No. 28/2016

Rücktritt & Rückblick 2 CDN-MAGAZIN 28/2016

EDITORIAL Rücktritt nach großen SERIE Turnieren: Schwein- über den steiger, Podolski und DER „VERBORGENE“ Rücktritt großer Spieler aus andere Ikonen des NATIONALSPIELER // der Nationalmannschaft // Nationalteams // Lieber früher und V O R B E I ! Reinhard Häfner: ohne Zwang als am Doch unvergessen 12 Kämpfer im Fahrstuhl 20 Ende zu spät 04

AKTUELL IM BLICKPUNKT

„Mit Silber, das sich wie Gold anfühlt“, tritt als Trainer- Legende beim DFB zurück // Ein P A T R O N als Freund und Helfer 06

VOR 90 JAHREN

1926 übernahm mit erstmals ein Trainer die Verantwortung für die Nationalmannschaft // AUFBRUCH „in die Weltspitze“ 24

„Klassentreffen“ der Wembley-Legenden im Deutschen Fußball- Bilderseite // museum in Dortmund // Die SILBER-Helden Der M Y T H O S von Rio 10 lebt weiter 16 3

AKTUELL IM BLICKPUNKT DIAGONALPÄSSE Kalle Rummenigge bis Ende 2019 an der Bayern-Spitze 37 Sie sind das Sondereinsatz- Jérôme Boateng: kommando für das späte Glück: Weltmeister und enga- 20.000 beim „Tag der die letzten Trümpfe von der Bank // gierter Wohltäter 36 Legenden“ in Hamburg 38 „Hofnarr“ als König: der J O K E R 28

Die „1“ – mehr als nur Adlers Rückennummer 38

VOR 60 JAHREN „Icke“ Häßler mit gutem ­ Einstand in der 8. Liga 36 Über Saarlands Nationalelf und den 1. FCS als „interessantestes Fußballteam Europas“ // Technik, Akrobatik und Fußballbesessenheit 32

Welt- und Europameister beim Golf für guten Zweck 39

Große Ehre für Uwe Seeler, Hrubesch und Bruchhagen 37

Marco Reus nach Messi Cover-Star bei „FIFA 17“ 37

IN MEMORIAM 39

JUBILÄEN/ RUNDE GEBURTSTAGE 40

IMPRESSUM 43 4 CDN-MAGAZIN 28/2016

Uwe Seeler über den Rücktritt großer Spieler aus der Nationalmannschaft Lieber früher und ohne Zwang als am Ende zu spät

Liebe Freunde!

Danke, das war’s! Zumindest zu sich ruhiger angehen lassen und sich Zeitpunkt gewählt hat. Die Entschei- selbst werden Bastian Schwein­ stärker auf ihren privaten Bereich dung für das richtige Timing kann steiger und dies konzentrieren. Ich selbst freue mich ­einem hierfür niemand abnehmen. ­gesagt haben, als sie vor wenigen für sie, dass sie diese Entscheidung Wochen ihren Rücktritt von der verletzungsfrei und in bester körper- Soll man sich auf dem absoluten ­Nationalmannschaft verkündet hat- licher Verfassung treffen konnten ­Höhepunkt vom Nationalteam verab- ten. „Das war’s, vielen Dank!“ Das und somit ihren Klubs weiterhin un- schieden, wie zum Beispiel Philipp sollten aber auch wir alle sagen, die eingeschränkt zur Verfügung stehen. Lahm, Miro Klose und Per Mertes- wir die großartige Länderspielkarrie- acker, und Klaus re der beiden im vergangenen Jahr- Rücktritt vom Nationalteam – dies Augenthaler oder Gerd Müller, Wolf- zehnt mitverfolgt haben. Eine Ära sei ist generell seit vielen Jahrzehnten gang Overath und Jürgen Grabowski mit dem Abschied der beiden zu Ende ein großes Thema, nicht nur für die direkt nach den WM-Triumphen 2014, gegangen, war zu lesen und zu hören. Direktbetroffenen. Egal, ob als Spie- 1990 und 1974? Oder ist man mit Diese Feststellung ist mehr als be- ler oder, wie jetzt nach Olympia Horst dem Rücktritt nach einem verlorenen rechtigt. Mit Basti und Poldi ­verlas- Hrubesch und , als Trainer. großen Turnierfinale auf dem rich­ sen nach 121 bzw. 129 Länderspielen In dieser Ausgabe des CdN-Maga- tigen Weg, den zum Beispiel Paul zwei absolute sportliche Schwer­ zins ist dies denn auch ein Schwer- Breitner, und Horst gewichte die große interna­tionale punktthema. Hrubesch oder Hans-Peter Briegel, Bühne – Bastian zudem als Kapitän Karlheinz Förster, und der Nationalmannschaft – die für die Jeder Rücktritt ist ein schwieriger Karl-Heinz Rummenigge sowie Oliver DFB-Auswahl und mit ihr Heraus- Entschluss, unabhängig davon, ob er Bierhoff nach den WM-Endspielen ­ragendes erreicht haben. durch eine Verletzung oder aus freien 1982, 1986 und 2002 gegangen sind? Stücken zustande kommt. Das Wich- Diesen Schritt muss man akzeptie- tigste ist dabei, sich selbst gegenüber Natürlich ist eine solche Entschei- ren. Beide wollen es nunmehr etwas ehrlich zu sein, ob man den richtigen dung auch vom persönlichen Alter 5

abhängig. So war es bei mir, als ich Löhr oder zurücktraten. Schweinsteiger und Co. nicht so ohne 1970 nach der WM in Mexiko und Stattdessen rückten , weiteres in den verdienten Länder- dem erfolgreichen Spiel um Platz Uli Hoeneß, , Bernd spiel-Ruhestand gehen lassen. drei mit 35 Jahren zurücktrat, zumal Cullmann, Bernd Hölzenbein, Jupp wir ja fast alle zu jener Zeit auch noch Heynckes, Herbert Wimmer, Heinz So schwer es einem fällt, nach so einen zweiten Beruf hatten. Flohe und vor allem auch Jürgen langer Zeit im Nationalteam aufzu­ Grabowski, der 1970 ja noch als hören, so schön ist es, wenn man da- Unabhängig davon aber muss festge- ­(ausgezeichneter) Joker in Erschei- rüber selbst entscheiden kann. Ohne halten werden, dass jeder Rücktritt nung getreten war, ganz stark in den durch eine schwere Verletzung oder nicht nur mit einem gewissen Bedau- Blickpunkt und sorgten für großar­ den Druck der Öffentlichkeit dazu ern einhergeht, sondern dass er auch tige Perspektiven Richtung EM 1972 gezwungen zu werden. Lieber etwas eine große Chance mit sich bringt. und WM 1974. früher, ohne Zwang und unaufgefor- Die Chance nämlich für junge groß­ dert, als am Ende zu spät! artige Talente und für hochquali­ Jeder Rücktritt fizierte Spieler, die bis dahin in der auch eine große Chance Herzliche Grüße Nationalmannschaft noch nicht so Euer richtig zum Zug kamen, nunmehr Noch rosiger stellt sich die Situation aber eine wichtige Rolle beim Neu- heute dar nach den sofortigen oder aufbau oder beim Anvisieren weiterer zeitversetzten Rücktritten der Welt- Erfolge spielen können. meister von 2014. Zuletzt zeigte sich ja bei Olympia in Rio, welch wunder- So war es damals bei mir, als zu­ bare Talente aus den Nachwuchsleis- sammen mit mir nach der WM 1970 tungszentren und den U-Mannschaf- Karl-Heinz Schnellinger, , ten heranwachsen. Wäre es nicht so, Uwe Seeler , , Hannes hätten Jogi Löw und der DFB Lahm, CdN-Vorsitzender AKTUELL IM BLICKPUNKT 6 TRAINER-ABSCHIED HORST HRUBESCH

„Mit Silber, das sich wie Gold anfühlt“, tritt Horst Hrubesch als Trainer-Legende beim DFB zurück

Ein P A T R O N als Freund und Helfer

Als gute Seele des deutschen Juniorenfußballs verstand es Horst Hrubesch, glaubwürdig und authentisch, die ihm anvertrauten Spieler zu erden, ihnen Werte wie Leistungsbereitschaft, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft zu vermitteln. Sie zahlten es ihrem väterlichen Missionar mit großen sportlichen Erfolgen zurück. Und lagen diesem Patron mit Ecken und Kanten, der ihr Großvater sein könnte und stets Freund und Helfer war, ebenso begeistert wie bewundernd zu Füßen. Roland Zorn über den Rücktritt eines Fußball-Lehrers, der zum Abschied nach 16 Jahren beim DFB Olympia-Silber gewann und ein goldenes Erbe hinterlässt.

Auch ein paar Wochen danach brennt Es ging auch ohne den Sieg in diesem die „als zusammengewürfelter Hau- in Horst Hrubesch noch das olym­ sehenswerten Endspiel zwischen fen in Brasilien angekommen ist und pische Feuer. „Für die Jungs und für zwei gleichguten Teams so viel, dass dort in Windeseile zusammengefun- mich war die Zeit in Brasilien ein ein- Hrubesch danach aus Überzeugung den hat“. Er hat seinen Spielern des- maliges Erlebnis. Und was mich am sagen konnte: „Für mich fühlt sich halb schon vor dem ­Elfmeterschießen meisten gefreut hat: Wir haben es dieses Silber an wie Gold.“ zugerufen: „Wir gehen hier als Sieger geschafft, den olympischen Fußball in und nicht als Verlierer raus.“ Die Deutschland salonfähig zu machen.“ Wer schließlich nach zwei Standard- ­Verlierer, die auch Gewinner waren, momenten, einem allerdings sehens- trugen ihre Silbermedaillen darum Und wie! 8,25 Millionen Fernsehzu- werten Freistoßtreffer durch Neymar voller Stolz und nicht wie einen Trost- schauer, die zweithöchste deutsche (27. Minute) und fünf punktgenau preis zum Wegwerfen, wie mancher Einschaltquote während der Spiele, ausgeführten Strafstößen siegt, weil Spieler etwa von Atlético Madrid sahen, wie fabelhaft sich Hrubeschs der Freiburger bei sei- nach dem verlorenen Champions Olympia-Auswahl im Endspiel gegen nem fünften Versuch an Torhüter League-Finale im Mai gegen den den Turnierfavoriten und Gastgeber Wéverton scheitert, ist ja „nicht aus ­großen Ortsrivalen Real Madrid. Brasilien schlug, der das Finale am dem Anzug gespielt worden“, wie 20. August mit einer Portion Glück Hrubesch das Gleichgewicht der Einmal noch hat Hrubesch in den drei erst im Elfmeterschießen gegen die Kräfte in diesem spektakulären End- ereignisreichen Wochen im größten deutsche Mannschaft gewann. „Wäre spiel im legendären Maracana-Sta­ südamerikanischen Land seine ganz einer unserer drei Latten- und Pfosten­ dion von Rio de Janeiro beschreibt. besondere Führungskunst bewiesen, treffer reingegangen“, sagt der nach Charaktere zu formen und leuchten diesem so gut wie krönenden Ab- „Unser Tor durch (57.) war zu lassen. Das deutsche Aufgebot, schluss seiner Trainer-Karriere zurück­ dagegen überragend herausgespielt“, das sich nach komplizierter Suche getretene Westfale, „hätte ich gern hebt der 65 Jahre alte Patron dieser und so manchem Kompromiss mit mal gesehen, was dann so alles geht.“ deutschen Mannschaft stolz hervor, den Bundesligaklubs auf die Reise 7

SPIELERKREIS VOR DER VERLÄNGERUNG IM OLYMPIA-FINALE: „VATERFIGUR“ HRUBESCH SCHWÖRT SEIN TEAM AUF DEN LETZTEN ABSCHNITT SEINER TRAINER-KARRIERE EIN.

gen Traumziel Olympia machte, star- ­letzten deutschen (Bronze-)Medaillen­ die unter seiner Anleitung 2008 tete ohne allzu großen öffentlichen gewinner bei den Olympischen Spie- ­Europameister wurde, und der U 21- Vertrauensvorschuss. len 1988 in Seoul, dass fast alle deut- Mannschaft, die mit ihm als Fußball- schen Spieler ihren Trainer schon aus Lehrer ein Jahr darauf den Europa- „Wir aber hatten die Möglichkeit, eigenem Erleben kannten. Deshalb meistertitel eroberte, vorgelebt. ­etwas gegen alle Vorurteile zu tun“, fiel es Hrubesch auch angesichts des sagt Hrubesch, „und so haben wir uns auf Anhieb spürbaren Gemein- Sieben Jahre später vollbrachte Hru- zusammengesetzt und von vorn­ schaftsgeistes in diesem Kader gar besch nun zum Abschluss seiner herein festgelegt, dass unser Ziel nicht so schwer, aus dem Zusam- ­großen Laufbahn noch ein letztes, ­eine Medaille war. Etwas anderes mengehörigkeitsgefühl unbändige silbern funkelndes Meisterwerk. Es kam für uns nicht in Frage, egal, Siegeslust zu machen. war typisch für ihn, der über seinen ­welche Schwierigkeiten wir bewäl­ Anteil am großen Ganzen ungern tigen mussten und wie wenig wir Selbstbewusstsein spricht, dass er den Spielern danach ­eingespielt waren. Wir haben uns ge- unverkrampft vorgelebt die Urheberrechte am letzten ge- schworen, dass wir alle in eine Rich- meinsamen Erfolg zusprach. Der tung gehen. Jeder hat gewusst, dass „Wir sind von Anfang an nicht mit ­allseits beliebte Vorarbeiter und er seinen Teil für unser Ziel tun muss. dem Vorsatz ‚wir gucken mal‘ auf den ­Vorkämpfer neigte noch nie zum Das haben die Spieler perfekt hin­ Platz gegangen, sondern wir haben ­Eigenlob. Er, der als „Kopfball-Unge- bekommen.“ die Spiele immer aktiv bestimmt“, heuer“ in die -Geschichte sagt Hrubesch beim Blick zurück auf einging, mit seinen vielen Toren dem Es war ein Vorteil bei dieser olympi- sein letztes von vielen Erfolgskapi- Hamburger SV zu drei deutschen schen Mission, bei diesem in Deutsch- teln in seinen 16 Dienstjahren für den Meisterschaften (1979, 1982, 1983) land auch mangels Erfolgen gern DFB. Dieses unverkrampfte Selbst- verhalf, als Mittelstürmer der deut- übersehenen Turnier mindestens so bewusstsein hat Horst Hrubesch schen Nationalmannschaft die Tref- gut abzuschneiden wie die davor schon der deutschen U 19-Auswahl, fer zum 2:1-Sieg im Europameister- AKTUELL IM BLICKPUNKT 8 TRAINER-ABSCHIED HORST HRUBESCH

schaftsfinale über Belgien erzielte, „das brauchst du, um sie mitzuneh- Darin unterstützt wurde er von den seine beiden ersten im Trikot der men auf dem richtigen Weg“. während der Spiele erlaubten drei DFB-Auswahl, und 1983 auch noch älteren Profis im Kader, den mental den Europapokal der Landesmeister Sie haben es Hrubesch gedankt. unerschütterlichen Bender-Brüdern beim Athener 1:0-Erfolg über Juven- ­„Jeder fühlt sich wohl bei ihm“, sagte Lars und Sven, beide Führungs­ tus Turin hochhielt, sagt stattdessen etwa der Schalker Max Meyer, der persönlichkeiten in Leverkusen und lieber Sätze wie „ich habe nichts Be- nach dem früh im Turnier verletzt Dortmund, sowie dem trotz seines sonderes in meinem Leben gemacht, ausgeschiedenen Vereinskameraden Elfmetermissgeschicks in sich ru- ich habe nur Fußball gespielt.“ die Olympia-Auswahl henden Angreifers Petersen. Die als Kapitän anführte, „er ist wie ein besten­ Hrubesch-Jahrgangsmann- Es war schon noch ein bisschen mehr. Vater. Wir wollten ihm Gold schen- schaften bestachen wie auch in Rio Vor allem in den Jahren, da aus dem ken, das hat leider nicht geklappt.“ stets durch ihren Mut, ihr offensives Bundesliga-Spätstarter – seine Lauf- Auftreten und dazu mit einem Tempo­ bahn als Stürmer par excellence be- Horst Hrubesch, der sich fachlich fußball, den sich nur von sich selbst gann erst mit 24 Jahren bei Rot-Weiss über Jahre mit seinem Assistenten überzeugte Teams mit einem exquisi- Essen – ein Spätzünder als Trainer in Thomas Nörenberg „blind“ verstand ten Repertoire an technischer und Diensten des DFB wurde, imponierte und von gleich zu gleich austauschte, taktischer Qualität gefahrlos leisten Hrubeschs unverrückbare Werte­ verkörperte seine Grundtugenden können. lehre den Spielern, die zuletzt fast Ehrlichkeit, Anstand und Respekt 45 Jahre jünger waren als ihr Chef ­jederzeit glaubwürdig. Im Gegen- „Die Spieler haben immer gelacht, und Ratgeber. „Entscheidend war zug forderte er von seinen jungen wenn ich ihnen gesagt habe, es ergibt ­immer, dass mein Stab und ich unse- Leuten Persönlichkeit, Unerschro- doch keinen Sinn, mit der Qualität ren Spielern unsere ehrliche Haltung ckenheit und auch Aggressivität auf ein Spiel zu verlieren, oder?“, sagt vorgelebt haben“, sagt Hrubesch, dem Platz ein. Hrubesch, der mit seinem Stan-

MIT OLYMPIA-SILBER GEKRÖNTER ABSCHLUSS EINER GROSSARTIGEN FUSSBALL-KARRIERE: HORST HRUBESCH MIT CO-TRAINER THOMAS NÖRENBERG (MITTE) UND TORWART-TRAINER KLAUS THOMFORDE (LINKS). 9

ANERKENNUNG VOM „CHEF“: HRUBESCH TRÖSTET DIE NIEDERGESCHLAGENEN UND MAX MEYER NACH DEM VERLORENEN ELFMETERSCHIESSEN GEGEN BRASILIEN.

dardappell so gut wie nie auf taube Was seine Jungs in diesen beiden sagen: Es geht doch, es hat großen Ohren stieß. Schließlich galt auch ei- Spielen vor dem Finale an fußballe­ Spaß gemacht – und zwar vom ­ersten ne andere Hrubesch-Maxime als rischer Klasse demonstriert hätten, bis zum letzten Tag.“ Leitfaden für die persönliche Weiter- sei „sensationell“ gewesen, sagt entwicklung: „Für mich ist es am ­Hrubesch, und: „Wenn du siehst, was Seinem Nachfolger hat wichtigsten, dass diese Spieler als du vorher trainiert und besprochen Horst Hrubesch, der dem DFB wo- Menschen reifen und auf der anderen hast und es dann auf dem Platz ge­ möglich in einer anderen Funktion Seite mit dem Talent arbeiten, das boten bekommst, ist das genial.“ erhalten bleibt, ein erstklassiges ihnen der liebe Gott geschenkt hat.“ U 21-Aufgebot hinterlassen, in dem Fasziniert vom Flair eine Reihe von Spielern das Zeug zu Hrubesch nennt die in Brasilien noch des Olympischen Dorfs einer großen Karriere besitzen. Der einmal aufblühende Gruppendyna- alte und der neue Trainer haben vor mik in einer der von ihm zusammen- Dann ging es endlich in die Stadt der kurzem miteinander gesprochen. gestellten Mannschaften, diesmal großen Sehnsucht: In Rio de Janeiro ­Dabei hat Hrubesch dem zwölf Jahre mit der flankierenden Hilfe des ihm saugten die Spieler, aber auch ältere jüngeren Kuntz gesagt: „Du hast eng verbundenen DFB-Sportdirek- Herren wie der schon als Kind von ­einen Kader voller Superfußballer. tors Hansi Flick, ein „vernünftiges der Faszination Olympia begeisterte Guck‘ sie Dir im Training an, und Du Miteinander“. Dass auf dem olympi- Hrubesch, die ganz besondere Atmo- hast sofort Deine Leute.“ schen Weg schwere Hindernisse den sphäre des Olympischen Dorfs auf, Parcours zu Gold oder Silber ver- wo die deutschen Fußballspieler und Eines aber muss Kuntz bei seiner fast sperrten, brachte seine Spieler nie ihr erfahrener Cheftrainer Spitzen- schon für die EM 2017 in Polen quali- vom Kurs ab – und nach der turbulen- athleten aus anderen Sportarten fizierten Mannschaft selbst heraus- ten Gruppenphase erst richtig auf kennenlernten und endlich das Flair finden. „Er muss“, beschreibt Hru- Touren. Im Viertelfinalspiel gegen eines Gemeinschaftserlebnisses mit- besch diesen Profilierungsprozess, die Portugiesen, denen die deutsche bekamen, das die Welt des Sports in „ein Gefühl dafür entwickeln, was U 21 ein Jahr zuvor im EM-Halbfinale dieser verdichteten Form nur bei seine Mannschaft ist. Es muss nicht von Prag noch 0:5 unterlegen gewe- Olympia zu bieten hat. die Hrubesch-Mannschaft sein, er sen war, drehten die Deutschen den muss seine U 21 aufs Eis kriegen.“ Spieß um und triumphierten mit ei- Hrubesch über sein letztes Highlight Nach den ersten Probeläufen mit nem 4:0 in Brasilia. Nach dem 2:0-Er- in einer an Höhen reichen Fußball- seinem Team sieht es so aus, als sei folg im Halbfinale von São Paulo über laufbahn: „Wenn ich, übertragen auf das Erbe des Horst Hrubesch bei Nigeria hatte Horst Hrubesch ein unseren olympischen Beitrag, sehe, Kuntz in guten Händen. paar Tränen des Glücks in den Augen. was dabei herauskam, kann ich nur Roland Zorn AKTUELL IM BLICKPUNKT 10 OLYMPISCHE SPIELE 2016

Verschworene EINHEIT ... 11

L U N M R K N A E L S A A T T A R V R N E S M T N R E E E TI N IK L R HIAS GI S BEND N BEND MO HOR LAS SÜ KLOSTE

J L T S E A U D E Y M D O K LI N R R A R A KE N Z AN BRA GE GNAB X MEYE VIE SEL GORET AKTUELL IM BLICKPUNKT 12 ABSCHIED VOM NATIONALTEAM

Rücktritt nach großen Turnieren: Schweinsteiger, Podolski und andere Ikonen des Nationalteams

V O R B E I ! Doch unvergessen

Niemals geht man so ganz – diesen rheinischen Lebensgrundsatz, der sich im bekanntesten Lied der Kölner Volksschauspielerin und Sängerin Trude Herr spiegelt, bekam auch der 32 Jahre alte Oberbayer Bastian Schweinsteiger bei seinem Mönchengladbacher Abschieds- spiel als Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft am Niederrhein zu spüren. Niemals geht man so ganz – dies gilt auch für viele andere Koryphäen nach ihrem Rückzug aus dem Nationalteam im Anschluss an große Turniere. Weil ihre Erfolge und Leistungen unvergessen bleiben.

Mochte der Borussia-Park an diesem seinem 121. Länderspiel so intensiv Länderspiel an alte Zeiten mit ihm als letzten August-Tag 2016 mit rund wie selten während seiner Karriere draufgängerischem Flügelstürmer 30.000 Zuschauern nur mäßig ge- überschüttet wurde – und das Gefühl zu erinnern. füllt sein, so verbreitete das Publi- einer echten Herzlichkeit zwischen kum doch eine derart warmherzige dem Protagonisten auf dem Rasen „Nichts kann mir ersetzen, was mir und innige Atmosphäre um den deut- und seinen Anhängern auf den ­Rängen. die Zeit mit dem DFB-Team an schen Herz-König beim Gewinn der „Es bedeutet mir sehr viel, so einen ­Freude, Leidenschaft und Zusam- Weltmeisterschaft 2014, dass am Abschied bekommen zu haben“, menhalt gegeben hat“, formulierte Ende seiner zwölf Jahre währenden ­sagte der beim FC Bayern München Podolski seine Abschiedserklärung, Karriere vom Talent zum Anführer zu einem Profi mit Profil gereifte „vom zweijährigen polnischen Jun- der ersten Auswahl des Deutschen Schweinsteiger, „ich bin sehr glück- gen, der quasi nur mit einem Ball Fußball-Bundes (DFB) nicht mehr die lich, dieser Tag gehört zu den emotio- ­unter dem Arm nach Deutschland Masse Mensch, sondern jeder einzel- nalsten meiner Karriere.“ kam, zum Weltmeister – das ist mehr, ne im Stadion als Fan des Spitzen- als ich mir erträumen konnte.“ sportlers und Menschen Bastian Lukas Podolski hat 2004 gemeinsam Schweinsteiger zählte. Dabei trat bei mit Schweinsteiger die große Fuß- Da aber die Zeit für einen Fußball­ dieser Huldigung für einen ganz be- ballbühne betreten und ist im Som- profi endlich ist, hörten Schwein­ sonders verdienstvollen Spieler das mer 2016 ein paar Tage später als steiger und Podolski auf die Signale, Test-Länderspiel gegen Finnland sein Münchner Freund von ihr ab­ die sie zuletzt empfingen und be- (2:0) vollkommen in den Hintergrund. getreten. Der 31-Jährige war bei stimmten deshalb diesen Teil ihres der Schweinsteiger-Abschiedsparty Karriereendes selbst, der mit dem Was haften blieb und zusammen mit im Mönchengladbacher Stadion und Aus im EM-Halbfinale gegen Frank- seinen großartigen Leistungen un- bekommt, weil ähnlich verdienstvoll reich in Marseille gekommen war. vergessen bleiben wird, waren die wie sein bayerischer Kumpel, im Dass die beiden besten Kumpel nun Tränen des geliebten Stars ange- März 2017 noch ein letztes Mal die die erwarteten Konsequenzen zogen, sichts der Ovationen, mit denen er in Gelegenheit, in seinem dann 130. spricht für beider Realitätssinn. Sie 13

KOMMEN ZUSAMMEN AUF 250 LÄNDERSPIELE: BASTIAN SCHWEINSTEIGER UND LUKAS PODOLSKI BEENDETEN NACH DER EURO 2016 IN FRANKREICH IHRE GROSSARTIGEN KARRIEREN IM NATIONALTRIKOT.

sind von sofort an herzlich willkom- größten Triumphs Platz für andere, ­einen Länderspiel nach Bern, bei der men im „Club der Nationalspieler“, in jüngere Spieler, die nachdrängten. 1:3-Niederlage im Oktober 1954 ge- dem vorwiegend die ­„Ehemaligen“ gen Frankreich, die Tureks Bilanz als organisiert sind und der immer mehr Von denen, die 1954 am „Wunder von „Teufelskerl“ und „Fußballgott“, wie Zulauf bei seinen Veranstaltungen Bern“, mit dem kaum für möglich ihn der legendäre Radioreporter und Treffen findet. ­gehaltenen 3:2-Endspielsieg über die ­Herbert Zimmermann bei seiner epi- ungarische Wunderelf als Gipfel- schen Endspielreportage hymnisch Wann ist es Zeit, adieu zu sagen? punkt, entscheidend beteiligt waren, bejubelte, abschloss. ­Diese Frage stellt sich allen Leis- hörte im selben Jahr nur Torwart tungssportlern, deren Auftritte öf- Vier Weltmeister gingen 1974 nach fentlich gewogen und bewertet Toni Turek: Schlussstrich dem 2:1-Endspielsieg in München werden.­ Fußball-Nationalspielern, nach dem „Wunder von Bern“ ­gegen die Niederlande: die unent- gar Welt- und Europameistern sogar behrlichen Stammspieler Gerd Mül- doppelt, spielen doch die besten Pro- ­Toni Turek auf. Dazu der im Finale ler, bis heute der beste deutsche fis nach ihren freiwilligen oder unter nicht eingesetzte Hamburger Fritz Mittelstürmer, Spielmacher Wolf- dem Druck der Verhältnisse herbei- Laband, der immerhin auf drei WM- gang Overath und Rechtsaußen geführten Rücktritten in aller Regel Spiele kam, sowie die bei der ­Jürgen Grabowski. Zudem der nur bei noch ein paar weitere Jahre in ihren 3:8-Gruppenspielniederlage gegen der 0:1-Niederlage gegen die DDR Klubs eine herausragende, gute oder Ungarn aufgestellten Richard Herr- zu einem Kurzeinsatz gekommene zumindest ordentliche Rolle. Mit mann (FSV Frankfurt) und Paul Bremer Verteidiger Horst-Dieter der Folge, dass die allermeisten von ­Mebus (1. FC Köln). Höttges, der beim Gewinn der Euro- ihnen danach unvergessen bleiben. pameisterschaft 1972 noch erste Der Rheinländer Turek hatte, obwohl Wahl von Bundestrainer Helmut Fakt ist: 15 deutsche Weltmeister aus schon 35 Jahre alt, zunächst noch Schön gewesen war. Der in der zwei- den vier goldenen Jahren 1954, 1974, auf eine Fortsetzungsgeschichte ge- ten Finalrunde gegen Jugoslawien 1990 und 2014 machten im Jahr ihres­ hofft. Es blieb dann aber bei dem (2:0) und Schweden (4:2) eingesetzte AKTUELL IM BLICKPUNKT 14 ABSCHIED VOM NATIONALTEAM

... GERD MÜLLER SCHOSS DEUTSCHLAND 1974 IN SEINEM 62. UND LETZTEN LÄNDERSPIEL ZUM TITEL ...

ABSCHIED NACH DEM WM-TITELGEWINN: „TEUFELSKERL“ TONI TUREK 1954 IM FINALE GEGEN UNGARN ...

Düsseldorfer Außenstürmer Dieter Jahre später auch Schöns Werben, Ohne jede Nachwehen beendeten Herzog bestritt danach beim 2:1-Sieg ihn zur WM in Argentinien zurück­ 1990 die Weltmeister Pierre Litt­ über die Schweiz in Basel noch sein zuholen – in seiner Lieblingsrolle als barski, der bei drei WM-Turnieren mit fünftes und letztes Länderspiel. Regisseur. seiner Spielkunst und Spiellust glänzte, Libero Grabowski, Spielmacher in seinem Gerd Müller, der sein großes Kapitel und sein nur beim Gruppenspiel ge- Verein , fühlte Nationalmannschaft schon mit 28 gen Kolumbien (1:1) eingesetzter sich nach eigenem Bekunden als Jahren nach dem WM-Triumph, mög- Münchner Verteidigerkollege Hans „Sündenbock“, als ihn Schön nach lich geworden durch seinen Sieg­ Pflügler ihre Deutschland-Mission dem 0:1 im deutsch-deutschen Pres- treffer zum 2:1, beendet hatte, sagte nach dem Titelgewinn in Rom gegen tigeduell gegen die DDR für das später, er habe Schön seinen Ent- Argentinien. Alle drei fanden die Zeit nächste Spiel gegen Jugoslawien schluss, „aus privaten Gründen“ auf- reif, auf dem Gipfel ihrer National- nicht berücksichtigt hatte. Gegen die zuhören, schon drei Tage vor dem mannschaftslaufbahn zu gehen. Schweden war er, eingewechselt in Endspiel mitgeteilt. Was den sen­ der 63. Minute, wieder am Ball, siblen Münchner Torjäger, eine der Ebenfalls abgeklärt und mit sich im schoss das 3:2 und eroberte seinen Allzeit-Ikonen des FC Bayern, aber Reinen verabschiedeten sich 2014 die Platz in der ersten Elf zurück. Den auch geärgert hatte, war der Um- Weltmeister Philipp Lahm, Miroslav Frust, der sich in diesem Fußball- stand, dass damals die Spielerfrauen Klose und Per Mertesacker von ihrer künstler nach seiner Nichtberück- nicht mit zum Weltmeisterbankett Ära im deutschen Nationaltrikot. sichtigung gegen Jugoslawien aufge- durften. Wie auch immer: Als er seine ­Kapitän Lahm, der Spielführer, der staut hatte, wurde er indes nicht Entscheidung bekannt gab, sich zu- kurz nach dem WM-Triumph seinen mehr los. künftig mehr um seine Familie Rücktritt erklärte, hatte diesen Tag ­kümmern zu wollen, war Müller in lange vorher ins Auge gefasst. Er Grabowski, der danach bei der Ein- der Blüte seiner unvergleichlichen blieb seinem Vorsatz treu und stellt tracht als Spielgestalter die besten Karriere. „Die Entscheidung würde seine noch immer ungebrochen ex- Jahre seiner Laufbahn erlebte und ich heute nicht mehr so treffen“, sag- quisite Klasse seitdem nur noch dem mit den Frankfurtern 1980 den UEFA- te er 2012 beim Blick zurück auf sei- FC Bayern München zur Verfügung. Pokal gewann, verabschiedete sich nen Rücktritt, „ich hätte gerne noch bei Der Entschluss, sein Leben selbst in nach dem WM-Gewinn und wider- der EM 1976 gespielt. Ein Hilferuf – die Hand zu nehmen, war in ihm nach stand, prinzipienfest wie er ist, vier und ich wäre sofort dabei gewesen.“ dem Londoner Champions League- 15

... LETZTES HURRA BEIM TITELGEWINN 2014: KAPITÄN PHILIPP LAHM MIT DER WM-TROPHÄE IM MARACANA.

... LETZTE DRIBBLINGS BEIM WM-TRIUMPH 1990: PIERRE LITTBARSKI IM FINALE GEGEN ARGENTINIEN ...

Sieg der Bayern über Borussia Dort- und 1996 mit Ausnahme des zweimal nach dem 0:2 gegen Brasilien 2002 mund (2:1) im Jahr 2013 gereift. „Das über die volle Spieldauer und beim aufhörte. Ähnlich hoch war die Rück- heißt: Entscheidungen treffen, bevor 2:1-Finalsieg über Belgien 35 Minu- trittsquote auch nach den drei ver­ sie mich einholen.“ ten lang mitmischenden Kölners lorenen EM-Finals 1976, 1992 und Bernd Cullmann alle weitermachten, 2008, als 12 Spieler im selben Jahr Dass mit 36 Jahren hat auch damit zu tun, dass erfolg­ Schluss machten mit ihrer Laufbahn nach einer Bilanz von 13 Jahren als reiche EM-Endrunden in der Regel in DFB-Diensten. Nationalspieler mit 137 Länder­spie­len als Zwischenetappe auf dem Weg zur und 71 Treffern (deutscher Rekord), nächsten WM angesehen werden. Gemessen an den sieben Spielern, für vier WM-Teilnahmen mit 16 Toren die die Jahre im Nationalteam 2008 (ebenfalls Rekord) adé sagen­ würde, Hohe Rücktrittsquote nach dem verlorenen EM-Finale vor- war für niemanden überraschend. nach Finalniederlagen bei waren (, Clemens „Für mich kann es keinen schöneren Fritz, Christoph Metzelder, Tim Bo- Zeitpunkt geben, um das Kapitel Anders sieht es nach verlorenen rowski, David Odonkor, Kevin Kurányi, ­Nationalmannschaft zu beschließen“, Endspielen bei den großen Turnieren Oliver Neuville), nimmt sich die Quote sagte Klose über sein letztes Aus­ aus. 17 Nationalspieler gingen nach von zwei verdienten Nationalspielern rufezeichen als einer der besten den Weltmeisterschaften 1966, wie Schweinsteiger und Podolski, die Stürmer, die Deutschland jemals 1982, 1986 und 2002. Darunter der nach dem vorzeitig beendeten Tur- ­hatte. Auch Innenverteidiger Per Dortmunder Torjäger Lothar Emme- nier in Frankreich einen Schlussstrich Mertesacker fiel es nach 104 Einsätzen rich nach der denkwürdigen Nieder- zogen, nahezu minimal und damit in der Nationalelf leicht, „das Ende lage gegen England 1966, der reak- sehr ermutigend aus. Joachim Löw dieses Kapitels selbst zu bestimmen“. tivierte Paul Breitner nach dem 1:3 kann die Zukunft mit einem Großteil Die Schlussbilanzen der drei Kory- gegen Italien im WM-Finale 1982, seines EM-Kaders aus dem Jahrgang phäen zeigten zudem, dass sich mit Größen wie Karl-Heinz Rumme­ 2016 planen und hat dazu eine Reihe dem Gewinn einer Weltmeisterschaft nigge, Hans-Peter Briegel, Karlheinz vielversprechender Talente in der unter harmonischen Umständen gut Förster und Felix Magath, die sich Hinterhand – nicht die schlechteste aufhören lässt. nach dem 2:3 gegen Argentinien Basis für das Unternehmen Titelver- 1986 zurückzogen, sowie Oliver teidigung bei der Weltmeisterschaft Dass die Stammspieler unter deut- Bierhoff, Golden Goal-Torschütze 2018 in Russland. schen Europameistern 1972, 1980 beim 2:1-EM-Finalsieg 1996, der Roland Zorn AKTUELL IM BLICKPUNKT 16 GOLDENES JUBILÄUM DER VIZE-WELTMEISTER VON 1966

„Klassentreffen“ der Wembley-Legenden im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund Der MYTHOS lebt weiter

Das Endspiel der 8. Fußball-Weltmeisterschaft 1966 zwischen England und Deutschland (4:2 n. V.) ist zum Mythos geworden. Das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund würdigt die unvergessene Begegnung mit dem legendären „Wembley-Tor“ zum Jubiläum mit der Sonder- ausstellung „50 Jahre Wembley – der Mythos in Momentaufnahmen“. Zur Eröffnung begrüßten DFB-Präsident Reinhard Grindel und Museumsdirektor Manuel Neukirchner insgesamt 14 Spieler aus dem damaligen WM-Kader. Knut Hartwig war dabei und berichtet.

Sepp Maier tat zunächst entsetzt: Uwe Seeler braucht sich darüber erschienen sind. Es ist uns eine große „Da biegst du um die Ecke, ahnst ­keine Gedanken zu machen. Kaum Ehre, die Protagonisten des Jahr­ nichts Böses und dann steht da der war der Ehrenspielführer der deut- hundert-Finals von 1966 bei uns !“ Das anschlie- schen Nationalmannschaft auf dem ­willkommen heißen zu dürfen.“ ßende Gelächter und die herzliche Museumsvorplatz der Limousine des Umarmung der beiden langjährigen Fahrdienstes entstiegen, bildete sich DFB-Präsident Reinhard Grindel er- Fußball-Weggefährten zeugten dann sogleich eine Menschentraube. Das gänzte in seiner Begrüßungs-Rede: doch eher von großer Wiedersehens- „Klassentreffen“ der Legenden von „Diese Nationalmannschaft ist ein freude denn von plötzlichem Schrecken. 1966 hatte sich rumgesprochen – Beispiel dafür, dass man auch als und etliche Autogrammjäger zückten Verlierer großes Ansehen gewinnen Sicher gab es in den vergangenen ihre Stifte, um die Begegnung mit kann. Nicht zuletzt deshalb sind viele 50 Jahren seit der WM 1966 des Öf- ­ihrem Fußball-Idol beglaubigen zu der Spieler bis heute so populär und teren Gelegenheit zu einer Begegnung, lassen. Vorbilder für jüngere Generationen. doch gleich ein ganzer Abend und Die deutsche Nationalmannschaft obendrein eine Sonderausstellung Quasi ein Heimspiel und die kürzeste hat bei der WM 1966 nicht nur mit als besondere Würdigung der Leis- Anreise hatte Siggi Held, der von tollem Offensiv-Fußball und heraus- tungen der Vize-Weltmeister von ­seinem Wohnsitz im Dortmunder ragenden Spielerpersönlichkeiten, ­damals – das dürfte noch nicht so ­Süden nur wenige Kilometer bis in die sondern vor allem auch mit ihrer häufig vorgekommen sein. So man- Innenstadt zurückzulegen hatte. ­fairen Haltung Menschen auf der chem war die Rückkehr ins Rampen- „Ich freue mich auf das Wiedersehen ganzen Welt beeindruckt.“ licht nicht auf Anhieb geheuer: „Mich mit meinen alten Kollegen. Wer er­ kennt doch kaum einer mehr“, flüs- innert sich nicht gerne daran, als er Das N11 Restaurant im Deutschen terte der frühere Eintracht-Frank- noch jung war.“ Fußballmuseum bot das feierliche furt-Star bei seiner An- Ambiente für ein festliches Abend­ kunft den Mitarbeiterinnen und Museumsdirektor Manuel Neukirchner essen, bei dem exakt das Menü auf Mitarbeitern des Deutschen Fußball- nahm die Mannschaft in Empfang. den Tisch kam, das nach dem Finale museums zu. „Wir sind stolz, dass Sie so zahlreich beiden Teams im Rahmen eines 17

MYTHOS WEMBLEY – 50 JAHRE DANACH: DFB-PRÄSIDENT REINHARD GRINDEL, MAX LORENZ, , GÜNTER BERNARD, FRIEDEL LUTZ, UWE SEELER, , JÜRGEN GRABOWSKI, SIGGI HELD, WILLI SCHULZ, HORST-DIETER HÖTTGES, WOLFGANG PAUL, BERND PATZKE, DFB-VIZEPRÄSIDENT DR. RAINER KOCH (VON LINKS).

­FIFA-Banketts serviert worden war: So lebhaft, wie Uwe Seeler die Ge- Als es um kurz vor Mitternacht noch Seezunge, gefolgt von einem Entre­ schichte zum Besten gibt, könnte an die Torwand ging, gab Maier eine côte und zum Abschluss eine „World man meinen, sie hätte sich erst kürz- eindrucksvolle Stichprobe seines Cup“-Eisbombe lautete die ziemlich lich zugetragen. Und der Abend in ­komödiantischen Könnens: Das ZDF- unbritische Speisenfolge am 30. Juli Dortmund zeigte, dass der Spaßvogel Sportstudio sendete live vom 1966 im Royal Garden Hotel in von damals nach wie vor eine große ­Museumsvorplatz und die einstige ­London. Nur der Chablis Chatain Stimmungskanone ist. Max Lorenz „Katze von Anzing“ trat stellvertre- 1er Cru von 1963 konnte für das fand aber auch nachdenkliche Worte. tend für das Team gegen die Studio- ­Revival der Vize-Weltmeister nicht „Wenn wir uns in diesem Kreise tref- gäste in Mainz an. Schon beim mehr aufgetrieben werden. fen und uns die Bilder von damals ­Warmschießen sorgte Maier für anschauen, denke ich auch mit ­Erheiterung, indem er den Ball in ver- Serviert wurde aber natürlich auch ­Wehmut an jene, die nicht mehr unter schiedenen Varianten, aber immer so manche Anekdote vom gemein­ uns weilen: Albert Brülls, Werner sehr unorthodox, Richtung Ziel bug- samen WM-Erlebnis. Eine darf bei ,Eia‘ Krämer, , Klaus- sierte. Auch als es ernst wurde, hatte solchen Treffen nie fehlen: Nämlich Dieter Sieloff und – der deutsche Jahrhundert-Torwart die vom nächtlichen Ausflug nach allesamt nicht nur hervorragende seinen Spaß: Nach „drei Mal unten, dem WM-Finale im Anschluss an Fußballer, sondern vor allem tolle drei Mal oben“ konnte er als einziger das Fest-Bankett, als eine größere Menschen. Genauso wie unser Trainer zwei Treffer landen, überschwäng- Gruppe der unglücklichen Verlierer Helmut Schön. Ich vermisse sie sehr.“ lich bejubelt von seinen Mann- noch etwas Zerstreuung in den schaftskameraden und von ihm ­Londoner Pubs suchte. In einer der Angesprochen auf Sepp Maier wich selbst. Lokalitäten schwang sich der Bremer die Ergriffenheit schnell wieder Max Lorenz zum unnachahmlichen ­einem schelmischen Grinsen: „Ja, Am folgenden Tag, als die Sonder- Entertainer auf und dirigierte auf der das stimmt schon, dass mein ausstellung „50 Jahre Wembley – Bühne eine Band und das gesamte Freund Sepp und ich für gute der Mythos in Momentaufnahmen“ Publikum durch eine feucht-fröhliche ­Stimmung in unserem Team ver­ im Rahmen einer feierlichen Matinee Nacht. antwortlich waren.“ im Deutschen Fußballmuseum eröff- AKTUELL IM BLICKPUNKT 18 GOLDENES JUBILÄUM DER VIZE-WELTMEISTER VON 1966

SEPP MAIER BEIM TORWAND­ SCHIESSEN: DER „JAHRHUNDERT- TORHÜTER“ GAB PROBEN SEINES ­KOMÖDIANTISCHEN KÖNNENS.

net wurde, kamen die Legenden von Geoffrey Hurst, verspürt immer noch ballmuseum zu sehen ist, zum Teil 66 nicht umhin, zu der Szene Stellung Ärger: „Aber am meisten darüber, unveröffentlichte Fotografien, die zu beziehen, die das damalige WM- dass ich in der Situation zu spät ge- den Betrachter eins werden lassen Endspiel erst zum Mythos hat wer- kommen bin und den Schuss nicht mit dem Geschehen von damals. den lassen. Das Wembley-Tor, der verhindern konnte.“ Treffer zum 3:2 für die Engländer in Gegen Ende zweier ereignisreicher der 101. Minute der Verlängerung, In jedem Fall sind die Szenen vom Tage in Dortmund fasste Uwe Seeler erhitzt bis heute die Fußballgemüter. WM-Finale 1966 in Wembley zu zusammen: „Ich habe mich sehr über Schlüsselbildern deutscher und eng- die Gelegenheit gefreut, anlässlich Hans Tilkowski, als Torwart einer der lischer Fußballgeschichte geworden. der Sonderausstellung mal wieder Hauptzeugen eines der berühmtes- Im Mittelpunkt der Sonderausstel- mit meinen alten Weggefährten zu- ten Treffer der Fußballgeschichte, lung steht neben dem Blick auf das sammenzukommen.“ Zu guter Letzt sieht es inzwischen diplomatisch: Wembley-Tor aus verschiedenen Per- rief Reinhard Grindel unter dem Ein- „Für die Engländer war der Ball drin, spektiven eine künstlerische Medien- druck des freundschaftlichen Mitein- für uns Deutsche nicht.“ Und Uwe installation. Auf raumhohen Spiegel- anders und der ungezwungenen At- Seeler ergänzt humorvoll: „Die und Projektionsflächen überlagern mosphäre dieses außergewöhnlichen Queen weilte seinerzeit auch unter sich zum Teil unveröffentlichtes Klassentreffens den Vize-Weltmeis- den Zuschauern im Stadion. Uns war Filmmaterial vom WM-Finale mit tern von 1966 zu: „Ihr seid unsere es etwas unangenehm, dass wir kein Grafik und Sound zu einer multiper­ Weltmeister der Herzen.“ Wie würde Geschenk für sie dabei hatten. spektivischen, collagenhaften Raum- Sepp Maier sagen: „Da ahnst du Also haben wir ihr den WM-Titel ge- inszenierung. Außerdem zeigt die nichts Böses und hast plötzlich einen schenkt.“ Nur Willi Schulz, damals Sonderschau, die noch bis zum Titel gewonnen.“ direkter Gegenspieler von Torschütze 15. Januar 2017 im Deutschen Fuß- Knut Hartwig 19

ZUSAMMENTREFFEN ALTER WEG­ GEFÄHRTEN: WOLFGANG OVERATH, BERND PATZKE, , GÜNTER BERNARD (VON LINKS).

AUCH NACH 50 JAHREN NOCH IMMER HEISS BEGEHRT: AUTOGRAMME VON UWE SEELER. SERIE 20 DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER

Einst waren sie bekannt, populär, beliebt und bewundert. Teilweise sogar erfolgreiche WM-, EM- und Olympia-Teilnehmer. Doch inzwischen sind sie aus dem Rampenlicht verschwunden, stehen abseits der Schlagzeilen. Nationalspieler im Verborgenen. Aus unterschiedlichen Gründen, wie unsere Serie zeigt. Teil 8: Reinhard Häfner (64), der als Spieler mit Dynamo ­Dresden je viermal Meister und Pokalsieger wurde und seine Karriere mit der Goldmedaille bei Olympia 1976 krönte. Als Trainer und Manager, vor allem aber im privaten und gesundheit­ lichen Bereich, musste er in einem permanenten Auf und Ab viele Schicksalsschläge verkraften. Offensiv und positiv, wie Uwe Karte zu berichten weiß.

Der Gold-Garant von Montreal 1976 versucht schwere private Rückschläge offen zu überwinden

Kämpfer im Fahrstuhl

Rostock-Warnemünde vor wenigen ist Reinhard Häfner an diesem Tag Dynamo oder 18 Monate zur Armee“, Tagen. Der Applaus tut ihm gut. der einzige Fußball-Olympiasieger hatte man ihm die Pistole auf die ­Reinhard Häfner ist Trainer der „DDR- auf dem Platz des SV Warnemünde. Brust gesetzt. Häfner muss sich Legenden“. Rund 1.000 Zuschauer ­fügen und bleibt viele Jahre der ein­ wollen den Auftritt der einstigen 40 Jahre ist das jetzt gerade her, der zige „Ausländer“ bei Dynamo. ­Helden sehen. Weißflog, Stahmann, Triumph Montreal 1976. Die Stern- Kreer, Schößler, Döschner, Raab oder stunde des DDR-Fußballs ist un- Das schwarz-gelbe Trikot tragen Ernst hatten vor etwas mehr als trennbar verbunden mit Häfners Solo ­eigentlich nur die besten Kicker aus 30 Jahren ein großes Ziel: eine zum 3:1 gegen Polen, den WM-Drit- dem Bezirk Dresden. Dixie Dörner ­Olympiamedaille in Los Angeles! ten von 1974. Noch heute kommt sein stammt aus Görlitz, Gert Heidler aus Doch der Boykott des Ostblocks ließ Spruch: „Ich habe nicht viele Tore Bautzen oder aus alle Medaillenträume platzen. Und so erzielt. Aber wenn, waren sie spekta- Radeberg – allesamt werden 1976 kulär und eminent wichtig.“ An der Olympiasieger. Was der Dresdner Eckfahne war der Dresdner damals Mannschaft von Trainer Walter vor Freude einfach umgefallen. Fritzsch fehlt, ist ein eleganter und Wusste nicht, wohin mit seinen Emo- schneller Mittelfeldspieler. Einer wie tionen. Schließlich waren Feiertage Häfner – er passt perfekt ins tech- im Ostfußball rar. nisch anspruchsvolle Tempospiel der Dynamos. Frisör soll er, Fußballer will er wer- den. Der Junge aus Sonneberg im Mit Mitte Zwanzig hat Häfner wesent- Grenzgebiet zwischen den beiden liche Lebensziele eines DDR-Bürgers deutschen Staaten. Über Erfurt bereits erreicht: verheiratet, zwei kommt der Thüringer 1971 nach Kinder, eine Neubauwohnung, einen Dresden. Abgenickt ist dieser Ver- Pkw Lada vor der Tür, eine Datsche – einswechsel von höchster Stelle, und hochdekoriert als Olympiasieger ein Parteibeschluss. „Entweder zu dazu. Er fragt sich: Und nun? Was soll 21

„OFFENSIVER UMGANG MIT GROSSEN ­PROBLEMEN“: REINHARD HÄFNER HATTE PRIVAT WIE BERUFLICH EINIGE RÜCKSCHLÄGE ZU ÜBERWINDEN.

jetzt noch kommen, ein paar Länder- mal gegangen worden – als Spieler, Von jetzt an gerät das Leben des spiele vielleicht? Niemand ahnt im als Trainer und als Manager. Aber Reinhard Häfner durcheinander. Der Sommer 1976, dass tief drin in der mein Herz hängt nun einmal an die- Bundesligatraum aus, bevor er über- Seele von Reinhard Häfner ein Feuer sem Verein. Ich bin stolz einer der haupt begann. Der geschasste Trai- brennt. Mitbegründer dieser Faszination zu ner bekommt zwar pünktlich alle sein, die Dynamo bis heute trägt.“ Siegprämien, dazu sein Gehalt. Doch Grandiosen Auftritten folgen Tage er hat nichts mehr zu tun. Kommt später grottenschlechte Spiele – der Nach dem Rauswurf sich überflüssig vor: „Es gibt nichts Olympiasieger von 1976 umarmt an kam es zum Absturz Schlimmeres.“ Doch! Unter Ziegen- guten Tagen die ganze Welt, agiert balgs Nachfolger Rolf-Jürgen Otto selbstbewusst und redegewandt. Den Tag im Frühsommer 1991 wird er wird das Dynamo-Idol auch noch ge- Doch dann gibt es auch wieder das nie vergessen. Häfner hat Dynamo mobbt. Häfner soll nun als Manager Nervenbündel, der gehetzt wirkende als Trainer gerade in die Bundesliga agieren, bekommt aber einen Versteckspieler, der sich am liebsten geführt. Trotz der Abgänge von fünf Klatschkolumnisten aus Hessen als verkriechen möchte. Pech nur für Nationalspielern. Sammer, Kirsten Pressesprecher und Vertrauter des Häfner, dass in den 70er-Jahren we- und Co. waren im Jahr davor einfach Präsidenten vor die Nase gesetzt. der Burn-out bekannt und dement- nicht zu halten gewesen. Ein Anruf. Häfner gibt entnervt auf. In der Folge sprechend auch nicht behandelbar Sofortiger Termin auf der Geschäfts- entgleitet ihm die Kontrolle über sein war, noch sich jemand Gedanken um stelle. Was folgt ist sein Rauswurf. Leben. Er flüchtet sich immer öfter einen psychisch auffälligen Natio­nal­ Die Welt bleibt plötzlich stehen für ins Spielcasino, in den Alkohol. Dann spieler macht. einen wie ihn. Dem bis dahin einfach die Scheidung von seiner Frau. Als alles zu gelingen schien, der auch den Trainer scheitert er in Chemnitz, dann Mit seinen Dresdnern wird er vier Mal Sprung vom Spieler zum Trainer in Halle. Und sein Fahrstuhl fährt Meister und vier Mal Pokalsieger. Er scheinbar mühelos gemeistert hatte: weiter nach unten. liebt seinen Klub abgöttisch, bis „Du glaubst nicht, was du da hörst.“ ­heute. Der beste Beleg ist folgende Präsident Ziegenbalg will lieber einen Aufgefangen wird er von seinem Aussage: „Ich bin bei Dynamo drei- bundesligaerfahrenen Coach. ­Bruder, der ihm einen Job in der alten SERIE 22 DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER

REINHARD HÄFNER IM OLYMPIA-FINALE 1976 GEGEN POLEN IN MONTREAL: DER DRESDNER ERZIELTE NACH SEINEM SOLOLAUF DEN ENTSCHEIDENDEN TREFFER ZUM 3:1.

Heimat Sonneberg besorgt. Doch Dresden. Anfangs ist es für ihn eine dass ich mich öffnen sollte, damit es der Bruder stirbt, Gehirntumor. harte Zeit, aber irgendwann fühlt er keine Gerüchte oder Missverständ- ­Häfner stürzt in tiefe Depressionen, sich wieder wie ein richtiger Mensch. nisse geben würde.“ hat Suizidgedanken. Ein Glück, dass Schöpft frischen Lebensmut und er sich in eine Klinik begibt. Denn die ­findet neuen Halt. Ende 2013 der nächste Schock. Laut Tabletten, die er zu sich nehmen ärztlichem Befund haben die Medika- muss, ergaben zusammen mit Alko- Bemerkenswert ist der offene Um- mente, die er aufgrund seiner psychi- hol eine kreuzgefährliche Mixtur. gang mit seinen Problemen. Warum schen Erkrankung nehmen musste, eigentlich? „Als ich mich in Behand- zu einer Nierenvergiftung geführt. Gerettet wird er von seinem Sohn. lung begeben hatte, habe ich mich Monate später kommt noch eine Der holt ihn früh am Morgen vom mit einem Psychologen darüber aus- Krebsdiagnose dazu. Aus dem einsti- Spieltisch weg – Häfner erinnert sich getauscht, wie ich am besten mit gen Techniker wird nun ein Kämpfer. noch ganz genau an dessen Worte: meinen Problemen umgehen sollte. Zwangsweise, denn jetzt geht es um „Entweder ich höre auf mit diesem Schließlich bin ich in Dresden nicht sein Leben. Wahnsinn, oder er ist mit seiner ganz unbekannt. Ich habe ihn ge- ­Familie für immer weg. Das hatte fragt, ob ich mich öffnen und über Umso erstaunlicher, wie Häfner nach ­gesessen.“ Häfner begibt sich in psy- diese Dinge reden, oder ob ich lieber diesen vielen Schicksalsschlägen chiatrische Behandlung, macht eine diskret damit umgehen soll. Dieser heute nach vorn blickt: „Ich ver­ Entziehungskur. Und findet schließ- Psychologe hat mir gesagt, ich solle suche, positiv damit umzugehen.“ lich auch einen neuen Job, als Sport- auf mein Bauchgefühl hören. Und Was ihm hilft, ist der Fußball im All- therapeut in einem Reha-Zentrum in mein Bauchgefühl hat mir gesagt, gemeinen und Dynamo im Besonde- 23

ren. Bei den Spielen der Schwarz- nem TV-Auftritt später unterliegt Reinhard Häf­ner sagt nichts, Gelben ist Häfner Stammgast auf das DFB-Team Gastgeber Brasilien schmunzelt nur und schreibt ein der Tribüne. Als Ehrenspielführer ge- im Olympia-Finale von Rio nur denk- paar Autogramme. Er weiß, es gibt nießt er die späte Anerkennung, die bar knapp im Elfmeterschießen. Für wichtigere Dinge im Leben. ihm gleich nach der Wende verwehrt ­Häfner wertet das den Erfolg von geblieben war. Zum Saisonauftakt 1976 noch einmal auf. Schließlich Anfang 2017 wird Häfner 65. Sein war er in diesem Sommer vom Mittel- hatte sich das DDR-Kollektiv nicht größter Wunsch: „Ich wünsche mir, deutschen Rundfunk als Experte gegen Laufkundschaft durchgesetzt. dass meine Kinder und Enkelkinder ­eingeladen worden. Es ging um den Mit Arconada, Blochin, Lato oder glücklich und zufrieden sind. Sie sind Olympiasieg der DDR-Fußballer vor ­Platini stand spätere Weltklasse in mein Haltepunkt im Leben. Ich freue 40 Jahren. den Reihen der Gegner, die das mich immer, wenn ich mit ihnen DDR-Team auf seinem Weg zu Gold ­zusammen bin und möchte noch so Beim Einspielfilm kommen Häfner bezwungen hatte. viele schöne Momente wie möglich die Tränen: Aufnahmen von einer mit ihnen erleben. Und natürlich noch Schmalfilmkamera eines Mitspielers Zurück nach Warnemünde. Die DDR- so lange wie es geht mit der Traditi- lassen den Triumph noch einmal Legenden haben mit dem Schluss- onsmannschaft von Dynamo Dres- ­lebendig werden. Die Bilder von Mont­ pfiff noch den 3:3-Ausgleich kas- den unterwegs sein. Es macht mir real, dazu die Erinnerungen seiner siert. Dirk Stahmann und Damian Riesenspaß, dort dabei zu sein.“ Kameraden und, natürlich, sein Tor Halata bestürmen den Schieds­ zum 3:1 gegen Polen. Tage nach sei- richter, vom alten Ehrgeiz gepackt. Uwe Karte

DREI EHEMALIGE DRESDNER NATIONAL- SPIELER: HÄFNER MIT (LINKS) UND (RECHTS).

AUCH NACH DER KARRIERE IMMER WIEDER MAL AM BALL: HÄFNER IN EINEM PROMINENTEN-SPIEL. VOR 90 JAHREN 24 DIE WENDE ZUM GUTEN

1926 übernahm mit Otto Nerz erstmals ein Trainer die Verantwortung für die Nationalmannschaft

A U F B R U C H „in die Weltspitze“

1908 ins Leben gerufen und gleich mit drei Niederlagen gestartet, führte die deutsche National­mannschaft 18 Jahre lang ein Schattendasein. Ohne einen Trainer an ihrer Spitze. Mit einer Bilanz von 30 Niederlagen, 12 Remis und nur 16 Siegen. Doch dann trat vor 90 Jahren am 1. Juli 1926 Otto Nerz als Reichstrainer an – und fortan ging’s bergauf, „erstmals in die Weltspitze“, so der kicker im Rückblick. Der Historiker Udo Muras über den frühen sportlichen Wendepunkt.

Deutschland im Jahr 1926. Der Krieg Arbeitslose können sich den Eintritt ­da­ran darf der Kriegsschuldige, ist seit acht Jahren aus, der Kaiser ist am Sonntagnachmittag leisten, eher Deutschland, weder 1920 noch 1924 längst Geschichte und lebt im Exil, als das Theater oder die Oper. Im teilnehmen. außenpolitisch ist der „Kriegsschul- November 1925 feiert der Fußball dige“ isoliert. Die Inflation ist vorü- mit der Partie Preußen Münster ge- So führt die seit 1908 existierende ber, in den Berliner Tanzschuppen gen (0:5) seine Nationalmannschaft ein Schatten­ wird die Nacht zum Tag gemacht. Der Live-Premiere im Radio. Wer die dasein im Glanz der führenden Klubs ärmere Teil der Bevölkerung aber ­Spieler sehen will, muss jedoch ins wie dem 1. FC Nürnberg, SpVgg. hungert, Arbeitslosigkeit grassiert, Stadion gehen, das Fernsehen ist Fürth oder dem HSV. 1922 hat sie aber auch ein Gefühl von Freiheit. noch nicht erfunden. Dem Hunger zum ersten Mal überhaupt eine posi- nach Fußball Rechnung tragend, ent- tive Bilanz, ein Sieg bei zwei Remis. Die Weimarer Republik übt das Land stehen die ersten Großarenen mit Nur drei Spiele pro Jahr, wie soll da in Demokratie und führt es auch di- mehr als 50.000 Zuschauern – in etwas wachsen? Der DFB reagiert rekt in die nächste Krise. Es gibt mehr , in Köln, Hamburg, Leipzig und damit nur auf den Wunsch seiner Regierungswechsel als Parteien Nürnberg. ­führenden Klubs, die Spieler „nicht und doch bringt die Zeit auch neue über Gebühr zu belasten“. Denn deut- Chancen – und jede Menge Spaß. Der DFB verkündet zum Jubiläum sche Fußballer huldigen noch dem Man spricht im Rückblick von den seines 25-jährigen Bestehens auf Amateurdasein und haben alle einen Goldenen Zwanzigern und von der dem Leipziger Bundestag im Oktober „ordentlichen“ Beruf. So will es der „Entdeckung der Freizeit“. Es gibt 1925 Rekordzahlen: 824.000 Mit­ DFB, der auf dem Bundestag 1925 in plötzlich überall Kinos und das glieder, 22.500 Mannschaften, 6.319 Hannover erneut beteuert: „Der DFB Radio – und es gibt den Fußball. Vereine. Deutsche Kicker anno 1926 ist und bleibt ein reiner Amateurver- bewegen sich hauptsächlich auf band. Verstöße gegen das Amateur- In den Zwanzigern wird er zum natio­naler Bühne. Es gibt ja noch gesetz werden eingehend untersucht Volkssport, denn er ist relativ günstig ­keine WM, keine EM, schon gar keinen und durch Ausscheidung untaug­ zu betreiben und zu verfolgen. Auch Europapokal, nur Olympia – und licher Elemente unnachsichtlich ge- 25

LENKTEN DIE GESCHICKE DER NATIONALMANNSCHAFT 36 JAHRE LANG: OTTO NERZ UND .

ahndet. … Er erklärt abschließend, objektiv zu ermitteln. Für die Taktik Edition „100 Jahre deutsche Länder- dass er den Berufssport bekämpft ist der Spielführer verantwortlich. spiele“: „Mit Otto Nerz geht es erst- und für alle Zukunft ablehnt, ihn ir- Damit bleibt der DFB international mals in die Weltspitze“. gendwie zu fördern.“ So werden auch rückständig, zumal auch die Vereine Spiele gegen Österreich und Ungarn, längst Trainer haben. Die ersten Schritte macht er im Jahr wo längst Profis am Ball sind, aus 1926, in das die Nationalelf noch dem Programm gestrichen. Als der forsche Polizei-Oberkom­ ­ohne ihn mit einem Sieg und einem missar 1925 neuer Remis gestartet war. Am 18. April Nationalteam fast Präsident wird, ändert sich Grund­ wird das Rheinstadion in Düsseldorf 18 Jahre ohne Trainer legendes. Auch im Hinblick auf Olym- mit einem 4:2-Sieg gegen die Nieder- pia 1928, wo Deutschland wieder lande eingeweiht. Wegen der unge- Und so ist es auch all die Jahre un- teilnahmeberechtigt ist, soll nun ein heuren Zuschauermassen (60.000 denkbar gewesen, einen Reichs­ Reichstrainer her. Die Wahl fällt auf Deutsche und 5.000 Holländer), von trainer anzustellen. Heute kaum zu den 33-jährigen Otto Nerz und mit denen Tausende aufs Spielfeld ge- glauben, aber die Nationalmann- ihm, da sind sich die Historiker einig, drückt werden, „gab es eine maßlose schaft wird 18 Jahre lang (abzüg- kommt die Wende zum Guten. Ludger Verspätung, aber die Stimmung lich der sechsjährigen Kriegspause Schulze stellt im Buch „Die Mann- konnte den 65.000 Zuschauern nicht 1914 – 20) quasi sportlich nicht be- schaft“ fest, dass „erstmals in der verdorben werden. Es war ein Volksfest treut. Kadernominierung ist Sache Geschichte der Nationalmannschaft des Fußballsports.“ (Quelle: Lutz Koch. des Spielausschusses, der die Inte­ systematisch und gewissenhaft ge- Hinein. Deutschlands Nationalelf in ressen der Landesverbände berück- arbeitet wurde“. Ehe Nerz am 1. Juli 135 Fußball-Schlachten, Berlin 1937). sichtigen muss. Die elf Besten sind 1926 seine Stellung antritt, lautete bei einem Modell mit über 200 Erst­ die Länderspiel-Bilanz: 16 Siege, 12 Mann des Tages ist Bayern Mün- ligisten (auf über 20 Gau-Ligen ver- Remis, 30 Niederlagen. Als er 1936 chens Mittelstürmer Josef Pöttinger, teilt) und mit den damaligen techni- nicht ganz freiwillig abtrat, hieß es: der mit drei Toren debütiert. In Mün- schen Möglichkeiten ohnehin kaum 58 – 22 – 42. Der kicker titelt in seiner chen ist er so populär, dass seine VOR 90 JAHREN 26 DIE WENDE ZUM GUTEN

Teilnahme bei Bayern-Heimspielen kommen schließlich aus der „Hoch- das englische WM-System ein. Der extra plakatiert wird („Heute mit burg“, wie Nürnberg und Fürth ge- Mittelläufer wird vom Spielmacher ­Pöttinger“). Das vierte Tor im ersten nannt werden, die in Düsseldorf noch zum Abwehrchef (Stopper), es gibt im Radio übertragenen Länderspiel gar nicht vertreten ist. Weil der Leis- nun drei Außen- und zwei Halbstür- der DFB-Historie macht der lange tungsgedanke dem Regionalproporz mer sowie zwei „Läufer“ im Mittel- Hamburger Tull Harder, der die Mann- untergeordnet wird. feld. Da er sich vom Spielausschuss schaft als Kapitän aufs Feld geführt zumindest das Recht erstreitet, für hat. Am 20. Juni 1926 geht er in Professor Otto Nerz, der in Berlin die Taktik verantwortlich zu sein, Nürnberg auch mit Leistung allen Fachlehrer für Fußball an der Hoch- ­gelingt die Umstellung – allmählich. voran, beim 3:3 (3:2) gegen Schweden schule für Leibesübungen ist und schießt er „drei unhaltbare, die Nürn- bleibt, soll und will das ändern. Vom Bei seinem Debüt in Amsterdam ge- berger Zuschauer immer wieder in 5. bis 11. Juli leitet er in Köln einen winnt die DFB-Auswahl am 31. Okto- Raserei versetzende Tore“ (Lutz Koch). Olympia-Lehrgang, an dem 31 Spie- ber mit 3:2. Die Nerz-Premiere stößt Sechs Änderungen hat es in der Elf ler teilnehmen. Mehrtägige Lehrgän- auf ungeheures Interesse, wobei die gegeben, damals wird auf Lokal­ ge werden unter Nerz zur Gewohn- Chance auf eine Revanche und die kolorit geachtet. In Nürnberg dürfen heit, vorher sind sie unüblich – schon Rivalität der Länder sicher daran den Club-Spieler nicht fehlen, nach 18 weil die Spieler ja arbeiten müssen. größten Anteil gehabt haben wird. Monaten kehrt der legendäre Heiner Der Mann, der 1892 in Hechingen bei Chronist Koch schreibt: „40.000 Zu- Stuhlfauth ins Tor zurück, auch seine Mannheim geboren ist und kein gro- schauer von nah und fern hatten eine Klub-Kameraden Luitpold Popp und ßer Spieler war, in England jedoch solche Überfüllung gebracht, dass es Hans Schmidt sind dabei, Nachbar theoretische Kenntnisse gewonnen in Amsterdam keine Badewanne, ge- Fürth stellt Karl Auer und Andreas hat, die kaum ein anderer Deutscher schweige denn ein Zimmer zum Franz. Der alte und der neue Meister hat, führt gegen Widerstände auch Übernachten mehr gab.“ Die Gast­

DEBÜT VOR 90 JAHREN: DER MÜNCHNER JOSEF PÖTTINGER, DER BEI SEINER PREMIERE GEGEN HOLLAND DREI TORE ERZIELTE. 27

TORWART-LEGENDE DER 20ER-JAHRE: DER NÜRNBERGER HEINER STUHLFAUTH BESTRITT 21 LÄNDERSPIELE.

geber gehen früh in Führung, dann 12. Dezember vor allem wegen schwa- berger wurde nach Nerz’ offiziellem drehen die Deutschen auf. Lutz cher Torwartleistungen des Lokal- Rücktritt 1938 sein Nachfolger als ­Wieder aus Nürnberg gleicht aus, matadors Georg Ertl (FC Wacker) ein Reichs- und später Bundestrainer. Harder sorgt mit zwei Treffern für 2:3 gegen die Schweiz – ist die Jah- ­eine beruhigende Führung, ehe fast resbilanz zum erst zweiten Mal über- Zum 50. Geburtstag des DFB steht in mit Abpfiff noch das 2:3 der Nieder- haupt positiv: 2 Siege, 1 Remis, 1 Nieder- seiner Festschrift von 1950 zu lesen: länder fällt. Wieder hat es Änderun- lage. Und diesmal ist es keine Episode, „Eine umfassende Lehrarbeit war mit gen gegeben, Nerz holt die Nürnber- sondern der Anfang einer Serie. der Verpflichtung von Otto Nerz als ger Hans Kalb und Georg Hochgesang Bundessportlehrer verbunden. Er hat zurück, die Hochburg ist mit sechs „Umfassende Lehrarbeit von in den elf Jahren seines Wirkens (offi- Spielern vertreten. Genau genommen Bundessportlehrer Nerz“ ziell war er bis Anfang 1938 noch gar mit sieben, denn Stuhlfauth – Referent für die Nationalmannschaft; kaum zu glauben – agiert in der zwei- 1927 (1 – 1 – 1 bei positivem Torver- d. Red.) den Grundstock für die ten Spielhälfte als Linienrichter. Es hältnis), 1928 (4 – 0 – 2), 1929 (4 – 1 – 0) ­Weiterbildung des deutschen Fuß- waren eben ganz andere Zeiten … und 1930 (2 – 2 – 2, positives Torver- ballsports geschaffen, hat den Wert hältnis) ist die Bilanz nicht negativ, systemvoller Arbeit aufgedeckt sowie­ Dass die Ansprüche gestiegen sind, erst 1931 (1 – 3 – 3), als man wieder durchgesetzt, dass auch die Taktik macht der Vermerk im Jahresbericht gegen Profis spielen darf und gegen und konzentriertes Training in ihrer des DFB von 1926/27 deutlich: „Als Österreich bittere Pleiten (0:5 und Bedeutung neben der Ball­technik Sieger, aber doch ein wenig unzu­ 0:6) quittiert, werden wieder rote ­erkannt werden.“ frieden, kehrte man heim.“ Es war Zahlen geschrieben. Es bleibt das eben noch nicht alles Gold, was da im einzige „negative“ Jahr bis zum Aus- Es war auch ein Nachruf, denn Nerz DFB-Dress glänzte. Aber auch wenn scheiden von Nerz nach dem frühen verstirbt im April 1949 in russischer das vierte und letzte Spiel 1926 ver- Olympia-Aus 1936 (0:2 gegen Nor- Kriegsgefangenschaft. loren wurde – in München gab es am wegen in der 2. Runde). Sepp Her­ Udo Muras AKTUELL IM BLICKPUNKT 28 TREFFSICHERE EINWECHSELSPIELER IM NATIONALTEAM

Sie sind das Sondereinsatzkommando für das späte Glück: die letzten Trümpfe von der Bank „Hofnarr“ als König: der JOKER

„Spezialkräfte“ nennt sie Joachim Löw, die Joker als die letzten Trümpfe im Fußball. Er und seine Vorgänger als Bundestrainer machten vom Griff in den Ärmel immer dankbar Gebrauch. Wenn dringend ein Tor her musste, haben sie kurzerhand das Glück eingewechselt. So wurden wir Welt- und Europameister, dank Mario Götze, André Schürrle und . Aber auch Jürgen Grabowski, Dieter Müller, Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler oder Oliver Neuville waren, wenn es sein musste, auch wirksame Spätzünder. Am Ende seiner grandiosen Karriere wurde im Sommer bei der EM sogar Bastian Schweinsteiger noch zum perfekten Joker: Er kam und sah, schoss und traf. Oskar Beck notiert und kommentiert.

Bei der Frage nach dem emotionals- Joker sind Spaßmacher. Beim Kar- die Spezialkräfte, die den Gegner ten Moment dieses Fußballjahres tenspiel sind sie die „Wild Card“ und empfindlich treffen werden, wenn die gibt es keine zwei Meinungen – es bebildert mit Hofnarren. Beim Fuß- Sonne im Zenit steht.“ Das klang fast war der furiose Schlussakkord von ball narren sie die Gegner. nach GSG 9 und Sondereinsatzkom- Bastian Schweinsteiger, nachdem er mando, und als es dann im Endspiel bei der EM in Frankreich gegen die Als Deutsche kennen wir dieses fröh- gegen Argentinien tatsächlich heiß Ukraine zwei Minuten vor Schluss liche Lachen, denn Schweinsteiger wurde, schickte er in der Pause der eingewechselt worden war. war nur der vorläufige Höhepunkt Verlängerung Mario Götze mit dem unter vielen späten Trümpfen, die die Satz aufs Feld: „Zeig der ganzen „Eigentlich“, verriet Bundestrainer Bundestrainer über all die Jahrzehn- Welt, dass Du besser bist als Messi.“ Joachim Löw hinterher, „sollte Basti te aus dem Ärmel zogen, wenn der Super-Mario scharrte kurz mit den die 1:0-Führung absichern.“ Also für Gegner müde wurde oder Not am Hufen, ging rein, drückte auf den Ruhe sorgen und besonnen die Bälle Mann war: Immer wieder rannten die Knopf – und abends twitterte ­Rihanna verteilen. Doch was tut er? Wie von Eingewechselten auf den Platz und aus dem Sheraton in Rio stolz ein der Tarantel gestochen geht er den erfüllten sich und uns schnurstracks ­Foto um die Welt, das sie mit dem letzten Konter mit, sprintet steil in die schönsten Träume. Helden des Tages zeigte. den gegnerischen Strafraum, winkt zu Özil hinüber, der serviert ihm den Warum sind wir Weltmeister? Weil Das ist es, was die Bundestrainer Ball wie ein Oberkellner auf dem Jogi Löw vor der WM 2014 eine Ein- ­immer wieder erfolgreich beherzigen: ­Tablett, und Schweini versenkt das gebung hatte. Schon ehe es damals Wenn dringend ein Tor her muss und Runde virtuos im Eckigen. Lachend losging verkündete der Bundestrai- ihnen sonst nichts Besseres einfällt, drehte der späte Schütze im nächs- ner mit seinem Visionärsblick: „Noch wechseln sie kurzerhand das Glück ten Moment seine Ehrenrunde über nie waren die Spieler, die von der ein. Geschichte haben die deutschen den ganzen Platz. Bank kommen, so wichtig. Sie sind Joker geschrieben, sie haben uns 29

„SCHÜRRLE AUF GÖTZE“: DAS ZUSAMMENSPIEL DER BEIDEN EINWECHSELSPIELER IN DER VERLÄNGERUNG DES WM-FINALS 2014 FÜHRTE ZUM VIERTEN TITEL FÜR DEUTSCHLAND.

Sternstunden beschert und sich ­mörderischen mexikanischen Hitze gerung also. 3:2 Müller. 4:2 Müller. selbst Denkmäler gebaut – ein wurde Grabowski als frischer Wind Was der Joker auch tat, der Ball abendfüllendes Thema. benötigt, wie gegen Marokko und lag im Tor. „Müller“, spürte Kapitän ­Peru. Und vor allem im Viertelfinale Beckenbauer, „hat den siebten Sinn.“ Wo fangen wir an? Am besten vorne. drehte er als Sargnagel der Eng­ Bei der WM 1970. Erstmals waren länder am Wunder von Leon mit, aus Nicht minder wichtig ist, dass ihn der Spielerwechsel erlaubt, und weil wir 0:2 wurde 3:2. Trainer hat. Oder dessen Frau. „Nimm Deutschen immer alles von Anfang den Bierhoff mit“, riet vor der EM an gründlich machen, nahm Helmut EM ’76: Dieter Müllers 1996 Frau Vogts ihrem Berti. Dann Schön den Frankfurter Jürgen Gra- sensationeller Einstand stand es im Europameisterschafts- bowski mit nach Mexiko. Der war, Finale im Londoner Wembley-Sta­ kaum auf dem Platz, sofort quick­ Ein feines Händchen hatte Helmut dion 1:0 für Tschechien, der Abpfiff lebendig, und wie der „Maulwurf Schön auch bei der EM 1976. Was nahte, und in der 69. Minute nahm der ­Grabowski“ im gleichnamigen Kin- da im Halbfinale geschah, ist un­ Bundes­trainer den kleinen Mehmet derbuch untergrub er die Abwehr­ beschreiblich, aber wir versuchen es Scholl raus und brachte die Brech- reihen und die Moral der Gegner, trotzdem. 1:2 lagen seine deutschen stange. Der Ärger des Jokers wegen setzte zu undurchschaubaren Dribb- Titelverteidiger in Belgrad gegen die des langen­ Wartens artete prompt in lings an, schlug unfassbare Haken Jugoslawen in Rückstand, und als die ­einen Doppelschlag aus: Kopf Bier- und Flanken und erwarb sich den 79. Minute begann, brachte Schön in hoff – 1:1. Fuß Bierhoff – 2:1. Es war ­Titel „Bester Einwechselspieler der seiner Verzweiflung einen Debü­tan­ das Golden Goal in der fünften Minute Welt“. Das hat ihn ein bisschen geär- ten, den 22-jährigen Kölner Dieter der Verlängerung, der Schuss war gert, „weil ich ja ansonsten meine Müller, null Länderspiele. Am Ende „läpprig“, der Torwart half mit, und Karriere lang immer und überall der 79. Minute stand es 2:2 durch Bierhoff sagt heute: „Das Tor wird Stammspieler war“. Doch in der Müllers ersten Ballkontakt. Verlän- auch durch die ständigen Erzählungen AKTUELL IM BLICKPUNKT 30 TREFFSICHERE EINWECHSELSPIELER IM NATIONALTEAM

nicht schöner.“ Aber wir waren Europa­ den WM-Turnieren 1990 und 1994 bänken und trafen auf Kommando. meister. fünf Mal zuschlug und danach an der Oder legten den Ball anderen Jokern Eckfahne seinen Lambada tanzte. gewinnbringend auf den Fuß wie in In jenen Jahren wurde der Joker im der 113. Minute im Zuckerhut-End- Fußball vollends gesellschaftsfä- Wie wäre wohl unsere wunderbare spiel in Rio: Zuckerpass Schürrle, hig, nachdem er sich bis dahin Tor deutsche WM 2006 ohne die Zuarbeit Zauberschuss Götze. Es war das für Tor mühsam seinen Durchbruch von Jokern verlaufen? Auch diese 31. Joker-Tor der WM 2014, drei steu- ins Scheinwerferlicht hatte er­ Frage muss gestellt werden, denn erte Schürrle als Einwechselspieler kämpfen müssen. Ein Pionier war viele haben es vermutlich vergessen: bei und schoss sich damit in der Karl-Heinz Rummenigge. Bei der Im wegweisenden zweiten Spiel, ge- DFB-Spätzünder-Rangliste weit nach WM 1982 brachte ihn Bundestrainer gen Polen, stand es im Dortmunder vorn. Jupp ­Derwall im „Thriller von Westfalenstadion 0:0, alle Hasen­ ­Sevilla“ beim Rückstand gegen die pfoten waren erfolglos gedrückt, alle Oliver Bierhoff, der heutige Manager Franzosen in der Verlängerung, und Glückspfennige wirkungslos vergra- der Nationalmannschaft, führt mit Rummenigge leitete mit seinem ben, alle Stoßgebete zum Himmel zwölf Treffern bei zwanzig Einwechs- Treffer zum 2:3 die Wende zum unerwidert geblieben – da schickte lungen die Statistik zwar noch an, ­Wunder ein. Und bei der WM 1986 Bundestrainer Jürgen Klinsmann aber Schürrle rückt ihm mit acht griff Teamchef ­seine beiden Glücksbringer auf den ­Toren zusehends auf die Pelle, er gilt in höchster Not zu Rudi Völler, Platz. David Odonkor bediente in der inzwischen als Paradebeispiel des der im Finale gegen Argentinien letzten Minute Oliver Neuville zum perfekten Jokers: Keine Torschluss- ­sogleich das 2:2 schoss. 1:0 – und das „Sommermärchen“ panik, keine Torschusspanik, kein konnte seinen Lauf nehmen. langes Fackeln im Stress und Zeit- Ganz entscheidend aber für den sozi- druck der Schlussphase – kurz: alen Aufstieg des Jokers vom Bank- Als wahre Joker-WM ging das Turnier ­Kommen, Schießen, Treffen, Siegen. drücker zweiter Wahl zum gefeierten 2014 in Brasilien in die Annalen des Vaterlandsretter war der Kameruner Fußballs ein. Scharenweise kamen „Es ist gut, wenn man in der Schluss- Roger Milla, der als Edelreservist bei die Geheimwaffen von den Ersatz- phase Spieler hat, die die gegne­rische

TEIL EINS SEINES „DREIERPACKS“: DER KÖLNER DIETER MÜLLER MARKIERT IM EM-HALBFINALE 1976 DAS 2:2.

„JUBELLAUF“: BASTIAN SCHWEINSTEIGER ERZIELT BEI DER EURO 2016 GEGEN DIE UKRAINE DIE ENTSCHEIDUNG ZUM 2:0. 31

INITIALZÜNDUNG FÜRS „SOMMERMÄRCHEN“ 2006: OLIVER NEUVILLE TRIFFT GEGEN POLEN ZUM 1:0.

„ERSTER STREICH“: „JOKER“ OLIVER BIERHOFF KÖPFT IM EM-FINALE 1996 GEGEN TSCHECHIEN DAS 1:1.

Abwehr vor neue Fragen stellen“, haupt den Platz betritt.“ Wie Das klingt fast, als handle es sich sagte Englands Trainer Roy Hodgson Schweinsteiger, Götze und Bierhoff. beim Ein- und Auswechseln um die diesen Sommer bei der EM in Frank- Oder wie Lars Ricken. Den brachte kinderleichteste Übung der Welt. reich, nachdem seine Joker Jamie Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld Vardy und Daniel Sturridge das 0:1 1997 im Finale der Champions In Wahrheit ist es die schwerste. gegen Wales noch umbogen in ein League in München, und ein paar Siehe . Der war am 2:1. Die Engländer flogen trotzdem ­Sekunden danach überlistete der 29. April 1978 Trainer von Borussia früh heim, aber was von ihnen blieb, 20-Jährige mit einem rotzfrechen Dortmund, und gegen Borussia war immerhin die Erkenntnis von ­Heber aus der Tiefe des Mittelfelds ­Mönchengladbach stand es 0:8, als ­Vardy: „Wenn die Verteidiger müde den Juventus-Torhüter Peruzzi sieg- er den 35-jäh­rigen Ex-Vize-Weltmeis- werden, ist es für uns Stürmer ein­ bringend. ter Siggi Held als letzten Trumpf aus facher zuzuschlagen.“ Konsequen- dem Hut zaubern wollte. Mitspieler terweise schoss der im Endspiel ge- Auch Ottmar Hitzfeld war einer der Manni Burgsmüller erzählt immer gen Frankreich eingewechselte Eder Trainer, bei denen es im richtigen wieder gern, wie Siggi darauf zu Otto die Portugiesen in der Verlängerung ­Moment innerlich klingelte. Oliver sagte: „Trainer,­ soll ich das Ding mit seinem 1:0 zum Europameister. Kahn, sein früherer Bayern-Torwart, noch rumreißen?“ Vollends ist das hat erzählt: „Ich habe Ottmar nach Ding 0:12 ausgegangen, ohne den unserem Champions League-Finale Siggi, der als Joker nicht der Depp „Ein Joker muss sich schnell auf ein 2001 gefragt: Wieso diese Aus- sein wollte. Spiel einstellen können und mit ­wenig wechslungen? Er konnte das gar Anlaufzeit auskommen“, weiß der nicht so richtig beantworten und So ändern sich die Zeiten: Heute ist DFB-Psychologe Hans-Dieter Her- ­sagte nur: Ich wusste, ich muss der Joker der König. mann. „Ein Joker muss gedanklich ­etwas ändern, sonst bleibt dieses schon im Spiel sein, bevor er über- Spiel so, wie es ist.“ Oskar Beck VOR 60 JAHREN 32 ENDE EINES KURIOSUMS DER FUSSBALLGESCHICHTE

Über Saarlands Nationalelf und den 1. FCS als „interessantestes Fußballteam Europas“ Technik, Akrobatik und Fußballbesessenheit

Hätten Sie’s gewusst? Der 1948 gegründete Saarländische Fußball-Bund (SFB) war von 1950 bis 1956 Mitglied der FIFA und bestritt in dieser Zeit 19 offizielle Länderspiele, darunter vier Qualifikationsspiele zur Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz. WM-Gruppengegner waren Norwegen und Deutschland. Vor genau 60 Jahren, im Sommer 1956, absolvierte die saar­ ländische Nationalmannschaft ihre letzten drei Länderspiele mit dem Schlussakkord gegen die Niederlande am 6. Juni 1956 vor 65.000 Zuschauern in Amsterdam. Hans-Peter Becker beschreibt Anfang, Verlauf und Ende eines denkwürdigen Kuriosums der Fußballgeschichte.

Das Land an der Saar war bereits Was bedeutete dies für den Saar- tragte für die Saison 1948/49 die nach dem Ersten Weltkrieg 15 Jahre Fußball? Die Spitzenvereine 1. FC Aufnahme in die zweite französische lang vom Deutschen Reich abge- Saarbrücken und Borussia Neun­ Division, in die er nach anfänglichem trennt und in dieser Zeit dem Völker- kirchen konnten 1946 in der Nord­ Widerstand schließlich „außer Kon- bund unterstellt. Dennoch verblieben zonenliga der französischen Besat- kurrenz“ aufgenommen wurde. Er die Fußballvereine an der Saar zungszone unter anderem gegen den beendete die Saison als inoffizieller ­weiterhin Mitglied im Süddeutschen 1. FC Kaiserslautern, Wormatia Worms, Meister. Der Aufstieg in die erste Fußballverband und in dessen Spiel- FK Pirmasens, 1. FSV Mainz 05 an­ ­Division aber wurde ebenso wie der betriebssystem. Die Volksabstim- treten. Der 1. FC Saarbrücken wurde Verbleib in der zweiten verweigert. mung am 13. Januar 1935 mit dem der erste Meister dieser Liga. Die „deutsche“ Konkurrenz war den eindeutigen Votum zur Rückkehr ins Franzosen zu stark. Deutsche Reich beendete diese poli- Die Errichtung einer Zollgrenze zwi- tische Teilung. schen dem Saarland und Deutsch- Der am 25. Juli 1948 gegründete land, nach Einführung des franzö­ Saarländische Fußball-Bund be­ Einen etwas anderen Verlauf nahm sischen Franken als Währung im fasste sich auf einem Bundestag am die Saar-Geschichte nach dem Zwei- Saarland Ende 1947, machte den 17. Juli 1949 mit der Frage nach der ten Weltkrieg. Das Sagen hatte nun ­Reiseverkehr der saarländischen und Affiliation (also Angliederung des Frankreich, das 1945 einen Militär- pfälzischen bzw. rheinhessischen SFB an die Fédération Française de gouverneur einsetzte, dessen poli­ Vereine zunehmend schwieriger und Football). 299 Delegierte befürwor- tisches Ziel die Loslösung des Saar- führte schließlich zum Ausscheiden teten die Angliederung, aber 609 gebiets von Deutschland war. Mit der Saarvereine aus der inzwischen stimmten dagegen. französischer Duldung trat 1947 eine gebildeten Südwest. saarländische Verfassung in Kraft, Offen blieb damit weiterhin die Frage, auf Grund derer eine saarländische Der 1. FC Saarbrücken, der sich wie dem Spitzenklub aus Saar­ Regierung gebildet werden konnte. ­damals zunehmend zu einem euro­ brücken, aber auch Borussia Neun­ Der Saar-Staat war geboren, der aber päischen Spitzenverein entwickelte, kirchen die Eingliederung in ein politisch und wirtschaftlich in starker hatte jetzt im kleinen Saarland keine ­leistungsgerechtes Spielsystem an- Abhängigkeit von Frankreich blieb. adäquaten Gegner mehr. Er bean- geboten werden könnte. Ein interna­ 33

An deren Ende war der FCS Meister vor TuS Neuendorf und dem 1. FC Kaiserslautern. Die Gruppenspiele um den Einzug in das Finale um die ­Deutsche Fußballmeisterschaft be- endete der FCS ebenfalls als Erster, ehe er im Finale am 22. Juni 1952 vor 80.000 Zuschauern im Ludwigs- hafener Südweststadion dem VfB Stuttgart mit 2:3 unterlag. Kurios: Bei umgekehrtem Ausgang wäre ein nicht dem DFB angehöriger Verein Deutscher Meister geworden.

Der 1. FC Saarbrücken war kein Mit- gliedsverein des DFB, sondern ein Verein des Saarländischen Fußball- Bundes. Und dieser war seit 22. Juni 1950 (FIFA-Kongress in Rio de Janeiro) Mitglied der FIFA – dies auch noch vor dem DFB, der erst am 22. September 1950 bei einer Sitzung des Exekutivkomitees der FIFA in Brüssel Aufnahme fand.

Mit der internationalen Anerkennung „TAG DER ENTSCHEIDUNG“: des SFB war die Möglichkeit verbun- DAS PROGRAMMHEFT MIT HERBERT ERHARD, HERBERT MARTIN den, offizielle Länderspiele auszutra- UND KARL MAI AUF DEM TITEL. gen und an internationalen Turnieren bis hin zur Weltmeisterschaft teil­ zunehmen. So wurden von November tionaler Saarland-Pokal mit großer Athletic Bilbao, 2:2 gegen La Coruña. 1950 bis Anfang Juni 1956 insge- finanzieller Unterstützung durch die Höhepunkt aber war der Auftritt bei samt 19 Länderspiele gegen neun Regierung sollte helfen. In der Sai- Real Madrid, das schon seit 12 Jah- Nationen ausgetragen, wobei der son 1949/50 beteiligten sich an den ren kein Heimspiel mehr verloren FCS die meisten Spieler abstellte. Spielen, die ausschließlich in Saar- hatte. Der 4:0-Sieg der Saarbrücker Sechs Spiele wurden gewonnen, drei brücken ausgetragen wurden, 16 war auch nach Ansicht der spani- endeten unentschieden und zehnmal Spitzenvereine aus Westeuropa und schen Presse hochverdient. gingen die Saarländer als Verlierer Südamerika. Sieger wurde der 1. FC vom Platz. Saarbrücken mit einem 4:0 gegen Im Punktspielbetrieb blieb aber nur Stade Rennes (Frankreich). Den noch der Weg zurück in das deut- Unbestrittener Höhepunkt war das 3. Platz belegte Hajduk Split mit 3:2 sche Ligasystem, das man 1948 WM-Qualifikationsspiel Saarland ge- gegen den FC Metz. Der zweite An- ­hatte verlassen­ müssen. In der gen Deutschland am 28. März 1954 lauf 1950/51 endete aus finanziellen Oberliga Südwest waren seit Jahren im Saarbrücker Ludwigspark, das Gründen bereits vor dem Finale. Plätze für die Saarvereine freigehal- Deutschland mit 3:1 gewann und da- ten worden. Durch geschicktes Ver- mit den Weg zur Fußball-Weltmeis- Der 1. FC Saarbrücken, den FIFA- handeln mit den Kollegen aus dem terschaft in der Schweiz und zum Präsident Jules Rimet damals als Südwesten und nicht minder ge- „ersten Stern“ ebnete. „interessanteste Fußballmannschaft schicktem Taktieren von Hermann Europas“ bezeichnete, war in den Neuberger (seit 14. Mai 1950 Präsi- Doch nochmals der Reihe nach: Die Jahren 1950 und 1951 europaweit dent des SFB als Nachfolger von Schweizer Freunde waren nach dem ein begehrter Testspielgegner. Im Gründungsprä­sident Willy Koch) ge- Zweiten Weltkrieg die Ersten, die die Februar 1950 schlug der FCS in genüber der ­Regierung konnten der Blockade gegen deutsche Fußball- ­Zürich die Schweizer Nationalelf mit 1. FC Saar­brücken und Borussia mannschaften durchbrachen. Zur 2:1 und besiegte im Mai den FC Liver- ­Neunkirchen in der Saison 1951/52 gleichen Stunde, am 22. November pool 3:0. Unvergesslich das Frühjahr in der Oberliga Südwest mit großer 1950, als die deutsche National- 1951. Die Tournee nach Frankreich Zustimmung ­ihrer Fans starten. mannschaft in Stuttgart vor mehr als und Spanien brachte grandiose Erfol- Die Spielzeit 1951/52 verlief für die 100.000 Zuschauern mit der Schweiz ge: 2:1 gegen US Cannes, 4:0 gegen Saarbrücker überaus erfolgreich. das erste Nachkriegsländerspiel VOR 60 JAHREN 34 ENDE EINES KURIOSUMS DER FUSSBALLGESCHICHTE

ENTSCHEIDENDES QUALIFIKATIONS- SPIEL 1954: DIE KAPITÄNE FRITZ WALTER UND HERBERT MARTIN BEIM WIMPELTAUSCH.

EMPFANG ZUM 60. JUBILÄUM DES QUALI­FI­KATIONSSPIELS GEGEN DEUTSCHLAND IM MÄRZ 2014: KARL RINGEL, HERBERT MARTIN, HERBERT BINKERT, WERNER OTTO, DIE SAARLÄN­ DISCHE MINISTERPRÄSIDENTIN ANNEGRET KRAMP-KARREN- BAUER, SFV-PRÄSIDENT FRANZ JOSEF SCHUMANN, WILLI ­SIPPEL, ERNST ZÄGEL, ROBERT ZACHE (VON LINKS).

­bestritt (1:0 für Deutschland), trafen mit französischer Staatsangehörig- geblich, denn, angetrieben von die Schweizer mit ihrer B-Elf in Saar- keit, den am 5. Oktober 1952 gegen Frankreich-Legionär Kurt Clemens brücken auf die neuformierte Saar- Frankreich B beim 3:1-Sieg nach zwei (AS Nancy), drehten Binkert, Otto auswahl. 16.000 Zuschauer freuten Treffern von Binkert und Martin in und Siedl mit ihren Toren­ das Spiel. sich im Stadion Kieselhumes, dessen Straßburg Helmut Schön als SFB- Am 19. August ­empfingen die Spielfläche noch aus roter Erde be- Cheftrainer ablöste. ­Norweger die DFB-Elf und spielten stand, über acht Tore. Die Saarländer unentschieden 1:1. siegten nach Treffern von Leibenguth Zwei deutsche Teams (2), Martin (2) und Berg mit 5:3. galt es zu verhindern Die Saar war jetzt Gruppenerster bis zum Spiel am 11. Oktober in Stutt- Der Chefredakteur des Züricher Acht Monate später stand bei der gart gegen Deutschland. 55.000 „Sport“ schrieb danach: „Die Saar- siebten Länderspielpartie das erste ­Zuschauer sahen ein Spiel, das nach länder sind eine fußballbesessene Qualifikationsspiel für die WM in der Presseberichten nicht so einseitig Gesellschaft. Die Technik beherr- Schweiz auf dem Programm. Nicht war, wie das Ergebnis mit dem 3:0 schen sie so wie die Wiener in ihren das Los, sondern ein Setzverfahren für Deutschland nach Toren von besten Zeiten. In Sachen Akrobatik hatte das Saarland mit Deutschland Morlock (2) und Schade vielleicht machen sie es den Italienern und und Norwegen in eine Gruppe be- vermuten lässt. Brasilianern nach. Dem Tempera- stimmt. Schließlich sollte auf jeden ment nach sind sie Franzosen oder Fall vermieden werden, dass zwei Beinahe wäre dieses Spiel aber aus- Spanier, nur ihre Staatsangehörigkeit deutsche Mannschaften in der gefallen und von der FIFA am Grünen ist ein wenig umstritten. Manchmal Schweiz antreten. Tisch (wohl zugunsten der Saar) sind sie Deutsche, manchmal Fran­ ­gewertet worden. Auf Beschluss zosen, manchmal ... Saarländer.“ 21.000 Zuschauer sahen am 24. Juni der Bundesregierung unter Konrad 1953 in Oslo einen 3:2-Sensations- ­Adenauer waren das Zeigen der Saar- Zweites Spiel – zweiter Sieg. Am sieg des Saarlands nach 0:2-Rück- flagge und das Abspielen der 21. Mai 1951 gelang auf dem Kiesel- stand und verletzungsbedingtem Saarhymne auf bundesdeutschem humes vor 20.000 Zuschauern ein Ausfall der Abwehrspieler Philippi Boden verboten. Der DFB war in der 3:2-Erfolg über Österreich B, bei dem und Puff. Das Reglement ließ nur Zwickmühle. Drei Bundesministerien die Abwehr dirigierte. die Auswechslung eines Spielers (Auswärtiges Amt, Innenministe­ Torschützen für das Saarland waren zu. So humpelte Theo Puff die rium, Gesamtdeutsches Ministerium) Leibenguth (2) und Binkert. Bundes- ­gesamte zweite Halbzeit auf Links- waren mit der Frage befasst und trainer war zu dieser Zeit Gustl außen, um der Mannschaft zu­ suchten noch drei Tage vor dem Spiel ­Jordan, ein gebürtiger Österreicher helfen. Sein Einsatz war nicht ver- fieberhaft nach einer Lösung. 35

Den Knoten durchschlug schließlich DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens, Die Länderspiele der saarländischen Nationalmannschaft der nach Rücksprache mit SFB-Prä- Datum Gegner Ergebnis Spielort sident Neuberger einen Kompromiss- 22. November 1950 Schweiz B 5:3 Saarbrücken vorschlag unterbreitete, dem auch 27. Mai 1951 Österreich B 3:2 Saarbrücken die FIFA zustimmen konnte. In 15. September 1951 Schweiz B 5:2 Bern Stuttgart wie in Saarbrücken wird auf 14. Oktober 1951 Österreich B 1:4 Wien die Nationalflaggen und die National- 20. April 1952 Frankreich B 0:1 Saarbrücken hymnen verzichtet. Gezeigt werden lediglich die Flaggen der gastgeben- 5. Oktober 1952 Frankreich B 3:1 Straßburg den Städte und die Verbandsflaggen 24. Juni 1953 Norwegen 3:2 Oslo von DFB und SFB. Einzige National- 11. Oktober 1953 Deutschland 0:3 Stuttgart flagge im Stadion war die zu Ehren 8. November 1953 Norwegen 0:0 Saarbrücken des jeweiligen Schiedsrichters. 28. März 1954 Deutschland 1:3 Saarbrücken 5. Juni 1954 Uruguay 1:7 Saarbrücken Das Rückspiel gegen Norwegen am 26. September 1954 Jugoslawien 1:5 Saarbrücken 8. November 1953 fand im neuge­ 17. Oktober 1954 Frankreich B 1:4 Lyon bauten Ludwigspark-Stadion statt. 1. Mai 1955 Portugal B 1:6 Lissabon Es war das erste Heimspiel der Saar- 9. Oktober 1955 Frankreich B 7:5 Saarbrücken auswahl auf einem Rasenspielfeld. 16. November 1955 Niederlande 1:2 Saarbrücken 40.000 Zuschauer sahen eine domi- 1. Mai 1956 Schweiz 1:1 Saarbrücken nante Saar-Elf, der aber trotz 13:0- 3. Juni 1956 Portugal B 0:0 Saarbrücken Eckstößen gegen den an diesem Tag 6. Juni 1956 Niederlande 2:3 Amsterdam unbezwingbaren norwegischen Tor- hüter Hansen kein Treffer gelingen wollte. Ein saarländischer Sieg an Die Rekord-Nationalspieler des Saarlands diesem Tag hätte die Gruppenfüh- Name Spiele Jahre Tore rung bedeutet und DFB-Cheftrainer Waldemar Philippi 18 1950 – 1956 0 Sepp Herberger unter noch größeren Herbert Martin 17 1950 – 1956 6 Druck gesetzt. Gerhard Siedl 16 1951 – 1956 4 Saar-Team beim Finale in Erwin Strempel 14 1950 – 1955 0 Bern Ehrengast des DFB Theodor „Theo“ Puff 12 1951 – 1956 0 Herbert Binkert 12 1952 – 1956 6 Aber da war ja noch das Rückspiel Nikolaus Biewer 11 1950 – 1954 0 gegen Deutschland in Saarbrücken. Kurt Clemens 10 1950 – 1956 0 Ein Sieg der Saarländer hätte ein Ent- Albert Keck 10 1953 – 1956 0 scheidungsspiel für die Reise in die Peter Momber 10 1950 – 1956 1 Schweiz zur Folge gehabt. Dieses mögliche Spiel war bereits für Paris terminiert. 53.000 Zuschauer, viele über Ungarn miterlebten und später schaft des Saarlandes als selbst- Tausend aus der Bundesrepublik, den Weltmeistern um Fritz Walter in ständiger Nationalverband in der drängten am 28. März 1954 bis an deren WM-Quartier persönlich gratu- ­FIFA: Am 28. Juli 1956 nämlich be- den Spielfeldrand. Beim Einlaufen lieren. Sie waren doch auch Deutsche fürwortete der DFB beim Bundestag der Mannschaften erklang aus dem und im Fußball beste Freunde. in Duisburg einstimmig den Auf­ nahen Wald über Lautsprecher das nahmeantrag des SFB als Saar­ Deutschlandlied. An Herbergers 57. Am 6. Juni 1956 sahen 65.000 Zu- ländischer Fußballverband (SFV) in Geburtstag siegten seine Spieler schauer in Amsterdam schließlich den Deutschen Fußball-Bund. Zwei mit 3:1 nach Toren von Morlock (2) das letzte Spiel einer saarländischen Monate zuvor hatte Helmut Schön und Schäfer bei einem Gegentor von „Nationalmannschaft“. Die Nieder- als Assistent von Sepp Herberger Martin. lande siegten mit 3:2. Die Tore für das seine großartige Karriere als DFB- Saar-Team erzielten die späteren Trainer begonnen. Und noch heute Der Weg zum ersten Weltmeistertitel DFB-Nationalspieler Heinz Vollmar freut sich der DFB, einstige Saar- war für die deutsche Nationalmann- (SV St. Ingbert) und Karl Ringel National­spieler wie Herbert Martin, schaft frei. Das Saar-Team durfte auf ­(Borussia Neunkirchen). Vollmar ge- Werner Otto oder Willi Sippel im Einladung des DFB als Gäste in die hörte 1962 zum Kader der deutschen Club der Nationalspieler bei dessen Schweiz reisen, wo sie mit Helmut Mannschaft bei der WM in Chile. Treffen begrüßen zu können. Schön an der Spitze im Berner Wank- Sieben Wochen später endete auch dorf-Stadion den 3:2-Endspielsieg das historische Kapitel der Mitglied- Hans-Peter Becker 36 CDN-MAGAZIN 28/2016

„Icke“ Häßler mit gutem ­Einstand in der 8. Liga

Drei Punktspiele, drei Siege in der Bezirksliga – zwei Partien, zwei ­Siege im Pokal: Mit dem Berliner Achtligisten Club Italia konnte ­Thomas Häßler (50) nach seinem Amtsantritt als Trainer einen her- vorragenden Einstand feiern. Kurios­ war dabei die Heimpremiere des Weltmeisters von 1990. 7:0 führte sein Team bereits bei Halbzeit auf der Sportanlage im Ber­liner West- end unweit des Olympiastadions, als der Gegner VfB Hermsdorf II, angereist nur mit 10 Spielern, an­ gesichts von 34 Grad im Schatten und total überfordert um Abbruch des Spiels bat. „Wir sind gut aus den Startlöchern gekommen. Jetzt schauen wir einfach mal, wohin die Reise geht“, erklärte der einstige FÜR SOZIALES ENGAGEMENT GEEHRT: WELTMEISTER JÉRÔME BOATENG. Supertechniker. Mittelfristiges Ziel ist die 3. Liga. Dass der „Icke“ mit Jérôme Boateng: Weltmeister Rathaus, als der Nationalspieler seinem neuen Team selbst vor gro- und engagierter Wohltäter des FC Bayern München nach der ßen Namen nicht zurückscheut, Landung in Tegel erst ins Virchow- zeigte das Zustandekommen des Ein Weltklasse-Spieler und Welt- Klinikum in Wedding fuhr, um dort Freundschaftsspiels gegen Hertha meister ist er. Ein großes Herz für kleinen Patienten der Kinderkrebs- BSC. Beim 0:12 ­wurde freilich deut- Kranke und Schwache hat er. We- station mit seinem Besuch eine lich, wie groß die Kluft zwischen der gen seines starken Engagements Freude zu bereiten. 8. Liga und der Bundesliga ist. für hilfsbedürftige Menschen, für Toleranz und Völkerverständigung zeichnete das Land Berlin Jérôme Boateng vor wenigen Tagen mit dem Moses-Mendelssohn-Preis aus. Boateng ist der erste Fußballspie- ler, der diese hohe Auszeichnung erhält, die mit 10.000 Euro dotiert ist und seit 1980 alle zwei Jahre aus Anlass des Geburtstags des jüdischen Philosophen Moses ­Mendelssohn (1729 – 1786) verge- ben wird. „Boatengs Erfolg hat ihn nie vergessen lassen, wo er aufge- wachsen ist. Immer wieder enga- giert er sich in sozialen Projekten für Kinder und Jugendliche“, sagte Regierender Bürgermeister Michael Müller bei der Preisverlei- hung über den gebürtigen Berliner. So war es auch in den Stunden vor der Preisverleihung im Roten TRAINER BEIM „CLUB ITALIA“: WELT- UND EUROPAMEISTER THOMAS HÄSSLER. DIAGONALPÄSSE 37

ler auf den weltweiten Titel dieser Serie und löste damit Lionel Messi ab, der in den vergangenen vier Jahren jeweils das globale Cover geziert hatte. „Es ist eine große Ehre für mich, in den erlesenen Kreis der ,FIFA-Coverstars‘ aufge- nommen zu werden“, meinte Reus über seinen Wahlerfolg, bei dem er sich gegen James Rodriguez (Real Madrid), Anthony Martial (Man- chester United) und Eden Hazard (FC Chelsea) behauptete. Das Spiel „FIFA 17“ ist seit dem 29. Septem- ber als XBOX erhältlich.

Kalle Rummenigge bis Ende 2019 an der Bayern-Spitze

Die FC Bayern München AG geht weiterhin mit Karl-Heinz Rumme- nigge (61) an der Spitze ihren Weg. Der 95-malige Nationalspieler und Europameister von 1980 verlän- BUNDESLIGA-EHRENPREISTRÄGER: DFB-EHRENSPIELFÜHRER UWE SEELER. gerte dieser Tage seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender beim Große Ehre für Uwe Seeler, Marco Reus nach Messi deutschen Rekordmeister bis zum Hrubesch und Bruchhagen Cover-Star bei „FIFA 17“ 31. Dezember 2019. Seit 2002 ist der Vize-Weltmeister von 1982 und Uwe Seeler, Horst Hrubesch und Fußballfans auf der ganzen Welt, 1986, der während seiner zehn Heribert Bruchhagen – diese drei die insgesamt mehr als drei Millio- Jahre als A-Nationalspieler 45 ­Tore großen Persönlichkeiten hat der nen Stimmen abgaben, haben erzielte, als Vorstand für die FC Ligaverband in diesem Jahr mit Marco Reus auf den Titel der Bayern AG verantwortlich. Zuvor dem „Ehrenpreis der Bundesliga“ ­Spielebox „FIFA 17“ gewählt. Als war der einstige Stürmerstar zwi- ausgezeichnet. Damit sollen „be- erster Deutscher überhaupt schaff- schen 1991 und 2002 als Vizeprä­ sondere Verdienste für den deut- te es der Dortmunder Nationalspie- sident beim FC Bayern tätig. schen Profifußball“ herausgestellt werden, so Ligapräsident Dr. Rein- hard Rauball, der kürzlich bei der Generalversammlung in Berlin in dieser Funktion ohne Gegenstimme bestätigt wurde. Wolfgang Overath, Weltmeister 1974 und bei den WM- Turnieren 1966 und 1970 Seelers Mitspieler im Nationalteam, ver- wies in seiner Laudatio auf die he­ rausragenden sportlichen Leistun- gen des DFB-Ehrenspielführers und dessen herausragende Rolle als „ein Vorbild für Generationen“. Vor Horst Hrubesch, dem „Silber- schmied von Rio“ und Europameis- ter 1980, sowie Seeler hatten in den vergangenen Jahren mit und Karl-Heinz Körbel weitere A-Nationalspieler als gro- ße Persönlichkeiten den „Ehren- preis der Bundesliga“ erhalten. AUF DEM COVER VON „FIFA 17“: NATIONALSPIELER MARCO REUS. 38 DIAGONALPÄSSE

„TAG DER LEGENDEN“ AM HAMBURGER MILLERNTOR: TIMO HILDEBRAND, JENS NOWOTNY, MARCELL JANSEN.

20.000 beim „Tag der Die „1“ – mehr als nur an der European Sportsmanage- Legenden“ in Hamburg Adlers Rückennummer ment Academy (ESM) in Nürnberg abgeschlossen und darf sich jetzt Als Torjäger vom Elfmeterpunkt Die „1“ ist für René Adler Erken- zertifizierter Sportmanager nen- erlangte Torhüter Hans-Jörg Butt nungsmerkmal und Qualitätssiegel nen. „Das Studium hat mir großen in der Bundesliga Kult-Status. Mit zugleich. Die „1“ trägt der 31-Jäh­ Spaß gemacht. Auch wenn die Tage seinem Tor zum 4:3-Endstand rige nach wie vor als Torwart des der letzten Wochen und Monate nur brachte der viermalige National- Hamburger SV. Die „1“ trug er wäh- aus Training, Spiel, Vorlesungen, spieler des Hamburger SV, von rend seiner 12 Länderspiele mit der Haus­arbeit und Lernstress bestan- Bayer Leverkusen und des FC deutschen Nationalmannschaft. den“, sagte Adler, der demnächst ­Bayern München kürzlich beim Mit „1“ als Note hat Adler nunmehr noch ein Bachelor-Studium in BWL „Tag der Legenden“ das „Team sein Sportmanagement-Studium anstreben will. Deutschland“ auf die Siegesstraße gegen das „Team Hamburg“. Zahl- reiche Nationalspieler, darunter , Marcell Jansen, , Gerald Asamoah, , , ­Maurizio Gaudino, Simon Rolfes oder Tim Borowski sowie Horst Hrubesch als Schirmherr der ­Veranstaltung, waren dem Ruf von Reinhold Beckmann für dieses ­Benefizspiel zu Gunsten des Ver- eins NestWerk gefolgt. 20.000 ­Zuschauer erlebten im Millerntor- Stadion ein Fußballfest, mit dessen Erlös Kinder und Jugendliche in strukturschwachen Hamburger Stadtteilen mit kostenfreien Sport- und Musikprojekten unterstützt werden. STUDIUM MIT BRAVOUR ABSOLVIERT: HSV-TORHÜTER RENÉ ADLER. CDN-MAGAZIN 28/2016 39

Welt- und Europameister beim Golf für guten Zweck

Viele ehemalige Nationalspieler, unter ihnen Welt- und Europameis- ter wie , , Rainer Bonhof, oder Bernd Hölzenbein, ließen bei der 2. HRG Sports GolfTrophy die weißen Bälle fliegen. Zusammen mit anderen aktuellen und früheren Fußball-Promis wie Niko Kovac, Trainer von Eintracht Frankfurt, ­erspielten sie auf Gut Neuhof bei Frankfurt 8.000 Euro. Diese wur- den von Wolfgang Wirthmann, dem früheren lang­jährigen DFB-Reise- marschall und HRG-Europa-Chair- man, an die Kinderhilfsstiftung Frankfurt weitergegeben. GOLFEN FÜR DIE KINDERHILFE: WELTMEISTER ANDREAS BREHME.

Auftritt am Tag vor Heiligabend in Essen sein einziges Länderspiel bleiben – weil er „das Pech hatte, dass es damals einen Toni Turek Wir trauern um Karl Bögelein (89), der am gab“, an dem er nicht vorbeikam. 1957 wechselte Bögelein zum SSV 9. August 2016 in Stuttgart verstorben ist. Reutlingen, wo er nach 166 Punkt- spielen für den VfB bis 1963 wei­ 24 Jahre alt war Karl Bögelein, als keeper. So sprang „Böges“ ein, tere 154 Partien in der Oberliga er 1951 vom FC Bamberg nach „weil ich in unserem Team der Süd absolvierte. Nach Ende seiner Stuttgart wechselte und dort die Größte war“ – und blieb dabei, um Spieler-Karriere kehrte er zum VfB große Zeit des VfB in den 50er- ein ganz Großer zu werden. Am als erfolgreicher Amateur- und Ju- Jahren miterlebte, ja vor allem 23. Dezember 1953 bestritt er sein gendtrainer und zweimal auch als ­mitgestaltete. Gleich in seiner erstes Länderspiel beim 4:1-Sieg Interimscoach in der Bundesliga ­ersten Saison wurde er mit den über Luxemburg. Obwohl zu etli- zurück. Am 9. August dieses Jahres Cannstädtern, die 1950 ihren chen weiteren Länderspielen ins ist das Mitglied des VfB-Ehrenrats ­ersten nationalen Titel gewonnen Nationalteam berufen, sollte der in einem Pflegeheim gestorben. wt hatten, Deutscher Meister, wobei ihm vor allem in der Endrunde überragende Leistungen beschei- nigt wurden und ihn ganz Stuttgart nach dem 3:2-Sieg im Endspiel ­gegen den 1. FC Saarbrücken als „Final-Held“ feierte. Auch in der folgenden Spielzeit erreichte der VfB mit Bögelein das Endspiel, scheiterte aber am 1. FC Kaisers- lautern (1:4), um dann 1954 mit dem Gewinn des DFB-Pokals sei- nen zweiten großen Vereinstitel feiern zu können. Längst schon war Bundestrainer Sepp Herberger auf den „Elfmetertöter“ aufmerksam geworden, der auf der Position des Torhüters eher zufällig gelandet war. Bei seinem Heimatverein in Bamberg fehlte einmal der Stamm- KARL BÖGELEIN 40 CDN-MAGAZIN 28/2016

RUNDE GEBURTSTAGE 50 Jahre JUBILÄEN (In Klammern Anzahl (Spieler mit fünf und der Länderspiele) HEIKO SCHOLZ (8) am 7. Januar; mehr Länderspielen)­ BRUNO LABBADIA (2) am 8. Februar; (2) 60 Jahre am 10. Februar; SVEN KÖHLER Debütantenball (2) am 24. Februar; LUDWIG vor 30 Jahren (1986) FRANK BAUM (17) am 30. Januar; KÖGL (2) am 7. März; OL AF RÜDIGER ABRAMCZIK (19) am MARSCHALL (17) am 19. März; DETLEF SCHÖSSLER (insgesamt 18. Februar; MIRKO VOTAVA (5) THOMAS DOLL (47) am 9. April; 18 Länderspiele, Alter und Verein am 25. April; BERND FÖRSTER MANFRED SCHWABL (4) am beim ersten Länderspiel: 23 Jahre, (33) am 3. Mai; (35) 18. April; FRANCO FODA (2) am 1. FC Magdeburg) am 19. Februar am 31. Mai; DIETER KÜHN (13) 23. April; (52) am gegen Portugal (3:1); THOMAS am 4. Juli; JÜRGEN GROH (2) 1. Mai; THOMAS ­HÄSSLER (101) DOLL (47, 19 Jahre, FC Hansa am 17. Juli; JÖRG WEISSFLOG am 30. Mai; STEFAN BÖGER (4) ­Rostock) am 26. März gegen (15) am 12. Oktober; THOMAS am 1. Juni; JENS WAHL (1) am ­Griechenland (0:2); NORBERT HÖRSTER (4) am 27. November; 24. Juli; HILMAR WEILANDT (2) EDER (9, 30 Jahre, FC Bayern HARALD MOTHES (1) am 28. am 29. September; STEFAN München) am 11. Mai gegen Jugo­ ­November; ANDREAS BORN- REUTER (69) am 16. Oktober; slawien (1:1); JÜRGEN KOHLER SCHEIN (1) am 29. Novem- MAURIZIO GAUDINO (5) am (105, 20 Jahre, SV Waldhof ber; (56) am 12. Dezember; MARIO RÖSER (1) Mannheim) am 24. September 5. Dezember. am 23. Dezember. gegen­ Dänemark­ (2:0); DIETER

MIRKO VOTAVA HEIKO SCHOLZ JÜRGEN KOHLER

KLAUS ALLOFS JUBILÄEN/RUNDE GEBURTSTAGE 41

RICO STEINMANN

KARL ALLGÖWER DIETER HOENESS FRANK BAUM

ECKSTEIN (75, 22 Jahre, 1. FC VfB Stuttgart) am 14. Mai gegen die 33 Jahre, FC Bayern München) am Nürnberg) am 15. Oktober gegen Niederlande (3:1); ULI STEIN 29. Juni gegen Argentinien (2:3); Spa­nien (2:2); M AT T H I A S (6, 31 Jahre, Hamburger SV) am HANS-PETER BRIEGEL (72, 30 SAMMER­ (74, 19 Jahre, Dynamo 14. Mai gegen die Niederlande (3:1); Jahre, Hellas Verona) am 29. Juni Dresden) am 19. November gegen (9, 30 Jahre, gegen Argentinien (2:3); DITMAR Frankreich (0:0); RICO STEIN- FC Bayern München) am 29. Juni JAKOBS (20, 32 Jahre, Ham­ MANN (23, 18 Jahre, FC Karl- gegen Argentinien (2:3); KARL- burger SV) am 29. Juni gegen Marx-Stadt) am 19. November HEINZ RUMMENIGGE (95, 30 ­Argentinien (2:3); FRANK BAUM ­gegen Frankreich (0:0). Jahre, FC Bayern München) am (17, 30 Jahre, 1. FC Lokomotive 29. Juni gegen Argentinien (2:3); Leipzig) am 20. August gegen Finn- Abschiedsspiel FELIX MAGATH (43, 32 Jahre, land (0:1); MICHAEL GLOWATZKY vor 30 Jahren (1986) Hamburger SV) am 29. Juni gegen (9, 26 Jahre, FC Karl-Marx-Stadt) Argentinien (2:3); KARLHEINZ am 20. August gegen Finnland KARL ALLGÖWER (insgesamt FÖRSTER (81, 28 Jahre, VfB Stutt- (0:1); HARALD (TONI) SCHU­ 10 Länderspiele, Alter und Verein gart) am 29. Juni gegen Argen­ MACHER (76, 32 Jahre, 1. FC Köln) beim letzten Länderspiel: 29 Jahre, tinien (2:3); DIETER HOENESS (6, am 15. Oktober gegen Spanien (2:2). ALLES GUTE! GOLD-Girl und SILBER-Fuchs HERAUSGEBER: VERANTWORTLICH GASTAUTOREN: Deutscher Fußball-Bund FÜR DEN INHALT: Oskar Beck, Hans-Peter Becker, Otto-Fleck-Schneise 6 Ralf Köttker Knut Hartwig, Uwe Karte, Udo Muras, 60528 Frankfurt/Main (DFB-Direktor Kommunikation Roland Zorn Telefon: (0 69) 67 88-0 und Öffentlichkeitsarbeit) Telefax: (0 69) 67 88-2 04 BILDQUELLEN: E-Mail: [email protected] CHEFREDAKTION/ Getty Images, Imago Sportfoto, dpa www.dfb.de KONZEPTION: Wolfgang Tobien (c/o DFB) GESAMTHERSTELLUNG: PROJEKTLEITER CLUB DER Braun & Sohn NATIONALSPIELER: REDAKTIONELLE MITARBEIT: Druckerei GmbH & Co. KG Michael Kirchner (c/o DFB) Thomas Dohren, Gereon Tönnihsen Am Kreuzstein 85, 63477 Maintal

Die Ausgabe Nr. 28/2016 des CdN-Magazins ist, ebenso wie alle bisherigen Ausgaben, online unter „www.nationalspieler.dfb.de“ abzurufen.