϱϰϲ Ͳϭϱϭϴϵ Ͳϱϵ͕ϬϮй ZĞůŝŐŝŽŶƐŐĞŵĞŝŶƐĐŚĂĨƚĞŶͬsĞƌĞŝŶĞ ϯϲϭϭϰ Ϯϭϴϭϴ ͲϭϰϮϵϲ Ͳϯϵ͕ϱϵй tŽŚŶĞŶ;DŝĞƚĞͬZćƵŵƵŶŐͬĞƐŝƚnjƐƚƂƌƵŶŐͿ ϭϰϳϳϱ ϯϯϲϴ ͲϭϭϰϬϳ Ͳϳϳ͕ϮϬй sĞƌŬĞŚƌƐďĞƚƌŝĞďĞ ϮϰϬϮϵ Ϯϭϲϳϭ ͲϮϯϱϴ Ͳϵ͕ϴϭй DĂƌŬĞƚŝŶŐ;/ŶƐĞƌĂƚĞͿ ϮϯϲϬ ϳϭϰ Ͳϭϲϰϲ Ͳϲϵ͕ϳϱй sĞƌǁĞƌƚƵŶŐƐŐĞƐĞůůƐĐŚĂĨƚĞŶ ϲϯϯϱ ϱϯϱϭ Ͳϵϴϰ Ͳϭϱ͕ϱϯй ^ŽnjŝĂůǀĞƌƐŝĐŚĞƌƵŶŐĞŶ ϭϬϲϮ ϰϯϰ ͲϲϮϴ Ͳϱϵ͕ϭϯй ƌĂƵĞƌĞŝďĞƚƌŝĞďĞ ϭϭϭϱ ϳϯϲ Ͳϯϳϵ Ͳϯϯ͕ϵϵй  Abbildung 6: (Groß-)Klägerstruktur seit dem Jahr 2002 samt Rückgang der Anfallszahlen in absoluten Zahlen und Prozent

<ůćŐĞƌͬ^ƉĂƌƚĞŶ ϮϬϬϮ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ 'ĞďŝĞƚƐŬƂƌƉĞƌƐĐŚĂĨƚĞŶ ϯϵϰϬ ϭϰϵϲϭ ϭϭϬϮϭ Ϯϳϵ͕ϳϮй ŶĞƌŐŝĞ ϴϯϰϭ ϭϭϰϴϵ ϯϭϰϴ ϯϳ͕ϳϰй <ƌĞĚŝƚŬĂƌƚĞŶ ϰϯϱϵ ϳϮϲϮ ϮϵϬϯ ϲϲ͕ϲϬй ŝĞŶƐƚůĞŝƐƚƵŶŐĞŶ;ŝŶŬů&ŝƚŶĞƐƐͿ ϳϲϬ ϭϭϮϯ ϯϲϯ ϰϳ͕ϳϲй /ŶŬĂƐƐŽ ϰϳϵ ϳϯϳ Ϯϱϴ ϱϯ͕ϴϲй  Abbildung 7: (Groß-)Klägerstruktur seit dem Jahr 2002 samt Zunahme der Anfallszahlen in absoluten Zahlen und Prozent

Die Auswertungen zeigen, dass die stärksten Rückgänge in die Anfallszahlen in der niedrigsten Streitwertklasse („H“) den Bereichen Telekommunikation, Versicherungen, (On- prozentuell wieder weniger zurückgehen, ist eine interes- line-)Versandhandel, Banken, Vereine/Religionsgemein- sante Anomalie, die teilweise damit zu erklären ist, dass hier schaften10 und Wohnen (Miete/Räumung/Besitzstörung) etwa Versicherungen überproportional vertreten sind, also zu verzeichnen sind (s Abbildung 6). eine Klägergruppe mit prozentuell vergleichsweise geringe- Zuwächse sind in den (Großkläger-)Sparten Gebietskör- ren Rückgängen (vgl oben Abbildung 6). Die Zunahme in perschaften sowie Energie, Dienstleistungen und Inkasso der Klasse „I“11 hat ihre Ursachen durchwegs nicht in einer bemerkbar, wobei der Anstieg im Dienstleistungssektor echten Anfallssteigerung, sondern darin, dass sich für meh- vor allem auf den wachsenden Fitnesssektor zurückzufüh- rere FC (zB „Besitzstörung“, „Räumung“) die Eintragungs- ren ist. Die Anzahl der Großkläger ist in letzteren Bereichen oder Bewertungspraxis geändert hat (s Abbildung 8). aber eher gering, sodass die Auswertungsergebnisse nur be- dingt valide sind (s Abbildung 7). c) Streitwertklassen

Wird der Anfall der allgemeinen Streitsachen (C, Cg) in 10 Der Rückgang ist wohl nicht zuletzt auch auf eine erhebliche Abnahme der einzelne Streitwertklassen unterteilt, zeigt sich, dass die Mitgliederzahlen (allein im römisch-katholischen Bereich seit dem Jahr 2002 „ “ um ca 730.000) zurückzuführen; https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/ Rückgänge in den niedrigeren Klassen (Klassen D bis Mitgliederentwicklung_in_den_ Religionsgemeinschaften (abgefragt am „H“) tendenziell höher ausfallen, während die hohen Klas- 31. 5. 2019). 11 Bei diesen Fällen weist die VJ keinen Streitwert aus; dies betrifft zB die FC sen „A“ bis „C“ erheblich geringere Rückgänge zeigen. Dass „Räumung“, „Scheidung“, „Besitzstörung“ etc.

^ƚƌĞŝƚǁĞƌƚŬůĂƐƐĞŶ ϮϬϬϮ ϮϬϬϰ ϮϬϬϲ ϮϬϬϴ ϮϬϭϬ ϮϬϭϮ ϮϬϭϰ ϮϬϭϲ ϮϬϭϴ хϭϬϬϬϬϬ ϯϯϭϵ Ͳϭϯ͕ϭϳй ͲϮϰ͕ϱϵй Ͳϭϲ͕Ϭϵй Ͳϳ͕ϱϵй ͲϮϰ͕ϴϯй ͲϯϬ͕ϳϲй Ͳϯϯ͕Ϯϯй Ͳϯϳ͕ϯϲй хϱϬϬϬϬ ϰϬϳϬ Ͳϭϭ͕Ϯϯй ͲϮϯ͕ϰϲй ͲϮϮ͕ϯϴй ͲϭϮ͕ϱϲй ͲϮϵ͕ϯϲй Ͳϯϳ͕ϲϰй Ͳϯϰ͕ϭϱй Ͳϯϳ͕ϱϰй хϯϬϬϬϬ ϲϰϲϲ Ͳϲ͕Ϭϱй ϱ͕ϯϮй ͲϮϯ͕ϱϴй Ͳϭϯ͕ϰϱй ͲϮϰ͕ϰϱй ͲϮϱ͕Ϯϳй ͲϯϮ͕Ϯϵй Ͳϯϰ͕ϭϯй хϭϱϬϬϬ ϭϯϰϲϱ Ͳϰ͕ϱϮй Ͳϳ͕ϯϴй ͲϭϬ͕ϳϵй ͲϮϬ͕ϳϰй Ͳϯϰ͕ϭϯй Ͳϯϰ͕ϳϮй Ͳϯϵ͕ϯϵй Ͳϰϯ͕ϱϵй хϱϬϬϬ ϰϭϮϭϴ ͲϭϮ͕ϰϬй ͲϮϭ͕ϵϬй ͲϮϲ͕Ϭϳй ͲϮϳ͕ϲϬй Ͳϯϴ͕ϲϴй Ͳϰϯ͕ϴϵй Ͳϱϭ͕Ϯϱй ͲϱϮ͕ϰϵй &хϭϬϬϬ ϭϰϵϲϬϮ ͲϭϮ͕ϴϮй ͲϮϭ͕ϭϭй ͲϮϵ͕ϲϵй ͲϯϮ͕ϮϮй Ͳϰϭ͕ϮϮй Ͳϰϰ͕ϯϴй Ͳϱϯ͕ϭϬй Ͳϱϰ͕ϱϮй 'хϱϬϬ ϭϰϱϲϰϬ ͲϮϯ͕ϰϯй ͲϰϬ͕ϳϭй Ͳϰϵ͕ϱϵй ͲϱϬ͕ϳϮй Ͳϱϳ͕ϳϯй ͲϲϬ͕ϰϮй Ͳϲϲ͕ϮϬй Ͳϲϴ͕ϵϲй ,ϭďŝƐϱϬϬ ϯϴϰϬϬϲ Ͳϱ͕ϯϯй ͲϮϭ͕ϱϲй ͲϮϴ͕ϲϮй ͲϮϵ͕ϴϭй Ͳϯϴ͕ϭϮй ͲϰϬ͕ϰϰй ͲϰϬ͕ϯϱй Ͳϰϯ͕ϭϮй /K Ϯϳϴϵϴ ϭϲϭ͕ϭϯй ϮϮϴ͕ϱϴй ϮϯϮ͕ϭϬй ϭϱϰ͕Ϭϭй ϭϱϭ͕ϴϴй ϭϰϵ͕ϰϯй ϭϯϳ͕ϯϬй ϭϯϵ͕ϭϵй  Abbildung 8: Anfallszahlen nach Streitwertklassen im Vergleich zu den absoluten Zahlen im Jahr 2002

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 444

Abhandlungen

&ĂůůĐŽĚĞƐ ϮϬϬϮ ϮϬϬϰ ϮϬϬϲ ϮϬϬϴ ϮϬϭϬ ϮϬϭϮ ϮϬϭϰ ϮϬϭϲ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ >ĂƵĨĞŶĚĞƌĞnjƵŐ ϳϴϯϯ ϳϮϱϮ ϳϭϯϮ ϲϴϮϴ ϲϲϵϲ ϱϵϳϭ ϱϱϳϭ ϰϳϵϴ ϯϴϳϮ Ͳϯϵϲϭ ͲϱϬ͕ϱϳй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌŶƐƉƌƵĐŚͲĂůůŐ͘^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϯϯϭϮ ϯϵϴϮ ϯϵϱϭ ϯϯϴϵ ϯϱϮϰ ϯϯϴϰ ϯϮϬϳ ϮϬϯϬ ϮϬϭϱ ͲϭϮϵϳ Ͳϯϵ͕ϭϲй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ĐŚĂĚĞŶĞƌƐĂƚnj ϵϭϭ ϴϵϲ ϲϵϴ ϵϯϳ ϵϱϱ ϴϯϲ ϱϴϯ ϲϭϬ ϱϱϴ Ͳϯϱϯ Ͳϯϴ͕ϳϱй ďĨĞƌƚŝŐƵŶŐ ϰϭϵ ϰϳϴ ϯϴϭ ϮϰϮ ϮϬϱ ϭϯϬ ϭϮϴ ϭϭϲ ϳϲ Ͳϯϰϯ Ͳϴϭ͕ϴϲй ^ŽŶĚĞƌnjĂŚůƵŶŐ ϰϵϴ ϰϳϰ ϰϰϴ ϰϮϱ ϯϰϲ ϯϱϮ ϰϭϬ ϯϲϮ ϯϱϬ Ͳϭϰϴ ͲϮϵ͕ϳϮй <ƺŶĚŝŐƵŶŐƐĞŶƚƐĐŚćĚŝŐƵŶŐ ϰϯϰ ϰϮϳ ϰϬϱ ϯϮϴ Ϯϳϯ Ϯϲϴ ϮϮϭ ϮϮϳ Ϯϴϵ Ͳϭϰϱ Ͳϯϯ͕ϰϭй hƌůĂƵďƐĂďĨŝŶĚƵŶŐͬͲĞŶƚƐĐŚćĚŝŐƵŶŐ ϯϬϭ ϯϯϵ ϭϵϲ Ϯϱϵ ϭϰϯ ϭϴϭ ϭϱϭ ϭϰϮ ϭϱϲ Ͳϭϰϱ Ͳϰϴ͕ϭϳй ƵůĂŐĞŶͬƵƐĐŚůćŐĞ ϭϬϳ ϲϱ ϲϱ ϳϰ ϲϭ ϱϲ ϲϳ ϰϯ ϲϰ Ͳϰϯ ͲϰϬ͕ϭϵй mďĞƌƐƚƵŶĚĞŶ Ϯϳϭ Ϯϵϯ ϯϱϭ Ϯϰϱ Ϯϰϲ ϮϱϬ ϮϬϭ ϮϮϲ ϮϰϮ ͲϮϵ ͲϭϬ͕ϳϬй Ğƚƌ͘ǀĞƌĨ͘^ĂĐŚĞŶ ϭϬϯϮ ϵϴϬ ϴϴϯ ϭϬϳϯ ϵϴϱ ϭϬϱϵ ϭϯϭϬ ϭϭϬϭ ϭϬϯϵ ϳ Ϭ͕ϲϴй ^ŽŶƐƚŝŐĞƌ^ƚƌĞŝƚŐĞŐĞŶƐƚĂŶĚͲĂůůŐ͘^ƚƌĞŝƚƐĂĐŚĞ ϰϰϯ Ϯϲϭ Ϯϵϲ ϱϲϯ ϰϵϵ ϱϴϮ ϲϴϳ ϴϮϴ ϵϴϵ ϱϰϲ ϭϮϯ͕Ϯϱй 

Abbildung 9: Entwicklung zentraler FC seit dem Jahr 2002 samt Differenz in absoluten Zahlen und Prozent

3. Arbeits- und Sozialrechtssachen komplexer und aufwendiger sind, wenn und weil dabei neue SachverhaltskonstellationenundRechtsfragen(zB In Arbeitsrechtssachen (Cga) zeigen sich über beinahe alle Umgang mit Bitcoins) geklärt werden müssen oder die Ju- relevanten Fallcodes (FC) hinweg erhebliche Rückgänge. dikatur derart unausgeprägt ist, dass beide Streitparteien Ausgenommen davon sind auch in dieser Gattung nur der das Kostenrisiko auf sich nehmen.13 FC „Sonstiger Streitgegenstand – allgemeine Streitsache“ (dh Als Indiz für diese These spricht, dass die Anfallszahlen Volltextklagen) und der Bereich der (typischerweise auf- prozentuell in den Rechtsmittelinstanzen – im Vergleich wendigen) betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten. In zur ersten Instanz – erheblich weniger zurückgehen, was absoluten Zahlen ist vom Rückgang am stärksten der FC darauf hindeutet, dass mehr Entscheidungen (auch bis zur „Laufender Bezug“ betroffen, prozentuell der FC „Abferti- III. Instanz) bekämpft werden (s Abbildung 10). gung“, was auf die Gesetzesänderungen in diesem Bereich Darüber hinaus ist zu beobachten, dass seit dem Jahr („Abfertigung neu“) zurückzuführen ist (s Abbildung 9). 2010 im Bereich der allgemeinen Streitsachen bei den Lan- In Sozialrechtssachen (Cga) werden keine spezifischen desgerichten (Cg) die streitigen Verfahren bzw beein- FC erfasst, sodass nur eine Auswertung der Gesamtanfalls- spruchten Mahnsachen zum Teil erheblich zunahmen, wäh- zahlen (s Abbildung 2) möglich ist. rend die Anzahl der Urteile, aber auch der Vergleiche rela- tiv gestiegen, aber in absoluten Zahlen trotzdem gesunken III. URSACHENFORSCHUNG ist (s Abbildung 11).14 Für eine zunehmende Komplexität spricht auch, dass 1. Fortentwicklung des Rechts zB allein im Bereich der sonstigen Klagen in allgemeinen Streitsachen die Mahnklagen einen Rückgang von über Interessant ist der Gedanke, dass der Rückgang der Anfalls- 60% zeigen, während sich die Volltextklagen gleich- zahlen (auch) darauf zurückzuführen sein könnte, dass of- zeitig mehr als verdoppelten (vgl oben Abbildungen 4 fene Rechtsfragen und ausdifferenzierte Sachverhaltskons- und 5). tellationen im Zivilrecht durch höchstgerichtliche Erkennt- nisse (OGH, EuGH) immer öfter bereits ausjudiziert sind, sodass die durch die Gerichte zu klärenden (rechtlichen) Konfliktfelder abnehmen und Tatfragen künftig überwiegen könnten.12 Anwaltskanzleien, Beratungseinrichtungen (zB VKI, AK) oder Rechtsabteilungen großer Unternehmen (Banken, Versicherungen) könnten mit einfachem Zugang zu elektronischen Datenbanken bereits vor Einleitung ei- nes Zivilprozesses besser in der Lage sein, spezifische Risi- ken zu identifizieren und außergerichtliche Lösungen zu finden. Ist die Tatfrage unstrittig und die Rechtslage höchst- gerichtlich geklärt, kann auf den Gang zu Gericht eher ver- 12 Vgl Karkmann, Zum Aufsatz Prütting „Rückgang der Klageeingangszah- zichtet werden, wobei dies umso mehr für Akteure gelten len bei den staatlichen Gerichten“, DRiZ 3/2018, 115; vgl auch Graf-Schlicker, wird, die regelmäßig Zivilprozesse führen (zB Banken, Ver- dAnwBl 2014, 577. 13 Letzteres setzt voraus, dass tendenziell wirtschaftliche (oder zumindest ra- sicherungen). tionale) Gründe über die Einleitung eines Zivilprozesses bestimmen. Die These legt aber auch den Schluss nahe, dass die letzt- 14 Im Bereich der Bezirksgerichte (C) blieben die streitigen Verfahren bzw beeinspruchten Mahnsachen weitgehend konstant, wobei auch hier in abso- lich zu Gericht gelangenden Streitigkeiten zunehmend luten Zahlen die Anzahl der Urteile, aber auch der Vergleiche gesunken ist.

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 445

Abhandlungen

Abbildung 10: Prozentuelle Entwicklung zentraler Gattungen im Vergleich zum Jahr 2002

Abbildung 11: Streitigkeits- und Einspruchsquote in der Gattung Cg samt absoluter Urteils- und Vergleichszahlen

2. Ökonomische Entwicklungen wird, ihren Verpflichtungen nachzukommen.18 Darüber hi- naus wird zum Teil argumentiert, dass niedrige Zinsen am Dass auch ökonomische Faktoren auf die Anzahl der Zivil- Kapitalmarkt den Zahlungsverzug zur Liquiditätserhöhung 15 prozesse Einfluss nehmen, ist so gut wie unbestritten. Aller- („Justizkredit“) unrentabel machen. Ein sehr naheliegender dings existieren unterschiedliche Thesen dazu, welchen Ein- Zusammenhang besteht auch zwischen wirtschaftlicher Ent- fluss die Konjunktur auf die Anfallszahlen hat. Einerseits wird wicklung und arbeitsgerichtlichen Verfahren (Cga). Steigt in vertreten, dass im Falle einer prosperierenden Wirtschaft zu- konjunkturschwachen Zeiten die Anzahl der beendeten Ar- folge der zunehmenden Zahl an Verträgen das Konfliktpoten- beitsverhältnisse, wird tendenziell der Anfall damit verbunde- 16 tial steigt, sodass auch die Anfallszahlen wachsen. Anderer- ner Verfahren steigen. Hingegen liegen Korrelationen zwi- seits wird argumentiert, dass gerade negative ökonomische schen der Konjunktur und Sozialrechtssachen (Cgs) weniger Entwicklungen auf Grund der damit schwindenden finanziel- auf der Hand. Allenfalls ist vorstellbar, dass in Zeiten wirt- len Flexibilität der beteiligten Akteure (Schuldner und Gläu- schaftlicher Krisen Langzeitarbeitslose vermehrt in die Inva- biger) ein Ansteigen der klassischen Zivilverfahren (C/Cg) be- 17 wirken. Dabei liegt jedenfalls auf der Hand, dass Unterneh- 15 Vgl Prütting, DRiZ 2/2018, 63 mwN; Clemenz/Gugler, Gesamtwirtschaft- men in konjunkturschwachen Zeiten einen Zahlungsverzug/ liche Entwicklung und Prozessverhalten, in Lewisch/Rechberger (Hrsg), 100 Jahre ZPO (1998) 23 (23ff). eine Leistungsstörung deutlich schwerer verkraften und ver- 16 Prütting, DRiZ 2/2018, 63, mit Verweis auf Wollschläger in Blankenburg, mehrt gezwungen sein könnten, ihre Außenstände einzukla- Prozessflut (1988) 101. 17 Vgl Prütting, DRiZ 2/2018, 63 mwN. gen, wobei es umgekehrt auch Schuldnern schwerer fallen 18 Vgl auch Clemenz/Gugler in Lewisch/Rechberger 25f, 35.

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 446

Abhandlungen

liditätspension drängen. In diesem Bereich dürften aber de- schaftswachstum bewegt. Ebenso dürfte davon – mit einiger mographische Entwicklungen (Stichwort: Pflegegeld) und le- Verzögerung – der Rechtsmittelanfall bei den Oberlandes- gistische Veränderungen mit zahlreichen (nachteilig) Betrof- gerichten (R/Ra/Rs) beeinflusst worden sein. Hingegen hat- fenen eine größere Rolle spielen.19 te die Wirtschaftskrise auf den Anfall der allgemeinen Die folgenden Auswertungen zeigen einen signifikanten Streitsachen bei den Bezirksgerichten (C) wohl auf Grund Zusammenhang zwischen Konjunktur und Anfallszahlen. der relativ niedrigen Wertgrenzen (damals € 10.000,–) Diese scheinen tendenziell die These zu stützen, dass in Zei- scheinbar nur wenig Einfluss,21 was sich auch dadurch zeigt, ten negativer ökonomischer Entwicklungen die Anfallszah- dass ab dem Jahr 2008 vor allem der Anfall in den hohen len (kurzfristig) steigen und in Zeiten prosperierender Wirt- Streitwertklassen erheblich zunahm (s Abbildung 14). schaft wieder (stärker) zurückgehen (s Abbildung 12 und 13). Tatsächlich nahmen im Jahr 2008 mit Beginn der Wirt- 19 Eine exakte Auswertung ist zufolge der fehlenden (spezifischen) FC in So- zialrechtssachen nicht möglich. schaftskrise die Anfallszahlen im Bereich der Arbeitsrechts- 20 Auch der Cgs-Anfall stieg in den Jahren der Wirtschaftskrise, aber auch sachen (Cga) signifikant zu.20 Noch stärker stieg jedoch der bereits zuvor erheblich an und ebbte danach im Vergleich sehr langsam wie- der ab (vgl dazu oben Abbildung 2); ein Zusammenhang mit der Konjunktur Anfall der allgemeinen Streitsachen bei den Landesgerich- ist fraglich. ten (Cg), wobei besonders beachtlich ist, dass sich dieser 21 Entsprechendes trifft im Übrigen auf den R-Anfall bei den Landesgerich- ten (als RM-Instanz für C-Sachen) zu. Auch auf den OGH-Anfall hatte die seither tendenziell im indirekten Verhältnis zum Wirt- Wirtschaftskrise nur wenig Einfluss; vgl dazu auch oben Abbildung 10.

Abbildung 12: Wirtschaftswachstum international in Prozent Quelle: WKO; http://wko.at/statistik/prognose/prognose.pdf (abgefragt am 31. 5. 2019)

Abbildung 13: Prozentuelle Entwicklung zentraler Gattungen im Vergleich zum Jahr 2002

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 447

Abhandlungen

3. Demographische Entwicklungen Bevölkerungszahlen – ganz im Gegensatz zu Deutschland24 – seit dem Jahr 2000 (auch betreffend den Anteil der 20- bis Demographische Entwicklungen wie Bevölkerungszahl 64-Jährigen) kontinuierlich anstiegen (s Abbildung 15). oder Anteil der unter 20-Jährigen und über 65-Jährigen, Inwieweit Zuwanderung und ein damit womöglich ein- die wohl tendenziell weniger in Zivilprozesse involviert sein hergehender eingeschränkter „Zugang zum Recht“ eine werden, könnten Einfluss auf die Anfallszahlen haben.22 Rolle spielt, lässt sich nicht beurteilen. Auch in diesem Bereich ist jedoch weitgehend unbestritten, dass allein durch solche Faktoren der Rückgang der Zivilver- 22 Dazu auch Fuchs, Zivilverfahren, in Ganner/Voithofer, Tagungsband 2018, fahren in seiner gesamten Dimension nicht erklärt werden 20 (in Druck); vgl auch Fellner, Gerichten gehen die Kläger aus, Tiroler Ta- kann.23 Letzteres zeigt sich wohl auch dadurch, dass bei ver- geszeitung v 6. 8. 2018, mit Verweis auf Fuchs. 23 Vgl nur Graf-Schlicker, dAnwBl 2014, 576; Prütting, DRiZ 2/2018, 63. gleichbar rückläufiger Anfallsentwicklung in Österreich die 24 Vgl Graf-Schlicker, dAnwBl 2014, 576.

Abbildung 14: Prozentuelle Entwicklung der Streitwertklassen im Vergleich zum Jahr 2002

 Abbildung 15: Bevölkerungsstand und -struktur Quelle: Statistik ; https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/ bevoelkerung/index.html (abgefragt am 31. 5. 2019)

4. Kostenfaktoren Denkbar wäre noch, dass die Anzahl der rechtsschutz- versicherten Personen bzw der versicherten Risiken in den Regelmäßig werden als Gründe für den Rückgang der An- letzten Jahren abgenommen haben oder die Rechtsschutz- fallszahlen auch die hohen Prozesskosten genannt. Zwar ist deckung restriktiver gewährt wird. Mit Blick auf Deutsch- nicht zu bestreiten, dass ein hohes Kostenrisiko Einfluss auf land, wo sich die Zahl der Rechtsschutzversicherungen of- die Inanspruchnahme der Gerichte haben wird. Die Ge- fenbar gerade auf einem Rekordhoch befindet,27 ist auch richtsgebühren, die vor allem in der ersten Instanz (mit diese These aber eher unwahrscheinlich. Ausnahme nicht beeinspruchter Mahnsachen) in den unte- ren, vom Rückgang am meisten betroffenen Streitwertseg- menten nur einen relativ kleinen und zudem pauschalierten Teil der gesamten Prozesskosten ausmachen,25 werden da- 25 Zwischen 3% und 12%, wenn man dabei von einem Prozess mit einer vor- bei aber bereits deshalb eine untergeordnete Rolle einneh- bereitenden Tagsatzung (2h) sowie einer weiteren Tagsatzung (2h) bei ei- nem Streitwert zwischen € 300,– und € 20.000,– ausgeht. men, weil sich seit dem Jahr 2002 weder die Pauschalgebüh- 26 Vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Tagungsband 2018, 13 (in Druck), der ebenfalls davon ausgeht, dass die Gerichtsgebühren als alleinige Erklä- ren noch die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe der- rung nicht taugen; ähnlich Zimmermann, Staatlicher Zivilprozess – quo va- art wesentlich geändert haben, dass damit ein Anfallsrück- dis? RZ 2015, 198 (198). 27 https://www.spiegel.de/panorama/justiz/justiz-warum-klagen-die-deut- gang von zum Teil über 40% erklärt werden könnte.26 schen-immer-weniger-a-1081709.html (abgefragt am 31. 5. 2019).

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 448

Abhandlungen

5. Alternative Streitbeilegung den in den Jahren 2017/2018 insgesamt jährlich (nur) rund 6.300 Schlichtungsverfahren eröffnet,34 wobei selbst diese Ausgehend von der verbreiteten Auffassung, dass die Zahl Zahlen insoweit zu relativieren sind, als nicht alle Personen, der zwischenmenschlichen Konflikte in den letzten Jahr- die Schlichtungsstellen in Anspruch nehmen, bereit sein zehnten nicht gesunken ist, werden oftmals Mechanismen werden, auch Gerichtsverfahren einzuleiten. Vor allem für alternativer Streitbeilegung als mögliche Gründe für den die unteren Streitwertsegmente wird vermutet, dass solche Rückgang der Zivilverfahren genannt.28 Gemeint sind damit Schlichtungsmöglichkeiten bevorzugt werden könnten.35 idR nationale und internationale Schiedsgerichte, Mediato- Letzteres deckt sich mit den aktuellen Auswertungen nur be- ren, Ombuds- und Schlichtungsstellen bzw Formen der Al- dingt, zumal die Rückgänge gerade in der niedrigsten Streit- ternative Dispute Resolution (ADR). Solche Möglichkeiten wertklasse (H) wieder geringer ausfallen (s Abbildung 16). sollen nicht nur schneller und günstiger, sondern auch ver- Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es Gläubigern zB im traulicher und daher eine attraktivere Alternative zu staatli- Falle nicht bezahlter Versicherungsprämien, Beiträge für Reli- chen (öffentlichen) Zivilprozessen sein. Teils wird idZ be- gionsgemeinschaften oder Beförderungsentgelte („Schwarz- reits von einer „Privatisierung der Justiz“29 gesprochen, teils fahren“), oft um die Schaffung eines Exekutionstitels gehen werden solche Alternativen sogar mit einem generellen Ver- wird, sodass für eine Schlichtung wenig Raum bleibt. lust des Vertrauens in die Justiz in Verbindung gebracht.30 Tatsächlich kann auch durch solche Streitbeilegungsmecha- 28 Vgl nur Zimmermann, RZ 2015, 198; Prütting, DRiZ 2/2018, 63. 29 Prütting, DRiZ 2/2018, 62f mwN. nismen der doch massive Rückgang der Anfallszahlen nicht 30 Vgl Aichinger, Kein Gang zu Gericht, weil das Vertrauen fehlt? Die Presse, 31 2017/46/91; Graf-Schlicker, dAnwBl 2014, 577. erklärt werden. So werden zB Schiedsgerichte primär im 31 Vgl zu Deutschland auch kürzlich Nöhre, Wie viel Streitschlichtung ver- Unternehmens-/Gesellschaftsrecht bzw in hohen Streitwert- trägt der deutsche Zivilprozess? dAnwBl 2/2019, 91 (95). 32 Vgl Zimmermann, RZ 2015, 199ff; aus dem Annual Caselaw Report des segmenten eine gewisse Rolle einnehmen.32 Aber auch die LCIA geht hervor, dass im Jahr 2018 insgesamt 317 Schiedsverfahren durch- RelevanzvonMediatorenundSchlichtungsstellen(Om- geführt wurden; https://www.lcia.org/News/2018-annual-casework-report. aspx (abgefragt am 31. 5. 2019). budsstellen) wird für Deutschland – vergleichbar wird die 33 Vgl Prütting, DRiZ 2/2018, 63f. – 34 Jahresberichte 2017/2018 der jeweiligen Stellen; zB https://www.verbrau- Situation in Österreich sein auf deutlich unter 5% des ge- cherschlichtung.at/wp-content/uploads/2019/03/Jahresbericht-Onlinever- richtlichen Anfalls geschätzt.33 Bei den derzeit acht österrei- sion.pdf (abgefragt am 31. 5. 2019); vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Ta- gungsband 2018, 15 FN 32 (in Druck). chischen Streitschlichtungsstellen iSd § 4 Abs 1 AStG wur- 35 Graf-Schlicker, dAnwBl 2014, 576.

^ƚƌĞŝƚǁĞƌƚŬůĂƐƐĞŶ ϮϬϬϮ ϮϬϬϰ ϮϬϬϲ ϮϬϬϴ ϮϬϭϬ ϮϬϭϮ ϮϬϭϰ ϮϬϭϲ ϮϬϭϴ хϱϬϬϬ ϰϭϮϭϴ ͲϭϮ͕ϰϬй ͲϮϭ͕ϵϬй ͲϮϲ͕Ϭϳй ͲϮϳ͕ϲϬй Ͳϯϴ͕ϲϴй Ͳϰϯ͕ϴϵй Ͳϱϭ͕Ϯϱй ͲϱϮ͕ϰϵй &хϭϬϬϬ ϭϰϵϲϬϮ ͲϭϮ͕ϴϮй ͲϮϭ͕ϭϭй ͲϮϵ͕ϲϵй ͲϯϮ͕ϮϮй Ͳϰϭ͕ϮϮй Ͳϰϰ͕ϯϴй Ͳϱϯ͕ϭϬй Ͳϱϰ͕ϱϮй 'хϱϬϬ ϭϰϱϲϰϬ ͲϮϯ͕ϰϯй ͲϰϬ͕ϳϭй Ͳϰϵ͕ϱϵй ͲϱϬ͕ϳϮй Ͳϱϳ͕ϳϯй ͲϲϬ͕ϰϮй Ͳϲϲ͕ϮϬй Ͳϲϴ͕ϵϲй ,ϭďŝƐϱϬϬ ϯϴϰϬϬϲ Ͳϱ͕ϯϯй ͲϮϭ͕ϱϲй ͲϮϴ͕ϲϮй ͲϮϵ͕ϴϭй Ͳϯϴ͕ϭϮй ͲϰϬ͕ϰϰй ͲϰϬ͕ϯϱй Ͳϰϯ͕ϭϮй  Abbildung 16: Anfallszahlen nach Streitwertklassen im Vergleich zu den absoluten Zahlen im Jahr 2002

6. Veränderungen im Bereich der tung von Zivilprozessen vor allem in ausjudizierten Mate- wirtschaftlichen Akteure rien zunehmend aus wirtschaftlichen Gründen unterblei- ben könnte („alternative Streitbeilegung durch Unterneh- Ein weiterer Grund für den Rückgang könnte eine starke men“). Nicht zuletzt verfügen solche Unternehmen idR Marktkonzentration bei wenigen „big player“, wie zB über umfangreiche Datensätze über ihre Kunden wie deren (Online-)Versandhandel, Telekommunikationsunterneh- Umsätze, Zahlungsmoral, Retournierungs- bzw Reklama- men, Banken etc sein, die in starker Konkurrenz zueinander tionsverhalten etc und können ihr (im Streitfall entgegen- stehen. Diese Entwicklung könnte attraktiven, konfliktver- kommendes oder schon a priori eine weitere Geschäftsbe- meidenden Vertragsbedingungen (Flatrate bei Handy und ziehung vermeidendes) Verhalten auch danach ausrich- Internet) oder in Konfliktfällen großzügigen Kulanzlösun- ten.37 Speziell Banken sind durch internationale Regelwerke gen Vorschub leisten. Zudem könnten soziale Medien oder („Basel I-III“) zunehmend gehalten, Ausfallsrisiken schon oft kaufentscheidende Online-Kundenbewertungen, die es vor der Kreditvergabe sorgfältig abzuwägen. Einzelnen erlauben, ihren Unmut im Internet mit zum Teil massiver Reichweite öffentlich zu verbreiten, vermehrt

Druck auf Unternehmen in Richtung außergerichtliche Ei- 36 Vgl auch Aichinger, Kein Gang zu Gericht, weil das Vertrauen fehlt? Die nigungen generieren.36 Zum Teil werden von größeren Un- Presse, 2017/46/91. 37 Das geht bei manchen Online-Händlern bereits so weit, dass Kunden, die ternehmen auch eigene (Online-)Streitschlichtungsme- eine Ware mit geringem Wert retournieren wollen, diese oft trotz Rücker- chanismen angeboten. Darüber hinaus lässt sich gerade stattung des Kaufpreises behalten können; vgl https://derstandard.at/ 2000071010012/Amazon-Geld-zurueck-Ware-behalten-auch-in-Oesterreich auf „big player“ der Gedanke übertragen, dass die Einlei- (abgefragt am 31. 5. 2019).

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 449

Abhandlungen

Tatsächlich sind die Klagen in diesen Sparten absolut Vielmehr zeigen die im Bereich der Sammelklagen haupt- bzw prozentuell stark zurückgegangen (s Abbildung 17). sächlich in Frage kommenden FC beide ein deutliches Plus In diesen Bereichen könnten aber auch Trends zu Di- (s Abbildung 19). rektüberweisungen, Voraus- bzw Kreditkartenzahlungen Punktuell sind die Anfallsrückgänge rein registertech- konfliktvermeidende Faktoren sein. nisch bedingt. Die Auslagerung diverser familienrechtlicher Materien in den Außerstreitbereich hinterließ in absoluten 7. Gesetzliche und rechtstechnische Zahlen eine Lücke von rund 20.000 Verfahren, die gemes- sen am Gesamtanfall im Bereich der Zivilsachen bei den Be- Faktoren zirksgerichten (C) bis zum Jahr 2008 „nur“ rund 4% betrug (s Abbildung 20). Als komplementäre These zum Anfallsrückgang auf Grund Die Erhöhung der Wertgrenzen der allgemeinen Streit- der Fortentwicklung des Rechts könnten auch gesetzliche sachen bei den Bezirksgerichten (C) mit 1. 1. 2013 (auf Regelungen, die nur wenig Interpretationsspielraum zulas- € 15.000,–) zog bei den Landesgerichten (Cg) einen signifi- sen, den Gang zu Gericht für eine Seite (weitgehend) aus- kanten Anfallsrückgang nach sich, wobei der Umstand, dass sichtlos gestalten (zB Rücktrittsrechte von Verbrauchern). der C-Anfall in absoluten Zahlen bei mehr als dem 20-Fa- Umgekehrt könnten neue Rechtsnormen, grundlegende chen liegt, dazu führte, dass wenige tausend Verfahren (aus Novellen oder neue faktische Phänomene (zB Bitcoin) bis dem Cg-Bereich) den Rückgang bei den Bezirksgerichten zur Erreichung eines gewissen Grades an Rechtssicherheit nur minimal abschwächten (s unten), was mitunter zu zu einem kurzfristigen Anstieg der Anfallszahlen führen. dem Trugschluss verleitete, die „verlorenen Cg-Verfahren“ Ähnlich dazu ist im Bereich der Privatinsolvenzen der sig- seien bei den Bezirksgerichten niemals angekommen (s Ab- nifikante Anstieg im Jahr 2018 letztlich wohl in erster Linie bildung 21). auf die seit 1. 11. 2017 geltenden Lockerungen der gesetz- lichen Voraussetzungen zurückzuführen (s Abbildung 18). 38 So zeichnet sich die „Sammelklage österreichischer Prägung“ dadurch aus, Aus prozessualer Sicht könnten auch Sammelklagen dass im Prozess nur ein Kläger (zB VKI) auftritt, dem sämtliche geltend ge- machten Ansprüche zediert wurden, sodass in der VJ grundsätzlich nur ein (österreichischer Prägung) bei entsprechender Häufung ei- Verfahren erfasst wird. Allerdings tritt zB im Anlegerbereich vermehrt das nen (scheinbaren) Anfallsrückgang erzeugen.38 Die aktuel- Phänomen auf, dass die Schäden nicht nur mittels Sammelklagen, sondern auch einzeln eingeklagt werden, sodass sich in solchen Fällen der Anfall re- len Auswertungen liefern dafür aber (noch) keine Indizien. alistisch abbildet.

<ůćŐĞƌͬ^ƉĂƌƚĞŶ ϮϬϬϮ ϮϬϭϴ ϬϮͬϭϴ ϬϮͬϭϴ dĞůĞŬŽŵŵƵŶŝŬĂƚŝŽŶ ϳϬϵϬϱ ϭϴϵϵϯ ͲϱϭϵϭϮ Ͳϳϯ͕Ϯϭй sĞƌƐŝĐŚĞƌƵŶŐĞŶ ϭϱϬϮϳϵ ϭϬϴϳϳϲ ͲϰϭϱϬϯ ͲϮϳ͕ϲϮй ;KŶůŝŶĞͲͿsĞƌƐĂŶĚŚĂŶĚĞů Ϯϵϴϯϱ ϵϬϰϲ ͲϮϬϳϴϵ Ͳϲϵ͕ϲϴй ĂŶŬĞŶ Ϯϱϳϯϱ ϭϬϱϰϲ Ͳϭϱϭϴϵ Ͳϱϵ͕ϬϮй  Abbildung 17: (Groß-)Klägerstruktur seit dem Jahr 2002 samt Rückgang der Anfallszahlen in absoluten Zahlen und Prozent

Abbildung 18: Prozentuelle Entwicklung der Gattung S (BG) seit dem Jahr 2002

Abbildung 19: Prozentuelle Entwicklung der für Sammelklagen relevanten FC seit dem Jahr 2002

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 450

Abhandlungen

Abbildung 20: Familienrechtliche Streitsachen bis zum Jahr 2008 in absoluten Zahlen

Abbildung 21: Prozentuelle Entwicklung in den Gattungen C, Cg und E im Vergleich zum Jahr 2002

Dass sich der Anfall in Exekutionssachen (E) seit dem Jahr gang in seiner gesamten Dimension immer noch erhebli- 2002 im Vergleich zu den allgemeinen Streitsachen (C, Cg) chen Raum für Spekulationen. Obwohl bei den zivilrecht- nur etwa um die Hälfte reduziert hat (vgl Abbildung 21), lichen Streitverfahren vor allem in weniger aufwendigen könnte die Vermutung nahelegen, dass Gläubiger ihre Exe- Teilbereichen und bei kleinen Streitwerten ein starker kutionstitel vielleicht zunehmend einfacher oder günstiger zahlenmäßiger Rückgang bemerkbar ist, spricht vieles auf anderem Wege (zB anerkannte Forderungen im Insol- dafür, dass jene Streitigkeiten, die letztlich zu Gericht ge- venzverfahren) erhalten. Tatsächlich spricht das seit dem langen, begleitet von bereits häufig erschwerenden Jahr 2013 besonders konstante prozentuelle Verhältnis die- Faktoren (Auslandsbezug, Bedarf an Sachverständigen, ser Gattungen („Gleichklang“) aber deutlich dafür, dass die höherer Verhandlungs- und Begründungsaufwand etc) Titel hauptsächlich aus den genannten und nicht aus ande- komplexer und aufwendiger werden, wenn und weil zu- ren Bereichen stammen. nehmend strittige Sachverhaltskonstellationen oder un- gelöste Rechtsfragen geklärt werden müssen. Auch weil IV. RESÜMEE in gegenläufiger Entwicklung dazu die Anfallszahlen in diversen (arbeitsintensiven) Außerstreitmaterien be- Abschließend lässt sich festhalten, dass der Anfallsrück- trächtlich steigen, kann von einer nachhaltigen Entlas- gang in Zivilsachen wohl tatsächlich ein multikausales tung der Gerichte durch die zahlenmäßigen Entwicklun- Phänomen darstellt. Auch wenn die Ursachen punktuell gen im Teilbereich der Zivilsachen nicht gesprochen wer- erklärt und nachgewiesen werden können, lässt der Rück- den.

Gerhard Nogratnig und Markus Zeiringer Rückgang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 451

Abhandlungen

Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? Das Sinken der Klagezahlen aus rechtssoziologischer Sicht1

Der vorliegende Beitrag beabsichtigt, den drastischen Rückgang an Zivilprozessen in Österreich und Deutschland aus rechtssoziologischer Sicht zu beleuchten. Dabei werden monokausale makro- oder mikroökonomische Erklärungen zurückgewiesen. Das Zustandekommen von Zivilverfahrensraten muss als ein Zusammenspiel von gesellschaftlichen Konfliktursachen und der vorhandenen Bereitschaft zur Mobilisierung der Gerichte verstanden werden, auf das viel- WALTER FUCHS Der Autor ist Wissen- fältige Kräfte einwirken – nach hier vertretener Ansicht nicht zuletzt Prozesse der Digitalisierung und sozialen Be- schaftlicher Mitarbeiter schleunigung. (Senior Researcher) am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). I. EINLEITUNG zahl gab es nur in den Nachkriegsjahren 1919 bis 1923 und 1946 bis 1951 weniger Verfahren als im Jahr 2018. Auch die 2019/193 Die Anzahl der streitigen Zivilprozesse geht in Österreich Rate an Exekutionsverfahren hat einen langjährigen histori- seit vielen Jahren zurück. Fielen in den 1980er Jahren im schen Tiefstand erreicht.5 Verglichen mit den Jahren nach Durchschnitt jährlich ungefähr 900.000 neue Verfahren den Weltkriegen, hat sich jedoch nicht nur die Menge des an, so ist deren Menge im Jahr 2018 auf unter eine halbe anzuwendenden materiellen Rechts, sondern auch das Vo- Million gesunken.2 Berücksichtigt man die in diesem Zeit- lumen des gesellschaftlich produzierten und über Verträge raum wachsende Bevölkerung, so fällt der Rückgang noch umgesetzten Reichtums an Gütern und Dienstleistungen drastischer aus.3 Dies veranschaulicht Abbildung 1. drastisch vervielfacht. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Zivilprozessrate In Deutschland ist die Entwicklung ähnlich. Allein (Anfall streitiger erstinstanzlicher Verfahren pro Bevölke- zwischen 2004 und 2017 ist dort die Menge an erstins- rung), der Rate an Exekutionsverfahren und der wirtschaft- tanzlichen Zivilverfahren vor den Amts- und Landgerich- lichen Leistungskraft (reales Bruttoinlandsprodukt pro ten von knapp elf auf nur mehr etwas mehr als sechs Mil- Kopf) Österreichs vom Inkrafttreten der Kleinschen Justiz- lionen gesunken.6 Eine so deutliche Abnahme des Verfah- reform 1898 bis in die Gegenwart. Um die Zeitreihen über- rensanfalls, wie sie in den letzten 15 Jahren zu beobachten sichtlich darzustellen, wurde das Jahr 1948 als Bezugsgröße ist, wirft grundlegende Fragen auf, die gleichermaßen gewählt. Obwohl Schwankungen der Menge an Zivilverfah- rechtspolitisch wie soziologisch hochrelevant sind: Ist die ren immer wieder auftreten,4 ist die jüngste „Prozessebbe“ nationalstaatliche Zivilgerichtsbarkeit in der globalisierten dennoch bemerkenswert: Im Verhältnis zur Bevölkerungs- Gegenwart mit einem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust konfrontiert? Muss der Zugang zum Recht überdacht und 1 Dieser Artikel beruht zum Teil auf einem Vortrag, den ich im Juni 2018 verbessert werden? Ist der Zivilprozess in seiner gegen- am Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck gehalten habe. Eine wärtigen Gestalt der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhun- schriftliche Fassung ist soeben erschienen: Fuchs, Warum gibt es immer we- niger streitige Zivilverfahren? Rechtssoziologische Thesen zum Klagerück- derts angemessen? gang in Österreich und Deutschland, in Ganner/Voithofer (Hrsg), Innsbru- cker Beiträge zur Rechtstatsachenforschung – Tagungsband 2018 (2019) Eine sinkende Nachfrage nach Ziviljustiz kann indessen 113–144. aus rechtsstaatlicher Perspektive zum Problem werden:7 2 Unter „streitigen Zivilverfahren“ verstehe ich hier – der österreichischen – Gerichtsorganisation entsprechend – allgemeine Streitsachen vor den Be- Wenn häufig auftretende und materiellrechtlich mögli- zirks- und Landesgerichten sowie Verfahren vor den Arbeits- und Sozialge- cherweise sogar dicht regulierte – Konfliktkonstellationen richten. Aus rechtsvergleichender Sicht ist es nicht unbedingt selbstverständ- lich, Sozialrechtsverfahren zu den Zivilprozessen zu zählen. die Gerichte kaum mehr erreichen, dann werden sie auch 3 2018 gab es in absoluten Zahlen erstmals seit vielen Jahren geringfügig mehr erstinstanzliche Verfahren als im Jahr zuvor (486.272 gegenüber seltener ausjudiziert. Dies vermag nicht nur die Rechtssi- 484.821 im Jahr 2017). Die Zivilprozessrate sank aufgrund der steigenden cherheit, sondern auch dogmatische Fortschritte durch Ju- Bevölkerungszahl allerdings erneut, und zwar von 55,1 auf 55,0 Verfahren pro 1.000 der Bevölkerung. Ihre historischen Höchststände erreichte die Zi- dikatur und Rechtswissenschaft zu beeinträchtigen. Schließ- vilprozessrate in den Jahren 1932 und 1982 (139,1 bzw 125,8 Verfahren pro lich ist zu fragen, welche Streitbeilegungsmechanismen im 1.000 der Bevölkerung). 4 Vgl grundlegend dazu (für Deutschland) Rottleuthner, Aspekte der „Dunkelfeld“ der nicht justiziell erledigten Konflikte über- Rechtsentwicklung in Deutschland – Ein soziologischer Vergleich deutscher Rechtskulturen, ZfRSoz 1985, 206ff; ders, Prozessflut und Prozessebbe – Fra- gen und Forschungsbedarf, in Höland/Meller-Hannich (Hrsg), Nichts zu kla- terreich. In Deutschland ist die Zivilverfahrensrate in der Zeit des National- gen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz – Mögliche Ursa- sozialismus stetig gesunken, was auch mit dessen prozessfeindlicher Ideolo- chen und Folgen (2016) 100ff; für 13 europäische Staaten Wollschläger, Die gie zu tun haben dürfte. Arbeit der europäischen Zivilgerichte im historischen und internationalen 5 2018 nahm sie allerdings wieder leicht zu, und zwar von 102,6 auf 103,2 Vergleich – Zeitreihen der europäischen Zivilprozeßstatistik seit dem Verfahren pro 1.000 der Bevölkerung. 19. Jahrhundert, in Blankenburg (Hrsg), Prozeßflut? Indikatorenvergleich 6 Siehe dazu auch unten Abschnitt V. sowie Graf-Schlicker, Der Zivilprozess von Rechtskulturen auf dem europäischen Kontinent (1988) 21ff. Für die vor dem Aus? Rückgang der Fallzahlen im Zivilprozess, dAnwBl 2014, 573ff; Zeit der Weltkriege stehen keine Statistiken zur Verfügung. Die Zahl der Höland/Meller-Hannich, Rückgang der Klageeingangszahlen – wo liegt das Verfahren hat in den Kriegsjahren wie in anderen europäischen Ländern Problem? in dies, Nichts zu klagen (2016) 11ff; Rottleuthner in Höland/Mel- wahrscheinlich drastisch abgenommen. Der letzte Band der Justizstatistik ler-Hannich, Nichts zu klagen 100ff; Prütting, Rückgang der Klageeingangs- für die Erste Republik erschien 1938 (für das Jahr 1936). Die Rechtspflege- zahlen bei den staatlichen Gerichten, dRZ 2/2018, 62ff. kapitel der bis 1943 erschienenen statistischen Jahrbücher für das Deutsche 7 Vgl die (auf Deutschland bezogene) Argumentation bei Höland/Meller- Reich enthalten keine Angaben zu Zivilprozessen im „angeschlossenen“ Ös- Hannich in dies, Nichts zu klagen 15f.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 452

Abhandlungen

haupt zum Tragen kommen und angesichts sinkender Pro- mer Zwang durch das Ausnutzen überlegener ökonomi- zessraten wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen: Media- scher Macht oder die Drohung mit Gewalt? Werden dabei tion, Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit? Resignation? streitgegenstandsorientierte sachliche oder schlicht interes- Geld, Kulanz und Versicherungsmathematik? Oder stum- senbezogene Kriterien berücksichtigt?

Abbildung 1: Anfall an erstinstanzlichen streitigen Zivilverfahren (inklusive Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sowie deren Vor- gängerinstitutionen), Exekutionsverfahren und reales Bruttoinlandsprodukt 1898–2018, jeweils pro Kopf, indexiert (1948 = 1); 1898–1912: österreichische Reichshälfte der Habsburgermonarchie, ab 1919: Republik Österreich. Datengrundlagen: Österreichische Justiz- und Rechtspflege- statistiken, Statistik Austria, Wirtschaftskammer Österreich8

II. ZUM WIDERSPRÜCHLICHEN EINFLUSS nicht nur individuelles Problem der Parteien, sondern als ÖKONOMISCHER FAKTOREN soziales Übel an, das es nach Möglichkeit zu vermeiden gel- te: Man müsse sich insofern ein Sinken der Verfahren wün- In der bisherigen sozialwissenschaftlichen Forschung zu schen, als der „Rückgang der Prozesse gewöhnlich eine Be- den Determinanten der Nachfrage nach Ziviljustiz im gleiterscheinung steigender Preise, guter Geschäftskonjunk- Zeitvergleich sind vor allem gesamtwirtschaftliche Ein- tur und allgemeinen Prosperierens zu sein pflegt“.9 Mögli- flussfaktoren beachtet worden. In empirischen Untersu- cherweise hatte Klein hier Zustände des „Pauperismus“– chungen wurde insb immer wieder die Entwicklung des also der Überschuldung und Verarmung ganzer Bevölke- Bruttoinlandsprodukts herangezogen, um Veränderungen rungsteile (vor allem des Kleinbauerntums) während der von Zivilprozessraten zu erklären. Der mögliche Effekt frühen Industrialisierung – im Auge, die im 19. Jahrhundert ökonomischer Konjunkturen ist jedoch keineswegs ein- im manchen Gegenden Europas die Prozessraten nach oben deutig: getrieben haben dürften.10 Zum einen ist denkbar, dass Zivilverfahren vorausge- Zum anderen ist es aber auch plausibel, dass die Anzahl hende Leistungsstörungen und Vertragsbrüche als Knapp- der Zivilverfahren mit steigendem Bruttoinlandsprodukt heitsphänomene vor allem eine Begleiterscheinung wirt- zunimmt: Wenn die Menge an hergestellten Gütern und schaftlich schwacher Phasen sind. Ihr Auftreten sollte da- her in Zeiten des Aufschwungs zurückgehen. Diesen Ge- „ “ 8 Für detaillierte Quellenangaben s Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsa- danken hat niemand anderer als Franz Klein, der Vater chenforschung 141. der österreichischen Zivilprozessordnung, prominent for- 9 Klein, Zeit- und Geistesströmungen im Prozesse, in Gehe-Stiftung (Hrsg), Jahrbuch der Gehe-Stiftung (1902) 88 (53). muliert. Klein sah jeden Rechtsstreit bekanntlich als ein 10 Vgl Wollschläger in Blankenburg, Prozeßflut 86f.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 453

Abhandlungen

erbrachten Dienstleistungen steigt, so wächst auch die Zahl Dieser grundlegende Zusammenhang scheint in der Ge- der zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte sowie der Kredit- genwart des 21. Jahrhunderts jedoch vorerst nicht mehr zu verträge, die diese Transaktionen finanzieren. Damit gibt gelten: Um das Jahr 1997 herum beginnt die Rate der strei- es auch mehr Anlässe für zivilrechtlich relevante Konflikte. tigen Zivilverfahren in Österreich tendenziell zu fallen. Ab Wollschläger hat diesen Effekt in seiner historisch und inter- 2002 zeigt die Zeitreihenkurve ständig nach unten – unbe- national vergleichenden Untersuchung auf folgenden Nen- eindruckt sowohl von den wirtschaftlichen Boomjahren bis ner gebracht: „Je mehr Verträge geschlossen werden, desto 2008 als auch von der stagnierenden Entwicklung in Zeiten mehr können auch gebrochen werden.“ Wirtschaftswachs- der Finanz- und Bankenkrise. Es ist indessen wenig wahr- tum müsse „folglich – ceteris paribus(!) – die Arbeit der scheinlich, dass es sich bei diesem Verlauf um einen bloßen Ziviljustiz vermehren“.11 random walk – also eine zufällig erfolgende stochastische Die empirische Längsschnittbetrachtung von Daten aus Bewegung – handelt. dem 20. Jahrhundert spricht deutlich für die zweite Annah- Vor diesem Hintergrund könnte eine rechtssoziologi- me:12 Wie Abbildung 1 zeigt, folgte die Zivilverfahrensrate sche These ungeahnte Aktualität gewinnen, die in den in Österreich zumindest ihrer groben Richtung nach meist 1970er Jahren vertreten worden ist. Mehrere Autoren pos- der Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts.13 Den- tulierten damals einen kurvilinearen Zusammenhang zwi- noch schien es wiederholt auch kurze gegenläufige Phasen schen wirtschaftlicher Entwicklung und Zivilprozesshäu- gegeben zu haben, in denen die Zahl der Prozesse zurück- figkeit (siehe Abbildung 2).15 Demnach gehe Industrialisie- ging, während die Menge der produzierten Waren und rung zunächst mit einem verstärkten Anrufen der Zivilge- Dienstleistungen weiterhin – und mitunter sogar besonders richte einher, da viele Konflikte aufgrund der zunehmenden rasch – wuchs. Arbeitsteilung der Gesellschaft nicht mehr informell von Die Wirtschaftswissenschaftler Clemenz und Gugler ha- Angesicht zu Angesicht gelöst werden könnten. Mit steigen- ben den Zusammenhang zwischen der Zivilprozessrate der Komplexität und Interdependenz der Sozialbeziehun- und dem Bruttoinlandsprodukt zwischen 1960 und 1995 gen fehle den Gerichten in der Wahrnehmung von Streit- für Österreich in zwei bemerkenswerten Arbeiten mit parteien jedoch mehr und mehr die Expertise (und daher Mitteln der formalen statistischen Zeitreihenanalyse un- auch die Legitimität) für effektive Interventionen. Nach Er- tersucht.14 Ohne eine kausale Beziehung nachweisen zu reichen einer „kritischen Masse“ greife man in postindust- können, finden sie – wenig überraschend – eine starke riellen Gesellschaften daher weniger auf die Ziviljustiz, son- Korrelation zwischen der langfristigen Zunahme des Ge- dern mehr und mehr auf technisch-administrative oder schäftsanfalls der Zivilgerichte und der Entwicklung der aber harmoniebetont-informelle Konfliktlösungsmechanis- gesamtwirtschaftlichen Situation. In ihren Modellen zeigt men zurück. sich jedoch auch eine – zwar vergleichsweise schwache, gleichwohl aber statistisch signifikante – umgekehrte Aus- 11 Wollschläger in Blankenburg, Prozeßflut 49. 12 So auch das Resümee von Wollschläger in Blankenburg, Prozeßflut 102; vgl wirkung des Bruttoinlandsprodukts: Steigendes Wirt- (für Indien) Eisenberg/Kalantry/Robinson, Litigation as a Measure of Well- schaftswachstum vermag bis zu einem gewissen Grad Being, DePaul Law Review 2012/13, 247ff. 13 Interessant ist die Entwicklung in der Ersten Republik: In den Nachkriegs- das parallele Ansteigen der Zivilverfahren zu bremsen. jahren bewegt sich die Zivilprozessrate zunächst auf sehr niedrigem Niveau – Dieser – eher kurzfristig wirksame – antizyklische Effekt und wächst nur verhalten wohl auch aufgrund der galoppierenden Geld- entwertung, die das Einklagen wertlos gewordener Forderungen vielfach könnte sich den Autoren zufolge dadurch erklären, dass es sinnlos gemacht haben dürfte; vgl Rottleuthner, ZfRSoz 1985, 236. Ab 1924 steigt die Zahl der Zivilverfahren jedenfalls sprunghaft an, um im Gefolge der den Wirtschaftssubjekten in Boomphasen leichter fällt, ih- Weltwirtschaftskrise wieder stark abzunehmen. Die autoritäre Regierung ren Verpflichtungen nachzukommen. Umgekehrt können Dollfuß nimmt die Verfahrensflut zum Anlass, um mit der (im Verord- nungsweg erlassenen!) achten Gerichtsentlastungsnovelle 1933 das „Armen- Gläubiger aufgrund der insgesamt besseren Liquidität recht“–also die Zugangsmöglichkeit zu den Gerichten für einkommens- – mehr Geduld bei säumigen Schuldnern aufbringen. schwache Bevölkerungsteile zu beschränken; s Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 116f. Schließlich gebe es, solange eine Fortsetzung der guten 14 Clemenz/Gugler, Gesamtwirtschaftliche Entwicklung und Prozeßverhal- ten, in Bundesministerium für Justiz/Lewisch/Rechberger (Hrsg), 100 Jahre makroökonomischen Lage erwartet wird, andere als ge- ZPO (1998) 24ff; dies, Macroeconomic Development and Civil Litigation, richtliche Mittel, um das Einhalten von vertraglichen Ver- European Journal of Law and Economics 2000, 215ff. Diese ökonometri- schen Arbeiten sind von ihrem Grundansatz her zweifellos verdienstvoll. Al- pflichtungen zu bewirken, etwa die Drohung des Ab- lerdings sind die dort angegebenen Gesamtmengen an Zivilverfahren anhand der publizierten Jahresbände der Rechtspflegestatistik nicht nachvollziehbar. bruchs von Geschäftsbeziehungen. Sobald das Wirtschafts- Die Autoren teilen auch nirgendwo mit, welche Verfahrensarten sie zur Be- wachstum jedoch wieder zurückgeht, verkehren sich diese rechnung ihrer abhängigen Variable herangezogen haben. Dieser etwas sa- loppe Umgang mit den Daten steht in auffälligem Kontrast zur selbstbewusst Wirkungen in ihr Gegenteil. Hinzu kommt, dass in Zeiten behaupteten „Rigorosität“ der ökonomischen Analyse. Dem gewählten strik- des Aufschwungs gegründete Firmen rasch in Schwierig- ten Law-and-Economics-Paradigma mag es auch geschuldet sein, dass die inhaltliche Interpretation der multivariaten Modelle aus soziologischer Sicht keiten geraten können. All dies bewirkt wiederum ein naiv gerät – insb werden justizinterne Faktoren und Fragen der selektiven Mobilisierung von Gerichten weitgehend ausgeblendet. deutlicheres Ansteigen der Zivilverfahren. Letztlich ver- 15 Und zwar auf Grundlage von seinerzeit verfügbaren Daten der 1960er Jah- mag die antizyklische Bewegung somit nur wenig daran re; s Sarat/Grossman, Courts and Conflict Resolution: Problems in the Mo- bilization of Adjudication, The American Political Science Review 1975, zu ändern, dass sich die Zeitreihe der Zivilprozessrate 1200ff; Toharia, Economic development and litigation, in Friedman/Rehbin- bis in die jüngste Vergangenheit hinein im Wesentlichen der (Hrsg), Zur Soziologie des Gerichtsverfahrens (1976) 39ff; Friedman, Trial courts and their work in the modern world, in Friedman/Rehbinder, nach der makroökonomischen Entwicklung richtet. Soziologie 25ff.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 454

Abhandlungen

he von Faktoren eine Rolle, die ebenfalls nicht zwangsläu- fig etwas mit makroökonomischen Gegebenheiten zu tun haben. So müssen die Rechtssubjekte erst einmal auf die Idee kommen, mehr oder weniger alltägliche Probleme in rechtlichen Kategorien zu deuten. Dies hängt auch von in- dividuellen Eigenschaften und Einstellungen potenziell Klagender (etwa Alter, Geschlecht, Bildung, Vermögen oder Rechtsbewusstsein) ab. Schließlich kommt es auf die Abbildung 2: Modell eines kurvilinearen Zusammenhangs zwischen Art der Beziehung zwischen den Konfliktparteien genau- wirtschaftlicher Entwicklung und Zivilprozesshäufigkeit Foto: Sarat/ so an wie auf die spezifische Beschaffenheit der Streitge- Grossman, The American Political Science Review 1975, 1211. genstände. All diese Faktoren sind gesellschaftlich stets im Das kurvilineare Modell wurde durch die für viele Rechts- Wandel begriffen. ordnungen in den 1970er und 80er Jahren zu beobachtende Der deutsche Rechtssoziologe Blankenburg hat darauf Entwicklung hin zu einer „Prozessflut“ zunächst empirisch hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Klage widerlegt.16 Insofern sich jedoch die Konturen einer „post- überdies ganz wesentlich auch davon abhängt, ob und in industriellen“ Gesellschaft – verbunden mit Globalisierung welchem Ausmaß eine Infrastruktur der informellen 19 und Digitalisierung – möglicherweise erst in den letzten Konfliktbehandlung bereitsteht. So gesehen bestimmt – zwei bis drei Jahrzehnten tatsächlich abzuzeichnen begin- also das Spektrum an als mehr oder weniger attraktiv – nen, könnte in ihm dennoch mehr Weisheit stecken, als sei- wahrgenommenen Angeboten die konkrete Nachfrage 20 nerzeit angenommen. Insb die Überlegung, dass die Zivil- nach bestimmten Behelfen. Alternative Rechtsformen justiz in komplexen Gemeinwesen der Gegenwart aufgrund und außergerichtliche Streitschlichtungsinstrumente kön- von technologischem Fortschritt und sozioökonomischer nen als funktionale Äquivalente den Gang zur Ziviljustiz Differenzierung als Konfliktlösungsinstrument an Bedeu- überflüssig machen. Rechtsberatende Einrichtungen ver- tung und Selbstverständlichkeit verliert, vermag zu einer mögen einerseits den Zugang zu den Gerichten zu beför- Erklärung der jüngsten „Prozessebbe“ durchaus beizutra- dern und damit die Prozesshäufigkeit zu erhöhen; ande- gen. rerseits können sie aber mitunter auch alternative Abhil- fen vermitteln oder bereitstellen und daher prozessvermei- III. ZUR SELEKTIVEN MOBILISIERUNG dend wirken. DER ZIVILGERICHTE Die Zivilprozessrate (als Anzahl der Prozesse pro Bevöl- kerung) lässt sich somit in – mindestens – zwei Dimensio- Alle bisher skizzierten Thesen gehen zumindest implizit nen auflösen, die nicht immer klar unterschieden werden, davon aus, dass die Häufigkeit an Zivilverfahren durch nämlich einerseits in die Häufigkeit zivilrechtlich relevan- ökonomische Entwicklungen determiniert wird. Diese ter Konflikte überhaupt („Konfliktrate“) und andererseits Prämisse ist jedoch im Lichte fortgeschrittener theoreti- in das Ausmaß des Anrufens von Zivilgerichten („Mobi- scher und empirischer Einsichten der Rechtssoziologie lisierungsrate“).21 Als Formel lässt sich dies wie folgt dar- zu hinterfragen. Zunächst handelt es sich bei der Ziviljus- stellen: tiz selbst um ein komplexes gesellschaftliches Feld mit ei- Konflikte Zivilprozesse nem hohen Ausmaß an Eigendynamik, in dem außer- Zivilprozessrate = ൈ Konflikte rechtliche Geschehnisse nicht einfach nur nach Art ei- Bevölkerung nes Reiz-Reaktions-Schemas widergespiegelt werden. Insb die soziologische Systemtheorie liefert Argumente für die Annahme, dass Recht und Wirtschaft in modernen 16 Vgl Wollschläger in Blankenburg, Prozeßflut 102; Clark, Civil Litigation Trends in Europe and Latin America since 1945, Law & Society Review Gesellschaften als autonome und selbstreferenzielle soziale 1990, 549ff. Sphären begriffen werden müssen, in denen Umwelteinf- 17 Vgl nur Luhmann, Das Recht der Gesellschaft (1993) 38ff. 18 Black, The Mobilization of Law, The Journal of Legal Studies 1973, 125ff. lüsse stets nach Kriterien eigener Selektivität verarbeitet 19 Blankenburg, Mobilisierung des Rechts, ZfRSoz 1980, 33ff; Blankenburg, 17 The Infrastructure for Avoiding Civil Litigation: Comparing Cultures of Le- werden. gal Behaviour in The Netherlands and West , Law & Society Review Das Geschehen, dass aus einem Konflikt tatsächlich ein 1994, 789ff. 20 Phänomene einer „angebotsinduzierten Nachfrage“ lassen sich für jene justiziell bearbeiteter Streitfall wird, ist näher besehen denn Rechtsinstitute beobachten, die in Österreich und Deutschland die alten stig- auch ziemlich voraussetzungsreich. Zivilgerichte werden matisierenden Entmündigungsprozeduren abgelöst haben (Sachwalterschaft, rechtliche Betreuung). In beiden Ländern kam es unmittelbar nach deren schließlich nicht von sich aus tätig. Sie müssen angerufen Einführung zu einem massiven Anstieg der Fallzahlen, der nicht durch so- – ziodemographische Veränderungen erklärt werden kann; vgl Fuchs, Zwi- oder, wie man in der Rechtssoziologie seit Blacks grund- schen Epidemiologie und selektiver Rechtsmobilisierung, in Brinek (Hrsg), legender Arbeit18 sagt, „mobilisiert“–werden. Ob das Erwachsenenschutz statt Sachwalterschaft (2017) 64ff. 21 Vgl Ramseyer, Litigation and Social Capital: Divorces and Traffic Acci- überhaupt geschieht, wird nicht zuletzt auch von justizin- dents in Japan, Journal of Empirical Legal Studies 2014, 40 (39). Wollschläger ternen Umständen wie etwa der Höhe von Gerichtsgebüh- in Blankenburg, Prozeßflut 21ff unterscheidet überdies noch die Faktoren der Bevölkerungsdichte, der Interaktionsdichte sowie der Zivilprozessbelas- ren mitbestimmt. Noch davor spielen allerdings einige Rei- tung des Sozialprodukts.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 455

Abhandlungen

Für das Maß aller potenziell rechtserheblichen Streitigkei- Rechtsansprüche einzuklagen oder nicht. Darauf weisen ten in einer Gesellschaft lassen sich freilich nur schwer va- einerseits mikroökonomische Modellansätze hin, die das lide Indikatoren finden. Die Formel kann allerdings helfen, Prozessverhalten als Ergebnis rationaler Entscheidungen die Dynamik von Zivilprozessraten besser zu verstehen. eines homo oeconomicus in den Blick nehmen.25 Anderer- Viele rechtssoziologische Studien deuten darauf hin, dass seits wird auch in medialen Beiträgen immer wieder die die Justiz nur in einer kleinen Minderheit aller zivil- oder Höhe der Gerichtsgebühren thematisiert – meist in kriti- strafrechtlich einschlägigen Konfliktkonstellationen ange- scher Absicht.26 So meinte etwa auch Gerhard Jelinek, rufen wird. Das Mobilisieren von Gerichten bildet zumeist Präsident des Oberlandesgerichts Wien, in einem „Pres- erst die allerletzte Stufe einer ganzen Reihe von Problemlö- se“-Interview zu seiner Amtseinführung, man könne den sungsversuchen.22 Veränderungen der einzelnen in der For- drastischen Verfahrensrückgang in Österreich „schon in mel angegebenen Parameter, die für sich genommen relativ Zusammenhang bringen mit der Erhöhung der Gebüh- undramatisch anmuten (leicht sinkende Menge an justi- ren“.27 Tatsächlich vermag der monetäre Aufwand eines ziablen Streitanlässen – etwa aufgrund veränderter Bezahl- Zivilprozesses selbst bei vergleichsweise bescheidenen modalitäten im Internet, etwas steigender Bevölkerung, sel- Streitwerten und einfachen Sachverhalten schnell stattliche teneren Anrufens von Gerichten aufgrund gestiegenem Ri- vier- bis fünfstellige Eurobeträge zu erreichen. Insb für sikobewusstseins), können unterdessen in Summe große Rechtsuchende aus dem Mittelstand, die weder rechts- Schwankungen der Zivilprozessrate auslösen.23 schutzversichert noch verfahrenshilfeberechtigt sind, stellt das Finanzieren eines Rechtsstreits vor Zivilgerichten mit- IV. GRÜNDE FÜR DAS SINKEN unter eine kaum zu überwindende Hürde dar – ganz ab- DER KLAGEHÄUFIGKEIT gesehen von den potenziell ruinösen Folgen einer Nieder- lage.28 Als alleinige Erklärung für den Prozessrückgang Für die Rechtssoziologie ist das Sinken der Zivilverfahrens- taugen die Gerichtsgebühren jedoch nicht, kommen doch zahlen zweifellos ein reizvoller Gegenstand. Er „verführt“, zu jedem Verfahren noch weitere Kosten hinzu: Neben wie Höland und Meller-Hannich bemerken, „zu weiten den Gebühren für Anwälte und Gutachten sind das auch theoretischen Würfen im Verhältnis von Gesellschaft, Kon- Kosten nicht-finanzieller Natur wie die vermutete Verfah- flikten und Formen der Streitbeilegung“. Angesichts unter- rensdauer oder, bei Privatpersonen, die psychische Belas- schiedlicher Rahmenbedingungen im Spektrum der einzel- tung eines gerichtlichen Streits. nen (deutschen) Gerichtszweige seien solche Bemühungen Bis zu einem gewissen Grad als rechtssysteminterner aber wenig aussichtsreich. So habe etwa „die Konsolidie- Faktor muss auch das generelle Vertrauen in die Justiz rung der Rechtslage im Bereich der Grundsicherung für Ar- angesehen werden, obwohl es nicht zuletzt von der media- beitssuchende (‚Hartz IV‘) andere Ursachen als der Ausbau len Berichterstattung über spektakuläre Einzelfälle straf- von Schieds- und Schlichtungsstellen in den Bereichen bei- rechtlicher Natur abhängen dürfte.29 Durch Öffentlich- spielsweise von Banken und Versicherungen, Pauschalrei- keitsarbeit und den täglichen Kontakt zu den Bürgerinnen sen oder öffentlichem Personennahverkehr“.24 und Bürgern gestaltet die Justiz ihr „Image“ aber auch Dem ist insofern beizupflichten, als es gilt, die der „Pro- aktiv mit. Selbst wenn nicht davon auszugehen ist, dass zessebbe“ zugrundeliegenden Erscheinungen je nach das Vertrauen in die Gerichte allgemein signifikant abge- Rechtsmaterie genau zu beschreiben und differenziert zu er- klären. Beim Rückgang der Zivilverfahrensrate handelt es 22 Siehe aus theoretischer Sicht Felstiner et al, The Emergence and Transfor- sich sehr wahrscheinlich um einen multikausalen Vorgang, mation of Disputes: Naming, Blaming, Claiming . . ., Law & Society Review 1981, 631ff; für einen aktuellen internationalen Überblick Kritzer, Claiming der nicht auf den Nenner einer eindimensionalen Zeitdiag- Behaviour as Legal Mobilization, in Cane/Kritzer (Hrsg), The Oxford Hand- nose zu bringen ist. Er bedeutet für sich genommen noch book of Empirical Legal Research (2010) 260ff; vgl ferner etwa die qualitati- ven Studien von Ewick/Silbey, The Common Place of Law (1998) oder – für keine „Entrechtlichung“ oder gar „Befriedung“ der Gesell- den deutschsprachigen Raum – Hanak/Stehr/Steinert, Ärgernisse und Le- schaft. Dennoch ist soziologische Phantasie gefragt, um das benskatastrophen (1989); aktuell für den Bereich der Erwachsenenvertretung Fuchs in Brinek, Erwachsenenschutz 64ff. Zu nennen wären auch die zahl- Spektrum der Phänomene angemessen zu verstehen und zu reichen quantitativen Dunkelfeldstudien der Kriminologie. Die Selektivität der justiziellen Problembearbeitung ist bis zu einem gewissen Grad eine ge- erklären. Dabei ist es hilfreich, zunächst mögliche justiz- sellschaftliche Notwendigkeit; vgl dazu die klassischen normsoziologischen und rechtssysteminterne und erst dann fernere sozioökono- Überlegungen von Popitz, Über die Präventivwirkung des Nichtwissens (1968). mische Ursachen in den Blick zu nehmen – auch wenn sich 23 Ein fiktives Rechenbeispiel findet sich bei Fuchs in Ganner/Voithofer, diese Bereiche nicht immer trennscharf voneinander ab- Rechtstatsachenforschung 116f. 24 Höland/Meller-Hannich in dies, Nichts zu klagen 13. grenzen lassen. 25 Vgl Spier, Litigation, in Polinsky/Shavell (Hrsg), Handbook of Law and Economics 259ff. Aus soziologischer Sicht kann freilich bezweifelt werden, dass die Rechtswirklichkeit von Klageentscheidungen stets einem rationalen 1. Justiz- und rechtssysteminterne Kosten-Nutzen-Kalkül folgt. 26 Vgl Fellner, Gerichten gehen die Kläger aus, Tiroler Tageszeitung v Verfahrenshindernisse 3. 8. 2018. 27 Aichinger/Kommenda, Gerichtsgebühren zu hoch: „Es fehlen uns Prozes- se“, Die Presse v 8. 2. 2015. Das antizipierte Ausmaß an Verfahrenskosten hat zwei- 28 Die auch Verfahrenshilfe genießende Parteien treffen, haben sie doch der obsiegenden Gegenpartei deren Kosten zu ersetzen. fellos keinen geringen Einfluss auf Entscheidungen, 29 Vgl Rottleuthner in Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen 112.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 456

Abhandlungen

nommen hat, gibt es dennoch Hinweise darauf, dass viele verfahren in Konsumentenangelegenheiten für das Sinken Normunterworfene deren Autorität nicht mehr selbstver- der Zivilprozessrate genauso begrenzt wie der Ausbau von ständlich akzeptieren – insb dann, wenn sie von für sie Schiedsgerichten im Business-to-Business-Bereich, da beide nachteiligen Entscheidungen betroffen sind.30 „Reichsbür- Segmente nicht erst heute nur eine relativ überschaubare ger“ und andere verhaltensoriginelle „Staatsverweigerer“ Minderheit aller Streitsachen vor den Zivilgerichten stel- sind mit ihren bizarren selbstgebastelten Ausweisen viel- len.32 leicht nur der extreme Ausdruck einer weiter in die Ge- Unabhängig von alternativen Konfliktlösungsmechanis- sellschaft hineinreichenden Unzufriedenheit mit dem Na- men dürfte die Bereitschaft zum Mobilisieren der staatli- tionalstaat und seinen Repräsentanten, deren Problemlö- chen Gerichte infolge eines stärker ausgeprägten Risiko- sungskompetenz in einer komplexer werdenden Welt zu- bewusstseins der Rechtssubjekte abgenommen haben.33 nehmend auch bezweifelt wird. Häufig klagende Parteien wie Versicherungsgesellschaften Erklärungen, die auf einen Vertrauensverlust der Justiz – in der Rechtssoziologie spricht man von repeat players34 und auf Zugangshürden zu ihr (neben den Kosten sind – treffen ihre Entscheidungen, Rechtsansprüche einzukla- das etwa auch sprachliche Hürden für migrantische Bevöl- gen, wahrscheinlich zunehmend nach rein wirtschaftlichen kerungsteile) abstellen, haben zumindest implizit meist Kriterien und nehmen von wenig aussichtsreichen Verfah- potenziell klagende natürliche Personen im Auge, die – ren Abstand, zumal in inhaltlich bereits dicht ausjudizier- aus welchen Gründen auch immer – keine faire Chance ten Materien. Dies wird sich – gerade in ökonomisch an- auf ihren „Kampf ums Recht“ bekommen. Auch wenn ein gespannten Zeiten – auch deswegen auf die massenhafte zugängliches und leistbares Gerichtswesen aus demokra- Verbreitung von Zivilverfahren auswirken, da es sich bei tisch-rechtsstaatlichen Gründen ganz zweifellos von aller- unbeeinsprucht bleibenden Mahnklagen juristischer Per- größter Wichtigkeit ist, so entspricht das Bild einer gro- sonen wegen vergleichsweise geringfügiger Geldforderun- ßen Masse von privaten Klägern, die sich früher Zivilpro- gen, bei denen auf Beklagtenseite natürliche Personen ste- zesse leisten konnte und wollte, heute jedoch nicht mehr, hen, um den mit Abstand am meisten verbreiteten Typus sehr wahrscheinlich nicht der empirischen Rechtswirklich- der Mobilisierung von Gerichten handelt.35 Umgekehrt keit. Wie weiter unten noch gezeigt wird, bestand und be- könnte die wahrgenommene Komplexität bestimmter steht die große Mehrheit der klagenden Parteien stets Rechtsgeschäfte (etwa Verträge mit Auslandsberührung, aus juristischen Personen. So bedenklich es auch ist, die im Internet über Zwischenhändler abgewickelt wer- wenn rechtsuchende Private von zu hohen Gebühren ab- den, zB bei Flugtickets, Hotelbuchungen oder Autover- geschreckt werden – die Ursachen für den quantitativ mietungen) hingegen auch gerade prozessunerfahrene Pri- wichtigeren Teil des Verfahrensrückgangs wird man vatpersonen davon abhalten, sich auf ein unberechenbares woanders suchen müssen. Einfordern von Kompensation für verschmerzbare Verlus- te einzulassen. 2. Sinkende Mobilisierung der Gerichte Eine gestiegene Vorsicht gegenüber riskanten Prozess- führungen spielt für die Deckungspraxis der Rechtsschutz- Zum Rückgang des Prozessanfalls tragen indessen auch sehr versicherungen wahrscheinlich ebenfalls eine gewisse Rol- wahrscheinlich Umstände bei, die nicht unmittelbar zur Sphäre der Gerichte gehören. So könnte der Ausbau vielfäl- 30 In einer aktuellen Radio-Dokumentation zur Praxis des Gerichtssachver- tiger Alternativen zur Justiz zum Sinken der Klageein- ständigenwesens schildert eine interviewte Richterin, dass den Gründen gut- gangszahlen geführt haben. Mit unterschiedlichen Formen achterlicher und richterlicher Entscheidungen ihrer Wahrnehmung nach im- mer weniger bereitwillig geglaubt werde. Dies habe auch mit einer gestiege- von Schlichtungsstellen, Schiedsgerichtsbarkeit, Mediation nen Komplexität der zu entscheidenden Fragen zu tun; „Im Dienste der Jus- und Alternative Dispute Resolution (ADR) hat sich für viele tiz“, Ö1 Dimensionen v 21. 2. 2019. 31 Quelle: Jahresberichte 2018 der Stellen zur Alternativen Streitbeilegung inhaltlicheMaterieneineganzePaletteanAngebotenzu gemäß § 4 Abs 1 AStG; für die Bankenschlichtungsstelle wurde der Wert von 2017 herangezogen, da der Jahresbericht 2018 noch nicht vorlag. Streitbeilegung jenseits der staatlichen Justiz ausdifferen- 32 Siehe dazu unten VI. ziert. Für den Geltungsbereich des Bundesgesetzes über al- 33 Als gesellschaftstheoretische Grundlage für diese Vermutung können Überlegungen dienen, wonach schicksalhafte Gefahren diskursiv zunehmend ternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten in (vermeintlich oder tatsächlich) beherrsch- und zurechenbare Risiken transformiert werden; s etwa Luhmann, Soziologie des Risikos (1991) 111f; lässt sich die Zahl der Fälle angeben, die aktuell bei den acht vgl auch Beck, Risikogesellschaft (1986). gesetzlich anerkannten Schlichtungsstellen angefallen sind: 34 Siehe dazu den klassischen Aufsatz von Galanter, Why the „Haves“ Come Out Ahead: Speculations on the Limits of Legal Change, Law & Society Re- Im Jahr 2018 wurden vor diesen Einrichtungen insgesamt view 1974, 95ff. ca 7.500 Verfahren eröffnet.31 Diese Menge erscheint im 35 Im Jahr 2017 waren etwas mehr als zwei Drittel aller streitigen Zivilsachen in Österreich vereinfachte bezirksgerichtliche Verfahren wegen Geldforde- Lichte der Zahl von über 400.000 im selben Jahr angefalle- rungen bis € 15.000,–, die ohne Verhandlung und Vernehmung der beklag- ten Personen oder ihrer Vertreter in einem rechtskräftigen Zahlungsbefehl nen bezirksgerichtlichen Zivilverfahren zwar gering, kann mündeten. Der Anteilswert dieser Verfahrensart ist für das letzte Jahrzehnt aber angesichts des relativ kleinen Anteils an Zivilverfahren trotz insgesamt sinkender Prozesszahlen ziemlich konstant; vgl Fuchs, ABGB in action: Zivilprozesshäufigkeiten im regionalen Vergleich, in Barta/Gan- mit natürlichen als klagenden Personen auch nicht als be- ner/Voithofer (Hrsg), 200 Jahre ABGB 1811–2011 (2012) 29ff; Mayr, Rechts- deutungslos abgetan werden. Freilich ist die Erklärungskraft tatsachen aus der Zivilgerichtsbarkeit, in Barta/Ganner/Lichtmannegger (Hrsg), Rechtstatsachenforschung – Heute (2008) 85ff. Zum Überhang juris- von zunehmend in Anspruch genommenen Schlichtungs- tischer Personen auf Klagendenseite s unten VI.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 457

Abhandlungen

le.36 Die Verbreitung entsprechender Polizzen dürfte unter- zurückgeblieben.42 Kredite sind zwar aufgrund der niedri- dessen zugenommen haben.37 Während dies auf den ersten gen Zinssätze billig, werden aber auch viel restriktiver ver- Blick für ein Mehr an Prozessen sprechen würde, könnte geben als früher („Basel“-Regularien). Die somit eher enger das Einschalten von „Vertrauensanwälten“ den Geschäfts- gewordenen finanziellen Spielräume breiter Bevölkerungs- anfall bei der Justiz auch reduzieren.38 kreise haben vermutlich auch leichtsinnige Anschaffungen Generell ist zu vermuten, dass der Aspekt der Prozess- und riskante Investitionen reduziert. vermeidung nicht nur in wirtschaftlich-unternehmerischen Auf einer abstrakteren Ebene können gesellschaftstheo- Zusammenhängen, sondern auch im Bereich der Anwalt- retische Ansätze zur Erklärung des Verfahrensrückgangs schaft an Bedeutung gewonnen hat.39 Gerade im höheren beitragen, die von einer zunehmenden Ökonomisierung Streitwertbereich könnten sich konfliktpräventive Ver- und Beschleunigung sämtlicher Sozialbeziehungen ausge- tragsgestaltungen entsprechend auf die Verfahrensstatistik hen.43 Moderne Gesellschaften vermögen sich demnach auswirken. nur noch dynamisch zu stabilisieren: Um ihre Struktur zu erhalten und aufs Neue hervorzubringen, sind sie systema- 3. Sozioökonomischer und tisch auf Wachstum, Innovation und Beschleunigung ange- -technischer Wandel wiesen.44 Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, wenn das Stottern des ökonomischen Fortschrittsmotors von re- Abgesehen von Veränderungen im Bearbeiten von Konflik- zessiven Entwicklungen in anderen Bereichen begleitet ten und Verfolgen von Rechtsansprüchen wirken sich sehr wird: Bloße wirtschaftliche Stagnation würde so bereits aus- wahrscheinlich auch allgemeinere gesellschaftliche und reichen, um den Bedarf an Gerichtsbarkeit sinken zu lassen wirtschaftliche Transformationen auf den Geschäftsanfall – zumal dann, wenn für häufig vorkommende Streitkons- der Justiz aus. In den letzten zwei Jahrzehnten haben infolge tellationen zunehmend „technisch“-wirtschaftliche Lösun- der Globalisierung transnationale Verflechtungen stark gen gefunden werden.45 Eine konstante Nachfrage nach Zi- zugenommen, sodass inländische Gerichtsstände weniger viljustiz setzt schließlich bis zu einem gewissen Grad voraus, selbstverständlich werden.40 dass es immer wieder auch einmal völlig neue Konfliktthe- Damit einher geht die Digitalisierung vieler Lebensbe- men gibt, die erst ausjudiziert werden müssen. Sozialem In- reiche durch den rapiden Ausbau neuer Informations- novationsdruck wäre hingegen das Etablieren stets neuer und Kommunikationstechnologien, wodurch sich auch Alternativen zur Justiz geschuldet, die dieser ihr ange- bestimmte Formen massenhaft abgeschlossener Verträge stammtes Terrain streitig machen. Ein Zivilprozess kostet wandeln. So setzen etwa gegenwärtig die meisten Ver- indessen viel Geld, während Dauer und Ausgang ungewiss kaufsportale im Internet vollständige Vorauszahlung mit Kreditkarte oder Bankeinzug voraus – ganz im Unter- schied zum Versandhaushandel älteren Stils, für den Ver- 36 Vgl Geroldinger, Leistbarer Zugang zum Recht, III (in diesem Heft). lockungen durch aufgeschobene Zahlungen (und die da- 37 Gemäß der von der Finanzmarktaufsicht veröffentlichten Österreichi- mit verbundenen höheren Preise) geradezu zum Ge- schen Versicherungsstatistik hat sich im Bereich „Schaden-Unfall“ das Jah- resvolumen der „abgegrenzten Prämien“ für die Kategorie „Rechtsschutz di- schäftsmodell gehören. Diese Usancen des Online-Handels rekt“ zwischen 2002 und 2017 von 296 auf 516 Millionen Euro erhöht. Infla- dürften das Vorkommen justiziabler Leistungsstörungen tionsbereinigt entspricht dies einem Zuwachs von 32 Prozent, während das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Zeitraum um 25 Prozent wächst. deutlich reduziert haben.41 Dasselbe gilt für Einzugser- 38 Vgl Rottleuthner in Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen 113. 39 Vgl Prütting, dRZ 2018, 65. mächtigungen bei Dauerschuldverhältnissen und für On- 40 Und zwar auch deshalb, da eine Vervielfältigung global agierender Kon- line-Banking generell – Praktiken, die den guten alten fliktlösungsinstanzen zu beobachten ist, die jenseits nationaler Strukturen für bestimmte Sektoren der zunehmend funktional statt territorial differenzier- „Erlagschein“ genauso aus dem Alltag verschwinden las- ten Weltgesellschaft arbeiten – das ist zumindest die sozialtheoretisch-völ- sen haben wie viele kleine Bankfilialen aus dem Stadt- kerrechtliche These von Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen – Zur Fragmentierung des globalen Rechts (2006). Im Hinblick auf Verfah- und Ortsbild. renszahlen dürften sich die Effekte eines solchen „neuen Rechtspluralismus“ indessen (noch) in Grenzen halten. Auch wenn die Zivilprozessrate nicht einfach nur als ei- 41 Tatsächlich gehen Klagen aus Kaufverträgen am stärksten zurück; vgl ne Funktion von makroökonomischen Parametern begrif- Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 136ff; Nogratnig/Zei- ringer, Rückgang der Zivilverfahren – Eine Suche nach den Ursachen, II.2.a. fenwerdenkann,sohatdiegesamtwirtschaftliche Ent- (in diesem Heft). 42 Auch manche Teile der „Realwirtschaft“ stagnieren; vgl Fuchs in Ganner/ wicklung dennoch zweifellos eine Auswirkung auf die Zahl Voithofer, Rechtstatsachenforschung 130f; Statistik Austria, Volkswirtschaft- der privatrechtlich relevanten Beziehungen und Konflikte, liche Gesamtrechnungen 1995–2017 – Hauptergebnisse (2018). Gleichzeitig wächst der Bereich der Finanzdienstleistungen schneller als die meisten üb- in deren Zuge überhaupt erst vertragliche oder deliktische rigen Wirtschaftsbereiche. Somit wachsen auch die Einkünfte aus Kapital Ansprüche geltend gemacht werden können. Nach dem stärker als die Gesamtwirtschaft. Das dadurch drohende Zunehmen der so- zialen Ungleichheit stellt für demokratische Gesellschaften eine Herausfor- Schock der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 ist das reale derung dar – so die jüngst viel beachtete Argumentation des französischen – Wirtschaftswissenschaftlers Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert (2014); Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Österreich wie im ge- vgl auch Nachtwey, Abstiegsgesellschaft (2016). samten Euroraum – durch Jahre hindurch nur verhalten ge- 43 Vgl nur Rosa, Beschleunigung (2005); Bröckling, Das unternehmerische Selbst (2007). wachsen. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte und 44 Vgl Rosa, Resonanz (2016) 671ff. viele Realeinkommen sind hinter der Entwicklung des Wer- 45 Nogratnig/Zeiringer, III.6. (in diesem Heft) geben das instruktive Beispiel von Handy-Flatrates, die Abrechnungsstreitigkeiten mit Telekomanbietern tes der produzierten Güter und Dienstleistungen insgesamt deutlich reduziert haben dürften.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 458

Abhandlungen

sind.46 Die damit verbundene Unsicherheit wird im hoch- handen, sichtlich weniger eindeutig. Dies dürfte – ebenso tourig getakteten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Le- wie die geringere Rate an arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ben der Gegenwart vermutlich nicht mehr einfach so hin- vor den Gerichten – nicht zuletzt an der stärker konsens- genommen. orientierten sozialpartnerschaftlichen Kultur der Alpenre- Generell kollidiert die Zeitlichkeit von Rechtsverfah- publik liegen. Dessen ungeachtet schwingen die Kurven ren, in denen es um das Ordnen sozialer Beziehungen in der sozialgerichtlichen Verfahrensraten wiederum überra- der Zukunft aufgrund vergangener Ereignisse geht, häufig schend parallel – und bis vor kurzem gegen den allgemei- mit der Echtzeit-Logik digital vermittelter Interaktion.47 nen rückläufigen Trend. In beiden Ländern kam es ab 2003 „Legal Tech“-Portale, die (gegen satte Abzüge) sofortige zu Einschränkungen sozialer Leistungen („Hartz-Gesetze“, Entschädigungen für verspätete Flüge versprechen, oder ge- „Pensionsreform“ des Kabinetts Schüssel II), die starke Zu- genwärtig massenhaft durchgeführte (und dem materiellen nahmen an Klagen vor den Sozialgerichten nach sich zogen. Privatrecht widersprechende) Sofortstornierungen des On- Diese Verfahrensfluten sind nach vielfacher gerichtlicher line-Handels48 sind vielleicht erst die Vorboten eines „le- Klärung der Rechtslage wieder abgeebbt, sodass seit 2010 benden Rechts“, in dem selbstausführende Verträge ihren in Deutschland und Österreich auch die Zahlen an Verfah- eigenen Vollzug mit überwiegend technologischen Mitteln ren vor den Sozialgerichten stetig sinken.52 sicherstellen.49 Gemeinsam ist solchen (teil-)automatisier- ten Lösungen, dass sie umgehend vollendete Tatsachen schaffen können – ob mehrheitlich zugunsten schwächerer VI. FUNKTION UND FUNKTIONSWANDEL Parteien kann freilich bezweifelt werden. Ein Rechtssystem, DER ZIVILKLAGE IM KONTEXT VON in dem selbstlernende Algorithmen einfach „kurzen Pro- STREITBEZIEHUNGEN zess“ machen, entspricht soziologisch gesehen jedenfalls Wie der soeben unternommene Vergleich mit Deutschland dem eher dystopischen Szenario einer rigiden „Kontrollge- gezeigt hat, ist es für ein Verständnis des Rückgangs der sellschaft“.50 Zivilprozesse hilfreich, ihn nach Verfahrensarten getrennt zu analysieren. Aufschlussreich sind auch Differenzierun- V. ENTWICKLUNG DER VERFAHRENSARTEN gen nach inhaltlichen Fallmerkmalen, Streitwerten und Ei- IM VERGLEICH MIT DEUTSCHLAND genschaften der Verfahrensparteien. Ergänzend zu einer an- dernorts vorgelegten eigenen Untersuchung53 und den Aus- Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Zivilprozessraten wertungen von Nogratnig und Zeiringer in diesem Heft sei seit 1995 im Vergleich mit Deutschland und nach Verfah- hier eine Betrachtung der Zivilverfahren vor den Bezirksge- rensarten getrennt. Für den Neuanfall an Arbeitsgerichts- richten nach der Rechtsnatur klagender und beklagter verfahren sind zusätzlich die Arbeitslosenquoten darge- Personen vorgelegt. Die Vierfeldtafel in Tabelle 1 zeigt eine stellt. Die Kategorie „Zivilverfahren gesamt“ (links oben) – beinhaltet die quantitativ in beiden Ländern den Löwen- 46 Den mittlerweile klassischen systemtheoretischen Überlegungen von Luh- anteil ausmachenden – Mahnverfahren vor den Bezirks- mann, Legitimation durch Verfahren (1969) zufolge gehört es soziologisch gesehen zu den wesentlichen Funktionen von rechtsförmigen Verfahren, bzw Amtsgerichten und sonstige Prozesse auf dieser Ebene dass sie Dissens – und damit aber notwendigerweise auch „Unsicherheit“– sowie alle anderen in der Abbildung ausgewiesenen Verfah- erlauben und institutionell einhegen, ua dadurch, dass sie die Beteiligten auf bestimmte Rollen festlegen. Dergestalt erzeugen sie (jenseits von Wahrheit rensarten. oder Ergebnisgerechtigkeit) Legitimität, sodass auch unterlegene Parteien die Entscheidungen der Gerichte akzeptieren. Die Legitimationswirkung von Zunächst fällt auf, dass die Zeitreihen für alle Verfah- Verfahren ist normativ betrachtet aber auch auf gewisse Standards an Fair- rensarten insgesamt in beiden Ländern verblüffend parallel ness und diskursiver Rationalität angewiesen; vgl Habermas, Faktizität und Geltung (1992). All das benötigt Zeit. verlaufen. Die Annahme liegt nahe, dass dies kein Zufall ist: 47 Luhmann, Recht 426ff spricht von der (langsamen) „systemeigenen Zeit“ Vermutlich werden hier Determinanten wirksam, die sich des Rechts, die oft nicht mit den Zeithorizonten von Politik oder Wirtschaft harmoniere. nicht (wie bestimmte Gebührenregelungen) auf einzelne 48 Vgl Geroldinger, II.2. (in diesem Heft). 49 Vgl Lobe, Kurzer Prozess, Süddeutsche Zeitung v 7./8. 4. 2018, 21. Rechtsordnungen beschränken. Die engen volkswirtschaft- 50 Der Begriff stammt vom französischen Philosophen Deleuze, Postskrip- lichen Beziehungen Österreichs zum großen Nachbarland tum über die Kontrollgesellschaften, in ders, Unterhandlungen 1972–1990 (1993) 243ff. dürften ebenfalls eine Rolle spielen. Auch im Hinblick auf 51 Die genaue Art der Kausalbeziehung wäre näher zu untersuchen. Bis in die jüngste Vergangenheit gingen Zu- oder Abnahmen an Klagen dem Steigen Prozesse vor den Land- bzw Landesgerichten zeigt sich für oder Sinken der Arbeitslosenquote deutlich voraus. Demnach schien ein Ab- beide Staaten eine klar abnehmende Tendenz. In Österreich bau an Beschäftigten in Unternehmen zu einem Anstieg an Kündigungs- schutzklagen zu führen, der sich aufgrund von Kündigungsfristen erst mit kam es mit der 2013 in Kraft getretenen Verschiebung der Verzögerung auf die Arbeitslosenzahlen auswirkte; vgl Natter, Die Arbeits- Wertgrenzen zu einem drastischen Rückgang an Verfahren gerichtsbarkeit in Baden-Württemberg im Wechsel der Konjunkturzyklen, in Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen 59f (43). Seit etwa zehn Jahren ist vor den Gerichtshöfen erster Instanz. dieser zeitliche Zusammenhang so nicht mehr zu beobachten. Dies könnte nicht zuletzt an einer Zunahme atypischer Beschäftigung (Geringfügigkeit, Prozesse vor den Arbeitsgerichten gehen in Österreich Leiharbeit) liegen. Aus prekären Arbeitsverhältnissen wird vermutlich selte- im Gegensatz zu Deutschland nur schwach zurück. Dort ner geklagt, was abgesehen von der Konjunkturentwicklung zum Sinken der Klageeingangszahlen bei den Arbeitsgerichten beitragen dürfte; vgl Rott- scheint die Entwicklung der Verfahren eng mit dem Auf leuthner in Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen 116. und Ab der Arbeitslosenzahlen zusammenzuhängen.51 52 Vgl für Deutschland Rottleuthner in Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen 117f. Für Österreich ist diese Beziehung, wenn überhaupt vor- 53 Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 136ff.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 459

Abhandlungen

Abbildung 3: Anfall an erstinstanzlichen streitigen Zivilverfahren in Deutschland und Österreich pro 1.000 der Bevölkerung nach Verfah- rensarten sowie Arbeitslosenquoten in Prozent (nationale Definitionen), 1995–2017 Datengrundlagen: Statistisches Bundesamt, Statistik Austria, Wirtschaftskammer; eigene Berechnungen.

Schätzung der Anteile an „C“-Verfahren des Jahres 2018, in Kirchen) gegen Privatpersonen eingeleitet. Dieser Über- denen jeweils natürliche oder aber juristische Personen bzw hang von – meist prozesserfahrenen – Organisationen unter Einzelunternehmen einander gegenüberstehen.54

Die Verteilung in der Tabelle bestätigt mit bemerkens- 54 Die Zahlen beruhen auf der Auswertung einer Zufallsstichprobe von 2.500 werter Deutlichkeit die Ergebnisse älterer Untersuchun- aller C-Verfahren des Jahres 2018, für die anhand der Namen der Parteien deren Rechtsnatur händisch codiert wurde; bei (relativ selten vorkommen- 55 gen, wonach im Bereich der Massenverfahren vor lokalen der) Parteienmehrheit war die jeweils erstklagende bzw erstbeklagte Partei Gerichten auf Klagendenseite überwiegend juristische entscheidend. 19 Verfahren (0,8%) waren prätorische Vergleiche, die für die Berechnung in Tabelle 1 ausgeschlossen wurden. Die maximale Breite Personen stehen, während es auf Beklagtenseite mehrheit- der Konfidenzintervalle beträgt weniger als zwei Prozent. Die Daten wurden für eine aktuell laufende Studie zur Rechtswirklichkeit des Alternative-Streit- lich natürliche Personen sind. Nicht weniger als drei Viertel beilegungs-Gesetzes erhoben, in deren Rahmen der Anteil potenzieller Ver- aller Zivilprozesse vor den Bezirksgerichten werden von un- braucher-Unternehmer-Konstellationen an allen Zivilprozessen geschätzt wird. Für die Möglichkeit des Zugangs danke ich Herrn StA Mag. Peter ternehmerischen bzw korporativen Akteuren (überwiegend Bauer (Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und große Kapitalgesellschaften, aber auch Vereine, Genossen- Justiz). 55 Vgl Hanak, Zur Soziologie des Mahnverfahrens, KrimSozBibl 1988, 6 (4); schaften, Einzelunternehmen, Gebietskörperschaften und Blankenburg, Mobilisierung des Rechts (1995) 50.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 460

Abhandlungen

klagenden Parteien dürfte sich eher noch verstärkt haben,56 VII. AUSBLICK ist aber strukturell gesehen weder neu noch allzu überra- schend. Für das Verständnis des Verfahrensrückgangs folgt Der vorliegende Beitrag beabsichtigte, den drastischen daraus, dass empirisch tragfähige Erklärungen zwar nicht Rückgang an Zivilprozessen in Österreich und Deutschland ausschließlich, aber doch vor allem bei einem veränderten aus rechtssoziologischer Sicht zu beleuchten und in seiner – – Prozessverhalten der „Großkläger“ (repeat players) ansetzen groben in beiden Ländern erstaunlich parallel laufenden müssen, von denen in der Vergangenheit wie heute mit Ab- Entwicklung zu skizzieren. Dabei wurden monokausale stand die meisten Klagen eingereicht werden. makro- oder mikroökonomische Erklärungen, die entweder einseitig auf die gesamtwirtschaftliche Lage oder aber aus- schließlich auf die Höhe von Gerichtsgebühren in einem Klagende Beklagte Partei Gesamt Justizsystem abstellen, zurückgewiesen – ohne freilich diese Partei Juristische Natürliche Faktoren als bedeutungslos geringzuschätzen. Das Zustan- Person/ Person dekommen von Zivilverfahrensraten muss als ein Zusam- Einzelunter- menspiel von gesellschaftlichen Konfliktursachen und nehmen der vorhandenen Bereitschaft zur Mobilisierung der Ge- Juristische 7,7% 75,5% 83,2% richte verstanden werden, auf das vielfältige Kräfte einwir- Person/ ken – nach hier vertretener Ansicht nicht zuletzt Prozesse Einzelunter- der Transnationalisierung, Digitalisierung und sozialen nehmen Beschleunigung. Das Sinken der Klageeingangszahlen soll- Natürliche 4,6% 12,3% 16,9% te unterdessen eingehender empirisch erforscht werden – Person möglichst auch im Vergleich mit Deutschland. Rechtssozio- Gesamt 12,3% 87,7% 100,0% logisch vielversprechend wäre es, „Themenkonjunkturen“ im Zeitverlauf zu identifizieren, die aufgrund bestimmter Tabelle 1: Anteile an juristischen und natürlichen Personen bei kla- genden und beklagten Parteien in Streitsachen vor den Bezirksge- wirtschaftlich-sozialer Innovationen (zB Mobilfunk) zu richten (Register „C“), Österreich 2018 Datengrundlage: Zufallsstichpro- mehr Nachfrage nach Konfliktlösung und Rechtssicherheit be (N = 2.481) führen, dann aber wieder abebben. Dafür sollten statistische Auswertungen durch historische Aktenanalysen und quali- Auch wenn sich die Zivilgerichtsbarkeit – deren Rechts- tative Interviews mit Akteuren der Ziviljustiz als gesell- wirklichkeit stets auch eine ganze Fülle an sozialen Phäno- schaftlichem Feld ergänzt werden. menen widerspiegelt – nicht auf eine einzige Rolle reduzie- ren lässt, so war es rechtssoziologisch gesehen immer schon eine ihrer zentralen Funktionen, als ein staatlich-zwangsbe- wehrtes „Inkassobüro“ zu dienen. Daran hat das Sinken der Verfahrensraten nichts geändert – im Gegenteil: Ob- wohl gerade neue digitale Zahlungsmodalitäten den Gang zur Justiz vielfach überflüssig gemacht haben, geht es bei den verbleibenden Verfahren vermutlich umso mehr um eine „Schuldbeitreibung als Kontrolle abweichenden Ver- haltens“57 gegenüber nachlässigen, zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Privatpersonen.58 Dafür spricht, dass der Bereich der Zwangsvollstreckung im Verhältnis zu den vorangehenden Zivilverfahren relativ an Bedeutung gewonnen hat: Wie sich aus Abbildung 1 entnehmen lässt, kamen um das Jahr 2000 herum auf zwei Erkenntnisverfah- ren ungefähr drei Exekutionsverfahren. Gegenwärtig be- trägt das Verhältnis in etwa eins zu zwei. Somit dürften überproportional viele Prozesse weggefallen sein, die für 56 Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der – auf den Anteil von Großklägern fokussierenden – Strukturanalyse von Nogratnig/Zeiringer, II.2.b. (in diesem die klagenden Parteien auch ohne Zwangsvollstreckung Heft), wonach Klein- und Einzelkläger überproportional zurückgehen. zum gewünschten Ergebnis geführt haben. Es muss keine 57 Vgl Röhl, Schuldbeitreibung als Kontrolle abweichenden Verhaltens, ZfRSoz 1983, 14ff. schlechte Nachricht sein, dass auf solche Verfahren offenbar 58 In einer älteren Analyse von Zivilverfahrensraten des „C“-Bereiches im Querschnitt der Bezirksgerichtssprengel habe ich eine sehr starke Korrelation zunehmend verzichtet werden kann. Im Hinblick auf einen mit der Höhe der pro Kopf ausbezahlten Transferleistung Notstandshilfe ge- fairen und leistbaren Zugang zum Recht für alle Bürgerin- funden, die auch dann bestehen bleibt, wenn in multivariaten Modellen an- dere Faktoren (Urbanisierungsgrad, Bruttoregionalprodukt) statistisch kon- nen und Bürger sollte es allerdings auch zu denken geben, stant gehalten werden. Höhere Zivilverfahrensraten auf der Ebene der Be- wenn die allgemeine Ziviljustiz immer noch weniger von zirksgerichte sind daher sozialräumlich gesehen bis zu einem gewissen Grad Indikatoren für materielle Prekarität; s Fuchs in Barta/Ganner/Voithofer, Privatpersonen in Anspruch genommen wird. ABGB 36ff.

Walter Fuchs Prozessebbe: Wo liegen die Gründe? 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 461

Abhandlungen

Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht Der ÖRAK beobachtet seit geraumer Zeit einen Rückgang der Anfallszahlen bei Gericht. Gemeinsam mit Vertretern der Staatsanwälte, Richter, Rechtspfleger und des BMVRDJ wurde in drei Sitzungen zu ergründen versucht, worauf diese Entwicklung basiert – ein Abschlussbericht. CHRISTIAN MOSER ÖRAK, Juristischer Dienst • I. AUSGANGSSITUATION Verlagerung des Gerichtsstands aufgrund globaler wirt- schaftlicher Verflechtungen 2019/194 • Die bisherigen Wahrnehmungen und Erfahrungen sind Im Versandhandel: Vieles wird mit Kreditkarte bezahlt folgende: und nicht mehr auf Rechnung • Staatsanwälte: In der Staatsanwaltschaft gibt es keinen Im Versicherungsbereich: Gewährung eines Freischadens • Rückgang der Anfallszahlen, allerdings werden die Haupt- Alternative Lösungsmöglichkeiten wie Mediation verfahren immer weniger. Richter: Die Anfallszahlen gehen zwar zurück, aber die III. URSACHENFORSCHUNG Verfahren werden immer komplizierter und der Arbeitsan- Eine detaillierte Grundlage für weitere Überlegungen bietet fall bei den Richtern daher größer. Gemessen am Gesamt- das Zahlenmaterial des BMVRDJ, das die Entwicklung der anfall steigt der Anteil der streitigen Verfahren signifikant. Anfallszahlen in den Jahren 2002–2018 (Beobachtungszeit- Rechtspfleger: Im Bereich des Firmenbuchs gibt es ei- raum) wiedergibt, s im Detail Nogratnig/Zeiringer, Rück- nen geringen Zuwachs, beim Grundbuch hingegen einen gang der Zivilverfahren – eine Suche nach den Ursachen, geringen Rückgang, der jedoch auch aufgrund einer neuen in diesem Heft S 440. Zählweise zustande gekommen sein könnte. Die Exeku- Schnell fällt auf, dass die Anfallszahlen in vielen ver- tionsverfahren sind – anders als die Insolvenzverfahren schiedenen Verfahrensarten und Rechtsmaterien rückläufig vor dem BG – gefallen. Im Außerstreitbereich bestehen na- sind. Dies deutet darauf hin, dass es mehrere Faktoren ge- türliche Schwankungen. ben muss, die für die durch nackte Zahlen belegten Verän- Rechtsanwälte: Eine Umfrage unter Kollegen brachte derungen verantwortlich sind. unterschiedlichste Hypothesen hervor, als häufigste Gründe für den Rückgang der Anfallszahlen wurden jedoch die Fak- toren Kosten, Zeit und Qualität der Justiz genannt. 1. Im ordentlichen Zivilverfahren BMVRDJ: In den letzten 15 Jahren gingen die Anfalls- zahlen in Zivilprozessen um ca 40% zurück, dabei handelt Im Evaluierungsprozess wurde versucht, einzelne Rechtsbe- es sich jedoch um ein auch in anderen europäischen Län- reiche herauszugreifen und mögliche Ursachen festzuma- dern verbreitetes Phänomen. Betroffen sind Cg- und Cga- chen, dazu wurden auch Experten aus den jeweiligen Spar- Verfahren, nicht jedoch Cgs-Verfahren. ten involviert. a) In der Versicherungssparte Der Versicherungsverband Österreich (VVO) stellt seit II. HYPOTHESEN 2010 umfangreiches Zahlenmaterial zur Verfügung, das ins- gesamt ein Wachstum der Versicherungsbranche beschei- Schon im Zuge der eingangs aufgestellten Vermutungen lie- nigt:1 ßen sich unterschiedlichste Erklärungen festhalten, die auf- zeigten, dass das Thema vielschichtig beleuchtet werden 2010 2018 müsse. Exemplarisch werden einige Hypothesen angeführt, Prämien ver- € 16.743.000.000 € 17.333.000.000 die mögliche Ursachen sein können, deren Zutreffen aber rechnet schwer zu überprüfen ist: € € • Unattraktivität der Justiz Leistungen 11.811.000.000 13.949.000.000 • Unsichere Rechtsprechung Risken 46.931.022 54.112.185 • Hohe Verfahrens-, Anwalts- und Sachverständigenkosten Schaden- und 6.450.487 7.219.493 • Persönliche, zeitliche und psychische Belastung durch Leistungsfälle Gerichtsverfahren Beschäftigte 26.538 27.181 • Bei Unternehmen: Umstieg auf alternative Streitbeile- Tabelle 1 gungsmethoden aus Angst, dass Internas an die Öffent- lichkeit gelangen 1 Vgl Jahresberichte des Versicherungsverband Österreich – Datenteil.

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 462

Abhandlungen

Das erscheint auch durchaus logisch, da das Bevölkerungs- dass mehr Ware über kürzere Strecken befördert wird (ge- wachstum ebenso steigt (2010: 8,36 Mio Einwohner, 2017: ringeres Verkehrsaufkommen), ebenso aber, dass die Ware 8,80 Mio Einwohner),2 Österreich ein grundsätzlich wohlha- auf mehr Fahrzeuge aufgeteilt wird (höheres Verkehrsauf- bendes Land ist3 und das Bedürfnis der Bürger, ihren gewon- kommen). Die Anzahl der eingesetzten Verkehrsmittel nenen Wohlstand abzusichern, offensichtlich vorhanden ist. spricht eher für Letzteres. Der Güterverkehr scheint also Es gebe also grundsätzlich mehr potentielle Streitfälle, leicht anzuwachsen.7 dennoch gehen Zivilklagen aus Versicherungsverträgen im Beobachtungszeitraum des BMVRDJ um ca 28% zurück (im 2004 2015 Zeitraum 2010–2018 ca 21%). Dies ist zunächst darauf zu- eingesetzte Ver- 22.284.824 26.926.908 rückzuführen, dass Versicherer generell verstärkt um au- kehrsmittel ßergerichtliche bzw Inhouse-Lösungen bemüht sind. Sie (beladen) versuchen, Schäden möglichst effektiv zu bearbeiten und eingesetzte Ver- 14.752.820 21.364.313 investieren viel in Personal. Oft werden minimale Schäden kehrsmittel einfach ersetzt, bevor das Prozessrisiko eingegangen wird (leer) und mehrere Mitarbeiter aufgrund eines Gerichtsverfahrens Transportaufkom- 283.346.695 350.992.104 zeitlich gebunden sind. men in T Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung werden Transportleistung in 17.378.618.000 17.160.812.000 nicht mehr als 2%, im Bereich der Allgemeinen Haftpflicht- TKM versicherung und der Privathaftpflichtversicherung sogar höchstens 1% gerichtlich ausgetragen.4 Dies bestätigt auch Tabelle 4 ein Vertreter des VVO. Den größten Teil nehmen Schaden- Sieht man sich die Unfallstatistik (Abbildung 1) an, so kann ersatzklagen ein sowie wenige Regressklagen. Deckungskla- man einen geringen Rückgang erkennen. gen gibt es hingegen kaum mehr, da das Meiste bereits aus- Bei diesen Zahlen handelt es sich aber nur um Unfälle judiziert ist. Außerdem ist die Zahlungsmoral der Prämien mit Personenschäden. Alle anderen sind statistisch auch im Kfz-Bereich aufgrund des effizienten Zulassungsentzug- kaum zu erfassen, da nicht immer die Polizei gerufen wird. Systems sehr hoch. In diesen Fällen kann nur auf die Leistungsdaten des VVO Kfz-Versicherung: verwiesen werden. Ein eindeutiger Rückgang ist bei den Die folgenden Zahlen sind die Summen aus Kfz-Haftpflicht, Verkehrstoten erkennbar, da die Fahrzeuge immer sicherer Kfz-Kasko und Kfz-Insassenunfall:5 werden. Die geringe Abnahme der Verkehrsunfälle kann aber den beträchtlichen Rückgang der Zivilklagen in diesem 2010 2018 Bereich nur bedingt erklären. Risken 9.396.328 11.082.509 Naheliegend ist, dass immer mehr Verkehrsunfälle ohne Schaden- und 1.248.834 1.388.617 Personenschäden direkt von den Versicherern außerge- Leistungsfälle richtlich geregelt werden. Tabelle 2 Rechtsschutz: Im Bereich der Rechtsschutzversicherung gibt es über die Geht man in diesem Versicherungszweig noch weiter ins letzten Jahre kaum Veränderungen:8 Detail, kann man sich überlegen, ob sich bei den Verkehrs- unfällen Wesentliches verändert hat, denn immerhin gibt es 2010 2018 in diesem Bereich einen Rückgang von ca 47% an gerichts- Risken 3.045.539 3.337.785 anhängigen Streitigkeiten im Beobachtungszeitraum (im Schaden- und 349.070 352.400 Zeitraum 2010–2018 ca 29%). Leistungsfälle Obwohl es immer mehr Einwohner und immer mehr Tabelle 5 zugelassene Fahrzeuge gibt, verändert sich die Anzahl der 6 privat gefahrenen Kilometer seit 2003 unwesentlich: Der VVO berichtet aber von einem Anstieg der außerge- richtlichen Erledigungen durch Rechtsanwälte. Die Rechts- 2003/2004 2015/16 schutzdichte ist in Österreich generell sehr hoch, Zahlen zu Anzahl private Pkw 3.570.814 4.470.391 Deckungsklagen sind nicht vorhanden. Privat ge- 50.497.527.042 50.571.132.760 fahrene km 2 Quelle: Statistik Austria. 3 Vgl „Wie geht’s Österreich?“–Indikatorenset von Statistik Austria. Tabelle 3 4 Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Das Schmerzengeld (2013) 74 FN 63. 5 Vgl Jahresberichte des Versicherungsverband Österreich – Datenteil. 6 Quelle: Statistik Austria. Im Güterverkehr gibt es mehr Transportaufkommen bei 7 Vgl Verkehrsstatistik: Güterverkehr – Verkehrsleistungen (Statistik Aust- ria). gleichbleibender Transportleistung. Dies könnte bedeuten, 8 Vgl Jahresberichte des Versicherungsverband Österreich – Datenteil.

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 463

Abhandlungen

Abbildung 1: Statistik der Straßenverkehrsunfälle. Erstellt am 29. 4. 2019. – 30-Tage-Fristabgrenzung für Verkehrstote. – Ab 2012 geänderte Erhebungsmethode; ein direkter Vergleich mit Vorjahresergebnissen ist daher nicht zulässig. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/ energie_umwelt_innovation_mobilitaet/verkehr/strasse/unfaelle_mit_personenschaden/index.html (abgerufen am 11. 6. 2019) Quelle: STATIS- TIK AUSTRIA

Mögliche Erklärungen: setzliche Bestimmungen. Die Entwicklung der Kreditverga- • Trend zu außergerichtlichen Einigungen ben zeigt hingegen einen deutlichen Anstieg bei den Unter- • Weniger Streitigkeiten über Versicherungsprämien (im nehmenskrediten seit 2015;9 möglicherweise führt das auch Kfz-Bereich auch aufgrund eines effizienten Zulassungs- wieder zu mehr Verfahren in diesem Bereich. entzug-Systems) Eine mögliche Ursache für den Rückgang der Anfalls- • Steigende Verkehrssicherheit, weniger Unfälle zahlen könnten auch die Anspruchsvoraussetzungen des Insolvenzverfahrens sein, die niederschwelliger geworden b) Im Bankensektor sind. Potentiell Beklagte kommen den Banken daher oft Einen starken Rückgang gibt es bei Zivilsachen über Darle- durch eine Privatinsolvenz zuvor. hen, Kredite und Bürgschaften, im Beobachtungszeitraum beträgt die Entwicklung ca -56%. Ein Vertreter aus dem Bankensektor berichtet, dass die Präzision der Banken bei Bonitätsprüfungen gestiegen ist, einerseits durch eine hohe 9 Vgl Statistiken – Daten und Analysen Q1–19 (Österreichische National- Sorgfalt auf Bankenseite, andererseits durch strengere ge- bank) 32f.

Abbildung 2: https://www.oenb.at/dam/jcr:8362e7ee-dc1a-4c69-a792-246d53f7c89c/statistiken_q1_2019.pdf – S 32 (abgerufen am 11. 6. 2019) Quelle: Oesterreichische Nationalbank, 2019

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 464

Abhandlungen

Abbildung 3: https://www.oenb.at/Statistik/Standardisierte-Tabellen/Finanzinstitutionen/Kredite-gemaesz-Zentralkreditregister-ZKR.html (abgerufen am 11. 6. 2019) Quelle: Oesterreichische Nationalbank, 2019

Eine weitere Erklärung wäre, dass, wenn die Wirtschaft schädigten CD im Wert von zehn Euro ein? Diese Aus- boomt, es weniger Unternehmensinsolvenzen und damit einandersetzungen werden heutzutage hingegen ohne viel auch weniger Verfahren gibt. Allerdings ist die Zahl der Un- Aufwand über automatisierte Internet-Plattformen abge- ternehmensinsolvenzen im Beobachtungszeitraum nur mi- wickelt. nimal rückläufig (s unter III.3). Das verstärkte Aufkommen alternativer Streitbeile- Mittlerweile gibt es auch eine Gemeinsame Schlich- gungsmethoden im Verbraucherbereich kann also den tungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft, bei Rückgang an Anfallszahlen vor Gericht nur bedingt erklä- der die Anfallszahlen in den letzten Jahren ansteigen. ren. 2017 gab es dort 708 Beschwerden bzw Anfragen-Ein- gänge.10 d) Im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren Mögliche Erklärungen: Der Rückgang bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten (Cga- • Höhere Sorgfalt bei Kreditvergaben Verfahren) beträgt im Beobachtungszeitraum ca 39%, in so- • Mehr Privatinsolvenzen zialgerichtlichen Fällen (Cgs-Verfahren) gibt es einen leich- • Andere Schlichtungsmethoden ten Zuwachs von ca 3%. Auffällig ist in beiden Verfahrens- typen ein deutlich erkennbarer Anstieg in den Jahren c) Online-Handel 2008–2010 und ein darauf folgender Abfall in etwa demsel- Ein Big Player, der zu Beginn des Beobachtungszeitraums ben Ausmaß. Dies könnte damit erklärt werden, dass in den noch nicht vorhanden war, ist der Online-Handel. In die- Jahren der Wirtschaftskrise Arbeitnehmer verstärkt um ihre sem Bereich werden viele Streitigkeiten über eine online Rechte kämpfen mussten. dispute resolution gelöst, bspw fallen bei ebay jährlich über Ein Vertreter der AK Wien berichtet, dass die Anfalls- 60 Mio Fälle an.11 zahlen in der AK nicht zurückgehen. Allein in Wien wer- Seit 2016 gibt es eine eigene Plattform für Online-Streit- den durchschnittlich ca 3.500 arbeits- und sozialrechtliche beilegung (OS) der Europäischen Kommission, bei der zwei Konflikte im Jahr aufgenommen, von denen aber etwa Jahre nach dem Launch über 3.000 Fälle monatlich behan- 50% außergerichtlich erledigt werden. In den Jahren delt wurden.12 2000–2006 waren es etwas mehr, da die damalige Regie- Die großen Online-Versandhäuser gehen teilweise dazu rung besonders unternehmerfreundlich agierte und die über, bei Reklamationen den Kaufpreis zu ersetzen oder die Unternehmen dadurch tendenziell ermutigt waren, Ar- Ware auszutauschen, bevor sie sich auf Auseinandersetzun- beitnehmerschutzbestimmungen restriktiv auszulegen gen mit den Kunden einlassen. Einerseits würde ein Streit (diese Beobachtung deckt sich auch mit den Zahlen des Ressourcen binden, die in keinem Verhältnis zur Streitsum- BMVRDJ). Etwa die Hälfte der arbeitsrechtlichen Verfah- me stehen, andererseits ist man auf Kundenzufriedenheit

bedacht, um die Kunden nicht zu verlieren. 10 Vgl Jahresbericht 2017 (Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichi- Diese Reklamationsfälle treffen aber hauptsächlich auf schen Kreditwirtschaft) 9. 11 Louis F. Del Duca, Colin Rule & Kathryn Rimpfel, eBay's De Facto Low Streitigkeiten über Bagatellbeträge zu. Solche Konflikte Value High Volume Resolution Process: Lessons and Best Practices for wurden auch in der Vergangenheit nicht vor Gericht aus- ODR Systems Designers, 6 Y.B. Arb. & Mediation 204 (2014) 205. 12 Vgl 2nd Report on the Functioning of the Online Dispute Resolution Plat- getragen, denn wer reicht eine Zivilklage wegen einer be- form 2.

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 465

Abhandlungen

ren dreht sich um Bestandschutz, der in Österreich de facto nicht vorhanden ist. Vor Gericht machen den größ- 2002 2018 ten Teil nach wie vor Verfahren über laufende Bezüge aus, Privatinsolvenzen 3.766 10.054 allerdings hat sich dieser Anfall im Beobachtungszeitraum Unternehmens- 5.281 4.980 um die Hälfte reduziert. insolvenzen* In Sozialrechtssachen geht der Anfall bei der AK * inkl mangels Kostendeckung nicht eröffneter Fälle leicht zurück. Laut den Zahlen des BMVRDJ kann diese Tabelle 6 Entwicklung seit 2011 bestätigt werden. Ein Grund könnte sein, dass früher oft über die Zuerkennung von 4. Im Strafverfahren Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen gestritten Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Verfahren, in dem es wurde, mittlerweile durch eine Gesetzesänderung aber auch um die Frage des Zugangs zum Recht geht, muss die zunächst Leistungen der Rehabilitation zugesprochen Thematik im strafrechtlichen Verfahren völlig anders be- werden. leuchtet werden. Der beträchtliche Anstieg an Sozialrechtssachen im Jahr Gesellschaftspolitisch betrachtet ist es eine erfreuliche 2004 könnte mit der Pensionsreform 2004 zusammenhän- Entwicklung, wenn die Kriminalität österreichweit ab- gen. Die Einführung des persönlichen „Pensionskontos“ nimmt. Besorgniserregend wäre ein Rückgang der Anfalls- war eine umstrittene Reform, die auch zu finanziellen Ein- zahlen nur in dem Fall, wenn es der Exekutive nicht ausrei- bußen geführt hat und die Kontoerstgutschriften konnten chend gelänge, Straftäter auszuforschen und der Justiz zu- in der Instanz bekämpft werden. zuführen. Diese Beobachtung kann in Österreich aber nicht Obwohl die Anzahl der Auseinandersetzungen, die vor wahrgenommen werden. Gericht gebracht werden, konstant ist, wird der Arbeitsan- Der deutliche Rückgang der Anzeigen14 deutet doch mit fall insgesamt bei der AK größer. Es gibt auch weit mehr hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass generell weniger Anfragen über elektronische Medien, vieles wird versucht, Straftaten passieren. Positiv anzumerken ist, dass auch die telefonisch zu klären. Aufklärungsquote der Polizei immer höher wird und 2018 Mögliche Erklärungen: mit 52,5% den Höchststand der letzten zehn Jahre erreicht • Abhängig von der Konjunktur hat.15 • Trend zu außergerichtlichen Einigungen Möglicherweise ist eine banale Erklärung für den Rück- • Gesetzesänderungen gang der Anzeigen der zunehmende Wohlstand unserer • Scheu vor Ämtern und Behörden Gesellschaft. Dies würde sich mit den Statistiken des BMI • Rechtliche Unwissenheit insofern decken, als Delikte, denen eine finanzielle Berei- • Sprachbarrieren bei Migranten cherungsabsicht vorangeht (Einbrüche, Kfz-Diebstahl), be- trächtlich abnehmen, während die Anzahl der Gewaltdelik- 2 2. Im Exekutionsverfahren te, bei denen in /3 der Fälle ein Bekanntschaftsverhältnis besteht und dadurch oft emotionale Aspekte als Auslöser 16 Die Exekutionen fallen im Beobachtungszeitraum um ca dienen, nahezu gleich bleibt. Gerade bei Kfz-Diebstählen 21%. Die Erklärung dafür ist vermutlich ziemlich banal. gab es einen massiven Rückgang der Anzeigen ab 2010, Gibt es einen geringeren Verfahrensanfall, gibt es auch eine den das BMI mit dem Einsatz der Soko Kfz begründet, geringere Anzahl an Exekutionstiteln und damit einherge- die seit 2009 besteht. Tatsächlich konnten einige organi- hend weniger Verfahren in diesem Bereich. Eine intensivere sierte Verbrecherbanden aufgegriffen werden, womit plau- Betrachtung wurde nicht vorgenommen. sibel erklärt werden kann, dass in den Folgejahren einfach weit weniger Autodiebe „unterwegs“ waren. Ein Grund dafür, dass die Anfallszahlen bei Gericht 3. Im Insolvenzverfahren rückläufig sind, könnte auch der deutliche Anstieg von Cy- bercrime-Delikten und eine damit verbundene Verlagerung der Kriminalität ins Internet sein, da die Täter in diesen Einer der wenigen Bereiche, in dem die Anfallszahlen tat- Fällen oft schwer greifbar sind. sächlich steigend sind, ist jener der Insolvenzverfahren vor dem BG. Im Beobachtungszeitraum ist ein Anstieg von ca 185% festzustellen, der wohl zum Großteil auf die gesetzli- chen Veränderungen bei Privatinsolvenzen zurückzuführen ist. Einen ganz massiven Anstieg gab es zuletzt durch das IRÄG 2017, das die sog Mindestquote abschaffte und damit 13 Vgl Insolvenzstatistik des KSV1870. 14 Vgl Broschüre Sicherheit 2014 des Bundeskriminalamt Österreich 10 und das Signal aussandte, dass auch Schuldner mit hohen Ver- Polizeiliche Kriminalstatistik 2018 des BKA 9. bindlichkeiten problemlos ihre Schulden regulieren kön- 15 Polizeiliche Kriminalstatistik 2018 des BKA 9. 16 Sicherheitsbericht 2017 des BMI: Kriminalität – Vorbeugung und Be- nen.13 kämpfung 28.

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 466

Abhandlungen

Abbildung 4 Quelle: Bundeskriminalamt Österreich

Auffällig ist, dass ein Großteil der bei der StA anhängigen bel erscheinen. Eine fundamentale wissenschaftliche Analy- Strafverfahren nicht zu einer Einleitung eines gerichtlichen se ist aber kaum möglich. Strafverfahrens führt. Von 261.297 Enderledigungen im Generell geht der Trend in die Richtung, dass in Berei- Jahr 2017 waren 59,8% Einstellungen und 16,3% wurden chen, wo das eigene Recht nur mittels Gerichtsverfahren mit Diversion erledigt.17 Als Ursache für den deutlichen durchgesetzt werden kann, weiterhin gestritten wird. Dort EinbruchvonÜbertretungsfällenimJahr2008kanndas hingegen, wo es andere Möglichkeiten gibt, werden diese Strafprozessreformgesetz,18 das mit 1. 1. 2008 in Kraft trat, Alternativen wahrgenommen. genannt werden. Mit der Kodifikation des neuen Ermitt- Gewiss ist auch: Es gibt nicht die eine Ursache, die für lungsverfahrens und der damit einhergehenden neuen Rol- die rückläufigen Zahlen verantwortlich ist; vielmehr neh- lenverteilung verlagerten sich viele Diversionen zu den men mehrere Faktoren darauf Einfluss, dass generell weni- Staatsanwaltschaften. ger Sachverhalte vor Gericht ausgetragen werden. So kann All dies sind aber reine Vermutungen und bedürften ei- diesem Trend auch nur punktuell entgegengewirkt werden. ner eingehenderen Befassung mit dem Thema. Im Fokus Gleichzeitig bedeutet die Entwicklung aber nicht per se der Evaluierung stand der Rückgang von Anfallszahlen in etwas Negatives. Eine Gesellschaft, die nicht mehr so viel Zivilverfahren. Interessant ist aber dennoch, dass es auch gerichtlich austragen muss, steht möglicherweise für eine im Strafverfahren eine rückläufige Entwicklung gibt, wenn- friedlichere und fortgeschrittene Welt. Gerade der Rück- gleich diese wesentlich moderater als im Zivilverfahren aus- gang in Strafverfahren kann unter diesem Blickwinkel ge- fällt. sehen werden. Entscheidend ist aber, dass der Zugang zum Recht ge- Mögliche Erklärungen: wahrt bleibt. Sollten Tendenzen erkennbar sein, die das er- • Größerer Wohlstand der Gesellschaft schweren, so wäre dem jedenfalls entgegenzuwirken. • Bessere Resozialisierung von Straftätern • Verhinderung des Abdriftens in die Kriminalität durch funktionierende Sozialeinrichtungen V. ABSCHLUSSSTATEMENTS • Einschüchterung von Straftätern durch „Überwachungs- “ staat und hohe Aufklärungsquote Die Teilnehmer der Evaluierungsrunde kommen aus den • Verlagerung der Kriminalität ins Internet (geringere Zu- juristischen Kernberufen, die besonders an einer funktio- griffsmöglichkeiten) nierenden, unabhängigen und qualitativ hochwertigen Jus- • Vermehrte Erledigungen durch Diversion tiz interessiert sind. Was sind die Schlüsse, die aus den ge- wonnenen Erkenntnissen gezogen werden können? IV. FAZIT

Der Rückgang der Anfallszahlen bei Gericht betrifft nicht nur einzelne Rechtsgebiete, sondern zieht sich quer durch verschiedene Materien, wobei je nach Rechtsgebiet unter- 17 Sicherheitsbericht 2017 des BMVRDJ: Bericht über die Tätigkeit der Straf- justiz 13. schiedliche Gründe angeführt werden konnten, die plausi- 18 BGBl I 2004/19.

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 467

Abhandlungen

1. Staatsanwälte sachen gesunken ist, während die Komplexität der anhängi- gen Rechtssachen und der Anteil der hochstrittigen Verfah- Im Gegensatz zu den gerichtlichen Anfallszahlen stagniert ren, die bis zu einem Urteil geführt werden, deutlich zuge- der jährliche Anfall im staatsanwaltschaftlichen Bereich seit nommen haben. Dieser Befund wird auch durch den Ab- mehreren Jahren zwischen österreichweit etwa 66.000 und schlussbericht der „Arbeitsgruppe – Systempflege PAR II“ 67.000 Verfahren pro Jahr. des BMVRDJ vom März 2019 bestätigt, auf dessen Grundlage Innerhalb dieser Schwankungsbreite ist festzustellen, dass die Auslastung der Bezirks- und Landesgerichte weiterhin sich die Kriminalitätsfelder in den letzten Jahren stark ver- über 100% liegt. Mit anderen Worten arbeiten die österrei- ändert haben. Terrorismus muss nachhaltig bekämpft wer- chischen Richterinnen und Richter mehr als es von ihrem den. Hass im Netz soll flächendeckend aufgeklärt und verfolgt Dienstgeber vorgesehen wäre. Dass sich der Rückgang der werden. Staatsverweigerer greifen die Grundfeste der Repub- Anfallszahlen spürbar auf die Arbeitsbelastung an den Ge- lik an. richten ausgewirkt hätte, ist damit widerlegt. Cybercrime-Delikte steigen jährlich um über 30 Prozent. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe lassen darüber hinaus Diese sind regelmäßig mit starkem Auslandsbezug, komple- auf eine Tendenz schließen, dass Gerichte vor allem dann xen Sachverhalten und hohem technischen Know-how ver- befasst werden, wenn dazu keine Optionen bestehen. Gibt bunden, sodass die Verfahrensführung im Vergleich etwa es alternative Streitbeilegungsmechanismen oder ist die Ver- mit „gewöhnlichen“ Diebstahlsdelikten wesentlich intensiver folgung eines Anspruchs nicht unbedingt erforderlich, wird und arbeitsaufwändiger ist. Die zunehmende Digitalisierung der Gang zu Gericht eher vermieden. Die Ursache für dieses und Globalisierung wirkt sich aber auch auf bislang „einfa- Phänomen könnte auch in einem Vertrauensverlust in die che“ Verfahren bereits stark aus. Die Zahl der „Großverfah- Justiz als (rechts)staatlicher Konfliktlöser gelegen sein. Hier ren“ nimmt laufend zu. rächt sich die jahrzehntelange Einsparungspolitik, durch die Hiezu kommt, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwäl- sich im Bewusstsein der Bevölkerung das Bild einer überlas- ten laufend mehr Aufgaben, wie etwa neue Verständigungs- teten Gerichtsbarkeit manifestiert hat. Der Justiz wird nicht pflichten, weitergehende Begründungspflichten in Zusam- mehr bedingungslos zugetraut, ihre Aufgaben in angemesse- menhang mit neuen Opfer- und Beschuldigtenrechten, über- ner Zeit und mit entsprechender Qualität zu bewältigen. Die- tragen werden. se Entwicklung ist bedenklich: In einer funktionierenden De- All diese Argumente zeigen auf, dass der Arbeitsanfall ge- mokratie müssen sich die Bürgerinnen und Bürger darauf rade im staatsanwaltschaftlichen Bereich keineswegs über die verlassen können, dass ihre Rechte vor staatlichen Einrich- bloßen Gesamtanfallszahlen evaluiert werden darf. Die Füh- tungen durchgesetzt werden. Deshalb müssen auch an dieser rung von Ermittlungsverfahren wird stets komplexer und be- Stelle rein statistisch basierte Überlegungen zu weiteren Bud- darf einer hohen Spezialisierung, um auch weiterhin eine ef- getreduktionen abgelehnt und gleichzeitig ausreichende Res- fektive Strafverfolgung und eine rasche Aufklärungsquote ga- sourcen für qualitätssteigernde und Vertrauen schaffende rantieren zu können. Maßnahmen gefordert werden. Denn Ziel einer modernen, dem Rechtsstaat verbundenen Politik muss es sein, die Nega- Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung österreichischer tivspirale, die dem Zusammenspiel der Faktoren Sparmaß- Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nahmen – Vertrauensverlust – Anfallsrückgang geschuldet ist, zu durchbrechen. 2. Richter Gernot Kanduth und Harald Wagner, Vizepräsidenten der In einer ersten Analyse könnte man davon ausgehen, dass ein Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter Rückgang der gerichtlichen Inanspruchnahme in einer zivili- sierten Gesellschaft als positive Entwicklung einzustufen sein 3. Rechtspfleger müsste. Der Abbau zivil- und strafrechtlicher Verfahren könnte ja auf ein grundsätzlich friedlicheres Miteinander Die rund 700 Diplomrechtspflegerinnen und Diplomrechts- der Menschen zurückzuführen sein. Allerdings werden wohl pfleger sind in Österreich eine unverzichtbare Säule der Ge- nicht viele den Eindruck teilen, dass das Zusammenleben in richtsbarkeit (aus der Broschüre „Rechtsberufe in Österreich“, unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten tatsächlich herausgegeben vom Bundesministerium für Verfassung, Re- insgesamt harmonischer geworden wäre. Hört man sich un- formen, Deregulierung und Justiz). Bereits mehr als drei ter Richterinnen und Richtern um, so findet man im Übrigen Viertel aller Entscheidungen bei Österreichs Gerichten in Zi- wenige, die behaupten, gegenwärtig weniger belastet zu sein vilsachen werden von Diplomrechtspflegerinnen und Diplom- als noch vor 15 Jahren – im Gegenteil: Der Arbeitsdruck rechtspflegern getroffen. scheint hoch wie nie zu sein. Diplomrechtspflegerinnen und Diplomrechtspfleger sind Die rückläufigen Anfallszahlen bei Gericht müssen des- in den Arbeitsgebieten Exekutions-, Insolvenz- und Zivilpro- halb unter dem Blickwinkel gesehen werden, dass vor allem zesssachen, Außerstreitsachen, Grundbuchs- und Schiffsregis- die Menge der weniger aufwändigen und unstrittigen Rechts- tersachen sowie Firmenbuchsachen tätig und werden wir uns

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 468

Abhandlungen

in unserem Abschlussstatement, unterstützt durch die und durch mehrfache Faktoren beeinflusst. Es ist derzeit VDRÖ-Fachbereichsleiter, auf diese Sparten beziehen. nicht möglich eine Ursache festzumachen, ebenso wenig lässt • Außerstreitsachen sich ein Ergebnis einigen wenigen Ursachen zuschreiben. Be- – Verlassenschaftsverfahren danken möchte ich mich bei allen Teilnehmerinnen und Teil- Der Anfall unterliegt natürlichen Schwankungen. nehmern der Evaluierungsrunde, die mitgewirkt haben, ein – Unterhaltsverfahren mj Kinder Gesamtbild der Entwicklung der gerichtlichen Anfallszahlen In den letzten Jahren gab es eine Reduktion der Verfah- zu zeichnen, aber auch bei jenen Expertinnen und Experten ren und dürfte uE auch mit der guten Wirtschaftslage aus der Versicherungsbranche, dem Bankensektor, der Ar- zusammenhängen. Auch die geringere Geburtenrate beitnehmervertretung sowie der Wirtschaft, die wertvolle könnte ein entsprechender Faktor sein. Einblicke in die Praxis gegeben haben. • Exekutionsverfahren Die österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsan- Siehe Abschlussbericht Punkt III.2 wälte sind besorgt zu hören, dass immer weniger Konflikte • Insolvenzverfahren vor Gericht ausgetragen werden. Entpuppt sich der Weg zu Siehe Abschlussbericht Punkt III.3 Gericht als zunehmend unattraktiv, so bedeutet dies, dass • Zivilprozesssachen (Mahnverfahren) Bürger auf die Geltendmachung ihrer Rechte mehr und mehr Der kontinuierliche Rückgang der Verfahren könnte folgende verzichten. Die naheliegende Annahme, dass dadurch ein we- Ursachen haben: sentliches Kerngeschäft des rechtsanwaltlichen Berufsbildes – Einrichtung diverser Schiedsstellen, welche einer Klage wegfällt, trifft jedoch nur bedingt zu. Trotz dieser Entwick- vorgelagert sind (zB Schiedsstelle für Passagierrechte – lung hat sich die Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsan- Flugzeug, Zug etc). wälte im Beobachtungszeitraum seit 2002 um fast 50% ge- – Unternehmer (deren Klagen aus der Erfahrung von Dip- steigert. Auf diesen Zuwachs bin ich stolz, zeigt er doch: lomrechtspflegerinnen und Diplomrechtspflegern deut- Längst definieren sich die Rechtsanwältinnen und Rechts- lich abgenommen haben) bedienen sich vermehrt Inkas- anwälte nicht mehr ausschließlich über die Vertretung ihrer sobüros, da sie sich hier einen schnelleren Eingang der Klientinnen und Klienten vor Gericht. Sie beraten bei Unter- offenen Forderungen erwarten. nehmensgründungen, in Steuerfragen oder verwaltungsrecht- • Grundbuchsachen lichen Angelegenheiten, errichten Testamente und gestalten In Ermangelung der konkreten Statistikzahlen wird für die- Verträge derart, dass es eben zu keinem Gerichtsverfahren sen Fachbereich die Meinung des VDRÖ-Fachbereichsleiters kommt. Um die Zukunft der österreichischen Rechtsanwäl- Grundbuch wiedergegeben: 2016 und 2017 erreichten die An- tinnen und Rechtsanwälte ist mir nicht bange. fallszahlen in Salzburg bis zu ca 120% des Anfalls der Vor- Dennoch muss der Trend der rückläufigen Anfallszahlen jahre. 2018 war ein normales Jahr und für 2019 ist noch kein weiterhin kritisch beobachtet werden. Keinesfalls dürfen Bar- Trend zu erkennen. rieren in unserem Justizsystem dazu führen, dass Bürgern der Da jedoch die Anfallszahlen in den letzten zehn Jahren Zugang zum Recht erschwert wird. Keinesfalls dürfen über- gestiegensind,wäreeinAnfallsrückgangindenJahren bordende Gerichtsgebühren Auslöser sein, dass Konzerne Ge- 2018 und 2019 dadurch kompensiert. richtsstandortsvereinbarungen im Ausland treffen. Weiterhin • Firmenbuchsachen muss auch das Justiz-Budget über ausreichende Mittel verfü- Der stetige Zuwachs der Anfallszahlen im Firmenbuch kann gen, um eine qualitativ hochwertige Rechtsprechung bei ge- wie folgt begründet werden: ringer Verfahrensdauer garantieren zu können. – Die Zahl der im österreichischen Firmenbuch eingetra- Eine effektive und unabhängige Justiz ist eines der wich- genen Rechtsträger steigt jährlich an. Das bewirkt, dass tigsten Güter eines Rechtsstaats und Eckpfeiler unserer Ge- es bei den im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträgern sellschaft. Dafür setze ich mich ein. auch vermehrt zu Änderungen kommt. Auch müssen die im Firmenbuch eingetragenen Kapitalgesellschaften und Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwalts- in bestimmten Fällen auch Personengesellschaften dem kammertags Firmenbuchgericht die Jahresabschlüsse vorlegen. – Das Wirtschaftswachstum könnte ein weiterer Faktor für die steigenden Anfallszahlen sein.

Walter Szöky, Präsident der Vereinigung der Diplomrechts- pflegerinnen und Diplomrechtspfleger Österreichs

4. Rechtsanwälte

Das Ergebnis der Bemühungen, den Anfallsrückgang bei Ge- richt zu ergründen lautet: Die Ursachen sind vielschichtig

Christian Moser Evaluierung des Rückgangs der Anfallszahlen bei Gericht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 469

Abhandlungen

Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

sank in der gesellschaftlichen Wertschätzung und der juris- 1 I. EINLEITUNG tischen Bedeutung. Erforderlich wurde der durch ein Stu- dium ausgebildete Jurist, der sich mit den schriftlichen In vielen Ländern der Erde werden Jubiläen von Gerichten Quellen auseinanderzusetzen vermochte. HANNS PRÜTTING feierlich begangen. Das liegt vor allem dort nahe, wo es sich Vor dem Reichskammergericht gab es die Advokatur Direktor des Instituts für um altehrwürdige Institutionen handelt. So hat zum Bei- Anwaltsrecht der und die Prokuratur. Diese Zweiteilung geht wohl auf das Universität zu Köln. spiel im Jahre 1985 das älteste griechische Gericht, der kanonische Recht zurück. Der Advokat bereitete den Areopag, sein 150jähriges Bestehen mit einer sechsbändigen 2019/195 Rechtsstreit juristisch vor und lieferte die schriftliche Aus- Festschrift gefeiert. Soeben hat das älteste, heute noch arbei- arbeitung, der Prokurator trat vor dem Gericht auf und gab tende Gericht im deutschen Sprachraum, das Kammerge- die prozessual bedeutsamen Erklärungen ab. Vor dem richt Berlin, seinen 550. Geburtstag gefeiert. Wer Gerichte Reichshofrat in Wien und offenbar bei vielen habsburgi- und ihre Richter mit guten Gründen lobt und feiert, sollte schen Landesgerichten war diese Zweiteilung in Advokaten aber nicht vergessen, dass die Professionalisierung und die und Prokuratoren (auch Agenten genannt) nicht zu be- Fortentwicklung der Gerichtsbarkeiten auch eine Anwalt- obachten, obwohl die jeweiligen Ordnungen beide Bezeich- schaft voraussetzt, die sich in gleicher Weise professionali- nungen nebeneinander aufführten. Aber die Prokuratoren siert und fortentwickelt. sind dort wohl jeweils zugleich Advokaten gewesen. Bereits Ausgangspunkt ist dabei die Tatsache, dass das Recht damals ließ sich beobachten, dass Prokuratoren nach länge- Teil unserer Kultur ist. Recht stiftet Frieden, Freiheit und rer erfolgreicher Arbeit zu Richtern berufen werden konn- Vertrauen. Ohne Recht gibt es keine Sicherheit, keinen Frie- ten, sich also in der juristischen Entwicklung der Qualität den und keinen Fortschritt in der gesellschaftlichen, wirt- des Richterberufs anglichen. Interessant ist in diesem Zu- schaftlichen und sozialen Entwicklung. Recht ist also ein sammenhang die Tatsache, dass der Richter den Rechts- sehr hohes Gut. Daher überrascht es nicht, dass das Recht streit entweder nach dem gemeinen Recht oder nach dem sich seit vielen tausend Jahren entwickelt hat und dass dabei Partikularrecht des jeweiligen Territoriums entscheiden dem Beruf des Rechtsberaters schon immer eine herausge- konnte. Das jeweilige Partikularrecht musste der Richter hobene Stellung zukam. Die Entwicklung des Rechts unter- freilich nicht kennen. Es war also Aufgabe des Advokaten, liegt also einem Wechselspiel von Richter und Rechtsanwalt dieses Recht zu ermitteln und in Abschrift dem Gericht vor- als dem unabhängigen Berater und Vertreter in allen zulegen. Eine solche Übergabe der jeweiligen Rechtsquelle Rechtsangelegenheiten (wie § 3 Abs 1 der deutschen BRAO war als formaler Akt ausgestaltet und unterstellte ab dann formuliert). das Gericht unter den Grundsatz „jura novit curia“. Diese Entwicklung einer Zusammenarbeit von Richter und An- II. HISTORISCHE ENTWICKLUNG walt änderte sich im 18. Jahrhundert. Die immer stärkere Die Position eines „Fürsprechers“ oder „Vorsprechers“ lässt Formalisierung und berufliche Differenzierung verhinderte sich bereits im Mittelalter nachweisen.2 So kennen etwa der einen Wechsel aus der Anwaltschaft in die Richterschaft. um 1230 verfasste Sachsenspiegel, ebenso der Schwaben- Mit der Auflösung des Reichskammergerichts im Jahre spiegel und mancherlei andere Rechtsquellen solche Perso- 1806 ergaben sich erbitterte Streitigkeiten um die Versor- nen (im Reichshofrat erscheinen zuweilen sogar Fürsten als gung der nunmehr existenzgefährdeten Richter und Rechts- Vorsprecher für andere Fürsten). In Wahrheit dürfte der anwälte, die die gewachsenen Unterschiede zwischen bei- Gedanke eines geschickten Redners, der für die Partei das den Berufsgruppen noch einmal verdeutlichten. Wort ergreift, deutlich älter sein. Die Entwicklung der Rhe- Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von torik im klassischen griechischen und römischen Altertum 1781 kannte nur noch Advokaten. Die Prokuratoren waren lässt dies erahnen. Im 14. und 15. Jahrhundert gibt es be- verschwunden. Der Name „Rechtsanwalt“ ist allerdings reits in verschiedenen Landesrechten Quellenhinweise, dass weithin erst ein Kind des 19. Jahrhunderts. von der Existenz professionell tätiger Fürsprecher auszuge- hen ist (so zB 1391 das Schöffenrecht des Berliner Stadt- buchs). Mit der Entwicklung von einer rein mündlichen 1 Überarbeiteter Festvortrag vom 31. 1. 2019 an der Johannes-Kepler-Uni- versität Linz zur Gründung eines Instituts für Anwaltsrecht. zu einer schriftlichen Rechtskultur (vgl die Entwicklung 2 Grundlegend zur historischen Entwicklung Weißler, Geschichte der des gemeinen oder gelehrten Prozesses, etwa 1495 mit der Rechtsanwaltschaft, Leipzig 1905; vgl ferner die Beiträge in DAV, Anwälte und ihre Geschichte (Tübingen 2011); speziell zur österreichischen Entwick- Gründung des Reichskammergerichts und der Reichshof- lungsgeschichte vgl Loimer, Der österreichische Rechtsanwalt in der europä- ratsordnung von 1617) musste sich freilich auch die Posi- ischen Union (Frankfurt 1997). Die folgenden Ausführungen nehmen Über- legungen des Verfassers teilweise wieder auf, die in der Jubiläumsschrift tion des Fürsprechers ändern. Das Plädieren vor Gericht 550 Jahre Kammergericht Berlin (2018) 117ff niedergelegt worden sind.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 470

Abhandlungen

III. DER KAMPF UM DIE FREIE ADVOKATUR Fällen Entwürfe hierzu. Der Deutsche Juristentag 1864 und der Deutsche Anwaltstag 1874 forderten massiv die Schaf- Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich die deutsche und fung einer freien Advokatur. Parallel zur Schaffung der österreichische Anwaltschaft in einem beklagenswerten Zu- Reichsjustizgesetze (1877) wurde im Reichstag eine Rechts- stand. Ihr Ansehen war auf einen Tiefstand gesunken. Das anwaltsordnung (RAO) erstritten und durchgesetzt (1878). hohe Ansehen und das teilweise hohe Einkommen einiger Damit war trotz einiger Einschränkungen die freie Advoka- weniger Prokuratoren am Reichskammergericht endete tur in Deutschland und Österreich erreicht. Zugleich wurde 1806 mit der Schließung des Gerichts abrupt. Die Anwälte durch die deutsche RAO 1878 ein einheitlicher deutscher bei den Untergerichten wurden dagegen mit Kammerdie- Anwaltsstand geschaffen, ebenso wie in Österreich schon nern und Büchsenspannern verglichen. Sie verdingten sich 1868. Eine Trennung von Advokat und Prokurator, von als Hochzeitslader und Leichenbitter. Demgegenüber waren avoué und avocat oder von barrister und solicitor war besei- die Justizkommissare in Preußen dank ihrer beamtenähnli- tigt. Der Zugang zur Anwaltschaft war nicht mehr vom Er- chen Stellung zwar finanziell abgesichert, aber weisungsge- messen irgendeiner Behörde oder eines Gerichts abhängig. bunden und staatsabhängig. Die tiefgreifenden Bemühungen um staatliche Erneuerung und Modernisierung ergriffen da- IV. DIE PROFESSIONALISIERUNG DER her auch die deutsche und österreichische Anwaltschaft und RECHTSANWALTSCHAFT führten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer intensiven Reformdiskussion, deren Kern zweifellos der Mit der Schaffung einer einheitlichen deutschen Anwalt- Kampf um freie Advokatur war.3 Für Österreich ist hier schaft und der einheitlichen Berufsbezeichnung als Rechts- der Wiener Advokat Heinrich Jaques zu nennen, dessen anwalt durch die RAO 1878 wurde zugleich ein strenges Werk „Die freie Advokatur und ihre legislative Organisation, Qualitätsmerkmal eingeführt. § 1 der deutschen RAO for- „ 1868“ Maßstäbe setzte, für Deutschland ist auf Gneist, „Freie mulierte: Zur Rechtsanwaltschaft kann nur zugelassen “ Advokatur, Die erste Forderung aller Justizreform in Preu- werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat . ßen, 1867“ zu verweisen. Kernelemente waren die Forderun- Dem entsprechen in Österreich die §§ 2 bis 4 RAO mit gen nach Freiheit von richterlicher Disziplinargewalt und dem Erfordernis der Rechtsanwaltsprüfung. Mit diesem Er- „ staatlicher Bindung durch beamtenähnliche Stellung, ferner fordernis war der Anwaltsberuf zwingend als Expertenbe- “ die Freiheit von Ernennung und Anstellung durch Regierun- ruf ausgestaltet, der eine wissenschaftliche Ausbildung vo- gen oder staatliche Behörden, schließlich die Freiheit von der raussetzt. Die dadurch verstärkte Professionalisierung des Kontrolle der Honorarrechnungen. Aus der Vielzahl der Be- Berufs ist gekennzeichnet durch eine Systematisierung mühungen um freie Advokatur sind die etwa ab 1840 ent- und Verwissenschaftlichung der Ausbildung, eine Monopo- standenen Advokatenvereine hervorzuheben, ferner die in- lisierung der angebotenen Dienstleistung, eine Vertretung tensive Beteiligung der Advokaten an den Diskussionen durch eigene berufsständische Organisationen (mit diszip- 1844–1848 zur Erneuerung des gesamtdeutschen Staatswe- linarischer Selbstkontrolle) sowie ein Streben nach berufli- sens und zur Schaffung der Paulskirchenverfassung. Gerade cher Autonomie und Selbstregulierung. diese Bemühungen führten in der Bevölkerung zu einer Diese Entwicklung verschafft dem Rechtsanwalt seither deutlichen Steigerung des Ansehens. Anwälte waren seitdem ein starkes Eigengewicht. Er kann dem Richter auf Augen- in den einzelnen Landtagen vertreten. Im März 1848 wurden höhe gegenübertreten und dabei auf eine gleichartige drei- in sechs deutschen Einzelstaaten Anwälte an die Spitze der stufige Ausbildung verweisen (in Deutschland Gymnasium neuen Ministerien berufen (in Württemberg, Nassau, Sach- mit Abitur, Studium mit erstem Staatsexamen, Referenda- sen, Sachsen-Weimar, Hannover, Schleswig-Holstein). In riat mit zweitem Staatsexamen; in Österreich Gymnasium die Nationalversammlung 1848 wurden über 100 Rechtsan- mit Matura, Studium mit Universitätsabschluss, praktische wälte gewählt (circa 15% der Abgeordneten). Die reaktionäre Verwendung und Anwaltsexamen). Die Naturalpartei hat Entwicklung nach 1848 konnte letztlich die Fortentwicklung damit vor dem Gericht die Sicherheit, dass sie ihren Prozess der Anwaltschaft nicht verhindern. nicht allein wegen vollkommener intellektueller Unterle- In Österreich hatte sich bereits ab 1848 vor dem Obers- genheit verliert. ten Gerichtshof und ab 1862 vor dem Reichshofrat eine Insgesamt lässt sich die Entwicklung des Anwaltsberufs freie Advokatur entwickelt. Am 6. 7. 1868 wurde die öster- im 19. Jahrhundert als ein Zeitalter der Professionalisie- 4 reichische Rechtsanwaltsordnung (RAO) verabschiedet, die rung kennzeichnen. Der Berufsstand hat sich nicht nur na- im Gefolge einen deutlichen Anstieg der Zahl der Advoka- tional und sachlich-inhaltlich vereinheitlicht, er hat sich ten bewirkte. auch in den Voraussetzungen und den Ausprägungen zu Nach der deutschen Reichsgründung 1870/71 wurde im dem geformt, was noch heute für den Anwaltsberuf kenn- Jahre 1871 der Deutsche Anwaltverein gegründet. In den 3 Grundlegend Gneist, Freie Advocatur, Die erste Forderung aller Justizre- deutschen Einzelstaaten hatten sich schon zuvor fast überall form in Preußen (Berlin 1867); ferner Huffmann, Kampf um freie Advokatur eigenständige Anwaltsorganisationen gegründet. Es gab (Essen 1967). 4 Siegrist, Advokat, Bürger, Staat. Sozialgeschichte der Rechtsanwälte in auch bereits einzelne Anwaltsordnungen, jedenfalls in vielen Deutschland, Italien und der Schweiz, 2 Bände, (Frankfurt 1996) 35ff, 925ff.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 471

Abhandlungen

zeichnend ist. Das Ergebnis ist geprägt durch die Stichworte in den Parlamenten. Das deutsche Bundesjustizministerium einer Akademisierung, Monopolisierung und Maximie- hat zB gerade in jüngerer Zeit wiederholt abgeschlossene rung beruflicher Autonomie. Gesetzesentwürfe bei großen Anwaltssozietäten gegen ho- hes Entgelt bestellt und erhalten. V. DIE FORTENTWICKLUNG IM 20. JAHRHUNDERT VI. DIE STELLUNG EINES INSTITUTS FÜR Die Rechtsanwaltschaft im deutschen und österreichischen ANWALTSRECHT UND SEINE AUFGABEN Kaiserreich hatte sich also von einem staatlich geregelten Diese moderne Entwicklung der Anwaltschaft führt uns zu Berufsstand zu einem freien Beruf entwickelt. Aber der der Frage, welche Stellung und welche Aufgaben einem neu Rechtsanwalt des Jahres 1900 war ein Generalist. Eine Spe- zialisierung im modernen Sinn gab es praktisch nicht, auch gegründeten Institut für Anwaltsrecht zukommen könnten. Kommen- nicht bei den singular zugelassenen Rechtsanwälten der Man kann dabei zunächst an die Auslegung, die tierung und die Fortentwicklung des anwaltlichen Berufs- Oberlandesgerichte. Die zunehmende Diversifizierung des rechts denken. Wissenschaftliche Spezialisten könnten ver- Rechts und die Professionalisierung der Gerichte erzwang stärkt in Aufsätzen und Vorträgen zu umstrittenen Einzel- im 20. Jahrhundert nahezu unvermeidbar die Spezialisie- fragen Stellung nehmen, es könnten neue und vertiefte rung der Anwaltschaft. Der Strafverteidiger, der Wirt- Kommentare zur RAO geschaffen werden. Darüber hinaus schaftsanwalt, der Steuerrechtsexperte, der Familienrecht- könnten und sollten Anregungen aus der Wissenschaft an ler, der Arbeitsrechtler, sie alle wurden Stück für Stück be- nötigt, um das Interesse des Mandanten an seinem Fall und den Gesetzgeber zu Anwaltsfragen gegeben werden. Es ver- das daraus entstandene Begehren des Mandanten ausrei- steht sich, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem anwaltlichen Berufsrecht auch zur Schaffung einer leis- chend wahrnehmen zu können. So ist der Professionalisie- tungsfähigen Spezialbibliothek führen dürfte. Aber dies ist rung des 19. Jahrhunderts die Spezialisierung des 20. Jahr- nur eine Seite einer breiten Palette von Aufgaben. hunderts gefolgt. Diese Entwicklung setzte sich unbeein- Ein anderer sehr wichtiger Gesichtspunkt ist die juristi- flusst von den Krisen- und Kriegszeiträumen des 20. Jahr- sche Ausbildung im anwaltlichen Berufsbereich. In Deutsch- hunderts fort. Nicht einmal die Abschaffung der freien land wurden nach der Kölner Gründung 1988 an den Univer- Advokatur im Jahre 1935 und die Auflösung der Anwalts- vereine (1933), die Vertreibung der jüdischen Rechtsanwäl- sitäten erstmals Vorlesungen und Seminare zu Fragen des an- te (ab 1933, in Österreich ab 1938) und die Diskriminierung waltlichen Berufsrechts angeboten, es wurden Promotions- themen aus diesem Bereich für Doktorarbeiten ausgegeben der Rechtsanwältinnen (ab 1936) durch die Nazis haben und betreut. Ferner wurden Rechtsanwälte als Honorarpro- letztlich diese Gesamtentwicklung gestoppt. fessoren in die universitäre Anwaltsausbildung eingebaut. In Heute steht dem professionellen, aber nicht selten noch neuen Unterrichtsformen wie den inzwischen sehr beliebten immer sehr generalistisch arbeitenden Richter der speziali- Moot Courts und der Clinical Legal Education wurden Ver- sierte Rechtsanwalt gegenüber, der (jedenfalls in größeren suche erprobt, auch den Studenten bereits das professionelle Sozietäten) hinter sich eine Gruppe von spezialisierten Kol- legen und Mitarbeitern aufweist. Das Verhältnis von Rich- anwaltliche Berufsgeschehen näher zu bringen. ter und Anwalt hat sich daher gewandelt. Es ist nicht mehr Neben der Ausbildung im Anwaltsbereich stehen Fragen der Fortbildung und ihrer Förderung. Es ist heute eine all- ganz selten, dass der einzelne Richter klagt, er könne mit gemein anerkannte Tatsache, dass das zum Zeitpunkt des dem Anwalt in manchen Spezialbereichen nicht mehr auf Universitätsabschlusses erworbene Wissen und ebenso das gleicher Augenhöhe verhandeln. beim Anwaltsexamen bzw beim 2. Staatsexamen vorhande- Nur erwähnt sei in diesem Zusammenhang die gewaltige ne Wissen unter keinen Umständen ausreicht, um damit Funktionserweiterung der Anwaltschaft. Das betrifft zum weitere 30 Jahre Berufstätigkeit zu meistern. einen die konsensuale anwaltliche Tätigkeit als Mediator, Schlichter und Schiedsrichter. Nach einer Studie von Wasi- Auf die österreichische und die deutsche Anwaltschaft lewski aus dem Jahre 1990 wurden schon damals mehr als kommen in naher Zukunft Probleme von derart grundsätz- licher Bedeutung zu, dass eine wissenschaftliche Vorberei- 70% der Streitigkeiten in Zivilsachen von der Anwaltschaft tung und Unterstützung solcher Fragen wohl unabdingbar außergerichtlich geregelt.5 Diese Quote ist inzwischen wei- sein dürfte. Zu nennen sind nur wenige Stichworte wie der ter angestiegen. Die Funktionserweiterung betrifft zum an- elektronische Rechtsverkehr, die Ausweitung der sozietäts- deren die anwaltliche Funktion als Förderer der Rechtsent- fähigen Berufe, die Fragen der Fremdkapitalbeteiligung, das wicklung. Richterliche Rechtsfortbildung fußt heute nicht künftige anwaltliche Gesellschaftsrecht, der Bereich des Le- zuletzt sehr stark auf anwaltlichen Schriftsätzen, die voraus- schauend und fantasievoll solchen Entwicklungen den Weg gal Tech und ganz generell die weitergehende künftige Spe- bereiten. Teilweise wird die Rechtsanwaltschaft sogar un- zialisierung mit allen ihren Folgewirkungen. mittelbar in die Gesetzgebung eingebunden. Rechtsanwälte sind in Regierungskommissionen tätig und sind Mitglieder 5 Wasilewski, Streitverhütung durch Rechtsanwälte (Köln 1990) 92.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 472

Abhandlungen

VII. LEGAL TECH UND RECHTSANWALT noch sehr vorsichtig. Vor allem Textverarbeitungsprogram- me und Online-Datenbanken zur Recherche wurden mehr Im Folgenden sei ein einzelnes Zukunftsthema herausge- und mehr gebräuchlich. Seit etwa zehn Jahren werden zu- griffen: Die künftige Herausforderung des Rechtsanwalts nehmend automatisierte Legal Tech Anwendungen entwi- durch Formen des Legal Tech. Denn die Digitalisierung ckelt. Seit dieser Zeit taucht auch der Begriff „Legal Tech“ ist allgegenwärtig und betrifft alle Lebensbereiche, auch selbst auf, zunächst vor allem in den USA. Seit drei bis vier 6 die Rechtsanwaltschaft. Jahren häufen sich auch im deutschsprachigen Raum die Aufsätze und die wissenschaftlichen Veranstaltungen unter 1. Begriffsbestimmung dem Titel „Legal Tech“. Jährliche Veranstaltungen, etwa an der Bucerius Law School Hamburg, der Berliner Legal Die Probleme dieses Phänomens beginnen allerdings schon Tech-Veranstaltung, dem Anwaltszukunftskongress Köln bei der Begriffs- und Inhaltsbestimmung. Klar ist nur, dass und dem Frankfurter Legal Tech-Forum bieten eine kaum Legal Tech die verkürzte Schreibweise des englischen „Legal mehr überschaubare Fülle von Anregungen. Technology“ ist, also wohl eine Art Sammelbegriff für un- terschiedliche Arten von IT-Produkten, die juristische Ar- beitsprozesse unterstützen oder künftig vielleicht sogar er- 3. Der Bezug zur Rechtsanwaltschaft setzen können. In der Literatur werden darunter so verschiedenartige Die breite Palette der Legal Tech Anwendungsbereiche fand Begriffe wie Informationsplattformen im Internet, Vermitt- von Anfang an auch bei der Rechtsanwaltschaft Beachtung. lungsportale, Vertrags- und Schriftsatzgeneratoren, Rechts- Freilich haben die Möglichkeiten von Legal Tech 1.0 die an- dienstleistungsplattformen, Prozessführungsplattformen, waltlichen Arbeitsabläufe noch sehr wenig verändert. Das Legal Chatbots, Legal Prediction Tools, virtuelle Kanzleien könnte sich in naher Zukunft dramatisch ändern, wenn sich und künstliche intelligenzbasierte Systeme automatisierter Legal Tech 2.0 und vor allem 3.0-Formen durchsetzen sollten. Datenextraktion genannt.7 Zur aktuellen Einschätzung sei aus dem 44. Wahrnehmungs- Der amerikanische Juraprofessor Goodenough8 hat den bericht 2018 des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags9 Versuch gemacht, die verschiedenen Phänomene in drei gro- zitiert: „Es wird zu beobachten sein, inwiefern in den nächsten ße Kategorien einzuteilen. Als „Legal Tech 1.0“ bezeichnet er Jahren automationsunterstützte Systeme auf den Markt treten, Software zur anwaltlichen Büroorganisation iS rein techni- die zu einfachen Rechtsfragen Auskünfte geben können. Es scher Hilfe, Online-Dienste für das Outsourcing kanzleiinter- gibt bereits Computersysteme, die die menschliche Sprache ner Aufträge sowie Fachdatenbanken zur Rechtsrecherche. In verstehen und sinnerfassend deuten können. Gespeist mit jüngster Zeit werden ferner hierzu gezählt: E-Commerce-Por- sämtlichen Daten aus dem RIS scheint es daher auch möglich, tale zum Geltendmachen von gleichartigen Ansprüchen in simple Fragen zu beantworten. Für den Stand der Rechtsan- Massenverfahren (typisches Beispiel: Entschädigungsansprü- waltschaft stellen derartige Produkte keine Konkurrenz dar, che nach der EU-FluggastrechteVO durch flightright.de) so- sondern bieten eine Chance, den technologischen Fortschritt wie Onlinemarktplätze für eine Vielfalt anwaltlicher Bera- mitzugehen. Das Expertenwissen der Rechtsanwälte kann tungsdienste (Beispiel im deutschen Raum: anwalt.de). nicht ohne weiteres durch Maschinen ersetzt werden und im Unter „Legal Tech 2.0“ will Goodenough automatisierte Umgang mit den Mandanten oder in der Verhandlungsfüh- Rechtsdienstleistungen fassen. Ziel ist es dabei, dass einzel- rung vor Gericht werden menschliche Komponenten auch ne juristische Arbeitsschritte selbständig anstelle eines Men- künftig immer eine bedeutende Rolle spielen.“ schen erledigt werden. Zu denken ist an Legal Chatbots (al- Aus diesem Zitat spricht noch eine wohlüberlegte Gelas- so Programme, die zwischen Nutzern eines Chat-rooms au- senheit. In den Diskussionen in Deutschland ist demgegen- tomatische Kommunikationsmöglichkeiten herstellen kön- über schon deutlich eine Sorge zu spüren, ob nicht künftig nen, oder Chatbots, die rechtlich relevante Tatumstände in der Rechtsanwalt (und ebenso der Richter) durch einen Ro- einem eingegrenzten Rechtskreis ermitteln), an Legal Tools boter ersetzt werden kann. Legal Tech wird in jüngster Zeit und Legal Prediction Tools, an Online Dispute Resolution als Gefahr für die Anwaltschaft wahrgenommen. Vor die- und an E-Discovery Software. sem Hintergrund hat soeben in Deutschland und anderswo Einen Blick in die Zukunft wagt schließlich die Kategorie eine Debatte begonnen, ob und wie man Legal Tech Ange- „Legal Tech 3.0“. Hier geht es um smart contracts und um bote rechtlich regulieren kann und sollte. Das ist eine span- künstliche Intelligenz, also um IT-Lösungen, die eine auto- nende Zukunftsfrage. nome Bewältigung geschlossener Rechtsdienstleistungen bieten soll. 6 Der 73. Deutsche Juristentag im September 2020 hat das Thema Künst- liche Intelligenz und Digitalisierung auf seiner Agenda. 7 Vgl Fries, ZRP 2018, 161; Herberger, NJW 2018, 2825; Kilian, AnwBl 2019, 24; Netzer, AnwBl 2018, 280; Remmertz, BRAK-Mitt 2017, 55; Riechert, 2. Entwicklungsgeschichte AnwBl 2019, 102. 8 Goodenough, Legal Technology 3.0, www.huffingtonpost.com/oliver-r- Die Entwicklung von Legal Tech begann in den 1970er Jah- goodenough/legal-technology-30b6603658.html (abgerufen am 24. 1. 2017). 9 ÖRAK, 44. Wahrnehmungsbericht, Kämpfen für den Rechtsstaat (Wien ren mit der Integration von Computern in Arbeitsabläufe 2019) 54.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 473

Abhandlungen

4. Die Regulierung von Legal Tech RAO (Verbot der Winkelschreiberei). Ausnahmen von die- sem Grundsatz sind nach dem RDG nur in Einzelbereichen a) Wer betreibt Legal Tech? möglich (ähnlich § 8 der österreichischen RAO). Ausnah- Im Falle möglicher gesetzlicher Regulierungsmaßnahmen men gibt es gem § 5 RDG bei Nebenleistungen zu anderer stellt sich zunächst die Frage, wer die Zielgruppe solcher Re- Berufstätigkeit, gem § 6 als unentgeltliche Dienstleistung gelungen sein müsste.10 Wer betreibt eigentlich Legal Tech und gem § 7 für Mitglieder im Rahmen von Berufsverbän- 2.0 und künftig 3.0? In der bisherigen Diskussion wird er- den und Vereinen. Außerhalb solcher speziellen gruppen- kennbar davon ausgegangen, man müsse den anwaltlichen spezifischen Begrenzungen sind Tätigkeitserlaubnisse nur Rechtsdienstleistungsmarkt vor Wettbewerbern schützen, auf genau bezeichneten speziellen Sachgebieten gem § 10 die keine Juristen sind und daher keine anwaltliche Zulassung RDG aufgrund besonderer Sachkunde möglich (das Gesetz besitzen. Ein Blick auf die Marktentwicklung in Deutschland nennt Inkassotätigkeit, Rentenberatung und ausländisches zeigt hier Überraschendes: Gesellschafter von Unternehmen, Recht). Wenn man also nichtanwaltliche Dienstleister einer die Rechtsdienstleistungen im Wege von Legal Tech anbieten, Registrierung und damit einer Einfügung in § 10 RDG zu- sind häufig nicht etwa anonyme Finanzinvestoren, sondern führen wollte, wie das vor Kurzem der Münchener Rechts- meist junge Rechtsanwälte, teilweise in Zusammenarbeit anwalt Frank Remmertz12 vorgeschlagen hat, so ergäbe sich mit Wirtschaftswissenschaftlern und IT-Fachleuten.11 Ein ge- im deutschen Recht (und wohl ähnlich auch in Österreich) setzliches Eingreifen auf diesem Markt muss also beachten, ein fundamentaler Paradigmenwechsel. Es würden künftig dass hierbei in einen professions-internen Wettbewerb einge- Rechtsdienstleistungen auf allen Rechtsgebieten von Nicht- griffen wird. Technikaffine junge Juristen bieten Rechts- Anwälten zulässig, nur weil deren Leistungserbringung ei- dienstleistungen auf eine neue Art und Weise an, wobei dies nen besonderen technischen Vorgang zur Grundlage hätte. allerdings oft nicht unter dem Label der Rechtsanwaltskanzlei Solche und weitere Systemschwierigkeiten haben dazu ge- geschieht, sondern im Rahmen des Startups einer neuen Ge- führt, dass der Freiburger Rechtsanwalt Michael Kleine-Co- sellschaft ohne anwaltliches Siegel. sack13 soeben die Auffassung vertreten hat, das Anwaltsmo- nopol und damit der Schutz durch das RDG sei gänzlich b) Warum gibt es unregulierte Legal Tech Angebote? abzuschaffen, jedenfalls könne das RDG Legal Tech-Ange- Dies wirft zwangsläufig eine zweite Frage auf. Was führt dazu, bote nicht betreffen. dass diese Rechtsanwälte ein Legal Tech Angebot oft gerade nicht im Rahmen ihrer Anwaltstätigkeit anbieten? Aus einer d) Legal Tech und anwaltliches Berufsrecht internen deutschen Sicht lassen sich hier vor allem vier an- Die Diskussion um die Erlaubnis von Legal Tech-Angebo- waltliche Berufsbeschränkungen nennen, die anwaltlichen ten hat aber jenseits des deutschen RDG und des österrei- Legal Tech Angeboten entgegenstehen könnten. Da ist zuerst chischen § 8 RAO noch deutlich weitergehende Auswir- die sehr eng begrenzte Möglichkeit interprofessioneller Be- kungen auf das gesamte anwaltliche Berufsrecht. So liegt rufsausübung. Eine Sozietät von Rechtsanwälten mit Be- der Gedanke nahe, die anwaltliche Berufsausübung in einer triebswirten, Informatikern oder Marketingfachleuten ist zur- Sozietät (also einer Anwaltsgesellschaft) über die bisher gem zeit in Deutschland noch nicht erlaubt (ebenso nicht in Öster- § 59a BRAO sozietätsfähigen Berufe (Steuerberater, Wirt- reich). Weiterhin führt das Fremdkapitalbeteiligungsverbot schaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer) hinaus auszuweiten. zu Schwierigkeiten, kapitalintensive technische Lösungen im Die österreichische Rechtslage gem § 21c RAO ist hierzu Rahmen einer Anwaltskanzlei zu verwirklichen. Drittens un- bekanntlich bisher noch sehr viel restriktiver. Auch hier wä- terliegen deutsche Rechtsanwälte nach Auffassung der ren allerdings Folgeprobleme zu lösen. Es geht um die an- Rechtsanwaltskammern und der Anwaltsgerichtsbarkeit noch waltlichen Kernpflichten, aus deutscher Sicht also um die immer gewissen Restriktionen im Bereich der Werbung. Unabhängigkeit (§ 43a Abs 1), die Verschwiegenheit Schließlich sind im Legal Tech-Bereich Erfolgshonorare von (§ 43a Abs 2), das Gebot der Sachlichkeit (§ 43a Abs 3), erheblicher Bedeutung, die nach deutschem Recht nur in ext- das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, also rem engen Grenzen zulässig sind (vgl § 4a RVG). das Verbot von Interessenkollisionen (§ 43a Abs 4) sowie c) Die Regulierung von Legal Tech vor dem die Sorgfalt im Geldverkehr (§ 43a Abs 5) und die Pflicht Hintergrund des geschützten zur Fortbildung (§ 43a Abs 6). Auch weitere Pflichten wie Rechtsberatungsmarktes die Erforderlichkeit einer Berufshaftpflichtversicherung Eine noch weithin ungeklärte Frage ist es, wie sich nicht- und die Beschränkung von Werbemaßnahmen, die Beach- anwaltliche Legal Tech Angebote in das Gefüge des deut- tung bestehender Tätigkeitsverbote sowie die Einschrän- schen Rechtsdienstleistungsgesetzes einfügen lassen. Das kung der Vertragsfreiheit in Vergütungsfragen wären hier deutsche Rechtsdienstleistungsgesetz von 2007 (das das zu nennen. Rechtsberatungsgesetz von 1935 abgelöst hat), regelt die umfassende und alleinige Befugnis des Rechtsanwalts zur 10 Zum Folgenden umfassend Kilian, AnwBl 2019, 24, 25ff. Erbringung von Dienstleistungen (§ 1 Abs 2 RDG mit § 3 11 So Kilian, AnwBl 2019, 24, 26. 12 Remmertz, BRAK-Mitt 2017, 55 und 2018, 231. BRAO) vergleichbar dem österreichischen § 8 Abs 2 Satz 1 13 Kleine-Cosack, AnwBl 2019, 6.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 474

Abhandlungen

Kann es sein, dass ein Rechtsdienstleister von diesem manbieter auf nur wenige hochspezialisierte Kanzleien kom- umfassenden Pflichtenprogramm freigestellt ist, nur weil men wird. Es ist dies ein Phänomen, das in der Vergangenheit er seine Dienstleistungen in bestimmten technischen For- bereits bei Vertragsanwälten von Rechtsschutzversicherern men anbietet? Der Gesetzgeber wird diese Frage lösen müs- zu beobachten war. Umgekehrt muss man festhalten, dass sen, unabhängig davon, ob wir den künftigen Legal Tech- Rechtsanwälte in Premiumsegmenten, die Kartellrecht, Wett- Anbieter ohne Anwaltszulassung unter § 10 RDG bzw § 8 bewerbsrecht, M&A-Verfahren, Gesellschaftsrecht und Ähn- RAO erfassen oder als neuen sozietätsfähigen Beruf in die liches bearbeiten, von der hier diskutierten Entwicklung in Rechtsanwaltssozietäten eingliedern. Würde die Frage un- keiner Weise betroffen sein dürften. geregelt bleiben, so stellte sich freilich umgekehrt das Pro- Letztlich steht hinter vielen Entwicklungen die Zukunfts- blem, ob im Lichte der verfassungsrechtlichen Berufsfrei- frage, ob es denkbar ist, dass das anwaltliche Kerngeschäft heit (Art 12 GG) vom Rechtsanwalt künftig noch die Ein- (und ähnlich die richterliche Tätigkeit) in fernerer Zeit durch haltung eines umfassenden Pflichtenprogramms gefordert einen Roboter ersetzbar sein kann. Dies ist aus heutiger Sicht werden kann, wenn jede nichtanwaltliche Person bei allen eine sehr spekulative Frage. Hier sei diese Frage in Überein- Rechtsdienstleistung mithilfe von Legal Tech davon befreit stimmung mit dem bereits zitierten Wahrnehmungsbericht ist. 2018 klar verneint. Das Expertenwissen des Anwalts, seine Fähigkeit zur Herausarbeitung ungewöhnlicher und vom e) Werden Legal Tech-Angebote Nachteile bringen? Normalfall abweichender Tatbestände, die Fähigkeit, den Damit ergibt sich die abschließende Frage, wie sich die Aus- Richter durch komplexe Subsumtion und Fantasie bei der weitung von Legal Tech-Angeboten im anwaltlichen Tätig- rechtlichen Einordnung zu überzeugen, scheint mir nicht keitsumfeld auf die Anwaltschaft auswirken wird. Un- automatisierbar zu sein. Auch der totale Verlust an Empathie schwer ist die Sorge zu spüren, dass künftig der bisherige ist durch Digitalisierung nicht ersetzbar. Anwaltsmarkt schrumpfen könne. Am Ende eines langen Wegs könnte dann als Schreckgespenst der Anwaltsroboter VIII. ERGEBNIS dem Robot-Judge, dem Roboter-Richter gegenüberstehen. Solchen Horrorszenarien seien folgende Erwägungen ge- Ein Blick in die Vergangenheit hat gezeigt, dass anwaltliche genübergestellt. Zunächst lässt sich schon heute feststellen, Tätigkeit bei der Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen dass gewisse Legal Tech-Angebote den Zugang zum Recht von Anfang an erforderlich und existent war. Anwaltschaft für breite Bevölkerungsschichten verbessern können und und Gerichtspersonal sind die beiden tragenden Säulen des brachliegendes Streitpotential entwickeln helfen. Paradebei- Rechtsstaates. Wird deren Unabhängigkeit beeinträchtigt spiel ist die Durchsetzung von Ansprüchen auf Basis der oder gar ausgehöhlt, wie wir dies zu unserem Entsetzen EU-Fluggastrechteverordnung durch Internetportale. Hier heute in manchen Regionen und selbst innerhalb der EU werden Summen zwischen € 250,– und € 600,– realisiert, beobachten, so muss der Rechtsstaat Schaden nehmen. die bisher bei der Anwaltschaft kein nennenswertes Interesse Ein Blick in die Gegenwart anwaltlicher Entwicklungen hervorgerufen haben. Der Marktführer in dieser Branche hat macht deutlich, dass nach dem Kampf um freie Advokatur nach eigenem Bekunden bereits 200 Mio Euro realisiert. Ein und der Professionalisierung der Anwaltschaft im 19. Jahr- weiteres Beispiel sind sozialrechtliche Ansprüche von (in hundert die Entwicklung im 20. Jahrhundert bis zum heuti- Deutschland sog) Hartz-IV-Empfängern, wo durch Legal gen Tag durch eine Spezialisierung und Funktionserweite- Tech-basierte Angebote nach Berichten manchmal Zugangs- rung geprägt ist. In Deutschland kommt diese Spezialisierung hürden beseitigt werden. Umgekehrt wird aber berichtet, dass heute sehr stark durch die Fachanwaltsbezeichnungen zum das anwaltliche Geschäft von Verkehrsrechtsspezialisten in Ausdruck. Gab es bis zum Jahre 1986 in Deutschland nur ei- Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen überhöhter Geschwin- nen Fachanwalt, den Fachanwalt für Steuerrecht, so kennen digkeit zurückgeht, seit es ein Internetportal gibt, das solche wir heute 24 Fachanwaltsbezeichnungen. Die Palette reicht Bußgeldbescheide überprüft. Eine für Rechtsanwälte sicher- vom klassischen Fachanwalt für Familienrecht, Strafrecht, lich positive Anreizwirkung entsteht aber überall dort, wo Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht und Steuerrecht sich neuerdings Massenverfahren im Verbraucherschutzbe- bis hin zum Fachanwalt für Agrarrecht, IT-Recht, Insolvenz- reich und in Produkthaftungsfällen entwickeln. Denn es gilt recht, Versicherungsrecht, Medizinrecht, Migrationsrecht zu bedenken, dass in allen Massenverfahren auch ein nicht und zum soeben geschaffenen Fachanwalt für Sportrecht. unerheblicher Prozentsatz als echte Streitverfahren vor Ge- Diese Spezialisierung gibt dem Mandanten die Chance, sich richt geht. Hier gelangen über die Einschaltung von Vertrags- für seinen konkreten Fall einen Experten zu suchen. Sie gibt und Partneranwälten eine erhebliche Zahl von Mandaten an dem Richter die Chance, durch hochqualifizierte Schriftsätze die Anwaltschaft zurück, die ohne Legal Tech-Portale wohl den Prozess exzellent vorbereitet zu wissen. kaum der Anwaltschaft zugeflossen wären. Problematisch Beim Blick in die Zukunft tun sich vielfältige neue Auf- könnte es demgegenüber sein, dass sich Mandatsverschiebun- gaben und Problemfelder auf. Auf künftige Legal Tech An- gen innerhalb der Anwaltschaft ergeben werden. Denn es liegt gebote wird sich die Anwaltschaft einrichten müssen. Aber nahe, dass es zu einer gewissen Kanalisierung durch Plattfor- auch der Gesetzgeber dürfte hierzu gefordert sein.

Hanns Prütting Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 475

Abhandlungen

Leistbarer Zugang zum Recht1

Speziell in jüngerer Zeit werden im rechtswissenschaftlichen Schrifttum, aber auch in der Tagespresse wieder gehäuft finanzielle Hürden für die Rechtsdurchsetzung problematisiert. Der vorliegende Beitrag, der auf einen Vortrag im Rahmen der Gründungsfeier des Instituts für Anwaltsrecht an der JKU Linz zurückgeht, analysiert verschiedene dieser Hürden und Instrumente zu ihrer Überwindung.

I. EINLEITUNG den letzten 50 Jahren (zwischen 1967 und 2017) ist die ös- ANDREAS GEROLDINGER terreichische Bevölkerung um 19% gewachsen, von circa Die Wendung „Zugang zum Recht“ ist vielschichtig.2 So Der Autor ist Universi- 7,38 auf etwa 8,80 Mio Einwohner.14 Im selben Zeitraum tätsprofessor und Vor- lässt sich fragen, ob das Recht, die Gesetze, für den Durch- ist die Zahl der in Österreich tätigen Rechtsanwälte um stand des Instituts für schnittsbürger „zugänglich“, im Sinne von verständlich, Anwaltsrecht an der JKU knapp 300% angestiegen, von 2.114 im Jahr 1967 auf Linz. 3 „ sind. Es kann aber auch um die Volksweisheit Recht ha- 6.238 im Jahr 2017. Mussten sich einst circa 3.400 Einwoh- “ 2019/196 ben heißt nicht, Recht bekommen gehen; der schönste ner einen Anwalt teilen, sind es heute nur noch etwa 1.400. Vertragstext ist das Papier nicht wert, wenn daraus resultie- Der stärkste Zuwachs ist in den letzten 20 Jahren zu ver- rende Rechte im Streitfall nicht durchgesetzt werden kön- zeichnen.15 4 nen. Im Rechtsstaat sind solche Streitigkeiten vor den Zi- Heinrich Heine nannte die Advokaten einst „die Braten- 5 vilgerichten auszutragen (§§ 19, 344 ABGB). Gerichtsver- wender der Gesetze, die so lange die Gesetze wenden und fahren brauchen aber Zeit, verursachen Kosten, bedeuten anwenden, bis ein Braten für sie dabei abfällt“.16 Hätte der zum Teil eine emotionale Belastung. Dies sind nur einige große Dichter recht, so müsste die Zahl der Rechtsstreite wenige mögliche Faktoren dafür, warum manche ihre Rech- und damit der Gerichtsverfahren speziell in den letzten te letztlich nicht geltend machen. Diese Faktoren werden 20 Jahren geradezu explodiert sein. Freilich: Das Gegenteil „ “ ebenfalls unter der Überschrift Zugang zum Recht disku- ist der Fall. In allgemeinen Zivilsachen ist über die letzten 6 tiert. zwei Dekaden ein drastischer Rückgang der Anfallszahlen Auf einen weiteren, und dabei den hier im Mittelpunkt bei Gericht festzustellen. So stehen 830.000 neuen Prozes- stehenden, Faktor hat bspw der Präsident des Österreichi- sen im Jahr 1997 nur noch circa 440.000 im Jahr 2017 ge- schen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), Rupert Wolff, in einem Zeitungsinterview im Jahr 2012 hingewiesen: Ein leistbarer Zugang zum Recht ist Grundvoraussetzung eines funktionierenden Staates.7 2013 diskutierte der Österreichi- 1 Überarbeitete Antrittsvorlesung vom 31. 1. 2019 an der Johannes Kepler Universität Linz, die ich im Rahmen der Feier zur Gründung des Instituts für sche Juristentag bei einer Sonderveranstaltung über den Anwaltsrecht gehalten habe. Hervorhebungen in Zitaten stammen, sofern „ “ nicht gegenteilig ausgewiesen, von mir. Alle zitierten Internetquellen waren Zugang zum Recht , insb dessen finanzielle Rahmenbedin- am 15. 5. 2019 aktuell. Personenbezeichnungen meinen Frauen und Männer gungen.8 Ebenso spricht das letzte Regierungsprogramm gleichermaßen. 2 Siehe nur Kathrein, Grußworte, in Österreichischer Juristentag, Zugang den „leistbare[n] Zugang“ zum Recht an.9 Zwar wusste auch zum Recht (2013) 8f; ferner Drexel, Der Zugang zum Recht (2016) 1ff. 3 Siehe dazu (mit zahlreichen Nachweisen) Geroldinger, Der mutwillige schon Franz Klein um die Bedeutung der Kosten der Pro- Rechtsstreit (2017) 749ff. zessführung für den Zugang zum Recht;10 speziell in jünge- 4 Siehe dazu (anstelle vieler) Zeiller, Commentar über das allgemeine bür- gerliche Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der oesterrei- rer Zeit werden aber wieder gehäuft finanzielle Hürden für chischen Monarchie I (1811) 110 („Ein Recht, das nicht durchgesetzt werden die Rechtsdurchsetzung problematisiert. Das gilt nicht nur kann, wäre kein Recht, keine rechtliche Freyheit“). 5 Ausführlich dazu Geroldinger, Rechtsstreit 13ff. für Österreich. Im Jahr 2016 fasste eine Menschenrechtsor- 6 Siehe bspw die Beiträge im Sammelband ÖJT, Zugang 1ff. 7 Kleine Zeitung 22. 9. 2012, Wolff kritisiert „dornigen Zugang zum Recht“. ganisationdieLageinderSchweizwiefolgtzusammen: 8 Siehe etwa Oberhammer, Zugang zum Recht – aus zivilrechtlicher Sicht, in „Der Zugang zur Justiz ist nur für Reiche gewährleistet“.11 ÖJT, Zugang 24 (24ff). 9 „Zusammen. Für Österreich.“–Regierungsprogramm 2017–2022, 42 (ab- Nach einer deutschen Studie aus dem Jahr 2014 sieht die rufbar unter www.bundeskanzleramt.gv.at/regierungsdokumente). Am „ 19. 5. 2019 – unmittelbar nach Verstellung dieses Manuskripts – haben der [ü]berwiegende Mehrheit der Bürger [. . .] keine Chancen- Bundespräsident und der Bundeskanzler als Folge der „Ibiza-Affäre“ Neu- gleichheit beim Zugang zum Recht“.12 Das sind verheerende wahlen angekündigt. 10 Siehe dazu die Nachweise bei Oberhammer, Apropos „Zugang zum Zeugnisse für Rechtsstaaten, in denen nicht das Recht des Recht“: Bewertung des Klagebegehrens, Prozesskosten und Rechtsschutzver- Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts herrschen soll.13 sicherung, in FS 100 Jahre ZPO (1998) 163 (163). 11 Humanrights.ch 13. 9. 2016, Der Zugang zur Justiz ist nur für Reiche ge- währleistet (abrufbar unter www.humanrights.ch/). 12 Roland Rechtsreport 2014, 24ff; s auch Roland Rechtsreport 2018, 15 II. RÜCKGANG DER ANFALLSZAHLEN („Die Gleichbehandlung vor Gericht wird vor allem von Personen mit Pro- BEI GERICHT zesserfahrung angezweifelt“). Die Reihe „Roland Rechtsreport“ ist abrufbar unter https://www.roland-rechtsschutz.de/unternehmen/presse_2/publika- tionen/publikationen.html. 1. Zahlen der letzten 50 Jahre 13 Angelehnt an ein Zitat von Angela Merkel in Kleine Zeitung 12. 6. 2016, Merkel mahnt in China zu mehr Rechtsstaatlichkeit; vgl auch Der Standard 15. 11. 2009, Holzinger: Misstrauen gegen Justiz alarmierend. Doch warum ist dieses Thema gerade in den letzten Jahren 14 Statistik Austria, Statistik des Bevölkerungsstandes (2018). wieder besonders aktuell? Darauf bietet ein Blick auf ver- 15 ÖRAK, Tätigkeitsbericht 2018 (2018) 58. 16 Heine, Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski, in Kaufmann schiedene faktische Entwicklungen erste Antworten. In (Hrsg), Heinrich Heine – Werke und Briefe in zehn Bänden I2 (1972) 57.

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 476

Abhandlungen

genüber. Das ist ein Rückgang um etwa 47% binnen 20 Jah- wird zB ein geschlossener Vertrag umgehend storniert, ren.17 wenn der Online-Zahlungsvorgang nicht aufs erste Mal Allerdings sind nicht alle Teilbereiche der Zivilge- funktioniert.30 Beim zweiten Anlauf ist das gewünschte Ho- richtsbarkeit im gleichen Maße betroffen, in manchen ist telzimmer, der in Aussicht genommene Flug etc vielleicht sogar eine signifikant abweichende Entwicklung festzustel- schon an einen anderen Interessenten vergeben. Diese um- len:18 Die Zahl der Sozialrechtssachen bspw ist über densel- gehende Stornierung passt nicht zum österreichischen Zi- ben Vergleichszeitraum gestiegen (von 25.488 im Jahr 1997 vilrecht, das als zentrale Wertung eine Nachholmöglichkeit auf 30.569 im Jahr 2017). In Arbeitsrechtssachen ist zwar binnen angemessener Frist vorsieht (§ 918 ABGB; vgl auch ein deutlicher, aber doch nicht an die Werte in allgemeinen § 932 Abs 2, § 933a Abs 2 ABGB). Kunden nehmen derar- Zivilsachen heranreichender Rückgang festzustellen (von tige Begrenzungen aber offenbar hin – nein, noch mehr: Die 21.471 im Jahr 1997 auf 15.232 im Jahr 2017) – obwohl Kunden nehmen diese Vorgehensweise als verbindlich an. die österreichische Wirtschaft Rekordstände bei den Ar- Auf die Idee, dass ein ausdifferenziertes Leistungsstörungs- beitsverhältnissen verzeichnet.19 recht besteht, das zulasten von Verbrauchern auch nur ein- In Deutschland ist man mit einem vergleichbaren Phä- geschränkt vertraglich modifiziert werden kann, kommen nomen konfrontiert:20 Die Zahl der Anwälte wächst (von viele Rechtsunkundige erst gar nicht. Und selbst wenn, 85.105 im Jahr 1997 auf 163.436 im Jahr 2017),21 jene der dann ist vielen der Aufwand, der mit einem Rechtsstreit Zivilprozesse nimmt deutlich ab.22 verbunden wäre, zu groß. Als Folge werden ganze Lebens- bereiche und Handelssegmente faktisch von Regeln domi- 2. Eindeutige Ursachen, niert, die mit dem Gesetz nicht übereinstimmen. Zahlreiche auszuschließende Faktoren Kunden wagen es auch nicht, gegen die Unternehmen auf- zubegehren, weil sie fürchten, von einer wichtigen Bezugs- Sind diese stark rückläufigen Anfallszahlen bei Gericht auf quelle abgeschnitten zu werden. So ist etwa bekannt, dass (finanzielle) Hürden beim Zugang zum Recht zurückzu- Amazon wiederholt „lästige Kunden“ – solche, die von ih- führen? Die genauen Gründe für diese Entwicklungen ren Rechten Gebrauch gemacht haben – schlicht kündigt.31 sind sowohl in Österreich als auch in Deutschland noch Die Vorstellung, ohne „Amazon prime“ und dergleichen le- weitgehend unbekannt.23 Der ÖRAK hat sich in seinem ben zu müssen, erschüttert offenkundig viele Kunden bis jüngsten Tätigkeitsbericht dazu bekannt, gemeinsam mit ins Mark und lässt sie vieles erdulden.32 den Gerichten und dem zuständigen Ministerium den Ur- Das Zivilrecht kann noch so ausdifferenzierte Regeln sachen dafür nachzugehen.24 In Deutschland bringt sich vorsehen, sie müssen auch gelebt werden. Und Recht wird auch die Wissenschaft bereits in die entsprechende Dis- kussion ein. Bislang weiß man allerdings wenig mehr, 17 Zahlen nach dem BIS-Justiz (für die Übermittlung der relevanten Daten – 25 danke ich OStA Dr. Thomas Gottwald); vgl auch die nicht völlig deckungs- als dass der Rückgang multikausal ist. Allein mit demo- gleichen – Zahlen in den jeweiligen Statistischen Jahrbüchern der Statistik graphischen Entwicklungen und ökonomischen Faktoren Austria, zB Statistik Austria, Statistisches Jahrbuch 2018 (2018) 464f (Daten aus den Jahren 2015 und 2016). lassen sich die Zahlen nicht eindeutig erklären.26 Einige 18 Siehe FN 17; ferner Fuchs, Warum gibt es immer weniger streitige Zivil- verfahren? Rechtssoziologische Thesen zum Klagerückgang in Österreich der Gründe liegen auf der Hand, einzelne lassen sich aus- und Deutschland, in Ganner/Voithofer (Hrsg), Innsbrucker Beiträge zur schließen. Rechtstatsachenforschung (in Druck; anhand der Fahnen zitiert) 1 (22). 19 WKO, Österreichs Arbeitsmarkt im Überblick (2019; abrufbar unter Der Rückgang ist gewiss nicht darauf zurückzuführen, https://www.wko.at/service/zahlen-daten-fakten/daten-arbeitsmarkt-er- dass wir aus einem dunklen streitsüchtigen Zeitalter in ein werbstaetigkeit-ueberblick.html). 20 Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 2; Nicolai/Wölber, solches der Vernunft und Harmonie übergewechselt wä- Zukunftsoffene und verbraucherfreundliche Justiz, ZRP 2018, 229 (229). 21 Kilian/Dreske (Hrsg), Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft 2017/2018 ren. Das lässt sich zwar schwer mit Studien, aber relativ (2018) 26f. leicht mit einem Blick in Tageszeitungen belegen. 22 Kilian/Dreske, Statistisches Jahrbuch 2017/2018, 303ff; Statistisches Bun- desamt (Destatis), Erledigte erstinstanzliche Verfahren an den ordentlichen Manche Ursachen leuchten umgehend ein und sind Gerichten (2019; abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/ auch unbedenklich: Besonders stark sinkt die Zahl der Justiz-Rechtspflege/Tabellen/erledigt-erstinstanzlich.html). 23 Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 11f. Klagen auf Kaufpreiszahlung bzw Lieferung aus Kaufver- 24 ÖRAK, Tätigkeitsbericht 2018 (2018) 17. 25 27 Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 12; Nicolai/Wölber, trägen. Bedenkt man den grundlegenden Wandel des ZRP 2018, 229; Prütting, Rückgang der Klageeingangszahlen bei den staat- Konsumverhaltens, verwundert das nicht weiter. Ein be- lichen Gerichten, DRiZ 2018, 62 (65); Wolf, Die Schlüssel zu einem effizien- ten Zivilprozessrecht, ZRP 2018, 183 (185). trächtlicher Teil des Handels erfolgt über das Internet un- 26 Prütting, DRiZ 2018, 62; vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsa- chenforschung 3ff. ter Vorauskasse (zB Kreditkarte, Online-Zahldienste). 27 Zu Deutschland Nicolai/Wölber, ZRP 2018, 229; Wolf, ZRP 2018, 185; vgl Tausende Klagen der Händler auf Zahlung erübrigen sich auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 18. 28 Wolf, ZRP 2018, 185. damit.28 29 Fries, PayPal Law und Legal Tech – Was macht die Digitalisierung mit dem Privatrecht? NJW 2016, 2860 (2861). Der verbreitete Online-Handel trägt allerdings auch auf 30 Siehe die Beispiele bei Fries, NJW 2016, 2861 FN 17. andere – und dabei keineswegs so harmlose – Weise zum 31 Siehe nur Ackermann 8. 8. 2013, Amazon schließt Konten unliebsamer Kunden (abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/amazon- Absinken der Streitfälle vor Gericht bei: Von verschiedenen kunden-konten-sperren-widerrufsrecht/); Stern 7. 5. 2016, So schnell sperrt Bestellplattformen gelebte Mechanismen genießen eine ho- Amazon Kunden: Es kann jeden treffen. 32 Vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 3 („stum- he faktische Autorität.29 Bei manchen Online-Anbietern mer Zwang“).

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 477

Abhandlungen

in unserer Tradition ganz wesentlich von den staatlichen • die Betroffenen nur deshalb von der Rechtsverfolgung ab- Gerichten geprägt.33 Die Entscheidungen des OGH werden sehen, weil ihnen die Rechtsordnung keine adäquaten veröffentlicht, von der Wissenschaft analysiert und syste- Rechtsschutzmechanismen zur Verfügung stellt. matisiert. Auf diese Weise verdichten sich die abstrakten Normen des Zivilrechts zu einem Regelgeflecht, das für b) Rechtstatsachenforschung künftige Fälle Rechtssicherheit vermittelt.34 Gehen ganze Zur Frage, wo die Hemmschwelle der meisten Menschen Lebensbereiche an der Justiz vorbei, geht auch eine wichtige für die Rechtsverfolgung liegt, fehlen für Österreich belast- Komponente unserer Rechtskultur verloren.35 bare Daten.44 In Deutschland wurden bereits größer ange- Prütting hat jüngst auf einen weiteren und bislang ver- legte Studien durchgeführt. Dabei wurde unter anderem nachlässigten Faktor für den Rückgang der Zivilprozesse folgende Frage gestellt: „Einmal angenommen, Sie streiten hingewiesen:36 die verstärkte Streitverhütung durch mit jemandem um einen finanziellen Schaden, zum Beispiel Rechtsanwälte. Der Anwalt sät nicht Zwist, um Prozess- weil Ihnen jemand Geld schuldet oder weil es einen Unfall mandate zu bekommen, er beherrscht „die Kunst, Prozesse gab: Ab welchem Betrag, um den gestritten wird, würden zu verhüten“.37 Es spricht viel dafür, dass die hohe Anwalts- Sie vermutlich vor Gericht ziehen, bei welcher Summe un- dichte ein wirkungsvoller Faktor für die sinkenden Fallzah- gefähr?“ Im Durchschnitt lag die Hemmschwelle bei knapp len ist. € 2.000,–.45 Dieser doch nicht zu vernachlässigende Betrag Rückläufige Anfallzahlen bei Gerichten sind außerdem ist allerdings kein „Wohlstandsphänomen“. Denn die nicht per se besorgniserregend. Der Gesetzgeber hat über Werte lagen bei Personen mit niedrigem Einkommen ganz Jahrzehnte mit zahlreichen Reformen der Überlastung ähnlich wie bei Personen mit hohem Einkommen.46 Auch der Gerichte gegengesteuert;38 mit dem Rückgang der An- der internationale Vergleich im Rahmen einer Studie der fallzahlen39 erntet er heute zum Teil also nur die Früchte Europäischen Kommission legt nahe, dass die Hemm- dieser Bemühungen. schwelle nicht so sehr durch das Wohlstandsniveau geprägt wird.47 Vielmehr dürfte die Neigung für den Gang zu Ge- 3. Kosten der Rechtsverfolgung richt auch wesentlich von Kultur und Mentalität sowie vom 48 als Ursache Vertrauen in die Gerichtsbarkeit geprägt sein. In einer weiteren deutschen Studie wurde außerdem a) „Rationales Desinteresse“ nach dem Verhältnis von Forderung und Kosten gefragt:49 „ Ein weiterer Faktor sind zweifellos die Kosten der Rechts- Wenn die Kosten höher sind als die Forderung, würden “ verfolgung, also die Frage nach dem leistbaren Zugang zum Sie dennoch klagen oder er auf die Klage verzichten? Recht. Hohe Kosten – absolut gesehen oder im Vergleich Knapp die Hälfte entschied sich für den Verzicht.50 Dabei zur durchzusetzenden Forderung – schrecken von der 33 Der Standard 3. 7. 2011, VfGH-Präsident: Vertrauensverlust ist „Katastro- Rechtsverfolgung ab. Das Verhältnis von Rechtsverfol- phe für Rechtsstaat“. gungskosten und möglichem Nutzen wird vor allem bei 34 So treffend Zimmermann, Juristische Bücher des Jahres – Eine Leseemp- fehlung, NJW 2018, 2999 (3001). sog Streuschäden virulent.40 Davon spricht man, wenn 35 In diesem Sinne auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenfor- schung 2f; Zimmermann, NJW 2018, 3001. bei einzelnen Geschädigten lediglich ein so geringer Scha- 36 Prütting, DRiZ 2018, 65; vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsa- den eintritt, dass die Betroffenen kaum ein Interesse an der chenforschung 8. 37 Schackow, Die Kunst, Prozesse zu verhüten, dAnwBl 1967, 258 (258ff). Durchsetzung ihrer Rechte haben. Dies wird auch mit den 38 Siehe Rechberger, Zur Entwicklung des Zivilverfahrensrechts in Österreich Wendungen „rationales Desinteresse“41 oder „rationale in den letzten 50 Jahren, in FS 50 Jahre Oberösterreichische Juristische Ge- sellschaft (2010) 54 (62ff); Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 (2017) Apathie“42 umschrieben. Ein Beispiel dafür aus jüngster Rz 2ff. 39 Siehe Pkt II.1. Zeit betrifft etwa die GIS-Gebühren, also die Gebühren 40 Zur Problematik s (anstelle vieler) Fidler, Private Enforcement – Rechts- für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese wurden theorie und Rechtswirklichkeit im Wettbewerbs- und Kapitalmarktrecht, JBl 2018, 152 (163f); Kodek, Kollektiver Rechtsschutz in Europa – Diskussions- den Gebührenzahlern mit Umsatzsteuer verrechnet, was stand und Perspektiven, in FS Nowotny (2015) 127 (147ff), je mwN. aber womöglich gegen unionsrechtliche Vorgaben verstößt. 41 Siehe die Nachweise in FN 38; ferner Bruns, Instrumentalisierung des Zi- vilprozesses im Kollektivinteresse durch Gruppenklagen? NJW 2018, 2753 Für jeden einzelnen Gebührenzahler geht es hier um etwa (2755); Nicolai/Wölber, ZRP 2018, 229. 42 – € – 43 So etwa Klever/Schwamberger, Kollektiver Rechtsschutz in Europa quo 20, pro Jahr. Wer deswegen vor Gericht zieht, für den vadis? GVRZ 2019, 4 (Rz 1, 8); Schweizerische Eidgenossenschaft 2. 3. 2018, stehen wohl nicht so sehr wirtschaftliche Überlegungen im Erläuternder Bericht zur Änderung der Zivilprozessordnung (Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung) 18, 45. Vordergrund. Rechnet man die € 20,– aller Gebühren- 43 Siehe dazu Der Standard 10. 10. 2018, 300 Millionen Euro: Sammelklage gegen zu hohe GIS-Gebühren; Kurier 17. 11. 2018, ORF-Gebühren: Rechts- pflichtigen zusammen, kommt freilich eine beträchtliche streit um Mehrwertsteuer nimmt Fahrt auf. Summe heraus. 44 Vgl auch Fuchs in Ganner/Voithofer, Rechtstatsachenforschung 2ff. 45 Roland Rechtsreport 2014, 8, 36. Natürlich steht es jedem frei, sich gegen die Verfolgung 46 Roland Rechtsreport 2014, 37. 47 European Commission, Special Eurobarometer 342 – Consumer empo- seiner Ansprüche zu entscheiden. Problematisch wird es werment (2012) 216. dann, wenn 48 Siehe zur Lage in Deutschland etwa Roland Rechtsreport 2018, 11. • 49 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Ergebnis sich die geringfügige Schädigung vieler Einzelner für den einer repräsentativen Forsa-Umfrage im April 2015 mit 1.012 Befragten (ab- Unternehmer – der womöglich auf das rationale Desinte- rufbar unter https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/deutsche-unterschaet- zen-kosten-eines-rechtsstreits-15834). resse vertraut – lohnt oder 50 GDV, Forsa-Umfrage 2015 („Hohe Kosten führen zu Rechtsverlust“).

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 478

Abhandlungen

hat die Studie ferner gezeigt, dass die Befragten eine völlig mente, etwa Fahrzeug- und Lenker-Rechtsschutz, Schaden- falsche Vorstellung davon hatten, was ein Zivilprozess kos- ersatz- und Straf-Rechtsschutz.60 Selbstredend muss die tet und wie Kostenersatz im Prozess funktioniert.51 Fast Versicherung bereits abgeschlossen sein, wenn der Rechts- 78% der Befragten schätzten die Kosten deutlich zu niedrig streit entsteht bzw das ihn auslösende Ereignis eintritt. Ge- ein, lediglich 6% lagen mit ihrer Einschätzung richtig.52 rade in jüngerer Zeit ist, so ein Versicherungsexperte, eine Dass bei geringen Streitwerten schon die Kosten der ersten „härtere Gangart“ der Versicherer festzustellen:61 Die Über- Instanz – selbst bei ganz unproblematischem Prozessverlauf nahme der Kosten durch die Versicherung, die sog De- – leicht den Klagsbetrag überschreiten können,53 löst viel- ckungszusage, muss immer öfter erstritten werden. Die fach zunächst Unverständnis aus. Rechtsschutzversicherung ist also in vielen Bereichen ein wichtiger Baustein für den Zugang zum Recht, allerdings 4. Maßnahmen des ein solcher, den sich der rechtsschutzbedürftige Bürger im Regierungsprogramms Voraus erkaufen muss.62 Eine beträchtliche Zahl an Rechtsuchenden ist für die Wie eingangs erwähnt, nimmt das jüngste Regierungspro- Verfahrenshilfe „zu reich“ und hat keine Deckung durch gramm auf den leistbaren Zugang der Bevölkerung zum eine Rechtsschutzversicherung zu erwarten. Der Anspruch Recht Bezug.54 Als Maßnahmen, die zur Kostensenkung eines Rechtsstaates muss es natürlich sein, dass auch für führen sollen oder könnten, werden insb die Einführung diese Gruppe der Zugang zu Gericht besteht. einer neuen Wirtschaftsgerichtsbarkeit unter dem Primat der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensökonomie sowie die Senkung und Deckelung der Gerichtsgebühren IV. VERBOT VON QUOTA-LITIS- genannt. Das sind zweifellos berechtigte Anliegen, ein gro- VEREINBARUNGEN ßer Wurf ist (bzw war) nicht darunter. Und mit den Ge- Hier könnte die dritte Lösung eingreifen: der Abschluss ei- richtsgebühren ist es in Wahrheit nicht getan. Es braucht ner sog Streitanteilsvereinbarung, auch bekannt als pac- wohl auch eine Diskussion über die anwaltliche Entloh- tum de quota litis. Die Idee dahinter ist bestechend einfach: nung,55 nicht zuletzt den Rechtsanwaltstarif. Schließlich Es geht um die wirtschaftliche Beteiligung am Prozesserfolg. stammen dessen Ansätze und Tarifposten zu einem guten Teil noch aus einer Zeit, in der unter völlig anderen techni- schen Voraussetzungen gearbeitet wurde, in der die Rechts- 1. Rechtsanwalt anwaltschaft auch ganz anders organisiert war als heute.56 Das letzte Regierungsprogramm und die jüngst ange- Anstatt für seine konkret erbrachte Leistung bezahlt zu wer- kündigten Neuwahlen legen nun aber nicht nahe, dass dem- den, könnte der Rechtsanwalt im Falle des Prozesserfolges nächst mit dem Gesetzgeber zu rechnen wäre. Wie kann einen Prozentsatz des erstrittenen Betrags erhalten. Geht man nach geltendem Recht das Kostenrisiko abfedern? Im der Prozess verloren, hätte der Rechtsanwalt kein Honorar Wesentlichen gibt es derzeit drei Lösungen: zu erwarten. Er geht also eine Wette ein. Für den Mandan- ten fällt das Kostenrisiko geringer aus; die Kosten des Ge- III. VERFAHRENSHILFE UND richts und des Gegners müsste er bei Prozessverlust weiter- RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG hin tragen. Rechtsanwälten ist der Abschluss einer Quota-litis-Ver- Zunächst ist die Verfahrenshilfe zu nennen (§§ 63ff ZPO). einbarung jedoch explizit verboten. So steht seit mehr als „ “ Ursprünglich hieß sie Armenrecht , was den zentralen 100 Jahren in § 879 Abs 2 Z 3 ABGB. Die sachliche Recht- Wesenszug noch immer anschaulich zum Ausdruck 57 bringt. Nur derjenige, der sich die Prozessführung tat- 51 GDV, Forsa-Umfrage 2015 („Die meisten haben keine Vorstellung, was sächlich nicht leisten kann, ohne seinen Lebensunterhalt Rechtsbeistand kostet“). 52 GDV, Forsa-Umfrage 2015 („Kostenrisiko ist höher als man glaubt“). zu gefährden, hat Anspruch auf Verfahrenshilfe. Dann wird 53 Siehe dazu auch die Beispiele zur Veranschaulichung des Prozessrisikos bei Drexel, Zugang 136ff. er vorübergehend von Gebühren befreit und erhält einen 54 Siehe FN 9. Verfahrenshilfeanwalt (§ 64 ZPO). Wer aber zB Immobi- 55 Vgl auch schon Oberhammer in FS 100 Jahre ZPO 189f. 56 Siehe dazu Prütting, Entwicklungstendenzen der Anwaltschaft in Vergan- lienvermögen hat, muss dieses vorher veräußern oder belas- genheit, Gegenwart und Zukunft, AnwBl 2019/07-08, 469ff. 57 58 Zur historischen Entwicklung s Geroldinger, Rechtsstreit 69f; Geroldinger/ ten und auf diese Art und Weise den Prozess finanzieren. Kogler, Verfahrenshilfe: Nachzahlung gemäß § 71 ZPO auf Antrag? ÖJZ Die Verfahrenshilfe beseitigt also nur für tatsächlich Ver- 2008, 341 (342ff). 58 Siehe dazu M. Bydlinski in Fasching/Konecny (Hrsg), ZPG II/13 (2014) mögenslose Zugangshürden finanzieller Natur. § 63 ZPO Rz 4 mwN. 59 Konsument 19. 9. 2007, Kfz-Rechtsschutzversicherungen – Nur nach Be- Große praktische Bedeutung hat die Rechtsschutzversi- darf. cherung. Nahezu jeder zweite Österreicher besitzt eine 60 Kronsteiner, Die Rechtsschutzversicherung (2018) 30ff. 61 Hartmann in Konsument 23. 2. 2017, Rechtsschutz-Versicherungen – 59 Polizze, besonders beliebt ist die Kfz-Rechtsschutzversi- Richtiger Schutz im Streitfall (Interview mit Dr. Thomas Hartmann); zur cherung. Wie aber schon dieses Beispiel zeigt, besteht Ver- Interessenlage im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung s Brunner, Die freie Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung (2017) 4ff mwN. sicherungsschutz in aller Regel nur für ganz bestimmte Seg- 62 Siehe dazu Pkt V.

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 479

Abhandlungen

fertigung dieses Verbots ist seit jeher umstritten.63 Das The- griff „Rechtsfreund“ zunächst nur Rechtsanwälte verstan- ma reicht tief in das Verfassungsrecht hinein. Es geht unter den. In weiterer Folge wurde das Verbot auf Notare, Steuer- anderem um das Grundrecht der Erwerbsfreiheit. Indem berater, Buchprüfer und Wirtschaftsprüfer erstreckt. Eine dem Rechtsanwalt verboten wird, das Honorar in Form ei- Ausdehnung auf andere Berufe, die keinen vergleichbaren ner quota litis zu vereinbaren, wird ohne Zweifel in sein Standesregeln unterliegen, wurde abgelehnt.74 Grundrecht eingegriffen. Das bedarf einer sachlichen 2008 hat der VfGH das Verbot der quota litis unter die Rechtfertigung.64 Lupe genommen. Er hat es für verfassungsrechtlich unbe- In Österreich stimmen die Höchstgerichte darin überein, denklich erklärt. Vor allem der Schutz des Mandanten dass diese Rechtfertigung vor allem im Mandantenschutz rechtfertige die Beschränkung der Erwerbsfreiheit. Außer- zu finden ist:65 Der typische Mandant ist juristischer Laie dem gelte es nur für Berufsgruppen, die einem besonderen und kann die Erfolgsaussichten einer Klage kaum abschät- Standesrecht unterliegen.75 Auf die schwierige Abgren- zen. Der Anwalt könnte nun verleitet sein, trotz guter Er- zung76 der als zulässig angesehenen „bloßen“ Erfolgshono- folgsaussichten dem Mandanten einzureden, dass ein hohes rare und Quota-litis-Vereinbarungen ging der VfGH nicht Risiko bestehe und die Sache sehr aufwändig sei. So könnte näher ein. der Anwalt den Mandanten davon überzeugen, dass er die- ses Risiko und diesen Aufwand nur bei einer hohen Erfolgs- beteiligung übernehmen könne. Ein solcher Anwalt ließe 2. Prozessfinanzierer sich also unter Vorgaukelung eines großen Risikos eine ho- a) Allgemein zur Prozessfinanzierung he Quote am fast sicheren Prozesserfolg versprechen.66 Der Mit Rechtsanwälten kann also keine Quota-litis-Vereinba- rechtsunkundige Mandant wird das kaum je überprüfen, rung geschlossen werden. Dieses Ergebnis galt spätestens ab denn die wenigsten suchen mehrere Rechtsanwälte auf dem VfGH-Erkenntnis aus dem Jahr 2008 als weitgehend und vergleichen Angebote. „einzementiert“. Das Potenzial einer erfolgsbasierten Honorierung sollte Offenkundig gibt es aber Bedarf nach einer Abwälzung nicht unterschätzt werden: In einem Fall aus 2007 hätte die des Kostenrisikos. Und so hat sich ein neues Geschäftsfeld Erfolgsvereinbarung ein Honorar von knapp 2,8 Mio Euro aufgetan: Seit circa 20 Jahren treten sog Prozessfinanzierer für den Rechtsanwalt ergeben, eine Abrechnung nach zu am österreichischen Markt auf.77 Sie sind weder Parteien honorierenden Leistungen hätte gute € 100.000,– einge- der von ihnen finanzierten Prozesse noch treten sie als bracht.67 Bei einer derartigen Entlohnungsstruktur kann Rechtsvertreter auf. Es handelt sich um Dritte, die sich auf das eigene wirtschaftliche Interesse des Anwalts am Aus- die Übernahme des Kostenrisikos von Gerichtsprozessen gang der Causa überhandnehmen – ja sogar Anreize schaf- spezialisiert haben.78 Der Prozessfinanzierer übernimmt fen, den Erfolg „um jeden Preis“ anzustreben.68 die Vorfinanzierung eines Rechtsstreits und lässt sich für Es gibt aber auch noch ein weiteres Argument, das zur den Erfolg einen gewissen Prozentsatz des Erstrittenen ver- Rechtfertigung des Verbots der quota litis herangezogen wird:69 der Schutz des Ansehens und der Ehre des Rechts- anwaltsstandes. Das klingt wenig modern und gerät gerade in jüngerer Zeit immer mehr in den Hintergrund der Dis- 63 70 – Siehe dazu Pilshofer, Grundlagen und Grenzen freier Honorarvereinba- kussion. Nach meiner Überzeugung hat dieser Aspekt rungen im Anwaltsberuf (2011) 111ff; Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht der nicht zuletzt für die Frage von Bedeutung sein kann, I15 (2018) Rz 554; Wilhelm, Quota litis quo vadis? ecolex 2007, 489 (489). Explizit für die Aufhebung des Verbots etwa Graf in Kletečka/Schauer (Hrsg), ob die aus § 879 Abs 2 Z 3 ABGB resultierende Nichtigkeit ABGB-ON1.04 (2017) § 879 Rz 250ff. absolut oder doch nur relativ wirkt71 – bis heute aber Be- 64 Zu Grundrechtseingriffen und Grundrechtsschranken s (anstelle vieler) Berka, Verfassungsrecht7 (2018) Rz 1277ff. rechtigung: Bei einer Quota-litis-Vereinbarung kommt es 65 RIS-Justiz RS0111489. 66 BVerfG 1 BvR 2576/04 BVerfGE 117, 163 (Rz 67). für die Entlohnung des Rechtsanwalts nicht mehr auf die 67 OGH 7 Ob 8/06m AnwBl 2007, 118 (hier handelte es sich nicht um eine geleistete Arbeit, sondern nur auf den Prozesserfolg an. Quota-litis-Vereinbarung, sondern ein Erfolgshonorar). 68 BVerfG 1 BvR 2576/04 BVerfGE 117, 163 (Rz 66). Durch diese Entkopplung wird – wie es der OGH im Jahr 69 OGH 6 Ob 311/66 SZ 39/160; RIS-Justiz RS0038729. –„ 70 Vgl Oberhammer, Sammelklage, quota litis und Prozessfinanzierung, eco- 1903 formulierte die wissenschaftliche Arbeit des Advo- lex 2011, 972 (974: Schutz der Standesehre „nur mittelbar und im Ergebnis caten [. . .] zum Spiel, zu einer Wette herabgesetzt“.72 Au- verfolgt“); s aber Thiele, Anwaltskosten3 (2011) § 2 RATG Rz 17. 71 Siehe dazu etwa Oberhammer, ecolex 2011, 974 (relative Nichtigkeit). ßerdem meinte der OGH damals: Quota-litis-Vereinbarun- 72 OGH 10.228 GZ 1903, 225; s auch Pilshofer, Grundlagen 43. „ 73 OGH 10.228 GZ 1903, 225; s auch Pilshofer, Grundlagen 241. gen könne nur ein Advokat schließen, dem es seine Mittel 74 OGH 7 Ob 8/06m AnwBl 2007, 118; RIS-Justiz RS0016813; RS0016814; s erlauben, im Falle des Nichterfolges auf jedes Honorar zu aber FN 80. 75 VfGH B 330/07 AnwBl 2009, 28 (Klingsbigl) = ÖZW 2009, 45 (Rohregger). verzichten“. Dadurch würden weniger wohlhabende Stan- 76 Siehe dazu etwa Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 252; – deskollegen vom Markt verdrängt, das sei „eine den Advo- Pilshofer, Das rein erfolgsabhängige Honorar zulässige Form anwaltlicher Entlohnung? AnwBl 2011, 177 (178ff), je mwN. catenstand schädigende illoyale Concurrenz gegenüber den 77 Siehe dazu (als eine der ersten ausführlicheren Untersuchungen zu der “ 73 Thematik) E. Wagner, Rechtsprobleme der Fremdfinanzierung von Prozes- Berufscollegen . sen, JBl 2001, 416. Eine Standesehre hat freilich nur zu schützen, wer auch 78 Allgemein zur Zulässigkeit der Beiziehung von Prozessfinanzierern s etwa OGH 6 Ob 224/12b RdW 2013, 268; zur Einordnung des Prozessfinanzie- einem Standesrecht unterliegt. Die Rsp hat unter dem Be- rungsvertrags s Wagner, JBl 2001, 418ff.

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 480

Abhandlungen

sprechen. Dabei reicht die Bandbreite von 15–50%,79 30% von der Mietersparnis in der Zukunft (bis zu drei Jahre).86 sind nach einer Markterhebung in Deutschland bei Forde- So mancher Mieter, der das Kleingedruckte nicht gelesen rungen bis zu € 500.000,– geradezu marktüblich.80 Im Ver- hat, hat hier schon eine Überraschung erlebt.87 lustfall übernimmt der Prozessfinanzierer das volle Verlust- c) Spielerschützer risiko, also nicht nur das Honorar des Anwalts der unter- Mit solchen Klauseln im Kleingedruckten begeben sich die- stützten Partei, sondern etwa auch den Kostenersatzan- se „Mieterschützer“ auf rechtlich dünnes Eis. Freilich ist spruch des Gegners und die Gerichtsgebühren. Damit ist ihr ganzes Geschäftsmodell eine Gratwanderung. Denn so- die Entlastung für die Partei eine noch größere als sie es bald sie rechtsberatende Aufgaben und die Vertretung der bei Abschluss einer Quota-litis-Vereinbarung mit einem Rechtsschutzsuchenden übernehmen, greifen sie in jenes Rechtsanwalt wäre. Nach hA gilt das Verbot der quota litis Geschäftsfeld ein, das von Gesetzes wegen den Rechtsan- für Prozessfinanzierer nicht, denn sie sind keine „Rechts- wälten vorbehalten ist.88 freunde“ iSd § 879 ABGB und unterliegen auch keinem Übertrieben hat es vor kurzem ein selbsternannter Standesrecht.81 „Spielerschützer“. Auf seiner Website www.automaten- Diese Form der Prozessfinanzierung ist eine tragende klage.at machte er folgendes Angebot: „Haben Sie an Spiel- Säule der sog „österreichischen Sammelklage“ (auch: automaten [. . .] Geld verloren? Fordern Sie jetzt Ihre Spiel- „Sammelklage österreichischer Prägung“). Die Anspruchs- verluste zurück. Wir helfen Ihnen. [. . .] Wir zeigen Ihnen inhaber (zB geschädigte Verbraucher) treten ihre Ansprü- die Möglichkeit, wie Sie auch ohne Geld im Vorhinein zu che an einen klagebefugten Verband (meist VKI oder Ar- investieren Klage einreichen können.“ beiterkammer) oder an einen sonstigen Rechtsträger (Ver- Der Spielerschützer bewarb dann auf seiner Homepage ein, GmbH) zum Inkasso ab und dieser klagt die Ansprüche eine umfassende Betreuung und verlangte eine Erfolgsbetei- im eigenen Namen und unterstützt durch einen Prozessfi- ligung von 33%. Er rühmte sich auch damit, dass „von ihm nanzierer ein. Diese Causen zeichnen sich regelmäßig durch vertretene“ Spieler erfolgreich gegen einen Glücksspielkon- eine hohe Zahl von Betroffenen und entsprechend hohe Ge- zern prozessiert hatten. Damit hat er die Rolle des reinen samtvolumina aus.82 Finanzierers verlassen und in das Beratungs- und Vertre- Die wohl bislang größte Sammelklage Österreichs wur- tungsmonopol der Rechtsanwälte eingegriffen. Diese Art de im Oktober 2018 unmittelbar vom Prozessfinanzierer von Tätigkeit wurde ihm von den Gerichten untersagt. Da- AdvoFin initiiert. Es geht um die bereits erwähnten GIS- bei wurde ihm außerdem verboten, Quota-litis-Vereinba- Gebühren. Davon sind theoretisch 3,3 Mio Kunden betrof- rungen abzuschließen.89 fen; AdvoFin spricht von einem Klagsvolumen von mehr als Während die Stattgabe des Unterlassungsbegehrens im 300 Mio Euro.83 Hinblick auf § 8 RAO kaum überrascht, ist die Erstreckung des Verbots von Quota-litis-Vereinbarungen auf den „Spie- b) Mieterschützer lerschützer“ doch bemerkenswert: Schließlich unterliegt er In der Vergangenheit traten die Finanzierer vorrangig bei keinem Standesrecht und er hat auch nicht den Anschein größeren Causen auf. Manche verlangen einen Mindest- erweckt, Rechtsanwalt zu sein. Ob man hier tatsächlich über streitwert von einer Million oder doch zumindest mehreren die Reichweite des Verbots der quota litis reden musste oder Hunderttausend Euro. Gerade in jüngerer Zeit wird das besser nach Reichweite und Verbotszweck des § 8 RAO hät- Modell aber auch im „Kleineren“ gelebt. Zunehmend tau- chen im Internet Vermittlungsportale und Anbieter von 79 Siehe etwa Der Standard 24. 6. 2018, Wenn David gegen Goliath Hilfe Rechtsdienstleistungen auf. braucht (rund ein Drittel); Gangl, Sammelklagen, Prozessfinanzierung und „ quota litis (2013, Diplomarbeit Graz) 43 (10–50%); Wagner, JBl 2001, 416 So treten etwa in Wien eine Reihe von Mieterschüt- (10–50%); zu Deutschland s Deutscher Anwaltverlag, Prozessfinanzierung zern“ auf. Das Geschäftsmodell ist wiederum bestechend Spezial (2013) 3 (Durchschnitt zwischen 20 und 30%). 80 Schmitt in Harbauer (Hrsg), Rechtsschutzversicherung: ARB9 (2018) einfach: Vielen Mietern ist nicht bewusst, dass sie zu hohe Teil A Rz 137. 81 Anstelle vieler Oberhammer, ecolex 2011, 972ff mwN. Mieten bezahlen und dass sie das zu viel Bezahlte zurück- 82 Näher dazu Frauenberger-Pfeiler, Sammelklagen: jüngste Entscheidungen, fordern könnten, oder ihnen ist der Aufwand der Rechts- ecolex 2010, 450; Geroldinger in Fasching/Konecny, ZPG III/13 (2017) § 227 „ “ – „ “ ZPO Rz 39; Kodek, Die Sammelklage nach österreichischem Recht Ein verfolgung zu groß. Anbieter wie Mietenchecker oder neues prozeßrechtliches Institut auf dem Prüfstand, ÖBA 2004, 615; Kodek, „MieteRunter“ versprechen diesbezüglich Hilfe, manche Kollektiver Rechtsschutz in Europa – Diskussionsstand und Perspektiven, in FS Nowotny (2015) 127; Oberhammer, „Österreichische Sammelklage“ und gehen auch sehr offensiv auf potenziell Betroffene zu.84 § 227 ZPO, in Fucik/Konecny/Lovrek/Oberhammer (Hrsg), Jahrbuch Zivil- verfahrensrecht 2010 (2010) 247; Oberhammer, Kollektiver Rechtsschutz Für die Unterstützung bei der Rechtsverfolgung lassen sich bei Anlegerklagen, 19. ÖJT II/1 (2015) 73. die „Mieterschützer“ bspw 30% oder auch 45%85 des Erfol- 83 Futurezone.at 10. 10. 2018, GIS-Gebühren: Sammelklage gegen ORF for- dert 300 Millionen Euro. ges versprechen. Bei schlichter Rechnung sollten, wenn vom 84 Heute.at 7. 10. 2018, Stadt warnt vor Abzocke bei Mietüberprüfung. € – 85 Siehe FN 82. Vermieter bspw 10.000, zurückgefordert werden kön- 86 Siehe FN 82. nen, dem „Mieterschützer“ daher € 3.000,– gebühren. Diese 87 Siehe etwa Der Standard 24. 6. 2018, Wenn David gegen Goliath Hilfe braucht. Rechnung geht aber nicht immer auf. Denn verschiedene 88 Siehe die Unterlassungserklärungen der Miete Runter GmbH und der „Mieterschützer“ wollennichtnur30%vondemBetrag, mietenchecker.at GmbH abrufbar unter https://www.rechtsanwaltsverein. at/uwg-eingriffe.html. den der Vermieter tatsächlich zurückzahlt, sondern auch 89 OGH 4 Ob 14/18i ÖBl-LS 2019/9 (Hinger) = AnwBl 2018, 728.

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 481

Abhandlungen

te fragen sollen, erscheint zweifelhaft, kann hier aber nicht V. RESÜMEE vertieft werden. Genau genommen rüttelt die Entscheidung des 4. Se- Die sinkenden Anfallszahlen bei Gericht haben ganz gewiss nats, vielleicht ohne es zu wollen, an einer Säule der Ent- viele verschiedene Ursachen. Manche sind unbedenklich, scheidung des VfGH zur quota litis.90 Dort ging es ua um manche sogar begrüßenswert. Es liegt aber auch der Ver- die Frage, warum die Prozessfinanzierer im Gegensatz zu dacht nahe, dass die finanziellen Hürden für den Zugang Rechtsanwälten Quota-ltits-Vereinbarungen abschließen zum Recht derzeit in manchen Bereichen zu hoch sind. Eine dürfen. Diesen Vergleich verwarf der VfGH allein mit Option, diese zu überwinden, sind Quota-litis-Vereinba- dem Argument, dass das Verbot der quota litis im Standes- rungen, die nach hA zwar mit Prozessfinanzierern, aber recht wurzle und Prozessfinanzierer keinem Standesrecht nicht mit Rechtsanwälten geschlossen werden können. Auf- unterliegen würden. Dabei schloss sich der VfGH explizit grund der Entscheidung des OGH zu 4 Ob 14/18i sind al- der Judikatur des OGH an. Der 4. Senat hat das Quota-li- lerdings die Chancen, dass der VfGH die Frage der Verfas- tis-Verbot nun aber auf solche Rechtsdiensteanbieter er- sungskonformität des Quota-litis-Verbots neuerlich inhalt- streckt, die eindeutig keinem Standesrecht unterliegen lich prüfen könnte, zumindest gestiegen. und noch nicht einmal so tun als ob. Damit hat sich aber Bei der Finanzierung von Prozesskosten durch private auch eine Prämisse des VfGH-Erkenntnisses geändert. Die Versicherungsgesellschaften oder Prozessfinanzierer han- Chancen, dass der VfGH die Frage der Verfassungskonfor- delt es sich aber letztlich um eine Kompensation von Defi- mität des Quota-litis-Verbots neuerlich inhaltlich prüfen ziten des staatlichen Rechtsschutzsystems durch marktwirt- 99 könnte, sind damit zumindest gestiegen. schaftlich organisierte Akteure. Der Anspruch eines Rechtsstaats, noch dazu in einem reichen Land, muss es sein, allen Bürgern einen wirkungsvollen Rechtsschutz für 3. „Spatz in der Hand“ sämtliche Lebensbereiche zur Verfügung zu stellen.100 Es besteht außerdem der Verdacht, dass sich bestimmte Le- Gerne verwenden Prozessfinanzierer das Bild, dass sie den bensbereiche an der Ziviljustiz vorbeientwickeln könnten. David im Kampf gegen Goliath unterstützen.91 Ganz so Darauf muss reagiert werden. heroisch geht es in der Realität freilich nicht zu.92 Voraus- setzungen dafür, dass ein Prozessfinanzierer das Kosten- risiko übernimmt, sind in aller Regel ein gewisser Min- deststreitwert, eine überwiegende Erfolgswahrscheinlich- keit und eine gute Bonität des Gegners; entsprechend hoch ist die Quote der Ablehnung von Anfragen bei Pro- zessfinanzierern.93 Deren ganzes Geschäftsmodell baut da- bei auf dem Muster auf „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube am Dach“. Wirklich zufrieden kann der Rechtsschutzsuchende, der zur Verfolgung seines Rechts eine Quota-litis-Vereinbarung abschließen muss, nie sein. Wer etwa keine andere Wahl hat, als eine Schadenersatz- forderung unter Beiziehung eines Prozessfinanzierers zu verfolgen, bleibt faktisch auf einem nicht unbeträchtlichen Teil seines Schadens sitzen.94 Das ist natürlich besser als nichts und die Entlastung der Sorge um die Kostenlast bei 90 Siehe FN 71. 91 Siehe FN 79; ferner zB Juve 28. 7. 2015, Prozessfinanzierer: Unterstützung Prozessverlust ist für sich genommen etwas wert. Der fak- bei Sammelklagen; Wiener Zeitung 23. 3. 2017, David gegen Goliath. 92 Bezeichnenderweise spricht Franz Kallinger (AdvonFin) im Interview mit tische Ersatz von 70% der Schadenssumme ist aber auch dem Standard (FN 79) auch vom „Spiel (sic!) David gegen Goliath“. nicht das, was der Geschädigte nach dem Grundkonzept 93 Gangl, Sammelklagen 43; zu Deutschland Budras, Finanziere David gegen Goliath, dAnwBl 2012, 341 (342: 90 bis 95%). des Schadenersatzrechts (§§ 1294, 1323 ABGB inklusive 94 Zur diesbezüglichen Problematik bei der Verfolgung von Ansprüchen der des Kostenersatzrechts nach §§ 41ff ZPO)95 zu erwarten Insolvenzmasse und zur möglichen Pflicht des Insolvenzverwalters, einen Prozessfinanzierer beizuziehen, s Fruhstorfer, Prozessführung bei Massear- hat – nämlich den vollständigen Ersatz des (positiven) mut, in Clavora/Kapp/Mohr (Hrsg), Jahrbuch Insolvenz- und Sanierungs- recht sowie Exekutionsrecht 2017 (2017) 287 (297). Schadens samt Prozesskosten. 95 Zur Natur des Kostenersatzes nach §§ 41ff ZPO als Schadenersatz s Um das zu ändern, müsste man schon die quota litis auf M. Bydlinski in Fasching/Konecny, ZPG II/13 (2014) Vor §§ 40ff ZPO Rz 1ff; Geroldinger, Rechtsstreit 206ff; Obermaier, Kostenhandbuch3 (2018) Rz 1.2, den Gegner überwälzen können. In verschiedenen Rechts- je mwN auch zur Einordnung als Anspruch des öffentlichen Rechts. ordnungen, die der quota litis aufgeschlossener gegenüber- 96 Zur Rechtslage in England s etwa Andrews, Civil Processes I (2013) Rz 20.13ff. stehen, ist ein derartiger (Teil-)Ersatz auch vorgesehen.96 97 Siehe dazu Geroldinger, Rechtsstreit 603ff. – 98 Siehe etwa Kodek, Groß- und Massenverfahren de lege lata und de lege Ob das in Österreich etwa mittels Schadenersatzes bei ferenda, in Neumayr (Hrsg), Beschleunigung von Zivil- und Strafverfahren mutwilliger Prozessführung97 – möglich ist, wird kaum er- (2014) 1 (37). 99 Drexel, Zugang 200f. örtert98 und bedarf daher noch näherer Untersuchung. 100 Nicolai/Wölber, ZRP 2018, 230.

Andreas Geroldinger Leistbarer Zugang zum Recht österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 482

Abhandlungen

Highlights aus dem Wartungserlass der Gebührenrichtlinien 2019

geschäft überhaupt gültig zustande gekommen ist.4 Dem- I. GRUNDINTENTION DES entsprechend kann etwa ein Vorvertrag nicht der Gebüh- ERIK PINETZ WARTUNGSERLASSES: EINGESCHRÄNKTER renpflicht unterliegen, da eine solche Vereinbarung nicht Der Autor ist Rechtsan- AKTUALISIERUNGSUMFANG waltsanwärter und in den Tatbeständen des § 33 GebG angeführt ist und die Steuerberater sowie Vertragsparteien nur den zukünftigen Abschluss eines po- Lehrbeauftragter am In- Im Jahr 2007 – also vor mehr als zehn Jahren – wurden die tentiell gebührenpflichtigen Rechtsgeschäfts vereinbaren.5 stitut für Österreichisches GebRL 2007 als Auslegungsbehelf zum Gebührengesetz und Internationales Vom Vorvertrag ist jedoch die Option zu unterscheiden. Steuerrecht der WU 1957 im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise und Unter einer Option ist ein vertraglich eingeräumtes Gestal- Wien Auslegung des Gesetzes vom BMF veröffentlicht. Mittler- tungsrecht zu verstehen, das einer Partei (dem Optionsbe- 2019/197 weile ist es allerdings im gesamten GebG zu zahlreichen Ge- rechtigten) das Recht einräumt, durch einseitige Erklärung setzesänderungen gekommen (wie auch in relevanten Ge- ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Gel- setzen, auf die das GebG referenziert). Zudem ist eine Viel- tung zu setzen. Nach der Rsp des VwGH sind Optionen, zahl an relevanten Entscheidungen und neuer Literatur ver- deren Ausübung ein neues Vertragsverhältnis herbeiführen, öffentlicht worden. Dementsprechend haben sich bei den unter § 17 Abs 4 GebG zu subsumieren, weshalb ein auf- Steuerpflichtigen bzw den mit der Selbstberechnung betrau- schiebend bedingter Vertrag anzunehmen ist, der zum Ent- ten Parteienvertretern vermehrt Zweifel ergeben, welche stehen der Gebührenpflicht führt.6 Gem § 17 Abs 4 GebG Aussagen der Gebührenrichtlinien – insb unter dem Blick- hat es auf die Entstehung der Gebührenschuld keinen Ein- winkel von Treu und Glauben – noch gültig und welche fluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer überholt sind. Um diese Fragen von Seiten der Steuerpflich- Bedingung oder der Genehmigung eines der Beteiligten ab- tigen zu reduzieren und die Rechtssicherheit für die Norm- hängt. Die Bestimmung normiert damit eine Ausnahme unterworfenen zu erhöhen, wurden die Gebührenrichtli- vom Grundsatz, wonach die Gebührenpflicht ein wirksam nien nunmehr überarbeitet.1 Dabei lag das Hauptaugen- zustande gekommenes Rechtsgeschäft voraussetzt, und ist merk bemerkenswerter- oder bedauerlicherweise aber nicht auf Optionsvereinbarungen anwendbar. darauf, eine umfassende Einarbeitung der in den vergange- nen Jahren veröffentlichten (höchstgerichtlichen) Rsp oder gar Literatur vorzunehmen. Vielmehr war nach den Aus- 2. Anpassung des Erfüllungsorts führungen in der Einleitung des neuen Wartungserlasses 2019 das Grundanliegen, alle nicht mehr geltenden Aussa- Im Hinblick auf die Gebührenpflicht einer Auslandsurkun- gen zu streichen und bestimmte Erlässe aufzunehmen.2 de ist gem § 16 Abs 2 Z 1 GebG neben der Inländereigen- Zwar wurden vereinzelt auch wesentliche Entscheidungen schaft der involvierten Parteien zusätzlich erforderlich, dass und deren Auswirkungen aufgenommen,3 jedoch stellt der das Rechtsgeschäft eine im Inland befindliche Sache betrifft Wartungserlass schon vorab klar, dass keine umfassende oder eine Partei im Inland zu einer Leistung aufgrund des Aktualisierung vorgenommen wird, sondern allein Rechts- Rechtsgeschäfts berechtigt oder verpflichtet wird. Sollte also sicherheit im Hinblick auf jene Aussagen hergestellt werden 1 Vgl dazu auch Themel, Highlights aus den Gebührenrichtlinien 2019, soll, die in den Gebührenrichtlinien 2019 enthalten sind. SWK 2019, 445 (445ff). 2 Information des BMF zur Gebührenermäßigung, wenn der Antrag auf Insofern ist die Überarbeitung natürlich begrüßenswert, elektronischem Weg unter Verwendung der Bürgerkarte eingebracht wird als die Rechtssicherheit im Hinblick auf viele Aspekte ge- (BMF 26. 4. 2016, BMF-010206/0051-VI/5/2016); Information des BMF zu den Eingaben an die Verwaltungsgerichte der Länder und an das Bundesver- stärkt wird. Jedoch bleibt festzuhalten, dass zu wesentlichen waltungsgericht (BMF 19. 1. 2015, BMF-010206/0002-VI/5/2015, in der Fas- Problemstellungen keine Rechtsauffassung der Finanzver- sung der Abänderung durch die Information des BMF 15. 2. 2016, BMF- 010206/0020-VI/5/2016); Information des BMF zur gebührenrechtlichen Be- waltung existiert und somit „nur“ auf die einschlägige Judi- handlung von Sicherungs- und Erfüllungsgeschäften (BMF 17. 3. 2011, BMF-010206/0048-VI/5/2011); Informationen des BMF zur Anwendbarkeit katur bzw Literatur zurückgegriffen werden kann. der Gebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes (BMF 20. 12. 2007, BMF-010206/0187-VI/5/2007 sowie Info 30. 7. 2008, 01 0206/0085-VI/5/2008). II. WESENTLICHE NEUERUNGEN IM BEREICH 3 Siehe dazu etwa die Beispiele unten. 4 Vgl GebRL 2019 Rz 423; Allram in Bergmann/Pinetz, GebG § 15 Rz 12, DER RECHTSGESCHÄFTSGEBÜHREN mit umfangreichen Nachweisen zur einschlägigen Judikatur; VwGH 5. 11. 2009, 2008/16/0071; VwGH 20. 2. 2003, 2002/16/0116. 1. Gebührenpflicht von Optionen 5 Vgl GebRL 2019 Rz 439; VwGH 15. 3. 2001, 2000/16/0115; von einem Vorvertrag ist nur dann auszugehen, wenn der Leistungsinhalt der Verein- barung die Verpflichtung enthält, künftig einen Vertrag abzuschließen; nicht Die erste wesentliche Neuerung findet sich in Rz 439 im aber, wenn in der Vereinbarung auf Grund des klar erkennbaren Parteiwil- lens bereits über sämtliche Vertragselemente abgesprochen wurde und auf Hinblick auf die Gebührenpflicht von Optionen. Allgemein Grund des Vertrags Leistungen zu erbringen sind oder gefordert werden ist Grundvoraussetzung für das Entstehen der Gebühren- können. 6 Vgl GebRL 2019 Rz 439; VwGH 12. 9. 2017, Ra 2015/16/0061; Allram in pflicht, dass ein vom Tarifposten des GebG erfasstes Rechts- Bergmann/Pinetz, GebG § 17 Rz 167.

Erik Pinetz Highlights aus dem Wartungserlass der Gebührenrichtlinien 2019 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 483

Abhandlungen

keine im Inland befindliche Sache betroffen sein, kommt es rung, in der die Vertragsparteien Rechte und Pflichten, über unter der zweiten Tatbestandsvoraussetzung im Wesentli- deren Art und Ausmaß kein Streit herrscht, anders regeln, chen darauf an, ob der Erfüllungsort des jeweiligen Rechts- als es im Gesetz vorgesehen ist, keinen gebührenpflichtigen geschäfts im Inland liegt.7 Aus zivilrechtlicher Sicht können Vergleich darstellt.13 Nachdem das gesetzliche Erbrecht so- die Parteien dabei den Erfüllungsort vertraglich vereinba- wie der gesetzliche Anspruch auf den Pflichtteil direkt aus ren. Sollten solche Vereinbarungen nicht getroffen worden dem Gesetz (vgl §§ 727, 759 ABGB) ableitbar und somit sein, bestimmt sich der Erfüllungsort nach der Natur oder dem Grunde nach nicht zweifelhaft sind, unterliegt ein dem Zweck des Geschäfts. So hat der Schuldner seine Ver- Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag grundsätzlich nicht pflichtung gem § 905 Abs 1 ABGB an seinem Wohnsitz der Gebühr nach § 33 TP 20 GebG.14 Dies wurde nunmehr oder, wenn die Verbindlichkeit im Betrieb des gewerblichen auch in den Gebührenrichtlinien in Rz 831 übernommen, oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners ent- wobei einschränkend festgehalten wird, dass dies nur solan- stand, am Ort seiner Betriebsniederlassung zu erfüllen ge gilt, als kein Streit über Art oder Ausmaß des Erbrechts (Holschuld). Geldschulden sind dagegen Bringschulden, so- bzw Pflichtteilsanspruchs besteht. dass der Erfüllungsort mangels vertraglicher Vereinbarung beim Gläubiger liegt (§ 907a ABGB). Die Gebührenrichtli- III. SCHLUSSSATZ nien wurde in der Rz 480 entsprechend angepasst, um den Nach mehr als zehn Jahren hat das BMF neue Gebühren- aktuellen Vorgaben im Zivilrecht zu entsprechen. richtlinien erlassen. Das Hauptaugenmerk lag dabei aber 3. Befristete vs unbefristete Dauer nicht darauf, eine umfassende Einarbeitung der in den ver- von Mietverträgen gangenen Jahren veröffentlichten (höchstgerichtlichen) Rsp oder gar Literatur vorzunehmen. Vielmehr war nach den Ausführungen in der Einleitung das Grundanliegen nur, al- Bis zu den neuen Entscheidungen ab dem Jahre 2017 ging le nicht mehr geltenden Aussagen zu streichen und be- der VwGH in stRsp davon aus, dass bei Vereinbarung aller stimmte Erlässe aufzunehmen. Damit wird zwar die Rechts- Kündigungsgründe der §§ 30ff MRG für zumindest eine sicherheit im Hinblick auf jene Aussagen erhöht, die in den Vertragspartei eines Bestandvertrags ein Vertrag auf unbe- Gebührenrichtlinien 2019 enthalten sind. Jedoch existiert stimmte Dauer anzunehmen ist und somit der dreifache damit auch weiterhin zu wesentlichen Problemstellungen Jahreswert für die Gebührenbemessung von wiederkehren- keine Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, weshalb der den Leistungen relevant ist.8 Auch die Finanzverwaltung Rechtsanwender „nur“ auf die einschlägige Judikatur bzw folgte dieser Rechtsansicht in den alten Gebührenrichtli- Literatur zurückgreifen kann. Die wesentlichen Ergänzun- nien.9 Ab dem Jahr 2017 wurde diese Rsp des VwGH jedoch gen im Bereich der Rechtsgeschäftsgebühren betreffen die deutlich eingeschränkt.10 Zwar kann die Vereinbarung aller Gebührenpflicht von Optionsvereinbarungen, die Anpas- Kündigungsgründe gem § 30 Abs 2 MRG noch immer aus- sung des Erfüllungsorts bei Geldschulden sowie die Abgren- reichend für die Annahme einer unbestimmten Vertrags- zung der bestimmten und unbestimmten Vertragsdauer dauer sein, jedoch bedarf es zusätzlich auch einer Beurtei- von Mietverträgen. lung im Einzelfall, warum keine „Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungs- gründe“ vorliegt.11 Nunmehr hat die Finanzverwaltung die- se Ansicht des VwGH wohl auch in die Gebührenrichtlinien in Rz 689 übernommen (auch wenn der Text nicht ganz eindeutig ist): „Im Falle einer uneingeschränkten Kündi- gungsmöglichkeit liegt grundsätzlich ein Vertrag auf unbe- stimmte Dauer vor. Ebenso liegt bei Vereinbarung aller denk- möglichen Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG ein Ver- trag von unbestimmter Dauer vor (VwGH 17. 9. 1990, 90/ 15/0034). Die Frage, welche Kündigungsgründe denkmöglich sind, ist aus Sicht der Vertragsparteien einzelfallbezogen zu beurteilen (vgl. VwGH 26. 04. 2018, Ra 2018/16/0040 und “ 7 Vgl Allram in Bergmann/Pinetz, GebG § 16 Rz 150. VwGH 19. 09. 2017, Ra 2017/16/0111). 8 Vgl ua VwGH 9. 9. 2015, 2015/16/0072; 16. 10. 2014, 2011/16/0169; 29. 6. 1992, 91/15/0040; 17. 9. 1990, 90/15/0034; 16. 10. 1989, 88/15/0040; 6. 3. 1989, 88/15/0037. 4. Kein Vergleich bei einem Erb- und 9 Vgl GebRL 2007, Rz 705. 10 Vgl VwGH 19. 9. 2017, Ra 2017/16/0111; VwGH 26. 4. 2018, Ra 2018/16/ Pflichtteilsverzichtsvertrag 0040. 11 Vgl dazu ausführlich Pinetz/Schaffer, Bestimmte vs unbestimmte Ver- tragsdauer von Mietverträgen gemäß § 33 TP 5 GebG, SWK 2019, 37 (37ff). Jüngst hat der VwGH über einen Erb- und Pflichtteilsver- 12 Vgl VwGH 11. 9. 2018, Ra 2016/16/0110. zichtsvertrag gebührenrechtlich abgesprochen.12 Dabei 13 Mit Verweis auf VwGH 21. 3. 2012, 2011/16/0122; 19. 9. 1956, 1769/54. 14 Vgl dazu Themel, Verzicht auf Erbrecht: Vergleich im Sinne des GebG? kommt der Gerichtshof zum Ergebnis, dass eine Vereinba- RdW 2018, 821 (821ff).

Erik Pinetz Highlights aus dem Wartungserlass der Gebührenrichtlinien 2019 österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaightml?isbn 978 3214 n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaig-214 Der Kommentar zumn=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaig-214 n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaig-2 neuen Erbrecht n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar

2019. XLIV, 532 Seiten. https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaig-2 Ln. EUR 128,– Dieses Werk ist auch online erhältlich: n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar ISBN 978-3-214-02483-3 https://manz.at/erbrechtskomm https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigmanz at/list html?isbn=978 3 2 n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigt.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welser_Der_Erbrecn=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentarhtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigmanz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsemanz.at Welser n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentarr_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigmanz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsem Der Erbrechts-Kommentar n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentarr_Der_Erbrechtskommentar https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigmanz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsem §§ 531 – 824 ABGB n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentarr_Der_Erbrechtskommentar Mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 trat am 1. 1. 2017 eine umfassende Reform des Erbrechts https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigmanz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsema in Kraft. Diese betrifft vor allem die §§ 531 – 824 ABGB. Neben inhaltlichen Änderungenn=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar wurder_Der_Erbrechtskommentar vom Gesetzgeber auch eine neue Gesetzessystematik geschaffen, die mit einer Vielzahl von Neunummerie- https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaiganz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsera rungen einhergeht. n=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar_Der_Erbrechtskommentar Der vorliegende Kommentar enthält eine fundierte Kommentierung der §§ 531 – 824 ABGB und im Anhang ergänzend die relevanten Bestimmungen des AußStrG. Er zeigt die durch das ErbRÄG 2015 ent- https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaiganz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welsera standenen Fragen auf, weist auf in der Literatur bereits vorhandene Lösungen hin undn=Buch_Welser_Der_Erbrechtskommentar gibt die_Der_Erbrechtskommentar eigene https://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaigannz.at/list.html?isbn=978-3-214-02483-3&utm_source=ZS_App&utm_medium=mobile&utm_content=Inserat_201901&utm_campaign=Buch_Welser_Auffassung des Autors wieder. n=Buch_Welser_Der_ErbrechtskommentarDer_Erbrechtskommentar MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1010 Wien www.manz.at

Eine Untersuchung der Klagebefugnisse Dritter im österreichischen Zivilverfahren

2019. XXVIII, 266 Seiten. Br. EUR 64,– ISBN 978-3-214-10977-6

Kunz Die Prozessstandschaft

Das Werk bietet einen umfassenden Überblick über die Grundlagen der Prozessstandschaft (Parteibegriff und Prozessführungsbefugnis) sowie deren Erscheinungsformen im österreichischen Zivil-, Zivilverfah- rens-, Exekutions-, Gesellschafts- und Versicherungsrecht. Behandelt werden außerdem • die Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger, • die Grenzen der Streitanhängigkeit, • die Wirkungen doppelfunktionaler Parteihandlungen des Prozessstandschafters sowie • die (umstrittene) Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft im österreichischen Recht.

MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1010 Wien www.manz.at 485 Service

486 Im Gespräch Weniger Streit in Europa

489 Termine

490 Chronik Wem gehört der Mond? Die vielen Weichen zur Betriebsübergabe Vienna Legal Tech ’19 Kammeramtsleiter trafen sich in Feldkirch Gleichberechtigung – ein langer Weg, aber wir gehen in die richtige Richtung! „forum Privatstiftung“ am Wörthersee Juristen tagten in Grado

496 Aus- und Fortbildung

501 Rezensionen

510 Zeitschriftenübersicht

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 486 Im Gespräch

Weniger Streit in Europa Der ÖRAK beobachtet seit geraumer Zeit einen Rückgang der Anfallszahlen bei Gericht. Ähnliche Entwicklungen dürfte es auch in anderen europäischen Ländern geben. In Deutschland hat Prof. Dr. Armin Höland, Rechtsforscher an der Universität Halle-Wit- tenberg, gemeinsam mit Juristen und Soziologen versucht, dieses Phänomen zu erforschen.

2019/198 Seit wann beobachten Sie in Deutschland einen Rückgang der Anfallszahlen bei Gericht? Die Klageeingangszahlen gehen in Deutschland seit Mitte bis Ende der 2000er-Jahre im Grunde in allen fünf Gerichts- barkeiten zurück, nämlich in der ordentlichen Gerichtsbar- keit (in Zivilsachen), in der Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und der Finanzgerichtsbarkeit. Eine deutliche Gegenbewe- gung gibt es seit vier Jahren allein in der Verwaltungsge- richtsbarkeit aufgrund der seit 2015 stark angestiegenen Klagebereitschaft im Falle arbeitsrechtlicher Konflikte um Zahl der streitigen Asylverfahren. Hier ist ein Anstieg von Geld oder Bestand des Arbeitsverhältnisses oder anderes 2014 bis 2017 um das 2,5-Fache zu beobachten. Mit 352.331 signifikant niedriger sein. Neuzugängen im Jahr 2017 hat die Verwaltungsgerichtsbar- keit den höchsten Stand nach 2003 erreicht. Rechnet man In sozialgerichtlichen Verfahren gab es in Österreich die Verfahren in den Asylkammern heraus, ist der Stand der mehrere Schwankungen, die auch durch veränderte ge- Neuzugänge hingegen mit 92.171 im Jahr 2017 im Vergleich setzliche Voraussetzungen zustande gekommen sein zum Jahr 2014 um 12 % gesunken. dürften. Wie sieht es in Deutschland aus? Die Sozialgerichtsbarkeit bietet mit ihrem steilen Anstieg Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? der Klageeingangszahlen ab 2005 ein anschauliches Bei- Es gibt für den Klagerückgang allem Anschein nach keine spiel für eine durch die Politik bzw Gesetzgebung indu- übergreifende und einheitliche Erklärung. Die Analyse zierte Veränderung des Klageverhaltens. Die Zusammen- muss an der Entwicklung des Streitgeschehens und des legung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in der Konfliktverhaltens in den verschiedenen Lebenswelten „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (SGB II, „Hartz und an den Voraussetzungen des Zugangs zu den einzelnen 4“), die zum 1. 1. 2005 wirksam wurde, löste bei allen Be- Gerichtsbarkeiten ansetzen. teiligten neben Unmut über die neuen Förderungsbedin- gungen (bei den Leistungsempfängern) auch verbreitete Können Sie einzelne Bereiche herausstreichen? rechtliche und praktische Unsicherheit in der Anwendung Für die Arbeitsgerichtsbarkeit lässt sich auch im histori- (bei den Sachbearbeitern in den „Jobcentern“)aus.Erst schen Zeitvergleich ein Zusammenhang zwischen der Be- etwa ab 2012 hatte sich die Rechtslage nach vielfältiger schäftigungskonjunktur und der Klagebereitschaft von Ar- obergerichtlicher Klärung so weit konsolidiert, dass die beitnehmerinnen und Arbeitnehmern erkennen. Erreicht Eingangszahlen an den Sozialgerichten begannen, sich zu- die Erwerbstätigkeit einen hohen Stand, wie zurzeit in rückzubilden. Deutschland (45 Mio Erwerbstätige, Quote 75 %, davon 39 Mio Arbeitnehmer, davon 33 Mio sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigte), und die Arbeitslosigkeit einen nied- rigen Stand (2,2 Mio im Mai 2019, Quote 4,9 %), lässt die Es gibt keine allgemein gültige Inanspruchnahme der Arbeitsgerichtsbarkeit für arbeits- Erklärung für den Klagerückgang. rechtliche Streitigkeiten nach. Hinzu kommen könnten für die Arbeitsgerichtsbarkeit Veränderungen in der Struktur der Beschäftigten. In dem stark gewachsenen Niedriglohn-Sektor (rund 7 Mio gemeldete geringfügig Beschäftigte im Jahr 2018) und bei einem Befristungsan- teil bei begonnener Beschäftigung um die 44 % dürfte die

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 487

Im Gespräch

Die bedeutendsten Schieds- und Schlichtungsstellen in Deutschland Eingabezahlen 2016 Einrichtungen mit Schlichtungsfunktion in ausgewählten Bereichen des öffentlichen Rechts Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 10.386 Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2.793 Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration 1.965 Schieds- und Schlichtungsstellen für Finanzdienstleistungen Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) 1.343 Ombudsmann der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe (BVR) 1.562 Ombudsmann der Privaten Banken 5.582 Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung 6.084 Verband der Privaten Bausparkassen e.V. – Kundenbeschwerdestelle 1.221 Versicherungsombudsmann e. V. 8.217 Ausgewählte Schieds- und Schlichtungsstellen in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verbraucherschlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur 2.883 Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (bei der Bundesrechtsanwaltskammer) 1.010 Versicherungsombudsmann e. V. – Ombudsmann für Versicherungen 19.579 Schieds- und Schlichtungsstellen im Bereich von Kultur und Medien Verbraucherschlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur 1.980 64.605

Unvollständige Liste; angeführt sind Schlichtungsstellen mit über 1.000 Eingaben/Jahr Quelle: 2017 Deutscher Bundestag.

Inwiefern könnten im ordentlichen Zivilverfahren alter- managements großer Online-Anbieter bzw des „plattform- native Streitbeilegungsformen ein Grund für die rückläu- internen Beschwerdemanagements“ in der sog kollaborati- fige Entwicklung sein? ven Wirtschaft.1 Hier werden zehntausende, wahrscheinlich Aufgrund europäischer Rechtsetzungsinitiativen hat sich im hunderttausende, von potentiellen Streitfällen geräuschlos Bereich „ADR/ODR“ seit Beginn der 2000er-Jahre ein viel- im direkten Kontakt zwischen Anbieter bzw Plattformen fältiges Angebot an außergerichtlichen Institutionen und und Verbrauchern erledigt. Verfahren entwickelt, das auch zunehmend angenommen wird. Gleichwohl können die hier dokumentierten Gesamt- Allerdings handelt es sich hierbei meist um Streitbeträge zahlen für Deutschland nur in begrenztem Umfang den im Bagatellbereich. Glauben Sie, dass diese Fälle vor Ge- Rückgang der Klageeingangszahlen in der Ziviljustiz erklä- richt ausgetragen würden, wenn es diese Online-Platt- „ ren helfen. Rechnet man alle in der Übersicht Schieds- und formen zur Streitschlichtung nicht gebe? “ Schlichtungsstellen in Deutschland der Wissenschaftlichen Für einen großen Anteil solcher Streitigkeiten glaube ich Dienste des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2017 auf- das nicht. Bei kleineren Verbraucherstreitigkeiten wird die geführten Zahlen von Vorgängen (Eingaben, Beschwerden, Kosten-Nutzen-Abwägung häufig gegen das gerichtliche Anfragen uÄ) zusammen, kommt man für 2016 auf etwas Austragen der Streitigkeit sprechen. Hier wird eher „ratio- über 80.000. Das ist gemessen an rund 1,25 Mio Neuzugän- nale Apathie“ einsetzen. Die Sorge vor Gerichtskosten und gen an Amtsgerichten und Landgerichten im Jahr 2017 ein Anwaltsgebühren mag bei den Verbrauchern mit Rechts- Anteil von knapp 7 %. Da aus einem erheblichen Anteil der schutzversicherung gering sein, bleibt aber für alle anderen 80.000VorgängekeineKlagenwerdenwürden(lediglich trotz der Möglichkeit der Prozesskostenhilfe (PKH) in Beschwerden, Anfragen uÄ), dürfte der Umfang der Verla- Deutschland eine den Zugang zu Gerichten hemmende Be- gerung von der Ziviljustiz zu Schieds- und Schlichtungsstel- dingung. len deutlich unter sieben Prozent bleiben. Schon wegen der Geschäftszahlen wesentlich bedeutender als die Tätigkeit der Schieds- und Schlichtungsstellen ist al- lem Anschein nach die Vorfeldklärung von verbraucher- 1 Caroline Meller-Hannich ua, Forschungsbericht „Das Recht der Verbrau- cher und Prosumer in der kollaborativen Wirtschaft – Chancen und Verant- rechtlichen Streitigkeiten mit den Mitteln des Beschwerde- wortung“ (Halle 2019) 115ff.

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 488

Im Gespräch

Haben Sie noch weitere Erklärungen für den massiven Ihre Berichte bestätigen in weiten Teilen die Erfahrun- Rückgang in ordentlichen Zivilverfahren? gen, die wir in den letzten Jahren in Österreich wahrneh- Bei der Analyse der Ursachen für den Rückgang der Zah- men konnten. Halten Sie den Rückgang der Anfallszah- len gerichtlicher Klagen ist auch der Zusammenhang zwi- len bei Gericht für ein europaweites Phänomen? schen materiellem Recht und Verfahrensrecht zu beach- Rechtsvergleichende Justizforschung mit einer kleinen An- ten. Geänderte materiell-rechtliche Regelungen bspw zu zahl benachbarter Rechtsordnungen innerhalb der Europä- Verjährungsfristen, zu den Anspruchsvoraussetzungen, ischen Union (möglicherweise auch mit der Schweiz) wäre zur Beweislastverteilung oder – und wohl vor allem – zu sinnvoll, um Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des den verbrauchervertraglichen Widerrufs- und Rücksen- Konfliktverhaltens und der gerichtlichen Rechtsmobilisie- derechten, gestalten Rechtslagen, die streitig werden könn- rung bestimmen zu können und damit zusätzliche Erkennt- ten, so um, dass eine weitere Streitaustragung verhütet nismöglichkeiten zu schaffen. Interessant sind in rechtsver- wird. gleichender Hinsicht bspw die Überlegungen von Walter Fuchs (s. dazu die Abhandlung auf S 451). Gibt es auch Bereiche, in denen die Anfallszahlen stei- gen? Danke für die interessanten Einblicke! Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der deutschen Justiz wirkt sich weder gleichzeitig noch gleichmäßig aus. Auch wenn die Gesamtkurve der Justizmobilisierung nach unten weist, gibt es Teilbereiche, wie zB die Verwaltungsge- Prof. Dr. Armin Höland, geb 1948 in Ingolstadt (GER), verheiratet; richtsbarkeit, Fachkammern wie in der Sozialgerichtsbar- studierte Medizin, Rechtswissenschaften und Völkerkunde an der Universität Hamburg, Anstellungen am Max-Planck-Institut für keit und individuelle Richterinnen und Richter, die mit ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, im der gegenteiligen Erfahrung der Überlastung zu Rande Zentrum für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen sowie kommen müssen. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen an den Universitäten Hamburg und Halle, Forschungs- und Lehraufenthalte in Berlin, Frankfurt/Main, Paris und Kaliningrad ist bei der Analyse der Klageeingangsentwicklungen im (RUS), seit 2014 im Ruhestand. Blick zu behalten.

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 489 Termine

Grundlehrgang (BU-Kurs) Inland Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) Geldwäsche 17. 9. 2019 WIEN Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 13. 11. 2019 WIEN Immobilien- und Vertragsrecht Professionelle Erwachsenenvertretung Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 19. 9. 2019 WIEN 14. 11. 2019 WIEN

Einführungsseminar Grundbuch II Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 25. 9. 2019 WIEN 21. 11. 2019 WIEN

Vollversammlung Grundbuch III Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 26. 9. 2019 SALZBURG 28. 11. 2019 WIEN

Anwaltstag Compliance now! Österreichischer Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) Business Circle Management FortbildungsGmbH 26. und 27. 9. 2019 SALZBURG 28. und 29. 11. 2019 RUST AM NEUSIEDLERSEE

Immobilienertragsteuer Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 30. 9. 2019 WIEN

Grunderwerbsteuer Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 30. 9. 2019 WIEN

Kurrentien-Grundseminar Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 1. 10. 2019 WIEN

RuSt – Recht und Steuern Business Circle Management FortbildungsGmbH 17. und 18. 10. 2019 RUST AM NEUSIEDLERSEE

Grundbuch (Brush-Up) Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 24. 10. 2019 WIEN

Verfahren Außer Streitsachen Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 5. 11. 2019 WIEN

Fristen-Intensivkurs Österreichischer Rechtsanwaltsverein (ÖRAV) 11. 11. 2019 WIEN

PriSec – Datenschutz, Privacy & Security Business Circle Management FortbildungsGmbH 12. und 13. 11. 2019 RUST AM NEUSIEDLERSEE

Beachten Sie bitte auch die Termine in der Rubrik „Aus- und Fortbildung“ auf den Seiten 496ff österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 490 Chronik

Wem gehört der Mond? Vor genau 50 Jahren, am 21. 7. 1969, betraten mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin die ersten Men- schen den Mond, Michael Collins kreiste einstweilen in der Raumfähre im Mondorbit. Über 500 Mio Menschen verfolgten das Ereignis damals an den Fernsehbildschirmen. Bis heute gibt es nur ins- gesamt sechs bemannte Mondmissionen und zwölf Astronauten (alle US-Amerikaner), die den Erdtrabanten betraten. Wie sieht es eigentlich mit den Eigentumsverhältnissen des Mondes aus?

treter der Rechtsmeinung, dass eine Rechtsgrundlage für Grunderwerb am Mond existiere. Einer davon ist der Amerikaner Dennis M. Hope, der 1980 beim Grundstücksamt von San Francisco den Mond, die übrigen Planeten und ihre Monde eintragen ließ. Wa- rum ausgerechnet das Grundstücksamt von San Francisco für Himmelskörper zuständig sein sollte, bleibt dahinge- stellt – versuchen kann man es ja. Rechtsgrundlage für diese kuriose Aktion sollte der Homestead Act von 1862 bieten, der es Siedlern in der Kolonialzeit erlaubte, sich auf einem auf 160 Acre limitierten Stück unbesiedeltem Land nieder- zulassen und dieses zu bewirtschaften. Nach fünfjähriger durchgehender Besiedlung und Kultivierung konnte man das Eigentum für sich in Anspruch nehmen. Freilich erfüllte das Eintragungsgesuch von Hope mit Ausnahme des Kriteriums „unbesiedeltes Land“ keine der genannten Voraussetzungen, da aber weder die USA und Russland noch die Vereinten Nationen, die Hope über sei- nen Antrag in Kenntnis gesetzt hatte, Einspruch erhoben, Vollmond über Hamois (Belgien) Foto: Luc Viatour behauptet er seither, dass ihm der Mond gehört. Er gründe- te die Lunar Embassy und verkaufte bis heute laut eigenen Der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkei- Angaben über 600 Mio Acre Mond, über 300 Mio Acre ten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Welt- Mars und mehrere Mio Acre Venus an Käufer in 193 Län- raums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskör- dern. Da keine rechtliche Institution seine Besitzansprüche per (Weltraumvertrag) ist seit 10. 10. 1967 in Kraft und am Mond anerkennt, sind diese Grundstückszertifikate wurde mittlerweile von 109 Staaten der Vereinten Nationen praktisch wertlos. Hope wird das aber egal sein, er verdient ratifiziert, weitere 23 haben unterschrieben, aber die Ratifi- sich mit seiner Geschäftsidee eine goldene Nase. kation noch nicht abgeschlossen. Österreich ist seit 1968 Vertragspartner. In Art 2 des Weltraumvertrags heißt es, CHRISTIAN MOSER dass der Weltraum, einschließlich des Mondes und anderer ÖRAK, Juristischer Dienst Himmelskörper, keiner nationalen Aneignung durch Sou- veränitätsanspruch, Nutzung, Besetzung oder auf andere Weise unterliegt. Eine ziemlich klare Regelung, könnte man meinen. Es gibt aber auch spitzfindige Menschen, die entgegen der Prä- zisierung in Art 6 behaupten, der Weltraumvertrag richte sich nur an Staaten und nicht an Unternehmen oder Privat- personen. Deshalb wurde 1979 ein ergänzendes Abkommen über die Tätigkeit der Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (Mondvertrag) entworfen. Österreich ist Vertragspartei, allerdings haben insgesamt nur 17 Staaten ratifiziert und weitere vier unterzeichnet. Besonders aus den USA und den anderen weltraumfahrenden Nationen gab es Bedenken, dass der Mondvertrag die freien Rechte auf Profit durch entdeckte Ressourcen beschränken könnte. Der Vertrag gilt als gescheitert und so gibt es weiterhin Ver-

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 491

Chronik

Die vielen Weichen zur Betriebsübergabe AWAK-Intensivseminar macht Stift Melk zum „Stellwerk“ der Unternehmensnachfolge.

er soll mein Nachfolger sein, wann und wie übergebe W ich meinen Betrieb? Viele Unternehmer schieben diese Entscheidung auf die lange Bank. Verständlich, be- deutet es doch, sich mit dem Abschied von einem prägen- den Lebensabschnitt auseinanderzusetzen. Eine äußerst sensible Phase, in der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwäl- te Fingerspitzengefühl und viel Fachkenntnis benötigen, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Die Anwaltsakademie setzt daher heuer einen Schwer- punkt auf dieses – auch aus volkswirtschaftlicher Sicht – wichtige Thema: „Next Generation m. b. H. – Die Unter- nehmensnachfolge und Vermögensübergabe als anwaltliche Herausforderung.“ Vom 3. bis 5. 10. werden im Stift Melk Experten aus Wirtschaft und Recht mit den Teilnehmern Lösungswege für einen fruchtbringenden Generationswech- sel an der Spitze erarbeiten. Man kann einen Betriebsübergang durchaus mit einem Erdbeben vergleichen. Im „Epizentrum“ können die Säulen des Unternehmens – wenn nicht stabil gebaut – ins Wanken geraten. Die Eruptionswellen wiederum durchlaufen eine Reihe von Gesetzesmaterien. Arbeitsrechtliche Folgen, Aus- wirkungen auf Pacht- und Mietverhältnisse, gesellschafts- und steuerrechtliche Konsequenzen und gewerberechtliche Erfordernisse sind zu berücksichtigen. Intensivseminar im Stift Melk Foto: © Shutterstock.com Und dann gilt es noch, den Faktor „Emotion“ einzube- ziehen. Vor allem in Familienunternehmen sind Rechtsan- wältinnen und Rechtsanwälte auch als Mediatoren gefor- dert, wenn es um die Absicherung des Lebenswerks geht. Hier analysiert das Intensivseminar Möglichkeiten im Pri- vatstiftungs- und Erbrecht. Am Samstagnachmittag bietet das Intensivseminar zusätzlich zwei Workshops zur Ver- tragsgestaltung. Und als Bonus wartet heuer auf alle Teilnehmer ein kos- tenloser Webcast auf www.awak.at: „Erbrecht Kompakt“ zum Erbrechtsänderungsgesetz 2015 mit Mag. DDr. Astrid Hartmann, LL.M. (Cambridge). Next Generation m.b.H. – Die Unternehmensnachfol- ge und Vermögensübergabe als anwaltliche Herausforde- rung – Chancen, Risiken, Gestaltungsmöglichkeiten Stift Melk Foto: ©iStockphoto.com/nortonrsx 3. bis 5. 10. 2019, Stift Melk ANWALTSAKADEMIE GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG ANWALTLICHER AUS- UND FORTBILDUNG M.B.H.

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 492

Chronik

Vienna Legal Tech ’19 Am 7. 5. 2019 fand zum ersten Mal die Vienna Legal Tech statt. Das Event, das sich schon in Berlin, Paris und Zürich beweisen konnte, war auch in der Wiener Nordbahnhalle ein großer Erfolg: Rund 120 Juristen arbeiteten in Workshops und Diskussionen an der Zukunft der Rechtsbranche.

ederführend organisiert wurde die Konferenz vom Ver- zeugung,schonbaldLieferdrohneneinsetzenzuwollen. F ein Disruption Disciplines rund um Silke Graf, die Bislang fehlt die Umsetzung. Aber durch diese Ankündi- Head of Legal Tech bei PwC Legal ist. Ziel war es, Juristen, gung haben zahlreiche Mitbewerber begonnen, ebenfalls die sich mit der Digitalisierung im Recht auseinandersetzen, auf dem Gebiet zu forschen und zu entwickeln, um nicht zu vernetzen und mit den großen Fragen zu konfrontieren: auf der Strecke zu bleiben. Oft braucht es also den ersten Was muss man konkret tun, um die eigene Kanzlei/das ei- Schritt oder eine Vision, um eine technische Entwicklung gene Unternehmen zu digitalisieren? Welche Potentiale hat anzustoßen. die Technologie für Juristen – und was bedeutet das für die Klienten?

Disruption in Ort und Inhalt Um zu lernen, mit der Digitalisierung umzugehen, versam- meltensich120TeilnehmerundExperteninderNord- bahnhalle – zum letzten Mal, da diese kurz vor dem Abriss steht. „Die Nordbahnhalle wird schrittweise umgebaut – ei- ne perfekte Metapher für die Prozesse, die wir im Legal- Tech-Bereich erleben. Wie so viele Branchen wissen auch viele im Rechtsbereich noch nicht, welche notwendigen Umstrukturierungen auf sie zukommen“,soGraf. Ein 21-köpfiges Expertenteam aus Österreich, Deutsch- land und der Schweiz vermittelte die Inhalte in lebhaften Vorträgen, aufgelockert durch Diskussionen und Break- Out-Sessions mit Showcases. Das Programm sollte dabei Schritt für Schritt durch den Prozess der Technologisierung im Rechtsbereich führen: von der Entwicklung der passen- den Legal-Tech-Strategie über neue Arbeitsprozesse im ju- ristischen Bereich bis hin zur Umsetzung.

Silke Graf, Head of Legal Tech bei PwC Legal, und Christian Öhner, Managing Partner bei PwC Legal – beide sind Gründer von Disruption Disciples Foto: Christina Karagiannis

Diesen Anstoß versuchte auch die Vienna Legal Tech ‘19 zu geben. Das Modethema eignet sich im Moment ideal, um Guenther Dobrauz, Global Legal Tech Leader bei PwC bei seinem diverse Konferenzen zu bespielen, auch die Rechtsanwalt- Vortrag Foto: Christina Karagiannis schaft wird immer stärker mit der Digitalisierung und Legal Immer mehr Bewegung im Legal-Tech-Sektor Tech konfrontiert. Wenngleich viele Entwicklungen noch in Interessant waren auch die Ausführungen von Susanne den Kinderschuhen stecken, ist es wichtig, im Boot mitzu- Liechtenecker, die mit ihrer Design-Werkstatt Unterneh- rudern, um nicht anschließend unterzugehen. men dabei unterstützt, digitale Innovationen umzusetzen. Sie gibt ein Beispiel, wie technischer Fortschritt vorangetrie- CHRISTIAN MOSER ben wird: Seit 2013 verkündet Amazon mit vollster Über- ÖRAK, Juristischer Dienst

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 493

Chronik

Kammeramtsleiter trafen sich in Feldkirch m Rahmen einer zweitätigen Klausur trafen sich die Mag. Sabine Schuh (Wien) musste leider wegen einer I Kammeramtsdirektoren der österreichischen Rechtsan- dringenden und dienstlichen Angelegenheit kurzfristig die waltskammern in Feldkirch. Teilnahme absagen. Viele Themenbereiche wurden besprochen und Erfah- Zur Begrüßung fanden sich auch der Herr Vizepräsident rungen ausgetauscht, was nicht nur die Zusammenarbeit der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer Dr. Christian Hopp erleichtert, sondern auch das Ziel verfolgt, den immer höher und das Ausschussmitglied Herr Dr. Thomas Willeit ein. werdenden Anforderungen gerecht zu werden. Auch der gesellschaftliche Teil kam nicht zu kurz und spielte nach einer dreiwöchigen Regenphase sogar das Wet- ter mit. Bei klarem Himmel kamen die Teilnehmer nach getaner Arbeit in den Genuss einer Stadtführung, bei wel- cher der „Nachwächter“ auch über gruseliges in der mittel- alterlichen Stadt zu berichten wusste. Im Anschluss daran genossen die Teilnehmer den Aus- klang des ersten Tages im Schützenhaus, mit Blick auf das Wahrzeichen der Stadt Feldkirch, die . Das Treffen wurde von der Kärntner Rechtsanwaltskam- mer ins Leben gerufen, findet nun zum 3. Mal statt und ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Das nächste Treffen wird daher im nächsten Jahr in Salzburg stattfinden. Teilgenommen haben: Bakk. Bernhard Hruschka (General- vlnr: Alfons, Breuß, Laggner-Primosch, Hruschka, Labacher, Goger, sekretär des ÖRAK), Monika Alfons (), Jutta Eig- Kathrein-Gallistl, Eigner, Hamberger Foto: KK/Privat ner (Niederösterreich), Mag. Lisa Labacher (Oberösterreich), Dr. Andrea Goger (Steiermark), Mag. Susanne Laggner-Pri- VORARLBERGER RECHTSANWALTSKAMMER mosch (Kärnten), Edith Hamberger (Salzburg), Mag. Sabine Kathrein-Gallistl (Tirol) und Dr. Ingo Breuß ().

Gleichberechtigung – ein langer Weg, aber wir gehen in die richtige Richtung! Aus dem am 4. 6. 2019 in Vancouver vorgestellten Bericht der Nichtregierungsorganisation Equal Measures 2030 geht hervor, dass kein UN-Mitgliedstaat das bis 2030 gesetzte Ziel der Gleichstellung der Geschlechter erreichen wird.

n der UN-Agenda 2030 wurden vor vier Jahren die 17 I Ziele für nachhaltige Entwicklung von den Vereinten Nationen (www.un.org) festgesetzt, um der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene zu dienen. Die Gleichstellung der Geschlechter sollte bis 2030 er- reicht werden. Equal Measures 2030 evaluierte die Situation von Frauen und Mädchen in 129 Ländern und stellte mas- sive Unterschiede fest. Wie zu erwarten war, liegen vermö- gende, politisch stabile Länder in der Statistik vorne, wäh- rend ärmere, politisch instabile Nationen zurückfallen. Fast 1,4 Milliarden Frauen und Mädchen müssen schwierigen Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sind politische Zielsetzun- bis schwierigsten Bedingungen wie Diskriminierung und gen der Vereinten Nationen (UN), die der Sicherung einer nachhalti- Gewalt, keinem Zugang zur Bildung und Unterdrückung gen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer durch die Familie ins Auge schauen. Ebene dienen sollen. Grafik: Wikipedia/Maria Gershuni

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 494

Chronik

Sehr erfreulich ist, dass Österreich nach Dänemark, Finn- Dass heute die Gleichberechtigung zur Ergreifung des land, Schweden, Norwegen, den Niederlanden, Slowenien, Rechtsanwaltsberufs kein faktisches Thema mehr ist, ver- Deutschland, Kanada, Irland, Australien, Neuseeland und danken wir unseren Vorkämpferinnen, dass es aber auch der Schweiz auf Platz 13 im vordersten Mittelfeld des eine Selbstverständlichkeit wird, bedarf noch einer weiteren SDG (Sustainable Developement Goals) Gender Index gesellschaftlichen Entwicklung. 2019 zu finden ist. Gefolgt von den USA auf Platz 28, Russ- Die Zeichen stehen gut, so sind aktuell 1.166 Rechtsan- land auf Platz 59 und China auf Platz 74. waltsanwärter und 1.138 Rechtsanwaltsanwärterinnen ein- Warum berichten wir im Anwaltsblatt über diese aktuelle getragen. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag Studie? Weil wir überzeugt sind, durch unsere standespoliti- und die neun Rechtsanwaltskammern werden auch weiter- schen Maßnahmen – siehe die drei Broschüren zu Beruf und hin daran arbeiten, bestmögliche Rahmenbedingungen zu Familie auf www.rechtsanwaelte.at – einen Beitrag dazu zu schaffen. Wir bleiben dran! leisten, dass die Rechtsanwaltschaft zukünftig aus gleich vie- Den Global Report 2019 können Sie auf www.equal- len Rechtsanwältinnen wie Rechtsanwälten besteht und weil measures2030.org nachlesen. wir sehen, dass noch viel zu tun ist auf dieser Welt.

Österreich liegt mit 84,8 Punkten auf Platz 13 des von Equal Measures erstellten weltweiten Rankings. Grafik: Equal Measures 2030, 2019

EVA-ELISABETH RÖTHLER ÖRAK, Juristischer Dienst

„forum Privatstiftung“ am Wörthersee

m die Privatstiftung im Familienrecht und die Nut- Michael Singer sowie Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko, Präsi- U zung von Immobilien durch den Stifter ging es beim dent der Rechtsanwaltskammer für Kärnten. diesjährigen „forum Privatstiftung“, das kürzlich mit rund Im Rahmen der Veranstaltung wurden an der Schnitt- 100 Interessierten im Hotel Schloss Seefels in Pörtschach stelle von Familienrecht und Stiftungsrecht gelegene Frage- am Wörthersee stattfand. Es referierten die Universitätspro- stellungen beleuchtet. Dabei geht es vor allem um die Ein- fessoren Dr. Johannes Zollner von der Universität Graz und beziehung von Stiftungsvermögen in die nacheheliche Ver- Dr. Johannes Heinrich von der Alpen-Adria-Universität mögensaufteilung sowie die Berücksichtigung des Stiftungs- Klagenfurt, der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Mag. vermögens bei der Unterhaltsbemessung. Im zweiten Teil

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 495

Chronik

der Veranstaltung wurde ein Überblick über die aktuellsten Erkenntnisse des VwGH zu steuerlichen Fragen rund um Immobilien, die dem Stifter zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses dienen, gegeben. Der Sponsor der Veranstaltung, die Kärntner Sparkasse, war durch die beiden Vorstände Gabriele Semmelrock-Wer- zer und Mag. Siegfried Huber vertreten. Als Mitveranstalter begrüßte Mag. Peter Katschnig, Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Landesstelle Kärnten, das Publikum.

vlnr: Katschnig, Singer, Heinrich, Semmelrock-Werzer, Zollner, Murko, Huber Foto: Susanne Laggner-Primosch

RECHTSANWALTSKAMMER FÜR KÄRNTEN

Juristen tagten in Grado

und 100 Teilnehmer besuchten heuer das Alpe-Adria- R Insolvenzrechtsseminar der Rechtsanwaltskammer für Kärnten in Grado. Als Seminarleiter fungierten in bewähr- ter Weise die beiden Richter des Landesgerichts Klagenfurt Dr. Johannes Schnabl und Dr. Herwig Handl, die auch einen Workshop mit dem Titel „Die Insolvenzabwicklung in der Praxis aus Sicht des Insolvenzgerichts“ anboten. Für die Or- ganisation des Seminars war Amtsdirektor Regierungsrat Klaus Kraule zuständig. Univ.-Prof. Dr. Friedrich Rüffler, LL.M., Professor für Unternehmensrecht an der Universität Wien, referierte über „Gesellschaftsrechtliche Ansprüche des Insolvenzver- walters in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft und ver- deckten Kapitalgesellschaft – Stand und aktuelle Entwick- vlnr: Fink, Murko, Rüffler, Schnabl, Kraule, Wolff, Fuchs Foto: Susanne Laggner-Primosch lungen“. Der Grazer Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Axel Re- ckenzaun, MBL, sprach über „Besondere Fragen des Sanie- rungsplans in der Praxis“.Dr.Reinhard Rebernig, Richter des Landesgerichts Wels und Leiter der Insolvenzabteilung, hielt einen Vortrag zum Thema „Anfechtung beim zes- sionsbesicherten Kontokorrentkredit“. Die Kärntner Rechtsanwaltskammer war durch den Prä- sidenten Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko, die beiden Vizeprä- sidenten Dr. Bernhard Fink und Mag. Alexander Jelly sowie zahlreiche Ausschussmitglieder, darunter Mag. Felix Fuchs, vertreten. Unter den Teilnehmern: ÖRAK-Präsident Dr. Rupert Wolff, der emeritierte Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Jelinek und die Richterin des Landesgerichts Klagenfurt Mag. Gudrun Slamanig. vlnr: Reckenzaun, Jelinek, Rüffler Foto: Susanne Laggner-Primosch

RECHTSANWALTSKAMMER FÜR KÄRNTEN

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 496 www.awak.at Aus- und Fortbildung

Anwaltsakademie

SOMMERAKADEMIE IM AUGUST 2019 AUSBILDUNG – AUSBILDUNG Die Rechtsanwaltsprüfung Intensivkurs „ “ Schriftsätze im Zivilprozess Prüfungsvorbereitung Öffentliches Recht 29. und 30. 8. ATTERSEE 9. bis 30. 9. WIEN – Seminarnummer: 20190829–3 Seminarnummer: 20190909 8

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Standesrecht – anwaltliche Pflichten, Rechte, Seminarreihe Steuerrecht: Standesvertretung und Honorarrecht 7. Unternehmens- und Anteilskauf 29. bis 31. 8. GAMLITZ/SÜDSTEIERMARK 10. 9. WIEN – Seminarnummer: 20190829–5 Seminarnummer: 20190910A 8

FORTBILDUNG AUSBILDUNG – Strafverfahren II – Von der 1. Instanz bis zur Von der Verteidigung in die Offensive Haftentlassung: Praxisbeispiele und Judikatur Erfolgreiche Rechtsmittel in Strafsachen 30. und 31. 8. WIEN 10. 9. WIEN – Seminarnummer: 20190830–8 Seminarnummer: 20190910 8

FORTBILDUNG SEPTEMBER 2019 Rechnungswesen für Rechtsanwälte – Bilanzen: lesen, verstehen, interpretieren AUSBILDUNG 12. 9. GRAZ Anglo-amerikanische Rechtssprache für Seminarnummer: 20190912–5 Rechtsanwälte – Anwaltskorrespondenz innerhalb des britischen und U.S.-amerikanischen FORTBILDUNG Rechtssystems Beschwerdeerhebung an den EGMR und 4. 9. bis 6. 11. WIEN dessen neueste Rechtsprechung betreffend Seminarnummer: 20190904–8 Österreich 12. 9. WIEN Seminarnummer: 20190912–8 AUSBILDUNG Schriftsätze im Zivilprozess 5. und 6. 9. WIEN AUSBILDUNG Seminarnummer: 20190905–8 Der Anwalt als Vertragsverfasser – anhand von Praxisbeispielen (für Einsteiger) 13. und 14. 9. ATTERSEE AUSBILDUNG Seminarnummer: 20190913–3 Die Rechtsanwaltsprüfung – Intensivkurs „Prüfungsvorbereitung Abgabenrecht“ 5. bis 7. 9. WIEN AUSBILDUNG Seminarnummer: 20190905A–8 Kapitalmarktrecht – Der organisierte Kapitalmarkt, seine behördliche Aufsicht und der Wertpapierhandel AUSBILDUNG 13. und 14. 9. WIEN Gesellschaftsrecht I – Das Recht der Kapital- Seminarnummer: 20190913–8 und Personengesellschaft – Rechtsformwahl, Vermögensordnung, Haftungsverfassung und Gründung 6. und 7. 9. WIEN Seminarnummer: 20190906–8

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt www.awak.at 497

Aus- und Fortbildung

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Gesellschaftsrecht I – Das Recht der Kapital- Insolvenzrecht – Grundbegriffe, und Personengesellschaft – Rechtsformwahl Verfahrensabläufe, Sanierungsverfahren und steuerrechtliche Aspekte 27. und 28. 9. ST. GEORGEN I. A. 13. und 14. 9. INNSBRUCK Seminarnummer: 20190927–3 Seminarnummer: 20190913–6

AUSBILDUNG FORTBILDUNG Das Exekutionsrecht in Fallbeispielen – Aktuelle Judikatur zum Grundlagen, Exekutionsmittel, Leistungsstörungsrecht Durchsetzungsstrategien 17. 9. WIEN und einstweilige Verfügungen Seminarnummer: 20190917–8 27. und 28. 9. WIEN Seminarnummer: 20190927–8

AUSBILDUNG Seminarreihe Steuerrecht: AUSBILDUNG 8. Bundesabgabenordnung Urheber- und Leistungsschutzrecht in der 17. und 24. 9. WIEN digitalen Welt – anhand der aktuellen Seminarnummer: 20190917A–8 Judikatur des OGH und des EuGH 27. und 28. 9. WIEN Seminarnummer: 20190927A–8 AUSBILDUNG Der Liegenschaftsvertrag – Aspekte beim Erwerb von Wohnungseigentum AUSBILDUNG (Musterverträge) Der Rechtsanwalt als Vertragsverfasser – 20. und 21. 9. WIEN die praktische Vertragsabwicklung Seminarnummer: 20190920–8 27. und 28. 9. FELDKIRCH Seminarnummer: 20190927–7

AUSBILDUNG Grundlagen des öffentlichen Wirtschaftsrechts OKTOBER 2019 20. und 21. 9. WIEN Seminarnummer: 20190920A–8 FORTBILDUNG Next Generation m.b.H. – Die AUSBILDUNG Unternehmensnachfolge und Gesellschaftsrecht II – die GmbH – Vermögensübergabe als anwaltliche – Gesellschaftsvertrag, Kapitalaufbringung, Herausforderung Chancen, Risiken, – Haftungen, steuerliche Aspekte Gestaltungsmöglichkeiten für Rechtsanwälte 20. und 21. 9. ATTERSEE 3. bis 5. 10. MELK – Seminarnummer: 20190920–3 Seminarnummer: 20191003 2

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Strafverfahren – von der Mandatserteilung Seminarreihe Steuerrecht: zur erfolgreichen Verteidigungsstrategie 9. Stiftungssteuerrecht 20. und 21. 9. GRAZ 8. 10. WIEN – Seminarnummer: 20190920–5 Seminarnummer: 20191008 8

AUSBILDUNG FORTBILDUNG – Lebensgemeinschaften und deren rechtliche Wenn es kracht Unfälle im Straßenverkehr Auswirkungen und ihre juristischen Folgen 23. 9. GRAZ 8. 10. GRAZ – Seminarnummer: 20190923–5 Seminarnummer: 20191008 5

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 498 www.awak.at

Aus- und Fortbildung

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Standesrecht – anwaltliche Pflichten, Optimale Fragetechnik: Rechte und Standesvertretung Der Weg zur richtigen Antwort 10. und 11. 10. WIEN 17. bis 19. 10. WIEN Seminarnummer: 20191010–8 Seminarnummer: 20191017–8

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Das Exekutionsrecht in Fallbeispielen – Bauvertrag und Bauverfahren – Vertragsrecht, Grundlagen, Exekutionsmittel, Vergaberecht und öffentliches Baurecht in der Durchsetzungsstrategien und einstweilige anwaltlichen Praxis Verfügungen 18. 10. DORNBIRN 11. und 12. 10. INNSBRUCK Seminarnummer: 20191018–7 Seminarnummer: 20191011–6

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Das Exekutionsrecht in Fallbeispielen – Gesellschaftsrecht II – Die GmbH – Grundlagen, Exekutionsmittel, Gesellschaftsvertrag, Kapitalaufbringung, Durchsetzungsstrategien Haftungen, steuerliche Aspekte 18. und 19. 10. ST. GEORGEN I. A. 11. und 12. 10. GRAZ Seminarnummer: 20191018–3 Seminarnummer: 20191011–5

AUSBILDUNG AUSBILDUNG Verwaltungsverfahren, „WOHNUNGSEIGENTUM“–Follow Up zum Verwaltungsstrafverfahren und Liegenschaftsvertrag Rechtsschutz im Öffentlichen Recht II (VwGVG, 11. und 12. 10. ATTERSEE VwGG, EuGH) Seminarnummer: 20191011–3 18. und 19. 10. WIEN Seminarnummer: 20191018–8 FORTBILDUNG

Erbrecht und Vermögensnachfolge – Spezielle AUSBILDUNG Fragen Mietrecht in der anwaltlichen Praxis – 11. und 12. 10. WIEN von der Vertragsformulierung zur Seminarnummer: 20191011–8 Interessenvertretung für Mieter und Vermieter 18. und 19. 10. GRAZ AUSBILDUNG Seminarnummer: 20191018–5 Seminarreihe Steuerrecht: 10. Das 1x1 der Immobilienbesteuerung AUS-/FORTBILDUNG 15. 10. WIEN Professionelle Schriftsätze an den – Seminarnummer: 20191015 8 Verwaltungsgerichtshof 22. 10. WIEN AUS-/FORTBILDUNG Seminarnummer: 20191022–8 „Willkommen in unserer “– Rechtsanwaltskanzlei! FORTBILDUNG Über den korrekten Umgang mit Klienten/ Fallstricke im Verfahren vor den Innen am Telefon Verwaltungsgerichten, dem Verwaltungs- und 16. und 17. 10. LINZ dem Verfassungsgerichtshof (einschließlich – Seminarnummer: 20191016 3 Steuern) 22. 10. SALZBURG AUSBILDUNG Seminarnummer: 20191022–4 Schriftsätze im Zivilprozess 17. und 18. 10. ST. PÖLTEN Seminarnummer: 20191017–2

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt www.awak.at 499

Aus- und Fortbildung

FORTBILDUNG AUSBILDUNG Von der Verteidigung in die Offensive – Der Anwalt und sein Honorar – Anspruch, Erfolgreiche Rechtsmittel in Strafsachen Vereinbarung und Fälligkeit anhand 23. 10. INNSBRUCK praktischer Beispiele Seminarnummer: 20191023–6 24. und 25. 10. WIEN Seminarnummer: 20191024–8

FORTBILDUNG AUSBILDUNG Von der Verteidigung in die Gesellschaftsrecht I – Das Recht Offensive – Erfolgreiche der Kapital- und Rechtsmittel in Strafsachen Personengesellschaft – Warum Sie teilnehmen sollten: Rechtsformwahl und Durch einleitende Vorträge soll das Thema bekanntge- steuerrechtliche Aspekte – macht sowie im Anschluss daran und währenddessen die Möglichkeit zu spontanen Fragen und zur Diskussion kon- Kostenloser WEBCAST kreter Problemstellungen aus der Praxis geboten werden. inkludiert a) Vorstellung der Rechtsmittelstruktur des Strafverfah- Warum Sie teilnehmen sollten: rens und Darstellung der Charakteristika der Rechtsbehelfe Dieses Seminar ist als Basisseminar für Juristen konzipiert, und Rechtsmittel im Einzelnen (Rechtsbehelfe gegen staats- die in ihrer bisherigen Praxis nur wenig Gelegenheit hatten, anwaltliche Anordnungen, Beschwerden gegen Beschlüsse, sich mit gesellschaftsrechtlichen Problemen zu befassen. In Einspruch gegen die Anklageschrift, Rechtsmittel gegen Ur- eineinhalb Tagen werden die in der Praxis, insbesondere im „ “ teile, Verfassungsbeschwerden an den OGH [Grund- Zusammenhang mit Gründungsvorgängen vorkommenden rechtsbeschwerde, Erneuerungsantrag]) Probleme des Gesellschaftsrechts behandelt. b) Die Generalprokuratur als Mediator für Nichtigkeits- Die steuerlichen Grundlagen im Gesellschaftsrecht wer- beschwerde zur Wahrung des Gesetzes und außerordentli- den in einer kurzen Übersicht dargestellt. Zu allen behan- che Wiederaufnahme. delten Beispielen werden die steuerlichen Auswirkungen c) Die in der Praxis wichtigen Nichtigkeitsgründe im berücksichtigt. Speziellen. Vertiefen Sie Ihr Wissen mit dem inkludierten WEB- CAST zum Thema „KAPITALMARKT KOMPAKT Markt- Referent: BM a.D. Präs d OGH i.R. Hon.-Prof. Dr. Eckart missbrauchsrecht – das neue Kapitalmarktrechtliche Sank- Ratz, Bundesminister für Inneres a.D., Präsident des OGH tionsregime – Änderung im Börsegesetz 2016“ mit Frau i.R., Herausgeber und Autor der Wiener Kommentare zu Mag. DDr. Astrid Hartmann, LL.M. (Cambridge), Rechts- StGB und StPO, verantwortlich für den strafrechtlichen Teil anwältin in Wien. des Evidenzblatts der Rechtsmittelentscheidungen der ÖJZ Bitte beachten Sie, dass Sie ein persönliches myawak- und Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht Konto (kostenlos) zum Abspielen des WEBCASTS benöti- der Universität Wien gen. Der WEBCAST steht Ihnen unbegrenzt in Ihrem Termin: 10. September 2019 = 2 Halbtage myawak-Konto zur Verfügung und kann jederzeit sowie Veranstaltungsort: Wien, HOTEL DE FRANCE von jedem Endgerät abgespielt werden. Seminarnummer: 20190910–8 oder Seminarleitung:Univ.-Prof.Prof.(FH)Mag.Dr.Franz Termin: 23. Oktober 2019 = 2 Halbtage Pegger, Universität Innsbruck, RA in Innsbruck Veranstaltungsort: Innsbruck, AC Hotel Innsbruck Referenten: Univ.-Prof. Prof. (FH) Mag. Dr. Franz Pegger, – Seminarnummer: 20191023 6 Universität Innsbruck, RA in Innsbruck Dr. Nikola Tröthan, RA in Innsbruck Termin: 13. und 14. September 2019 = 3 Halbtage Veranstaltungsort: Innsbruck, Villa Blanka Seminarnummer: 20190913–6

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 500 www.awak.at

Aus- und Fortbildung

FORTBILDUNG Termin: 27. und 28. September 2019 = 3 Halbtage Veranstaltungsort: Feldkirch, Montfort – das Hotel Aktuelle Judikatur zum – Leistungsstörungsrecht Seminarnummer: 20190927 7

Warum Sie teilnehmen sollten: FORTBILDUNG Die Teilnehmer erhalten einen umfassenden Überblick über die aktuelle Judikatur zum Leistungsstörungsrecht, insbe- Erbrecht und sondere zum Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht. Ei- Vermögensnachfolge – Spezielle ne Analyse möglicher Strategien auf Schuldner- bzw auf Gläubigerseite rundet das Referat ab. Fragen Warum Sie teilnehmen sollten: Referentinnen: Hon.-Prof. Dr. Irene Welser, RA in Wien Dieses Seminar ist den vielen neuen Fragen „rund um den Univ.-Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud, Universität Wien – Todesfall“ zu der seit 1. 1. 2017 geltenden neuen Rechtslage Institut für Zivilrecht gewidmet. Die Vortragenden kommen aus allen mit diesen Termin: 17. September 2019 = 1 Halbtag Fragen befassten Berufsgruppen. Die Teilnehmer erhalten Veranstaltungsort: Wien, HOTEL DE FRANCE damit nicht nur den aktuellen Wissensstand von Experten Seminarnummer: 20190917A–8 zum neuen Erbrecht vermittelt. Auch der im Berufsalltag jeweils unterschiedliche Zugang zu Lösungen für neue (und alte) Rechtsfragen wird anschaulich nähergebracht. FORTBILDUNG Das Seminar sollte damit für jene interessant sein, die auch Lebensgemeinschaften und deren zum neuen Erbrecht als Rechtsanwalt kompetent beraten rechtliche Auswirkungen und Auskunft geben können wollen. Warum Sie teilnehmen sollten: Seminarleitung: Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Scheuba, RA in Die außereheliche Lebensgemeinschaft erfreut sich auch in Wien Österreich seit Jahren steigender Beliebtheit. So einfach es Referenten: Mag. Karolina Vajda, Notariatskandidatin in ist, sie zu begründen und wieder aufzulösen, so kompliziert Stockerau sind die wirtschaftlichen Auseinandersetzungen der frühe- Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Scheuba, RA in Wien ren Lebensgefährten. Mangels einschlägiger Rechtsnormen Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer, stv. Institutsvorstand, Uni- ist die Kenntnis der Rechtsprechung für den Kautelarjuris- versität Wien – Institut für Zivilrecht ten von besonderer Bedeutung. Univ.-Prof. Dr. Christian Rabl, RA in Wien Hon.-Prof. Dr. Johann Höllwerth, Hofrat des OGH Referenten: Dr. Andrea Simma, RA in Wien Univ.-Doz. Mag. Dr. Friedrich Fraberger, LL.M., TEP, Part- HR Dr. Edwin Gitschthaler, Richter des OGH in Wien ner und Steuerberater bei KPMG in Wien Termin: 23. September 2019 = 2 Halbtage Termin: 11. und 12. Oktober 2019 = 3 Halbtage Veranstaltungsort: Graz, Wohlfühlhotel Novapark Veranstaltungsort: Wien, HOTEL DE FRANCE Seminarnummer: 20190923–5 Seminarnummer: 20191011–8

AUSBILDUNG Der Rechtsanwalt als Vertragsverfasser – die praktische Vertragsabwicklung Warum Sie teilnehmen sollten: Es werden die notwendigen Vorbereitungsarbeiten, der Ab- lauf der Vertragsverhandlungen, die Störungen bei der Ver- tragsabwicklung und deren Behebung sowie die Verfassung des Vertrages selbst eingehend erläutert. Auch werden die steuerlichen Auswirkungen von Verträgen behandelt werden.

Referenten: Mag. Dr. Rupert Manhart, LL.M. (LSE), RA in Bregenz Mag. Stefan Guggenberger, RA in Salzburg

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 501 Rezensionen

Erwachsenenschutzrecht tigen Schreibleistung, welche dieser Autor sich auf seine Fahnen heften kann, nur den Hut ziehen. Angesichts des Umfanges und der m 1. 7. 2018 trat das 2. Erwachsenenschutzgesetz in Tiefe der Kommentierung kann im Wei- Kraft. Dabei wurde das bisherige Sachwalterrecht um- A teren lediglich ein Überblick über das fassend reformiert. Im Hinblick auf die UN-Behinderten- Gesamtwerk geleistet werden, wobei ein- rechtskonvention soll mit diesem Gesetz die Autonomie zelne Glanzlichter ohne Anspruch auf und Selbstbestimmung vertretungsbedürftiger Personen ge- Vollständigkeit herausgehoben werden stärkt werden. Das sogenannte 4-Säulen-Modell sieht fol- sollen: gende Formen der Vertretung vor: Gerichtliche Erwachse- Als in dieser Form einzig dastehend ist bereits die von nenvertretung, Gesetzliche Erwachsenenvertretung, Ge- Kotschnigg vor § 1 FinStrG gegebene Einführung in das Fi- wählte Erwachsenenvertretung und Vorsorgevollmacht. nanzstrafrecht anzusehen. In dieser gibt der Autor in syste- Dieser Praxiskommentar geht im De- matischer und gleichzeitig äußerst lebendiger Weise einen tail auf jede einzelne Vertretungsform ein Überblick über die für das System und die Praxis des Finanz- und macht auf die neuen Möglichkeiten strafrechtes bedeutendsten Grundsatzfragen. Die brandak- der Registrierung aufmerksam. Zudem tuelle, von Alexander Lang (StB/WB in Wien) und Hubertus liefern die Autoren wichtige Informatio- Seilern-Aspang (StB in Wien) verantwortete Kommentierung nen zum Verfahrensablauf sowie zu den der §§ 31f bereitet das in der Praxis so wichtige Verjährungs- Auswirkungen der Vertreterbestellung regime des FinStrG und vor allem sein Zusammenspiel mit und berücksichtigen dabei auch verwal- dem abgabenrechtlichen Verjährungsregime nach der BAO tungsrechtliche Aspekte. Neben diesen nicht nur profund, sondern auch mit zahllosen Beispielen an- fundierten Ausführungen zur neuen Rechtslage finden sich gereichert auf. Die wiederum von Kotschnigg (vor §§ 35ff) ge- am Ende des Praxiskommentars diverse Arbeitsbehelfe gebene Einführung in das EU-Zollrecht wird für jenen Berufs- (Muster) für die Praxis sowie übersichtliche Grafiken zum träger, welcher mit zollrechtlichen (bzw zollstrafrechtlichen) Verfahrensablauf. Die Vergleichstabelle zwischen alter und Problemstellungen zum ersten Mal oder nicht oft befasst ist, neuer Rechtslage sowie die abgedruckten, relevanten Geset- von großem Nutzen sein. Sie ermöglicht dem Nicht-Zoll- zestexte runden dieses sehr gelungene Werk ab. rechtler nämlich die Erfassung der dem Zollstrafrecht zu Erwachsenenschutzrecht, „Sachwalterrecht NEU“– Grunde liegenden abgabenrechtlichen Regelungen, ohne sich Praxiskommentar. dabei in zu vielen Details zu verlieren. Festzuhalten ist freilich, dass diese Einführung noch die Rechtslage aufgrund des (per Von Hans Peter Zierl/Michaela Schweighofer/Sabine Wim- berger. Verlag LexisNexis, Wien 2018, 532 Seiten, Ende April 2016 außer Kraft getretenen) Zollkodex (ZK) und geb, € 75,–. nicht die seit 1. 5. 2019 in Kraft befindliche Rechtslage nach dem neuen Zollkodex der europäischen Union (UZK) wie- dergibt. Diesbezüglich wäre eine Aktualisierung des betref- DANIJELA MILICEVIC fenden Faszikels das Gegebene. Der die historische Rechtslage wiedergebende Faszikel wird dem Rechtsanwender freilich FinStrG – Finanzstrafgesetz für „Altfälle“ noch lange Jahre gute Dienste leisten. Beste Dienste leistet auch für die „Vor §§ 98–114“ von inkl 57. Lfg Kotschnigg und Gerhard Ponert (Richter des LG für Straf- sachen Wien) gegebene Erläuterung des Beweisrechts, wo- uletzt durch die 51. bis 57. Lieferung (Juni 2018) er- bei auch in diesem Abschnitt ein umfassender Vergleich Z gänzt ist das vorliegende, in zwei Mappen in Faszikeln zwischen Abgabenverfahren und Finanzstrafverfahren ge- vorliegende Kommentarwerk mittlerweile so weit gediehen, geben wird. Genau diese überblicksweisen Darstellungen dass noch die §§ 6 und 7, 9, 15–23, 65–164 und 171–194 gesamter Teilbereiche des materiellen Rechts bzw des Ver- FinStrG nicht kommentiert sind. Wer nun behauptet, dass fahrensrechts vor der detaillierten Kommentierung einzel- dies doch beträchtlichen Lücken der von Richard Tannert ner Bestimmungen sind es unter anderem auch, welche den (Richter des BFG in Linz) und Michael Kotschnigg (StB in vorliegenden Kommentar von anderen Kommentierungen Wien) herausgegebenen Kommentierung gleichkommt, des FinStrG abheben. wird nicht mit fundamentalem Widerspruch rechnen kön- Dass die Kommentierung sehr in die Tiefe geht und zur nen. Zu bedenken ist jedoch, dass der vorliegende Kom- eigenständigen weiteren Durchdringung der Materie ein- mentar das FinStrG in die Tiefe gehend und von eigenen lädt, gilt freilich nicht nur für die hier exemplarisch bzw Gedanken der Kommentatoren geprägt erläutert wie derzeit besonders hervorgehobenen Passagen, sondern praktisch kein anderer. Wenn man außerdem bedenkt, dass der Lö- durchgängig. Aus Sicht des Rechtsanwenders ist zu hoffen, wenanteil der bisherigen Kommentierung von Zweitheraus- dass die Erläuterungen der noch nicht bearbeiteten Geset- geber Kotschnigg besorgt wird, so kann man vor der gewal- zesstellen möglichst rasch erfolgen. Aus Sicht des Rezensen-

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 502

Rezensionen

ten gilt dies insb für das Recht der Ermittlungsmaßnahmen zu schließen geholfen. Dabei hätten die Autoren in ihrem und der Festnahme bzw Untersuchungshaft im verwal- Skriptum ausführlicher auf die Falllösungstechnik praxisge- tungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§§ 85ff FinStrG recht eingehen können. Schließlich ist die Beherrschung des sowie vor allem für die das Rechtsmittelverfahren regelnden Gutachtenstils gerade im Fach Straf- und Strafverfahrens- Bestimmungen der §§ 150ff FinStrG). recht eine (ungeschriebene) conditio sine qua non aus theo- Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der vorlie- retischer und praktischer Sicht. In einer allfälligen 3. Auflage gende Kommentar aus der täglichen Arbeit im Finanzstraf- gäbe es so betrachtet genug Verbesserungsmöglichkeiten. recht nicht wegzudenken ist. Für jeden einschlägig befassten Berufsträger ist er als absoluter Pflichtkauf anzusehen. Starthilfe Strafrecht. Von Katharina Köberl/Marek Sitner. 2. Auflage. Verlag fa- FinStrG – Finanzstrafgesetz inkl 57. Lfg, Kommentar cultas, Wien 2018, 116 Seiten, br, € 18,–. in Faszikeln. Von Richard Tannert/Michael Kotschnigg (Hrsg). 57. Lfg, RICHARD SOYER UND SERGIO POLLAK Verlag Manz, Wien Juni 2018, XL, 2.084 Seiten, € 298,–

FELIX KARL VOGL Wirtschaftsstrafrecht

Starthilfe Strafrecht as gegenständliche Werk ist eines der Resultate der D (nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung) gestei- er von Köberl und Sitner verfasste, mittlerweile in zwei- gerten Bedeutung wirtschaftsstrafrechtlicher Sachverhalte. D ter Auflage erschienene Lernbehelf versucht Studieren- Ein weiterer Beleg für dieses Phänomen ist die deutliche den der Rechtswissenschaften einen Einstieg in die Rechts- personelle Aufwertung der WKStA (21 Planstellen im Jahr materie Strafrecht zu erleichtern. Dabei unternehmen die Au- 2011 stehen 40 per 1. 8. 2018 für die WKStA tätige Staats- toren den Versuch, einen leicht verständlichen „Allgemeinen anwälte gegenüber). Teil“ zu kreieren. Das 116 Seiten dicke Buch gliedert sich in Die zunehmende Bedeutung des insgesamt 11 Kapitel und wird von zwei Anhängen abgerun- Wirtschaftsstrafrechts wird oft mit der det. Ferner finden sich im Buch 78 gelöste Kurzfälle. Nach gesteigerten Komplexität wirtschafts- den einleitenden Worten im ersten Kapitel folgt das mit rechtlicher Causen begründet. Immer „Was ist Strafrecht und wie nähere ich mich der Materie?“ häufiger sind wirtschaftliche Fragestel- titulierte zweite Kapitel. Im dritten Kapitel werden Vorsatz lungen daher auch sorgfältig anhand und Fahrlässigkeitsdelikte gegenübergestellt. In Kapitel vier wirtschaftsstrafrechtlicher Tatbestände bis sechs setzen sich die Autoren mit „Zurechenbarkeit“, zu prüfen. Aus diesem Grund richtet Rechtswidrigkeit und Schuld auseinander. In Kapitel sieben sich das gegenständliche Werk neben folgen Qualifikationen und Privilegierungen. Kapitel acht bis Rechtsanwälten auch speziell an Unternehmensjuristen. zehn widmen sich den besonderen Erscheinungsformen der Sämtliche Autoren sind Praktiker: Neben den beiden Straftat (Versuch, Beteiligung und Unterlassung). Schlussbe- Herausgebern Mathias Preuschl und Norbert Wess wirkten merkungen (Kapitel elf) runden den Lernbehelf ab. an dem nun vorliegenden Praktikerkommentar 19 weitere Der vielversprechende Buchtitel Rechtsanwälte und -anwärter, Oberstaatsanwalt Marcus „Starthilfe Strafrecht“ weckt Erwartun- Schmitt sowie die beiden Richter Marion Hohenecker und gen, die allerdings nur mit Vorsicht ge- Christian Böhm mit. nossen werden dürfen. Resümierend lässt Auch auf praktische Erwägungen ist zurückzuführen, sich festhalten: Das Vorliegen eines sol- dass die Kommentierung von Delikten, die in anderen straf- chen Kurzlehrbuchs ist ohne Zweifel rechtlichen Kommentaren bereits umfangreich abgehandelt wünschenswert. Bedauerlich ist, dass wurden, wie zB § 127 StGB (Diebstahl), ausgeklammert den Autoren im Werk die eine und ande- wurde, um den zahlreichen wirtschaftsrechtlichen Delikts- re Ungenauigkeit – etwa zu den Themen- normen in Sondermateriengesetzen Raum zu geben. Da- bereichen Tatvorsatz vs überschießender Innentendenz, runter finden sich etwa die Strafbestimmungen des Gesell- Fahrlässigkeitsbegriff und subjektive Fahrlässigkeitselemen- schaftsrechts, des Urheber- und Immaterialgüterrechts, des te, Vorsatzdefinition, Schuldunfähigkeit, Rücktritt vom Ver- Lauterkeitsrechts aber auch Sondertatbestände wie zB § 22 such – unterläuft. Wünschenswert wäre auch, wenn sich die Halbleiterschutzgesetz (Verletzung von Halbleiterschutz- Autoren zum Ziel gesetzt hätten, gut handhabbare, kom- rechten) oder § 25 Sortenschutzgesetz (Strafbare Sorten- mentierte Fallprüfungsschemata mit präzisen – an der hA schutzverletzungen). Die Kommentierung des Verbands- angelehnten – Definitionen zu entwickeln. Dies hätte eine verantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) durch Christian Rohr- echte Marktlücke zwischen Lehr- und Falllösungsbüchern egger und Norbert Wess erfolgte auf rund 60 Seiten.

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 503

Rezensionen

Die Intention der Autoren, das bestehende literarische – verständliche Sprache. Weiterführende Literatur und Angebot in diesem Gebiet – insb das im Verlag Manz er- Quellen sind in die Fußnoten „verbannt“, sodass die einfa- schienene Große Handbuch Wirtschaftsstrafrecht und die che Lesbarkeit gewahrt bleibt und gleichzeitig für besonders Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht (ZWF, spitzfindige, an Details interessierte Leser keine Fragen of- Linde Verlag) – um einen Spezialkommentar zu ergänzen, fen bleiben. ist geglückt. Während die Autoren des Großen Handbuchs Der Kommentar stellt den Anspruch, das neue europä- Wirtschaftsrecht wichtige Themen des Wirtschaftsstraf- ische Datenschutzrecht aus erster Hand „europäisch“ zu er- rechts in Form von gesonderten Beiträgen untersuchen, läutern, was den Autoren vortrefflich gelungen ist. Die He- stellt die hier gewählte Form eines materiell-rechtlichen rausgeber sind ausgewiesene Experten im europäischen Da- Praktikerkommentars eine angenehme Ergänzung, wenn tenschutzrecht, Ehmann hat bereits die DS-RL 1995 kom- nicht sogar aufgrund der dadurch erreichten Systematisie- mentiert, Selmayr hat die Entstehung der DS-GVO selbst rung eine Weiterentwicklung, der sich aus dem allgemeinen maßgeblich beeinflusst. Deutsche und österreichische Prak- Strafrecht herausbildenden Materie Wirtschaftsstrafrecht tiker als Mitherausgeber bringen das Werk zu einem be- dar. achtlichen Umfang, das den Leser dank seiner klaren Struk- Besonders hervorzuheben ist auch ein für eine Erstauf- tur dennoch den Überblick behalten lässt. lage bereits sehr ausführliches Stichwortverzeichnis, das Das Werk ist jedenfalls empfehlenswert, da es einen zahlreiche wirtschaftsstrafrechtliche Fachbegriffe enthält, schnellen Einblick in das europäische Datenschutzrecht er- und damit auch einen Beitrag zur Systematisierung des möglicht und gleichzeitig eine detaillierte Kommentierung Wirtschaftsstrafrechts leistet. mit nationalen Besonderheiten aufweist. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein umfassendes Stichwortver- Wirtschaftsstrafrecht Praktikerkommentar. zeichnis runden das Bild des Kommentars ab. Jedem Inte- Von Mathias Preuschl/Norbert Wess. 1. Auflage, Verlag ressierten im Datenschutzrecht sei dieses Werk sehr ans LexisNexis, Wien 2018, geb, 1.340 Seiten, € 239,–. Herz gelegt, für den Praktiker ist es ein Muss.

FLORIAN LEITINGER Datenschutz-Grundverordnung Kommentar. Von Eugen Ehmann/Martin Selmayr. 2. Auflage. Verlag C.H. Beck, Ansbach/Brüssel 2018, XXXVIII, 1.132 Seiten, Datenschutz-Grundverordnung geb, € 149,–. Kommentar THERESIA LEITINGER ieses sehr umfangreiche Werk kommentiert die Arti- D kel der Datenschutz-Grundverordnung in zweiter Auflage ausführlich und erschöpfend. Einleitend enthält Wohnrecht Taschenkommentar der Kommentar den gesamten Gesetzestext der DS-GVO und eine übersichtlich gegliederte Einführung zum europä- er Wohnrecht Taschenkommentar ist einerseits eine ischen Datenschutzrecht. Im zweiten Teil ist die gesamte D Ergänzung durch die Darstellung von gesetzlichen Be- DS-GVO auf knapp 1.000 Seiten ausführlich kommentiert. stimmungen zum Wohnrecht, andererseits auch eine Ver- Besonders hervorzuheben ist, dass sowohl die nationale ös- tiefung und Setzung anderer Schwerpunkte im Verhältnis terreichische als auch deutsche Rechtslage zu jedem Artikel zum Buch Wohnungseigentum. der DS-GVO ergänzend angeführt ist und kommentiert Illedits/Reich-Rohrwig haben es als wird. Im Anhang sind auch die nationalen Durchführungs- Herausgeber geschafft, eine Anzahl von gesetze in Österreich (DSG) und Deutschland (BDSG) voll- Experten, insb auch aus der Advokatur, ständig abgedruckt. Dies erleichtert das Nachschlagen, wo- zu gewinnen, in diesem Werk mitzu- durch das Werk besonders für Praktiker relevant ist. schreiben. Die kommentierten Gesetze Der Hauptteil des Werks stellt die sind einerseits die Bestimmungen des ausführliche Kommentierung der ABGB im 25. Hauptstück, Kommentie- Art 1– 99 DS-GVO dar. Jeder Artikel rung des MRG, des RichtWG, des ist mit umfassenden Fußnoten und um- WGG, des WEG, des HeizKG, des BTG fangreicher Literatur kommentiert. Am und des BTVG. Mit der Darstellung und Kommentierung Ende eines jeden Kommentars wird dieser Gesetze ist ein umfassender Überblick über das der- nochmals ausführlich auf die einzelnen zeit in Österreich geltende Wohnrecht gegeben. Regelungen in Österreich und Deutsch- Inhaltlich werden nachstehende Beispiele dargestellt. land Bezug genommen, was eine beson- Der Erhalt einer unverhältnismäßigen hohen Gegenleistung dere Nutzerfreundlichkeit darstellt. Hervorzuheben ist die bei der Weitergabe stellt einen Kündigungsgrund nach § 30 im ganzen Werk durchwegs – auch für den Nichtjuristen Abs 1 Z 4 Fall 2 MRG dar. Die Frage, wann eine solche Ge-

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 504

Rezensionen

genleistung noch gerechtfertigt ist, wird nachvollziehbar Private Enforcement: Bspw sieht § 823 Abs 2 BGB eben- auch unter Darstellung der Judikatur (10 Ob 2/16s) präsen- so § 1311 ABGB ein rechtswidriges Verhalten bei der Ver- tiert. letzung von Schutzgesetzen vor (Sprau in Palandt-BGB78 Im Bestandverfahren werden Prozesse verloren oder ge- § 823 Rz 81). Der deutsche BGH hat aufgrund der Verlet- wonnen, wenn man (un)genaue Kenntnis der Verfahrens- zung eines Schutzgesetzes bei der Geltendmachung von bestimmungen hat. Einen aktuellen Überblick gibt die Kartellschadenersatzansprüchen (Art 101 AEUV) das Be- Kommentierung von § 37 MRG mit über 149 Randnum- stehen eines rechtlichen Interesses bejaht (vgl § 226 ö- mern. In diesem Verfahren gilt der beschränkte Untersu- ZPO und § 256 d-ZPO) und eine Feststellungsklage für zu- chungsgrundsatz (§ 37 MRG Rz 55ff). Dies ist besonders lässig erachtet. Der BGH hielt fest, dass das Gutachten zur von Bedeutung, ob und wie Beweisanträge gestellt werden exakten Schadensbezifferung und der Ermittlung eines hy- und Vorbringen erstattet wird. pothetischen Wettbewerbspreises ein begründetes rechtli- Im Bestandverfahren wird oft von Beklagtenseite auf ches Interesse bei der Geltendmachung von kartellrechts- § 1096 ABGB berufen, meist in einer nicht nachvollziehba- widrig verursachten Schadenersatzansprüchen ist, um da- ren Art und Weise. Welche Mietzinsminderungen zulässig mit die Verjährung zu unterbrechen (BGH 12. 6. 2018, sind, zeigen die Rz 77 der Kommentierung zu § 1096. KZR 56/16, Grauzementkartell II, NZKart 2018, 315). Der Eine aktuellere und handlichere Darstellung des Wohn- OGH hingegen verneinte mit mE unzureichender Begrün- rechts in Österreich ist derzeit nicht zu finden. dung das Vorliegen eines Feststellungsinteresses bei den LI- BOR-Manipulationen in OGH 4 Ob 86/17a und wies die Wohnrecht Taschenkommentar. Feststellungsklage ab. Der allgemein gehaltene Hinweis Von Alexander Illedits/Otto Reich-Rohrwig (Hrsg). 3. Aufla- des Klägers dahingehend, dass es ihm nicht bekannt ist ge, Verlag LexisNexis, Wien 2018, XXX, 916 Seiten, geb, und könne auch nicht bekannt sein, „um wieviel er bei nicht € 182,–. erfolgter Manipulation des LIBOR weniger Zinsen gezählt hätte, verweist lediglich auf ein bei der Geltendmachung WOLF-GEORG SCHÄRF von Schadenersatzansprüchen aus Kartellabsprachen allge- mein auftretendes Problem“. Klauselkontrolle: Telos der Kontrolle von AGB ist in Bürgerliches Gesetzbuch Österreich und Deutschland ähnlich (§ 879 Abs 3 ABGB und § 307 BGB; sog verdünnte Willensfreiheit). Bspw er- uod non est in Palandto, non est in mundo“ heißt kannte der BGH die Gebühr für die Bearbeitung eines „q es in Deutschland. Verbraucherkreditvertrags als kontrollfähig und erklärte Der deutsche Jurist wird von dem Beck’schen Kurzkom- sie für unwirksam (Grüneberg in Palandt-BGB78 § 307 mentar von der Wiege seines Studiums bis zur Bahre seines Rz 79). Der OGH hat in 6 Ob 13/16d die Ansicht vertre- Berufslebens begleitet. Der Name ist Synonym für das BGB ten, dass es sich bei einer laufzeitunabhängigen einmali- und Programm für Kommentarkultur geworden (Slapnicar, gen Bearbeitungsgebühr um ein Entgelt für die Kapital- NJW 2000, 1692). Mit 3.357 Seiten zählt der 1939 erstmals überlassung handle und daher dem Kontrollregime des erschienene Palandt-Kommentar in Deutschland zu den § 879 Abs 3 ABGB entzogen sei. ME spricht bereits der „Kurzkommentaren“. Aus der astronomischen Menge jähr- Wortlaut „Bearbeitungsgebühr“ der Klausel gegen die An- licher deutscher Judikatur ist der Palandt-Kommentar das sicht des OGH; wird doch die Gebühr für die Bearbeitung Destillat. Wie in kaum einem anderen Kommentar werden des Kreditvertrags erhoben und wird doch regelmäßig der klare und rechtsprechungsorientierte Antworten geliefert. Zins als Hauptleistung für die Zurverfügungstellung der Im Vergleich zu österreichischen Zivilrechtskommentaren Darlehensvaluta anzusehen sein (§ 988 ABGB). Interes- ist die wertvolle Verknüpfung von materiellem und pro- sant in diesem Zusammenhang ist auch der Gedanke an zessualem Recht besonders auffällig. den grenzüberschreitenden Verbraucherkreditvertrag An gesetzlichen Neuerungen sind (Deutschland-Österreich). Was geschieht bspw wenn ein insb das Gesetz zur Einführung der Mus- deutscher Verbraucher bei einer österreichischen Bank ei- terfeststellungsklage, drittes Gesetz zur nen Kreditvertrag abschließt und für die Bearbeitung des Änderung reiserechtlicher Vorschriften Kreditvertrags eine Gebühr bezahlt? und die Datenschutz-Grundverordnung Arzthaftungsrecht: Die Kommentierung von Sprau zur hervorzuheben. Aus rechtsvergleichen- Haftung der Heilberufe ist aufgrund der reichhaltigen der Sicht sind die Kommentierungen BGH-Rsp von besonderem Wert: Wurden bspw die Pflich- von Thorn zum internationalen Privat- ten des Behandelnden wirksam durch Vereinbarung herab- recht (Rom-I, Rom-II) für den schnellen gesetzt, liegt darin eine Einwilligung zu dieser Art der Be- Überblick wertvoll. handlung. Der Patient kann nicht mehr als das vertraglich Ein Blick in den Palandt lohnt sich bei der Argumenta- Vereinbarte verlangen (Sprau in Palandt-BGB78 § 823 tionsentwicklung. Rz 148).

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 505

Rezensionen

Da es schwer fällt, über einen juristischen Standardkom- Die nunmehr gleich mit dem Erscheinen ausgelieferten mentar in der 78. Auflage etwas Neues zu berichten, möchte 22 Lieferungen behandeln die Art 3, 5–34, 44–60 und der Autor einen kurzen Hinweis auf nachstehende politi- 79–91 der DSGVO und enthalten noch eine lesenswerte sche Diskussion geben. Nachbemerkung zur Entstehungsgeschichte der DSGVO Aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit und den österreichischen Positionen im Laufe der Verhand- von Otto Palandt hat sich in Deutschland eine Initiative lungen zur beabsichtigten Reform, die 2010 begannen und unter dem Namen „Palandt Umbenennen“ etabliert. Diese mit der Kundmachung der Verordnung im Jahr 2016 ende- Initiative fordert nichts weniger als die Umbenennung des te und zur Geltung seit 25. 5. 2018 führte. meistverkauften deutschen Zivilrechtskommentars. Als Der gelungene Auftakt lässt ohne Bedenken auch die Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes und Mitglied Fortsetzung auf weiterhin bleibendem Niveau erwarten der NSDAP sowie der Akademie für deutsches Recht habe und wird ohne viel Kühnheit in der Vorhersage den Platz Otto Palandt die Arisierung des Rechtswesens vorangetrie- des Standardwerkes zum Thema einnehmen. ben. Wenn Hermann Göring und Rudolf Heß, Heinrich Himmler und Roland Freisler als Namensgeber tabu seien, Der DatKomm – Praxiskommentar zum Datenschutz- dann müsse dies auch für Otto Palandt gelten, fordern die recht. Anhänger der Initiative. Näheres zu den Forderungen und Von Rainer Knyrim (Hrsg). 1. Auflage, Verlag Manz, Wien Vorwürfen ist der Homepage www.palandtumbennen.de 2019, XLIV, 1.344 Seiten, Kpl.-31.Lfg + 2 M, € 198,– (Ach- zu entnehmen. tung: 2019 bis 31. Lfg erhältlich!!!)

Bürgerliches Gesetzbuch. WOLFGANG KROPF Von Otto Palandt. Bearbeitet von Gerd Brudermüller/Jür- gen Ellenberger/Isabell Götz/Christian Grüneberg/Sebastian Herrler/Hartwig Sprau/Karsten Thorn/Walter Weidenkaff/ Haftung für Gebäudesicherheit Dietmar Weidlich/Hartmut Wicke. 78. neubearbeitete Auf- lage, C.H. BECK, München 2019, XXXIV, 3.357 Seiten, ebäudesicherheit ist ein zentrales Thema das Rechts- € 118,30. G und Bauwesens. An die Sicherheit von Gebäuden wer- den immer mehr und immer strengere Anforderungen ge- MAXIMILIAN MAIER stellt. Das bedeutet für Bauherren, Baustellenkoordinatoren, Eigentümer und Verwalter eine große Herausforderung. – Diese zu bewältigen, hilft das vorliegende Praxishandbuch. Der DatKomm Es befasst sich mit dem Thema der Gebäudesicherheit unter Praxiskommentar zum mehreren Gesichtspunkten: Teil I ist den rechtlichen Aspekten Datenschutzrecht gewidmet. Daraus ist insb der dynami- sche Erhaltungsbegriff (S 52ff) hervor- u den zahlreichen Publikationen des Vorjahres kam im zuheben. Die Rsp (5 Ob 144/05w ua) Z Herbst 2018 – man ist versucht zu sagen, endlich – bedient sich dieses Begriffs in Abkehr auch noch der DatKomm, herausgegeben von Rainer Kny- von starren, statischen Erhaltungskon- rim, auf den Markt und damit wurde die wohl bisher aus- zepten im Interesse einer sinnvollen führlichste Bearbeitung der Materie begonnen. Begonnen, Entwicklung von Gebäuden und defi- weil für das Werk das Format eines Faszikelwerks in vorerst niert die Haftungserfordernisse auf die- zwei Mappen gewählt wurde und damit im Abonnement ser Grundlage, woraus die Qualifizierung sicherheitstech- die Ergänzungen nachfolgen bis zu einer dann wohl in der nischer Nachrüstungen als Erhaltungsmaßnahmen iSd § 3 Endstufe auch umfänglich ansehnlichen Sammlung. MRG, des § 14a WGG bzw des § 27 WEG resultiert Allein die Tatsache, dass über 30 Au- (S 54). Der dynamische Erhaltungsbegriff stößt aber auch toren mit durchaus verschiedenen (über- auf Schranken. Ein Gebäude muss also nur insofern nach- wiegend juristischen, aber auch techni- gerüstet werden, wie dies zur Erhaltung von dessen Funk- schen und betriebswirtschaftlichen) Hin- tionsfähigkeit notwendig ist. Es ist also eine Reparaturbe- tergründen an dem Werk mitgewirkt ha- dürftigkeit des Gebäudes vorausgesetzt. Die Autoren be- ben ist beeindruckend und verbürgt eine handeln diese diffizilen Fragen in sehr praxisnaher Weise vielfältige Durchdringung der Materie (zB S 61ff: Praktische Umsetzung der gewonnenen Er- und den Hinweis des Herausgebers, dass sich die Autoren kenntnisse). Sie gehen dabei auf Fragen des Problembe- daher bei weitgehend gesuchtem Konsens dennoch nicht in wusstseins und der – laut ihnen meist zu geringen – Ein- allen Punkten einig sind und daher die Querverweise auf schätzung des Gefährdungspotenzials ein und erteilen andere Artikel beachtet werden mögen, ist ernst zu nehmen. rechtlich fundierte Ratschläge. Auch das Thema der Wei-

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 506

Rezensionen

sungen der Eigentümergemeinschaften an die Verwalter Österreichisches und werden in diesem Zusammenhang behandelt (S 63ff). Sodann widmen sich die Autoren in Teil II dem Thema internationales Urheberrecht der Gebäudesicherheit aus der Perspektive der Ö-Normen, gehen dabei auch auf die zur Bestimmung des Haftungsum- ie große Gesetzesausgabe zum österreichischen und fangs maßgebliche Definition des Stands der Technik ein D internationalen Urheberrecht umfasst nicht nur eine (S 79ff) und behandeln auch die OIB-Richtlinien (die sie eingehende Befassung mit der österreichischen Rechtslage zB auf S 168 sogar als die „Mutter aller Prüfungen“ bezeich- und somit allen voran mit dem UrhG, sondern auch mit nen) sowie abschließend in Teil III das BauKG. den Rechtsvorschriften der Europäischen Union als auch Das Zusammenwirken von rechtlich und bautechnisch mit wesentlichen internationalen Verträgen. Das Werk be- erfahrenen Autoren verleiht dem Buch eine besondere No- findet sich auf dem Stand Juni 2018 und beinhaltet damit te. So konnten in den Autoren Gartner und Kothbauer um- topaktuelle Judikatur sowie Literatur. Auch die Materialien fassend (einmal aus anwaltlicher Perspektive, einmal aus zum UrhG werden in dieser Gesetzesausgabe beinahe voll- Hausverwaltungsperspektive) mit dem Wohn- und Immo- ständig wiedergegeben, was insgesamt zu der noch umfang- bilienrecht vertraute und darauf spezialisierte Juristen sowie reicheren Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht durch in Poschalko ein als Baumeister naturgemäß mit baulichen diese neue Auflage beiträgt. Aspekten vertrauter Autor gewonnen werden. Dies schlägt Mitberücksichtigt wird zudem die sich auch in der Herangehensweise der Autoren zum The- Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018, die ma nieder: So werden nicht nur die bereits für sich hinrei- die Erleichterung des barrierefreien Zu- chend komplexen haftungsrechtlichen Grundlagen, son- gangs zu bestimmten veröffentlichten dern auch die sich konkret in der Praxis stellenden Fragen Werken durch blinde, sehbehinderte in einer Weise behandelt, die jedem mit dem Thema Befass- oder anderweitig lesebehinderte Perso- ten auf rund 300 Seiten eine hervorragende Grundlage bie- nen umsetzen möchte. In Folge der No- tet, um den Herausforderungen zu entsprechen, die sich aus velle kam es daher ua zu einer formellen den zahlreichen immer strenger werdenden Anforderungen Neugestaltung des § 42d UrhG. Dies war an die Sicherheit von Gebäuden ergeben. aufgrund der ergangenen RL (EU) 2017/1564 notwendig ge- In rechtspolitischer Hinsicht ist dabei allerdings nicht worden, ändert aber an der materiellen Rechtslage kaum außer Acht zu lassen, dass zwar einerseits das Ziel der Er- etwas, so dass die bisherige Rsp zu § 42d UrhG weitgehend höhung der Sicherheit freilich stets positiv ist, dabei aber anwendbar bleibt. andererseits zahlreiche – weit über die gesetzlichen Erfor- Besonders innerhalb des Strafrechts wird das Recht am dernisse hinausgehende und von der Rsp gleichsam im Um- eigenen Bild relevant, wenn es im Zuge des Verfahrens zu kehrschluss aus Haftungsnormen abgeleitete – Anforderun- einer Bildnisveröffentlichung des Verdächtigen kommt. gen den Kostenaufwand erhöhen, ohne dass ein damit ver- Das Recht am eigenen Bild findet seine Rechtsgrundlage bundener Sicherheitsgewinn gewiss wäre. Auch die Rechts- in § 78 UrhG. In engem Zusammenhang dazu stehen insb sicherheit leidet darunter, denn an sich müsste man sich bei der Kriminalberichterstattung die medienrechtlichen darauf verlassen können, dass dann, wenn man alle gesetz- Ansprüche nach §§ 6f MedienG. So darf namentlich etwa lichen Vorschriften einhält, auch weder für die Annahme die Unschuldsvermutung nicht missachtet werden. Hierbei einer Rechtswidrigkeit noch für jene eines Verschuldens ist in erster Linie darauf zu achten, ob vom entsprechendem Anhaltspunkte bestünden. Dies ist aber nach der Judikatur Medium nicht ein bloß Tatverdächtiger als bereits über- nicht so, weil – vereinfacht gesagt – über die Einhaltung führt dargestellt oder ein Urteil, gegen das ein Rechtsmittel konkreter Vorschriften hinaus auch dem Stand der Technik erhoben wurde, als rechtskräftig bezeichnet wird. Eine gemäße Nachrüstungen von Eigentümern erwartet werden. Missachtung der Unschuldsvermutung liegt ua auch bereits Daher ist ein Buch wie das vorliegende besonders wertvoll, dann vor, wenn die strafrechtliche Schuld der abgebildeten weil es allen mit dem Thema befassten Personengruppen Person zur Zeit der Bildnisveröffentlichung nicht rechts- einen sicheren Leitfaden durch das Dickicht der sich im kräftig festgestellt war. Auch eine Floskel am Ende eines Lichte der Judikatur stellenden Anforderungen bietet und Artikels („Die Unschuldsvermutung gilt.“) schließt die Ver- bereits präventiv hilft, sich auf diesem heiklen Terrain rich- letzung der Unschuldsvermutung nicht aus, wenn sich aus tig zu verhalten. dem Gesamterscheinungsbild des Berichts für den durch- schnittlichen Leser keine Zweifel an der Schuld ergeben. Haftung für Gebäudesicherheit. Für die Entschädigung nach dem MedienG ist § 8a Abs 2 Von Herbert Gartner/Christoph Kothbauer/Karl Poschalko. maßgeblich, wonach es eine Frist von lediglich sechs Mona- Verlag Manz, Wien 2018, XII, 308 Seiten, br, € 48,–. ten ab erstmaliger Verbreitung, Ausstrahlung oder Abruf- barkeit gibt. Neben den Möglichkeiten des MedienG gibt es ADRIAN EUGEN HOLLAENDER jedoch noch die des UrhG auf Schadenersatz. Für diese Ent- schädigung gelten die allgemeinen Vorschriften zu Entschä-

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 507

Rezensionen

digungsklagen nach § 1489 ABGB, so dass eine Verjäh- Die Autoren betonen zu Recht den Stellenwert der Eigen- rungsfrist von drei Jahren, ab Kenntnis von Schaden und verantwortung und die Notwendigkeit des Sorgfaltsbe- Schädiger anzuwenden ist, wenn Verschulden des Veröf- wusstseins „Eine Polsterpiste kann nicht erwartet werden“. fentlichers vorliegt. Das vorliegende Werk geht jedenfalls Als Leser hat man tatsächlich den Eindruck, dass in die- ausführlich auf die dazu ergangene Rsp und auf die jeweili- sem Buch eine vollständige Wiedergabe der Judikatur zur gen Entscheidungen zu den verschiedenen Bestimmungen Verkehrssicherung auf Skipisten enthalten ist. Dies gilt auch des MedienG sowie des § 78 UrhG ein. für die Literaturhinweise. Diese große Gesetzesausgabe zum österreichischen und Die geringe Zeitspanne zwischen erster und zweiter Auf- internationalen Urheberrecht von Dokalik/Zemann zeich- lage spricht einerseits für die Relevanz der bearbeiteten Ma- net sich insb durch die weitreichende Erfassung des gelten- terie, andererseits aber auch für eine hohe Aktualität. So den Urheberrechts inklusive eingehender Betrachtung der wurden Rsp, Literatur und Gesetzesänderungen bis Ende Rsp und Literatur ab. Die wiedergegebenen Entscheidungen 2018 berücksichtigt. Der bisherige Begriff der Begehung un- helfen bei der praktischen Arbeit und lösen fast jede Frage ter besonders gefährlichen Verhältnissen, § 81 Abs 1 StGB der teils sehr komplexen Themengebiete. Die Arbeit mit wurde durch „grob fahrlässige Herbeiführung des Todes ei- dem Werk kann sohin nur weiterempfohlen werden. nes anderen“ ersetzt, bei der Definition der Abfahrten wur- de die neue Ö-NORM S 4611 berücksichtigt und der Begriff Österreichisches und internationales Urheberrecht. der Sonderflächen (Funparks, WISBI-Strecken und Renn- Von Dietmar Dokalik/Adolf Zemann. Große Gesetzesaus- und Trainingsstrecken) miteinbezogen, im Kapitel Seilbah- gabe, 7. Auflage, Verlag Manz, Wien 2018, XXXVI, 1.556 nen wurden die entsprechenden Richtlinien aufgenommen. Seiten, geb, € 288,–. Weiters wurde ua auch die Frage behandelt, inwieweit nach Betriebsschluss aus der Piste freies Gelände wird, bei GEROLD BENEDER Schneegeländefahrzeugen wurde der vom OGH geprägte Begriff „unumgängliche Notwendigkeit“ eingeführt und entsprechend erläutert, die Thesen bei Lawinensprengun- Österreichisches Skirecht gen wurden neu formuliert und im Abschnitt Rodelbahnen wird die Einteilung nach Schwierigkeitsgraden wiedergege- ach etwas mehr als vier Jahren ist nunmehr die zweite ben, wobei diese Klassifikation etwas sperrig erscheint, was N Auflage „Österreichisches Skirecht“ von Vater und allerdings nicht in die Kompetenz der Autoren fällt; ebenso Sohn Manhart erschienen. Das Werk befasst sich vornehm- wenig wie die Vielzahl der Pistenverkehrszeichen gemäß lich mit Verkehrssicherungsfragen, wogegen Rechtsfragen ÖNORM S 4611, die auch wiedergegeben wird. bei Kollisionsunfällen zwischen Skifahrern nur kurz bei Ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis in Verbindung mit den FIS-Regeln behandelt werden. Würde auch dieser Be- einem präzisen Stichwortverzeichnis erleichtern die Hand- reich Eingang finden und die fast vollständigen Hinweise habung dieses Werkes. Nach Ansicht der Verfasser wendet zur Rsp und Literatur beibehalten, würde der Umfang jedes sich das Buch einerseits an mit Skirechtsfragen befasste Ju- Buches gesprengt werden. risten, wie Richter, Rechtsanwälte und Schadensreferenten, Andererseits beschäftigt sich das andererseits an Verantwortliche der Seilbahnunternehmen, Werk nicht nur mit Verkehrssicherungs- wie Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter. Für die- fragen im organisierten Skiraum, son- sen Adressatenkreis ist diese Arbeit tatsächlich äußerst hilf- dern behandelt auch mit viel Präzision reich und fast unverzichtbar. Ich würde allerdings den Ad- Rechtsfragen hinsichtlich Loipen und ressatenkreis auch um interessierte Studierende erweitern, Rodelbahnen. So werden auch die FIS- zumal Fragen der Verkehrssicherungspflicht in verschiede- Regeln für Skifahrer und Snowboarder nen Lebensbereichen zu lösen sind und dieses Buch – wenn sowie Langläufer im Anhang wiederge- auch auf den Skisport zugeschnitten – auch für juristische geben, weiters Empfehlungen für Skitou- Einsteiger bestens geeignet ist. Die ersten 20 Seiten geben rengeher, Rodelregeln, Funparkregeln, Freerideregeln und nämlich einen prägnanten Überblick über grundsätzliche Regeln für Downhill-Strecken. Dazu kommen noch rele- straf- und zivilrechtliche Begriffe. vante Details aus Landesgesetzen. Dabei ist wohl bemer- kenswert, dass im Gegensatz zu Tirol und Vorarlberg Wien Österreichisches Skirecht. schon 2002 und Burgenland 2004 die Helmpflicht für Min- Von Sepp Manhart/Rupert Manhart. 2. Auflage 2019, Linde derjährige bis zum vollendeten 15. Lebensjahr vorschrei- Verlag, 224 Seiten, geb, € 49,–. ben. Gerade bei Verkehrssicherungsfragen wird bisweilen in WILHELM MAHLER-HUTTER der Judikatur der Aspekt Eigenverantwortung etwas ver- nachlässigt. In diesem Werk kommt dieser Terminus häufig vor, wobei sich wohl bei jedem Einzelfall diese Frage stellt.

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 508

Rezensionen

Beck’sches Formularbuch liegenden Vertragswerk übernehmen. Im Detail geben manche vorgeschlagenen Bestimmungen hilfreiche Denk- Bürgerliches, Handels- und anstöße für die Umsetzung im nationalen Recht, insb die Einzelheit der Ausformulierung des Gegenstands der Liefe- Wirtschaftsrecht rung und Leistung. Vergleichbare österreichische Muster- werke lassen eine derart gründliche Auseinandersetzung nfang Dezember 2018 erschien die nunmehr 13. Auf- oft vermissen, dafür verleitet der vorliegende Formulartext ’ A lage des Beck schen Formularbuches für Bürgerliches, umso mehr dazu, einen Blick auf die österreichische höchst- Handels- und Wirtschaftsrecht. Ein umfangreiches und gerichtliche Rsp und Literatur zur Vereinbarung des Ver- praxisnahesVertragshandbuch,welcheserstmalsbereits tragsgegenstandes zu werfen. In Kombination mit den Hin- 1978 veröffentlicht wurde. Mittlerweile erwirbt man (zeitge- weisen auf deutsche Judikatur eröffnet sich dem österreichi- mäß) mit dem Formularbuch zusätzlich auch einen Frei- schen Anwender die Möglichkeit, ein fundiertes Vertrags- schalt-Code für die Formulare (ohne Anmerkungen) zum werk zu schaffen, in welches dank der Rechtsvergleichung – Download. zumindest für den nationalen Markt – neue Regelungsideen Die Bedeutung des von Dr. Michael Eingang finden können. Hoffmann-Becking und Dr. Alexander Auch das Vertragsmuster 2. „Franchise-Vertrag“, im Ka- Gebele herausgegebenen Werks be- pitel „Schuldrecht“, „Gemischte moderne Vertragstypen“ schränkt sich allerdings nicht nur auf ist ein gutes Beispiel für die Anwendbarkeit auch unter das Bundesgebiet Deutschlands, sondern der österreichischen Rechtslage. So gelten die Ausführun- bereichert auch die Literaturlandschaft gen zur Bedeutung der Regelung bzgl gewerblicher Schutz- der österreichischen Kollegen. Obwohl rechte, Know-how oder immaterieller Güter nahezu eins zu die Formulartexte auf die deutsche eins für Österreich. Rechtslage gemünzt sind, lässt sich ein Das Beck’sche Formularbuch schafft alles in allem Großteil davon, sei es aufgrund der Gleichartigkeit der nicht nur eine praktische und übersichtliche Hilfe für Rechtssysteme oder der europarechtlichen Harmonisie- den juristischen Berufsalltag, sondern schafft bei entspre- rung, für die berufliche Praxis in Österreich übernehmen. chender Anpassung an das nationale Recht auch einen Aber auch selbst dann, wenn ein Textbaustein auf einen wertvollen Beitrag zur Rechtsfortbildung im allgemeinen dem österreichischen Recht unterliegenden Sachverhalt Vertragsrecht und -usus. Am Rande ist auch das Preis- nicht anwendbar ist, gibt immerhin sein Inhalt einen Hin- Leistungs-Verhältnis hervorzuheben, zu einem Preis von weis auf die grundsätzliche Regelungsbedürftigkeit und Re- knapp unter € 150,– erwirbt man eine umfangreiche und gelungsmöglichkeit auch in Österreich. kommentierte Sammlung an Formulartexten von hoher – Das Werk folgt in struktureller Hinsicht einem für Qualität, welche dank der Möglichkeit ihres Downloads – die juristische Literatur üblichen Aufbau: An Vorwort, unkompliziert und praktisch eingesetzt werden können. Inhalts- und Abkürzungsverzeichnis schließt das eigentli- Zweifelsohne handelt es sich daher beim Formularbuch che Formularwerk an, auf den letzten Seiten findet sich um ein Werk, welches nicht nur deutschen Rechtsanwen- das Sachregister. Die Formulartexte sind grundsätzlich ka- dern behilflich ist, sondern zu einem günstigen Preis auch pitelweise nach Rechts- bzw Anwendungsgebiet gegliedert österreichische Rechtsanwälte bei der täglichen Arbeit un- und werden darin jeweils durchnummeriert, sodass am terstützt. Anfang eines jeden Kapitels stets mit „1.“ begonnen wird – (ungleich mancher Formularwerke, welche trotz Auftei- Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und – lung nach Kapitel eine durchgehende Nummerierung Wirtschaftsrecht. aufweisen). Von Michael Hoffmann-Becking/Alexander Gebele (Hrsg). Der Aufbau der einzelnen Formulartexte ist schlicht und 13. Auflage, C.H.Beck Verlag, München 2018, XLV, 2.833 übersichtlich gehalten. Der eigentliche Text ist in Fettdruck Seiten, € 142,90. hervorgehoben, darin enthaltene Fußnoten werden daran „ “ anschließend unter der Überschrift Anmerkungen ausge- JAKOB HÜTTHALER-BRANDAUER führt. Um die Praktikabilität des Werks für die österreichische Berufspraxis hervorzuheben, wird an dieser Stelle auf das Vertragsmuster 33. „Allgemeine Lieferbedingungen zur Verwendung gegenüber Unternehmen“ des Kapitels „Schuldrecht, Besonderer Teil“, Unterkapitel „A. Kauf von beweglichen Sachen und Unternehmen“ beispielhaft Bezug genommen. Die Regelungsinhalte lassen sich im Wesentli- chen problemlos für ein dem österreichischen Recht unter-

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 509

Rezensionen

Wohnungseigentum Sehr ausführlich sind die verschiedenen Probleme und Bestimmungen der Verwaltung dargestellt, unterstützt durch Musterbeispiele. Ein nicht zu unterschätzender unmehr ist die 6. Auflage des Handbuches Woh- Rechtsfrage ist der Ausschluss aus der Eigentümergemein- nungseigentum erschienen. Man kann nur einige N schaft (Rz 2006ff), ein Instrument, welches für den betrof- Kapitel besonders herausstreichen. Ab der Rz 273 werden fenen Wohnungseigentümer den Verlust seiner Wohnung die Rechte des Wohnungseigentumswerbers in der Insol- bedeutet und aufgrund der schwerwiegenden Eingriffe sel- venz des Liegenschaftseigentümers zum Wohnungseigen- ten angewendet wird. Insb die Darstellung mit der Judikatur tumsorganisator dargestellt. Diese Darstellungen sind äu- ist von Bedeutung. ßerst praxisnah. Die Autoren zeigen die Problematik der Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG im Zusammenhang Wohnungseigentum. mit der Zwangsversteigerung als auch mit der Insolvenz auf, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Im pa- Von Alexander Illedits/Karin Illedits-Lohr. 6. Auflage, Verlag NexisLexis, Wien 2018, XXIV, 816 Seiten, geb, € 94,–. rallel erschienenen Wohnrecht Taschenkommentar, 3. Auflage, sind in den Anmerkungen zu § 40 WEG (Rz 17ff) auch einige Entscheidungen, wie zum Beispiel WOLF-GEORG SCHÄRF die E 5 Ob 6/16t zu lesen. Diesbezüglich wäre eine Ein- arbeitung der Entscheidungen in diesem Kapitel hilfreich gewesen. In Kapitel 1 sind wesentliche Ver- tragsinhalte für Kauf- und Wohnungsei- gentumsverträge als Beispiele (S 98ff) angeführt. Dies zeigt vor allem die Pra- xisrelevanz des Handbuchs Wohnungs- eigentum) auf. Nicht nur bei Neuparifizierungen, sondern vor allem bei Verfahren betref- fend der Nutzwerte bei älteren Parifizie- rungen – nach 1975 – ist die Definition und die Berechnung der Nutzwerte (473ff) von besonderer Bedeutung. Die Dar- stellungen sind sehr übersichtlich. Viele Wohnungseigen- tumsanlagen sind vor dem WEG 1975 parifiziert worden, sodass die Nutzwerte nach den alten Bestimmungen des MG vorgenommen worden sind. Auf den ersten Blick hat der Rezensent diesbezüglich keinerlei Darstellungen gese- hen, wenn eine solche im Buch nicht vorhanden ist, ist es für den Rechtsanwender in solchen Verfahren durchaus hilfreich eine entsprechende Darstellung zu finden. Das Kapitel „Wartungs- und Duldungspflichten des Wohnungseigentümers“ kann in der täglichen Praxis er- heblich relevant sein, insb wenn es „störrische Woh- nungseigentümer“ gibt, bzw die Hausverwaltung bzw die Mehrheit der Wohnungseigentümer Maßnahmen setzt, die einen anderen Wohnungseigentümer stark betreffen. In diesem Zusammenhang ist auch das Kapitel Abwehr- rechte des Wohnungseigentümers (Rz 864ff), welches durch Musterbeispiele ergänzt wird, von erheblicher Be- deutung.

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 510 Zeitschriftenübersicht

AKTUELLES RECHT ZUM DIENSTVERHÄLTNIS 6644 3 Hahn, Natalie und Stefanie Burischek: Änderung der Car Policy – Was gilt es aus Dienstgebersicht zu beachten? 6645 3 Gerhartl, Andreas: Einsichtsrechte des Betriebsrats 6646 3 Covarrubias Venegas, Barbara und Dominik Fröhlich und Marlene Schrimpf: Beschäftigungsfähig oder nicht beschäftigungsfähig? Das ist hier die Frage! 6647 3 Lindmayr, Manfred: Wenn der Urlaubsanspruch nicht mehr reicht – Wissenswertes rund um den Urlaubsvorgriff 6648 3 Sabara, Bettina: Anrechnung von Karenzzeiten auf dienstzeitabhängige Ansprüche 6649 3 Lindmayr, Manfred: Steuerreform 2019/2020 – ein Überblick 6650 3 Aumaier, Veronika: Human Resources Management pure und simple

ARBEITS- UND SOZIALRECHTSKARTEI 5 169 Blasl, Karin: Kein Anspruch auf den Familienzeitbonus während des Krankenhausaufenthalts nach der Geburt des Kindes 173 Rauch, Thomas: Verfall von Überstundenentgelt. Berechnung des Wochengeldes bei ausländischen Beschäftigungszeiten

AUFSICHTSRAT AKTUELL 220Gruber, Johannes Peter: Die stiftungsrechtliche Rechtsprechung des OGH im Jahr 2018

BANKARCHIV 5 328 Ritt-Huemer, Manuel und Zurab Simonishvili: Genossenschaft, spalte dich! – Das neue Genossenschaftsspaltungsgesetz im Über- blick 6 401 Faber, Wolfgang: In Deutschland publizitätslos begründetes Sicherungseigentum nach Grenzübertritt doch nicht unwirksam? – Kritisches zu OGH 3 Ob 249/18s und Vorschlag einer alternativen Lösung 411 Bernsteiner, Clemens und Martin Miernicki: SEPA-Lastschrift und Valutaverhältnis – Zivilrechtliche Fragen von Erstattung und Widerruf

BAU AKTUELL 390Herrmann, Andreas: Kalkulierbarkeit von Risiken 93 Buchleitner, Christina: Irrtümer beim Werkvertrag 96 Reckerzügl, Walter: Spekulation in der Bauwirtschaft 105 Karasek, Georg: Die Dokumentation des Bauablaufs 114 Unzeitig, Michael: Regress und Schadenersatz zwischen General- und Subunternehmer

DATENSCHUTZ KONKRET 232Knoll, Martin: Kontodaten nach der DSGVO 34 Mertinz, Anna: Datenschutzrecht im HR-Alltag 37 Stangl, Florian: Datenschutzbeauftragte: (Un-)Zulässigkeit betrieblicher Nebentätigkeiten

ECOLEX 5 392 Zankl, Wolfgang: Rückforderung von Spielverlusten bei Geschäftsunfähigkeit 395 Rainer Schmitt, Thomas und Erik Steiner: Lootboxen: Glückspiel in Computerspielen? 403 Schwamberger, Sebastian: Die Verzugspauschale auf dem Prüfstand des EuGH 428 Zoidl, Christian: Die Konzernhaftung nach der DSGVO – Schein oder Sein? 437 Engin-Deniz, Egon: Post-Sale-Verwendung einer fremden Marke – was ist erlaubt? 444 Fleißner, Lisa: Verpflichtung freier Dienstnehmer zum Datengeheimnis? 454 Capelare, Jennifer und Günther Schaunig: Zusammenfassende Meldung im Umsatzsteuerrecht und standesrechtliche Verschwie- genheitspflicht 465 Völkel, Oliver und Leyla Farahmandnia: Die Verschwiegenheitspflicht der RechtsanwältInnen im Spannungsverhältnis zu Melde- und Auskunftspflichten nach der RAO

FINANZ JOURNAL 275Endfellner, Clemens: Die Befreiungsbestimmungen bei der ImmoESt 77 Novacek, Erich: Das Doppelbestrafungsverbot im Steuerrecht

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 511

Zeitschriftenübersicht

GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ UND URHEBERRECHT 5 441 Ohly, Ansgar: Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz im Überblick 468 Herr, Jochen und Philipp Engert: Erschöpfung bei Ersatzteilen 476 Pierer, Joachim: Die Persönlichkeitsrechte des Urhebers nach dem Tod

INTERDISZIPLINÄRE ZEITSCHRIFT FÜR FAMILIENRECHT 277Bruchbacher, Karin und Hanita Veljan: Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen im Internet 105 Dokalik, Dietmar und Caroline Mokrejs-Weinhappel: Alterstypische Freiheitsbeschränkungen 120 Schweda, Patrick: Kein Zugriff auf gesperrte Bankkonten mittels Amtsbestätigung 134 Uitz, Matthäus: Die gewählte Erwachsenenvertretung im Kollisionsrecht

IMMOLEX 4 122 Boscheinen-Duursma, Henriette und Marlene Springer: Die Kostentragung im Zusammenhang mit „Messvorrichtungen“ 147 Fuhrmann, Karin: Umsatzsteuer bei Wohnungseigentum 5 154 Pfeiffer, Klaus: Wesentliche Neuerungen für Studentenheime 171 Köll, Daniel: Die Kaufpreisbildung bei einer „Miete mit Kaufoption“ im Spannungsverhältnis bundesstaatlicher Kompetenzver- teilungen 178 Lindinger, Eike: Die Nebenintervention im Kündigungsverfahren 180 Kalt, Stefan und Veronika Seitweger: Umsatzsteuerbemessungsgrundlage für Richtwertmietzinse

JOURNAL FÜR ERBRECHT UND VERMÖGENSNACHFOLGE 14Müller, Katharina und Martin Melzer: Erfolgsfaktoren für den Generationenwechsel in der Privatstiftung 15 Zinnöcker, Berndt: Praktische Fragestellungen bei der KESt-Freistellung von Pflichtteilergänzungsansprüchen durch eine Privat- stiftung

JURISTISCHE BLÄTTER 4 201 Kramer, Ernst: Methodologische Sonderprobleme bei der Interpretation rezipierten Rechts 210 Satuner, Lyane: Videotechnologie im Strafverfahren: Kommunikation, Dokumentation und Reproduktion 5 269 Reischauer, Rudolf: Das Kontokorrent (§§ 355ff UGB) insbesondere im Lichte der Anrechnungsregeln (§§ 1415 und 1416 ABGB), der Besicherung (§ 356 UGB) und bereicherungsrechtlicher Fragen (§§ 1431 und 1435 ABGB) 284 Pendl, Matthias und Elke Heinrich: Der Arbeitsgesellschafter – Historische Linien, vergleichende Perspektiven und geltendes Recht

JUSIT 243Sonntag, Michael: Das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz 59 Mangelberger, Beata: Wer ist der Adressat von DS-GVO-Geldbußen? 64 Krenn, Stefan: Hohe Strafen bei Verstößen gegen die DS-GVO –„Inability to Pay“ als Ausweg? 72 Müllner, Lisa und Lukas Wieser: §§ 12f DSG – Kein Spielraum für Beharrlichkeit 80 Jahnel, Dietmar: Gesetzgebungsmonitor Datenschutz: Das Ende der Landes-Datenschutzgesetze durch die DSG-Novelle 2019

MEDIEN UND RECHTINTERNATIONAL 13Reinold, Jürgen: Österreich führt eine Digitalsteuer ein

ÖSTERREICHISCHE BLÄTTER FÜR GEWERBLICHEN RECHTSSCHUTZ UND URHEBERRECHT 3 116 Seelos, Barbara: Ohio v. American Express 121 Adocker, Thomas: Der Streitgegenstand im Patentverletzungsverfahren und seine Grenzen

ÖSTERREICHISCHE JURISTENZEITUNG 8 341 Foglar-Deinhardstein, Stephan: Bankomatgebühren 346 Ratz, Eckart: Neues zum Disziplinarverfahren gegen Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Notare 9 389 Jenny, Clemens: Das System der Verjährungsunterbrechung durch Belangen im ABGB 396 Schusterschitz, Gregor: Der österreichische EU-Ratsvorsitz aus rechtlicher Sicht 403 Roitner, Florian: Die amtswegige Vorprüfung des Strafantrags 10 437 Mayer, Lisa: Anordnung freiheitsbeschränkender Maßnahmen iS des HeimAufG durch Turnusärzte?

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 512

Zeitschriftenübersicht

448 Bierlein, Brigitte: Gedanken zu den ersten fünf Jahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit 452 Plöckinger, Oliver: (Voll-)Autonomes Fahren und Strafrecht

ÖSTERREICHISCHE NOTARIATSZEITUNG 4 121 Dukic, Denan: Die europäischen Güterrechtsverordnungen 5 161 Vogl, Felix Karl: Waffenbesitz und Erbrecht

ÖSTERREICHISCHE STEUERZEITUNG 6 140 Bendlinger, Stefan: Keine KESt-Entlastung bei Durchlaufgesellschaften 146 Franke, Lukas: Steuerliche Privilegien Dritter und Präjudizialität 151 Kaufmann, Karin: Geschenkkörbe – Umsatzsteuerliche Behandlung von Geschenkkörben bestehend aus Gegenständen mit un- terschiedlichen Steuersätzen 7 164 Rohn, Eva: Die Betriebsaufgabe einer Mitunternehmerschaft 173 Luketina, Marina: Umsatzsteuerliche Ansässigkeit von Kleinunternehmern bei Immobilienvermietung 182 Pöschl, Rudolf: Verköstigung von Dienstnehmern als Eigenverbrauch aus umsatzsteuerlicher Sicht 8 193 Beiser, Reinhold: Grundstückswerte für Baurechte und Gebäude auf fremdem Boden – Gegenleistung, Grundstückswerte und gemeiner Wert in der Grunderwerbsteuer 197 Adametz, Johann: Das Verfahrensrecht bei der Kapitalertragsteuer

ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KARTELLRECHT 251Ivanova, Alexandra: Schiedsgerichtsbarkeit und Kartellrecht: Perspektiven und Herausforderungen aus Sicht des Wettbewerbs- vollzugs 64 Thiede, Thomas und Christian H. Müller: Im Anfang war die Tat! – Strategische Überlegungen zur Geltendmachung und zur Abwehr von kartellschadenersatzrechtlichen Ansprüchen

RECHT DER UMWELT 249Kerschner, Ferdinand: Klimaschutz aus umweltrechtlicher, insb auch aus völkerrechtskonformer Sicht 52 Hochreiter, Werner: Standortentwicklungsgesetz die Zweite – mehr als Symbolik? 66 Mauerhofer, Volker: EU-Gebiets- und Artenschutz-Judikatur: CEF-Maßnahmen ade? (Teil 1)

RECHT DER WIRTSCHAFT 4 220 Koppensteiner, Hans-Georg: Neuerungen des Publizitätsregimes im Gesellschaftsrecht 228 Vonkilch, Isabelle: Immobilisierung von GmbH-Geschäftsanteilen durch Vorkaufsrechte? 233 Schumacher, Hubertus: Forderungsbestreitung durch den Insolvenzverwalter – Fortsetzung des Schiedsverfahrens als Prüfungs- prozess 249 Firneis, Isabel und Matthias Unterrieder: Vom Karfreitag zum „persönlichen Feiertag“ 254 Schrank, Franz: Außergewöhnliche Witterungsgewalten und Arbeitsausfall – wann fortzahlungsfreie neutrale Sphäre? 5 290 Gerhartl, Andreas: Aktuelle Tendenzen im Unternehmensverwaltungsstrafrecht 294 Baumgartner, Andreas: Dritthaftung gegenüber Anlegern nur für Emissionsratings 298 Thiele, Clemens: DSGVO und ZPO: Wirksamer Rechtsschutz für Betroffene 319 Schrank, Franz: AZG/ARG-Ausnahmen für leitende und sonstige Arbeitnehmer: Was verlangt ihre Arbeitszeitautonomie? 341 Zorn, Nikolaus: Zwischen Schiedsgerichten und Verwaltungsgerichten

TAXLEX 4 104 Renner, Bernhard: Herstellerbefreiung des § 30 Abs 2 EStG: kein Übergang auf unentgeltlichen Erwerber 106 Gumprecht, Ingrid: Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag 108 Geringer, Stefanie und Karl Stückler: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im Spannungsverhältnis zur Gruppenbesteuerung? 113 Auer, Desiree, Esther Freitag und Annika Streicher: Umsatzsteuer im Rahmen der digitalen Transformation 120 Steiger, Stefan: VwGH zum Vorliegen einer Pflichtversicherung von Kommanditisten 126 Pillmayr, Astrid: Wer ist für die Weißrechnung eines schwarzen Fonds zuständig? 5 136 Gumprecht, Ingrid: Familienheimfahrten zur betreuungsbedürftigen Schwester 140 Bendlinger, Valentin: Verdeckte Ausschüttung als Einlagenrückzahlung? 146 Endfellner, Clemens: NoVA bei Verwendung eines Kfz (auch) im Inland 150 Sommer, Michaela: Mehrwertsteuerreform – Kleinunternehmer

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 513

Zeitschriftenübersicht

VERSICHERUNGSRUNDSCHAU 427Riedler, Andreas: Rücktrittsrechte des Versicherungsunternehmers

WIRTSCHAFTSRECHTLICHE BLÄTTER 4 181 Sonnberger, Marcus: Zur Gesellschafterzustimmung bei Veräußerung des Unternehmens einer OG/KG 5 241 Lettner, Harald: Die Geoblocking-Verordnung. Diskriminierung = Kernbeschränkung + Verwaltungsstrafe 252 Felten, Elias: Neue rechtliche Rahmenbedingungen für Überstundenarbeit

WOHNRECHTLICHE BLÄTTER 4 117 Reich, Thomas: Die Dritthaftung des Energieausweiseerstellers 5 155 Hochleitner, Clara: Kritische Betrachtung des „Wohnungseigentumsfruchtnießers“ aus materiell- und verfahrensrechtlicher Sicht

ZEITSCHRIFT DER VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT 15Fischer, Johannes: 5 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit neu – Anlass für eine Neuvermessung des Rechtsstaats 19 Sachs, Michael: Die Rolle der fachkundigen Laienrichterinnen und Laienrichter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Teil II 2 106 Leeb, David: Schluss des Ermittlungsverfahrens neu 120 Senger, Andreas Florian: Die Senatszuständigkeit für das Dienstrecht der Wiener Gemeindebediensteten – Eine kritische Betrach- tung 126 Uhrmacher, Michael: Disziplinargerichte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit

ZEITSCHRIFT FÜR ARBEITS- UND SOZIALRECHT 3 147 Windisch-Graetz, Michaela und Tensin Studer: Änderungen der Entsenderichtlinie 2018 152 Niksova, Diana: Entsenderichtlinie neu: „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit am gleichen Ort“? 160 Wiesinger, Christoph: Der persönliche Feiertag 165 Kovács, Erika: Die Auswirkungen grenzüberschreitender Verschmelzungen auf die AN-Mitbestimmung

ZEITSCHRIFT FÜR FAMILIEN- UND ERBRECHT 3 100 Welser, Rudolf: Die Vermögensopfertheorie und ihre Anwendungsfälle 103 Reischauer, Rudolf: Zum Schadenersatzanspruch des Scheinvaters bei Ehebruch seiner Gattin 106 Scheuba, Elisabeth: Miszellen aus der Praxis zu Erbunwürdigkeit und Enterbung 110 Zankl, Wolfgang: Bereicherung und Schadenersatz im Familienrecht 116 Gitschthaler, Edwin: Familienbonus Plus und Unterhaltsrecht 118 Tschugguel, Andreas: Der schreib- und der leseunfähige Testator

ZEITSCHRIFT FÜR FINANZMARKTRECHT 4 160 Jürgens, Oliver: Die spekulative Immobilienfinanzierung im Kreditrisikostandardansatz 166 Klingebiel, Arne Christoph: Änderung der Drittbegünstigung aus einer Ablebensversicherung durch letztwillige Verfügung 170 Siegl, Christine: Unabhängige Mitglieder von Aufsichtsräten bei Kreditinstituten

ZEITSCHRIFT FÜR GESELLSCHAFTSRECHT 259Fellner, Markus und Friedrich Rüffler: Zentrale Konzernfinanzierung und Verbot der Einlagenrückgewähr 69 Gonaus, Bernhard und Gerald Schmidsberger: Gesellschafterliche Informationsrechte vs nicht öffentlicher Charakter des WiEReG 82 Finsterer, Christoph: Können nach dem WGG anerkannte Bauvereinigungen das Unmittelbarkeitserfordernis des § 40 BAO er- füllen?

ZEITSCHRIFT FÜR INSOLVENZRECHT & KREDITSCHUTZ 242Reckenzaun, Axel: Zuständigkeit des Schiedsgerichts für insolvenzrechtliche Prüfprozesse 46 Kubin, Wilhelm: Verkürzung über die Hälfte in der Insolvenz 49 Wimmer, Alexander: Über die Vermeidung der (rechnerischen) Überschuldung mittels qualifizierten Rangrücktritts 54 Hayden, Helene: „Insolvenzfestes“ Stiftungsvermögen und Vorsorgemaßnahmen – de lege lata und de lege ferenda 58 Klauser, Alexander und Kathrin Binder: Das UNCITRAL-Mustergesetz 2018 über die Anerkennung und Vollstreckung insol- venznaher Entscheidungen

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 514

Zeitschriftenübersicht

ZEITSCHRIFT FÜR VERBRAUCHERRECHT 384Safron, Johannes: Die Geoblocking-Verordnung: Neue Diskriminierungsverbote für den grenzüberschreitenden Handel 93 Dehn, Wilma: Aktuelle Rechtsprechung zum FAGG 99 Kemetmüller, Maximilian: Couponing-Plattformen: Preisargument beim Gutscheinkauf

ZEITSCHRIFT FÜR VERGABERECHT 270Blecha, Thomas: Vergaberechtsschutz in den Ländern

ZEITSCHRIFT FÜR VERGABERECHT UND BAUVERTRAGSRECHT 4 143 Grasböck, Reinhard: BVwG – Eine Schienenpersonenverkehrsvergabe im BVergG 2018 162 Bittner, Ruth: EuGH – Rahmenvereinbarung: „sekundäre“ AG und die Pflicht zur Angabe einer Höchstmenge 167 Oppel, Albert: SERVICE – Mindestlohn und soziale Lohnaspekte im Vergaberecht – Teil 2 172 Oppel, Albert: Die ÖNORM B 2110 und das neue BVergG 2018 –„Nachträgliche Vertragsänderungen“ 5 186 Oppel, Albert: Bieterabsprachen und deren Vorbeugung – ausgewählte Fragen – Teil 1 215 Oppel, Albert: Die ÖNORM B 2110 und das BVergG 2018 –„Nachträgliche Vertragsänderungen“

ZEITSCHRIFT FÜR VERKEHRSRECHT 5 148 Schroeder, Werner: Das EU-rechtliche Potential des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention 154 Roubik, Marleen: Novellierung der Verordnung über die Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren 158 Authried, Nikolaus: Zulässigkeit von Doppelbestrafungen nach IG-L und StVO

ZEITSCHRIFT FÜR WIRTSCHAFTS- UND FINANZSTRAFRECHT 393Schröder, Julia und Norbert Wess: Die Rolle des Verteidigers bei Beschuldigteneinvernahmen 98 Nagy, Levente B.: Cornering – Marktbeherrschung im Kapitalmarktrecht 102 Glaser, Severin: Zum Wesen der Erfolgsdelikte 112 Hoffmann, Barbara, Marc Julian Mayerhöfer und Rainer Obermann: Neuregelung der örtlichen Zuständigkeit im gerichtlichen Finanzstrafverfahren 121 Brandl, Rainer: Grundsatzjudikatur des OGH zur Verfolgungsverjährung 125 Stürzer, Simon: Gleichartige Finanzvergehen und deren Zusammenfassung beim Abgabenbetrug

ZIVILRECHT AKTUELL 6 104 Scharmer, Marco: Zur Sperrfrist des § 30 Abs 3 S 2 MRG 106 Clemens, Jenny und Rahim Rastegar: Änderung des Rechtswegs durch Exekutionsbewilligung 7 124 Lurger, Brigitta: Besitzloses (deutsches) Sicherungseigentum überlebt den Grenzübertritt nach Österreich: Der OGH verabschie- det sich von einem 35 Jahre alten Rechtssatz 127 Webhofer, Stefan: Die Zeugenunterschriften auf einer letztwilligen Verfügung 8 144 Kolmasch, Wolfgang: Familienbonus und Unterhalt – zwischen Zweck und Verteilungsfragen 146 Zach, Stefanie: Verfahrensrechtliche Institutionen zum Schutz des Kindes im Zivilverfahren – Ein Überblick

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 515 Rechtsprechung

516 Disziplinarrecht Disziplinarverfahrensrecht Umgehungsverbot

518 Strafrecht Das rechtlich vollzogene Vorurteil – eine Entscheidungskritik

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 516 Rechtsprechung

Disziplinarverfahrensrecht DISZIPLINARRECHT

§ 27 Abs 2, § 36 Abs 4, §§ 46, 58 DSt Kein abgesondertes Rechtsmittel gegen die Bestellung eines Sachverständigen durch den Diszipli-

MICHAEL BURESCH narrat Der Autor ist Rechtsan- OGH 13. 3. 2019, 26 Ds 11/18v walt in Wien und An- waltsrichter beim OGH Aus den Entscheidungsgründen: außerhalb der Verhandlung notwendig, so hat der Senat das 2019/199 Mit dem in der Disziplinarverhandlung gefassten Beschluss Erforderliche vorzukehren (§ 36 Abs 3 Satz 1 DSt). Im Üb- des Disziplinarrats wurde ein Sachverständiger aus dem rigen gelten die Bestimmungen über die Beweisaufnahme Fachbereich der Psychiatrie bestellt und beauftragt, Befund vor dem Untersuchungskommissär (vgl § 27 Abs 2 bis 4 und Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des DSt) sinngemäß (§ 36 Abs 4 DSt). Disziplinarbeschuldigten zum Tatzeitpunkt hinsichtlich Bei einer in der Verhandlung mit Senatsbeschluss (vgl der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Hand- § 36 Abs 3 DSt) erfolgten Bestellung und Beauftragung ei- lungen zu erstatten. nes Sachverständigen (vgl § 36 Abs 4 iVm § 27 Abs 2 Satz 2 Gegendiesenmündlichverkündeten,inderFolge DSt) handelt es sich um eine – nicht abgesondert anfecht- schriftlich ausgefertigten Senatsbeschluss richtet sich die bare (§ 58 DSt; vgl auch § 238 Abs 3 StPO) – Verfügung Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten, die als unzulässig prozessleitender Natur und um keinen abgesondert mit Be- zurückzuweisen ist. schwerde bekämpfbaren Beschluss iSd § 46 DSt (vgl zur § 36 DSt regelt den Verlauf der mündlichen Disziplinar- StPO: RIS-Justiz RS0125707; RIS-Justiz RL0000172; verhandlung, für die im Übrigen die Bestimmungen der RL0000119; vgl zum RStDG: Ds 23/13). Strafprozessordnung sinngemäß gelten (§ 77 Abs 3 DSt): Die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten war daher Der Disziplinarrat ist befugt und verpflichtet, die zur Wahr- als unzulässig (§ 58 DSt) zurückzuweisen. heitsfindung erforderlichen Beweismittel von Amts wegen aufzunehmen (vgl Lehner in Engelhartetal,RAO9 DSt MICHAEL BURESCH § 36 Rz 3). Sind weitere Erhebungen und Beweisaufnahmen

Umgehungsverbot DISZIPLINARRECHT

§§ 19, 21 RL-BA 2015 Nur dann, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass in einer mit einer bestimmten Rechtssache

MICHAEL BURESCH nicht konnexen Angelegenheit der Rechtsanwalt auf der Gegenseite auch vertritt, darf der unmit- Der Autor ist Rechtsan- telbare Kontakt mit der Gegenpartei aufgenommen werden. Im Zweifel ist eine Rückfrage geboten. walt in Wien und An- Ob durch die Umgehung das Vertrauensverhältnis tatsächlich gestört wurde, ist ohne Bedeutung. waltsrichter beim OGH OGH 30. 1. 2019, 24 Ds 1/18h 2019/200 Sachverhalt: Der Beschuldigte wurde hierfür vom Disziplinarrat zu Mit dem angefochtenen Erk wurde der Disziplinarbeschul- einer Geldbuße von € 1.500,– verurteilt. Aus Anlass seiner digte der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufs- Berufung hob der OGH die Verurteilung wegen der Beein- pflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen trächtigung von Ehre oder Ansehen des Standes auf und des Standes schuldig erkannt, weil er 1./ mit Schreiben v 15. verurteilte ihn wegen der Verletzung von Berufspflichten 7., 12. 9. und 10. 10. 2016 jeweils unter Umgehung des zu einer Geldbuße von € 1.000,–. Rechtsanwalts der anderen Partei direkt an die von der E***** GmbH vertretene A***** GmbH herantrat und 2./ Aus den Entscheidungsgründen: in den genannten Schreiben v 15. 7. und 10. 10. 2016 unter- Indem die Mängelrüge (Z 5 Fall 4) zu 1./ behauptet, die stellte, dass deren Rechtsvertreter seine Klienten nicht über Feststellung, dass die E***** GmbH seit dem Jahr 2013 die abschlägige Gerichtsentscheidungen informiere, sie unzu- A***** GmbH „ständig durchgehend“ vertrete, sei unbe- reichend juristisch belehre und unzutreffende rechtliche gründet geblieben, bezieht sie sich auf keine entscheidende Schritte setze. Tatsache (RIS-Justiz RS0106268). Denn das Umgehungs-

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt und KapBG auf 3.500 Seiten Bilanzstrafrecht inkl Aktiengesetz komplett! Jetzt tel GmbH Universitätsbuchhandlung und Verlags- MANZ’sche Kohlmarkt 16 Kohlmarkt ∙ 1010 www.manz.at Wien

+43 1531 61+43 100

fax

+43 1 531+43 61 455 [email protected] (statt EUR694,–) Paketpreis: Band1bis3EUR574,– ISBN 978-3-214-08337-3 XXXVII, 1.116Seiten.Ln.EUR218,– Band 3,6.Auflage 2019.

© Easyturn – istockphoto.com RECHTSAKADEMIE MANZ

Spezialtagung BILANZOPTIMIERUNG VS BILANZFÄLSCHUNG Was darf man und was nicht? Bilanzen verstehen für Juristen

Mittwoch, 18. September 2019, 09.00 bis 17.00 Uhr Radisson Blu Park Royal Palace, Schlossallee 8, 1140 Wien

Vortragender: Jetzt anmelden! www.manz.at/rechtsakademie WP/StB Mag. Christian Steiner, OePR 517

Rechtsprechung

verbot des § 19 RL-BA 2015 betrifft jeweils eine bestimmte GmbH selbst über die notwendige Sachkenntnis zur Ver- Rechtssache und verlangt kein darüber hinausgehendes handlung verfügten, waren schon deshalb entbehrlich, weil Mandatsverhältnis. Ohne Bedeutung für die Schuldfrage der Grundsatz der Kollegialität neben der Bewahrung des sind auch Schreiben der E***** GmbH an den Beschuldig- rechtsunkundigen Gegners vor schnellen Entschlüssen den ten v 13. 11. 2013 und v 6. 10. 2016, weil das bezeichnete zweiten Schutzzweck des Umgehungsverbots darstellt, zu- Verbot unabhängig von einem diesbezüglichen ausdrückli- mal das Übergehen des Gegenanwalts diesen (und damit chen Hinweis des umgangenen Anwalts besteht. letztlich den ganzen Stand) in der Bedeutung herabsetzen Aktenwidrigkeit (Z 5 Fall 5) liegt nur vor, wenn das Erk kann und für die disziplinäre Verantwortlichkeit bereits den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer die Verletzung einer der beiden Schuldkomponenten ge- Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen un- nügt (vgl RIS-Justiz RS0072496; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 richtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 18 RL-BA 1977 Rz 1 mwN; § 1 DSt S 871 mwN). Ob den § 281 Rz 467; RIS-Justiz RS0099431 [T 1]), was der Be- Schreiben des Beschuldigten wahre Tatsachen zugrunde la- schuldigte mit der Behauptung einer verfehlten Würdigung gen und ob das Vertrauensverhältnis zwischen der A***** der „unbestreitbaren Tatsache des gesamten Beweisverfah- GmbH und ihrer Rechtsvertretung durch die Umgehung rens“, nicht er habe den direkten Kontakt zur A***** GmbH tatsächlich gestört wurde, ist in diesem Zusammenhang oh- hergestellt, sondern (zunächst) Dr. S***** zu seiner Man- ne Bedeutung. dantschaft, nicht einmal anspricht. Soweit der Rechtsmittel- Der dem beruflichen Wirken der Anwaltschaft abgefor- werber wiederholt auf diese „Eigeninitiative“ Dris. S***** derte und von ihr auch zu Recht erwartete Beitrag zur verweist, übersieht er zudem, dass diese nicht ihm gegen- Rechtspflege besteht unter anderem in ihrer Einflussnahme über erfolgte und dass selbst eine ausdrückliche Einwilli- darauf, dass Konflikte mit ausschließlich sachorientierter gung der Gegenpartei in die Nichtbeiziehung ihres Rechts- Argumentation emotionsfrei ausgetragen werden (Feil/ anwalts einen Verstoß gegen § 19 RL-BA 2015 nicht exkul- Wennig, Anwaltsrecht8 § 1 DSt S 869). In diesem Zusam- pieren würde (RIS-Justiz RS0106284). menhang verlangt § 21 Abs 1 RL-BA 2015 im Umgang Die – vor der Rechtsrüge zu behandelnde (Ratz, WK- mit anderen Rechtsanwälten die Einhaltung des Prinzips StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen des Ausspruchs über der Kollegialität und verbietet insbesondere, diese unnötig die Schuld vermag mit der Behauptung zu 1./, das Schreiben in Streit zu ziehen oder persönlich anzugreifen. Warum es v 10. 10. 2016 habe „keine Angelegenheit der A***** GmbH, dem Beschuldigten daher erlaubt gewesen sein sollte, mit sondern allein die Ehrenbeleidigungssache Dr. S***** – Dr. dem Schreiben v 10. 10. 2016 auf eine von der Gegenpartei D*****“ betroffen, keine Bedenken gegen die aus dem Text (ausschließlich) seinen eigenen Mandanten gegenüber ge- des Schreibens klar hervorgehenden gegenteiligen Annah- äußerte Kritik an seiner Verhandlungsführung mit dem men des Disziplinarrats zu wecken. Auch der unmissver- Aufzeigen von vermeintlichen Fehlern deren Rechtsvertre- ständlich auf Verfahren, in denen die E***** GmbH vertrat, tung zu reagieren, legt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) Bezug nehmende Text der beiden anderen Schreiben lässt nicht nachvollziehbar dar. keinen Raum für die These, es habe sich um eine „neue Sa- Eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Stan- che“ gehandelt. Denn selbst in einer mit einer Vertretungs- des setzt eine – dem Erkenntnis nicht zu entnehmende (und angelegenheit nicht augenscheinlich konnexen Sache darf vorliegend auch nicht indizierte) – Tatsachenbasis voraus, der unmittelbare Verkehr mit der Partei nur dann aufge- wonach das Fehlverhalten des Beschuldigten entsprechende nommen werden, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, Publizitätswirkung entfaltet hätte (RIS-Justiz RS0054876; dass diese nicht von einem Rechtsanwalt vertreten wird; im RS0055086). Davon kann – mit Blick auf die persönliche Zweifel ist eine Rückfrage angebracht (Engelhart/Hoffmann/ Adressierung der inkriminierten Schreiben an Dr. S***** – Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 19 RL-BA 2015 Rz 9). nicht die Rede sein. Die als fehlend reklamierte Feststellungen dazu, ob Dr. S***** oder die Mitarbeiter der Rechtsabteilung der A***** MICHAEL BURESCH

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 518

Rechtsprechung

Das rechtlich vollzogene Vorurteil – eine Entscheidungskritik STRAFRECHT

§ 153 StGB JOSEF WEIXELBAUM Schon die erste Genehmigung eines Kreditantrags durch den mit der Kreditvergabe nicht weiter be- Der Autor ist em. Rechtsanwalt. fassten Bankvorstand in einem bankinternen Gremium ohne Beteiligung des Kreditwerbers sei als eine nach außen tretende Rechtshandlung und unbeachtlich der vom Machtgeber Bank für die spä- 2019/201 tere durch Dritte vollzogene Kreditvergabe zusätzlich vorausgesetzten Genehmigungen durch nach- geordnete Bankorgane außerdem als eine Vermögensverfügung gem § 153 StGB zu qualifizieren. OGH 4. 3. 2019, 12 Os 86/17i

Sachverhalt: vanten Kreditgewährungsvorgang zusammengefasst wie Dr. Wolfgang Kulterer und Mag. Günter Striedinger wur- folgt darstellen: den des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und • Antragserstellung durch Kundenbetreuer für einen aus- Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie gemäß ländischen Kreditwerber, dem vom OGH bestätigten Ersturteil am 4. 7. 2005 in Kla- • formelle und materielle Plausibilitätsprüfung durch genfurt die ihnen als Vorstände der Hypo Alpe Adria Bank Markt- & Marktfolgeabteilungen, International AG (in der Folge HBInt) eingeräumte Befug- • Befassung des „Kreditausschusses Ausland“ (US 8 = je- nis, über fremdes Vermögen zu verfügen und einen anderen weils Ersturteil), zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht haben, • Vorlage des Kreditantrags durch die zuständige Abtei- dass sie im Credit Committee (in der Folge: CC) einen Kre- lungsleiterin an das CC der HBInt zur Plausibilitätsprü- dit von 70,3 Mio Euro an die Skiper Hoteli d.o.o. ohne aus- fung, reichend konkrete Projektplanung und Darstellung der • erste Genehmigung durch die verurteilten Vorstandsmit- Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmerin sowie ungeach- glieder im CC, tet des Hinweises der Abteilung Marktfolge, dass kein posi- • in der Folge Vorlage dieses Kreditantrags auch an den tiver Bericht der Abteilung Projekt-Monitoring vorliegt, be- Kreditausschluss des Aufsichtsrats der HBInt (KAS-AR), willigten, somit in unvertretbarer Weise gegen solche Re- • sodann an den gesamten Aufsichtsrat der HBInt (AR), geln verstießen, die dem Vermögensschutz der wirtschaft- jeweils zur Plausibilitätsprüfung, lich Berechtigten dienten, und dadurch die HBInt am • mit durchgehend einstimmigen Antragsgenehmigungen Vermögen geschädigt haben, wobei sie durch die Tat einen (US 12 unten) und schließlich € 300.000,– übersteigenden Schaden herbeiführten. • Abschluss des Kreditvertrags durch nicht dem Vorstand angehörige Bankorgane mit anschließend etappenweiser Spruch: Kreditvergabe „nach Baufortschritt“ durch die Marktfol- Die dagegen auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ge- geabteilung (USS 8 und 13). stützten Nichtigkeitsbeschwerden wurden mit Beschluss des Die dementsprechend eingeschränkte und jedenfalls nicht OGH 4. 3. 2019, 12 Os 86/17i, zurückgewiesen. abschließende Befassung des Bankvorstands mit der ob- Die von der Anklagebehörde gegen den Freispruch der jektiv als unvertretbar festgestellten Kreditvergabe beur- mitangeklagten Bestimmungs- bzw Beitragstäter eingelegte teilte das HöchstG als eine nach außen tretende Rechts- Nichtigkeitsbeschwerde wurde ebenfalls verworfen. handlung in der Qualität einer Vermögensverfügung gem § 153 StGB. Anmerkung: Dieser Freispruch betrifft den Gegenstand der nachfolgen- den Entscheidungskritik nicht, die in Anbetracht der brei- Entscheidungskritik: ten Berichterstattung über dieses schon deshalb eindeutig Rechtsstaatliche Bedenken sind angebracht, wenn sich identifizierbare Verfahren von den beiden verurteilten Vor- ein HöchstG in der Gewissheit des mit seiner Entschei- standsmitgliedern bewusst und gewollt mit deren Namens- dung ausgeschöpften Rechtsweges einer vertieften Aus- nennung angebracht wird. einandersetzung mit einer oberstgerichtlich bislang nicht entschiedenen Begehungsvariante verweigert und für die Aus den Entscheidungsgründen: Beantwortung der allein ausschlaggebenden Frage einer Das HöchstG übernimmt mit seiner Entscheidung die Fest- strafrechtlich relevanten Außenwirkung des inkriminier- stellungen des Tatgerichts, die sich zum beurteilungsrele- ten Verhaltens rund zwei überlange Jahre benötigt.

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 519

Rechtsprechung

Der Beschluss des OGH 4. 3. 2019, 12 Os 86/17i, orientiert dung“ abspricht und diese als „eine nach außen hintre- sich nur teilweise an gesicherter Judikatur sowie aner- tende Rechtshandlung“ qualifiziert, findet in der Sach- kannter Lehre und kann daher schon deshalb nicht un- verhaltsannahme des Tatgerichts keine Deckung. kommentiert bleiben. Eine nach außen tretende Rechtshandlung hätte nämlich, Der nachstehenden Rechtskritik liegt ausschließlich der um Wirksamkeit zu entfalten, eines Erklärungsempfän- festgestellte Sachverhalt zugrunde, unbeachtlich der gers bedurft. Als solcher scheidet der Kreditwerber im ebenfalls erhobenen Tatrüge. Rahmen des bankinternen Genehmigungsprozederes al- Nachdem der Kreditantrag in allen diesen ident infor- lerdings aus, weil dessen Beteiligung an der Plausibili- mierten Gremien genehmigt war, kam es ohne weitere tätsprüfung im CC weder vorgesehen war noch stattge- Befassung des Vorstands zum Abschluss des verfahrens- habt hat und er über das dabei erzielte Ergebnis auch gegenständlichen Kreditvertrags HR/1061, den namens nicht informiert worden war. der Bank die zuständige Abteilungsleiterin sowie eine Kein Kreditwerber kann aus der Behandlung seines An- weitere zeichnungsberechtigte Person aus- und unter- liegens im CC irgendwelche Auszahlungsansprüche ab- fertigten (US 13). leiten, die ihm vielmehr erst mit dem Abschluss des Kre- Außer der Plausibilitätsprüfung im bankinternen Kontroll- ditvertrags als Akt der Vermögensverfügung verschafft gremium CC war Dr. Kulterer mit der Kreditgewährung werden konnten. nicht befasst, was auch dem Anklagevorwurf entspricht. Der Auffassung des OGH, dass Dr. Wolfgang Kulterer im Die Unterscheidung zwischen Antragsgenehmigung und vorliegenden Fall „als Vorstand selbst nach außen hin Kreditbewilligung übergehen sowohl Ersturteil als auch der vertretungsbefugtes Organ war“ (Beschluss, S 24), liegt OGH, obwohl die die Verfügung iSd § 153 StGB ausma- die haltlose Annahme zugrunde, dass Handlungen eines chende Kreditvergabe festgestelltermaßen etappenweise Bankvorstands generell nur in Ausübung seiner Außen- „nach Baufortschritt“ erfolgte und dadurch bedingt war. vertretungsbefugnis erfolgen können, ohne dabei die Dass das objektive Tatbild des § 153 StGB der Vermö- Unzahl rein bankinterner Aufgaben eines Vorstandsmit- gensverfügung selbst bei einer rechtswidrigen, noch glieds ohne Außenwirkung zu berücksichtigen. nicht abschließenden Antragsgenehmigung durch ein Die mit seiner Vorstandszugehörigkeit begründete Ver- Vorstandsmitglied im hausinternen CC nicht erfüllt sein urteilung des Dr. Kulterer steht damit in einer bedenkli- kann, erkennt das HöchstG nicht. chen Nähe zum grundrechtlichen Benachteiligungsver- Eine Zuständigkeit oder Befassung des Vorstands mit der bot des Art 14 MRK, indem der OGH aus dem „sonstigen Vertragsgestaltung oder gar Baufortschrittsentwicklung Status“ eines Vorstandsmitglieds eine vermeintlich all- durch einen noch unbekannten Betreiber als Auszah- umfassende Verantwortlichkeit für jede Art von Kredit- lungsvoraussetzung ist weder festgestellt worden noch vergaben abgeleitet hat. hervorgekommen. Die exzessive Beurteilung des Anlassfalls durch den OGH Jeder Baufortschritt eines zu finanzierenden Projekts hätte bei Allgemeingültigkeit zur Konsequenz, dass bei schafft aber Werte, die für den Financier Sicherheit be- „faulen“ Krediten unbeachtlich einer bankinternen deuten. Pflichtenaufteilung grundsätzlich immer auch von einer Anlässlich der inkriminierten Genehmigung im CC war Verantwortlichkeit des Vorstands iSd § 153 StGB ausge- daher noch völlig offen, ob überhaupt Kreditmittel ver- gangen werden müsste. geben werden, ob dem Kunden ein Auszahlungsan- Diese Beurteilung erweist sich schon deshalb als verfehlt, spruch zusteht und ob die Rückzahlungsverpflichtung weil erst die Außenwirkung der Kreditvergabe einen nicht ohnehin ausreichend gesichert ist. Schaden zu bewirken vermag. Dazu bedarf es wiederum Damit tut sich eine für die rechtliche Beurteilung unver- zwingend einer Vertretungsbefugnis, die zwar einem zichtbare Sachverhaltslücke zwischen einem von mehre- Vorstand von Gesetzes wegen umfassend eingeräumt ist, ren hausinternen Genehmigungsschritten einerseits so- zulässigerweise aber, wie für einen Vertragsabschluss wie dem nachfolgenden Kreditvertragsabschluss und auch delegiert werden darf, bei dessen Ausformulierung noch viel mehr der Mittelverfügung durch die Bank an- erst risikobeschränkende Bedingungen vorzusehen wa- dererseits auf – eine Lücke, die eine Verfügungsverant- ren und, wie die Auszahlung „nach Baufortschritt“ zeigt, wortlichkeit des Dr. Wolfgang Kulterer selbst bei einer auch tatsächlich vorgesehen worden sind. Genehmigungsfehlleistung ausschließt. Die Gleichsetzung der Plausibilitätsprüfung des noch Die ihm und Mag. Günter Striedinger zur Last gelegte Tä- nicht abschließend determinierten Kreditanliegens im CC terschaft erweist sich dementsprechend als rechtsgrund- mit der außerhalb der Zuständigkeit des Vorstands zu los konstruiert. Auch drängt sich dem unbefangenen Be- prüfenden Vergabebedingung „nach Baufortschritt“ ver- obachter der Eindruck auf, dass damit unter dieses über- letzt das Gebot der restriktiven Beurteilung strafrechtlich lange Verfahren ein „Schlussstrich“ gesetzt werden sollte. relevanter Sachverhalte iS einer ultima ratio. Die Auffassung, die der „Bewilligung des Vorstands im Mag das bankinterne Kontrollsystem auch insgesamt Rahmen des CC“ die Qualität einer „internen Entschei- versagt haben, so ändert dies nichts an seinem ver-

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 520

Rechtsprechung

trauensbegründenden Zweck, die Beseitigung von Feh- ab Ermittlungsbeginn bzw einer Prozessdauer von ca lern in der Genehmigungskette zu ermöglichen und zu zwei Jahren jedenfalls nicht bedurft, die zur Bestätigung sichern. der erstinstanzlich konstruierten Täterschaft aufgewen- Indem die Verantwortlichkeit einer objektiv unvertretba- det wurde. ren Kreditvergabe einem Verhalten konkreter Personen Mit dem auf formelle Argumente beschränkten Beschluss im CC zugerechnet wird, werden die nachgeordneten des OGH wurde im Ergebnis einer vorurteilsbehafteten Genehmigungserfordernisse ihres Sinnes beraubt. Erwartungshaltung, nicht aber auch einem allgemeinen Mit einer sachgerechten Beurteilung ist es schlichtweg Gerechtigkeitsempfinden entsprochen. unvereinbar, wenn das essenzielle Tatbestandsmerkmal Was die Handlungsweise der Vorstandsmitglieder im CC der Vermögensverfügung in der Genehmigungskette verwerflicher machen sollte als jene der nachfolgend einfach an den Vorstand zurückverlagert wird. sonst befassten Bankorgane, die den Kreditantrag auf- Der Hinweis des OGH darauf, dass „Untreue keine allei- grund zwingender Vorgaben des Befugnisgebers Bank nige Vertretungsmacht voraussetzt“ (Beschluss, S 25 ebenfalls zu genehmigen hatten, lässt der OGH dahin- oben), verfehlt das eigentliche Thema insofern, als der gestellt, obwohl ohne dieses Genehmigungsprozedere Vorstand im CC noch gar keine außenwirksame Vertre- eine Kreditvergabe bzw Mittelverfügung an sich schon tungsmacht entfalten konnte. ausgeschlossen gewesen wäre. Noch viel weniger konnte das Genehmigungsorgan CC Dass es in Ansehung der soweit beteiligten Bankorgane über das Bankvermögen verfügen bzw den Kredit ge- einer Anklage gemangelt hat, rechtfertigt nicht die Au- währen. Die Kreditvergabe hatte festgestelltermaßen nur ßerachtlassung des jeder Rechtsordnung zugrunde lie- nach Baufortschritt zu erfolgen, und zwar ohne jedes genden Vertrauensanspruchs auf ein vom Machtgeber Zutun des Vorstands. Bank zur Risikovermeidung installiertes Kontrollsystem Soweit es sich für das HöchstG nicht erklären lässt, mit eigenständigen Prüfpflichten von übergeordneten „weshalb ein Befugnisträger nicht auch der Fehlinforma- (KAS-AR und AR) bzw nachgeordneten (Vertragsverfasser) tion oder durch sonstige Erwirkung der Zustimmung an- Bankorganen. derer Entscheidungsträger den in Rede stehenden Tat- In seiner auf ein vorgelagertes Genehmigungsorgan ein- bestand verwirklichen kann“, betrifft dies den Anklage- geschränkten Täterbeurteilung erweist sich der Beschluss vorwurf nicht ansatzweise. des HöchstG als eine im Rechtsweg nicht mehr zu korri- Die Vorstandsmitglieder sind gegenständlich weder als gierende Fehlbeurteilung. Bestimmungs- noch als Beitragstäter angeklagt oder Die Leiter von kompliziert strukturierten Unternehmen verurteilt worden, für welche Begehungsformen ein un- aufgrund ihrer gesetzlichen Vertretungsbefugnis für mittelbarer Täter aber unabdingbar als Zielobjekt vo- Fehlentwicklungen strafrechtlich verantwortlich zu ma- rausgesetzt gewesen wäre (Fabrizy in WK § 12 StGB chen und die nachgeordneten Genehmigungen der sonst Rz 42f und 81f). Dennoch behandelt der OGH die verur- betroffenen Entscheidungsträger unberücksichtigt zu teilten Vorstandsmitglieder laut Schuldspruch als unmit- lassen, erweckt den Eindruck einer geradezu erzwunge- telbare Täter, der aber nur jener Beteiligte sein könnte, nen Täterschaft, die bei Großinsolvenzen allgemein er- „der in einer Kausalkette als Letzter objektiv zurechenbar wartet wird und für die mediale Berichterstattung vor- gehandelt hat“ (Fabrizy in WK § 12 StGB Rz 21). Dies ist teilhaft sein mag, aber rechtsstaatliches Unbehagen zu- schon nach der vom Gericht festgestellten Abfolge für die rücklässt. Vorgänge im der Kreditgewährung weit vorgelagerten CC Bei einer dem Gesetzeszweck entsprechend fairen Aus- schlichtweg auszuschließen. legung des § 153 StGB wäre im Mindesten zu beachten Bei den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen er- gewesen, dass „das Gesetz dort seine Grenze findet, wo der weist sich die Beurteilung einer im CC mit Prüfungsauf- Widerspruch des Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so uner- gaben befassten Person als unmittelbarer Täter iS straf- trägliches Maß erreicht, dass das Gesetz als ‚unrichtiges rechtlicher Untreue als sachlich nicht begründbar. Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat“ (BGH 12. 7. 1951, Während die ehemalige Präsidentin des OGH Dr. Irmgard III ZR 168/13) – eine Erkenntnis, der in jedem Rechtsstaat Griss als Vorsitzende der staatlich installierten Hypo-Alpe- Allgemeingültigkeit zukommen sollte. Adria-Prüfungskommission zutreffend ein multiples Or- ganversagen bei der Vergabe von Krediten erkannt hat, JOSEF WEIXELBAUM ALS VERTEIDIGER DES schließt der kritisierte Beschluss ein Gesamtversagen der DR. WOLFGANG KULTERER AM VERFAHREN vom Befugnisgeber Bank vorgegebenen Kontrollmecha- BETEILIGT nismen a priori aus, so als wären Kreditausfälle ohne ei- nen individuellen Straftäter nicht denkbar. Für die auf eine Außenwirkung reduzierte Beurteilung eines Genehmigungsfehlers der Vorstandsmitglieder im CC hätte es einer Verfahrensdauer von einem Jahrzehnt

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 521 Inserate

SUBSTITUTIONEN Substitutionen aller Art (auch Verfahrenshilfe STEIERMARK und Ausarbeitung von Rechtsmitteln) in ganz Graz: RA Mag. Eva Holzer-Waisocher, 8010 Graz, WIEN Wien übernimmt RA Mag. Christian Bammer, Kreuzgasse 2c, übernimmt für Sie gerne – auch 1070 Wien, Kaiserstraße 57–59/1/14B. Telefon Übernehme Substitutionen in Wien und Umge- kurzfristig – Substitutionen in Zivil- und (01) 522 65 19, Telefax (01) 522 65 97, E-Mail: bung, auch kurzfristig, in Zivil- und Strafsachen Strafsachen in Graz und Umgebung. Telefon [email protected], www.ra-bammer.at (Nähe Justizzentrum), auch Verfahrenshilfe und (0316) 82 65 54, Telefax DW 30, Rechtsmittel. Dr. Christa Scheimpflug, Rechtsan- E-Mail: [email protected], Mobil erreichbar: walt, Erdberger Lände 6, 1030 Wien. Telefon (01) Substitutionen aller Art in Wien und Wien-Um- (0676) 310 48 52. 713 78 33 und (01) 712 32 28, auch außerhalb der gebung. RA Mag. Sebastian Krumpel übernimmt Bürozeiten, Telefax (01) 713 78 33–74 oder Mo- gerne Substitutionen in Zivil-, Straf- und Verwal- SALZBURG biltelefon (0664) 430 33 73 und (0676) 603 25 33, tungssachen (auch Verfahrenshilfe, auch Rechts- E-Mail: [email protected] mittel). Telefon (01) 595 49 92 (Telefax -99), Mobil RA Dr. Christian Adam, 5020 Salzburg, Sigmund- (0680) 442 48 04, E-Mail: [email protected], Lo- Haffner-Gasse 3, übernimmt Substitutionen aller Verfahrenshilfe in Strafsachen. quaiplatz 13/19, 1060 Wien, www.krumpel.net Art in der Stadt Salzburg. Telefon (0662) RA Dr. Irene Pfeifer, Riemergasse 10, 1010 Wien, 84 12 22-0, Telefax DW -6, [email protected] Telefon (01) 512 22 90, (0664) 302 53 56, Telefax Erfahrener Prozessanwalt übernimmt Substi- (01) 513 50 35, übernimmt Substitutionen, auch RA Dr. Klaus Estl, Schanzlgasse 4a, 5020 Salzburg, tutionen aller Art in ganz Wien. RA Dr. Stephan Verfahrenshilfe in Strafsachen und Rechtsmittel. mit Kanzleisitz unmittelbar neben Bezirks- und Messner, 1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße Landesgericht Salzburg, übernimmt auch kurz- 22/D/B10A, Telefon: 01/876 30 96, RA Dr. Elisabeth Nowak, 1190 Wien, Gymnasium- fristigst Substitutionen in Zivil-, Straf- und Ver- Telefax: 01/876 30 96-4. straße 68/6, Telefon (01) 369 59 34, Telefax waltungssachen. E-Mail: [email protected], (01) 369 59 34–4, übernimmt Substitutionen in Telefon-Nr.: 0662/843164, Telefax: 0662/844443, homepage: www.ra-messner.at Zivil- und Strafsachen in Wien und Umgebung, E-Mail: [email protected] insbesondere vor den Bezirksgerichten Döbling und Hernals. WIEN UND UMGEBUNG VORARLBERG UND TIROL

RA Mag. Arthur Koderhold, 1030 Wien, Rechte Substitutionen aller Art (auch in Straf- und Exe- RA Mag. Martin Reichegger übernimmt als er- Bahngasse 10/19D, Telefon 01 408 04 04, kutionssachen) in Wien und Umgebung (in Wien fahrener Prozessanwalt Substitutionen aller Art Handy 0676 681 70 77, E-Mail: [email protected]; auch kurzfristig) übernehmen die Rechtsanwäl- im Raum Vorarlberg und Tirol. Beauftragungen übernimmt Substitutionen in Wien und Umge- te Mag. Wolfgang Reiffenstuhl & Mag. Günther unter: E-Mail: [email protected]; bung, auch kurzfristig, in Zivil-, Straf- und Ver- Reiffenstuhl, Franz-Josefs-Kai 41/9, 1010 Wien Tel.: +43(0)5522/22830, waltungsstrafsachen, ebenso Rechtsmittel und (nächst Justizzentrum Wien-Mitte). Telefon Fax.: +43(0)5522/22830–11. Verfahrenshilfen. (01) 218 25 70, Telefax (01) 218 84 60. INTERNATIONAL RA Dr. Claudia Stoitzner übernimmt – auch kurz- RA Dr. Silvia Vinkovits, 1080 Wien, Friedrich- Deutschland: Zwangsvollstreckung, Titelum- fristig – Substitutionen aller Art in Wien und Schmidt-Platz 4/6, übernimmt Substitutionen in schreibung, Substitution. Rechtsanwalt aus Umgebung, auch Verfahrenshilfe in Straf-, Zivil- Straf-, Zivil- und Verwaltungs(straf)sachen zu München übernimmt sämtliche anwaltlichen und Verwaltungssachen sowie Ausarbeitung kollegialen Bedingungen im OLG-Sprengel Wien. Aufgaben in Deutschland. Zuverlässige und von Rechtsmittel und gänzliche Übernahme Tel (01) 402 00 61 (Rufumleitung außerhalb der schnelle Bearbeitung garantiert! Rechtsanwalt von Verfahrenshilfesachen. Dr. Claudia Stoitz- üblichen Kanzleizeiten!) István Cocron, Liebigstraße 21, 80538 München, ner, Rechtsanwältin, Mariahilfer Straße 45/5/36, E-Mail: [email protected] Telefon (0049–89) 552 999 50, Telefax (0049–89) 1060 Wien, Tel.: (01) 585 33 00, www.vinkovits.at Fax: (01) 585 33 05, Mobil: (0664) 345 94 66, 552 999 90. Homepage: www.cllb.de E-Mail: [email protected] KÄRNTEN Deutschland: Rechtsanwalt Klamert (Mitglied Dr. Steiner und Mag. Isbetcherian übernehmen – Substitutionen aller Art (auch Strafsachen und RAK Tirol/München) steht österreichischen Kol- auch kurzfristig – Substitutionen aller Art (auch Verfahrenshilfen), insbesondere für die Bezirks- legen für Mandatsübernahmen/grenzüberschrei- in Strafsachen), auch Verfahrenshilfe in Strafsa- gerichte Villach, Spittal/Drau, Klagenfurt, tende Angelegenheiten und Substitutionen/ chen und Ausarbeitung von Rechtsmitteln, dies Feldkirchen, Hermagor, auch kurzfristig – über- Zwangsvollstreckungen jederzeit gerne in in Wien und Umgebung. 1030 Wien, Hintzerstra- nimmt Rechtsanwalt Mag. Markus Steinacher, Gesamt-Deutschland/Kitzbühel zur Verfügung. ße 11/4, Telefon (01) 712 63 14, (01) 713 23 20, Italienerstraße 10b, 9500 Villach, Telefon 0049/89/540 239-0, Telefax (01) 713 07 96, Telefon (04242) 23203 bzw. Telefax 0049/89/540 239-199, E-Mail: E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] [email protected]; www.kmp3g.de

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 522

Inserate

Griechenland: RA Dr. Eleni Diamanti, in Öster- Slowenien – Kroatien – Bosnien und Herzego- PARTNER reich und Griechenland zugelassen, vertritt vor wina – Serbien – Montenegro – Mazedonien – griechischen Gerichten und Behörden und steht Kosovo: Rechtsanwaltskanzlei Mag. Dr. Mirko OBERÖSTERREICH österreichischen Kollegen für Fragen zum Silvo Tischler d.o.o. (GmbH), Trdinova ulica 5, Partner(in) mit RA-Prüfung als Rechtsnachfolger griechischen Recht zur Verfügung. Weyrgasse 6, SI-1000 Ljubljana, Vertrauensanwalt und Sena- für renommierte Rieder Anwaltskanzlei wegen 1030 Wien, und Ypsilantou 6, 10675 Athen, tor der Wirtschaft, steht sämtlichen Kolleginnen bevorstehender Pensionierung gesucht. Großer Telefon (01) 713 14 25, Telefax DW 17, und Kollegen für cross-border-Mandatsüber- Klientenstock! Komplette Büroeinrichtung samt E-Mail: [email protected] nahmen in diversen Rechtssachen zur Verfügung. EDV-Ausstattung sowie große Bibliothek vor- Telefon +386 (0)1 434 76 12, handen. Italien: RA Avv. Ulrike Christine Walter (Partner von Telefax +386 (0)1 432 02 87, Kontakt: Dr. Robert Mayrhofer, Rechtsanwalt u. del Torre & partners), in Österreich und Italien zuge- E-Mail: [email protected], Verteidiger in Strafsachen, z.Hd. Frau Mayrhofer, lassene Rechtsanwältin, Kärntner Straße 35, 1010 Web: www.mst-rechtsanwalt.com Kapuzinerberg 2, 4910 Ried im Innkreis Wien, und corso Verdi 90, 34170 Goerz, und 33100 Tel. 07752/82661 Udine, Via Cussignacco 5, Italien, steht österreichi- REGIEPARTNER E-mail: [email protected] schen Kollegen für Mandatsübernahmen und staa- tenübergreifende Substitutionen aller Art zur Verfü- WIEN gung. Tel. 0039 (0432) 60 38 62, Telefax 0039 (0432) KANZLEIABGABE 52 62 37, Mobil 0039 334 162 68 13, E-Mail: 1010 Wien, Nähe Oper. Suchen Regiepartner/in [email protected], Internet: www.euroius.it für moderne Kanzleiräumlichkeiten, bis zu drei STEIERMARK geräumige Zimmer, wenn gewünscht samt Ein- Wegen Pensionsantritt ab 01. 01. 2020 Anwalts- Niederlande: Rechtsanwaltskanzlei Schmdt Ad- richtung, Mitbenützung Besprechungsräume, kanzlei in 8750 Judenburg, Herrengasse 2/II, vocatuur aus Leiden mit Zweigstelle in Österreich Küche, inkl. Strom, Heizung, Reinigung. Eigene Steiermark (106m2 mit kompletter Büroeinrich- steht österreichischen Kollegen für Mandats- Telefonnummer, eigene virtuelle Server nach tung und EDV-Ausstattung, 3 EDV-Arbeitsplätze/ übernahmen und bei grenzüberschreitenden Absprache möglich. Anschluss für 4. Platz vorhanden und Klienten- Angelegenheiten gerne zur Verfügung. Bei Fra- Bitte unter Chiffre A-100902 an den Verlag. stock und 2 Autoabstellplätzen), günstig abzu- gen zum Niederländischen Wirtschaftsrecht, Ur- geben. Kontaktaufnahme unter heberrecht und Allgemeinen Zivilrecht kontak- SALZBURG Tel.Nr. 03572/87310 oder tieren Sie RA Mag. J. Menno Schmidt (M: E-Mail: [email protected] +43 [0]680 118 1515). Leiden, Kanaalpark 140, Alteingesessene Anwaltskanzlei in bester NL-2321 JV, Telefon +31 (0)20 3200 360, Altstadtlage bietet jungem Kollegen/junger Kol- E-Mail: [email protected]; www.schmdt.nl legin Regiegemeinschaft, spätere Kanzleiüber- nahme ist möglich. Bewerbungen an Rechtsan- wälte Schwarz & Schmied unter [email protected]

07-08_2019 österreichisches anwaltsblatt 523 Indexzahlen

Indexzahlen 2019 März April Berechnet von Statistik Austria Index der Verbraucherpreise 2015 (Ø 2015 = 100) 106,4 106,5*) Großhandelsindex 2015 (Ø 2015 = 100) 106,8 107,5*)

Verkettete Vergleichsziffern Index der Verbraucherpreise 2010 (Ø 2010 = 100) 117,8 117,9*) Index der Verbraucherpreise 2005 (Ø 2005 = 100) 129 129,1*) Index der Verbraucherpreise 2000 (Ø 2000 = 100) 142,6 142,7*) Index der Verbraucherpreise 96 (Ø 1996 = 100) 150 150,2*) Index der Verbraucherpreise 86 (Ø 1986 = 100) 196,2 196,4*) Index der Verbraucherpreise 76 (Ø 1976 = 100) 304,9 305,2*) Index der Verbraucherpreise 66 (Ø 1966 = 100) 535,2 535,7*) Verbraucherpreisindex I (Ø 1958 = 100) 681,9 682,6*) Verbraucherpreisindex II (Ø 1958 = 100) 684,2 684,8*) Lebenshaltungskostenindex (April 1945 = 100) 5991,7 5997,3*) Kleinhandelsindex (März 1938 = 100) 5163,9 5168,8*) Großhandelsindex (Ø 2010 = 100) 110,6 111,4*) Großhandelsindex (Ø 2005 = 100) 122,6 123,4*) Großhandelsindex (Ø 2000 = 100) 135 135,9*) Großhandelsindex (Ø 1996 = 100) 139,1 140*) Großhandelsindex (Ø 1986 = 100) 145 146*) Großhandelsindex (Ø 1976 = 100) 193,1 194,4*) Großhandelsindex (Ø 1964 = 100) 321,5 323,6*) Großhandelsindex (März 1938 = 100) ohne MWSt 3135,6 3156,2*)

*) vorläufige Werte Zahlenangaben ohne Gewähr

ÖSTERREICHISCHER RECHTSANWALTSKAMMERTAG · WOLLZEILE 1–3 · 1010 WIEN TEL.: +43 1 535 12 75-0 · FAX: +43 1 535 12 75-13 · [email protected]· WWW.RECHTSANWAELTE.AT

DATENSCHUTZ Informationspflicht gemäß Art 13 DSGVO: Das Österreichische Anwaltsblatt ist das Kundmachungsorgan des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK). Im Rahmen des Österreichischen Anwaltsblatts informiert der Österreichische Rechtsanwaltskammertag Rechtsanwälte, emeritierte Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter über die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art 13 DSGVO wie folgt: Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen: Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Wollzeile 1–3, 1010 Wien, +43 1 535 12 75-0, [email protected], https://www.rechtsanwaelte.at/. Den Datenschutzbeauftragten erreichen Sie unter an der Anschrift des Verantwortlichen sowie unter der E-Mail-Adresse [email protected]. Der ÖRAK verarbeitet personenbezogene Daten der Rechtsanwälte, emeritierten Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter lediglich zur formalen Abwicklung der vom ÖRAK zu besorgenden, gesetzlich vorgeschriebenen Geschäftsfälle, sowie personenbezogene Daten von Veranstaltungsteilnehmern zum Zwecke der Abwicklung der Veranstaltung auf Grundlage deren Einwilligung sowie zur Erfüllung eines Vertragsverhältnisses. Der von der Verarbeitung Betroffene hat das Recht auf Auskunft über die gespeicherten Daten gemäß Art 15 DSGVO, auf Berichtigung unzutreffender Daten gemäß Art 16 DSGVO, auf Löschung von Daten gemäß Art 17 DSGVO, auf Einschränkung der Verarbeitung von Daten gemäß Art 18 DSGVO, auf Widerspruch gegen die unzumutbare Datenverarbeitung gemäß Art 21 DSGVO sowie auf Datenübertragbarkeit gemäß Art 20 DSGVO. Sofern die Verarbeitung aufgrund einer Einwilligungserklärung erfolgt, hat die betroffene Person die Möglichkeit, diese jederzeit zu widerrufen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung berührt wird. Der Betroffene hat das Recht, sich bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren – zuständig ist in Österreich die Datenschutzbehörde. Informationen zum Datenschutz finden Sie unter https://www.rechtsanwaelte.at/impressumdatenschutz/ IMPRESSUM gem. § 24 MedienG Offenlegung gem. § 25 MedienG und Angaben zu § 5 ECG abrufbar unter https://www.manz.at/impressum Medieninhaber: MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH. Anschrift: Kohlmarkt 16, 1010 Wien. Verlagsadresse: Johannesgasse 23, 1015 Wien ([email protected]). Herausgeber: RA Dr. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Wollzeile 1–3, 1010 Wien, Tel: (01) 535 12 75, Fax: (01) 535 12 75-13, E-Mail: rechts- [email protected], www.rechtsanwaelte.at Redaktionsbeirat: em. RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, RA Dr. Michael Enzinger, RA Dr. Georg Fialka, em. RA Dr. Klaus Hoffmann, RA Dr. Wolfgang Kleibel, RAA Mag. Mariella Kapoun, RA Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Scheuba, RA Dr. Rupert Wolff. Redakteur: Bernhard Hruschka Bakk., Generalsekretär des Österreichi- schen Rechtsanwaltskammertages. Redaktion: Generalsekretariat des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Wollzeile 1–3, 1010 Wien, Tel: (01) 535 12 75, Fax: (01) 535 12 75-13, E-Mail: [email protected] Hersteller: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn. Herstellungsort: Horn, Österreich. Verlagsort: Wien, Österreich. Zitiervorschlag: AnwBl 2019/Nummer; AnwBl 2019, Seite. Anzeigen: Heidrun R. Engel, Tel: (01) 531 61-310, Fax: (01) 531 61-181, E-Mail: [email protected] Bezugsbedingungen: Das AnwBl erscheint 11x jährlich (1 Doppelheft). Der Bezugspreis 2019 (81. Jahrgang) beträgt € 311,– (inkl Versand in Österreich). Einzelheft € 33,90. Auslandspreise auf Anfrage. Nicht rechtzeitig vor ihrem Ablauf abbestellte Abonnements gelten für ein weiteres Jahr als erneuert. Abbestellungen müssen schriftlich bis spätestens 18. November vor Jahresende beim Verlag einlangen. AZR: Die Abkürzungen entsprechen den „Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen (AZR)“, 8. Aufl (Verlag MANZ, 2019). Urheber- rechte: Sämtliche Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten. Kein Teil der Zeitschrift darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, ver- arbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Haftungsausschluss: Sämtliche Angaben in dieser Zeitschrift erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren, der Herausgeber sowie des Verlags ist ausgeschlossen. Fotocredits: Aufmacher Schwerpunkt/Abhandlungen: istockphoto/baona; Aufmacher Service: istockphoto/Bim; Auf- macher Rechtsprechung: istockphoto/tomloel; Editorial Marcella Prunbauer-Glaser: Foto Atelier Doris Kucera; Foto Jessica König: privat; Foto Gerhard Nogratnig: BMVRDJ; Foto Markus Zeiringer: BMVRDJ; Foto Walter Fuchs: IRKS; Foto Christian Moser: Werner Himmelbauer; Foto Hanns Prütting: privat; Foto Andreas Geroldinger: privat; Foto Erik Pinetz: Fotografie Helmreich in 7100 Neusiedl am See; Foto Michael Buresch: privat; Foto Josef Weixelbaum: Werner Himmelbauer. Grafisches Konzept: WERTHER - Marketing- und Kommunikationsberatung, Türkenschanzstraße 46, 1180 Wien. Wird an Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter unentgeltlich abgegeben. Nachdruck, auch auszugsweise, ist mit Zustimmung der Redaktion unter Angabe der Quelle gestattet. Namentlich gezeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung der Autoren wieder.

österreichisches anwaltsblatt 07-08_2019 Wer oder was gefährdet die Unabhängigkeit?

2019. 120 Seiten. Br. EUR 32,– ISBN 978-3-214-06935-3

Neumayr (Hrsg) Unabhängigkeit der Rechtsprechung Nach außen und nach innen

Dem B-VG ist das Konzept richterlicher Unabhängigkeit ganz selbstverständlich. Bloß neun Worte ent- hält der Abs 1 des Art 87 B-VG: „Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.“ Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 Abs 2 Satz 1 GRC sprechen daneben die „Unparteilichkeit“ des Gerichts an. Genauso wie die Unabhängigkeit scheint auch die Unparteilichkeit eine Selbstverständlichkeit – dennoch sind die Grenzen unscharf. Anhand aktueller Fragestellungen, wie • der Einschränkung von Ressourcen und • dem Außenauftritt von Richterinnen und Richtern wird in diesem Band die Reichweite der Garantien der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit der Gerichte ausgelotet. MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1010 Wien www.manz.at

Maßgeschneidert für die Beratungspraxis

2019. XXVIII, 408 Seiten. Geb. EUR 89,– ISBN 978-3-214-00853-6

Vondrak (Hrsg)

Steuerrecht für Juristen 2. Auflage

Auch die Neuaufl age des MANZ-Handbuchs des Jahres 2012 ist nach Lebenssachverhalten gegliedert, die in der Beratungspraxis eines Juristen täglich vorkommen können. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht das rasche Auffi nden aller notwendigen Informationen im Zusammenhang mit • der Errichtung von Kapital- und Personengesellschaften sowie (Privat)stiftungen • zahlreichen Verträgen (Miete, Liegenschaftskauf, Kredit, Schenkung) • Umgründungen • Asset Deal/Share Deal, etc und wird ergänzt durch einen Überblick zum Finanzstrafrecht und Internationalem Steuerrecht unter Berück- sichtigung der unzähligen Novellen der letzten 7 Jahre. Steuerliche Konsequenzen dieser Themenbereiche werden ausführlich erläutert und anhand von mehr als 170 Grafi ken, Beispielen und Praxistipps leicht verständlich und praxisnah veranschaulicht. MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 [email protected] Kohlmarkt 16 ∙ 1010 Wien www.manz.at tel GmbH Universitätsbuchhandlung und Verlags- MANZ’sche und KapBG auf 3.500 Seiten Bilanzstrafrecht inkl Aktiengesetz komplett! Jetzt Kohlmarkt 16 Kohlmarkt ∙ 1010 www.manz.at Wien

+43 1531 61+43 100

fax

+43 1 531+43 61 455 [email protected] (statt EUR694,–) Paketpreis: Band1bis3EUR574,– ISBN 978-3-214-08337-3 XXXVII, 1.116Seiten.Ln.EUR218,– Band 3,6.Auflage 2019.

© Easyturn istockphoto com 4 5

4 der 5 größten Anwaltskanzleien Österreichs* dürfen wir zu unseren Kunden zählen.

Darauf sind wir stolz!

*) Quelle TREND Ranking 2019 Ausgabe 19/19

www.advokat.at ‡R඼FH#DGYRNDWDW