Die Geglückte Verfassung
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spd-bundestagsfraktion mai 2009 Gisela Notz/Christl Wickert Die geglückte Verfassung Sozialdemokratische Handschrift des Grundgesetzes allgemein allgemein solidarische bürgergemeinschaft und demokratischer staat neue wertschöpfung und gute arbeit der vorsorgende sozialstaat eine friedliche, freie und gerechte weltordnung nachhaltiger fortschritt inhaltsverzeichnis ................................................................................................... 05 Vorwort 07 Zusammenfassung 15 Einleitung 16 Vorarbeiten im Exil und in der Illegalität 18 Was war der Parlamentarische Rat? 23 Was waren die Strukturen und Aufgaben des Parlamentarischen Rates? 26 Wer waren die Frauen und Männer des Parlamentarischen Rates? 28 Die Präliminarien der Arbeit des Parlamentarischen Rates 28 Streit um den Sitz des Parlamentarischen Rates und der vorläufigen Bundesregierung 29 Provisorium mit Bekenntnis zur Einheit Deutschlands 31 Präambel 03 spd-bundestagsfraktion ................................................................................................... 33 Exemplarische Bereiche der Diskussion zum Grundgesetz 33 Diskussion der Grundrechte 35 Parlamentarisches Regierungssystem 35 Staatsform, Verfassungsorgane 40 Bekenntnis zum sozialen Rechtsstaat 42 Der Föderalismusstreit 47 Künftige Stellung Berlins 48 Öffnung zum Weg nach Europa 49 Wahlrechtsdebatten im Parlamentarischen Rat 52 Politikbereiche 60 Das Grundgesetz ist verkündet 63 Biografien der sozialdemokratischen Mitglieder im Parlamentarischen Rat 96 Anhang 102 Literaturverzeichnis 103 Abkürzungsverzeichnis 04 vorwort Vorwort ............................................................................................................ 65 Frauen und Männer haben im Par- lamentarischen Rat das Grundgesetz verfasst. Unter ihnen waren 27 Sozial- demokraten. Mit Elisabeth Selbert und Friederike „Frieda“ Nadig stellte die SPD zwei von insgesamt lediglich vier Frauen. Diese Sozialdemokratinnen und Sozial- demokraten hatten an der Entstehung des Grundgesetzes – und damit an der Gründung der zweiten deutschen De- mokratie - einen erheblichen Anteil. Ihre Arbeit war nicht nur geprägt durch die Erfahrungen der Weimarer Jahre. Viele von ihnen wurden unter der Nazi- Herrschaft verfolgt, eingesperrt oder mussten aus Deutschland fliehen. Wir Dr. Peter Struck werden ihrer immer dafür gedenken, Vorsitzender der dass sie sich nach den Jahren des Schre- SPD-Bundestagsfraktion ckens so leidenschaftlich und kraftvoll für den Aufbau einer neuen Demokratie in Deutschland eingesetzt haben. Sehr geehrte Damen und Herren, Angetrieben wurden sie von dem Gedan- am 23. Mai 2009 jährt sich die Gründung ken, dass sich das Scheitern von Weimar der Bundesrepublik zum sechzigsten unter keinen Umständen wiederholen Mal – Anlass genug zu feiern und die dürfe. Nie wieder sollte in Deutschland Frauen und Männer zu würdigen, die das eine verbrecherische Diktatur Platz Grundgesetz, das Gründungsdokument greifen, nie wieder sollten elementare der zweiten deutschen Demokratie, er- Grundrechte abgeschafft und mit Füßen arbeitet haben. getreten werden können. 05 spd-bundestagsfraktion Die Mitglieder der SPD im Parlamentarischen Rat konnten nicht nur an die so- zialdemokratische Politik während der Weimarer Zeit anknüpfen, sondern auch Ideen und Konzepte nutzen, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Exil erarbeitet hatten. Zum 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes erscheint uns vieles als selbstverständ- lich. Aber das Bekenntnis zum sozialen Bundesstaat, ein unabhängiges Bundesver- fassungsgericht, die Festschreibung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen sind nur einige der wichtigen Errungenschaften, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erstritten und im Grundgesetz verankert haben und die damals eben nicht selbstverständlich waren. Für die deutsche Sozialdemokratie war das wiedervereinigte Deutschland ein elementares politisches Ziel. Deshalb sollte die Bundesrepublik Deutschland auch nur ein Provisorium bleiben und das „Grundgesetz“ nur so lange gelten, bis sich das „wiedervereinigte“ deutsche Volk in freier Selbstbestimmung eine neue Verfassung geben würde. Auch dieser Gedanke wurde im Parlamentarischen Rat aufgegriffen. Mit dieser Broschüre wollen wir nicht nur die Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes würdigen, sondern in ganz besonderer Weise die Arbeit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten herausstellen, die das Gründungsdokument der zweiten deutschen Demokratie wesentlich mitgeprägt und damit einen unverzichtbaren Beitrag zu ihrem Gelingen geleistet haben. Mit freundlichen Grüßen Berlin, im Mai 2009 ...................................................................................................... 06 die geglückte verfassung Zusammenfassung ................................................................................................................................................................................ ....................... Die geglückte Verfassung Das Grundgesetz für die Bundesre- FDP fünf und je zwei von Zentrum, DP publik Deutschland wird 60 Jahre alt. und KPD. Es ist der Hartnäckigkeit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemo- SPD zu verdanken, dass – gegen den Wi- kraten haben, geprägt durch die Erfah- derstand der Westalliierten – zu allen rungen in der Weimarer Republik und Besprechungen vor dem Zusammentritt unter der Hitler-Diktatur, im Parlamen- des PR bereits Vertreter Berlins mit be- tarischen Rat (PR) 1948/49 nach monate- ratender Stimme geladen wurden. So langem Ringen ein Grundgesetz (GG) mit konnten an den Beratungen des PR fünf erarbeitet, das im Wesentlichen noch Berliner ohne Stimmrecht teilnehmen, heute unser politisches Leben regelt. unter ihnen für die SPD der Reichstags- präsident der Weimarer Republik Paul Am 1. Juli 1948 überreichten die drei Löbe, der Vorsitzende der Stadtverord- Westalliierten USA, England und Frank- netenversammlung Otto Suhr und der reich den Ministerpräsidenten der 11 Bürgermeister Ernst Reuter. nach dem Zweiten Weltkrieg gegrün- deten westdeutschen Länder die „Lon- Nach dem Willen der Westalliierten doner Empfehlungen,“ in denen die sollte der PR eine föderalistische Verfas- Errichtung eines föderalistischen deut- sung für eine neue deutsche Demokratie schen Bundesstaates auf dem Boden der schaffen. Die Mitglieder des PR selbst drei Westzonen vorgeschlagen wurde strebten ein provisorisches Basisgesetz und die Ministerpräsidenten ermäch- an, das nach Erringung der deutschen tig wurden, eine verfassungsgebende Einheit einer Verfassung für die gesamte Versammlung einzuberufen. 61 Männer deutsche Bevölkerung Platz machen und 4 Frauen wurden von den Länder- sollte. Das GG erhielt – nicht zuletzt parlamenten in den PR gewählt. Hinzu durch die Interventionen der SPD – ei- kamen fünf nicht abstimmungsberech- nen ausdrücklich provisorischen Charak- tigte Berliner. Nach einem zuvor unter ter, bis die Bevölkerung in der SBZ und den Ministerpräsidenten und Bürger- jenseits der Oder-Neiße selbst ent- meistern der beiden Stadtstaaten ab- scheiden kann, ob sie der Bundesre- gesprochen Proporz wurden von den publik Deutschland beitreten möch- beiden großen Parteien SPD und CDU/ te. Die Berliner Oberbürgermeisterin CSU je 27 Delegierte entsandt, von der Louise Schroeder, hatte bereits bei der 07 spd-bundestagsfraktion „Rittersturz-Konferenz,“ die vom 8. bis 10. Juli 1948 bei Koblenz stattfand, dringend davor gewarnt, eine Verfassung zu beraten, die allein auf die drei Westzonen be- grenzt war. Die Berliner Mitglieder des PR verstanden sich nicht nur als Stimme der Bewohner der ehemaligen Hauptstadt, sondern auch des Teiles von Deutschland, dessen Bewohner nicht durch Abgeordnete im PR vertreten waren. In der Präambel wurde deshalb festgelegt: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“ Besonders der Berliner Bürgermeister Ernst Reuter setzte sich für die Anerkennung Berlins als vollwertiges Land der Bundesrepublik Deutschland ein. ...................................................................................................... Sozialdemokratische Verfassungsdiskussionen Die SPD konnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur an die sozialde- mokratische Politik der Weimarer Zeit anschließen, sondern auch an die Konzepte, die Sozialdemokraten im Exil und in der Illegalität erarbeitet hatten. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Emigration diskutierten schon lange vor Kriegsende über eine neue deutsche Staatsordnung. Übergreifendes Ziel aller Überlegungen war, künftig jede Außerkraftsetzung der Menschenrechte, wie sie auf Grund der Weimarer Verfassung durch die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 erfolgte, unmöglich zu machen und die Regierungsbildung zu ver- einfachen, um eine höhere Kontinuität als in den 1920er Jahren zu gewährleisten. Dagegen sollten die „Grundsätze des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechts“ der Weimarer Verfassung von 1919 verteidigt werden. Ende November 1945 veröffentlichten die Exil-Sozialdemokraten in Großbritannien ihre Vorstellung zu einer neuen Verfassung, die sie seit 1940 diskutiert hatten: Neben den zentralen Forderungen nach Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Wiedergutmachung empfahlen sie eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und eine soziale Marktwirtschaft, denn nur im Rahmen einer wirklich „sozialen Demokratie“ könnten die Grundrechte so gesichert werden, dass sie nicht wieder missbraucht werden. Hermann Brill, Chef der Hessischen Staatskanzlei, legte