Zwischen Tradition Und Emanzipation CDU-Politikerinnen in Bundesrepublikanischen Parlamenten 1945 Bis 1957
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Petra Holz Zwischen Tradition und Emanzipation CDU-Politikerinnen in bundesrepublikanischen Parlamenten 1945 bis 1957 In der politikgeschichtlichen Historiographie Politikerinnen aller Parteien waren Ende der Bundesrepublik zur Nachkriegszeit kamen der 1940er/Anfang der 1950er Jahre an den Frauen lange Zeit, wenn überhaupt, nur im Diskussionen um die Ausgestaltung der rechtli- Bild der Trümmerfrau vor. Auch die historische chen Konsequenzen beteiligt, die sich aus dem Frauen- und Geschlechterforschung verortete das Gleichberechtigungsartikel ergaben. Maßgeblich Engagement von Frauen zunächst vor allem im involviert an dessen Umsetzung waren vor allem sogenannten vorpolitischen Raum. Allerdings die Politikerinnen der Regierungsfraktionen. Die wurde zur Beschreibung ihrer Aktivitäten bereits Analyse der hierbei geführten Debatten ver- ein erweiterter Partizipationsbegriff zugrunde deutlicht, dass insbesondere die Politikerinnen gelegt, der die Relevanz des politischen Han- der CDU ihr Engagement auf zweierlei Weise delns von Frauen in den bis dahin häufig als begründeten: Entweder argumentierten sie mit ›unpolitisch‹ apostrophierten Vorfeldorganisa- Rekurs auf ›Gleichheit‹ oder aber mit Verweis auf tionen, wie Vereine und Verbände, hervorhob. die ›Differenz‹ zwischen den Geschlechtern. Dadurch fielen allerdings Parlamentarierinnen wie auch generell Frauen, die sich in den etab- lierten politischen Organisationen engagierten, 1. Politische Partizipation der durch das eng gefasste Raster.1 ersten Politikerinnengeneration Demgegenüber möchte sich die folgende in CDU und FDP Darstellung explizit mit denjenigen bürgerlichen Politikerinnen beschäftigen, deren Parteien in Am 12. Juli 1948 berichtete die Goslarer Ratsfrau der ersten Legislaturperiode des Bundestages die Else Brökelschen an Helene Weber, Vorsitzende Regierung stellten. Konkret soll danach gefragt der CDU-Frauenunion: werden, welches Rollenverständnis und welchen Politikbegriff die Politikerinnen der CDU und »Augenblicklich sitze ich als einzige Frau in FDP ihrem politischen Handeln zugrunde leg- einem Ratsherrenkollegium mit absoluter ten, wie sie ihr Engagement vor sich, ihrer weib- CDU-Mehrheit und betreue die Fürsorge. lichen Wählerschaft und vor den männlichen Der Landesfrauenausschuss ist eine recht Parteigenossen legitimierten. Und nicht zuletzt: unfruchtbare Angelegenheit. Es fehlt jede Welche Bedeutung hatte die Diskussion um die Resonanz, die Suche nach ›Frauenfragen‹ hat politische Partizipation und um den sozialen und etwas Gequältes. Ob die Ziele und Aufgaben gesellschaftspolitischen Ort von Frauen für die der alten Frauenbewegung, nach denen – ein- Demokratisierung der Gesellschaft der Bundes- gestanden oder uneingestanden – doch auch republik in der Nachkriegszeit? die Frauenausschüsse der Parteien … ihre Erörtert werden diese Fragestellungen am Arbeit ausrichten, nicht vielleicht doch nur Beispiel der Debatte, die um die Durchsetzung dem bürgerlichen Zeitalter verbunden sind? und Realisierung von Art. 3 Abs. II des Grundge- Ich sehe da nicht klar.«2 setzes (»Männer und Frauen sind gleichberech- tigt«) geführt wurde. 147 Quelle: Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / http://www.westfaelische-geschichte.de/web919 An diesem Schreiben werden gleich mehrere auf das ihnen seit dem Kaiserreich vertraute Punkte deutlich: Vielfach war jeweils nur eine Konzept der »Geistigen Mütterlichkeit« zurück- sogenannte Alibifrau3 in den verschiedenen griff. Auf diese Weise ließ sich das eigene Enga- Gremien der CDU vertreten, die dann meist als gement in dem als ›wesensfremd‹ begriffenen Vertreterin ihres Geschlechtes, nicht aber als Feld der Politik begründen. So formulierte es bei- Fachfrau für die behandelten Sachfragen wahr- spielsweise Julie Rösch, Abgeordnete des Bun- genommen wurde. Hinzu trat die ausgesprochen destages, während des Karlsruher Parteitages föderale Struktur der Union. So fürchteten die im Jahre 1951. »Bei aller Härte, die die politische meisten Landesverbände Nachteile, wenn sie Arbeit mit sich bringt, sollen wir das Frauliche etwa im Parteivorstand von einer Frau vertre- und Mütterliche hineintragen.«8 ten wurden.4 Konrad Adenauer brachte diesen Eine Folge dieses Politikkonzeptes war eine Sachverhalt bereits Anfang September 1949 Arbeitsteilung, die den Frauen diejenigen Poli- in einer Fraktionssitzung auf den Punkt: »Jeder tikfelder beließ, die sich in den Jahren zuvor als sagt, es muß eine Frau dabei sein, aber keiner die klassischen Frauenthemen etabliert hatten: will sie übernehmen.«5 Dabei war auch er keines- Familie, Bildung und Soziales – Themen, mit wegs bereit, eine Frau in einer herausgehobe- denen sich innerhalb der Partei nur selten poli- nen Position zu akzeptieren. So auch nicht seine tische Meriten für die eigene Karriere gewin- geschätzte Parteifreundin aus Kölner Tagen: Als nen ließen, obgleich die Frauen in der CDU Helene Weber 1949 als eine von fünf Kandida- organisatorisch gut aufgestellt waren. Neben ten für die Vertretung Nordrhein-Westfalens im der Jungen Union gehörten sie zu eine der ers- Parteivorstand vorgeschlagen wurde, konterte ten zonenübergreifenden Unterorganisationen der »Alte«: der Partei: 1948 fand die erste konstituierende Sitzung in Frankfurt statt, der Bundesfrauen- »Das ist von Ihnen, Frau Dr. Steinbiß, sicher ausschuss gründete sich 1951 in Königswinter gut gemeint, aber ich glaube nicht, dass es und seit 1956 war die Frauenarbeitsgemein- richtig ist. So sehr ich Frau Weber schätze, es schaft der CDU/CSU Deutschlands (FAG) der ist doch unmöglich, dass das Land NRW, das organisatorische Rahmen der Unionsfrauen.9 volkreichste Land mit der ganzen Industriear- Innerparteilich verfügte die FAG über ein eige- beiterschaft, durch eine Frau alleine vertreten nes Antragsrecht auf den Parteitagen und ihre wird. Das geht doch nicht.«6 beiden gleichberechtigten Vorsitzenden waren qua Amt Mitglied im Bundesvorstand der Par- Schließlich wurde – als es sich mehr als ein Jahr- tei. Die organisatorischen und strukturellen zehnt später nicht vermeiden ließ, eine Frau mit Voraussetzungen für eine erfolgreiche poli- einem Ministeramt zu betrauen – das Gesund- tische Arbeit waren also durchaus gegeben. heitsministerium extra neu geschaffen, um der Dennoch blieb das Bild der ersten Politikerin- von der Frauenunion und vielen Frauenverbän- nengeneration in der CDU blass, inhaltliche den in Deutschland unterstützten Juristin Dr. Arbeitsschwerpunkte sind kaum in der Erinne- Elisabeth Schwarzhaupt nicht das Justizministe- rung präsent, im Vordergrund stand der müh- rium überlassen und keinen Mann »ausbooten« same und wenig erfolgreiche Kampf um perso- zu müssen.7 nalpolitische Berücksichtigung,10 wie auch die Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwun- Politikerinnen selbst das politische Geschäft derlich, dass die überwiegende Mehrheit der als mühselig und nicht selten unbefriedigend nach 1945 politisch aktiven Frauen in der CDU empfanden. 148 Quelle: Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / http://www.westfaelische-geschichte.de/web919 Wie konnte es dazu kommen? man dem am besten entgegnet mit einer Ver- Auch in der CDU fühlten sich die Frauen in der sammlung, in der es Kaffee und Kuchen gibt unmittelbaren Nachkriegszeit von der besonde- und wo man einen Spätheimkehrer sprechen ren politischen Situation in die Verantwortung lässt. Dann ist im Nu die Stimmung verflo- genommen. Stärker noch als nach dem verlore- gen und der gefühlsmäßige Widerstand der nen Ersten Weltkrieg waren die Männer nach Frauen gegen die Wehrgesetze ist in kürzester dem Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg Zeit aufgehoben.«14 in weiten Teilen moralisch diskreditiert – und zunächst auch physisch abwesend. Ziel war daher die »Stärkung des Einflusses der Frau auf 2. Gleichheit oder Differenz: die Gestaltung der Gesamtpolitik unseres Hei- Helene Weber und Elisabeth matlandes«, wie es programmatisch auf einem Schwarzhaupt als Vertreterinnen frühen Treffen der hessischen CDU-Frauen im unterschiedlicher Richtungen Jahre 1947 formuliert wurde.11 Allerdings konnten sich die hessischen Sowohl Helene Weber als auch Elisabeth CDU-Frauen in den folgenden Jahren in der Schwarzhaupt verkörpern wie kaum eine andere Gesamtpartei nicht durchsetzen. Mit der fort- Politikerin in der Union die unterschiedlichen schreitenden Übernahme der Geschicke der Vorstellungen von der Rolle und politischen Auf- Frauenorganisation der CDU/CSU durch Helene gabe der Frauen in der bundesrepublikanischen Weber und die Vertreterinnen der katholischen Nachkriegsgesellschaft. Am Beispiel ihrer Bio- rheinisch-westfälischen Unionsfrauen war schon grafien lassen sich gleich mehrere gegensätzli- bald wieder von den ›besonderen Aufgaben‹ che Punkte aufzeigen, die charakteristisch sind der Frauen die Rede, die ›ergänzend‹ neben den für das oft widersprüchliche Handeln christ- Männern wirken sollten. So formulierte Helene demokratischer Politikerinnen generell. Weber Weber auf der konstituierenden Sitzung der FAG war katholisch, Schwarzhaupt evangelisch. Sie im Mai 1948, die Frauen sollten sich »instinkt- gehörten unterschiedlichen politischen Gene- sicher« gegen die kommunistische Bedrohung rationen an. Weber (Jahrgang 1881) durchlief wenden und ihren Einfluss innerhalb der Familie ihre Sozialisation im Kaiserreich; Schwarzhaupt geltend machen.12 hingegen war 20 Jahre jünger (Jahrgang 1901). Nur wenige Frauen in der CDU forderten Ihre Jugend war geprägt von den unruhigen demgegenüber ein »Denken, vor allem kausales Jahren der Weimarer Republik. Weber hatte den Denken« ein.13 Die meisten hingegen