Die Entstehung Unserer Täler

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Die Entstehung Unserer Täler Die Entstehung unserer Täler Prof. Dr. Wilhelm Meyer Die Abhängigkeit der Talformen das Wasser rasch in mehreren flachen, von vom Gefälle Kiesinseln voneinander getrennten Strängen. Die Mittelgebirgslandschaft der Osteifel ist Die einzelnen Rinnsale verändern häufig ihre hauptsächlich durch das Zusammenspiel von Lage und auch die Kiesinseln wandern, so dass einem großflächigen Aufsteigen des ganzen sich auf ihnen kein Wald entwickeln kann. Das Rheinischen Massivs und der Abtragungsarbeit schnellfließende Wasser kann faustgroße Ge- eines weitverzweigten Flussnetzes geprägt steinsbrocken fortbewegen, sie werden beim worden. Die Form der Flussläufe ist abhängig Transport abgerundet. Mächtige Kieslager, die von ihrer Fließgeschwindigkeit, damit also als Zuschlag für Baustoffe begehrt sind, gehen vom Gefälle des Systems. Bei starkem Gefälle meist auf die Tätigkeit von solchen verzweig- fließt das Wasser in geradem Lauf, also auf ten Flüssen zurück. Die untere Ahr zeigt dort, kürzestem Wege ab. Bei einem Gefälle von et- wo ihre Ufer nicht befestigt wurden, andeu- wa 1‰ (also 1 m Höhenunterschied auf 1000 tungsweise noch den Charakter eines ver- m Flusslänge) entsteht ein verzweigtes und zweigten Flusses, z. B. nahe der Mündung bei verflochtenes Fluss-System, wie wir es bei den Kripp. Voralpenflüssen Lech, Isar, Inn usw. beobach- Wenn das Gefälle schwächer wird, also weni- ten können: über ein kilometerbreites Tal fließt ger als etwa 0,5 ‰ beträgt, beginnt der Fluss Die Ahrmündung vom Kaiserberg bei Linz aus: Die Goldene Meile ist eine weite Niederterrassen- fläche, ganz rechts Kripp. Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2008 ◆ 99 hin und her zu schwingen, als ob ihn eine ge- die Mäanderschleifen mehr kreisförmig sind, wisse Unentschlossenheit überkommt. Diese rücken die Nachbarbögen immer enger zusam- Flussbögen nennt man Mäander, nach einem men, so dass die Bergsporne in ihrem Innern Fluss, der in der südwestlichen Türkei in einer eingeschnürt werden, bis nur noch ein schma- Aufschüttungsebene lebhafte Schleifen bildet ler Hals übrigbleibt. Wenn der Fluss ihn und von den alten Griechen Mäandros genannt schließlich durchtrennt, wird die Mäander- wurde; er heißt heute Menderes. Der Rhein be- schleife stillgelegt, eventuell bleibt ein Teil des ginnt dort, wo er bei Bonn das Schiefergebirge alten Flusslaufs noch als Altwasser bestehen. verlässt, auch zu mäandrieren, wenn auch Der Sporn im Innern der Schleife ist zum Um- nicht so stark wie z. B. die Seine von Paris bis laufberg geworden. Eine solche stillgelegte zur Mündung. In den Mäanderbögen verlagert Fluss-Schlinge ist im Altenahrer Ortsteil Alten- sich der Stromstrich, also die Zone schnellsten burg zu finden: Vor einigen Tausend Jahren Fließens, an die Außenseite der Krümmungen, floss die Ahr im Bereich des heutigen Ortes Al- vertieft hier das Bett und trägt Gestein von den tenburg in einem Bogen nach Osten bis vor den Uferbereichen ab; das ist der Prallhang. Auf der Rücken mit dem Teufelsloch. Sie hat dann flachen Innenseite des Bogens verlangsamt schließlich den schmalen Sporn durchbrochen, sich die Strömung, so dass feines Material ab- so dass die Fluss-Schleife trockengelegt wurde; gelagert wird; das ist der Gleithang. In der in ihr liegt heute das Schulzentrum. Im Inne- großen Rheinschleife bei Remagen bildet das ren der Schleife ragt ein felsiger Umlaufberg Steilufer zwischen der Apollinariskirche und empor. Talabwärts der nächste Mäander bildet dem Unkelbachtal den Prallhang, auf dem fla- die als „Langfigtal“ bezeichnete große Ahr- chen Gleithang liegen Erpel und Unkel. Wenn schleife südlich von Altenahr. Ihr Umlaufsporn hat nur noch einen schmalen Hals aus Unter- devongesteinen; es ist die Stelle, die von den Eisenbahntunneln und dem Straßentunnel durchquert wird. Sie wird eines Tages auch durchschnitten werden; zeitweise nimmt die Ahr schon die Abkürzung durch den Straßen- tunnel, wie die Hochwassermarken an dessen Ostportal zeigen. Wenn das Gefälle nur noch unmerklich ist, werden die Bögen noch ausladender und viele laufen ineinander über wie die Adern auf einem Handrücken. Die Verbindung zwischen Adern oder Nerven nennt die Medizin Anastomose, deshalb spricht man von anastomosierenden Fluss-Systemen. Dieser Typ ist aber in unserem Gebiet nicht verwirklicht (ein berühmtes Bei- spiel dafür ist der Spreewald). Das Aufsteigen der Rheinischen Masse Diese Kenntnis von der Dynamik von Flussläu- fen ermöglicht es uns, die Entwicklung der rheinischen Landschaft zu rekonstruieren. Da- bei müssen wir uns noch mit den Vertikalbe- wegungen beschäftigen, welche die Entwick- lung eines Flussnetzes erst ermöglicht haben: Blick aus dem Teufelsloch bei Altenahr auf den Vor etwa 50 Millionen Jahren, zu Beginn der Umlaufberg von Altenburg Tertiärzeit begann das Gebiet des Rheinischen 100 ◆ Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2008 Schiefergebirges und der Ardennen langsam gelegt worden, aber die kleinen Nebenflüsse, so aufzusteigen. Dieses bald seine Umgebung auch Ahr, Vinxtbach und Brohlbach sind erst überragende Gebirge nennt man nun die danach entstanden, im wesentlichen erst „Rheinische Masse“. In dem aufsteigenden während der Quartärzeit, damit während der Block sank im Norden das große Bruchdreieck letzten 2 Millionen Jahre. Der größte Teil der der Niederrheinischen Bucht ein. Im Zentrum Quartärzeit wird als das Eiszeitalter (in der erd- des Blockes entstand das Neuwieder Becken geschichtlichen Nomenklatur das Pleistozän) durch Verwerfungen. Nun konnte sich ein bezeichnet, daran schließt sich die geologische Flussnetz entwickeln, das die tonige Verwitte- Jetztzeit (das Holozän) an, das sind „nur“ die rungsrinde des Schiefergebirges abspülte und in letzten 10 000 Jahre der Erdgeschichte. Das Eis- die erwähnten Senkungsräume transportierte. zeitalter ist dadurch bestimmt, dass etwa Der Gebirgskörper stieg aber nicht als starrer 15 Mal die Temperaturen so stark zurückgin- einheitlicher Block auf, sondern er zerbrach in gen, dass große Teile der Nordhalbkugel von große Schollen, die sich unterschiedlich stark Eismassen bedeckt wurden, so auch die nord- hoben. Es rissen dabei Frakturen und Spalten deutsche Tiefebene, die Alpen und einige Mit- auf, die sich z. T. in große Tiefen fortsetzten und telgebirge. Jedoch blieb das Rheinische Schie- so Gesteinsschmelzen den Aufstieg ermöglich- fergebirge immer eisfrei. Die starken klimati- ten. Die Folge war lebhafter Vulkanismus in Ei- schen Wechsel haben das Flussregime stark be- fel, Westerwald und Siebengebirge, dabei ent- einflusst: Während der Kaltzeiten („Eiszeiten“) stand auch das tertiärzeitliche Vulkanfeld der war das Wasser zum großen Teil als Eis gebun- Hocheifel, das seinen Schwerpunkt zwischen den, die Flüsse hatten also wenig Wasser. Sie Adenau und Kelberg hat. verloren ihre Kies- und Sandfracht und schüt- Dieses Mosaik aus Schollen mit unterschiedli- teten weite Schotterfluren auf. In den Warm- cher Hebungsintensität hat auch die Entwick- zeiten waren sie reich an Schmelzwasser und lung der Täler beeinflusst, das lässt sich be- konnten ihr Bett wieder vertiefen, denn in der sonders am unteren und mittleren Ahrtal zei- Zwischenzeit hatte sich das Gebirge ja weiter gen. gehoben. Das alte Flussbett bildete nun eine Terrasse einige Meter oder Zehner Meter über Die Entstehung des Flussnetzes der neuen Talsohle. Dieser Wechsel zwischen Ehe wir uns damit näher beschäftigen, müssen Aufschüttung bzw. Terrassenbildung und Ein- wir uns noch mit der Morphologie von Fluss- schneiden mit dem Ausbilden steiler Talflanken tälern, die sich in aufsteigende Gebirge ein- wiederholte sich mehrfach, wobei das Tal im- schneiden, befassen: Wenn ein Fluss einen auf- mer enger wurde. Unsere Flüsse werden also auf steigenden Block überquert, muss er sich in ihn beiden Seiten von einer Terrassentreppe umge- einschneiden. Wir haben gesehen, dass er bei ben, wobei die älteren Terrassen jeweils über starkem Gefälle ein breites verzweigtes Fluss- den jüngeren liegen. System entwickelt, bei schwächerem Gefälle Für den Mittelrhein und seine Nebenflüsse tritt bilden sich Mäanderschleifen. Bald ist der Fluss noch ein weiterer Faktor hinzu: Vor etwa zwischen den Wänden seines eingetieften Ta- 800000 Jahren nahm die Hebungsintensität les gefangen, und wenn die Hebung des von der Rheinischen Masse plötzlich stark zu. Zu- ihm überquerten Blockes weiter anhält, muss er letzt dürften die Hebungsbeträge bei 7 cm pro es weiter vertiefen, um sein Mündungsgebiet zu Jahrtausend gelegen haben, nun steigen sie auf erreichen. 16,5 cm pro Jahrtausend an, das ist eine Zu- Diese Vorgänge begannen im Rheinland bereits nahme um den Faktor 2,35. Die Ursachen für zu Beginn der Tertiärzeit. Ein Fluss, der das die so unvermittelt einsetzende Beschleuni- ganze Schiefergebirge überquert, also ein Vor- gung der auch heute noch andauernden Verti- läufer des Rheins, existiert erst seit dem jünge- kalbewegungen werden noch diskutiert. Sie ren Tertiär, also seit etwa 15 Millionen Jahren. müssen auf Vorgänge im Erdmantel zurückge- Das Moseltal ist wohl schon etwas früher an- hen, die sich unserer Analyse einstweilen noch Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2008 ◆ 101 entziehen. Jedenfalls war nun der Rhein mit ei- hebt, hat sich der Rhein in diese Niederterras- nem Mal gezwungen, sich tief einzuschneiden. senflächen und das etwas tiefer gelegene So ist der Beginn der Phase starker Hebung Hochflutbett inzwischen weiter eingeschnitten. durch den Wechsel von den kilometerweiten Diese Terrassengliederung lässt sich aus dem Plateautälern zu den engen Talschluchten, die Rheintal auch in die Nebentäler verfolgen,
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