Quick viewing(Text Mode)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Studiengang Audiovisuelle Medienwissenschaft Marlene-Dietrich-Allee 11 14482 Potsdam-Babelsberg

Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades der Diplom Medienwissenschaftlerin

Musik und ihre Vermarktung in einer konvergenten Medienwelt am Beispiel der Motor Entertainment GmbH

Erstgutachter: Prof. Dr. Lothar Mikos Zweitgutachterin: Dr. Martina Schuegraf

Vorgelegt von: Veronika Henkel Matrikel-Nummer: 4290 Vorgelegt am: 30. August 2007 Sommersemester 2007

Inhaltsverzeichnis

Vorwort S. 5 1. Einleitung S. 6

2. Theoretischer Bezugsrahmen S. 8 Vernetzung von Medien 2.1. Abgrenzung der Begriffe (Medien-) Konvergenz, Crossmedia, S. 8 Medienverbund, Media-Mix und Multimedia 2.1.1. Medienkonvergenz S. 9 2.1.1.1. Konvergenz der Technologie S. 14 2.1.1.2. Konvergenz der Unternehmen S. 15 2.1.1.3. Konvergenz der Regulierung S. 16 2.1.1.4. Konvergenz der Nutzung S. 17 2.1.1.5. Konvergenz der Angebote / Konvergenz der Inhalte / S. 18 Crossmedia-Publishing 2.1.2. Crossmedia S. 20 2.1.3. Media-Mix S. 24 2.1.4. Medienverbund S. 24 2.1.5. Multimedia S. 25 2.2. Resümee S. 25

3. Hintergrund zum Forschungsgegenstand S. 28 Einführung in das Marktgeschehen der Musikindustrie in Europa und den USA 3.1. Entstehung der Musikindustrie – Vom Notendruck zur Schallplatte S. 29 3.2. Der Tonträgermarkt bis 1920 S. 31 3.3. Jazz und die Einführung des Radios S. 32 3.4. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegsjahre S. 35 3.5. Rock ’n’ Roll Revolution S. 36 3.6. Europa zur Zeit der Rock ’n’ Roll Revolution S. 38 3.7. Internationale Großkonzerne erobern die Musikindustrie S. 39 3.8. Digitalisierung, Musikfernsehen und das Internet S. 40 3.9. Aktuelle Eigentümerstruktur der Major und Independent Labels S. 44 3.10. Resümee S. 45

2 4. Forschungsgegenstand S. 47 Motor Entertainment GmbH 4.1. Aufbau der Motor Entertainment GmbH S. 48 4.1.1. Das Label Motor Music S. 54 4.1.2. Das Online-Label Motor Digital S. 54 4.1.3. Der Radiosender Motor FM S. 55 4.1.4. Konkurrenzanalyse Motor FM S. 56 4.1.5. Der Musikfernsender Motor TV S. 58 4.1.6. Konkurrenzanalyse von Motor TV S. 59 4.1.7. Das Online-Portal Motor.de S. 60 4.1.8. Weitere Angebote der Motor Entertainment GmbH S. 62 4.2. Haltung S. 67 4.3. Finanzierung S. 67 4.4. Nutzer S. 69 4.5. Resümee S. 70

5. Mediennutzungsverhalten S. 72 5.1. Mediennutzungsverhalten Allgemein S. 72 5.2. Mediennutzungsverhalten in Bezug auf Tonträger S. 74 5.3. Resümee S. 76

6. Empirie S. 77 6.1. Einführung in die Methode des Experteninterviews S. 77 6.2. Auswertung der Experteninterviews S. 80 6.2.1. Auswahl der Experten S. 81 6.2.2. Angewandte Technik bei der Auswertung der S. 82 Experteninterviews 6.3. Ergebnisse und Interpretation S. 83 6.3.1. Die Experten S. 83 6.3.2. Besonderheiten der Experten(-interviews) S. 84 6.3.3. Thematische Schwerpunkte in den Experteninterviews S. 87 6.3.4. Gemeinsame Basis und Hierarchie im Unternehmen S. 87 6.3.5. Idee und strategische Ziele S. 89 6.3.6. Konvergenz und Crossmedia als strategische Leitmotive S. 93 6.3.7. Einbeziehen der Nutzer S. 95 6.3.8. Ausprobieren als Strategie S. 96 6.3.9. Haltung S. 97 6.3.10. Digitalisierung der Medien S. 99 6.3.11. Unabhängigkeit der Medien S. 100

3 6.3.12. Zukunft S. 101 6.4. Resümee S. 102

7. Handlungsmöglichkeiten S. 104 7.1. Das integrierte Medienunternehmen S. 106 7.2. Größere Aufmerksamkeit durch crossmediale Strategie S. 106 7.3. Erweitern des Blickfeldes S. 109 7.4. Verkaufsflächen schaffen S. 111 7.5. Onlineshop statt Plattenladen S. 113 7.6. Globalisierung der Medien S. 114 7.7. Absatzmodelle S. 117 7.8. Mundpropaganda und Opinion Leader S. 118 7.9. Zusammenarbeit zwischen Künstlern und S. 119 Tonträgerunternehmen stärken 7.10. Resümee S. 120

8. Abschließendes Resümee S. 121

Literaturverzeichnis S. 124

Anhang S. 132 Der Wandel der Musikindustrie im 20. Jahrhundert im Überblick (Abb.) S. 133 Eidesstattliche Erklärung S. 134

4

Vorwort

Um das Lesen der Arbeit im Folgenden zu erleichtern, möchte ich vorab einige Anmerkungen zu diesem Text anbringen. Das Konglomerat Motor Entertainment, an dessen Beispiel nachfolgend die Vermarktung von Musik in einer konvergenten Medienwelt beschrieben werden soll, wird im folgenden Text entsprechend mit Motor Entertainment bzw. Motor Entertainment GmbH benannt. Wird hingegen nur der Name Motor erwähnt, so entspricht dies der seit Mitte der 1990er Jahre eingeführten Marke Motor, die seit der Gründung des Labels Motor Music 1994 besteht. Das erst nach der Jahrtausendwende gegründete Konglomerat Motor Entertainment hat diesen bereits etablierten Markennamen – losgelöst aus den ursprünglichen Strukturen – in seinem Namen und auch in seinem Handeln aufgegriffen. Weiter möchte ich darauf verweisen, dass in der Folge Firmennamen, Künstler- bzw. Bandnamen, Namen von Studien sowie Wörter, denen im textlichen Zusammenhang eine besondere Bedeutung inne wohnt, durch die Kursivsetzung hervorgehoben werden. Die „Motor-Firmen“ sind aus Gründen der Übersichtlichkeit von dieser Kursivsetzung ausgenommen, da sie relativ häufig Erwähnung finden. Die Literaturverweise sind im Sinne der amerikanischen Zitierweise durch eine Einklammerung in den Text integriert. Verweise auf das Internet sind ebenfalls in den Text eingegliedert (Autor, Datum bzw. Jahr, Titel des Textes). In Klammern gesetzte Namenskürzel wie beispielsweise (M.R.: Z. 10-15) verweisen auf ein entsprechendes Experteninterview sowie die Zeilenangabe der Zitierstelle. Im Detail steht das Namenskürzel M.R. für Mona Rübsamen, M.K. für Markus Kühn und das Kürzel T.R. für Tim Renner. Die transkribierten Experteninterviews können auf Anfrage eingesehen werden.

Abschließend möchte ich mich an dieser Stelle bei den befragten Experten Tim Renner, Markus Kühn und Mona Rübsamen sowie bei Dr. Martina Schuegraf und Prof. Dr. Lothar Mikos für die unterstützende Betreuung meiner Arbeit bedanken.

5 1. Einleitung Mit der zunehmenden Digitalisierung der Medien in den letzten Jahrzehnten hat sich nach und nach eine Umstrukturierung des Medienmarktes ergeben: In den kommenden Jahren müssen die Anbieter auf dem Fernsehmarkt zunehmend um ihre Konsumenten kämpfen, da durch die Digitalisierung der Übertragung wesentlich mehr Programme Verbreitung finden. Das Kino muss versuchen, sich auch weiterhin gegen die Vielfalt des Fernsehangebots und des Home Cinemas via DVD durchzusetzen. Zeitschriften und Zeitungen werden in Zukunft verstärkt als E-Papers (Elektronische Zeitschriften) veröffentlicht. Die Musikwirtschaft, die einen zentralen Punkt in dieser Arbeit einnimmt, ist spätestens seit der Etablierung von MP3-Dateien und Peer-To-Peer- File-sharing-Systemen1 in der digitalen vernetzten Wirklichkeit angekommen. Sinkende Absatzzahlen in der Musikindustrie erfordern, wie in der gesamten Medienindustrie, wirtschaftliche Maßnahmen. Neue Strategien, innovative Medien, veränderte Finanzierungsmodelle und das Konvergieren der Medien bieten Möglichkeiten, diese Industriezweige auch in einer digitalen sowie konvergenten Medienwelt zu erhalten. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit richtet sich auf das strategisch crossmediale Handeln des Medienunternehmens Motor Entertainment in einer konvergenten Medienwelt. Die Motor Entertainment GmbH existiert seit 2004 und umfasst mittlerweile ein Medienkonglomerat, das vom eigenen Label Motor Music über den Radiosender Motor FM bis hin zu dem Internetmusikfernsehsender Motor TV reicht. In der Holding werden inzwischen nahezu alle Verwertungsmöglichkeiten des Produktes Musik unternehmensintern ausgeschöpft. Die zwei auffälligsten Merkmale der Unternehmung sind die klar definierte musikalischen Ausrichtung fernab des Mainstreams sowie der Leitgedanke der Vernetzung der Einzelmedien. Dementsprechend soll das Forschungsvorhaben durch die folgenden drei Fragen geleitet werden:

• Wie lässt sich die Entwicklung des Unternehmens Motor Entertainment in die Entwicklungsgeschichte der Musikindustrie eingliedern? • Was sind die Strategie und das Konzept der Motor Entertainment GmbH, um in einer konvergenten Medienwelt erfolgreich zu arbeiten? sowie • Welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich in einer konvergenten Medienwelt für die Medien- und insbesondere die Musikindustrie?

1 Mittels einer speziellen Software wird Verbrauchern ermöglicht, über ein Netzwerk digitale Bestände untereinander auszutauschen.

6 Die Relevanz des Themas ergibt sich aus der Tatsache, dass, wie bereits kurz angedeutet, sich große Bereiche der Musikindustrie, insbesondere der phonographischen Industrie, mit sinkenden Umsatzzahlen und sinkenden Gewinnen konfrontiert sehen. Diese Entwicklung betrifft in erster Linie Major Labels, aber auch unabhängige Labels. Diese müssen neue Vermarktungsmöglichkeiten ausschöpfen, um zumindest ihre derzeitige Position weiterhin behaupten zu können. Die Auseinandersetzung mit der Motor Entertainment GmbH hilft, eine vorhandene Lücke im existierenden Forschungsmaterial zur aktuellen Lage in der Musikindustrie, wenn nicht zu schließen, dann zumindest zu verkleinern. Hierbei sind für die Autorin die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experteninterviews – mit führenden Personen im Wirkungsbereich der Motor Entertainment GmbH – eine besondere Stütze gewesen. Weiterer Forschungsbedarf zu der aktuellen Situation der Musikindustrie und ihrem Bezug zu anderen Branchen ist gegeben, gerade weil die rasante Entwicklung in diesem Sektor die Generierung von aktuellen Daten erschwert. Von Seiten der universitären Forschung ist das Feld bisher nur sehr lückenhaft mit einzelnen Beiträgen erschlossen: Den von der Industrie bereitgestellten Daten mangelt es hingegen nicht selten an Objektivität. Zudem werden hier viele Informationen, auch aus Angst vor der Konkurrenz, nicht nach außen getragen.

Der theoretische Bezugsrahmen bildet in der Folge den Einstieg in diese Arbeit. Hier werden die im Kontext einer konvergenten Medienwelt relevanten Begrifflichkeiten (Medien-) Konvergenz, Crossmedia, Media-Mix, Medienverbund und Multimedia näher erläutert und formen so eine theoretische Basis für die weitere Arbeit. Das darauffolgende Kapitel 3 führt in die Entwicklungsgeschichte der Musikindustrie ein, um vergangene wie aktuelle themenrelevante Sachverhalte und Zusammenhänge darzustellen. An die gegenwärtige Lage in der Musikindustrie anknüpfend widmet sich Kapitel 4 dem Forschungsgegenstand – dem Medienkonglomerat Motor Entertainment. Hier wird ein Einblick in die vernetzten Strukturen des Unternehmens gewährt, wobei auch die Unternehmensfinanzierung und die Nutzer Berücksichtigung finden. In Kapitel 5 wird ergänzend das Mediennutzungsverhalten und im speziellen die Nutzung von Tonträgern untersucht, bevor sich das daran anknüpfende Kapitel 6 dem methodischen Rahmen der Arbeit widmet: dem Experteninterview. Dementsprechend werden in diesem Kapitel die Ergebnisse aus den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experteninterviews dargestellt. Im Vordergrund stehen hierbei Strategien und Ziele des Unternehmens Motor Entertainment, um in einer

7 konvergenten Medienwelt Fuß zu fassen. Anschließend werden im Kapitel 7 die Endergebnisse der Arbeit präsentiert. Hier werden eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten beschrieben, die insbesondere der phonographischen Industrie dabei behilflich sein können, den derzeitigen Umsatzschwierigkeiten beizukommen. Einerseits werden diese Möglichkeiten bereits durch das zukunftsorientierte Unternehmen Motor Entertainment vorgelebt. Andererseits geben die in Kapitel 3 formulierten Betrachtungen zur Entwicklung der Musikindustrie Denkanstöße für Handlungsmöglichkeiten. Im Schlussresümee werden darauffolgend noch einmal die in diesem Kapitel formulierten Forschungsfragen aufgegriffen. Sie sollen an dieser Stelle helfen, die Entwicklungen des Unternehmens Motor Entertainment in einer konvergenten Medienwelt noch einmal abschließend zu betrachten, bevor resümierend auf den aktuellen Forschungsstand eingegangen wird.

2. Theoretischer Bezugsrahmen Vernetzung von Medien

2.1. Abgrenzung der Begriffe (Medien-) Konvergenz, Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix und Multimedia Die Vernetzung der Einzelmedien sowie die medienübergreifende Vermarktung von Musik und anderen Medienprodukten gewinnt zunehmend an Bedeutung. Eine Unterscheidung der in diesem Zusammenhang auftretenden Begriffe erscheint daher notwenig. Im folgenden Kapitel sollen aus diesem Grund die Termini (Medien-) Konvergenz, Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix und Multimedia näher erläutert werden. Diese Begriffe werden in der Praxis und Theorie häufig in einem Atemzug genannt. Auf die unterschiedliche Ausrichtung der Begriffe wird dabei selten genauer eingegangen. So schreiben Gebel, Lauber, Theunert und Wagner:

„Schillernd und vielfältig, mitunter an der Grenze zur Beliebigkeit: Der Begriff Medienkonvergenz wird für unterschiedliche Entwicklungen im Mediensystem verwendet – ob für Fernsehen via Internet, ob für die allgegenwärtige Präsenz von Medienmarken oder für den Computer als multimediale Unterhaltungsplattform: All das und noch einiges mehr wird unter dem Begriff ‚Konvergenz’ gefasst oder auch als ‚Crossmedia’, ‚Medienverbund’, oder ‚Multimedia’ bezeichnet. Die Verwendungszusammenhänge dieser Begriffe überschneiden sich teilweise und ihre Bedeutungen lassen sich nicht immer eindeutig voneinander unterscheiden.“ (Gebel/Lauber/Theunert/Wagner 2004, S. 17)

8 Somit erfordert die teils unterschiedliche und teils überschneidende Verwendung der Begriffe eine genauere Differenzierung, bevor die Termini als theoretische Grundlage anwendbar werden. Die Trennschärfe der Begriffe, aber auch deren Deutungsüberschneidungen sollen in der Folge sichtbar werden. Diesbezüglich wird nun zuerst der Begriff Konvergenz hergeleitet, bevor auf seine unterschiedlichen Bedeutungen und Ebenen näher eingegangen wird. Daran anschließend widmet sich dieses Kapitel den mit dem Termini Konvergenz in Verbindung stehenden Begriffen Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix und Multimedia, bevor in einem knappen Resümee die Zusammenhänge der einzelnen Begriffe noch einmal in den Vordergrund gerückt werden.

2.1.1. Medienkonvergenz Der Begriff Konvergenz leitet sich ab vom lateinischen Wort „convergere“, das soviel bedeutet wie „sich zu etwas hinneigen“. Medienkonvergenz umfasst folglich die Annäherung und die gegenseitige Durchdringung der einzelnen Medien. Der Terminus findet neben der Medien- und Kommunikationswissenschaft auch in der Sprachwissenschaft, der Naturwissenschaft, der Gesellschafts- und der Kulturwissenschaft mit voneinander abweichenden Bedeutungen Anwendung. Konvergenz ist kein neues Phänomen. Unternehmen und Regierungen haben sich in der Geschichte der Medien je nach ökonomischen Interessen immer wieder für Konvergenz oder Divergenz eingesetzt. Das verstärkte Auftreten des Begriffs in der Medien- und Kommunikationswissenschaft steht in engem Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Grünbuchs zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie2 1997 (vgl. Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9; Meier 1999, S. 29ff.). Darin wird nicht nur zu einer öffentlichen Konsultation und Diskussion über die Annäherung und Zusammenführung technischer Systeme aufgerufen, sondern zudem der Name Konvergenz für dieses Phänomen geprägt (Pichinot 2005, S. 5). Das Konvergenz-Grünbuch definiert Konvergenz als die „[...] Fähigkeit verschiedener Netzplattformen, ähnliche Arten von Diensten zu übermitteln [...] [bzw. die, V.H.] Verschmelzung von Endgeräten wie Telefon, Fernseher und PC.“ (Europäische Kommission 1997, zit. nach Pichinot 2005, S. 5) Dennoch fehlt bisher in der Wissenschaft und Praxis eine einheitliche Verwendung dieses nach wie vor populären Begriffs. Ramme verweist auf die Gefahr, dass der Begriff Konvergenz zu einer inhaltslosen Worthülse verkommen könnte, wie es mit dem Terminus Multimedia passiert ist (vgl.

2 Europäische Kommission: Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen. KOM (97) 623 endg. 1997.

9 Ramme 2005, S. 27). Hasebrink, Mikos und Prommer merken an: „Trotz der nunmehr bald zehnjährigen Debatte um diesen Begriff ist er schillernd und unscharf geblieben.“

(Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9) Meier erklärt: „Rein sprachlich ist der Begriff der Konvergenz mehrdeutig und alles andere als geklärt.“ (Meier 1999, S. 31)

Konvergenz im dualen Rundfunksystem Die erwähnte Mehrdeutigkeit des Begriffs ist auch durch die unterschiedliche Deutung des Begriffs Konvergenz zu erklären. Bereits mit der Einführung des dualen Rundfunks in Deutschland findet der Terminus Konvergenz verstärkt Verwendung, um die Annäherung des privat-rechtlichen und öffentlichen Rundfunks zu beschreiben (vgl. Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9; Hickethier

2003, S. 276f.; Meier 1999, S. 31; Maier 2002, S. 47; Merten 1994, S. 15ff.; Ramme 2005, S. 27).

„Mit dem Begriff Konvergenz [...] wird in der Medien- und Kommunikationswissenschaft das Bestreben der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehveranstalter beschrieben, die erfolgreichen Programmschemata, -formate und –inhalte der konkurrierenden Veranstalter nachzuahmen.“ (Maier 2002, S. 47)

Seit dem Sendestart des privat-rechtlichen Fernsehens in Deutschland 1984 ist folglich die Tendenz erkennbar, dass öffentlich-rechtliche Veranstalter den Anteil von Serien und Unterhaltungsaspekten im Programm erhöht haben und viele Informationssendungen eine Trendwende in Richtung Infotainment vollzogen haben. Massenattraktive Formate, insbesondere Fiction-Inhalte, werden demnach nichtmassenattraktiven Formaten wie Nachrichten bei der Sendeplatzbelegung vorgezogen (vgl. Merten 1994, S. 136f.). Dieser kurze Exkurs in die Geschichte des Begriffs Konvergenz dient dem ganzheitlichen Verständnis des Begriffs in der Medien- und Kommunikationswissenschaft, ist jedoch in der Folge nicht Gegenstand dieser Arbeit. Hier ist das durch das Konvergenz-Grünbuch geprägte Verständnis des Begriffs von Bedeutung.

Konvergenz im Sinne des Konvergenz-Grünbuchs Mit einem Wortverständnis von Konvergenz im Sinne des Konvergenz-Grünbuchs zeichnet sich in den letzten Jahren in der Wissenschaft eine gewisse Einigkeit ab. Unter Konvergenz, die auch als Medienkonvergenz bezeichnet werden kann, wird somit das Zusammenwachsen und Durchdringen der bisher weitgehend unabhängigen Bereiche Telekommunikation, Informationstechnik, Medien bzw. Unterhaltung verstanden (vgl. Eberspächer 2001, S.1;

10 Gebel/Lauber/Theunert/Wagner 2004, S.18; Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9; Hoffmann- Riem 2000, S. 183; Meier 1999, S. 31f.; Pichinot 2005, S.5; Ramme 2005, S. 27). Neben der Vereinigung der Branchen zu der sogenannten TIME-Branche (Telekommunikation, Informationstechnik, Medien und Entertainment) (vgl. Hasebrink 2002, S. 95) erfasst der Begriff Konvergenz auch die Vereinigung der Geräte, Netzinfrastrukturen sowie technischer und inhaltlicher Dienste (vgl. Hoffmann-Riem 2000, S. 183). Ein Schaubild von Ramme verdeutlicht den

Aspekt des Zusammenwachsens der einzelnen Branchen (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Konvergenz bisher weitgehend unabhängiger Industrien

Quelle: Ramme 2005, S. 28.

Durch Kreise werden die bisher voneinander unabhängigen Industrien symbolisiert. In den Schnittmengen der Kreise finden die Produkte Raum, die von den entsprechenden Industrien gemeinsam erschaffen wurden.

Wie bereits erwähnt wird der Terminus Konvergenz im Sinne des Konvergenz-Grünbuchs in mehrere Ebenen unterteilt. Von verschiedenen Autoren werden für die Bezeichnung der Ebenen teils unterschiedliche Begriffe verwendet, bzw. werden unterschiedliche Ebenen aufgeführt. Im folgenden Unterkapitel sollen die Konvergenzebenen nun näher erläutert und anschließend in Verbindung zu den Begriffen Crossmedia, Multimedia und Medienverbund gesetzt werden.

Ebenen der Konvergenz Konvergenz wird in der Regel in verschiedene Konvergenzdimensionen aufgeteilt. Meier differenziert fünf Konvergenzdimensionen: technische, unternehmerische, räumliche, rezeptive und regulative Konvergenz (vgl. Meier 1999, S. 31f.). Ramme unterscheidet ebenfalls zwischen

11 fünf Ebenen des Konvergenzprozesses. Er nennt sie: Konvergenz der Technologie, der Produkte, der Wertschöpfungsstrukturen, der Branchen und der Nachfrage (vgl. Ramme 2005, S. 30ff.). Pichinot beschreibt in Anlehnung an das Konvergenz-Grünbuch die Unterteilung in eine Konvergenz der Technologie, der Angebote, der Regulierung und die Konvergenz im Nutzungsverhalten (vgl. Pichinot 2005, S. 5). Diese Differenzierung der Ebenen wird von Hasebrink, Mikos und Prommer, ebenfalls gestützt durch das Konvergenz-Grünbuch, noch um die Konvergenz der Unternehmen erweitert (vgl. Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9) (vgl. Abb. 2). Die zuletzt erwähnten Autoren hinterfragen jedoch „[...] inwieweit auf den Ebenen der Angebote und insbesondere der Nutzung von Konvergenzprozessen gesprochen werden kann.“ (Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 10) Nach Ansicht von Hasebrink, Prommer und Mikos ist die Tatsache, dass Medienanbieter Angebote über unterschiedliche Verbreitungskanäle an den Nutzer herantragen, nicht mit dem Begriff der Konvergenz gleichzusetzen, sondern steht dem Begriff Crossmedia3 näher (Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 10). Dieser wird von Ramme als ein Vorläufer des Terminus Konvergenz bezeichnet. Die Autoren merken an, dass man von Konvergenz im engeren Sinne nur sprechen kann,

„[...] wenn durch neue technische Möglichkeiten Fernsehangebote mit zusätzlichen interaktiven Elementen oder Textmedien mit zusätzlichen multimedialen Ergänzungen kombiniert werden, so dass die neuen Angebote für sich genommen eine neue, zwischen den Ausgangsmedien liegende Funktionalität erhalten.“ (Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 10)

Dieser Einwand bleibt in der Fachdiskussion von Theunert und Wagner zu dem Thema: Medienkonvergenz: Angebot und Nutzung (2002) noch weitgehend unberücksichtigt. Sie unterscheiden zwischen technischer, inhaltlicher, regulativer, Angebots- und Nutzugs-Konvergenz und verweisen explizit darauf, dass eine Betrachtung der Medienkonvergenz aus Nutzerperspektive überfällig ist. Aus ihrer Sicht dominiert in der Konvergenzdebatte die Perspektive der Anbieter, gleichwohl jedes Einzelmedium und seine Angebote ihre volle Bedeutung im Medienensemble erst durch die Nutzung erlangen können (vgl. Theunert/Wagner 2002, S. 9f.). „Wenn die Nutzerinnen und Nutzer das konvergente Angebot nicht realisieren können oder wollen, läuft es letztlich ins Leere.“ (Theunert/Wagner 2002, S. 10) Der Aufsatz von Schweiger, der in der Textsammlung zu der Fachdiskussion veröffentlicht wurde, deutet jedoch

3 Crossmedia ist die inhaltliche und funktionale Verknüpfung von verschiedenen Medien. (vgl. Ramme 2005, S. 29; vgl. Kapitel Crossmedia)

12 die Schwierigkeit der Abgrenzung der Begriffe Konvergenz und Crossmedia an (vgl. Schweiger 2002, S.123ff.). Eine eindeutige Unterscheidung dieser Begriffe wird von Ramme aufgezeigt, der anmerkt, dass mit Crossmedia nur die inhaltliche und funktionale Verknüpfung von verschiedenen Medien gemeint ist und nicht wie unter Konvergenz zu verstehen ist, die Verschmelzung der Medien (Ramme 2005, S. 29 ; vgl. Kapitel 2.1.2.).

Die folgende Tabelle (vgl. Abb. 2) dient der Übersichtlichkeit und listet die unterschiedlichen Benennungen der Konvergenzebenen durch die verschiedenen Autoren. Die Aufstellung offenbart, dass trotz teilweise unterschiedlich angewendeter Begriffe meist gleiche Differenzierungen getroffen werden. Der schillernde Begriff Konvergenz gewinnt dadurch, zumindest hinsichtlich der medienwissenschaftlichen Verwendung, an Schärfe.

Abb. 2: Ebenen der Konvergenz Meier Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz der Rezeptive Räumliche Technologie Unternehmen Regulierung Konvergenz Konvergenz Ramme Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz Konvergenz Technologie Branchen Wertschöpfungs- der Nachfrage der Produktion (entspricht strukturen (entspricht (entspricht Konvergenz der Konvergenz Konvergenz Unternehmen) der Nutzung) der Angebote) Pichinot Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz Konvergenz Technologie Regulierung der Nutzung der Angebote Hasebrink, Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz der Konvergenz Konvergenz Mikos, Technologie Unternehmen Regulierung der Nutzung der Angebote Prommer Theunert, Konvergenz der Inhaltliche Konvergenz der Konvergenz Konvergenz Wagner Technologie Konvergenz Regulierung der Nutzung der Angebote

Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Hasebrink / Mikos / Prommer 2004, S. 9; Meier 1999, S. 31; Pichinot 2005, S. 5; Ramme 2005. S. 30ff.; Theunert / Wagner 2002, S. 9)

Die Abbildung verdeutlicht eine grundlegende Übereinstimmung über die Ebene der Konvergenz der Technologie. Dies bestätigt auch eine Aussage von Meier und Donges, welche die Ebene der technischen Konvergenz als die Ebene sehen, „[...] die sowohl den politischen als auch den wissenschaftlichen Diskurs um das Phänomen der Konvergenz dominiert.“ (Donges 2001, S. 2; vgl. Meier 1999, S. 33ff.) Auch Hasebrink, Mikos und Prommer haben bereits konstatiert, dass der Aspekt der technischen Konvergenz einen gemeinsamen Kern bildet (vgl. Hasebrink / Mikos / Prommer 2004, S. 9). Weiter können die Ebenen der Konvergenz der Unternehmen, der

13 Regulierung und der Nutzung weitgehenden Zuspruch von allen hier angeführten Autoren erfahren. Nur die Begriffe Räumliche Konvergenz4 (vgl. Meier 1999), Konvergenz der Wertschöpfungsstrukturen5 (vgl. Ramme 2005) und der Terminus Inhaltliche Konvergenz6 (vgl. Theunert/Wagner 2002) stechen aus dem Schema explizit heraus und werden nur von einzelnen Autoren angeführt. Die Termini Räumliche Konvergenz, Konvergenz der Wertschöpfungsstrukturen und Inhaltliche Konvergenz finden aus Relevanzgründen in dieser Arbeit keine weitere Berücksichtigung. Die Begriffe der Konvergenz der Technologie, der Unternehmen, der Regulierung, der Angebote, und die Konvergenz im Nutzungsverhalten sollen hingegen in der Folge näher erläutert werden. Dies ist darin begründet, dass diese Termini auch nach Ansicht der Autorin den wesentlichen Ebenenkern des Begriffs Konvergenz abdecken, wie auch die tabellarische Aufstellung zeigt (vgl. Abb. 2).

2.1.1.1. Konvergenz der Technologie Unter Konvergenz der Technologie ist die zunehmende Verschmelzung und Annäherung der verwendeten Technologien in den TIME-Märkten zu verstehen, die durch eine Digitalisierung der Technologien möglich geworden ist. Digitale Speicherungs-, Verarbeitungs- und Übertragungsprinzipien setzen sich zunehmend in allen Branchen durch und ermöglichen somit ein Zusammenwachsen der Einzelmedien sowie der Branchen (vgl. Ramme 2005, S. 30f.). Das Verschmelzen der Informationstechnologien betrifft insbesondere „[...] Übertragungswege,

4 Laut Meier schafft die systematische Vernetzung von Unternehmen und Branchen auch eine Räumliche Konvergenz. Dadurch werden geographische bzw. nationalstaatliche Grenzen zunehmend irrelevant (Globalisierung). Demgegenüber steht die Tatsache, dass insbesondere der Medienmarkt sich auch an regionalen Unterschieden, bedingt durch kulturelle und historisch gewachsene regionale Besonderheiten, orientieren muss. Nationalstaatlich ausgerichtete Technologiepolitik kann zudem die Erfüllung internationaler Bedürfnisse verlangsamen. Die Ebene der Räumlichen Konvergenz steht folglich im engen Zusammenhang mit der Konvergenz der Unternehmen und soll insofern auch diesem Begriff angegliedert werden, ohne als einzelne Ebene aufgeführt zu werden (vgl. Meier 1999, S. 33f.). 5 Der von Ramme geprägte Begriff der Konvergenz der Wertschöpfungsstrukturen verbildlicht den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung bestehend aus einer Kette von einander folgenden und interdependenten Aktivitäten. Der Terminus hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund und bezeichnet das Konvergieren und Verschmelzen von bisher unterschiedlichen und getrennten Wertschöpfungsketten. Somit ist diese Unterscheidung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft nicht zwingend notwendig (vgl. Ramme 2005, S. 33ff.). 6 Theunert und Wagner sehen die Konvergenzdebatte von der Anbieterseite dominiert und differenzieren in Anbieter von technischer Konvergenz, die Hard- und Software offerieren und Anbieter inhaltlicher Konvergenz die Unterhaltung, Information und Dienste vertreiben. Diese Unterscheidung ist zwar gegeben, findet aber in dieser Arbeit keine weitere Berücksichtigung, da in den Augen der Autorin die Ebenen Konvergenz der Angebote und Konvergenz der Technologie das Beschriebene bereits weitestgehend erfassen (vgl. Theunert/Wagner 2002, S. 9ff.).

14 Infrastrukturen und Endgeräte, die zu einer gemeinsamen Anwendung digitaler Technologien auf Systemen und Netzen führen, über die Dienstleistungen erbracht werden.“ (Pichinot 2005, S. 5f.) Demzufolge ist unter dem Begriff der Konvergenz der Technologie eine Differenzierung zwischen der Konvergenz der Vertriebswege und einer Konvergenz der Empfangsgeräte, wie sie Donges in Bezug auf Meier vorschlägt, sinnvoll. Somit ist es einerseits möglich, durch die verschiedenen Verbreitungsnetze ähnliche Dienste zu übermitteln (Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation fallen, da in konvergenten Netzen beides möglich wird). Andererseits entsteht eine Entwicklung multifunktionaler Endgeräte zum Beispiel durch eine Verschmelzung von Telefon, Fernseher und Computer, die unter dem Stichwort Gerätekonvergenz erfasst werden kann (vgl. Donges 2001, S. 2). Zu berücksichtigen gilt jedoch, dass allein die Möglichkeit des Einsatzes von universaler Technologie noch nicht zwangsläufig eine Konvergenz der Netze und Endgeräte voraussetzt, da insbesondere die Geräte, auch bedingt durch die zunehmende Miniaturisierung, von den Nutzern gerne weiterhin parallel eingesetzt werden (vgl. Hoff 2001, S. 10). Die Nutzer müssen langsam an die neuen Möglichkeiten herangeführt werden. Das heißt, die Nutzer müssen sich der Konvergenz erst öffnen, bevor die neuen Möglichkeiten völlig ausgeschöpft werden können. Nicht alles was möglich ist, wird bei den Nutzern auf Interesse stoßen. Demzufolge steht die Konvergenz der Technologie in engem Zusammenhang mit der Konvergenz der Nutzung.

2.1.1.2. Konvergenz der Unternehmen Die Konvergenz der Unternehmen kann mit dem Terminus Konvergenz der Branchen gleich gesetzt werden. Es bezeichnet das Phänomen, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Industrien, Branchen und Unternehmen durch vertikale und horizontale Integration, wie Fusionen sowie strategische Allianzen, zunehmend verschwimmen. Ausgelöst ist dies durch eine verstärkte Zunahme der geschäftlichen Verbindungen insbesondere zwischen den Branchen Telekommunikation, Informationstechnik, Medien und Entertainment (vgl. Hasebrink 2002, S. 95; Meier 1999, S. 33). Dieses Zusammenwachsen ehemals von einander unabhängigen Bereiche wird als Konvergenz der Branchen oder Unternehmen bezeichnet. Ramme und Hasebrink illustrieren die Konvergenz der Branchen am Beispiel von Time Warner, einem Medienunternehmen, das ursprünglich im Bereich Print (Time) und in der Filmproduktion (Warner) tätig war. Mit zum Beispiel der Time Warner Music Group oder dem Pay TV Sender HBO hat Time Warner seine Geschäftsfelder horizontal erweitert. In einer branchenübergreifenden

15 Expansion wurden weitere Geschäftsfelder wie das Turner Broadcasting System (TBS), das unter anderem Kabelsender betreibt und im Filmrechtehandel tätig ist, erschlossen. Mit der 2001 vollzogenen Fusion mit AOL ist das integrierte Medienunternehmen AOL Time Warner7 entstanden, das neben dem Mediensektor, auch im Bereich Telekommunikation und Informationstechnologie tätig ist (vgl. Ramme 2005, S. 34f.). „Die einzelnen Produkte von Time Warner sind derart miteinander verknüpft, dass eine branchenspezifische Zuordnung des Unternehmens heute fast nicht möglich ist.“ (Ramme 2005, S. 35) Somit ist spätestens seit der Übernahme des Medienkonzerns Time Warner durch den amerikanischen Online-Dienstleister AOL offensichtlich, „[...] dass die bisher noch klar als solche zu identifizierenden Medienunternehmen in umfassenderen Konglomeraten aufgehen.“ (Hasebrink 2002, S. 95)

2.1.1.3. Konvergenz der Regulierung Aus der Tatsache, dass Medienunternehmen zunehmend als umfassende Konglomerate auf dem Markt präsent sind, hat sich die Notwendigkeit einer neuen Regulierung ergeben. Künftig kann es nicht mehr möglich sein, die verschiedenen Medien- und Kommunikationssektoren getrennt voneinander zu regulieren (vgl. Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 9f.; Hasebrink 2002, S. 95f.). So reagiert die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)8 auf zunehmende systematische Kooperationen zwischen beispielsweise Fernsehveranstaltern und benachbarten Diensten mit der Veränderungen ihrer Bewertungskriterien: Künftig und bereits gegenwärtig finden dabei auch medienrelevante verwandte Märkte Berücksichtigung. Eine bisher gültige Unterscheidung zwischen dem technischen Dienst Telekommunikation und den Inhalte- Diensten Teledienst, Mediendienst und Rundfunk ist in Zukunft wegen der unsauberen Abgrenzung der Begriffe und der Konvergenz der Branchen nicht mehr ausreichend (vgl. Hasebrink

7 Der Zusatz AOL wurde 2003 wegen schlechter Umsatzzahlen wieder aus dem Firmennamen gestrichen. 8 Die KEK hat die Aufgabe, die Einhaltung der Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen zu überprüfen, um einer vorherrschenden Meinungsmacht eines Unternehmens durch die Veranstaltung ihm zurechenbarer Programme oder durch die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen zu entgegnen. „Vorherrschende Meinungsmacht wird nach Absatz 2 der Vorschrift vermutet, wenn die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Jahresdurchschnitt einen Zuschaueranteil von 30 % erreichen. Gleiches gilt beim Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 %, sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss einem Zuschaueranteil von 30 % entspricht." (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich 2005, Aufgaben).

16 2002 S. 92ff.), da in erster Linie die Anbieter der klassischen elektronischen Medien Radio und Fernsehen auch im Internet mit Online-Angeboten auftreten:

„Insbesondere das Argument der mangelnden Breitenwirkung wird derzeit [Stand: 2000, V.H.] dazu genutzt, den Bereich des Internet aus der Rundfunkregulierung auszugrenzen, auch wenn sich dort vom Angebot her mittlerweile Formen entwickeln, die inhaltlich dem traditionellen Rundfunk gleichkommen.“ (Hoffmann- Riem/Schulz/Held 2000, S. 58, zit. nach Hasebrink 2002, S. 94)

Das Internet stellt jedoch derzeit, als vierte Übertragungsmöglichkeit des Fernsehens, noch keine Alternative zu den geläufigen Übertragungswegen terrestrische Verbreitung, Kabel und Satellit dar. Dennoch ist eine Berücksichtigung medienrelevanter verwandter Märkte bei einer Prüfung von Konglomeraten durch die KEK sinnvoll. Dementsprechend berücksichtigen die medienkonzentrationsrechtlichen Prüfungen durch die KEK neben Onlineinhalten inzwischen auch die Angebote von Suchmaschinen und Internet Service Providern. Dies ist erforderlich da Suchmaschinen Einflussmöglichkeiten auf die Rangfolge von Trefferlisten haben und Internet Service Provider das Eingangstor ins Internet darstellen und damit ihr Angebot große Relevanz hat (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich 2007, Online-Medien). Dass sich in den letzten Jahren die Auseinandersetzung im Rahmen einer Konvergenz der Regulierung verstärkt hat, zeigt auch die im Januar 2007 von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingeführte Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte, wie beispielsweise Computer, UMTS9- bzw. WLAN10-fähige Handys. Diese Geräte ermöglichen einen Abruf von Rundfunkprogrammen über das Internet oder die UMTS-Technologie und sind demnach gebührenpflichtig (GEZ 2007, Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte).

2.1.1.4. Konvergenz der Nutzung Das zunehmende Zusammenwachsen der Medien bedingt, wie bereits angesprochen, auch eine Konvergenz in der Nutzung. Dies bedeutet, dass bisher separat genutzte Medien in einem integrierten Medium, wie beispielsweise dem Computer, multimedial und gebündelt Verwendung finden können (vgl. Ramme 2005, S. 35). So werden künftig von den Nutzern medienübergreifende Auswahlstrategien bei der Suche nach individuell relevanten Inhalten und Themen vermehrt herangezogen. D. h. das Spektrum aller zur Verfügung stehenden Medien wird von den Nutzern zunehmend ausgeschöpft (vgl. Hasebrink 2002, S. 97). Eine solche Multimedialität in der

9 Universal Mobile Telecommunications System 10 Wireless Local Area Network

17 Anwendung wird jedoch durch das Festhalten an alten Medienstrukturen bei den Nutzern beeinträchtigt. Somit ist voraussichtlich auch in Zukunft kein umfassender Medienaustausch zu befürchten, vielmehr gewinnt die These einer komplementären Mediennutzung an Bedeutung. Da konvergente Angebote aber, um sich auf dem Markt behaupten zu können, von einer Nutzung abhängig sind, kann eine fehlende Akzeptanz der potentiellen Nachfrager eine Barriere für ein konvergentes Produkt bedeuten (vgl. Ramme 2005, S. 35; Theunert/Wagner 2002, S. 10). „Jedes Einzelmedium und seine Angebote gewinnen ihre volle Bedeutung im Medienensemble erst durch die Nutzung. Das verhält sich bei konvergenten Medienangeboten nicht anders.“ (Theunert/Wagner 2002, S. 10) Somit steht die Konvergenz der Nutzung, wie bereits erwähnt, in engem Zusammenhang mit der Konvergenz der Technologie, aber auch zu der Konvergenz der Angebote, der das folgende Unterkapitel gewidmet ist. Die Konvergenz der Nutzung stellt neben der Konvergenz der Angebote zudem ein Bindeglied zu den Begriffen Crossmedia (vgl. Kapitel 5) und Multimedia dar.

2.1.1.5. Konvergenz der Angebote / Konvergenz der Inhalte / Crossmedia-Publishing Unter der Konvergenz der Angebote versteht man, dass verschiedene Medien in einem konvergenten Angebot dem Nutzer offeriert werden. Das heißt, dass den Nutzern eine Auswahl an Medien zur Verfügung steht, die ähnliche Angebote bzw. Inhalte verbreiten und die gegenseitig aufeinander verweisen (vgl. Hasebrink 2002, S. 97f.). Die Konvergenz der Angebote wird auch als Konvergenz der Inhalte bezeichnet und kann daher ebenso mit Crossmedia- Publishing gleichgesetzt werden. Die Begriffe Crossmedia-Publishing bzw. die Konvergenz der Angebote bzw. der Inhalte bezeichnen alle das Erstellen von Medieninhalten aus einer Quelle für unterschiedliche Mediengattungen. Bereits das Angebot einer Programmzeitschrift und dem dazu in Beziehung stehenden Fernsehprogramm kann als ein konvergentes Angebot betrachtet werden. Moderner ist das Beispiel einer Fernsehsendung zu welcher auch (ein) Onlineangebot(e) zur Verfügung steht bzw. stehen, sofern zwischen Sendung und dem oder den Onlineangebot/en vielfältige Verweise bestehen (vgl. Hasebrink 2002, S. 97f.). Ein Beispiel hierfür wäre das Onlineangebote des Fernsehsenders RTL (RTL.de). Aber auch das Onlineangebot der Zeitschrift Spiegel (Spiegel Online) oder der BILD Zeitung (Bild.T-Online) stellen ein Beispiel für Crossmedia- Publishing dar. In den vergangenen Jahren wurde Crossmedia-Publishing demnach gezielt von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen eingesetzt, um Synergieeffekte, die sich aus den inhaltlich

18 identischen Web- und Printvarianten ableiten ließen, auszunutzen. Künftig gilt es aber auf die Besonderheiten der einzelnen Medien genauer einzugehen und die speziellen Darstellungsmöglichkeiten und Vorteile der verschiedenen Medien verstärkt auszunutzen, auch um einer Konkurrenz durch das Web vorzubeugen. „Jede Mediengattung ermöglicht spezifische Darstellungsformen und eignet sich damit für manche Inhalte und Bedürfnisse besser, für andere schlechter.“ (Schweiger 2002, S. 129) Die Inhalte müssen demzufolge entsprechend den Charakteristika eines Mediums aufbereitet werden:

„Denn diese [die Mediengattungen, V.H.] haben allein schon von ihrer jeweiligen Codierung her – Text, Bild, Audio, Video usw. – eigene Darstellungsmöglichkeiten und –einschränkungen, die man als Medienanbieter natürlich berücksichtigen sollte. Auch die Selektions- bzw. Steuerungsmöglichkeiten, die Mediengattungen ihren jeweiligen Nutzern bieten, unterscheiden sich (vgl. Wirth und Schweiger 1999).“ (Schweiger 2002, S. 125)

Die Erkenntnis der Spezifika der einzelnen Medien hat inzwischen auch viele Medienanbieter dazu animiert, im Web nicht nur eine Kopie von Auszügen des Radio-, Fernseh-, oder Print- Originals zu veröffentlichen, sondern die Webinhalte zunehmend mit eigenen redaktionellen Inhalten und Servicefunktionen anzureichern, um die Möglichkeiten des elektronischen Mediums auszuschöpfen. Dem Nutzer wird dadurch, im Sinne von Crossmedia-Kampagnen, ein Mehrwert geschaffen, der einen Anreiz zu einer Nutzung des Mediums schafft (Schweiger 2002, S. 125). Auch hinsichtlich einer mobilen Mediennutzung scheint eine Konvergenz der Angebote immer wichtiger zu werden, da Inhaltanbieter den Nutzer bei dem Medium „abholen“, über welches er gerade verfügen kann. Kostenreduktion durch das Erstellen von verschiedenen Medieninhalten aus einer gemeinsamen Quelle und eine dadurch bedingte gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit bietet den Medienmachern einen zusätzlichen Anreiz (vgl. Schweiger 2002, S. 124). Kritisch gesehen, bedeutet dies, dass eine Vielfalt an Angeboten folglich in Zukunft immer weniger einer Vielfalt an Inhalten gleichkommt. Die Themenauswahl erfolgt zunehmend nach dem Kriterium einer potentiellen multimedialen Auswertung. Das Spezifische der verschiedenen Medien scheint in Gefahr. Letztendlich sind es jedoch die Nutzer die einem Angebot Relevanz verschaffen. Demnach ist die Konvergenz der Angebote und Inhalte bzw. Crossmedia-Publishing eng mit der Konvergenz der Nutzer verbunden. Wie insbesondere die Erläuterung des Begriffs Crossmedia-Publishing gezeigt hat, steht der Begriff Konvergenz mit all seinen Facetten in engem Zusammenhang mit dem Begriff Crossmedia, der in der Folge nun näher erläutert wird.

19 2.1.2. Crossmedia Im Gegensatz zu dem Begriff Konvergenz, der in der Wissenschaft bereits viel diskutiert wurde, wird der Begriff Crossmedia bisher vor allem im Bereich Marketing verwendet. In diesem Bereich hat der Terminus auch seinen Ursprung (vgl. Gleich 2003, S. 512). Eine medienwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff erfordert insbesondere das breite Feld der Mediennutzungsforschung. Derzeit wird der überwiegende Anteil der Crossmedia-Forschung von kommerziellen Unternehmern betrieben, die selbst ein spezifisches Verwertungsinteresse an den Ergebnissen haben. Die akademische Forschung nimmt in diesem Feld noch einen geringen Stellenwert ein (vgl. Gleich 2003, S. 512). Seit der Jahrtausendwende hat sich der Terminus Crossmedia dennoch zu einem Modewort entwickelt, der seitdem in den unterschiedlichsten Debatten und Zusammenhängen erscheint (vgl. Schweiger 2002, S. 123). Der vermehrte Gebrauch des Wortes ergibt sich aus der Erweiterung des traditionellen Medienspektrums, vor allem durch das Internet, in dessen Zusammenhang der Begriff verstärkt auftaucht. Eine Trennung der Begriffe Konvergenz und Crossmedia ergibt sich, wie bereits erwähnt, laut Ramme daher, dass Crossmedia nur die inhaltliche und funktionale Verknüpfung von unterschiedlichen Medien beinhaltet und nicht wie der Begriff Konvergenz auf die Verschmelzung von Medien(-industrien) verweist (vgl. Ramme 2005, S. 29). Die mit Crossmedia verbundene Verknüpfung der bislang getrennten Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Presse und Internet zeigt neben einer technischen Ebene (technische Konvergenz) auch konzeptionelle und ökonomische Aspekte: „Ökonomisch formuliert: ‚Die linearen Wertschöpfungsketten traditioneller Medien- und Kommunikationssektoren erodieren und entwickeln sich zu Wertschöpfungsnetzwerken’“ (Loosen 2001, S. 181, zit. nach Schweiger 2002, S. 123). Hasebrink, Mikos und Prommer merken an, dass viele Phänomene, die man heute unter dem Begriff Konvergenz zusammenfasst, eigentlich dem Begriff Crossmedia näher stehen:

„Viele Phänomene, die heute unter dem Stichwort Konvergenz diskutiert werden, sind eher dem Begriff Crossmedia zuzuordnen, in der Terminologie der 70er Jahre hätte man von ‚Medienverbund’ gesprochen. Die Tatsache, dass viele Medienanbieter die unter anderem durch digitale Produktionsprozesse gegebenen Möglichkeiten nutzen, ein bestimmtes Angebot über mehrere verschiedene Verbreitungskanäle an die Nutzer zu bringen, ist noch keine Innovation, die die Bezeichnung Konvergenz der Angebote verdient. Der Fall einer Fernsehserie, zu der auch eine Website und ein Computerspiel und Sammelkarten angeboten werden, ist ein Beispiel für Crossmedia-Strategien von Inhalteanbietern, wie es sie - sicherlich nicht in der ausdifferenzierten Form von heute – im Prinzip seit langem mit dem ‚Buch zur Serie’ und anderen Varianten gibt.“ (Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 10)

20 Nicht immer wird der Terminus folglich „passend“ verwendet, wenngleich eine eindeutige Definition derzeit noch nicht vorliegt (vgl. Gleich 2003, S. 512). Schweiger kritisiert die häufig unscharfe Verwendung und Definition des Begriffs Crossmedia. „Meist versteht man unter ’Crossmedia’ eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen verschiedenen Medien“ (Schweiger 2002, S. 123). Schweiger schränkt in der Folge den Begriff in Bezug auf Hack (2001) ein und definiert Crossmedia einerseits als ein medienübergreifendes Konzept zur Produktion sowie Verwendung von Inhalten. Andererseits beinhaltet der Begriff laut Schweiger werbliche und nicht-werbliche Verweise von einer Mediengattung auf eine Andere (vgl. Schweiger 2002, S. 125). „Ziel aus Anbietersicht ist dabei ein ’Medienverbund’ (Hack 2001), der die Stärken der jeweiligen Mediengattungen auf allen Produktionsstufen optimal ausnutzen und ihre Schwächen kompensieren soll, so dass sich daraus die viel beschworenen Synergieeffekte ergeben.“ (Schweiger 2002, S. 125) Weitere Definitionen von Gleich oder SevenOne Media stellen die werblichen Verweise von Crossmedia in den Vordergrund und vernachlässigen den von Schweiger und Hasebrink/Mikos/Prommer angeführten nicht-werblichen Hintergrund des Begriffs11. Gleich versteht unter Crossmedia die Umsetzung von Marketingmaßnahmen mit einer durchgängigen Werbeidee in mindestens zwei Medien. Dabei sind die Marketingmaßnahmen in den unterschiedlichen Werbeträgern voneinander abhängig. Crossmedia hat das Ziel Mehrfachkontakte zu generieren und damit Nettokontakte zu intensivieren. Die Verknüpfung der Inhalte über die Medien und Werbeträger hinweg unterstützt eine Nachhaltigkeit der Nutzung. Eine grundlegende Werbeidee bildet somit eine Klammer um die verschiedenen Werbemaßnahmen.

„Auf der Basis des jeweiligen Kommunikationsziels wird eine Werbeidee kreiert, die als eine Art ‚Story’ über alle eingesetzten Werbeträger hinweg in Szene gesetzt wird. Dabei werden die Marketingmaßnahmen in den verschiedenen Werbeträgern nicht unabhängig voneinander gesehen, sondern als verknüpftes und integriertes Konzept.“ (Gleich 2003, S. 511)

Das gemeinsame Ziel von Crossmedia-Kampagnen und der nicht kommerziell ausgerichteten crossmedialen Verknüpfung von Inhalten ist es folglich, die Kontakte zu den Konsumenten zu intensivieren. Einerseits führt dies optimalerweise zu einer besseren Informationsverarbeitung und somit zu einer besseren Werbewirkung. Andererseits ist eine aktive Nutzerführung möglich

11 Natürlich stellen crossmediale Verweise immer eine Art Werbung dar, dennoch steht bei der crossmedialen Vermarktung von Inhalten nicht zwingend der Werbeeffekt im Vordergrund.

21 und es kann unter Umständen eine Zielgruppe von einem Medium an ein anderes übergeben werden. Ein Mehrwert jedes einzelnen Mediums muss dem Nutzer jedoch übermittelt werden, um ein Interesse der verschiedenen Medienangebote zu wecken (vgl. Gleich 2003, S. 511). Ein Fokus im Zusammenhang von Crossmediastrategien liegt auf dem Internet. Das World Wide Web zählt laut Schweiger neben dem Medium Fernsehen zu den wichtigsten Crossmedia- “Playern“, da es (bereits) über einen Rückkanal verfügt (vgl. Schweiger 2002, S. 124). Die Bedeutung des Rückkanals wird auch bei der Definition von SevenOne Media in den Vordergrund gestellt.

“Als crossmedial werden Kampagnen dann bezeichnet, wenn mehrere Mediengattungen gleichzeitig eingesetzt und in allen Werbemitteln auf das Internet oder ein anderes Medium hingewiesen wird. Ziel der Verweisung ist es, für eine multikanale Ansprache der Zielgruppe eine zusätzliche Informationsebene und einen potenziellen Rückkanal zu schaffen, um dadurch direkt in Interaktion mit dem Konsumenten zu treten.“ (Seven One Media (o.J.), Online ABC)

Schweiger fasst die wesentlichen Merkmale von Crossmedia in der von ihm entworfenen MOPS- Matrix (Mehrwert, Orientierung, Promotion, Synergieeffekte) zusammen (vgl. Abb. 3).

MOPS-Matrix nach Schweiger: Funktionen und Vorteile von Crossmedia Die MOPS-Matrix von Schweiger setzt Publikum und Anbieter zu Inhalt und Verweisen in Beziehung.

Abb. 3: MOPS-Matrix der Crossmedia-Funktionen nach Schweiger Inhalt Verweise Publikum Mehrwert Orientierung Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten von Verweise auf andere Medienangebote mit Themen-, Inhalten, komplementäre Gratifikationen Programm- und Genreanbindung durch medienadäquate Inhalte Anbieter Synergieeffekte Promotion Mehrfachverwertung von Inhalten und von Verweise auf andere Medienangebote Ressourcen auf allen Produktionsstufen Quelle: Schweiger 2002, S. 126.

22 Laut Schweiger bieten Crossmedia-Strategien dem Publikum Mehrwert sowie Orientierung und den Anbietern die Möglichkeit ihre Produkte zu promoten sowie Synergieeffekte durch das Einbeziehen mehrerer Medien auszunutzen. Der Mehrwert des Mediums Internet gegenüber den anderen Medien ergibt sich beispielsweise aus seiner nahezu grenzenlosen Datenbreite, die es erlaubt, ausführliche Hintergrundberichte oder Filmmaterial (bisher eingeschränkte Qualität) im Internet bereit zu stellen. Für Firmen bietet insbesondere die Möglichkeit des Rückkanals via Internet eine Chance für eine direkte Kommunikation mit dem Konsumenten, die im Falle von Motor Entertainment durch das Blogsystem auf Motor.de ausgeschöpft wird (vgl. Kapitel 4.1.7.). Synergieeffekte lassen sich in der Regel aus der Mehrfachverwertung von Inhalten und Ressourcen ableiten (vgl. Schweiger 2002, S. 126f.). Die Redaktionen der verschiedenen Mediengattungen können durch Zusammenarbeit Inhalte über alle angebotenen Medien streuen und somit Programminhalte ohne großen Mehraufwand sowie kostengünstig aus einer Quelle zur Verfügung stellen. Dieser Vorgang wird auch als Crossmedia-Publishing bezeichnet (vgl. Kapitel 2.1.1.5.). Crossmedia-Produkte sind im Idealfall jederzeit zum Beispiel im Web verfügbar. Das heißt, Radio- und Fernsehbeiträge sind Online auch nachträglich abrufbar. Crossmediale Verweise zwischen Medienangebote sind beispielsweise TV-Trailer, die die eigene Website bewerben, „Bauchbinden“ mit Hinweisen zum zugehörigen Online-Portal oder auf der Website hinterlegte Trailer, die auf das eigene TV- oder Radioprogramm hindeuten, aber auch Radiospots oder Kommentare, die auf die Website oder das TV-Programm hinweisen. Diese Hinweise können auch unter dem Begriff Cross-Promotion gefasst werden, da sie eine Werbemöglichkeit unter den Medienangeboten darstellen. Crossmediale Verweise von einem Medium auf das Andere bieten Orientierung indem sie inhaltlich in das mediale Umfeld, in welchem sie erscheinen, eingebunden sind. Das heißt, eine zu Werbezwecken in das Fernsehprogramm integrierte „Bauchbinde“ verweist konkret auf Inhalte die mit der Sendung in Zusammenhang stehen (vgl. Schweiger 2002, S. 126ff.). Abgeleitet von der MOPS-Matrix entsteht für die Werbetreibenden bzw. Medienmacher ein Mehrwert von Crossmedia-Kampagnen, der sich aus einer Erhöhung der Kontaktzahlen sowie durch eine intensivierte Ansprache der Zielgruppe über mehrer Kanäle hinweg ergibt. Der mehrfache Kontakt mit einem Inhalt verstärkt das Involvement und somit die Werbe- oder Inhaltswirkung und gewährleistet daher eine bessere Informationsverarbeitung. Crossmedia-Kampagnen haben also das Potential, neben höheren Reichweiten, die Markenbekanntheit und die Werbeerinnerung zu steigern (vgl. Gleich 2003, S.

23 510ff.). Synergieeffekte führen, wie oben beschrieben, zudem zu Kostenersparnissen, die sich aus der Mehrfachverwertung von Inhalten ableiten.

2.1.3. Media-Mix Die Grundidee von Crossmedia ist trotz der Popularität des Begriffs nicht neu. In Marketingabteilungen findet sie seit langem unter dem Stichwort Media-Mix oder Mediaplanung Anwendung (vgl. Schweiger 2002, S. 123). Der Begriff Media-Mix beschreibt nach Burst und Schmidt-Walter die Tatsache, dass innerhalb einer Kampagne zwar mehrere Mediengattungen parallel belegt werden, allerdings ohne aufeinander zu verweisen. Somit werden bei Media-Mix- Strategien unterschiedliche Medien lediglich komplementär eingesetzt. Ziel ist eine Erhöhung der Nettoreichweiten. Mehrfachkontakte zum Konsumenten über verschiedene Medien, wie sie Crossmedia sucht, sind hier nicht primäres Handlungsziel (vgl. Gleich 2003, S. 511). Crossmedia ist demnach eine Weiterentwicklung dieser Strategie, da sich hier die Medien wechselseitig aufeinander beziehen. Daher weisen Burst und Schmidt-Walter auf die Wichtigkeit einer eindeutigen Abgrenzung der Begriffe Crossmedia und Media-Mix hin. Ein weiterer Unterschied zu alten Marketingstrategien ist, dass Crossmedia, wie oben bereits angesprochen, versucht, eine durchgängige Werbeidee bei der Umsetzung aller Marketingmaßnahmen zu berücksichtigen. Nach wie vor wird der Einsatz eines umfassenden Media-Mixes häufig auch als Crossmedia- Promotion oder Crossmedia-Marketing bezeichnet (vgl. Schweiger 2002, S. 125).

2.1.4. Medienverbund Nach Ansicht von Hasebrink, Mikos und Prommer ist der Begriff Medienverbund ein Vorläufer des Wortes Crossmedia (vgl. Kapitel 2.1.2.). Auch Gebel, Lauber, Theunert und Wagner merken an, dass der Begriff Medienverbund meist ähnliche Verwendung wie der Terminus Crossmedia findet. Ein Medienverbundprodukt wird in ihren Augen geschaffen, wenn teilweise gleiche oder ähnliche Inhalte in verschiedenen Medien angeboten werden und eine strategische Planung sowie die Verbreitung des Medieninhalts auf verschiedenen Trägersystemen verwirklicht werden. „Im Falle von Matrix oder Harry Potter beispielsweise sind die Strategien der Anbieter gezielt darauf ausgerichtet, Film und Computerspiel bzw. Film und Buch in Kombination zu präsentieren.“

(Gebel/Lauber/Theunert/Wagner 2004, S. 19) Laut Hack ist ein Medienverbundprodukt ein Format, das nicht nur auf möglichst vielen Medienplattformen wie Fernsehen, Radio und Internet verfügbar ist, sondern diese auch

24 integrativ verwendet. Somit können Reichweiten in Hinblick auf zeitliche und räumliche Verfügbarkeit optimiert werden und auf diese Weise möglichst viele Nutzer erreicht werden. Auch für Hack und Schweiger steht somit der Begriff Medienverbund in direktem Zusammenhang mit dem Begriff Crossmedia (vgl. Schweiger 2002, S.126). Zusammenfassend kann folglich festgehalten werden, das der Begriff Crossmedia den bereits in den 1970er Jahren vermehrt auftauchenden Begriff Medienverbund mehr und mehr ersetzt.

2.1.5. Multimedia Der Begriff Multimedia steht in engem Zusammenhang mit dem Begriff der technischen Konvergenz, zeigt aber auch Verweise zu den anderen Ebenen der Konvergenz. In der Praxis wird der Terminus häufig identisch mit dem Begriff der technischen Konvergenz angewendet. Der Ausdruck Multimedia fand bereits in den siebziger Jahren Verwendung. In dieser Zeit wurde unter dem Begriff die „[...] Verschmelzung von Diaprojektoren, Musik, Film, Vortrag und Theater in der künstlerischen Verwendung oder bei Messepräsentationen verstanden [...]“ (Ramme 2005, S. 29; vgl. Garling 1997, S. 25). Ähnlich fasst der Begriff auch heute noch die Verschmelzung von verschiedenen Medien. Ramme merkt an, dass der Terminus Multimedia inzwischen vorzugsweise im Zusammenhang mit Computern Verwendung findet (vgl. Ramme 2005, S. 29). Der Computer gilt somit als Paradebeispiel für Multimedia. Dieser ist bedingt durch die Digitalisierung der Medien in der Lage Text, Bild, Grafik, Video und Ton miteinander zu verbinden und bildet damit eindeutig eine Verschmelzung der Medien ab.

2.2. Resümee Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Begriffe Konvergenz, Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix und Multimedia viele Parallelen aufweisen, dennoch ist eine Unterscheidung der Begrifflichkeiten, wie in diesem Kapitel gezeigt werden konnte, teilweise möglich und notwendig. Konvergenz kann in fünf Ebenen differenziert werden: Konvergenz der Technologie, Unternehmen, Regulierung, Nutzung und Angebote. Die Begriffe Konvergenz der Nutzung und der Angebote stehen in engem Zusammenhang mit dem Terminus Crossmedia. Der Begriff Crossmedia- Publishing kann den Ausdruck der Konvergenz der Angebote, welcher gleichbedeutend ist mit der Konvergenz der Inhalte, sogar ersetzen. Gleiches gilt in Hinblick auf den Begriff Medienverbund, der in den meisten Fällen als Synonym des Begriffs Crossmedia angewendet wird. Der

25 Marketingbegriff Media-Mix zeigt eine Vorstufe des Begriffs Crossmedia und beinhaltet, wie beschrieben, das Zusammenwirken von verschiedenen Medien, die jedoch nicht explizit aufeinander verweisen (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Zusammenfassung der Begriffsunterscheidung: Konvergenz, Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix Termini Bedeutung Konvergenz der Nutzung Das Zusammenwachsen der Medien bedingt eine Konvergenz in der Nutzung. Bisher separat genutzte Medien finden in einem integriertem Medium wie beispielsweise dem Computer multimedial und gebündelt Verwendung. So kann der Nutzer auf der Suche nach Inhalten oder ähnlichem künftig verstärkt verschiedene Medien in sein Handeln einbeziehen. Konvergenz der Angebote/ Eine Konvergenz der Inhalte bzw. Angebote bzw. Crossmedia-Publishing zeigt Konvergenz der Inhalte/ sich, wenn dem Nutzer verschiedene Medien(-kanäle) zur Verfügung stehen, die Crossmedia-Publishing ähnliche beziehungsweise identische Angebote bzw. Inhalte verbreiten und zudem gegenseitig aufeinander verweisen. (In der Regel stammen diese Angebote von einem Anbieter, der von den sich daraus ergebenden Synergieeffekten profitiert.) Crossmedia Crossmedia meint die inhaltliche und funktionale Verknüpfung von unterschiedlichen Medien. Es ist ein medienübergreifendes Konzept zur Produktion sowie Verwendung von Inhalten und umfasst werbliche wie nicht- werbliche Verweise von einer Mediengattung auf eine Andere. Die daraus resultierenden Mehrfachkontakte haben eine Intensivierung der Nettokontakte (über unterschiedliche Medien) zum Ziel. Aus Anbietersicht können so die Stärken einzelner Mediengattungen optimal genutzt werden und die Schwächen verschiedener Medien kompensiert werden. Für die Anbieter ergeben sich zudem Synergieeffekte bei der Produktion von Inhalten (vgl. Crossmedia- Publishing). Media-Mix Der Begriff Media-Mix gilt als Vorläufer des Terminus Crossmedia. Der Begriff ist in der Marketingpraxis sehr verbreitet und meint, dass innerhalb einer Kampagne zwar mehrere Mediengattungen parallel belegt werden, allerdings verweisen diese nicht aufeinander. Somit werden bei Media-Mix-Strategien unterschiedliche Medien lediglich komplementär eingesetzt. Zielführend ist eine Erhöhung der Nettoreichweiten. Mehrfachkontakte zum Konsumenten über verschiedene Medien, wie sie Crossmedia sucht, sind hier nicht primäres Handlungsziel. Der Einsatz eines umfassenden Media-Mixes wird häufig auch als Crossmedia-Promotion oder Crossmedia-Marketing bezeichnet. Medienverbund Auch der Begriff Medienverbund ist ein Vorläufer des Begriffs Crossmedia, der bereits in den 1970er Jahren verstärkt Verbreitung gefunden hat. Heute wird der Ausdruck Medienverbund zunehmend durch den englischen Terminus Crossmedia ersetzt. Quelle: Eigene Darstellung

26

Multimedia steht in enger Verbindung mit den Begriffen der Konvergenz der Technologie, Nutzung und Angebote. Wie der Terminus Technische Konvergenz bzw. Konvergenz der Technologie beschreibt Multimedia die Verschmelzung von Medien(-technologien). Die folgende Grafik (vgl. Abb. 5) verdeutlicht noch einmal das Zusammenwirken der einzelnen Begriffe.

Abb. 5 Zusammenwirken Konvergenz, Crossmedia, Medienverbund, Media-Mix und Multimedia (grafisch dargestellt)

Quelle: Eigene Darstellung

In Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand Motor Entertainment GmbH gewinnen vor allem die Begriffe Crossmedia, Konvergenz der Technologie, Nutzung und Angebote an Bedeutung.

Nachdem der theoretische Bezugsrahmen dieser Arbeit gesetzt ist, bietet das folgende Kapitel einen Einblick in die Entwicklung der Musikindustrie in Europa und den USA. Eine später folgende Einordnung des Forschungsgegenstandes – der Motor Entertainment GmbH – in das Marktgeschehen kann dadurch verdeutlicht werden.

27

3. Hintergrund zum Forschungsgegenstand

Einführung in das Marktgeschehen der Musikindustrie12 in Europa und den USA13 Durch einen Blick in die Vergangenheit wird offensichtlich, dass die Musikindustrie in diesem Moment nicht zum ersten Mal vor der Problematik einer Neustrukturierung steht. Insbesondere die Einführung eines Tonträgers, der ab Anfang des 20. Jahrhunderts massenhaft Verbreitung findet, die Jazz-Revolution in den 1920er Jahren sowie die Rock ’n’ Roll-Revolution in den 1950er Jahren bieten Parallelen und Anknüpfungspunkte zur heutigen Situation, die mit dem Begriff der digitalen Revolution14 umschrieben werden kann. Im folgenden Kapitel wird aus diesem Grund die Geschichte der Musikindustrie in Europa und den USA überblicksartig aufgegriffen, bevor auf die aktuelle Situation der Musikindustrie eingegangen wird. Natürlich können nicht alle technischen, musikalischen, politischen und institutionellen Entwicklungen an dieser Stelle Berücksichtigung finden. Auch rassistische Motive, die in der Geschichte der Musikindustrie immer wieder Thema sind, können hier nicht behandelt werden. Detaillierte Aufzeichnungen zu der Geschichte der Musikindustrie finden sich insbesondere bei Renner (2004), Tschmuck (2003), Gronow/Saunio (1998), Wicke (1998), Martland (1997), Gronow (1996), Sanjek/Sanjek (1991), Garofalo/Chapple (1977) und Gelatt (1977). Ein Überblick über den Wandel der Musikindustrie im 20. Jahrhundert findet sich im Anhang (vgl. Abb. Anhang 1).

12 Die Musikindustrie fasst in Erweiterung zu dem Begriff der Tonträgerindustrie bzw. der phonographischen Industrie neben den Bereichen der Produktion und Distribution von Tonträgern auch die Bereiche der Musikverlage, der Vermarktung, des Rundfunks, der Konzertveranstalter sowie der Rechteverwertungsgesellschaften. Auch der Bereich der Musikinstrumentenindustrie steht in engem Zusammenhang mit der phonographischen Wirtschaft, da spätestens mit der Rockmusik der Tonträger zum wichtigsten Werbemedium für ihre Produkte geworden ist (vgl. Tschmuck 2003, S. 11). 13 Die Entwicklung der Musikindustrie wird in der vorliegenden Literatur insbesondere am Beispiel des Marktführers USA demonstriert. Dies liegt einerseits daran, dass der US- Musikmarkt seit 1920 durch Exporte weltweit Einfluss auf nationale Musikmärkte ausübt. Andererseits ist ein Mangel an Material zu den europäischen Märkten, teilweise bedingt durch die direkte Betroffenheit an zwei Weltkriegen, festzustellen. Dennoch sind viele der Tendenzen am US-Markt auch auf den deutschen Musikmarkt übertragbar bzw. bieten Anhaltspunkte, um mögliche Fehler auf dem deutschen und europäischen Musikmarkt zu umgehen. 14 Der Begriff der digitalen Revolution umfasst nach Tschmuck die neuen Möglichkeiten, die sich durch die in den 1980er Jahren einsetzende Digitalisierung der Medien bzw. der Information ergeben. Tschmuck stellt insbesondere technologische Innovationen, wie das Format MP3 und die verstärkte Verbreitung des Internets, in den Mittelpunkt, da sie die Logik des alten Systems aushöhlen und untergraben. Die Folge ist, dass sich das Produktions-, Distributions- und Rezeptionssystem der Musikindustrie und insbesondere der phonographischen Industrie nachhaltig verändert und weiterhin verändern wird (vgl. Tschmuck 2003, S. 225ff./284).

28 3.1. Entstehung der Musikindustrie – Vom Notendruck zur Schallplatte Die Geschichte der Musikindustrie beginnt nicht erst mit der Erfindung des Grammophons und der Schallplatte, „[...] sondern kann mit dem Beginn der massenhaften Verbreitung und kommerziellen Verwertung von Musik datiert werden.“ (Tschmuck 2003, S. 19) Dies geschah erstmals durch den Notendruck. Von einer Industrie kann erst im 18. Jahrhundert gesprochen werden, als das Musikverlagswesen und öffentliche Musikveranstaltungen einem größeren Publikum zugänglich wurden. Als im Jahr 1877 Thomas Alva Edison den Phonographen erfand, blieb diese Entdeckung in der Musikindustrie zunächst unberücksichtigt. Das Potential des neuen Geräts, das unter anderem die Aufnahme und Speicherung der menschlichen Stimme ermöglichte, wurde anfangs nicht erkannt. Edisons anfängliche Abneigung gegenüber der Idee, seine Erfindung auf die Musikwiedergabe zu reduzieren und die zudem noch schlechte Aufnahmequalität, begünstigten die Tatsache, dass der Phonograph anfangs vor allem im Bereich der Büroanwendung als Diktiergerät und als Innovation in der Telefonindustrie gesehen wurde. Der erhoffte Erfolg in diesen Branchen blieb jedoch aus. Erst durch einen Nachahmungsakt von Chichester Bell und Charles Summer Tainter, die eine Dekade später ebenfalls damit begannen, elektroakustische Phänomene zu erforschen, wurde der Ehrgeiz von Edison erneut geweckt. Edison reagierte 1888 mit der Anmeldung von 17 neuen Patenten rund um seinen modernisierten Phonographen (vgl. Gelatt 1977, S. 17ff.; Gronow 1996, S. 12/18; Gronow/Saunio 1998, S. 1ff.; Martland 1997, S. 15ff; Tschmuck 2003, S. 20ff.). Patentstreitigkeiten zwischen Edison und Bell und Tainters American Graphophone Company konnten erst mit Jesse H. Lippincotts Versuch, Bells und Tainters Graphophone15 sowie Edisons modernisierten Phonographen gemeinsam kommerziell zu verwerten, besänftigt werden. Lippincott, der das Potential der Geräte in ihrer Funktion als Diktiergerät sah, scheiterte jedoch mit seinem Unternehmen (vgl. Gelatt 1977, S. 41ff.; Martland 1997, S.18; Tschmuck 2003, S. 23). Somit war es Louis Glass, der Geschäftsführer der Pacific Phonograph Company16, der als erster das Unterhaltungspotential der neuen Geräte erkannte. Bereits 1889 ließ Glass einige der Geräte mit einem Münzmechanismus und vier Kopfhörerpaaren ausstatten. Als Musikbox umgewandelt, wurden die Geräte in der Folge im Royal Saloon in San Francisco ausgestellt, wo sie auf großes Interesse stießen (vgl. Tschmuck 2003, S. 24f.).

15 Das Graphophone ist eine abgeänderte und überarbeitet Version Edisons Phonographen. 16 Die Pacific Phonograph Company hatte die Vertriebslizenzen für Edisons Phonographen sowie das Graphophone für die Westküste der USA erworben.

29 „For a nickel per listener per play, patrons could avail themselves of the sounds of a prerecorded ‘entertainment’ cylinder. These ‘nickel-in-the-slot’ machines were so successful that within a year Glass had placed machines in eighteen other locations, some of which began bringing in as much as $ 1,200 annually.” (Garofalo 1997, S. 19, zit. nach Tschmuck 2003, S. 25)

Zwei Jahre zuvor, 1887, hatte der deutsche Emigrant Emil Berliner das von ihm entwickelte Klangaufzeichnungsgerät Grammophon, das bald zu einem Verkaufsschlager werden sollte, am Washingtoner Patentamt angemeldet. Dessen Klang war deutlich besser als der von Edisons Phonographen oder Bell und Tainters Graphophon. Ein Jahr später konnte Berliner erste Musikaufnahmen durchführen. Sein Gerät ermöglichte auch die Reproduktion von Aufnahmen (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 8; Martland 1997, S. 22ff.; Tschmuck 2003, S. 28ff.).

“Berliner’s invention, however, differed fundamentally from Edison’s idea in two respects. First, the sound vibrations were recorded not on a cylinder [wie bei Edison und Bell und Tainter, V.H.] but on a flat disc, in the grooves of which the needle vibrated laterally (not vertically as on the phonograph). Secondly, Berliner’s intention from the start was to reproduce records industrially, and not be limited to single copies.” (Gronow/Saunio 1998, S. 8)

Nach einem Aufenthalt in Deutschland sah Berliner, zurück in den USA, das Potential der massenhaften Distribution von Tonträgern. 1896 führte Berliner die Schellack-Schallplatte ein (vgl. Gronow/Saunio 1998, S.8; Martland 1997, S.22ff.; Tschmuck 2003, S. 28ff.). Dies sollte zukunftsweisend für die künftige Entwicklung der Musikindustrie sein, die sich in der Folge auf die Entwicklung eines Tonträgers, der massenhaft hergestellt werden kann, konzentrierte. Schließlich konnten nach mehreren gerichtlichen und einer außergerichtlichen Einigung im Jahr 1902 Patent- und Konkurrenzstreitigkeiten zwischen den ehemaligen Angestellten Berliners Jonhson und Seaman sowie den Konkurrenten der Graphophone Columbia-Gruppe und Berliner beigelegt werden. Eine gemeinsame Nutzung der Patentrechte am Grammophon17 und die Produktion von Wachsplatten, die zu der inzwischen modernisierten Tonträgerherstellung nötig waren, zwischen der Victor Talking Machine Company18 und der Graphophone Columbia-Gruppe, stand nichts mehr im Wege:

17 Die Grammophone waren seit der Zusammenarbeit mit Johnson mit Elektromotoren ausgestattet und mussten nicht mehr per Hand angekurbelt werden. 18 1901 verbindet sich Johnsons Consolidated Talking Machine Company mit der Berliner Gruppe und es entsteht daraus 1901 die Victor Talking Machine Company. Eldrige R. Johnson entwickelte ab 1896 einen Elektronmotor für Berliners Grammophone und gründet in der Folge seine eigene Firma, die Tonträger und Abspielgeräte herstellt. (vgl. Tschmuck 2003, S. 28ff.)

30 „Mit der Einigung zwischen Victor Talking Machine und der Graphophone-Columbia-Gruppe über die gemeinsame Nutzung der Patentrechte an der Schallplatte kann das Jahr 1902 als die Geburtsstunde der Tonträgerindustrie als Teil der Musikindustrie gesehen werden. Von diesem Zeitpunkt an standen nicht mehr die Aufnahme- und Abspielgeräte im Vordergrund, sondern die Tonträger, die in erster Linie Musikspeichermedien waren. Die Konkurrenz verlagerte sich also von der Hardware zur Software oder besser gesagt zum musikalischen Inhalt der Tonträger.“19 (Tschmuck 2003, S. 35)

Somit konnte sich die von Berliner Ende der 1980er Jahre erfundene Schellack-Schallplatte als Standard in der Musikspeicherung durchsetzen. Seit der Erfindung von Edisons Phonographen 1877 vergingen folglich 25 Jahre, bevor die Musikindustrie das Potential einer damals innovativen und später erfolgreichen Technik für sich entdeckte.

3.2. Der Tonträgermarkt bis 1920 Bis zu den Anfängen des Rundfunks in den 1920er Jahren, welcher die Struktur der Musikindustrie entscheidend veränderte, erlebte die Musikindustrie vor allem in den USA eine große Wachstumsphase. Europäische und US-amerikanische Konzerne nahmen bereits um 1900 ihre Tätigkeit als global agierende Konzerne wahr und weiteten ihre Geschäftsaktivitäten in alle Ecken der Welt aus. 1898 nahm beispielsweise die Deutsche Grammophon Gesellschaft in Deutschland (Hannover) ihre Geschäftstätigkeiten auf (vgl. Gronow 1996, S. 39; Gronow/Saunio 1998, S. 11; Tschmuck 2003, S. 41; Deutsche Grammophon (o.J.)). „So unterhielt die Gramophone Company [entspricht der Deutschen Grammophon Gesellschaft, V.H.] 1910 Presswerke nicht nur in Hayes bei London, Hannover und Paris, sondern auch in Barcelona, Aussig (Österreich-Ungarn), Riga, Moskau, St. Petersburg und Tiflis (Russland), Mailand und sogar in Kalkutta (Indien).“ (Tschmuck 2003, S. 41) Spätestens mit dem Beginn des ersten Weltkriegs 1914 entwickelte sich die phonographische Industrie in den USA erst einmal vollkommen anders als in Europa (vgl. Tschmuck 2003, S. 47). Während in den USA die Anzahl der phonographischen Unternehmen in der Zeit von 1913 bis 1919 explodierte, setze in Europa bis 1914 nach einer Phase intensiven Wettbewerbs eine Marktkonzentration ein. Viele kleine unterkapitalisierte Betriebe wurden ab 1908 in Europa von Großbetrieben aufgekauft, nachdem ein harter Preiskampf auf den gesättigten europäischem

19 Bereits ab 1889 werden von Edison und der Columbia Phonograph Company regulär Musik- Zylinder hergestellt. Saunio und Gronow bezeichnen dies als die Geburtsstunde des Tonträgerindustrie (vgl. Pekka/Saunio 1998, S. 4).

31 Märkten eingetreten war (vgl. Tschmuck 2003, S. 44 ff.). Mit dem ersten Weltkrieg wurden die bis dahin erlangten internationalen Konzernstrukturen der europäische Tonträgerunternehmen, die bereits den heutigen Strukturen ähnlich waren, wieder zerschlagen. Dies führte zu einer starken Marktkonzentration auf den einzelnen nationalen Märkten. „Die beiden größten europäischen Märkte waren von einem Duopol beherrscht. Am britischen Markt standen sich die Gramophone Co. und die Columbia Graphophone Co. [...] gegenüber und am deutschen die Polyphon und die Lindström.“ (Tschmuck 2003, S. 50) In Frankreich konnte Pathé Frères eine Monopolstellung erreichen. Bis 1920 dominierte in Europa ein Mainstream, der mit Veröffentlichungen von Opern- Highlights, Operetten, Tanzmusik sowie Kabarettmusik auf Schallplatte gepflegt wurde (vgl. Tschmuck 2003, S. 63). Bis zum Ende des ersten Weltkriegs war US-amerikanische Musik in Europa so gut wie unbekannt (vgl. Tschmuck 2003, S. 101). In den USA wurden die Absatzrekorde von Phonographen und Schallplatten vor allem durch den Tanzboom begünstigt, der Anfang der 1910er Jahre über das Land hereinbrach: „Tanzhallen schossen im ganzen Land [USA] wie Pilze aus dem Boden, wo auf Teufel komm raus zu Tangos, One-Steps, Bostons etc. [Walzer und Foxtrott, V.H.] das Tanzbein geschwungen wurde. [...] Die Plattenverkäufe wie auch der Absatz von Phonographen erlebten neue Rekorde.“ (Tschmuck 2003, S. 48) Etwas später machte sich der Tanzboom auch in Europa bemerkbar (vgl. Gelatt 1977, S. 188ff; Gronow/Saunio 1998, S. 28/40; Tschmuck 2003, S. 48). Gegen Ende der 1910er Jahre fanden sich in den US-amerikanischen Tanzstücken mehr und mehr die Einflüsse von Jazz. „Dance music acted as a stimulus to the spread of jazz, initially in the United States, but soon in Europe as well, where the younger generation of dance musicians […] was keen to adapt influences from America.”(Gronow/Saunio 1998, S. 41)

3.3. Jazz und die Einführung des Radios Mit Kriegsende stiegen die Absatzzahlen von Tonträgern in den USA erneut drastisch an. Spätestens ab 1919 generierten die Tonträger und nicht mehr nur die technischen Geräte die Umsätze. In den 1920er Jahren zählte neben New York und London auch Berlin zu den führenden Tonträgerzentren. Deutsche Tonträgerfirmen konnten sich in dieser Zeit mit ihrem Klassikrepertoire, aber auch mit populärer Musik20, auf dem internationalen Markt einen Namen

20 Bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert forcierte der Notendruck einen Prozess der Umwandlung von Volksmusikpraktiken hin zur musikalischen Massenware. Unter populärer Musik sind laut Wicke Musikstile wie Pop, Rock, Jazz, Schlager, volkstümliche Musik, Blasmusik, Chanson, HipHop, Rap, Techno, Dance und ihre dazugehörigen Hybridformen und

32 machen. 1920 wurden in den USA über 100 Millionen Schallplatten verkauft. Neu gegründete kleine Firmen konzentrierten sich, auch aus finanziellen Gründen, auf die Produktion von Tonträgern, anstatt auch auf die Produktion der Abspielgeräte. Durch Abschaffung eines Kartells zugunsten von Victor und Columbia konnten ab 1919 eine Vielzahl neuer Wettbewerber am Markt auftreten (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 28f./53; Tschmuck 2003, S.48f.). „Kleine innovative Firmen wie die Black Swan Music, die als erstes Label ‚schwarze’ Musik auf Platte produziert hatte, sorgten für eine Ausweitung des Musikrepertoires.“ (Tschmuck 2003, S. 49) Die Unternehmen entwickelten sich in kurzer Zeit sehr erfolgreich indem sie die Nachfrage nach Musik in den neu entstandenen Segmenten Jazz und Country, die sogenannte „Race-Music“, bedienten. Etablierte Firmen wie Victor und Columbia ignorierten das Geschäft mit „schwarzer“ Musik, weil sie zu dieser Zeit zu sehr mit der Abwehr der jüngst entstandenen Radiostationen beschäftigt waren (vgl. Gronow 1996. S. 16/48; Gronow/ Saunio 1998, S. 57f.; Tschmuck 2003, 271ff.). Sie glaubten ihre Einnahmen weiterhin in erster Linie aus dem Verkauf von Phonographen generieren zu können. Bald sahen sie sich jedoch einer Umstrukturierung des Marktes durch die Independent Labels gegenüber (Tschmuck 2003, S. 70f.). Gronow sieht darin eine Entwicklung gegen den generellen Trend:

„For most of its first half century, the record industry had a clearly oligopolistic character. It was dominated by half a dozen or fewer multinational companies, most of which operated on global scale […]. The twenties, when the industry for a while became more competitive, were an exception to the general trend.” (Gronow 1996, S. 19)

1921 begann ein drastischer Umsatzeinbruch am US-Tonträgermarkt. Die Tonträgerumsätze gingen von US$ 106 Millionen im Jahr 1921 auf US$ 6 Millionen im Jahr 1933 zurück.21 Auslöser für den Umsatzrückgang war – neben einer zögerlichen Annahme von „schwarzen“ musikalischen Innovationen wie Blues und Jazz (die vom gängigen Tin-Pan-Alley Mainstream abwichen) durch die Major Labels22 – eine zeitweise Überproduktion von Tonträgern Anfang der 1920er Jahre sowie insbesondere die Einführung des Rundfunks Anfang der 1920er Jahre und das Einsetzen

Subgenres zu fassen. Mehr als 90 Prozent der in den Medien verbreiteten Musik gehört demnach den Genres und Gattungen der populären Musik an (vgl. Wicke 2004, S. 1; Lehrstuhl Populäre Musik [2007], Geschichte der Populären Musik). 21 Zwischen 1925 bis 1929 steigen die Umsätze, bedingt durch die Einführung der Mirofonaufnahme, die einen besseren Klang ermöglicht, noch einmal (Gronow/Saunio 1998. S. 39.). 22 Majors verfügen neben der Plattenproduktion z.B. auch über eigene Presswerke und kontrollieren ihr eigenes Vertriebsnetzwerk. Heute werden in der Regel Tochterunternehmen von weltweit agierenden Konzernen als Major Companies bezeichnet.

33 der Weltwirtschaftskrise 1929. Mit der Weltwirtschaftskrise wurden auch viele Independent Labels wieder vom Markt verdrängt. Eine musikalische Vielfalt und die große Labelvielfalt war somit nur von kurzer Dauer. Die Major Labels, ebenfalls geschwächt, konnten in der Folge eine Übernahme durch die Rundfunknetzwerke Ende der 1930er Jahre nicht abwehren (vgl. Gronow 1996, S. 16/48; Gronow/Saunio 1998, S. 57f.; Tschmuck 2003, S. 271ff.). 1929 wurde mit Victor einer der großen Player auf dem Tonträgermarkt an die Radio Corporation of America (RCA) verkauft. In Europa und insbesondere in Deutschland zeigt sich etwas Zeit verzögert ein ähnliches Bild (vgl. Tschmuck 2003, S. 67ff.; Gronow/Saunio 1998, S. 57f./69). Gronw/Saunio beschreiben die Situation:

„With the arrival of radio, records found a serious competitor. Record sales experienced a slump [in USA, V.H.] […]. In Europe, radio made slower inroads, but the record industry was already in a slump as a result of the war.” (Gronow/Saunio 1998, S. 37)

Die phonographische Industrie ignorierte bzw. verkannte die damals sich andeutenden musikalischen und technischen Veränderungen am Markt. Große Tonträgerfirmen, wie Victor und Columbia, erkannten zu spät, dass das neue Medium Radio ein ernstzunehmender Konkurrent war (vgl. Tschmuck 2003, S. 272). Der Begriff der Jazz-Revolution umfasst diesen fundamentalen Wandel in den Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen in der Musikindustrie, aus welchem das Radio, das in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten den Markt dominierte, sehr gestärkt hervorging (vgl. Tschmuck 2003, S. 271ff.). In der Folge passten Tonträgerfirmen ihr Repertoire an die Produktionslogik des Rundfunks und der damit verbundenen Filmindustrie an (vgl. Tschmuck 2003, S. 108). „Es ist daher keine Übertreibung, wenn gesagt wird, dass die Musikindustrie in den 1930er Jahren und 1940er Jahren weltweit vor allem eine Radioindustrie war.“ (Tschmuck 2003, S. 108) Anfang der 1930er Jahre war es noch unüblich, das Radioprogramm mit Musik von Tonträgern zu bestreiten. Große Radiostationen setzten fast ausschließlich eigene Musiker ein und bekannte Tanzgruppen spielten jede Woche live für das Radio. Dies änderte sich spätestens Mitte der 1930er Jahre als Al Jarvis23 und Martin Block24 erfolgreich das Konzept des Discjockeys im Radio einführten (vgl. Chapple/Garofalo 1980, S. 67ff.; Gronow/Saunio 1998, S. 67; Tschmuck

23 Al Jarvis wurde mit seiner Radiosendung "World’s Largest Make-Believe Ballroom“ populär. Sie wurde bei dem Sender KFWB ab 1932 in Los Angeles ausgestrahlt. 24 Martin Block führte mit seiner Radiosendung “Make-believe Ballroom“ das Discjockey- Konzept an der Ostküste ein. Die Sendung wurde bei dem New Yorker Sender WNEW ausgestrahlt.

34 2003, 157; Wicke 1998, S. 191f.). Dies verhalf insbesondere der phonographischen Industrie zu einer Erhöhung der Umsätze. Gronow fasst zusammen: „For a while, radio and records were actually competing media, and the first phase of the introduction of radio in the 1920s even seems to have caused a drop in records sales in the United States – only to be followed by a rapid turn upwards in the late 1920s.” (Gronow 1996, S. 14) Von Musikern wurde das Abspielen von Tonträgern im Radioprogramm kritisiert. Aber das Discjockey Konzept war auch aus Kostengründen bald nicht mehr aus dem Radio wegzudenken (vgl. Wicke 1998, S. 191f.), da das Radio zunehmend unter einem Konkurrenzdruck durch das

Fernsehen stand, das ab den 1930er Jahren langsam aber stetig die Zuschauer eroberte. Zu dieser Zeit bestimmten einige wenige Player den Markt: 1938 wurde der weltweite phonographische Markt von sechs Konzernen kontrolliert. Die traditionellen phonographischen Unternehmen, wie Victor, CBS-Columbia (Columbia Broadcasting System), HMV Household Aplliances Ltd. (HMV) oder die Lindström, waren 1938 nur mehr als Unterabteilungen größerer Konzerne tätig: „Von den USA aus agierten die CBS-Columbia, die RCA-Victor und die US-Decca. Von Europa aus waren die EMI [Electrical and Musical Industries Ltd., V.H.] und die britische Decca sowie die deutsche Telefunken GmbH aktiv.“ (Tschmuck 2003, S. 99) Die Tatsache, dass CBS und RCA die Betreiber der beiden US-Rundfunknetzwerke waren und EMI sowie Telefunken bereits zu diesem Zeitpunkt Elektrokonzerne waren, zeigte den Trend, dass die dominierenden Konzerne in der Musikindustrie künftig nicht ausschließlich auf dem phonographischen Sektor tätig sein sollten (vgl. Tschmuck 2003, S. 99). Das hohe Risiko einen Künstler erfolgreich am Markt zu etablieren (man spricht von einer Floprate von rund 90 Prozent (vgl. Jahnke 1998, S. 40; Röttgers 2003, S. 125), verlangte nach einer Risikostreuung über verschiedene Bereiche.

3.4. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegsjahre Während des zweiten Weltkriegs wurden die Medien von den verschiedenen (kriegsführenden) Parteien zu Propagandazwecken genutzt. Wegen eines Schellackmangels während des Krieges war die Tonträgerherstellung nur beschränkt möglich. Die deutsche phonographische Industrie war mit Kriegsende am Nullpunkt angelangt. Fabriken zur Herstellung von Tonträgern und Verwaltungsgebäude waren zerstört. Bereits im Juni 1945 konnte jedoch die Deutsche Grammophon unter Auflagen die Produktion von Schallplatten wieder aufnehmen. Die Nachkriegsjahre waren in Europa von dem Import des US-Repertoires geprägt. Durch das

35 reichhaltige Klassik- und Opernrepertoire schafften es die Europäer jedoch bald wieder sich am Weltmarkt zu etablieren. Dies war insbesondere durch die Einführung der Langspielplatte (LP) 1948 durch CBS-Columbia möglich, die es erlaubte längere Werke auf Schallplatte zu veröffentlichen25. Die Einführung neuer Technologien, wie der LP, der 45 rpm-Platte (Single) sowie des Magnetbandes, verstärkten in den Nachkriegsjahren den wieder steigenden Bedarf, so dass auch hinsichtlich der phonographischen Industrie von einem Nachkriegsaufschwung gesprochen werden kann (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 91ff.; Tschmuck 2003, S. 119ff./130f./150ff./240). Dementsprechend stiegen in den Nachkriegsjahren, insbesondere in den USA, die Tonträgerverkäufe drastisch an. Dies lag unter anderem an den zunehmenden Exporten von Tonträgern nach Europa. Im Jahr 1944 entsprach der Verkaufswert von Tonträgern in den USA US$ 66 Millionen. In den Jahren 1946 und 1947 wurde in den USA die US$ 200 Millionen Grenze überschritten (vgl. Gronow/ Saunio 1998, S. 99).26 In den Folgejahren sanken die Einnahmen wieder bis auf US$ 173 Millionen im Jahr 1949 ab. Bevor in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren, unter anderem beflügelt durch den Rock ’n’ Roll und die British Invasion, die Einnahmen explosionsartig anstiegen (vgl. Gronow/ Saunio 1998, S.38/99/137).

3.5. Rock ’n’ Roll Revolution Während die europäische Tonträgerindustrie noch mit den Nachwirkungen des zweiten Weltkriegs beschäftigt war, revolutionierten der Rock ’n’ Roll und der Rhythm & Blues (R & B) in den 1950er Jahren den US-Tonträgermarkt. Zu dieser Zeit erfassten die US-Majors erneut das Potential der neuen Musikströmungen nicht. Sie hielten weiter am Massengeschmack fest und orientierten sich dementsprechend an Swing und Musik aus Hollywood-Filmen, statt sich den neuen Strömungen zu öffnen. Wie in den 1920er Jahren sind es die kleinen unabhängigen Plattenlabels, die sich diesen Musikrichtungen neben Country, alternativen Jazz, Soul oder Latin annehmen. Ähnlich wie in den 1920er Jahren wurde die bestehende Nachfrage nach „alternativer“ Musik von den Majors nicht befriedigt. Daraus resultiert erneut eine Reorganisation der Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen in der US-Musikindustrie, die, der neuen Stilrichtung entsprechend, als Rock ’n’ Roll Revolution bezeichnet werden kann. Sie wurde unter anderem durch eine Lockerung der Lizenzvergabe für Radiosender durch die Federal Communications Commission (FCC) begünstigt. Dies ermöglichte einer Reihe kleiner, regionaler

25 Eine Plattenseite der LP fasste damals zumindest 20 Minuten Musik. 26 Für Europa und Deutschland sind zu dieser Zeit nur spärlich Daten vorhanden.

36 und lokaler Radiostationen, die ihr Musikprogramm aus Kostengründen fast ausschließlich mit Schallplatten bestritten, den Einstieg am Markt (vgl. Chapple/Garofalo 1980, S. 21/35ff.; Tschmuck 2003, S. 274ff.). Mit dem Medium Radio war zudem eine Rassentrennung nicht mehr möglich. Der schwarze Rock ’n’ Roll konnte über das Radio auch an ein weißes Publikum gelangen und somit erheblich expandieren:

„In about 1953, certain radio stations in northern cities, whose listeners were mostly young and white, began playing rhythm ’n’ blues records regularly. More and more of a white audience began turning up at concerts by black musicians. Records appeared on the market on which white singers sang in a rhythm ’n’ blues style or even copied popular rhythm ’n’ blues records note for note, often selling more than the original. Pat Boone borrowed Fats Domino’s ‘Ain’t That a Shame’, Bill Haley copied Joe Turner’s record, ‘Shake, Rattle an Roll’. [Die Texte wurden häufig an ein weißes Publikun angepasst und von sexuellen Anspielungen befreit., V.H.] The disc jockey, Alan Freed, invented a term for the phenomenon – ‘rock ’n’ roll’, [...].“ (Gronow/Saunio 1998, S. 102)

Die nach wie vor aufwendige Programmierung der großen Stationen mit Live-Shows, großem Studioorchester, Übertragungen vom Broadway oder aus dem Konzertsaal konnten sich diese jungen Radiostationen nicht leisten. Kleine, unterkapitalisierte R & B Labels versorgten in der Regel die neuen Radiostationen mit Musik und konnten in der Folge den dadurch gewonnen kostenfreien Promotioneffekt an einem rasanten Anstieg der Tonträgerverkäufe ablesen. Die Markteinführung der 33 1/3 rpm (Langspielplatte (LP)) und 45 rpm (Single) Vinyl-Schallplatte 1948/49 ermöglichte zudem eine größere Unabhängigkeit der kleinen Labels von dem Vertriebsnetz der Majors, da die Vinylplatte bedingt durch ihre Unempfindlichkeit per Post verschickt werden konnte. Einnahmen erzielten die unabhängigen Radiostationen, indem sie unter anderem (ehemalige) Werbekunden der großen Netzwerke gewinnen konnten (vgl. Chapple/Garofalo 1980, S. 27ff.; Tschmuck 2003, S.274ff.). Die Industriestruktur veränderte sich dementsprechend zu dieser Zeit entscheidend: „Während noch 1948 die vier großen Majors – RCA-Victor, CBS-Columbia, Capitol Records und US-Decca – 81% aller Titel der wöchentlichen Top-10-Hits veröffentlichen, war dieser Anteil 1959 auf 34% gesunken [...].“(Tschmuck 2003, S. 275) Die Konkurrenzsituation zwischen den vielen verschiedenen Labels förderte mit Nachdruck eine starke Ausdifferenzierung des Repertoires. Eine starke Spezialisierung der Labels sowie Radiostationen war die Folge (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 99ff.; Tschmuck 2003, S. 275). Künstler, wie Elvis Presley, Little Richard, Chuck Berry oder Jerry Lee Lewis, begannen, entdeckt von unabhängigen Labels, wie Chess, Speciality oder

37 Sun Records, mit dem Rock ’n’ Roll eine Weltkarriere. Die Majors versuchten währenddessen dem Erfolg des von ihnen gehassten Rock ’n’ Roll durch Aufweichen seiner Strukturen und Verharmlosung der sexuellen Inhalte (unter anderem durch die Veröffentlichung von Coverversionen mit veränderten Texten) sowie durch die Unterstützung von Modeströmungen, wie dem Calypso oder der „sauberen“ Folk-Musik, ein Ende zu bereiten. So hatte sich die erste Rock ’n’ Roll Welle bereits Ende der 1950er Jahre stark abgeschwächt. Der anfängliche Glaube, insbesondere der Major Labels, Rock ’n’ Roll wie Rockmusik würde nur ein kurzlebiges Phänomen darstellen, bewahrheitete sich jedoch nicht (vgl. Chapple/Garofalo 1980, S. 43ff/ 60ff; Gronow/Saunio 1998, S. 100ff./140f.; Tschmuck 2003, S. 132ff.).

3.6. Europa zur Zeit der Rock ’n’ Roll Revolution In Europa und insbesondere in Deutschland setzte sich in der Nachkriegszeit bedingt durch den streng regulierten Rundfunk vor allem Klassik und Unterhaltungsmusik durch. Der Unterhaltungssektor wurde in den Nachkriegsjahren vor allem durch den US-Schlager dominiert, der durch das amerikanische Truppenradio Verbreitung fand. Aber auch Rock ’n’ Roll stieß in Europa und somit auch in Deutschland auf Interesse. In ganz Europa etablierten sich ab Mitte der 1950er Jahre lokale Rockstars, die sich am Erfolg der Vorbilder, wie Elvis Presley oder Bill Haley, orientierten und somit die Verkaufzahlen in Europa zwischen 1955 und 1960 verdoppelten. Hierzulande fehlten jedoch die kleinen unabhängigen Radiostationen, die in den USA mitverantwortlich für die Jazz- und Rock ’n’ Roll Revolution waren. Aus diesem Grund wurde der europäische Markt weiterhin in erster Linie von Major Unternehmen dominiert. Independent Labels konnten in Europa kaum Fuß fassen (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 118ff.; Tschmuck 2003, S. 151ff.):

„Die großen, etablierten Tonträgerunternehmen mussten sich also nicht mit kleinen unabhängigen, unberechenbaren und innovativen Radiostationen herumschlagen, sondern konnten mit einem konservativ ausgerichteten nationalen Staatsrundfunk kooperieren, der vor allem für die Verbreitung des ‚Klassik’- Repertoires der Majors sorgte und in einer Reihe von Koproduktionen mit den Plattenlabels aktiv wurde.“ (Tschmuck 2003, S. 155)

Daran anknüpfend ließ die „British Invasion“, die in den 1960er Jahren Gruppen, wie The Beatles, The Kings oder The Rolling Stones, hervorbrachte, erneut die Umsätze steigen. Rock- und Popmusik wurde mehr und mehr zum Standbein der Musikindustrie in Europa und in den USA (vgl. Tschmuck 2003, S. 163). „The international record business – particularly in the wake of the

38 Beatles phenomenon [...] – began to generate enormous earnings from the sales worldwide of pop records.” (Martland 1997, S. 242)

3.7. Internationale Großkonzerne erobern die Musikindustrie Der seit Mitte der 1950er Jahre stark wachsende Markt der phonographischen Wirtschaft lockte in der Folge Großkonzerne in die Musikindustrie. In den USA verschwanden in der Zeit von 1965 – 1970, durch den zunehmenden Konkurrenzdruck, die Independent Labels, die mit der Rock ’n’ Roll- Revolution entstanden waren, wieder vom Markt bzw. wurden in Großkonzerne integriert. Die Majors PolyGram, CBS, RCA, EMI, Warner und MCA (Music Corporation of America, Inc.)27, allesamt Mischkonzerne, dominierten spätestens Ende der 1960er Jahre (wieder) den weltweiten Musikmarkt (vgl. Chapple/ Garofalo 1980, S. 55f./93ff; Gronow/Saunio 1998, S. 135f./142ff.; Tschmuck 2003, S. 185ff.):

„Am ehesten entsprachen noch die beiden europäischen Global Player, EMI und PolyGram, dem Image des traditionellen Musik-Majors, wenn auch die EMI als Betreiberin einer Kinokette und von TV- Produktionsfirmen keineswegs ausschließlich in der Musikindustrie tätig war. Die PolyGram muss zudem als gemeinsame Tochter der Elektronikkonzerne Siemens und Philips angesehen werden [...].“ (Tschmuck 2003, S.186f.)

Diese Entwicklung veranschaulicht bereits zu dieser Zeit eine zunehmende Konvergenz der Branchen. Die Konzerne streuten das Risiko möglicher Umsatzschwankungen über verschiedene Bereichen, die auch medienfremd sein konnten. Massenphänomene, wie beispielsweise der Erfolg der Beatles, die über einen langen Zeitraum immense Gewinne generierten, halfen dabei die Tonträgerindustrie zu einem internationalen Geschäft mit signifikanter Ertragsfähigkeit zu machen (vgl. Martland 1997, S. 318). Insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren wurden Musikrichtungen, wie Rock, Heavy Metal, Hard Rock, Punk Rock, New Wave, Neue Deutsche Welle sowie Reggae, von den Majors auf internationaler Ebene erfolgreich kommerziell verwertet (vgl. Martland 1997, S. 338ff.; Tschmuck 2003, S. 194f.). Sowohl die Einführung und Etablierung neuer Technologien, wie Stereofonie (1958), die Kompakt- Audio-Kassette (1963)28, das Dolby-A Noise Reduction System (1966) sowie die

27 CBS und RCA hatten als einziges Majors die Rock ’n’ Roll Revolution überlebt (Tschmuck 2003, S.168). 28 Die Einführung der Kompakt-Audio-Kassette forcierte jedoch auch die Geschäfte der Musikpiraterie, da Musikstücke auf Kassette leicht zu duplizieren sind. Mit dem Copyright konnten in den Industrienationen die Schäden durch Piraterie begrenzt werden. In den sogenannten Entwicklungsländern war dies kaum möglich (Gronow/Saunio 1998, S.182f.).

39 Mehrspuraufnahme als auch die neue Vertriebsmöglichkeit Rack-Jobbing29 begünstigten zudem verstärkte Absätze auf dem Tonträgermarkt (vgl. Chapple/ Garofalo 1980, S. 66/101ff./107ff.; Gronow/Saunio 1998, S. 146./150ff./182; Tschmuck 2003, S. 240). Das Aufkommen der Disco Musik Ende der 1970er wurde jedoch erneut von den Majors nur zögernd unterstützt. Der Independent Film Saturday Night Fever (USA, 1977) gilt als der eigentliche Auslöser für einen regelrechten Disco-Boom. Für die Vermarktung des Soundtracks wurde laut Tschmuck erstmals Cross-over Marketing in der Musikindustrie eingesetzt. Das heißt, die verschiedenen Medien (wie Film, Soundtrack-Album, Soundtrack-Single, Trailer) wurden mit enormem Erfolg für die jeweils anderen Medien als Marketinginstrument eingesetzt und so ergaben sich Synergieeffekte. So bewarb ein Produkt das Nächste und es entstand eine Werbekette, die die verschiedenen Medienkanäle im Sinne eines Medienverbundes bzw. Crossmedia verband (vgl. Tschmuck 2003, S. 199f.; Sanjek/Sanjek 1991, S. 235). Eine kommerzielle Auswertung von Disco Musik durch die Majors erfolgte erst in den 1980er Jahren (vgl. Tschmuck 2003, S. 199f.). Inzwischen kontrollierten die Majors aber, zumindest auf der Vertriebsebene, soweit den Markt, dass sie auch an fast jedem Erfolg eines Independent Labels mitverdienten. Die Independent Labels sind und waren in der Regel für größere Erfolge auf das internationale Vertriebsnetzwerk von Major Labels angewiesen.

3.8. Digitalisierung, Musikfernsehen und das Internet Mit der Markteinführung der Digital Audio Compact Disc (CD) 1983, die von Philips und Sony gemeinsam entwickelt worden war, konnten in den USA und Europa – nach einer Phase der Stagnation30 – wieder Zuwächse am Markt erzielt werden31 (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 187ff.; Martland 1997, S. 258; Tschmuck 2003, S. 206f.):

29 Die zunehmende Verbreitung von Supermärkten bot auch der Tonträgerindustrie neue Absatzflächen. Rack-Jobber agieren hier als Zwischenhändler und kümmern sich um den Verkauf der Tonträger (sie bestücken die Regale) in Supermärkten und anderen großen Ladenketten (Chapple/Garofalo 1980, S. 101ff.). 30 Die phonographische Industrie machte für diese Stagnation die massenhafte Verbreitung von billigen Musikkassettenrekordern und die Möglichkeit somit Songs aus dem Radio mitzuschneiden, verantwortlich. Gronow und Saunio sehen als Ursache der Stagnation normale Fluktuation. (Gronow/Saunio 1998, S. 187) 31 Auch die Musik-Kompaktkassette hätte eine Wiederbelebung des Marktes auslösen können. Aber die führenden Konzerne adaptierten die neue Aufnahmetechnologie nur zögernd, „aus Angst, sie könnten damit eine ernsthafte Konkurrenz zur Vinyl-Platte fördern.“ (Tschmuck 2003, S. 204)

40 „The CD technology was quickly accepted by artists, manufacturers, retailers and consumers. [...] By 1988, world sales of CDs had overtaken those of vinyl LPs, and, by the early 1990s, the LP (just like the 78-rpm disc 30 years earlier) was pushed to the margins of the business […].” (Martland 1997, S. 258)

Mit Einführung der CD wurden die Absatzpreise für Tonträger stark angehoben, auch wenn die Herstellungskosten der CD nur wenig höher lagen als die der LP (vgl. Gronow/Saunio 1998, S. 192). Die Konsumenten waren bereit für einen verbesserten Datenträger auch mehr Geld zu bezahlen. Auch die Aufnahme des Sendebetriebs von MTV (), ab dem Jahr 1981 in den USA und ab 1987 in Europa, wurde für die Zuwächse am Tonträgermarkt verantwortlich gemacht. Das Musikfernsehen schuf eine weitere Promotion-Plattform für die Musikindustrie, die das Marketingkonzept der Musikkonzerne nachhaltig veränderte. Der Start des Musikfernsehens verdeutlicht zunehmend eine Konvergenz der Branchen und man könnte auch sagen der Technologien und der Nutzung, da nun Musikinhalte nicht nur gehört, sondern verstärkt audiovisuell (auch über den Fernsehapparat) rezipiert werden konnten. 1984 setzten bereits 76 Prozent aller Top-100-Songs begleitend einen Videoclip ein. Der enorme Abverkauf, der sich mit einer Rotation bei MTV einstellte, entschädigte damals die Plattenfirmen noch häufig um ein vielfaches ihrer Kosten, die bei der Produktion der Clips entstanden32. Die Prophezeiung des ersten bei MTV gespielten Clips war Wirklichkeit geworden: „Video Killed The Radio Star“33 (vgl. Deisen 1993, S. 49ff.; Schmidt 1999 S. 101ff.). Spätestens mit MTV war die Musikindustrie jedoch in Abhängigkeit der Fernsehindustrie geraten. Wie die Abbildung 6 zeigt, wurden bereits seit Mitte der 1960er Jahre verstärkt Musiksendungen im deutschen Fernsehprogramm platziert. Dem Beispiel von MTV als Musikfernsehkanal folgten bis heute eine Reihe weiterer Musikfernsehkanäle (vgl. Abb. 6).

32 1984 liegen die durchschnittlichen Kosten für einen Videoclip bei US$ 50.000. 33 The Buggles: „Video Killed The Radio Star“

41 Abb. 6: Pop- und Rockmusik im deutschen Fernsehen

Überblick über bekannte Musiksendungen in Überblick über Musiksender in Deutschland Deutschland bis zur Gründung MTV Europe

Musik aus Studio B (NDR) 1961-1976 Musikbox 1984-1989 Beat-Club (WDR) 1965-1972 MTV Europe 1987-1997 ZDF Hitparade (ZDF) 1969-2000 VIVA 1993-heute Disco (ZDF) 1971-1982 Onyx TV 1994-2004 Musikladen (ARD) 1972-1984 VH-1 Deutschland 1995-2001 Rockpalast (WDR) 1974-2006 VIVA Zwei 1995-2002 Formel 1 (ARD) 1983-1990 MTV Central 1997-heute Live aus dem Schlachthof / 1984-1997 MTV2 POP 2001-2005 Alabama (BR) VIVA Plus 2002-2007

Bunch TV 2005-heute 2005-heute Tunespoon TV 2005-heute Motor TV 2006-heute iMusic TV 2006-heute Würfelzucker TV 2006-heute

Auffällig ist, dass seit 2005 der deutsche Musikfernsehmarkt verstärkt von kleinen, musikalisch

spezialisierten Unternehmen bearbeiten wird, die in einigen Fällen ihr Angebot nur über das Internet verbreiten.

Quelle: Eigene Darstellung (kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Die Majors konzentrierten sich in der Folge schwerpunktmäßig auf einige wenige Künstler, wie Michael Jackson, Prince, Bruce Springsteen oder Madonna, die extrem hohe Gewinne abwarfen, da sie nun verstärkt über das gesamte Medienangebot audiovisuell (natürlich auch bei MTV) „gepushed“ werden konnten (vgl. Tschmuck 2003, S. 208f.). Eine Konvergenz der Branchen, der Nutzung und der Technologien machte sich damit zunehmend bemerkbar. Der Wachstumsschub, der sich mit Einführung der CD einstellte, dauerte noch bis Mitte der 1990er Jahre an. Er wurde unterstützt von neu aufkommenden bzw. sich kommerziell etablierenden Musikrichtungen, wie Techno, HipHop, Rap und Dancefloor, die es schafften die Nachfrage am Markt weiter zu steigern. 1995 war der Substitutionsprozess mit der Umstellung von Vinyl-Schallplatte auf CD weitgehend abgeschlossen. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stagnierte damit der Umsatz mit Tonträgern, bevor seit 1997 auf dem US-Markt (vgl. Tschmuck 2003, S. 215ff.) und seit 1998 auf dem deutschen Tonträgermarkt die Umsätze absinken. Dieser Trend dauert bis heute an (vgl. Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2006, S. 11f.) und ist vermutlich zum Teil auf die Etablierung von (illegalen) Musiktauschbörsen und anderer illegaler Verbreitungswege des neuen Formats MP334 sowie die zunehmende Verbreitung von CD- Brennern in Privathaushalten (seit Ende der 1990er Jahre) zurück zu führen. Dies scheint jedoch

34 Abkürzung für ISO MPEG Audio Layer 3

42 nicht der einzige Grund für schwindende Absatzzahlen von Tonträgern zu sein. Auch das Verkennen technischer Innovationen, wie zuletzt des Formats MP3, sowie eine vor allem durch die Major Labels forcierte Konzentration auf den Mainstream-Markt könnten für einem erneuten Wechsel der Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen verantwortlich sein, der sich zunehmend bemerkbar macht. Das digitale Format MP3 wurde als Software zur Kompression von Musik 1989 von Thomson und dem Fraunhofer Institut zum Patent angemeldet.35 Mit Beginn der kommerziellen Verwertung des neuen Formats wurde das Programm illegal kopiert und fand mit rasender Geschwindigkeit unentgeltliche Verbreitung im Internet. Die Internetuser platzierten in der Folge mit Hilfe des Programms massenweise Musikbibliotheken zum kostenfreien Download im Internet (Renner 2004, S. 136ff.). Daraufhin etablierten sich eine ganze Reihe von Musiktauschbörsen, wie Napster oder Kazaa, im Internet, über die insbesondere MP3-Dateien Verbreitung fanden (Renner 2004, S.151ff.). Der vermehrte und preisgünstige Zugang zu Breitbandanbindungen, insbesondere via DSL (Digital Subscriber Line), auch in privaten Haushalten, seit der Jahrtausendwende, unterstützte die häufig illegale Verbreitung von Musik über das Internet. Bis heute machen der Musikindustrie nach eigenen Angaben massenhafte digitale Musikkopien sowie Musikpiraterie schwer zu schaffen (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2006, S.5).36 Die neuen Formate CD-ROM (Read Only Memory) und CD Extra boten ab Mitte der 1990er Jahre die Möglichkeit, dem Konsumenten neben Audiodaten auch visuelle Inhalte auf einem digitalen Datenträger zur Verfügung zu stellen. 1996 wurde mit der DVD (Digital Versatile Disc) die Wiedergabe von Musik und Bild in sehr guter Qualität möglich, die im Jahr 2000 mit der Einführung der DVD-Audio noch übertroffen wurde. Ab dem Jahr 2001 fanden erstmals Kopierschutzsysteme auf Tonträgern Anwendung. 2002 wurde Apples iPod37 am deutschen Markt eingeführt, der sich bald als Marktführer unter den mobilen MP3-Playern etablierte.

35 Den Namen MP3, der ungeschützt blieb, erhielt das von Brandenburg entwickelte Format allerdings erst 1995. 36 In einer Studie von Adelberger/Fittkau/Reinecke/Richter-Matthies/Trepte zu den Motiven des MP3-Sharing in Abgrenzung zum CD-Kauf zeigt sich jedoch, dass Tauschbörsen auch zur Information und zur Befriedigung spezialisierter, im Laden nicht erhältlicher, Musikwünsche genutzt werden und somit nicht unbedingt als für die Musikindustrie negativ bewertet werden können. Die in einer Online-Studie 319 Befragten, die als erfahrene Nutzer von Tauschbörsen bezeichnet werden können, kaufen im Schnitt zehn CDs pro Jahr für welche sie mehr als 120 Euro ausgeben. (vgl. Adelberger/Fittkau/Reinecke/Richter-Matthies/Trepte 2004, S. 199ff.) 37 Der iPod ist ein MP3-Player der Firma Apple. Es ist inzwischen das beliebteste Gerät seiner Art.

43 Dementsprechend bietet Apple seit 2003 Apples iTunes38 im Internet an. Seit 2004 ist das Abspielen von Musikdateien (Real- und Mastertones) auch auf Mobiltelefonen39 möglich (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2006, S.101). Die rasend schnelle Entwicklung neuer Medientechnologien in den vergangen zwei Jahrzehnte deutet weitere sich rasch vollziehende Veränderungen in der Zukunft an. Insbesondere das Medium Internet wird hier eine besondere Rolle spielen.

3.9. Aktuelle Eigentümerstruktur der Major und Independent Labels Nach vielfachem Wechsel der Eigentümerstrukturen der Major Labels in den vergangenen Dekaden, insbesondere im letzten Jahrzehnt, behaupten sich momentan mit der Universal Music Group (zugehörig dem französischen Konzern Vivendi), EMI Music (zugehörig der EMI Group), Warner Music Group (zugehörig dem Konzern Time Warner) und Sony BMG (zugehörig mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent zu den Konzernen Sony und Bertelsmann) vier Großkonzerne auf dem internationalen Musikmarkt.40 Aus dem MBI World Report von 1999 leitet Tschmuck ab, dass die Major Labels zu dieser Zeit über einen Marktanteil von über 80 Prozent verfügen. Bedingt durch die zurückhaltende Informationspolitik der Major Labels lassen sich hier keine zuverlässigen Zahlen nennen (vgl. Tschmuck 2003, S. 221f). Tim Renner beziffert den Marktanteil der Independents in Deutschland mit 25 Prozent (Renner 2004, S. 285). Die zunehmende Bedeutung von Independents beschreibt neben Renner auch Wicke sowie der Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten (VUT) (vgl. Wicke 2004, S. 4ff.; Sandra Reuse (VUT) (o.J.)). Und auch die zu Beginn dieses Jahres gegründete weltweite Lizenzagentur für Musik in den neue Medien Merlin deutet die zunehmende Relevanz von Independent Unternehmen, deren Marktanteil laut Merlin bei 30 Prozent liegt, nicht nur an, sondern forciert sie. So ist es das selbsterklärte Ziel von Merlin, unabhängigen Musikunternehmen, einen weltweiten Zugang zum digitalen Markt zu sichern und so deren Präsenz zu verstärken. Nach Angaben der Lizenzagentur fallen sogar inzwischen 80 Prozent der

38 Kommerzieller Downloadshop für Musikdateien im Internet von Apple. 39 Mobiltelefone gelten als mobile Integrationsmedien, die inzwischen immer öfter neben den klassischen Medien wie Hörfunk und Fernsehen auch neue Medien wie Internet, MP3-Player, Spielkonsole und Digitalkamera in einem Gerät vereinen. Somit werden derzeit insbesondere Mobiltelefone zu all-in-one Geräten aufgewertet und bilden ein Paradebeispiel für eine konvergente Medienwelt. 40 Die Unternehmen Sony Music Entertainment und Bertelsmann Music Group (BMG) fusionierten im Frühjahr 2004. Seit Anfang 2007 verstärken sich auch erneut die Anzeichen einer Übernahme der EMI Group.

44 weltweiten Musikproduktionen auf Independents (vgl. VUT 2007, Independents starten mit Merlin die erste Lizenzagentur für weltweites Repertoire; Musikwoche.de 16.08.2007, Caldas nennt neue Details zu Merlin). Nach wie vor wird von den Majors in erster Linie der Markt für kommerziell gut auswertbare populäre Musik, insbesondere Rock, Pop, HipHop, Schlager, Volksmusik sowie das international bekannte Klassikrepertoire, bedient. Major Labels prägen so in gewisser Weise verstärkt den sogenannten Mainstream am Markt. Sehr spezielle Musikrichtungen, wie religiöse Musik, Folk, unkommerzielle Volksmusik von Randgruppen und oftmals auch Jazz, innovativer (Independent-) Pop und Rock sowie Dance werden aus Gründen der Rentabilität in vielen Fällen Independent Labels zur Vermarktung überlassen. Im Falle eines Erfolges eines Titels oder Künstlers eines Independent Labels sind die Majors inzwischen in den meisten Fällen bereits durch Vertriebsvereinbarungen beteiligt bzw. sensibilisiert und können so in der Folge ein schlagkräftiges, von den Independents nicht zu überbietendes Angebot an den oder die Künstler stellen.

3.10. Resümee Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, dass die (US-)Musikindustrie fortwährend, durch das Aufkommen neuer Technologien bzw. ganzer Industriezweige wie der Radioindustrie oder auch durch einen musikalischen Stilwandel, einem ständigen Wechsel unterzogen war und immer noch ist. Die Dominanz der Verleger, die sich durch den Notendruck einen beachtlichen Markt aufbauen konnten, wurde in der Folge durch die Einführung des Phonographen, von einer Industrie abgelöst, die ihre Umsätze insbesondere durch den Absatz der Geräte zum Abspielen von Musik erzielte. Mit der Zeit entwickelte sich jedoch vor allem die Produktion von Tonträgern zu einem lukrativen Geschäft, so dass spätestens ab 1919 der Verkauf von Tonträgern im Vordergrund stand. Mit der Einführung des Radios Anfang der 1920er Jahre sanken die Umsätze der phonographischen Industrie, bis Anfang der 1930er Jahre die Radiobetreiber den Markt vereinnahmten. Ende der 1930er Jahre bestimmten nur noch einige wenige Großkonzerne den Tonträgermarkt. Mit Aufkommen des Rock ’n’ Roll in den 1950er Jahren gewannen eine Vielzahl neu gegründeter Independent Labels an Bedeutung. Spätestens Ende der 1960er Jahre kontrollierten die Majors wieder den Markt und insbesondere eine Konvergenz der Branchen verdeutlicht sich dadurch. Nach mehreren größeren Fusionswellen kontrollieren heute die Majors Universal Music Group, EMI Music, die Warner Music Group, und Sony BMG den internationalen Musikmarkt. Die

45 Umsatzeinbrüche, die sich seit 1999 fortsetzen, deuten eine Trendwende in der Musikindustrie (auch in der Eigentümerstruktur) an. Hierbei scheint auch die steigende Anzahl an Independent Labels eine Rolle zu spielen, die sich meist auf einzelne Musikrichtungen spezialisieren (vgl. Wicke 2004, S. 4ff.). Eine digitale Revolution könnte Nischenmärkte wiederbeleben und somit das allgemeine Angebot wieder mehr differieren. Diesen Trend bestätigen auch die ständig wachsenden Mitgliederzahlen des Verbandes unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V. (VUT), der nach eigenen Angaben inzwischen 25 Prozent des deutschen Musikmarktes repräsentiert.

„WIR BLICKEN OPTIMISTISCH IN DIE ZUKUNFT! Und dazu haben wir allen Grund: Denn die Mehrzahl unserer Unternehmen ist in den zurückliegenden Jahren gewachsen – gegen einen dramatisch negativen Trend! (– 40 % Umsatzeinbrüche am deutschen Tonträgermarkt zwischen 1998 und 2004, laut Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, Jahrbuch 2004). Auch die Gesamtzahl der VUT- Mitglieder ist enorm gestiegen – denn es gab viele bislang erfolgreiche Neugründungen am Markt. Offenbar ergeben sich gerade in Zeiten des Umbruchs Chancen für junge und innovative Unternehmen. Unsere Mitgliederzahlen beweisen es: In den Jahren der größten Krise (von 1998 bis 2004) hatte der VUT

Zuwächse von fast 270 %!“ (Sandra Reuse (VUT) (o.J.))

Es wäre nicht Mal, dass sich die Lage der Independent Labels verbessert, weil schwerfällige Großkonzerne sich nicht in der Lage sehen schnell zu agieren bzw. Innovationen scheuen. Insbesondere das Internet bietet für den Absatz von Musik- und anderen Medienprodukten vielerlei Möglichkeiten. Eine Vernetzung der Medien wie sie Crossmedia, Media-Mix bzw. Medienverbund sucht, gewinnt durch die Vermarktung über das Internet eine neue Dimension. Zudem verfügt der Konsument mit dem Internet erstmals über ein Medium mit integriertem Rückkanal. Dies bietet vielfache Möglichkeiten für einen Austausch über Musik – auch ausschließlich unter Rezipienten – und stärkt so die Rolle der Konsumenten. Musikliebhaber finden auf den Internetseiten der Künstler, den Onlineausgaben von Musikzeitschriften, in Onlineshops oder illegalen Musiktauschbörsen wie auf den musikaffinen Plattformen von MySpace bis hin zu YouTube aktuelle Nachrichten, Musikstücke, Rezensionen sowie Videoclips von und über Künstler aus der ganzen Welt, jeglicher Stilrichtung und unterschiedlicher Professionalität (vgl. Schulze Darup 2007, S. 9). Zudem bieten sich ihnen über das Internet zunehmend Verkaufsflächen für Musik dar. Ein verstärkte Einstieg von „Online-Firmen“ in den Musikmarkt ist demnach durchaus denkbar.

46 Die Geschichte der Musikindustrie hat gezeigt, dass diese Industrie fast immer musikalischen wie auch technischen Innovationen kritisch gegenüber stand und Entscheidungsprozesse in dieser Hinsicht extrem schwerfällig waren. Nicht selten wurde sogar insbesondere von den dominanten Playern am Markt versucht, neue Entwicklungen zu unterdrücken. Sie zeigt aber auch, dass gewisse Entwicklungen sich nicht unterdrücken lassen. Eine Umstrukturierung der Musikindustrie, insbesondere der phonographischen Industrie, die sich an aktuelle Marktgegebenheiten und Konsumentenwünsche anpasst, scheint insofern unausweichlich.

4. Forschungsgegenstand Motor Entertainment GmbH

Dieses Kapitel führt in den Forschungsgegenstand dieser Arbeit, die Motor Entertainment GmbH, ein. Nach einer kurzen Beschreibung der Unternehmensphilosophie sollen etwas detaillierter verschiedene Wirkungsbereiche des Unternehmens vorgestellt werden. Um Verwirrungen zu vermeiden möchte ich darauf verweisen, dass es sich bei dem Forschungsgegenstand der Motor Entertainment GmbH um ein junges Medienkonglomerat handelt, ansässig in Berlin, das sich in eine Reihe von Firmen aufspaltet. Die für den Leser interessanten Bereiche, in denen dieses Konglomerat tätig ist, sind die Labels Motor Music und Motor Digital, der Musikfernsehsender Motor TV, der Radiosender Motor FM und das Internetportal Motor.de. Weitere Firmen, die an dem Wirken des Konglomerats beteiligt sind, sind die Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH i.G. (verantwortlich für die Sender Motor FM und Motor TV), die Crossmedia-Marketing- und Produktions-Agentur M2M - Medien Marken Musik GmbH41 (Geschäftführer sind hier die befragten Experten Mona Rübsamen und Markus Kühn), die ID-Media AG (verantwortlich für die technische Umsetzung des Internetfernsehsender Motor TV) sowie die Torpedo Leipzig – Agentur für Design und Kommunikation GmbH, welche unter anderem das Online Portal Motor.de betreut. Auch auf zusätzlich erschlossene Bereiche, die teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Firmen entstanden sind, wie Verlag und Booking Agentur, soll kurz eingegangen werden. Die im Rahmen dieser Arbeit befragten Experten Tim Renner, Mona Rübsamen und Markus Kühn sind als

41 M2M versucht als Crossmedia-Marketing- und Produktions-Agentur Jugend und Medien zu koppeln und so auch eine Brücke zwischen alten und neuen Technologien zu schlagen. Das selbsternannte Ziel ist es, „Entertainment-Inhalte unter Ausnutzung von Synergien zwischen traditionellen und modernen Medien zu entwickeln, umzusetzen und zu vermarkten.“ (Mission to Mars (M2M) [2007], Company)

47 Geschäftsführer verschiedener Firmen innerhalb des Konglomerats tätig. Insbesondere Kapitel 6 dieser Arbeit, das sich der Auswertung von Experteninterviews mit führenden Personen des Unternehmens widmet, bietet an späterer Stelle Raum für tiefgreifendere Details, insbesondere zu der Strategie des Unternehmens.

4.1. Aufbau der Motor Entertainment GmbH Das Medienunternehmen Motor Entertainment formt heute mit dem Label Motor Music, dem Online-Portal Motor.de, dem Radiosender Motor FM, dem Musikfernsehsender Motor TV, der Booking Agentur Motor Tours, der Liedagentur als Schnittstelle zwischen Werbe- und Musikindustrie sowie dem 2007 neu gegründeten Online-Label Motor Digital ein modernes Medienkonglomerat. Das Unternehmen sieht sein Handlungsfeld in der Musik abseits des Mainstreams. und Independent Pop bilden die Basis der musikalischen Ausrichtung des Unternehmens. Aber auch Punk, Elektro „[...] und alles, was von einem alternativen Lebensgefühl geprägt ist [...]“ (Zitat Markus Kühn (Vonlowtzow 2006, Deutschlands erste bundesweite Jugendwelle?)), taucht im musikalischen Angebot der Motor Entertainment GmbH auf.

Firmenstruktur Das Label Motor Music bildet den Ausgangspunkt für das heutige Unternehmen Motor Entertainment. Es wurde bereits 1994 von dem damals 29-jährigen Tim Renner im Auftrag des Musikkonzerns PolyGram (ab 1998 Teil der Universal Music Group (Universal Music Deutschland 2006, Geschichte.)) gegründet. Renner war damals im selbigen Konzern tätig und wurde als musikalischer Visionär mit dem Aufbau des neuen Labels betraut (vgl. Motor Music [2007], Was ist Motor Entertainment?). Unter Motor Music baute Renner mit seinem Team in der Folge nationale Künstler und Bands, wie Phillip Boa, Tocotronic und Sportfreunde Stiller auf, aber auch international sehr erfolgreiche Künstler, wie Rammstein, Portishead, 2Pac und The Cardigans, fanden bei der Motor Music GmbH ein „Zuhause“. 2004 verließ Renner, der inzwischen als President Music, CEO und Chairman an der Spitze von Universal Music Deutschland stand (Meier [2006], Biographie Tim Renner), wegen gekürzter Mittel für das lokale Engagement des Labels und einer zentral verordneten Restrukturierung, das Unternehmen (Förderland: [2005], Tim Renner). Mit dem Ausscheiden aus dem Konzern vermochte Renner sich die Rechte an der Marke Motor sichern. Noch im gleichen Jahr belebte er die Marke Motor unter seiner eigenen Leitung wieder. Die bis

48 dahin abgeschlossenen Künstlerverträge verblieben ausnahmslos bei Universal, so dass seit der Wiederaufnahme der Labelarbeit 2005 erst wieder langsam ein Künstlerstamm aufgebaut werden konnte. Bereits 2004 wurde das Online-Portal Motor.de relauncht und auch der Radiosender Motor FM ging 2004 das erste Mal Online auf Sendung. Seit 2006 ist der Musikfernsehkanal Motor TV Online abrufbar. Innerhalb kurzer Zeit haben Renner und seine Kollegen Petra Husemann, Markus Kühn und Mona Rübsamen, die ebenfalls an der Unternehmensführung beteiligt sind, sowie einem fast rund 50 Mann starken Mitarbeiterteam (inklusive freier Mitarbeiter) (vgl. T.R.: Z. 674-675), ein

42 vor allem in Berlin und Stuttgart sehr präsentes Mediennetzwerk geschaffen (vgl. Abb. 7).

Abb. 7: Entwicklung Motor Entertainment 1994-2004 Motor Music als Teil der PolyGram später Universal

2004 Relaunch des Online-Portals Motor.de 2004 Programmstart Motor FM via Internet

2005 Das Vollprogramm Motor FM sendet auf der Frequenz 106,8 Mhz im Berliner Stadtgebiet und auf 97,2 Mhz in Stuttgart. Ab Juli 2005 muss Motor FM die Berliner Frequenz mit Radio Teddy teilen und ist im Berliner Stadtgebiet somit nur mehr zwischen 21 Uhr und sechs Uhr analog zu hören. 2005 Neustart des Labels Motor Music unter Tim Renners und Petra Husemanns Führung (losgelöst vom Konzern Universal)

2006 Frequenzwechsel: Motor FM sendet in Kooperation mit der Netzeitung auf der Berliner Frequenz 100,6 Mhz als Vollprogramm. 2006 Programmstart Motor TV via Internet zusätzlich: 3-monatiger Testbetrieb über DVB-T in Berlin 2006 Gründung der Booking Agentur Motor Tours in Zusammenarbeit mit der Four Artists Booking GmbH

2007 Relaunch des Online-Portals Motor.de 2007 Start des Online Labels Motor Digital als Vertriebskanal für Bands 2007 Plattform für regionale Musikwirtschaft übernimmt künftig die NZ (Netzeitung) Hörfunk GmbH und ist somit zu 100 Prozent Halter von Motor FM Quelle: Eigene Darstellung

Das Mediennetzwerk Motor Entertainment gliedert sich in viele einzelne Unternehmen und zeigt damit die Struktur einer Holdinggesellschaft. Aufgrund der Tatsache, dass genaue Daten bezüglich der Finanzierung und der Eigentumsanteile nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und daher auch die Autorin selbst nur beschränkten Zugang zu diesen Daten hat, wird hierauf in der Folge nicht im Detail eingegangen. Festgehalten werden kann, dass zur Zeit Tim Renner und

42 Nur in den Städten Berlin und Stuttgart ist das analoge Medienangebot von Motor Entertainment derzeit abrufbar und daher ist die Marke Motor dort besonders präsent.

49 seine Frau Petra Husemann die Geschäftsführer der Motor Entertainment GmbH sind. Die Motor Entertainment GmbH wiederum hält derzeit 48 Prozent Anteil an der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH i.G.. Über weitere 48 Prozent an dieser Plattform verfügen Mona Rübsamen und Markus Kühn, die neben Tim Renner die Geschäftsführer der Plattform für regionale Musikwirtschaft sind. Mit Motor FM und Motor TV umfasst die Plattform für regionale Musikwirtschaft wichtige Bereiche des Unternehmens. Daneben bringt sich die von Rübsamen und Kühn Anfang des Jahrtausends gegründete Crossmedia-Marketing- und Produktions-Agentur M2M - Medien Marken Musik GmbH in das Wirken der Holding Motor Entertainment ein. 2006 beteiligte sich die ID-Media AG, verantwortlich für den Internetfernsehsender Motor TV, mit elf Prozent an der Motor Entertainment GmbH (Klose 05.02.2006, I-D Media beteiligt sich an Motor Entertainment). Weiter ist anzumerken, dass das Online-Portal Motor.de auf einem Joint-Venture zwischen Motor Entertainment und der Torpedo Leipzig (Agentur für Design und Kommunikation GmbH) basiert (vgl. Abb. 8 und 9)

Abb. 8: Konglomerat Motor Entertainment (2007)

Quelle: Eigene Darstellung

50 Abb. 9 Beteiligungen und Kooperationen der Motor Entertainment GmbH (2007) Ein Versuch das Unternehmen in seiner Breite zu erfassen, wenngleich derzeit Beteiligungen und Kooperationen einem Wechsel unterzogen sind. Daher kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Quelle: Eigene Darstellung (Tasche & Logo: http://www.motor.de/shops/motorwaesche)

Integriertes Medienunternehmen Bisher haben sich insbesondere kleine Medienunternehmen in der Regel auf einen Produktzweig, wie zum Beispiel die Label- bzw. Verlagsarbeit, das Konzertgeschäft, den Printbereich, das Radio oder den Fernsehbetrieb, konzentriert. Künftig und bereits gegenwärtig entwickelt sich jedoch auch unter kleineren unabhängigen Unternehmen ein Trend hin zum integrierten Medienunternehmen. Diesem Trend hat sich auch die Motor Entertainment GmbH angeschlossen. Die Majors der Musikbranche verfolgen diese Strategie spätestens seit der großen Fusionswelle Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre (vgl. Kapitel 3.7.): Einnahmen werden aus sehr differenzierten Bereichen erschlossen, um das Risiko des schnelllebigen Medienmarktes gering zu halten. Inzwischen ist es in den Augen Renners auch für kleine Unternehmen lebensnotwendig ein vielfältiges Angebot zu bieten, um überhaupt auf dem hart umkämpften Medienmarkt Fuß zu fassen. Renner sieht dementsprechend die Zukunft der Musikbranche in einem konvergenten

51 Medienmarkt: „Wenn man heute Geld mit Musik verdienen will, dann geht das nicht mehr alleine mit einer Plattenfirma. Es sei denn, man kann unheimliche Geldmittel aufwenden, weil man jemanden kennt, der gerne in karitative Projekte investiert.“ (Zitat von Tim Renner (Liebing 02/2007, S. 20)) Die sich in der Musikindustrie andeutenden nachhaltigen Veränderungen, die vor allem durch die Digitalisierung der Medien und einer damit einhergehende Konvergenz der Branchen, Techniken und Angebote ausgelöst wurden, bedingen einen nun stattfindenden Wechsel in den Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen. Auch das Internet spielt, wie in diesem und dem voranstehenden Kapitel deutlich wird, insbesondere hinsichtlich der Distributionsbedingungen eine besondere Rolle. Diese Entwicklungen erfordern eine Umdenken in der Musikindustrie. Dies erkannten die Macher von Motor Entertainment und nehmen nun bezüglich künftiger Entwicklungen eine Vorreiterrolle ein. Die Vernetzung der verschiedenen Medien im Sinne von Crossmedia und die weiterhin ansteigende Relevanz des Internets wird daher von dem Medienkonglomerat als Leitgedanke aufgegriffen. Nicht unerheblich sind hier auch die Synergieeffekte die sich durch Crossmedia-Publishing ergeben. Über das Internet werden, bedingt durch eine Konvergenz der Branchen und der Technik, verschiedene Medien, wie Radio und Fernsehen, erlebbar. Das Zusammenwachsen der Medien, Techniken und Angebote findet daher bei Motor Entertainment mit seinem fächerartigen Angebot auch hinsichtlich einer zunehmenden Konvergenz in der Nutzung Berücksichtigung. Das Medienunternehmen vernetzt analoge und digitale Medien und versucht so einerseits die digitale Mediennutzung zu forcieren, da sich hier vielfältige Handlungsmöglichkeiten für Medienbetreiber eröffnen. Andererseits ermöglicht eine Vernetzung der analogen sowie digitalen Medien, dass die Nutzer durch ein wechselseitiges Verweisen der Medien eine Beziehung zu dem vielfältigen Angebot von Motor Entertainment aufbauen und dies auch in ihrer Mediennutzung berücksichtigen. Über das breit gefächerte Medienangebot schafft es das Unternehmen für einen jungen dynamischen Personenkreis fast immer erreichbar zu sein und berücksichtigt dabei auch mögliche Orts- und Gerätewechsel seiner Rezipienten. Dies zeigt sich neben dem differenzierten Angebot an Medienkanälen auch sehr deutlich in dem Angebot an Tonträgern. So gibt es auf der Webseite von Motor Music seit 2007 die kostenfreie Offerte an die Käufer von Vinyl- Schallplatten, dass sie, über einen der Schallplatte beigelegten Code, die Musik zusätzlich auch in digitaler Form sichern bzw. verwenden können an. Dies verschafft dem Kunden einen Mehrwert und erhöht zudem die Zugriffe auf die Internetseite von Motor Music über welche man sich auch

52 über weitere Produkte des Labels informieren kann. Ein wechselseitiges Verweisen und Verbinden der Inhalte und Medienkanäle hat in dem integrierten Medienunternehmen demzufolge ein hohe Priorität.

Unabhängiges Arbeiten im Konglomerat Die Motor Entertainment GmbH begreift sich als Plattform für popkulturell sozialisierte und musikinteressierte Menschen. Dies ist der Grund, warum auf den Motor-Medien, wie Motor FM, Motor TV oder dem Online-Portal Motor.de, nicht nur „eigene“ Bands präsentiert werden43. Eine eigene unabhängige Redaktion filtert gezielt Musikproduktionen aus dem Angebot am Markt heraus, die auf die musikalische Ausrichtung des Unternehmens abgestimmt sind:

„Radio und Label haben organisatorisch nichts miteinander zu tun und sind unabhängige Firmen. Aber dass es da geschmackliche Überlappungen zwischen der Labelauswahl und der Radioauswahl gibt, das ist sicherlich anzunehmen. Wir arbeiten zusammen, weil wir uns musikalisch gut verstehen. Andererseits muss man sagen: Wir haben über 6000 Songs in der Rotation, das Label Motor hat insgesamt zehn Künstler unter Vertrag. Wir können bei Motor FM vielleicht zehn Songs der Motor-Künstler spielen, bleiben also noch 99,9 Prozent für andere Musiker übrig.“ (Zitat von Markus Kühn (Vonlowtzow 2006, Deutschlands erste bundesweite Jugendwelle?))

Zurückgreifend auf das ursprüngliche Konzept des Labels, das schon immer verstärkt lokalen und innovativen Künstlern eine Entwicklungschance geboten hat, setzt das Unternehmen auch heute noch auf eine lokale Verankerung. So wird beispielsweise bei dem Radiosender Motor FM 50 Prozent des Programms mit in Deutschland produzierten Bands bestritten. Auch bei den Künstlern, die vertraglich an eines der Labels – Motor Music bzw. Motor Digital – gebunden sind, überwiegt der Anteil der deutschen Künstler deutlich (vgl. Oberländer 5.2.2005, S. 25).

In der Folge werden nun die einzelnen Wirkungsbereiche, wie Label, Radio, Fernsehen und Internet genauer vorgestellt.

43 Abgesehen davon, dass dies nicht der Philosophie des Unternehmens entsprechen würde,ist dies wäre derzeit auch gar nicht möglich, da das Label Motor Music momentan erst 13 Bands unter Vertrag hat.

53 4.1.1. Das Label44 Motor Music Wie bereits erwähnt wurde Motor Music bereits 1994, mit Tim Renner als Geschäftsführer, als Unterlabel der PolyGram gegründet. Das Label sieht seine Chance abseits des Mainstreams. „Motor Music kümmerte sich um Musik mit Haltung, um all das, was in großen Plattenfirmen unter die Räder zu kommen drohte, weil es außerhalb der Norm lag.“ (Renner 2004, S. 86) Die Liste der Künstler, die vertraglich an das Label Motor Music gebunden sind, ist 2007 noch überschaubar: Dorfdisko, Hund am Strand, JR Ewing, Koufax, PeterLicht, Phillip Boa & The Voodooclub, Photonensurfer, Polarkreis 18, Schrottgrenze, Herrenmagazin, Krieger, Emigrate und Super 700 heißen die aktuellen Motor-Künstler (vgl. Motor Music [2007], Artists). Alle Bands können weitestgehend dem Independent Pop und Rock Bereich zugeordnet werden. Fast alle Bands haben einen deutschen Hintergrund und teilweise texten sie, wie Hund am Strand oder Peter Licht, in deutscher Sprache. Dennoch finden sich neben der lokalen Ausrichtung des Labels mit der norwegischen Band JR Ewing und den Amerikanern von Koufax auch internationale Künstler im Programm von Motor Music. Motor Music will in Zukunft nicht nur die Labelarbeit seiner Bands übernehmen, sondern auch die Aufgaben eines Verlags und des Künstlermanagements wahrnehmen (vgl. Motor Music [2007], Über Motor Music). Die Einbettung des Labels in das Mediennetzwerk von Motor Entertainment bietet große Vorteile, da es die Möglichkeit eröffnet, die Labelinhalte auf eigenen Medienkanälen zu verbreiten, zu verkaufen und sie auf Resonanz zu testen. Die Homepage des Labels Motor Music (vgl. Abb. 11) richtet sich in erster Linie an die Bedürfnisse und Interessen von Presse und Branchenangehörigen, aber auch Konsumenten können hier aktuelle Informationen zu den Künstlern finden. Die Seite ist dementsprechend sehr klassisch und schlicht strukturiert und ist auch nicht direkt in das Online-Netzwerk von Motor Entertainment eingebunden, sondern repräsentiert einen eigenständigen Arbeitsbereich. Dies dürfte unter anderem eine Reaktion auf die Tatsache sein, dass Außenstehende Motor Entertainment häufig auf die Bands von Motor Music reduzieren.

4.1.2. Das Online-Label Motor Digital Das im Februar 2007 gegründete Label Motor Digital unterstützt junge Bands bei der Veröffentlichung ihrer Songs auf den Downloadplattformen von iTunes, musicload oder

44 Der Begriff Label wird in verschiedenen Industriezweigen als Markenname verwendet. In der Musikindustrie steht das Label in vielen Fällen für eine musikalische Ausrichtung. Das Label wird so als qualitatives Markenzeichen eingesetzt. (vgl. Jahnke 1998, S. 22)

54 Motorload. Zusätzlich bietet das Mediennetzwerk von Motor den Künstlern von Motor Digital die Möglichkeit ihre Musik über diese Kanäle einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Motor Digital kann als ein Sprungbrett zu einem Vertrag bei dem Label Motor Music verstanden werden (vgl. Motor Music [2007], Über Motor Music.). Derzeit umfasst das Angebot von Motor Digital bereits knapp 20 Nachwuchsbands, die quasi in einer Art Probevertrag auf Resonanz am Markt getestet werden.

4.1.3. Der Radiosender Motor FM Ein halbes Jahr nach Renners Ausscheiden bei Universal hat im Frühherbst 2004 der Radiosender Motor FM, zeitgleich zu der Musikmesse Popkomm, seine Ausstrahlung via Internet begonnen (vgl. Vonlowtzow 2006, Deutschlands erste bundesweite Jugendwelle?)). 2005 war Motor FM erstmals über die Frequenz 106,8 MHz, vorerst begrenzt auf das Sendegebiet von Berlin, analog zu empfangen. Ab August 2005 teilte Motor FM vorübergehend die Frequenz mit dem Kinder- und Familienradio Teddy. Dies war Bedingung der Landesmedienanstalten zur Übernahme der Frequenz 106,8 Mhz gewesen. Motor FM sendete daher ab August 2005 nur mehr in der Nachtschicht von 21 Uhr bis sechs Uhr (Dudek, 3.7.2005, S. 24). Über das zugehörige Internetportal www.motorfm.de (vgl. Abb. 13) strahlte Motor FM sein Programm jedoch weiterhin rund um die Uhr aus. Eine Frequenzteilung mit Radio Teddy war auf Dauer nicht denkbar, da sich das Programm von Radio Teddy ausschließlich an Kinder und Familien richtet und somit diametral zu der Zielgruppe von Motor FM ausgerichtet ist. Das Konzept von Motor FM konnte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg erneut überzeugen, als sich der Sender in Kooperation mit der Netzeitung um eine Frequenz beworben hat. So bespielt Motor FM gemeinsam mit der Netzeitung seit Februar 2006 mit der 100,6 Mhz die leistungsstärkste Berliner Privatradiofrequenz, über welche Motor FM seither auch in Teilen Brandenburgs zu hören ist. Mit der Kooperation der Netzeitung und der Übernahme der Frequenz 100,6 Mhz hat sich Motor FM mit halbstündig getakteten Nachrichtensendungen und redaktionellen Beiträgen, wie „Sonntags ab zehn“ (Talk mit Michael Maier)45, „Motor FM Vorspiel“ (eine Band oder ein Künstler stellt seine Lieblingssongs vor), „Streifen auf Scheiben“ (DVD-Rezensionen), „Lesen und lesen lassen“ (Ausschnitte aus Hörbüchern und zeitgenössischer Literatur), „Motor FM Leibesvisitation“ (Bandportrait) zu einem Vollprogramm entwickelt. Dennoch richtet sich das Programm von Motor FM in erster Linie an Musikliebhaber, die auch offene Ohren für Unbekanntes haben und zudem

45 Im Sommer 2007 wurde die Sendung abgesetzt.

55 das aktuelle Tagesgeschehen mitverfolgen wollen (vgl. Motor Music [2007], Was ist Motor Entertainment?; Motor FM [2007], Sendungen). Im Sinne von Motor Entertainment setzt Motor FM seinen musikalischen Schwerpunkt auf den Bereich Alternative, Independent, (Punk) Rock sowie Elektro und widmet sich gern sehr aktuellen Themen. Nach wie vor ist der Online-Stream des Senders auch im Internet unter http://www.motor.de/radio oder http://www.motorfm.de zu hören. Über den eigenen Internetshop Motorload46 sind nahezu alle Tracks aus dem Musikprogramm von Motor FM zu erwerben. Eine Verlinkung der Playlist mit dem Onlineshop erleichtert dem Kunden den Zugriff und Kauf. Daher und auf Grund der Möglichkeit kostenfrei den wöchentlich erscheinenden Motor FM Podcast herunterzuladen wird der Radiosender auch als Downloadradio bezeichnet. Im Gegensatz zu dem analogen Angebot von Motor FM ist der Online-Stream werbefrei. Das Ziel des Senders, sein Programm nach und nach auch in andere Bundesländer zu übertragen, zeigt mit dem Sendestart im Sendegebiet Stuttgart erste Erfolge. Hier wird das Programm seit Mai 2006 auf der Frequenz 97,2 MHz (ohne die Beteiligung der Netzeitung) übertragen. Im Laufe des Jahres 2007 soll Motor FM nun zudem in Mecklenburg-Vorpommern zu hören sein (vgl. Motor Music [2007], Was ist Motor Entertainment?). Im Juni 2007 hat ein Eigentümerwechsel bei der Netzeitungsgruppe (bisher: Orkla Media AS, künftig: BV Deutsche Zeitungsholding GmbH) außerdem dazu geführt, dass die Plattform für regionale Musikwirtschaft, sofern keine kartellrechtlichen Probleme auftreten, künftig auch die bisher zu der NZ Hörfunk GmbH gehörigen Anteile an dem Sender 100,6 Motor FM übernimmt. Die Zusammenarbeit mit der Netzeitung soll wie bisher erhalten bleiben (vgl. Musikwoche.de 11.06.2007, 100,6 Motor FM künftig aus einer Hand).

4.1.4. Konkurrenzanalyse Motor FM Am bereits sehr dichten und innovativen Berliner Radiomarkt ist zum Sendestart von Motor FM in Berlin nicht unbedingt Bedarf an einem neuen Radiosender wie Motor FM (vgl. M.R.: Z. 630-641). Dennoch hat Motor FM, wie sich auch durch die positive Annahme der Hörer des Senders herausstellte, eine existierende Lücke zwischen den am Berliner und Brandenburger Radiomarkt etablierten Sendern Radio Eins, Radio Fritz und Star FM schließen können (vgl. M.R.: Z. 800-805). Die aufgezählten Sender zeigen vor allem bezüglich des Musikprogramms Schnittmengen zu Motor FM.

46 http://www.motorload.de/, Zugriff: 31.07.2007

56 Seit Sommer 2007 ist Motor FM neben den eben erwähnten Sendern in der Media Analyse ausgewiesen. Der Sender erreicht demnach durchschnittlich 16.000 Hörer pro Stunde (Bruttokontaktsumme) in der Zeit von 6 Uhr bis 18 Uhr von Montag bis Samstag. Im Tagesverlauf (Montag bis Freitag) erreicht Motor FM 69.000 Hörer. Im Vergleich dazu erreicht Star FM 32.000 Hörer pro Stunde (129.000 Hörer im Tagesverlauf (Montag bis Freitag)), Radio Fritz 105.000 Hörer pro Stunde (339.000 Hörer im Tagesverlauf (Montag bis Freitag)) und der Sender Radio Eins 92.000 Hörer pro Stunde (332.000 Hörer im Tagesverlauf (Montag bis Freitag)) (vgl. Abb. 5) (vgl. AS&S Radio 2007, ma 2007 Radio II).47 Die Konkurrenzsender von Motor FM konnten – bis auf Radio Eins – Hörerzuwächse im Vergleich zum Frühjahr verzeichnen. Radio Eins hingegen musste Verluste hinnehmen. Es ist denkbar, dass die Konkurrenz von Motor FM hierfür mitunter verantwortlich ist (vgl. Abb. 10).

Abb. 10: Ergebnisse Mediaanalyse II 2007 Radiosender Montag – Samstag: Tagesreichweite (Mo-Fr) Ø-Stunde 06:00-18:00 Uhr (Bruttokontaktsumme) Motor FM 16.000 69.000 Hörer Radio Eins 92.000 (-1,1%)48 332.000 Hörer (-7,5%) Radio Fritz 105.000 (+28,1%) 339.000 Hörer (+19%) Star FM 32.000 (+14,3%) 129.000 Hörer (+15,2%) Quelle: Eigene Darstellung nach AS&S Radio 2007, ma 2007 Radio II

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Motor FM zwar derzeit noch deutlich hinter den Hörerzahlen seiner Konkurrenten liegt, dennoch ist die Ausweisung in der Media Analyse ein Erfolg für den jungen Radiosender. Eine Zukunftsprognose ist, auch hinsichtlich des bundesweiten Angebots, zur Zeit allerdings kaum zu bestimmen. Es zeigt sich jedoch am deutschen Radiomarkt nach Ansicht von Rübsamen und Renner insbesondere in den deutschen Großstädten, wie Frankfurt, Hamburg oder München, ein Defizit hinsichtlich sogenannter Gitarrenmusik (vgl. M.R.: Z. 571-579; T.R.: Z. 372-379).

47 Fritz und Radio Eins sind öffentlich-rechtliche Programmangebote. Star FM ist wie Motor FM ein privater Veranstalter. 48 Veränderung in Prozent zur Media Analyse I 2007.

57 4.1.5 Der Musikfernsehsender Motor TV Die Musikmesse Popkomm hat im September 2006 erneut einen optimalen Rahmen geboten, um den Sendestart des neuen Musikfernsehsenders Motor TV bekannt zu geben. In erster Linie ist der Sender via Internet unter http://www.motortv.de (vgl. Abb. 14) zu empfangen49. Zusätzlich fand Motor TV im Testbetrieb auch über DVB-H (Digital Video Broadcasting – Handheld) in Berlin Verbreitung. Besonders die kurzzeitige Verbreitung über DVB-T half dem Sender Aufmerksamkeit für das Programm zu wecken. Eine dauerhafte Ausstrahlung über DVB-T oder DVB-H ist derzeit wegen der hohen Kosten, insbesondere für eine Ausstrahlung über DVB-T, nicht finanzierbar (vgl. T.R.: Z. 305-313; Schulze Darup 2007, S. 17). Um eine bundesweite Sendelizenz hat man sich dennoch bei der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg beworben (vgl. Schulze Darup 2007, S. 17). Künftig bzw. gegenwärtig wird versucht über Verbreitungskanäle, wie T-Home oder eine Einspeisung in das digitale Kabel, neue Zuschauer zu gewinnen (vgl. T.R.: Z. 319-324). Die Motor Entertainment GmbH versucht mit dem neuen Programmangebot von Motor TV, das fast ausschließlich aus Musikvideoclips besteht, eine Nutzergruppe zurück zu erobern, welche die populären Musikfernsehsender MTV und VIVA seit langem vernachlässigen. So erinnert die Endlosschleife aus Musikclips bei Motor TV an die Anfangstage von MTV. Entsprechend dem Angebot von Motor Entertainment begrenzt man sich bei Motor TV auf die Musikstile Alternative Rock und Independent Pop sowie auf Einflüsse aus Punk und Elektro (vgl. Motor Music [2007], Was ist Motor Entertainment?). Somit werden Erinnerungen an das ehemalige Programm von VIVA Zwei50 geweckt. Die redaktionelle Betreuung des Senders findet in erster Linie durch Mitarbeiter von Motor FM statt. Motor TV bildet eine audiovisuelle Ergänzung zu dem Programm von Motor FM. Bislang verzichtet man aus Kostengründen bei Motor TV auf Moderatoren. Stimmen aus dem Off moderieren aber dennoch einzelne Programmpunkte an bzw. schaffen Überleitungen. Zudem gibt man dem Publikum selbst gestalterischen Spielraum. Auf der Internetseite von Motor TV haben

49 Motor TV wird von Motor Entertainment selbst als IPTV Sender (Internet Protocol Television) bezeichnet. Schulze Darup merkt an, dass das Abspielen von Videostreams oder eines Broadcast-Senders über das Internet auf den Personal Computer eigentlich nicht mit IPTV gleichzusetzen ist, sondern korrekterweise als Internet-TV bezeichnet wird. Dies zeigt sich laut Schulze Darup auch am Empfangsgerät. Internet-TV wird in der Regel über den Computermonitor konsumiert. Andere IPTV-Dienste wie z.B. Video on Demand (via Personal Computer) werden meist über eine zwischen geschaltete Set-Top-Box auf das klassische Fernsehgerät übertragen (Schulze Darup 2007, S. 10). 50 Der Independent geprägte Sender VIVA Zwei erlangte mit seinem Sendestart 1995 bei den Mitgliedern unterschiedlichster Subkulturen schnell Kultstatus. Dennoch musste der Sender wegen zu hoher Defizite 2002 dem am Mainstream orientierten Programm von VIVA Plus weichen (vgl. Schulze Darup 2007, S. 21).

58 die Nutzer die Möglichkeit unter dem Punkt „Du auf Motor TV“ selbst das Programm mitzugestalten, indem sie dort eigene Kurzfilme oder Musikvideos hinterlegen. Oft unkonventionelle und semiprofessionelle Beiträge lockern so die Musikvideostrecken auf. Sie erheben damit den Nutzer zu einem Kreativen und auf diese Weise zu einem Bestandteil des Programms. Dies geschieht allerdings zur Zeit nur in geringem Maße. Eine passive Nutzung des Programms ist daher bei den Rezipienten nach wie vor dominierend. Laut der Untersuchung von Schulze Darup, der mittels einer Online-Befragung im Dezember 2006 die Daten von knapp 600 Nutzern von Motor TV auswertete, sind die Nutzer von Motor TV überwiegend männlich (75 Prozent) und im Durchschnitt 28 Jahre alt. Entgegen den Erwartungen an einen Musikfernsehsender sind die Nutzer des Internetmusikfernsehsenders Motor TV gut gebildet:51 Jeder vierte Nutzer ist Akademiker, jeder Zweite verfügt über die allgemeine Hochschulreife (vgl. Schulze Darup 2007, S. 39ff.).

4.1.6. Konkurrenzanalyse von Motor TV Musikfernsehsender kämpfen seit langem gegen die Tatsache an, dass das Abspielen von Musikvideoclips oft eine kurze Verweildauer der Nutzer zur Folge hat52. Dennoch lockt das „nischige“ und jugendspezifische Angebot Werbekunden an und sichert so die Finanzierung. Für den Konzern , welchem inzwischen MTV und VIVA zugehörig sind und der somit derzeit den Musikfernsehmarkt in Deutschland (noch) bestimmt, stellen größere Marktanteile einen starken Anreiz dar. Aus diesem Grund erfolgte bei den Musikfernsehsendern MTV und VIVA in den letzten Jahren eine Umstrukturierung des Programmangebots in die Richtung von Jugendsendern. Dies zahlt sich für den Sender aus: Seit Musikvideos in den Hintergrund des Programms gedrängt werden, steigen bei den Sendern die Einschaltquoten und somit auch die Marktanteile an (vgl. Mikos/Neumann-Braun 2006, S. 115ff, blickpunktfilm.de 12.01.2007). Die Sender nehmen dies bestätigend wahr und verfolgen den Kurs der Verknappung von

51 Studien zu dem Konsum von Musikfernsehsendern (vgl. Altrogge (2000), Spanhel (1999), Roe/Löfgren (1988)) zeigen laut Mikos und Neumann-Braun, dass verstärkt Jugendliche mit geringer Bildung und Leistungsfähigkeit die Rezeption von Musikvideos bevorzugen (Mikos/Neumann-Braun 2006, S. 80f.). Die (musikalische) Ausrichtung des Programms von Motor TV sowie die Tatsache, dass besser Gebildete nach wie vor verstärkt das Internet nutzen, können den relativ hohen Bildungsstaus der Nutzer jedoch erklären (vgl. Schulze Darup 2007, S. 42). 52 Die Marktanteile der Sender MTV und VIVA am gesamten deutschen Fernsehmarkt sind demgemäss entsprechend gering. So erreicht MTV im Juni 2007 2,5 Prozent Marktanteil bei der Zielgruppe der 14-29-jährigen und VIVA 2,6 Prozent (Viacom 2007, Monatliche GfK-Daten MTV, VIVA, und NICK).

59 Musikinhalten weiter. Dementsprechend wurde der Musikfernsehsender MTV2 Pop im Herbst 2005 durch das reichweitenstärkere Kinderprogramm Nick (Anbieter: ) ersetzt (vgl. Mikos/Neumann-Braun 2006, S. 115) und Mitte Januar 2007 wechselte das Programm des Comedy-Senders Comedy Central das Programm des Musikfernkanals VIVA Plus53 aus. Somit sinkt die Anzahl der Sendeplätze für Musikinhalte im (klassischen) deutschen Fernsehen weiter ab und ermöglicht auf diese Weise (Internet-) Sendern, wie Motor TV oder auch Deluxe Music54, Bunch TV55, Würfelzucker56, Tunespoon57 sowie dem österreichischen Go TV58 oder dem Internetvideoportal You Tube59, einen Einstieg auf dem Musikfernsehmarkt, denn das Interesse an Musikinhalten bei den Zuschauern ist nach wie vor gegeben. Bei den „neuen“ Musiksendern ist eine klassische Verbreitung über Kabel, Satellit oder DVB-T, wie auch im Fall von Motor TV, nicht zwingend erforderlich. Das Internet bietet den Sendern einen kostengünstigen alternativen Verbreitungsweg. Das Angebot dieser Sender kann demnach auch nicht ohne weiteres als ein Konkurrenzangebot zu MTV oder VIVA bezeichnet werden, da sich einerseits die Sender MTV und VIVA immer weiter von dem Programm eines Musikfernsehsenders entfernen. Andererseits sprechen die meisten der neuen Musiksender eine jeweils sehr spezifische Nutzergruppe an und distanzieren sich somit von dem (ehemaligen) Programmkonzept von MTV und VIVA, das sich vor allem an die breite Masse richtet. So beschreibt Schulze Darup treffend, dass sich dementsprechend auch Motor TV eher als zielgruppenspezifische Alternative zum Programm von MTV und VIVA platziert, anstatt als ein Herausforderer von MTV und VIVA im Kampf um Marktanteile (vgl. Schulze Darup 2007, S. 17).

4.1.7. Das Online-Portal Motor.de Die Internetkommunikationsplattform existiert bereits seit 1995 – kurz nach der Gründung des Labels Motor Music. Ein halbes Jahr nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Universal, im Frühjahr 2004, haben Renner und Husemann das Webportal Motor.de im Sinne von Motor Entertainment – als eine Schnittstelle zwischen Künstlern und Bands, Fans und Labels – wiederbelebt. Entscheidend am Konzept ist: Motor.de begrenzt sich nicht nur auf Künstler des eigenen Labels, sondern bearbeitet, wie Motor FM und Motor TV, unabhängig von dem Label alle

53 http://www.vivaplus.tv/_goes_comedy_central.html, Zugriff: 12.2.07. 54 http://www.deluxemusic.tv, Zugriff: 19.07.2007 55 http://www.bunch.tv, Zugriff: 19.07.2007 56 http://www.wuerfelzucker.tv, Zugriff: 19.07.2007 57 http://www.tunespoon.tv, Zugriff: 19.07.2007 58 http://www.gotv.at, Zugriff: 19.07.2007 59 http://www.youtube.com, Zugriff: 23.07.2007

60 relevanten Themen alternativer Musikkultur. Dementsprechend findet sich auf der Seite von Motor.de eine ähnlich breite Angebotsvielfalt wie sie auch bei den Onlineauftritten populärer deutscher Musikmagazine, wie Intro, Spex oder Visions präsentiert wird. Hierbei ist anzumerken, dass das musikalische Angebot bei Motor.de – zurückgehend auf die Themenvielfalt des Labels zu Universal-Zeiten und somit auf die lange Geschichte der Webseite – etwas breiter als in den anderen Bereichen von Motor Entertainment angelegt ist. Das heißt, auf der Seite finden auch ansonsten nicht berücksichtigte Musikrichtungen wie beispielsweise HipHop Erwähnung, sofern sie in einem popkulterellen Zusammenhang stehen. Inzwischen bietet die Website zusätzlich zu den Rezensionen von Musik, auch Rezensionen zu Filmen und Büchern, vorausgesetzt, dass sie einen popkulturellen Kontext aufweisen. Darüber hinaus findet man Interviews mit Künstlern und Bands, Hintergrundgeschichten, Kolumnen und „Specials“, die um Themen rund um alternative Musikkultur kreisen. Daneben werden den Nutzern Downloadmöglichkeiten für Musik, ein Konzertkartenonlineverkauf sowie weitere Merchandisingartikel über Motor.de angeboten (vgl. Abb. 15 und 16). Die kommerziellen Angebote auf dem Internetportal sollen künftig einen entscheidenden Anteil an der Finanzierung von Motor Entertainment decken (vgl. Kapitel 4.2.). Inzwischen greifen nach Angaben von Motor.de monatlich ca. 250.000 Nutzer auf die Homepage zurück. Zudem beziehen 30.000 User den Newsletter, der auf der Startseite von Motor.de abonniert werden kann (vgl. Husemann [2006], S. 4). Auf Motor.de laufen nahezu alle Fäden der Motor Entertainment GmbH zusammen. Dementsprechend sind auch die Webauftritte von Motor FM und Motor TV sowie kommerzielle Angebote mit dem Onlineportal verlinkt.60 Im Januar 2007 wurde das Onlineportal Motor.de neu strukturiert und löste eine zuvor sehr klassisch gestaltete Internetseite ab. Seither steht im Mittelpunkt des Onlineauftritts von Motor.de ein Blogsystem (Weblogsystem). Dadurch konnte der zentrale Gedanke, eine Kommunikation zwischen den Usern und auch zu den Machern von Motor Entertainment herzustellen, umgesetzt werden. Die Seite kann als ein endloses musikalisches Tagebuch, bei welchem die Nutzer der Seite ihre Inhalte, Wünsche und Ideen platzieren können, verstanden werden. Die in Zusammenhang mit dem Online Portal Motor.de betriebene ehemalige Website Motrocity.de wurde im Zuge der Neuausrichtung der Website als Blogsystem, auch aus Kostengründen, aufgegeben. Motro City war eine virtuelle Communityplattform für die Fans von Motor Music und generell alternativer Musik. Die

60 Neben dieser gemeinsamen Ebene bietet insbesondere Motor FM, bedingt durch die Kooperation mit der Netzeitung, unter http://www.motorfm.de, zusätzlich eine seperate Webseite an (vgl. Abb. 13).

61 bespielbare virtuelle Stadt Motro City zog vor allem etwas jüngere Nutzer an (vgl. M.K.: Z. 330- 338). Die User konnten verschiedene Avatare annehmen, sich in einer virtuellen Stadt bewegen und sich zum Beispiel in einer virtuellen Kneipe über Musik austauschen (vgl. Abb. 12). Die Aufgabe von Motro City stieß bei vielen Usern auf großes Unverständnis und löste eine unerwartete Protestwelle aus. Über mehrere Wochen hinweg dominierten Themen rund um die Abschaltung von Motro City das Blog. Uwe Timm, der Leiter von Motor.de, beschreibt und begründet in einem Blogeintrag vom 23. Januar 2007 die Neuausrichtung von Motor und versucht auf diese Weise die ehemaligen Nutzer von Motro City für die neue Internetseite Motor.de zu gewinnen:

„Zuweilen kommt Verstimmung von ehemaligen Motrocity Bewohnern auf. Das können wir verstehen, uns fehlt die Stadt ja auch. Aber sie war technisch und finanziell nicht mehr zu stemmen. Der neue Motor soll doch mehr sein. Treffpunkt, Inhalt, Ratgeber, Trendscout und Streitpunkt. Wir fürchten uns nicht vor Diskussionen, wir wollen Sie.“ (Schmidt 23.01.2007, Der neue Motor – Tradition und Fortschritt)

Derzeit melden sich auf der Internetseite Motor.de täglich zwischen fünf und zehn Nutzer bei der Motor Community an, die somit beständig anwächst. Die künftige Entwicklung der Nutzerzahlen, insbesondere des Blogsystems, ist zur Zeit noch schwer abschätzbar.

4.1.8. Weitere Angebote der Motor Entertainment GmbH Neben Label, Radio, Fernsehsender und dem Onlinebereich ist Motor Entertainment auch als Verlag (in Zusammenarbeit mit Warner), mit Motor Tours als Konzertveranstalter (in Zusammenarbeit mit der Four Artists Booking GmbH) und mit der Liedagentur als Vermittler von Musikstücken an die Werbe- und Musikindustrie tätig. Weiter ergänzt, wie anfangs erwähnt, das Angebot der M2M - Medien Marken Musik GmbH, eine Crossmedia-Marketing- und Produktions- Agentur, die von Kühn und Rübsamen gegründet wurde, das Angebot von Motor Entertainment.

62 Abb. 11: Screenshot Startseite Motor Music

Quelle: http://www.motormusic.de/, Zugriff: 22.07.2007

Abb. 12: Screenshot Motro City, Chat in einer virtuellen Bar

Quelle: Zettler 2001, Kneipe in Motro City, Zugriff: 22.07.2007

63 Abb. 13: Screenshot Startseite Motor FM [2007]

Quelle: http://www.motorfm.de, Zugriff: 22.07.2007

Abb. 14: Screenshot Startseite Motor TV [2007]

Quelle: http://www.motortv.de, Zugriff: 22.07.2007

64 Abb. 15: Screenshot Startseite Motor.de (2007) [oberer Bildteil (1)]

Quelle: www.motor.de, Zugriff: 22.07.2007

65 Abb. 16: Screenshot Startseite Motor.de (2007) [unterer Bildteil (2)]

Quelle: www.motor.de, Zugriff: 22.07.2007

66 4.2. Haltung Motor Entertainment wird bedingt durch die vergangene Zugehörigkeit der Marke Motor zu dem Konzern Universal noch heute größer und finanzkräftiger wahrgenommen, als es ist. Dies verschafft dem Unternehmen den Vorteil, dass es zeitweise ernster genommen wird als dies für ein junges Independent Unternehmen der Fall sein müsste. Die Entscheidung und Motivation in einem kleineren independent-geprägten Unternehmen zu arbeiten bzw. dies zu erschaffen, ist für die Personen des Führungskreises eine bewusste Entscheidung gewesen, schließlich waren sie alle zuvor in großen Unternehmen tätig. Die Verwirklichung von Motor Entertainment ermöglicht den Personen, die dort arbeiten, auch die Verwirklichung der eigenen Ideale, angefangen bei der musikalischen Ausrichtung bis hin zu der menschlichen Seite des Projekts. So versucht man bei Motor Entertainment auch im Sinne der Mitarbeiter verantwortungsbewusst zu handeln und langsam und gezielt zu wachsen, um nie in Abhängigkeit von etwas oder jemanden zu geraten (vgl. T.R.: Z. 420-445). Da jedoch die Kooperation mit der Netzeitung mit dem Eigentümerwechsel zu unsicher erschien, suchte man sich 2007 mit großer Sorgfalt einen Investor, der jedoch die Strategie eines langsamen und gezielten Wachstums und die inhaltliche Entscheidungsfreiheit des Unternehmens akzeptierte (vgl. M.R.: Z. 1445-1460).

4.3. Finanzierung Zur Zeit basiert die Finanzierung der Motor Entertainment GmbH noch überwiegend auf künftigen Einnahmen (vgl. M.R.: Z. 1174-1175). Unabhängigkeit steht jedoch auch in Zukunft an oberster Stelle. Aus diesem Grund wird versucht die Kosten möglichst gering zu halten, solange sie noch nicht durch finanzielle Einkünfte gedeckt sind. Der ursprüngliche Gedanke Medien, wie Motor FM und Motor TV werbefrei zu halten, war auf Dauer für das private Medienunternehmen nicht haltbar (vgl. M.R.: Z. 754-762, T.R.: Z. 563-567), da gerade politische Strecken im Programm, die einen hohen Wortanteil aufweisen, sehr kostenintensiv sind. Sie erfordern einen finanziellen Ausgleich durch klassische Werbung (vgl. T.R.: Z. 459-470). Im Radio- und Fernsehbereich entsprechen in erster Linie Sonderwerbeformen, die den Programmfluss nicht unterbrechen, der Philosophie des Unternehmens (vgl. T.R.: Z. 480- 487). Optimalerweise sind sie inhaltlich an das Programm angepasst, das heißt, sie vermitteln oder unterstützen popkulturelle Inhalte. Zur Zeit findet man beide Werbeformen – klassische wie inhaltlich abgestimmte Werbung – im Programm von Motor FM, dennoch sind längere (sozusagen für das private Radio klassische) Werbeblöcke derzeit noch nicht vorhanden. Vielmehr werden

67 derzeit meist einzelne Werbespots und Sponsoringhinweise in das Programm gestreut. Durch eine intensivierte Beratung der Werbekunden wird man in Zukunft versuchen, die Kunden von einer in das Programm integrierten Werbung weiter zu überzeugen, da dies für Kunden und Hörer positive Effekte einbringt (vgl. T.R.: Z. 524-528). Diese Überzeugung an die Kunden weiter zu geben, ist laut Renner nicht immer leicht (vgl. T.R.: Z. 567-581). Insbesondere Rübsamen kann sich daher inzwischen vorstellen, dass in ca. zwei Jahren reguläre Werbeblöcke in das Radioprogramm integriert sind (vgl. M.R.: Z. 731-736). Aus diesem Grund bemüht man sich jetzt und in den kommenden Jahren gute Werte in der Mediaanalyse zu erreichen, um hierüber künftig mechanisch Werbebudgets für den Radiobetrieb zugewiesen zu bekommen (M.R.: Z. 1230-1236). Im Fernsehbereich wird die Werbung derzeit auf musikbezogene und interaktive Werbung beschränkt, die bestenfalls sogar als Service für den Hörer gelten kann (vgl. T.R.: Z. 470-487). Auch im Internet achtet man darauf, die Werbeflächen dort zu platzieren, wo sie nicht unangenehm auffallen (vgl. T.R.: Z. 474-477). So werden Werbefenster auf der Startseite von Motor.de, wie die Abbildungen 15 und 16 zeigen, am oberen und am rechten Bildrand gesetzt, wobei auch Werbefenster im Textverlauf auftauchen. Im Rahmen dieser Arbeit soll nach dieser knappen Einführung jedoch nicht weiter auf die Details der Werbeformen eingegangen werden, da dies für die Fragestellung nicht relevant ist. Langzeitziel ist es ohnehin gänzlich von Kooperationen unabhängig zu werden und künftig möglichst ausschließlich von dem Verkauf der Inhalte leben zu können, die zum Beispiel über den Online-Shop von Motor.de angeboten werden. Man erwartet vor allem im Downloadverkauf steigende Einnahmen (vgl. T.R.: Z. 579-582, M.K.: Z. 183-186, M.R.: Z. 308-320). Physische Tonträger werden zur Zeit noch ausschließlich in Kooperation mit Amazon angeboten (vgl. M.K.:

Z. 368-270). Derzeit ist man jedoch noch weit davon entfernt durch die Einnahmen über den Online-Shop den kompletten Sendebetrieb finanzieren zu können (vgl. T.R.: Z. 533-537). Zugunsten einer langfristigen finanziellen Absicherung hat sich Motor Entertainment daher zu der Zusammenarbeit mit einem Investor entschlossen, da die finanzielle Absicherung allein über die Kooperation mit der Netzeitung zu unsicher war (vgl. M.R.: Z. 1188-1194, 1445-1460). Die Unsicherheit der Kooperationen hat sich durch den Verkauf der Netzeitung von Orkla Media an die BV Deutsche Zeitungsholding GmbH inzwischen bewahrheitet.

68 4.4. Nutzer Die anvisierten Nutzer von Motor Entertainment sind Jugendliche und Erwachsene, die sich für aktuelle Independent-geprägte Musik interessieren und – sofern sie etwas älter sind – in der Regel popkulturell sozialisiert worden sind (vgl. M.R.: Z. 133-139, 170-175). In der im Internet veröffentlichten Schrift Motor.de – Musik nach vorn! wird beschrieben, dass sich das Angebot von Motor Entertainment in erster Linie an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14-30 Jahren richtet, die gemeinsam haben, dass sie sich besonders für Musik interessieren (vgl. Husemann [2006], S. 4). Die Nutzer von Motor FM und Motor.de sind, wie man in Studien61 herausgefunden hat, im Schnitt ca. fünf Jahre älter als angenommen. Demnach liegt die Kerngruppe der Nutzer zwischen 25 und 35 Jahren mit Ausreißern bis an die 50 Jahre (vgl. T.R.: Z. 246-247). Die Nutzergruppe der einzelnen Medien und Arbeitsbereiche von Motor Entertainment ist jedoch, teilweise bedingt durch die Vergangenheit der Marke Motor, nicht immer identisch. So greift auf der einen Seite ein etwas jüngeres Publikum auf das Online-Portal Motor.de zurück. Sie gelangen zu einem großen Teil über den Labelhintergrund auf die Homepage und sind häufig bereits User von Motro City gewesen. Auf der anderen Seite sind die etwas älteren Nutzer über das Angebot von Motor FM und Motor TV auf die Homepage aufmerksam geworden (vgl. M.K.: Z. 333-338). Das Alter der Nutzergruppe ist demnach medienabhängig, wobei insbesondere die Medien Motor TV und Motor FM ein etwas älteres Publikum ansprechen. Speziell das analoge Programmangebot von Motor FM und Motor TV richtet sich außerdem verstärkt an eine Nutzergruppe, die im urbanen Ballungsraum lebt (vgl. T.R.: Z. 355-359). Überraschenderweise hat man in den besagten Studien außerdem herausgefunden, dass mehr Frauen als gedacht den Sender Motor FM hören. Dementsprechend gibt es auch bei den Nutzern der Internetseite nur einen leichten Überhang an männlichen Nutzern, was bei dem Kerninhalt Rockmusik und dem männlich geprägten Medium Internet durchaus unüblich ist (vgl. T.R.: Z. 235- 241; Kapitel 5). Um die Nutzer dauerhaft an Motor Entertainment zu binden, versucht man sie in das Programm und in die dargestellten Inhalte einzubinden. Man schafft Raum für sogenannten User Generated Content. So werden beispielsweise die Nutzer auf dem Online-Portal Motor.de, wie erwähnt,

61 Renner erwähnt im Experteninterview ein sogenanntes Call-Out an 1.500 Haushalte bezüglich der Radionutzung sowie eine Erhebung, die auf dem Motor Newsletter basiert. Laut Renner erhalten 42.000 Leute den Motor Newsletter, zusammengerechnet mit den Artist Newslettern erreicht man ca. 100.000 Leute. Nach Angabe Renners haben über 50 Prozent auf eine Feedbackbefragung, die über die Newsletterverteiler ausgesandt wurde, reagiert. (T.R.: Z. 216- 231).

69 mittels eines Blogsystems (vgl. http://www.motor.de/motorblog) zu Produzenten von Inhalten (Kapitel 4.1.7). Auch über das Direktmarketingsystem xtaster (vgl. http://www.xtaster.de), das von M2M angeboten wird, können sich Musikfans in einem Fanteam engagieren und Künstler promoten. Bei Motor TV gibt es mit der Rubrik „Du auf Motor TV“ für die Nutzer ebenfalls eine Möglichkeit eigene Kurzfilme oder Musikvideos auf der Seite zu präsentieren (vgl. http://www.motortv.de), die unter Umständen in das reguläre Programm von Motor TV eingebunden werden. Auch die Rubrik „Starthilfe“, die es bis vor kurzem bei Motor TV und Motor FM gab, unterstützte junge Künstler. Ein äquivalent findet sich zudem bei dem Label Motor Digital (vgl. http://www.motormusic.de). Auch hier wird Nachwuchstalenten die Chance auf Öffentlichkeit geben. Gewinnspiele und die Veranstaltung von Konzerten und Parties (z.B. Motor Club) stellen zusätzlich Anknüpfungspunkte dar und ermöglichen das mediale Motor auch real zu erleben. Auf diese Weise wird eine crossmediale Verknüpfung forciert: Jedes Angebot steht in Verbindung – sei es medial oder real – zu einem anderen bzw. zu allen anderen Angeboten von Motor bzw. verweist auf diese. Dies unterstützt die Etablierung der Marke Motor unter der Berücksichtung ihrer Angebotsbreite.

4.5. Resümee Dieses Kapitel sollte den weiten Wirkungsbereich des Medienkonglomerats Motor Entertainment verdeutlichen. Die Marke Motor wurde bereits 1994 am deutschen Musikmarkt eingeführt und gilt inzwischen richtungsweisend für Musik abseits des Mainstreams. Das Vollprogramm des Radiosenders Motor FM und das Spartenprogramm von Motor TV unterstützen somit in ihrem Programm Musik, die bisher selten im deutschen Rundfunk zu hören war. Derzeit sieht sich die Motor Entertainment GmbH als Plattform für neue Musik mit verschiedenen Medienkanälen und Möglichkeiten kaum Konkurrenten am deutschen Markt gegenüber, die ein ähnlich breites Angebote bereit stellen (vgl. M.K.: Z. 196-199; M.R.: Z. 35-40). Rübsamen merkt betreffend den deutschen Radiomarkt an: „Und es hat sich schon abgezeichnet, dass sich eigentlich diese ganze Gitarrenmusik unglaublich beliebt ist und auch wachsend ist und eigentlich alles andere als ein Nischenmarkt ist, es aber überhaupt kein Angebot gab. Nichts. Das war unglaublich.“ (M.R.: Z. 575-579) Dass die einzelnen Tätigkeitsbereiche sich dennoch Konkurrenten gegenüber sehen, wurde in diesem Kapitel dargestellt und steht außer Frage. Das Alleinstellungsmerkmal von Motor Entertainment ergibt sich aus seiner Gesamtheit als Konglomerat und der stetigen Vernetzung seiner Angebote im Sinne von Crossmedia sowie der

70 sehr speziellen musikalischen Ausrichtung: Denn die Marke Motor steht für einen bestimmten musikalischen Geschmack und folgt einer speziellen, ihr eigenen Logik und soll in Zukunft eng geführt werden62 (vgl. Renner 2004, S. 281f.). So wird versucht mittels der speziellen musikalischen Ausrichtung sowie der Identifizierung mit einer Jugendkultur, die neben dem Massengeschmack existiert, eine konkrete Linie zu erschaffen. Orientierungshilfe bei der Markenführung bietet die erfolgreiche Etablierung der inzwischen wertvollsten Medienmarke MTV (vgl. MTV [2007], Be different) oder andere bekannte Markenartikler (vgl. Renner 2004, 281). Verglichen mit den Strategien von anderen Medienfirmen fällt auf, dass Motor Entertainment trotz seines Charakters als Independentunternehmen von Beginn an auf eine breit-vernetzte mediale Basis setzt. 2007 kann Motor Entertainment bereits auf das Label Motor Music, das Online-Portal Motor.de, den Radiosender Motor FM, den Musikfernsehsender Motor TV, die Booking Agentur Motor Tours, eine Liedagentur als Schnittstelle zwischen Werbe- und Musikindustrie sowie das Online-Label zurückblicken. Synergieeffekte durch das firmeneigene Netzwerk aus Radiosender, Fernsehsender, Label, Booking Agentur, Künstler-Management und Online-Portal, das auch Online-Shops für Tonträger, Konzertkarten und Merchandisingartikel inkludiert, können bei der Motor Entertainment GmbH optimal ausgeschöpft werden. Die Konvergenz der Medien, das crossmediale Platzieren von Inhalten und das Ausnützen von Synergieeffekten durch Crossmedia-Publishing sind bei Motor Entertainment längst Realität. An das eigene Label gebundene Bands wie Polarkreis 18 können dementsprechend von einem vermehrten Einsatz auf Motor FM und bei Motor TV sowie durch eine gute Platzierung auf den Motor-Webseiten und weitere firmeninterne (Werbe-)Aktionen sehr gut profitieren. Aber auch Bands von anderen Labels bleibt diese Form der Promotion offen, sofern sie dem Konzept von Motor Entertainment entsprechen: „Wenn wir Bands entdecken oder gut finden, dann pushen wir die über alle Formate gleichzeitig, dann spielen wir sie im Radio, lassen sie aber auch auf unseren Clubabenden im Magnet oder White Trash auftreten.“ (Zitat von Mona Rübsamen (Liebing 02/2007, S.22)

62 Als die Marke Motor noch Teil der PolyGram war, sind Motor Music in der Zeit des Technobooms mit Künstlern wie Westbam und Marusha Fehler in der Markenführung passiert.

71 5. Mediennutzungsverhalten

5.1. Mediennutzungsverhalten im Allgemeinen Die Mediennutzung hat in den vergangenen Jahren weiterhin an Bedeutung und Zeitaufwendung gewonnen. 2005 nutzten laut der ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation63 Personen ab 14 Jahre in Deutschland täglich zehn Stunden (brutto) verschiedene Medien (vgl. Abb. 17). Die Studie TimeBudget 1264 von SevenOne Media errechnete einen knapp achtstündigen täglichen Medienkonsum (brutto) der 14 bis 49-jährigen.65 Da Medien von älteren Menschen besonders intensiv genutzt werden, sind diese Zahlen nicht widersprüchlich. Beide Studien verzeichnen in den letzten Jahren einen Anstieg der Zeit, in der Medien genutzt werden. Leitmedium ist und bleibt das Fernsehen, dicht gefolgt vom Hörfunk. Internet und Tonträger haben binnen kürzester Zeit stark an Relevanz gewonnen. Das Internet tritt in erster Linie als Informationsmedium zu den Tageszeitungen in Konkurrenz. Die Internetverbreitung in der bundesdeutschen Bevölkerung liegt nach der Studie Time Budget 12 bereits seit 2003 bei 75 Prozent. Es ist jedoch anzumerken, dass das Internet noch immer ein Bildungsgefälle und Altersgefälle bei den Nutzern aufweist und zudem mehr Männer (über 60 Prozent) als Frauen das Internet nutzen (Klingler/Gerhards 2006, S.84f.; SevenOne Media 2005, S.11). Das Internet findet demnach verstärkt Anwendung bei besser gebildeten jungen Männern. Leichte Zugewinne gibt es auch bei der parallelen Mediennutzung, das heißt, mindestens zwei Medien werden zeitgleich konsumiert. Die oben genannten Zahlen sind Bruttozahlen, demnach ist die parallele Mediennutzung inkludiert.

63 Seit 1964 wird die Langzeitstudie Massenkommunikation von ARD und ZDF im Rhythmus von ungefähr fünf Jahren durchgeführt. 2005 wurden insgesamt 4.500 Deutsche ab 14 Jahren per Telefon über ihr Medienverhalten und ihre Medieneinschätzung befragt (Media Perspektiven 2005, Pressemitteilung: ARD/ZDF-Studie „Massenkommunikation 2005“) 64 Die Studie TimeBudget untersucht seit 1999 via Telfoninterviews das Mediennutzungsverhalten der Deutschen in einem halbjährigen Rhythmus. Befragt wird die Altersgruppe der 14-49-jährigen. Seit der zweiten Studie in 2003 ist die Stichprobe kontinuierlich 1000 Personen stark (Seven One Media 2005, S. 2ff.). 65 Entscheidend ist jedoch, dass alle Studien eine Zunahme der Mediennutzung zeigen.

72 Abb. 17: Entwicklung der Mediennutzung 1980 bis 2005 in Min./Tag (brutto)

1980 1985 1990 1995 2000 2005 Gesamt* 346 351 380 393 502 600 Hörfunk 135 154 170 162 206 221 Fernsehen 125 121 135 158 185 220 CD/LP/MC/MP3 15 14 14 14 36 45 Internet - - - - 13 44 (*): Fernsehen, Hörfunk, CD/LP/MC/MP3, Tageszeitung, Zeitschriften, Bücher, Video/DVD, Internet ------Basis: Personen ab 14 Jahre, BRD gesamt1), Mo–So2), 5.00–24.00 Uhr. 1) Bis 1990 nur alte Bundesländer. 2) Der Sonntag wurde erst ab 1990 in die Erhebung aufgenommen. Quelle: ARD/ ZDF-Studie Massenkommunikation, Wellen 1980–2005.

Quelle: Eigene Darstellung nach Eimeren van/Frees 11/2006, S. 567.

Die Tageszeiten, wann Medien vornehmlich genutzt werden, bleiben weiterhin relativ stabil. Zeitung und Radio werden nach wie vor verstärkt in den Morgenstunden genutzt, wobei eine intensive Nutzung des Hörfunks bis in den späten Nachmittag abgeschwächt anhält. Das Medium Fernsehen hat seinen Nutzungsschwerpunkt am Abend, insbesondere zwischen 18 und 22 Uhr. Das Internet, das in den letzten Jahren sprunghaft an Bedeutung für die deutschen Bundesbürger gewonnen hat, integriert sich tagesbegleitend in der Zeit zwischen acht Uhr und 22 Uhr in den Medienalltag der Bundesbürger (vgl. Eimeren van/Ridder 10/2005, S. 495ff.) (vgl. Abb. 18).

Abb. 18: Mediennutzung im Tagesverlauf 2005, Montag bis Sonntag

Quelle: Eimeren van/Ridder 10/2005, S. 500.

73 5.2. Mediennutzungsverhalten in Bezug auf Tonträger Tonträger und Musikdateien verzeichnen bereits seit dem Jahr 2000 einen massiven Zuwachs in der Nutzungsdauer. In den letzten Jahren hat sich dieser Trend, wenn auch abgeschwächt, fortgesetzt. Mit insgesamt 45 Minuten täglicher Nutzungsdauer liegen die auditiven Speichermedien 2005 noch knapp vor dem Internet (vgl. Abb. 17). Insbesondere bei den 14- bis 19-jährigen zeigt sich dieser Trend noch deutlicher. Aus diesem Grund bezieht sich dieses Kapitel in erster Linie auf Jugendliche und junge Erwachsene. Jedoch ist dies auch einem Mangel an entsprechend detaillierten Daten zu anderen Personengruppen geschuldet..

Die Nutzungsdauer von auditiven Speichermedien hat bei der Zielgruppe der 14- bis 19-jährigen von 76 Minuten täglich im Jahr 2000 auf 117 Minuten täglich im Jahr 2005 einen erheblichen Zuwachs erhalten. In einer Bewertung zur Langzeitstudie Massenkommunikation 2005 heißt es:

„Auditive Speichermedien sind bei Jugendlichen immer besonders beliebt gewesen. Allerdings hat noch nie ein neu entwickeltes Speichermedium einen derartigen Umbruch im Umgang mit medialen Inhalten ausgelöst und eine ganze Generation geprägt wie der MP3-Player. [...] Mobile ‚all in one-Geräte’, von denen die ersten auf dem Markt sind, entsprechen bereits heute den Vorstellungen vieler, nicht nur jugendlicher Medienkonsumenten.“ (Eimeren van/Ridder 10/2005, S. 499)

Auch die 15. Shell Jugendstudie66 (basierend auf einer repräsentativen Stichprobe von 2.532 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zwölf bis 25 Jahren) sowie die JIM-Studie67 (basierend auf einer repräsentativen Stichprobe von 1.205 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 19 Jahren) attestieren die enorme Bedeutung von Musik im Leben der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.68

66 Die Langzeitjugendstudie von Shell untersucht bereits seit 54 Jahren im Abstand von zwei bis vier Jahren die Situation von jungen Erwachsenen in Deutschland. Neben politischen und sozialen Aspekten findet auch das Mediennutzungsverhalten Berücksichtigung in der Studie (Shell Deutschland Holding 2006, S. 13). 67 Die von dem medienpädagogischen Forschungsverband Südwest 2006 zum neunten Mal herausgegebene Studie JIM (Jugend, Information, (Multi-)Media) erforscht seit 1998 jährlich Perspektiven sowie Entwicklungen im Medienumgang von Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren. (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006, S. 3) 68 In der 15. Shell Jugendstudie - Jugend 2006 führt die Kategorie Musik hören mit 63 Prozentpunkten (66 Prozent 2002) die Liste der häufigsten Freizeitbeschäftigungen im Laufe einer Woche an (Shell Deutschland Holding 2006, S. 78).

74 JIM Studie Die Wichtigkeit von Musik für Jugendliche und junge Erwachsene bestätigt die Tatsache, dass Haushalte, in denen Jugendliche aufwachsen, besonders gut mit medialen Geräten ausgestattet sind: Fast alle Haushalte verfügen hier über Fernseher, Handy, CD-Player, Computer, Videorecorder sowie Internetzugang und bereits 87 Prozent dieser Haushalte sind in Besitz eines MP3-Players. Inzwischen besitzen sogar 79 Prozent der Jugendlichen selbst einen MP3-Player, 84 Prozent einen CD-Player, 60 Prozent besitzen einen eigenen Computer / Laptop und etwas mehr haben einen eigenen Fernseher. Ganze 92 Prozent verfügen über ein eigenes Mobiltelefon (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006, S. 8ff.). Laut der JIM-Studie von 2006 nutzen 81 Prozent der zwölf- bis 19-jährigen mindestens mehrmals pro Woche Musik-CDs oder Kassetten, 78 Prozent einen MP3-Player69 und 72 Prozent das Radio (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006, S. 40).70 Das bedeutet, dass Jugendliche in der Regel mehrfach in der Woche Musik rezipieren und auch mehrfach über Geräte verfügen, die potentiell bzw. in erster Linie zum Musik hören genutzt werden. Entsprechende Geräte sind (nicht alle Geräte werden in den Studien erfasst): CD-Player, MP3-Player (auch iPod71 genannt), Mini-Disc-Recorder, Kassettenrekorder, Plattenspieler, sogenannte Handheld-Geräte, Computer, Laptop, MP3-fähige Mobiltelefone, DVD-Player. Insbesondere mobile Geräte wie der MP3-Player finden verglichen zu der Gesamtbevölkerung bei Jugendlichen verstärkte Verbreitung (vgl. Abb. 19). Die Abbildung 19 zeigt, dass jedoch auch Erwachsene auf eine ganze Reihe von verschiedenen Geräten zurückgreifen können, die das Abspielen von Musik ermöglichen.

69 Musik ist der wesentliche Inhalt auf MP3-Playern. 94 Prozent der Jugendlichen hören sich mit ihrem MP3-Player ausschließlich Musik an. Weitere sechs Prozent nutzen ihn auch, um andere Inhalte, meist Wortbeiträge, zu hören. Durchschnittlich stehen den jugendlichen Konsumenten 913 Titel auf ihren MP3-Playern zur Verfügung. Wobei 40 Prozent weniger als 100 Musiktitel archiviert haben. Ein weiteres Drittel hat zwischen 100 bis unter 500 Titel zur Verfügung und 20 Prozent verfügen über 500 bis 5000 Titel. Die verbleibenden fünf Prozent haben mehr als 5000 Titel gespeichert. Jungen archivieren im Durchschnitt dreimal so viele Musiktitel wie Mädchen. (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006, S. 18.) 70 Im Vergleich dazu nutzen fast zwei Drittel aller Jugendlichen (69 Prozent) mehrfach pro Woche das Internet. Nach wie vor führen die Medien Fernsehen und Computer die Medienbeschäftigung in der Freizeit an. 90 Prozent der Jugendlichen sehen mehrmals pro Woche fern und 83 Prozent benützen innerhalb dieses Zeitraums den Computer (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006, S. 40). 71 Statt MP3-Player wird häufig (auch in Studien) fälschlicherweise nur der Markenname iPod verwendet und somit als Synonym für den MP3-Player verwendet. Seit der Markteinführung 2001 hat Apple ein knappes Dutzend Modelle vorgestellt.

75 Abb. 19: Geräteausstattung in Deutschland 2006

Geräteart Haushaltsausstattung in Prozent

Radiogerät 98,3 Fernsehgerät 97,7 CD-Player* 87 Autoradio 83,5 Kassettenrekorder* 81 Videorecorder 64,6 Personal Computer 60,0 DVD-Player 55,7 MP3-Player 29,1 Laptop/Notebook 21,9 DVD-Recorder 20,4 Mini-Disc-Recorder* 17 Festplattenrecorder 5,3 Basis: Erwachsene ab 14 Jahre in Deutschland. Quelle: MA 2006 Radio II. (*) BRD gesamt 2005 (ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation (zit. nach Eimeren van/Ridder 10/2005 S. 492.))

Quellen: Eigene Darstellung nach Eimeren van/Frees 11/2006, S. 566; Eimeren van/Ridder 10/2005 S. 492.)

5.3. Resümee Wenngleich die deutsche phonographische Wirtschaft auch im Jahr 2006 wieder ein Umsatzminus von 2,4 Prozent verbuchen musste, zeigt die Analyse von aktuellen Daten der Mediennutzung ein zunehmendes Interesse an Musikinhalten. Unauthorisierte Downloads und Privatkopien gelten nach wie vor laut Angaben der phonographischen Wirtschaft als Hauptgrund für den dennoch anhaltenden Umsatzrückgang der Phonobranche (Musikwoche.de 29.03.2007, Deutsches Musikgeschäft erneut im Minus). Das dies nicht der einzige Grund sein kann, zeigt sich im Laufe dieser Arbeit mehrfach. Zunehmend ist derzeit vor allem der mobile Musikkonsum bzw. der Musikkonsum außer Haus . Dies belegen die in diesem Kapitel angeführten Zuwächse bei mobilen Abspielgeräten, allen voran dem MP3-Player. Verkaufsrekorde bei Apples iPod und iTunes bestätigen diesen Trend (Musikwoche.de 10.04.2007, Apple meldet neue Verkaufsrekorde für iPod und iTunes). Daneben zeigt sich jedoch auch ein enormer Wachstum im Konzertgewerbe. Laut dem US- Marktforschungsinstitut eMarketer wird das weltweite Geschäft rund um die Musik bis 2011 um 9,1 Prozent wachsen, wobei in den nächsten Jahren vor allem der Veranstaltungssektor (u.a. Tickets, Merchandising, Toursponsoring) wachstumstreibend sein wird (Musikwoche 18.05.2007, S. 3). Dies bestätigt auch der Trend des wachsenden Ticket-Geschäfts vor allem im Online- Bereich (Musikwoche 23.02.2007, S. 9). Veranstalter, Internetanbieter und Gerätehersteller

76 profitieren somit von der digitalen Revolution, die Musik für den Konsumenten leichter zugänglich gemacht hat – sei es legal oder illegal. Der Zugang zu Musik über verschiedene Geräte, die auch mobil nutzbar sind, könnte somit auch für eine Zunahme der Nutzungsdauer verantwortlich sein.

6. Empirie

In diesem Kapitel werden nach einer knappen Einführung in die Methode des Experteninterviews, die Interpretation und die Ergebnisse – der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experteninterviews mit führenden Personen der Motor Entertainment GmbH und der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH – präsentiert.

6.1. Einführung in die Methode des Experteninterviews Das Experteninterview ist in der Anwendung weit verbreitet, wenngleich es unter den Methoden der empirischen Sozialforschung eine Randstellung genießt (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 481). Dies drückt sich in einem recht dürftigen Angebot an methodischer Literatur aus (Bogner/Menz 2005, S. 33). Meuser und Nagel merken an, dass das Experteninterview in den gängigen Lehr- und Handbüchern zu den Methoden der empirischen Sozialforschung höchstens kurz erwähnt wird (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 482). Einzelne Aufsätze, das in diesen Ausführungen zitierte Buch „Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung" von Bogner, Littig und Menz sowie insbesondere Beiträge von Meuser und Nagel bieten Anregungen zu der Durchdringung des Experteninterviews, dessen Status als eigenständige Methodik nach wie vor noch nicht gefestigt ist. Dies liegt unter anderem daran, dass das Experteninterview nach Ansicht vieler Wissenschaftler als abgrenzbare und eigenständige Methode sehr umstritten ist (vgl. Bogner/Menz 2005, S. 19; Hoffmann 2005, S. 268; Kassner/Wassermann 2005, S. 103ff.). Bedingt ist dies dadurch, dass Experteninterviews häufig nicht den gängigen qualitativen Anforderungen nach Offenheit und Nicht-Beeinflussung entsprechen und die Stichprobe bei Experteninterviews hoch selektiv ist (vgl. Bogner/ Menz 2005, S. 20; Hoffmann 2005, S. 268). Insbesondere Kassner und Wassermann kritisieren den Ansatz von Meuser und Nagel, die das Experteninterview als eigenständige Methode ansehen: Aus der Sicht von Kassner und Wassermann sind bei der Interviewgestaltung oder -auswertung von Experteninterviews keine Abweichungen zu erkennen, die nicht gleichzeitig auf qualitative Interviews im Allgemeinen zutreffen würden. Daher sehen Kassner und Wassermann das Experteninterview im Sinne von Meuser und Nagel nur als

77 Forschungsanliegen an und nicht als eine eigenständige Methode (Kassner/Wassermann 2005, S 95). Meuser und Nagel sehen hingegen die Anwendung des Experteninterviews sowohl als eigenständiges Verfahren wie auch im Methodenmix als nicht bedenklich (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 481). Die unterschiedlichen Auffassungen zeigen, dass es einen generellen Standard für Experteninterviews nicht geben kann. „Das Spektrum reicht von quantitativ orientierten Verfahren über Konzeptualisierungen des Experten als eine Art Informationslieferant [...] bis hin zu dem theoretisch anspruchsvollen, dezidiert qualitativ orientierten Ansatz von Michael Meuser und Ulrike Nagel (1991; 1994; 1997).“ (Bogner/Menz 2005, S. 20) Die Methoden beeinflussen sich wechselseitig. Menz und Bogner benennen aus diesem Grund das Experteninterview als plurale Methodik, da derzeit kein einheitlicher Regelansatz in Aussicht steht (vgl. Bogner/Menz 2005, S. 67).

Experteninterviews erfolgen optimalerweise in einer Gesprächssituation, sie können aber auch per Telefon abgehalten werden. Ein Interviewleitfaden dient dem Interviewer während des Gesprächs als Stütze (vgl. Hoffmann 2005, S. 272). Dieser kann ausformuliert sein. Nach Meuser und Nagel gibt der Leitfaden lediglich Themengebiete vor (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 487). Für die Auswertung des Gesprächs ist es notwendig, das Interview aufzuzeichnen und in der Folge zumindest in Auszügen zu transkribieren. Laut Meuser und Nagel wird eine Person zu einem Experten, indem sie über Wissen verfügt, das sie zwar nicht unbedingt alleine besitzt, das aber nicht allgemein zugänglich ist. Experte ist der, „[...] der einen Überblick über das auf einem Gebiet insgesamt gewusste Wissen, d.h. einen Überblick über einen Sonderwissensbereich hat [...]“ (Pfadenhauer 2005, S. 115), fasst Pfadenhauer zusammen. Meist ist das Expertenwissen an eine Berufsrolle oder weitere institutionalisierte Rollen gebunden. Experteninterviews rekonstruieren somit Expertenwissen, indem sie exklusives, detailliertes und umfassendes Wissen in Theorie oder Praxis thematisieren (vgl. Pfadenhauer 2005, S. 113). Wer sich als Experte eignet, ist abhängig vom Forschungsvorhaben und in Relation zum Handlungsumfeld des Experten zu sehen:

„Der Experte verfügt über technisches, Prozess- und Deutungswissen, das sich auf ein spezifisches professionelles oder berufliches Handlungsfeld bezieht. Insofern besteht das Expertenwissen nicht allein aus systematisiertem, reflexiv zugänglichem Fach- oder Sonderwissen, sondern es weist zu großen Teilen den Charakter von Praxis- und Handlungswissen auf, in das verschiedene und durchaus disparate

78 Handlungsmaximen und individuelle Entscheidungsregeln, kollektive Orientierungen und soziale Deutungsmuster einfließen.“ (Bogner/Menz 2005, S.46)

Der Experte verfügt in der Regel gegenüber dem Interviewer über einen deutlichen Wissensvorsprung in seinem Fachgebiet. Deswegen ist es wichtig, dass Letzterer sich mittels ausführlicher Recherchen im Vorfeld den Status eines Quasi-Experten, wie Pfadenhauer ihn nennt, erarbeitet, um eine allzu große Wissenskluft zwischen den Interviewpartnern zu vermeiden. Dennoch ist die Interviewsituation keineswegs gleichberechtigt. Das Experteninterview ist in der Regel als ein einseitiger Informationstransfer angelegt (vgl. Hoffmann 2005, S. 268). Dadurch kann der Interviewer im Laufe des Interviews und eventuell durch Zusatzmaterial einen ähnlichen Wissensstand in dem befragten Themenkomplex wie der Experte erreichen (vgl. Hoffmann 2005, S. 272). Bogner und Menz verweisen in diesem Zusammenhang auf sechs Typen, die mögliche Rollen, die der Interviewer während des Gesprächs einnehmen kann, beschreiben: Interviewer als Co-Experte, der Interviewer als Experte einer anderen Wissenskultur, Interviewer als Laie, Interviewer als Autorität, Interviewer als potentieller Kritiker, Interviewer als Komplize (Bogner/Menz 2005, S. 50ff.) In Anlehnung an Vogel (vgl. Vogel 1995, S. 95ff.) sowie Meuser und Nagel unterscheiden Bogner und Menz außerdem drei dominante Formen von Experteninterviews: Das Explorative, das Systematisierende und das Theoriegenerierende. Explorative Experteninterviews bieten beispielsweise erste Orientierung in einem thematisch neuen oder noch ungeordneten Forschungsfeld und helfen somit letzteres zu strukturieren. Im Mittelpunkt der systematisierenden Experteninterviews steht „[...] das aus der Praxis gewonnene, reflexiv verfügbare und spontan kommunizierbare Handlungs- und Erfahrungswissen“ (Bogner/Menz 2005, S. 37) der Experten. Die Rolle des Experten entspricht hier einem Ratgeber, der über ein dem Forscher sonst nicht zugängliches Fachwissen verfügt. Die kommunikative Erschließung sowie analytische Rekonstruktion einer subjektiven Dimension des Expertenwissens steht im Vordergrund bei dem theoriegenerierenden Experteninterview (vgl. Bogner/Menz 2005, S. 36ff.).

Nachfolgend wird nun auf die Auswertung der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experteninterviews Bezug genommen.

79 6.2. Auswertung der Experteninterviews Es zeigte sich im Laufe der Auswertung, der im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten, dass sich das Experteninterview, wie vermutet, als eine geeignete Methode erwies, um einerseits marktspezifische Informationen zu erlangen (Wissenserweiterung). Und andererseits bestehende Informationen abzusichern sowie die Experten und ihre subjektive Sicht auf das Unternehmen näher kennen zu lernen. Dementsprechend kann nach Menz und Bogner, die sich bei ihrer Typologie des Experteninterviews an Arbeiten von Vogel und Meuser und Nagel orientieren, das Vorgehen der Interviewerin als systematisierend sowie auch theoriegenerierend beschrieben werden. Orientierung bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Experteninterviews boten insbesondere die von Michael Meuser und Ulrike Nagel veröffentlichten Arbeiten zu der Methode des Experteninterviews, die das Experteninterview systematisch begründen. Anregungen für die Konzeption der Interviews und die Auswertungsstrategie fand die Autorin auch durch das explorative Verfahren der Grounded Theory Methodologie, die in den 1960er Jahren von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss72 im Zuge eines Forschungsprozesses entwickelt wurde. Heute zählt dieser Forschungsstil zum Grundbestand der qualitativen Forschung (vgl. Mey/Mruck 2007, S. 11ff.). Entscheidend an der Methodologie ist, dass die Prozesse der Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung zeitlich parallel ablaufen und sich gegenseitig beeinflussen. Die erarbeitete Theorie ist in den Augen von Strauss immer ein subjektiv geprägtes Produkt, da die Forschenden immer auch als Interpreten der erhoben Daten in Erscheinung treten (Strübing 2004, S. 14ff.). Meuser und Nagel beschreiben die einzelnen Arbeitsschritte zu der Auswertung von Experteninterviews mit den Punkten: Transkription, Paraphrase, Kodieren, Überschriften, thematischer Vergleich, soziologische Konzeptualisierung und theoretische Generalisierung (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 488f.; Meuser/Nagel 2005, S. 83ff.). Der Arbeitsschritt nach der Transkription – die Paraphrase – gliedert den Text laut Meuser und Nagel in thematische Einheiten. Es ist der erste Schritt der Verdichtung des Textmaterials. Die paraphrasierten Passagen werden in der Folge mit Überschriften versehen. Das Kodieren dient dazu, das vorhandene Material zu verdichten, indem man die Interviewpassagen thematisch ordnet. Beim thematischen Vergleich werden in der Folge vergleichbare Textpassagen aus verschiedenen

72 Das viel zitierte Buch „The Discovery of the Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research”, das einen Grundstein zur Grounded Theory Methodologie darstellt, blieb die einzige gemeinsame Buchpublikation von Glaser und Strauss. Beide differenzierten in der Folge mit der Unterstützung ihrer jeweiligen Anhänger zügig den Forschungsstil in unterschiedliche Richtungen aus (vgl. Mey/Mruck 2007, S. 11ff.).

80 Interviews gebündelt. Im Schritt der soziologischen Konzeptualisierung werden die Ergebnisse des Interviews in Bezug zu theoretischen Wissensbeständen gesetzt (vgl. Meuser/Nagel 2003, S. 488f.; Meuser/Nagel 2005, S. 83ff.). Mit der theoretischen Generalisierung werden die Kategorien in ihrem internen Zusammenhang theoretisch geordnet, indem man sich auch vom Textmaterial selbst loslöst. „Die Darstellung der Ergebnisse geschieht aus einer theoretisch informierten Perspektive auf die empirisch generalisierten ‚Tatbestände’“ (Meuser, Michael / Nagel, Ulrike 2003. S. 489). Das Hauptverfahren der Grounded Theory Methodologie gliedert sich in die Datenerhebung, das Kodieren, das Schreiben von Memos, das Finden von Schlüsselkategorien, das Theoretische Sampling bis zu der Sättigung der Theorie. Wenngleich sich die Autorin in erster Linie an dem von Meuser und Nagel entwickelte Modell der Datenauswertung orientierte, boten die der Grounded Theory inhärenten Kodierschritte des offenen, axialen und selektiven Kodierens und das Bilden von Schlüsselkategorien Anhaltspunkte bei der Auswertung (vgl. Berg / Milmeister 2007, S.186ff., Glaser 2007, S. 47ff.; Mey/Mruck 2007, S. 25 ff.; Strübing 2004, S. 19ff.).

6.2.1. Auswahl der Experten Die Auswahl der Experten Tim Renner (42 Jahre), Mona Rübsamen (42 Jahre) und Markus Kühn (34 Jahre) ergab sich durch ihre geschäftsführende Tätigkeit in dem zu untersuchenden Medienkonglomerat sowie ihre prägnante Orientierung an künftigen Entwicklungen am Medienmarkt. Das Interview mit Tim Renner, dem Geschäftsführer der Motor Entertainment GmbH und der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH, stand am Anfang der Arbeit und bot einen ersten Einblick in das Mediennetzwerk der Motor Entertainment GmbH, dessen Firmenstruktur für Außenstehende schwer zu durchdringen ist. Das Interview zeigte der Forscherin, dass eine Konzentration auf das Unternehmen, auch hinsichtlich der Auswahl weiterer Experten, hilfreich sei und neue Gesichtspunkte aufdecken würde. Zudem würde es helfen das Konglomerat Motor Entertainment in seiner Breite zu erfassen. Somit war das erste Experteninterview der Auslöser dafür sich auch in der Folge auf die Innenperspektive des Unternehmens zu beschränken, anstatt Stimmen von Außenstehenden verstärkt mit einzubeziehen73. So erwiesen sich in der Folge Mona Rübsamen und Markus Kühn als Geschäftsführer der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH und der Crossmedia-

73 Im Nachhinein betrachtet hätte das Einbeziehen der Außenperspektive vermutlich den Rahmen dieser Arbeit gesprengt bzw. das Unternehmen nur mit unzureichender Schärfe dargestellt.

81 Marketing- und Produktions-Agentur M2M - Medien Marken Musik GmbH ebenfalls als geeignete Interviewpartner. Auf ein Interview mit Petra Husemann, die neben Tim Renner ebenfalls Geschäftsführerin der Motor Entertainment GmbH ist, wurde in erster Linie aus logistischen Gründen und auf Grund der Tatsache, dass bereits eine hohe Dichte an Material vorhanden war, verzichtet.74

6.2.2. Angewandte Technik bei der Auswertung der Experteninterviews Alle drei Interviews fanden in einem direktem Gespräch statt, basierten auf dem gleichen Leitfaden und wurden als MP3-Datei mitgeschnitten. Unter Beachtung von Pausen und Stimmlagen wurden die Experteninterviews anschließend vollständig transkribiert75. In einem weiteren Schritt erfolgte ein offenes Kodieren der Interviews. Nachfolgend wurde der Text mit Überschriften versehen. In der Folge wurden Schlüsselbegriffe herausgefiltert. Daraufhin wurden die Schlüsselbegriffe nach Themen und Relevanz für die Fragestellung sortiert und die Interviewinhalte zueinander in Beziehung gesetzt. In einem nächsten Schritt wurden die Transkripte nach Auffälligkeiten untersucht und ebenfalls zueinander in Beziehung gesetzt. Das heißt, es wurde analysiert wie, warum und wann ein entsprechender Inhalt formuliert wurde und wie sich die anderen Interviewpartner zu diesem Inhalt geäußert haben. Entscheidend war, dass

74 Erst im Laufe der Auswertung der Experteninterviews wurden personelle Strukturen sowie Eigentümeranteile sichtbar. So erfuhr die Interviewerin erst im Laufe der Durchführung der Interviews bzw. der Auswertung, dass Petra Husemann neben Tim Renner Geschäftsführerin des Unternehmens Motor Entertainment ist. Husemann ist insbesondere für die Betreuung und Leitung des Labels zuständig. Da das Konglomerat in jüngster Vergangenheit vor allem die jungen Medien Motor FM und Motor TV öffentlichkeitswirksam präsentierte, erweckte dies den Eindruck, dass die Geschäftsführer der Motor Entertainment GmbH denen der Plattform für regionale Musikwirtschaft entsprächen. Eine klärender elektronischer Schriftverkehr zwischen der Forscherin und Mona Rübsamen beseitigte jedoch dieses Missverständnis und legte die in Kapitel 4 angeführten Eigentumsverhältnisse offen.

75 Erklärungen zur Transkription: Pausen (..) kurze Pause, (...) mittlere Pause, (4) ab 4 Sekunden, Länge in Klammern Unverständliches (n Wörter?) Unsichere Transkription (abc) Heben der Stimme (°) Senken der Stimme (.) Betonung Unterstrichen: abc Wortabbruch Abc| Satzabbruch Abc| Anmerkung [Kommentar] Auslassungen [...]

82 sich dadurch ein detailliertes Bild der Interviewpartner ergeben hat, welches an späterer Stelle näher beschrieben wird.

6.3. Ergebnisse und Interpretation Das folgende Unterkapitel widmet sich nun den Ergebnissen und der Interpretation der drei Experteninterviews, die im Rahmen dieser Arbeit mit führenden Personen der Motor Entertainment GmbH und der Plattform für regionale Musikwirtschaft statt gefunden haben. Somit stehen die Experten selbst auf den folgenden Seiten im Mittelpunkt, bevor anschließend Punkte wie Unternehmensziele, Strategie und die Wahrnehmung des Unternehmens aus Sicht der Experten näher erläutert werden.

6.3.1. Die Experten Das erste Experteninterview mit Tim Renner fand Ende März 2007 in Berlin-Mitte statt und dauerte 57 Minuten. Die folgenden Experteninterviews mit Markus Kühn (Dauer: 30 Minuten) und Mona Rübsamen (Dauer: 97 Minuten), die beide am gleichen Tag statt fanden, konnten Mitte April 2007 in Berlin-Kreuzberg durchgeführt werden. Alle hier befragten Experten blicken auf eine intensive praktische Erfahrung in der Medienbranche zurück und weisen sehr fundierte und tiefgreifende Kenntnisse im Mediensektor auf. Im folgenden Abschnitt werden die Experten nun näher beschrieben. Tim Renner kümmert sich bei Motor Entertainment in erster Linie um politisches Networking, die Finanzierung und die ganzheitliche Kommunikation im Unternehmen (T.R.: Z. 715-718). Aber auch die direkte Arbeit mit den Künstlern liegt ihm am Herzen (T.R.: Z. 718-720). Nach wie vor ist folglich der Labelbereich, den seine Frau Petra Husemann leitet (M.R.: Z. 1536), für ihn von besonderem Interesse. Sein derzeitiges Arbeitsfeld erklärt sich aus früheren Positionen bei dem Konzern Universal Music Deutschland, bei welchem er als President Music, CEO und Chairman tätig war (Meier [2006], Biographie Tim Renner), wenngleich er heute deutlich weniger Verantwortung trägt. Künftigen Entwicklungen der Unternehmung Motor Entertainment steht er, wie auch die Experten Rübsamen und Kühn, mit großer Hoffnung gegenüber. Markus Kühn ist neben Rübsamen und Renner einer der Geschäftsführer und Gründer der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH, an der die Motor Entertainment GmbH zur Zeit zu 48 Prozent beteiligt ist. Die Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH ist ein Joint-Venture zwischen der Motor Entertainment GmbH und der M2M. In diesem Joint-Venture leitet Kühn den Bereich Marketing

83 und ist somit auch für den Kundenkontakt nach Außen zuständig (M.R.: Z. 1539-40). Zuvor hat Kühn nach eigenen Angaben länger als Komponist und Produzent gearbeitet sowie in der Musikberatung diverser Fernsehsender, bevor er sich nach einer Tätigkeit bei Universal in Hamburg mit Rübsamen und der M2M 2000/01 selbstständig machte (M.K.: Z. 4-18). Mona Rübsamen arbeitete, nachdem sie eine kaufmännische Ausbildung sowie ein Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftkommunikation mit Schwerpunkt Kommunikationsgestaltung absolviert hat, sechs Jahre bei MTV. Dort machte sie vor allem bei dem Aufbau von MTV in Deutschland (M.R.: Z: 402-458) erste Erfahrungen mit dem managen eines Sendergebildes (M.R.: Z: 554-556), bevor sie sich gemeinsam mit Kühn und der Firma M2M selbstständig machte. M2M ist auch heute noch unter Kühns und Rübsamens Führung aktiv und ergänzt sinnvoll das Angebot von Motor Entertainment.76

Bei der Auswertung der Interviews fiel auf, dass Rübsamen und Kühn ihrem beruflichem Werdegang entsprechend, den Kern ihrer Arbeit sowie den Schwerpunkt des Unternehmens vor allem in den jüngst (in erster Linie durch sie) eingeführten Medien Motor FM und Motor TV sowie den zugehörigen Internetauftritten und dem verbindenden Onlineportal Motor.de sehen. Dies zeigt sich dadurch, dass diese Themenbereiche sehr detailliert besprochen werden, hingegen andere Aktivitäten von Motor Entertainment weniger Berücksichtigung finden. Für Renner steht momentan das Label Motor Music im Mittelpunkt von Motor Entertainment, das nach seinem Ausstieg bei Universal erst 2005 wieder belebt werden konnte (T.R.: Z. 166-167). Mit einer fortschreitenden Verschmelzung der einzelnen Firmen u.a. durch die bevorstehende Zusammenlegung der Standorte in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Mitte dürften die Interessenschwerpunkte der einzelnen Teilhaber zwar weiter bestehen, jedoch in abgeschwächter Form, als zum jetzigen Zeitpunkt.77

6.3.2. Besonderheiten der Experten(-interviews) Personenspezifische Auffälligkeiten zeigen sich in allen Interviews.

76 Wie erwähnt sind Rübsamen und Kühn als Geschäftsführer der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH und der M2M tätig. 77 Der nun aufzulösende Standort in Berlin-Kreuzberg, der insbesondere Motor FM, aber auch Motor TV betreut, war anfangs wegen der räumlichen Nähe zu der Firma Universal erforderlich, da einige Mitarbeiter mit Aufnahme der Arbeit bei Motor Entertainment zeitweise noch parallel bei Universal arbeiteten. Durch den Zuzug von Kühn und Rübsamen in die Büroräume nach Berlin-Mitte ist der Führungskreis des Unternehmens in einem Gebäude vereint (vgl. T.R.: Z. 641-654).

84 Tim Renner So fallen bei Renner immer wieder Ausdrücke wie „hoffentlich, hoffe“. Aber auch Wörter wie „eigentlich, vielleicht, irgendwie, irgendwelche, irgendwas, versuchen“ oder „verblüffend, überraschend, spannend“ unterstreichen die derzeitige Situation des Unternehmens und Renners Haltung bezüglich der Entwicklung des Unternehmens. Dementsprechend beantwortet Renner auch die Frage, wie sich das Unternehmen auf künftige Entwicklungen einstellt wie folgt: „Also wir versuchen das heute zu machen (.) von dem wir ausgehen, dass es in fünf Jahren breitenrelevant ist.“ (T.R.: Z.1060-1061) Dennoch findet Renner immer wieder auch bestätigende bzw. reflektierende Worte, wie „(eben-)halt, also, primär, letztlich, zumindest, insofern, das heißt, einfach, logisch“, die die Zuversicht gegenüber künftigen Entwicklung wie der Digitalisierung der Medien ausdrücken. Insgesamt erscheint Renner als sehr kompetenter Experte, der differenziert Sachverhalte sowie künftige Entwicklungen beschreibt. Er leitet gewissenhaft Tatbestände her, begründet diese und zeigt sich überzeugt von dem, was er sagt, sowie von seinem Handeln. Weniger gewisse oder risikobehaftete Aussagen und Entwicklungen hebt er hervor, um die Hintergründe nicht zu vernachlässigen. Mehrfach im Interview stellt er kurze rhetorische Rückfragen bzw. fügt ein knappes und fragendes „Na (°)?“ ein, um eine kurze Bestätigung der Interviewerin abzuwarten.

Markus Kühn Kühn berichtet im Interview mit großer Selbstverständlichkeit von seinem Arbeitsfeld, dem er wie Renner und Rübsamen mit großer Hoffnung für die Zukunft gegenüber steht. Er erweckt mit der gezielten Beantwortung der Fragen den Eindruck, er wolle der Interviewerin vor allem einen Gesamtüberblick über das weite Tätigkeitsfeld des Unternehmens verschaffen, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren. Im Interview vermittelt er einen „lockeren“ und dennoch sehr zielstrebigen Eindruck. Wörter wie „natürlich, klar, logischerweise, sicherlich“ fallen im Laufe des Interviews relativ häufig und spiegeln die Selbstverständlichkeit wieder mit der Kühn an seine Arbeit geht. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn Kühn beschreibt, was er mit der Marke Motor und der musikalischen Ausrichtung verbindet:

„Ich höre die Musik logischerweise gerne, sonst würde ich hier [lacht] wahrscheinlich nicht arbeiten (.), sonst wären wir wahrscheinlich nicht zusammen gekommen, wenn wir nicht, jetzt sage ich mal, innerhalb aller Gesellschafter ein sehr ähnlichen Musikgeschmack haben. Musik ist in jedem Fall die Seele der Firma. Ansonsten ist Motor sicherlich eine, wenn nicht die best durchgesetzte Marke für genau (..) diese Musik,

85 die wir gerne machen und lässt gleichzeitig in einer Marke oder in der Markenkonstruktion auch noch genug Platz, um neue aufregende Sachen da reinzuintegrieren und sich in verschiedene Richtungen weiter zu entwickeln. Also insofern ist das sicherlich eine gute Basis (.) für den – den Start dessen, was wir gerade tun“ (M.K.: Z. 532-544)

Mona Rübsamen Betrachtet man das Interview mit Rübsamen fällt auf, dass sie am detailliertesten von ihrer Tätigkeit und dem Unternehmen berichtet. Alle drei Experteninterviews kamen über den Kontakt der Interviewerin mit Rübsamen zustande, die sozusagen als Vermittlerin auftrat. Während des Experteninterviews mit Rübsamen empfand die Interviewerin, dass Rübsamen dementsprechend ein besonderes Maß an Verantwortung für das Gelingen des Interviews vermittelte. Dies kam der Qualität des Interviews in vielerlei Hinsicht entgegen. Die gewissenhafte Art von Rübsamen kommt im Interview mehrfach zum Ausdruck. Einerseits beschreibt sie im Interview, wie wichtig ihr verlässliche Auskünfte gegenüber den Mitarbeitern sind, deren Wohl ihr sehr am Herzen liegt (M.R.: Z. 1478-1486). Andererseits beschreibt sie Sachverhalte im Interview sehr detailliert und erklärt ausführlich Hintergründe sowie Zusammenhänge, um Missverständnisse zu vermeiden. Zusammenhänge wie auch die Abgrenzung von verschiedenen Themen sind für sie von besonderer Bedeutung. Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn sie am Anfang des Interviews erklärt:

„Also für mich ist es immer schwierig, wenn du nach allem gleichzeitig fragst, weil wir das alles [...] sehr einzeln auch sehen [...]. Also, mein Job ist das zu vernetzen auf der Inhaltsebene [holt Luft]. Weißt du, das bedeutet, welche Leute lesen Online, weißt de (°), welche Leute hören Radio (°), welche [...] Leute hören Radio auf UKW (°) und welche hören Radio Online (°) und bei TV genau das Gleiche.“ (M.R.: Z. 61-68)

Eine Unterscheidung der einzelnen Bereiche und Medien ist Rübsamen folglich sehr wichtig und ihrem Wunsch entsprechend, ergreift sie in der Folge die Führung des Interviews, um die Sachverhalte so darzustellen, wie sie aus ihrer Perspektive für die Interviewerin relevant erscheinen. Der vorliegende Leitfaden wird dabei auf ihren Wunsch hin vernachlässigt. Sie achtet jedoch sehr gewissenhaft darauf, die Belange der Interviewerin nicht zu übergehen und stellt auch immer wieder kurze Nachfragen. Es ist offensichtlich, dass Grundelemente des Leitfadens Rübsamen bekannt sind, da sie in ihren teilweise monologartigen Ausführungen immer wieder gezielt auf bestimmte Sachverhalte eingeht. Dies zeigt sich auch in Anmerkungen im Interview, wie beispielsweise „[...] haste ja auch schon thematisiert mit Markus (.) [...]“ (M.R.: Z. 79-80). Dieser und ähnliche Kommentare erklären sich daraus, dass Rübsamen zum Zeitpunkt des

86 Interviews mit Kühn im gemeinschaftlichen Büro anwesend war und offenbar einige Details auffing, wenngleich sie selbst zu diesem Zeitpunkt ein Kundengespräch führte.

6.3.3. Thematische Schwerpunkte in den Experteninterviews Basierend auf den unterschiedlich gelagerten Kompetenzen und beruflichen Lebensläufen der Interviewpartner entwickeln sich in den einzelnen Interviews auch verschiedene Schwerpunkte. Im Interview mit Rübsamen dominieren daher Zusammenhänge rund um das Radio sowie Fernsehen, im Speziellen Motor FM sowie Motor TV und im Vergleich dazu MTV. Längere Passagen widmet sie aber auch den Aspekten Crossmedia, Finanzierung, Mediennutzung sowie der Firma M2M. Renner nutzt das Interview verstärkt, um neben der Beschreibung der Motor- Medien, wie Motor.de, Motor FM, Motor TV und dem Label Motor Music, auf Themen, wie Unternehmensfinanzierung, dem (politischen) Kampf um Radio- und Fernsehfrequenzen, Digitalisierung der Medien, Mediennutzung sowie Konvergenz, einzugehen. Bedingt durch die vergleichsweise kurze Interviewzeit erlangt im Gespräch mit Kühn keines der Themen eine so detaillierte Tiefe, wie sie in den Interviews mit Renner oder insbesondere Rübsamen erreicht wird. Dennoch erläutert Kühn bestimmte Punkte, wie Podcast, Blogsystem, Crossmedia und die Firmengründung von M2M neben Motor FM und Motor TV, genauer wie andere Themenbereiche. Themen wie – Mediennutzung, Motor.de, Motor TV, Motor FM oder das Musikfernsehen allgemein – tauchen, auch bedingt durch den Leitfaden, neben den Punkten Crossmedia, Finanzierung, Konkurrenzsituation und der künftigen Entwicklung der Musikindustrie in allen Interviews mehr oder weniger ausführlich auf. Zudem fällt bei allen Interviewpartnern auf, dass sie einen sehr starken Hang zu Anglizismen aufweisen.

6.3.4. Gemeinsame Basis und Hierarchie im Unternehmen Auffällig an den Interviews ist auch, dass die Interviewpartner mehrfach aufeinander verweisen bzw. bestimmte Gedanken sehr ähnlich formulieren, so dass von einem ständigen Austausch untereinander ausgegangen werden kann. So äußert beispielsweise Rübsamen: „Das würde Tim dir wahrscheinlich ziemlich genau, aber wahrscheinlich mit ’nem anderen Wortlaut, so auch [...] beschreiben.“ (M.R.: Z. 1694-1696) Die Aussage bezieht sich auf die innovative und zukunftsorientierte Ausrichtung der Motor Entertainment GmbH. Hierbei wird versucht, heute die Marke Motor in der analogen Welt zu platzieren, um in einer künftigen digitalen Welt Relevanz erreichen zu können. Und in der Tat beschreibt Renner in einem anderen Wortlaut mehrfach die

87 Thematik des analogen Transmissionsriemens ins Digitale (vgl. T.R.: Z. 384-385) bzw. das Befeuern der digitalen Kanäle durch Analoge (vgl. T.R.: Z. 1040-1042). Wie später im Text ausgeführt wird, verweist auch Kühn in seinem Interview auf diese Thematik. Auffällig ist, dass alle drei Interviewpartner im Zusammenhang der Digitalisierung der Medien das Wort „Transmissionsriemen“ aufgreifen. Auch bei der Frage nach einem Vorbild des Unternehmens, bei welcher Kühn und Renner auf die Firma Virgin verweisen, kommt beispielsweise ein Gedankenaustausch zwischen den Interviewpartnern zum Ausdruck. Renner führt hier, seiner sich im Interview herauskristallisierenden Art entsprechend, mehr Details für die Begründung an als die knappe Antwort von Kühn. Für Kühn genügt es als Begründung der Vorbildfunktion zu erwähnen, dass Virgin ähnlich wie Motor Entertainment im Bereich Musiklabel sowie im Mediengeschäft insgesamt engagiert ist. Im Gegensatz dazu betont Renner vor allem die Vermittlung eines Lifestyles, der von Virgin wie Motor angestrebt ist und auf den Renner im Laufe des Interviews immer wieder zurück kommt. Zudem merkt Renner an, dass sich der Vorbildcharakter auf die Anfangsphase von Virgin bezieht und somit in einer anderen Zeit als Motor Entertainment heute verankert liegt. Renner setzt sich auch in Vergleich zu Richard Branson, dem Gründer des Konglomerats Virgin:

„[...] wobei mein Antrieb glaube ich nicht der von Richard Branson ist. Also ich muss nicht Milliadär werden und ich muss auch keine eigenen Fluglinien haben und so (..). ich bin eigentlich ganz glücklich so wie es jetzt läuft und wenn man dann eine gewisse [...] Sicherheit für alle Beteiligten und ein kleines Wachstum reinbringen kann (.), prima! Also da – da brauch ich jetzt nicht mehr (.) [...]“ (T.R.: Z. 809-816).

Kühn beschreibt den gleichen Sachverhalt aus einer gemeinsamen Perspektive: „ [...] ich glaube mit dem Gründen von Fluglinien werden wir uns nicht aufhalten (..) in Zukunft.“ (M.K.: Z. 98-99) Diese Stelle deutet somit eine Führungsposition Renners im Unternehmen an. Dies zeigt sich auch, wenn beispielsweise Rübsamen die Aufgabenbereiche im Unternehmen beschreibt, wobei sie Renners Position an letzter Stelle erläutert:

„Und dann haste Tim, der quasi jetzt, zwar nicht hands on in den eigentlichen Sachen mit dabei ist (.), aber der letztendlich auch derjenige ist, der sehr viel Lobbyarbeit nach außen macht (.), was das Projekt ja auch braucht. Insofern ist dieses Ganze, wie soll ich sagen, ist es für uns auch ein gutes Gefühl a) Mitgesellschafter zu sein (.), wenn du das nämlich mit aufbaust (.) von Anfang an (.), weil du schon weißt (.), also wo Motor drauf steht (.), wird halt schon Motor drin bleiben (.), weil (..) Tim sich das gar nicht leisten kann. Jetzt mal so offen gesprochen (.), dass er da großartig jetzt in die Breite geht (.) oder mainstreamiger wird (.), weil das auch sehr rufschädigend ist für seine Person. Und das finde ich ganz angenehm.“ (M.R.: Z. 1544-1556)

88

Die eben zitierten Worte – dass „Tim sich das gar nicht leisten kann [...]“ (M.R.: Z. 1552) – deuten, hinsichtlich der Marke Motor, eine dominierende Position Renners an. Dennoch schildert Kühn die Hierarchien im Unternehmen als sehr flach (vgl. M.K.: Z. 564) und auch Rübsamen merkt im obigen Zitat an, dass es ein gutes Gefühl ist Mitgesellschafterin zu sein (vgl. M.R.: Z. 1548- 1549). Kühn erläutert, dass sich die Hierarchien weniger aus der Funktion im Unternehmen, sondern aus Kompetenz entwickeln. Weiter beschreibt er, dass gemeinsame Treffen des Führungskreises bestehend aus Renner, Rübsamen, Husemann und Kühn häufig statt finden und alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden (vgl. M.K.: Z. 565-568). Es ist folglich festzuhalten, dass Renner durch seinen beruflichen Werdegang einen „erhöhten“ Status erlangt hat, gleichwohl besteht heute innerhalb des Führungskreises ein ausgeglichene Kräfteverhältnis. Zudem zeigt sich in den Interviews durch die häufige Verwendung der Worte „wir“ und „uns“78, dass die Experten untereinander in regem Austausch und Kontakt stehen und durchaus eine gemeinsame Basis sowie gemeinsame Vorstellungen teilen. Insgesamt fällt auf, dass die Experten das Firmengeflecht meistens aus einer Pluralperspektive, die vermutlich den Führungskreis beinhaltet, beschreiben. Nur wenn explizit nach ihrer Auffassung gefragt wird bzw. wenn Unsicherheiten bestehen, beschreiben die Experten die subjektive Sichtweise. Dies ist insbesondere im Interview mit Kühn festzustellen. Vergleicht man im Gegenzug zu der gemeinsamen „wir“ Perspektive, die Verwendung der subjektiven Perspektive in den Interviews, so zeigt sich, dass Rübsamen mit 246 mal das Wort „ich“ mit Abstand am häufigsten verwendet. Sie gebraucht die subjektive Perspektive sogar etwas häufiger als die gemeinsame Sichtweise. Im Vergleich dazu verwendet Renner das Wort „ich“ 74 mal und Kühn gebraucht es knapp über 50 mal und damit am wenigsten. Rübsamens häufig subjektive Perspektive ist – neben der Länge des Interviews – darauf zurück zu führen, dass sie im Gegensatz zu den anderen Interviewpartnern sehr ausführlich ihren persönlichen beruflichen Werdegang schildert.

6.3.5. Idee und strategische Ziele Unter dem Dach der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH entstand 2004 zuerst der Radiosender Motor FM, auch wenn der Aufbau eines Musikfernsehkanals nach Rübsamens Erfahrungen bei MTV laut Kühn nahe gelegen hätte, „[...] aber das war auch finanziell damals

78 So fällt im Interview mit Rübsamen ca. 220 Mal das Wort „wir“, bei Renner über 180 mal und im Interview mit Kühn findet die erste Person Plural knapp 80 Mal Verwendung (hier muss die kürzere Dauer berücksichtigt werden). Das Wort „uns“ findet bei Rübsamen über 70 mal, bei Tim 45 mal und bei Kühn 23 Verwendung.

89 noch nicht möglich.“ (M.K.: Z. 127-128) Bedingt durch den Hintergrund von M2M orientierten sich Rübsamen und Kühn bei dem Aufbau des Radiosenders an der Logik einer Werbeagentur mit einem starken Fokus auf neue Medien. In ihren Augen fehlte es am Markt an Kommunikationskanälen für Musikinhalte, insbesondere an einem analogen Massenmedium, wie dem Radio, bei welchem nicht nur der Mainstreambereich abgedeckt wird. Als Rübsamen und Kühn die Zusage für eine Frequenz in Berlin hatten, berichteten sie dies Renner (vgl. M.K.: Z. 118- 138). Kühn beschreibt im Interview Renners Reaktion: „Ja Mensch, ich hör doch auch bei Universal auf (.) und wollen wir das nicht zusammen machen. Und das war eigentlich der Moment, wo wir uns dann mal hingesetzt haben (.) und überlegt haben (.), ob es nicht sinnvoll ist, da was zusammen zu machen.“ (M.K.: Z. 139-141) So kam es auch. Kühn betont jedoch: „[...] wir wollten kein Geld von der Musikindustrie (.), aber wir wollten die moralische Unterstützung (°).“ (M.K.: Z. 132-133). Die Zusammenarbeit mit dem in der Szene sehr bekannten Renner eröffnete den Unternehmern zudem neue Möglichkeiten. Ein halbes Jahr nach Renners Ausscheiden bei Universal, also ebenfalls 2004, wurde die Internetplattform Motor.de wiederbelebt. 2005 konnte dann das Label Motor Music wieder seine Arbeit aufnehmen (vgl. T.R.: Z. 728-755). Renner erklärt: „Das hat relativ simple Gründe (.), wenn sie einen großen Konzern verlassen, dann wird dieser große Konzern (..), der sie ja vorher auch gut bezahlt hat, verständlicherweise Wert darauf legen (..), dass sie ihn nicht sofort angreifen, weil sie ja auch einiges an Know-how mitnehmen.“ (T.R.: Z. 729-733) Die Arbeit in den anderen Bereichen, wie Motor FM oder der Online-Plattform, die keinen direkten Angriff auf das Angebot von Universal darstellten, konnten daher bereits nach einer halbjährigen Sperrfrist Renners aufgenommen werden (vgl. T.R.: Z. 744-750). Daran anknüpfend wurde 2006 der Musikfernsehsender Motor TV ins Leben gerufen. Da der Sender von der Motor FM Redaktion mit betreut wird und der technische Mehraufwand gegenüber dem Radioprogramm dank des digitalen Betriebs gering ist, konnte ein neuer Medienkanal erschlossen werden (vgl. M.K.: Z. 38-43). In Kühns Augen lag es nahe, „[...] dass man, wenn man mit geringem Mehraufwand neue Medienkanäle erschließen kann (°), dass man das macht (°).“ (M.K.: Z. 42-43) und so werden laut Rübsamen Radiothemen inzwischen parallel auf ihre Fernsehtauglichkeit geprüft (vgl. M.R.: Z. 346-254). Später im Interview beschreibt Rübsamen, dass man nicht vor hatte einen klassischen Fernsehsender zu gründen. Eine Weiterentwicklung in Richtung Dialogfähigkeit und Rückkanal stellt zukünftig einen Anreiz dar (vgl. M.R.: Z. 1004-1017). Mit Motor TV will man momentan:

90 „[...] eine logische Ergänzung (..) unseres Medienangebots bieten (.), wo wir sagen: Hey, alles klar (.), du hast es ja vielleicht schon im Radio gehört (.), aber sich neue Bands zu merken, ist auditiv echt schwierig| Also geht mir [so, V.H.], ich bin da aber auch visuell geprägt (.), wenn ich einmal das Video gesehen hab (.), weiß ich auch wie die aussehen (.) und dann kann ich mir den Bandnamen besser merken.“ (M.R.: Z. 1005- 1011)

Da auf der Motor.de „alles zusammenläuft“ (M.K.: Z. 266) vermutet Kühn, dass die meisten Nutzer wahrnehmen, dass Motor Entertainment verschiedene Angebote zur Auswahl stellt. Studien gibt es jedoch keine (vgl. M.K.: Z. 264-265). Inzwischen findet vor allem, der wöchentlich erscheinende, Podcast von Motor mit rund 20.000 Abonnenten großen Zuspruch (vgl. M.K.: Z. 302- 305). Auch der Downloadbereich „wird gut angenommen“ (M.K.: Z. 301). Die Umstellung der Internetseite auf ein blogbasiertes System bedeutete laut Kühn „[...] sicherlich auch eine Umstellung für die User, die sich an so was gewöhnen müssen (.)“ (M.K.: Z. 299-301). Für Kühn stammt Motro City aus einer anderen Zeit (vgl. M.K.: Z. 332-333). Renner hingegen bedauert die Abschaltung von Motro City:

„Jeder hat in seinem Leben die ‚One Million Dollar Idea’ und so war’s schon. Hätten wir die Motro City durchgehalten [lacht] (..), wir hatten nur irgendwann einfach nicht mehr das Geld, um die Serverkosten zu bezahlen, dann wären wir heute Second Life. Haben wir leider nicht. Das war ganz offensichtlich ein Fehler, den man auch beim Relaunch gemerkt hat [...].“(T.R.: Z. 176-182)

Zum Neustart der Seite als Blogsystem und der damit einhergehenden Abstellung von Motro City erreichten Motor Entertainment, wie Renner berichtet, eine Vielzahl an Klagen. Daraus ging dann in den Augen Renners hervor, dass sich die Nutzer kein Blogsystem, sondern ein Chatsystem wünschen (vgl. T.R.: Z. 181-185). Heute begreift sich Motor Entertainment in den Augen Kühns als ein alternatives Mediennetzwerk für Musik von Alternative bis Independent bis hin zu Elektro und Punk sowie allem was künftig an Jugend- und Szene-affiner Musik auftaucht (vgl. M.K.: Z. 87-90). Ähnliche Aussagen finden sich auch bei den anderen Interviewpartnern. So beschreibt Renner die musikalische Ausrichtung des Unternehmens mit den Stilrichtungen: „Alternative Rock, Independent Pop. Also das was entstanden ist aus der Punkrevolution Ende 70-er Jahre.“ (T.R.: Z. 27-29) Rübsamen ergänzt:

„Also, das Gesamtkonstrukt, was sich jetzt formiert (..) finde ich sehr mutig und sehr modern (.) letztendlich. Das so im Grunde aus so einer Historie kommend (.), was Motor nur unter ’nem Dach von ’nem Major entwickelt hat (.), im Grunde (..) jetzt seit zwei (..) bald drei Jahren eben versuchst auch jetzt in dem sich

91 ändernden Markt (°) neu zeitgemäß aufzustellen (°). Das heißt also kleine schlanke Strukturen (.), sehr independent vom Ansatz (.), aber mit dem Wissen (°) (..) von erfahrenen Machern eigentlich. Das ist so die [...] Quintessenz. Und deswegen unterscheidet sich auch das ganze Motornetzwerk, (..) denke ich mal (..), dadurch sehr entscheidend von anderen auch independent geführten kleineren Firmen, die nur Teilbereiche anbieten.“ (M.R.: Z. 13-26)

Alle Interviewpartner sehen es als Ziel an, dass sich die Motor Entertainment GmbH in den kommenden Jahren als ein anerkanntes und dennoch innovatives sowie alternatives Mediennetzwerk etabliert. Derzeit befindet sich das Unternehmen noch, wie im folgenden Unterkapitel noch einmal deutlich wird, in der Aufbauphase. Ein Vorteil des Unternehmens ist in den Augen Renners, dass die Motor Entertainment GmbH eine sogenannte Content and Communication Company ist. Das heißt, man verfügt nicht nur über Rechte, sondern besitzt auch Kanäle, diese zu kommunizieren und zu distribuieren. Dies ist insbesondere durch die Digitalisierung der Medien und der damit einhergehenden Kostensenkung der medialen Verbreitung heute leicht möglich. Die daraus resultierenden Möglichkeiten werden von dem Unternehmen bewusst ausgeschöpft und bieten so dem Konsumenten ein gesamtheitliches Angebot (vgl. T.R.: Z. 40-56, 155). Gemäß Rübsamen ist die Grundidee des Unternehmens, dass man bei Motor Entertainment die klassischen Medien, wie den UKW-Sender oder auch das digitale Kabelfernsehen, dazu nutzt, um die Leute auf das Onlineangebot aufmerksam zu machen79: „Du musst die Leute da abholen, wie sie die Medien jetzt gerade nutzen (.) und sie damit dran zu gewöhnen, dass es durchaus Spaß macht, es sinnvoll ist, Online dann weiter zu vertiefen, die Inhalte oder Vorlieben, [...] die da so geweckt worden sind.“ (M.R.: Z. 626-630)

Die befragten Experten gehen laut Rübsamen davon aus, dass sich das Medienangebot und somit auch die Zahl der Medienanbieter in den kommenden fünf Jahren, insbesondere durch Spartenangebote, deutlich verbreitern wird. Um auf den dadurch künftig gesteigerten Wettbewerb vorbereitet zu sein, versucht man bereits heute die Etablierung der Marke Motor zu forcieren (vgl. M.R.: Z. 181-193). Später im Interview erläutert Rübsamen, dass in ihren Augen ein Handeln jetzt notwendig ist, da es einfacher ist in einer analogen und dadurch limitierten Medienwelt Marken zu etablieren, als in einer nahezu unbegrenzten digitalen Welt (vgl. M.R.: Z. 1689-1706).

79 Auf die crossmediale Strategie des Unternehmens wird zu einem späteren Zeitpunkt im Detail eingegangen.

92 „Mittlerweile ist es so, dass eigentlich 80 Prozent der ganzen Klicks oder unique Visits sich auf zehn Prozent der Seiten [...] konzentrieren (.) jetzt in Deutschland (.) und das sind alles die Seiten oder die Angebote, wo es klassische etablierte Marken gibt (.) [...]. Also, du kennst Spiegel also gehst du zu Spiegel.de. Du kuckst RTL gerne, kuckst du auch auf was [...] [es im, V.H.] Entertainment zu bieten hat (.) auf RTL.de (.) zum Beispiel na (°). Und das könnte (..) bei dem Medienangebot der Zukunft ja auch so sein (.), weißt du. Dass du sagst, okay (.), du hast Motor gelernt als ’ne coole Kompetenz (.), die mir so ein bisschen die Spreu vom Weizen trennt (.), dann findest du Motor auch wieder in der digitalen Welt (.) und würdest dann sagen (.), dann bleibe ich dabei (.), wenn ich da vertrauen hab.“ (M.R.: Z. 1676-1689)

Langfristig möchte man unabhängig von Kooperationen werden, um dem Dilemma des Musikredakteurs im klassischen Radio zu entgehen, der wie Renner beschreibt: „[...] so viele Leute wie möglich vor dem Radiogerät halten muss und deshalb den kleinsten gemeinsamen Nenner, der nicht stört, sendet, damit er [...] [die, V.H.] optimale Menge für (..) die Werbung, die gleich kommt, präsentieren kann, [...].“ (T.R.: Z. 584-588). Die verstärkte Onlinenutzung der Medien bedeutet für Rübsamen und Renner auch, dass neue Einkommenserlösmodelle, wie das des Downloadradios möglich werden. So soll in Zukunft die Finanzierung des Unternehmens, insbesondere durch den Verkauf von Inhalten, über das Onlineportal Motor.de getragen werden. Hierbei ist entscheidend, dass es für die Nutzer künftig wesentlich einfacher sein wird, Online Musik zu erwerben, da sie bei einer Onlinenutzung der Medien immer nur einen Klick vom Kauf entfernt sind (vgl. M.R.: Z. 308-318; T.R.: Z. 579-583, 929-934). Das Angebot von Merchandisingartikeln und Konzertkarten über das Onlineportal Motor.de betrachtet insbesondere Kühn als ein zusätzliches Serviceangebot für die Kunden, welches in Kooperation mit anderen Unternehmen angeboten wird. Auch künftig, so äußerst sich Kühn, wird dieses Serviceangebot jedoch nicht maßgeblich zu den Einnahmen beitragen (vgl. M.K.: Z. 349-358).

6.3.6. Konvergenz und Crossmedia als strategische Leitmotive Gefragt nach der crossmedialen Strategie von Motor Entertainment, erklärt Renner, dass das Unternehmen nach dem eigenen Verständnis aus einer analogen Welt kommt.

„Wir stellen CDs her (.), wir senden (..) analog in Berlin, Brandenburg, Stuttgart und hoffentlich bald auch hier und dort. So, das tun wir, um eigentlich eine (...) (..) eine digitale Welt und unser eigenes Crossmedia-System anzufeuern. Das heißt die Radiostation (..) shuffelt sie als Hörer, (.) wenn sie perfekt arbeitet, (.) ins Netz. Indem sie all das oder sucht all das, was sie spielt, im Netz auch abbildbar zu machen (.), sowohl als Kauf, (..) als auch als Information. Die Radiostation (..) unterscheidet nicht (..) großartig davon, ob sie Musik abspielt oder zu der Musik auch bewegtes Bild (...). Deshalb haben wir auch parallel Motor TV aufgebaut.“ (T.R.: Z. 95-105)

93 Auch Kühn führt an, dass die analogen Medien bei Motor Entertainment als Schaufenster für das digitale Angebot genutzt werden (vgl. M.K.: Z. 287-289). Zielführend ist außerdem, dass es eine Vernetzung zwischen den einzelnen Medien, insbesondere Motor.de, Motor FM und Motor TV, gibt, wobei das Angebot von Motor.de meist tiefgreifendere Details zu einzelnen Themen anbietet (vgl. T.R.: Z. 114-119). Dies soll dem Nutzer ermöglichen, immer mit einem „Klick“ zwischen den einzelnen Medien „quer gehen“ zu können. Auf diese Weise wird der Nutzer auch automatisch in die Informationstiefe, die sich durch die Nutzung mehrerer Medien potenziert, hineingezogen. Bei dem Online Portal Motor.de zeigt sich, dass viele Nutzer von dort aus auch das Radioangebot von Motor FM auswählen (vgl. T.R.: Z. 114-124). Kühn bestätigt:

„Also die sind schon [...] sehr eng (.) miteinander verknüpft (.) und verweisen aufeinander, werden über die gleiche Webseite angeboten, sprechen die gleiche Community an (.), beschäftigen sich mit den gleichen Inhalten. Glauben wir schon in jedem Falle, dass das ein großer Vorteil ist.“ (M.K.: Z. 476-481)

Auch Rübsamen versichert, dass die Vernetzung bei Motor Entertainment ein ganz zentrales Thema ist und bestätigt, dass man die einzelnen Medien nutzt, um andere zu promoten (vgl. M.R.: Z. 1270-1273). Zudem bietet man den Nutzern, seit der Neuausrichtung des Onlineportals Motor.de zu einem Blogsystem, auch die Möglichkeit einer Quervernetzung untereinander. Das neue System ermöglicht den Nutzern laut Renner sich nach ihren Musikpräferenzen zu identifizieren, um sich dann gegenseitig Hinweise geben zu können (vgl. T.R.: Z. 114-125). Kühn bestätigt, dass man der Ansicht ist, dass es der richtige Weg ist den Nutzern Feedback- und Mitwirkungsmöglichkeiten auf dem Online-Portal zu geben (vgl. M.K.: Z. 340-443). Er sieht das Internetangebot als die Basis des Unternehmens an, da das Internet im Gegensatz zu anderen Massenmedien ein dialogfähiges Medium ist, das einen Austausch mit und unter den Usern ermöglicht (vgl. M.K.: Z. 48-52). Diesen Gedanken führt auch Rübsamen aus, wenn sie anmerkt:

„Und du kannst, wie gesagt, Inhalte, [...] die dir am Herzen liegen (.), im Rückkanal [...] hinterlegen. Das heißt, du kannst auf der Onlineebene dann auch hinterlegen und sagen Mensch (!) das hat mir gut gefallen. Oder die Band, [...] die habt ihr zwar empfohlen, aber habe ich live gesehen, ist doch nicht so gut. Oder kannst eben im Grunde dein Feedback dort hinterlegen, was wir dann wiederum als Feedback natürlich auch nutzen, um zu kucken liegen wir da richtig oder nicht.“ (M.R.: Z. 1293-1302)

Eine Vernetzung der Medien ist auch hinsichtlich der Finanzierung des Unternehmens zielführend: „Der Hauptmehrwert, maßgeblicher Nutzen, den es sicherlich bei uns gibt (.): Ich krieg direkt

94 einen Link dahin gelegt, wo ich den Track kaufen kann, wenn er mir gefällt.“ (M.K.: Z. 492-495) Rübsamen beschreibt jedoch, dass es nicht immer einfach ist, Werbekunden von dem innovativen crossmedialen Konzept zu überzeugen. Dennoch werden inzwischen für diverse Markenartikler entsprechende crossmediale Konzepte von Motor Entertainment ausgearbeitet, die eine Marke oder einen Artikel – vom Radio angefangen über Fernsehen bis hin zur Online-Plattform – unterstützen und die zusätzlich durch Promotionartikel und Events gefördert werden (vgl. M.R.: Z. 1328-1390). Anzumerken ist an dieser Stelle, dass Kühn, bei der Frage nach der crossmedialen Strategie des Unternehmens sowie bei der Frage nach einem Zusammenwachsen der Medien zu einem Supermedium, verhalten reagiert. So fragt Kühn nach: „Was [...] [konkret, V.H.] ist jetzt mit crossmedialer Strategie gemeint (°) in diesem Falle?“ (M.K.: Z. 461-462) bzw. erläutert anfangs: „Ich weiß nicht, was ein Supermedium sein soll, vielleicht ist das Internet gemeint.“ (M.K.: Z. 442-443) Dies bestätigt die in Kapitel 2 erwähnten Definitionsschwierigkeiten unter anderem des Begriffs Crossmedia. Kühn spricht in der Folge statt von crossmedialer Strategie von Crosspromotion zwischen den Medien, versteht darunter jedoch das Gleiche und bestätigt so auch die Aussagen von Renner und Rübsamen.

„Logischerweise gibt es Crosspromotion zwischen den Medien. Klar! TV bewirbt Web und Radio. Radio bewirbt Web und TV und Web bewirbt ohnehin beides (.) und wird von beidem beworben, denn Motor.de ist die Basis [...]. Also, insofern ist da schon eine recht enge Verbindung [...] gelegt.“ (M.K.: Z. 467-473)

6.3.7. Einbeziehen der Nutzer Motor Entertainment versucht die Nutzer in die angebotenen Inhalte einzubeziehen und erhebt die Rezipienten somit zu Produzenten von Inhalten. Renner erklärt, dass inzwischen im Internet im Grunde jeder ohne größere Probleme Veranstalter einer TV- oder Radiosendung oder Publisher eines Blogs werden kann (vgl. T.R.: Z. 81-86) und ergänzt: „Wir brechen diese Ebene zwischen dem (..) Journalisten und seiner Meinung und dem (..) Konsumenten und seiner Haltung (°) (..) und versuchen über das Blogsystem doch mehr und mehr einfach einen gemeinsamen Diskurs zu entwickeln.“ (T.R.: Z. 207-211) Auch das Direkt-Marketingsystem xtaster versucht mittels Fanteams, die Mundpropaganda, um einen Künstler oder eine Band in Gang zu setzen und erhebt die Fans damit zu Kommunikatoren (vgl. M.R.: Z. 586-594). Indem man die Musikwünsche der Hörer auch im Musikprogramm und in der Labelarbeit direkt berücksichtigt, wird der Nutzer und Kunde quasi in die Programmgestaltung und Musikauswahl

95 einbezogen. Das Online-Label bietet Bands im Gegenzug die Möglichkeit an, an diesen Informationen zu partizipieren, da sie „[...] ein sehr klares Feedback über die Kommunikation [...]“ (T.R.: Z. 554-555) erhalten. Über den eigenen Online-Shop lässt sich eine mögliche Resonanz auch in Verkaufszahlen ablesen: „Gerade bei Newcomern, bei noch Unsigned Acts, die wir spielen, (..) [...] [wenn wir da eine, V.H.] extreme Aktivität beim Download [bemerken, V.H.], da kucken wir uns das schon mal genauer an.“ (T.R.: Z. 542-545)

6.3.8. Ausprobieren als Strategie Hinsichtlich der Ziele und der Strategie des Unternehmens bzw. der Unternehmen fällt auf, dass die Experten und Firmengründer durchaus nicht immer so gezielt gehandelt haben, wie es von Außen betrachtet erscheinen mag, sondern in vielen Fällen ein Ausprobieren den Weg zum Ziel geebnet hat und auch weiterhin ebnen wird. Beispielsweise wurde mit der Firmengründung der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH, die mit Motor FM und Motor TV wesentliche Bereiche der Motor Entertainment GmbH umfasst, bewusst eine neue Firma aufgezogen, um die Unabhängigkeit, auch im Falle eines Misserfolgs von Motor Entertainment zu wahren. So beschreibt beispielsweise Kühn die vergangenen zwei Jahre als Probezeit für den Sender Motor FM (vgl. M.K.: Z. 143-152). Durch die räumliche Verschmelzung der Firmen sieht er nun gefestigteren Strukturen Firmen entgegen (vgl. M.K.: Z. 29-32). „Es war quasi jetzt ’ne zeitlang, jetzt zwei Jahre, (.) eher auf Probe (°) und jeder blieb in seinen Büros. Und jetzt [...] [ist, V.H.] irgendwann wahrscheinlich der Schritt gekommen mal zusammen zu ziehen.“ (M.K.: Z. 149-152) Diese Strategie des Ausprobierens und Versuchens zeigt sich auch im Interview mit Renner, der im Laufe des Interviews insbesondere mehrfach das Wort „versuchen“ verwendet. Er beschreibt die Strategie wie folgt: „Also wir versuchen das heute zu machen (.) von dem wir ausgehen, dass es in fünf äh Jahren breitenrelevant ist.“ (T.R.: Z. 1060-61) Auch seine Antwort auf die Frage, ob Vernetzung der einzelnen Medien von Anfang an geplant war, unterstreicht die These des „Versuchens“:

„Es gibt - es gibt keinen Masterplan (°), aber es war immer [...] geplant, dass wir zumindest ausprobieren wollen (..) (.), so wie wir es finanzieren können (.), was sich für uns auch immer crossmedial im Bereich digitale Medien erschließen kann. Das war schon der Gedanke dahinter (°), aber wobei halt es gab nie einen Plan der gesagt hat, ab dann und dann müssen wir anfangen mit TV und (..) ab dann brauchen wir so und so viele Radiostationen. Den gibt es nicht, sondern da ist es halt eher Opportunitäten gesteuert. Also, eben halt wo wir die Möglichkeiten sehen, nutzen wir sie [...].“ (T.R.: Z. 783-792)

96 Eine Tendenz zum Ausprobieren vermittelt auch Rübsamen, wenn sie beschreibt, wie unbefangen man anfangs an die Gründung eines Radios gegangen ist:

„Und haben uns parallel (°) darum gekümmert wie [...] kommt man an Radiofrequenzen. Nach dem Motto, also wirklich sehr, sehr unbedarft (.), weil wir überhaupt nicht wussten wie politisch das eigentlich ist und wir dachten uns nur so, dass ja offensichtlich [ist, V.H.], [...] dass es einen Radiosender braucht. Und ich glaube, also wenn wir das so richtig gewusst hätten, wie - wie anspruchsvoll das alles ist (.), hätten wir es wahrscheinlich auch gemacht (.), aber wahrscheinlich nicht ganz so unbefangen (.), wie wir es wirklich gemacht haben.“ (M.R.: Z. 600-609)

An späterer Stelle im Interview erklärt Rübsamen den Anspruch und die Strategie von Motor Entertainment treffend: „Das, was man macht, macht man richtig. Kleines Team. Kosten niedrig. Sachen ausprobieren (.), experimentieren.“ (M.R.: Z. 1111-1112) Auch hinsichtlich der Finanzierung werden, wie oben im Text bereits erwähnt, laut Rübsamen alternative Erlösmodelle, wie die Finanzierung des Radios über Downloads, ausprobiert (vgl. M.R.: Z. 307-312). Die Strategie des Ausprobierens zeigt, dass die Interviewpartner sich durchaus eines möglichen Scheiterns bewusst sind und dementsprechend vorsichtig handeln. Dies bestätigt auch Rübsamen, wenn sie sagt: „Das hat sich so (.)[...] ganz langsam erst entwickelt und jetzt, wie gesagt, sind wir immer noch in der Phase, wo wir sehr vorsichtig sein [...] [müssen, V.H.], [...]“ (M.R.: Z. 1185-1187).

6.3.9. Haltung Insbesondere Renner und Rübsamen verdeutlichen in ihren Interviews, dass bei Motor die Vermittlung bzw. der Verkauf einer bestimmten Haltung bzw. eines Lifestyles im Mittelpunkt des strategischen Handelns steht. Ein zentraler Aspekt der Haltung des Unternehmens wird deutlich, wenn Renner die musikalische Ausrichtung mit den Musikstilen Alternative Rock und Independent Pop beschreibt und dann ausführt:

„Also das was entstanden ist aus der Punkrevolution Ende 70-er Jahre. Also letztlich der Grunderneuerung von Rockmusik. Also die revolutionäre Haltung, die, die Rock mal ganz ursprünglich gehabt hat in den 50- ern durch Reduktion, die wieder aufgegriffen wurde in den 70-ern (.) und die sich dann über die verschiedensten Ausprägungen von New Wave über alle Möglichen hindefinierte zu dem was wir heute Alternative Rock nennen.“ (T.R.: Z. 28-35)

Eine Verbindung zwischen einer revolutionären Haltung, die mit dieser Musik vermittelt wird, und der Strategie des Unternehmens ergibt sich beispielsweise, wenn Renner später die

97 Wahrnehmung des Unternehmens von Außen mit den Worten „rebellisch / neu“ (T.R.: Z. 893) umschreibt, und damit an die im Zitat angeführten Revolutionsgedanken anknüpft. Renner ist überzeugt, dass neben einem solchen Nischenangebot auch das Mainstreamangebot weiterhin existieren wird: „[...] ich seh immer ’ne Mischung zwischen [...] Nische und Mainstream.“ (T.R.: Z. 1009-1010) Allerdings sieht Renner inzwischen den Individualismus selbst als den neuen Mainstream und erklärt:

„Ich meine, wer will heutzutage noch Mainstream bleiben (°)? Das ist noch anders als die Generation meiner Eltern (°). Ich glaube, die haben (...) mit einem Selbstverständnis zur Masse gehören wollen. Spätestens meine Generation hat ein Verständnis, dass eigentlich zu einer Minderheit gehören will, zu einer erlesenen.“ (T.R.: Z. 1011-1017).

Die Haltung kann auch als Bezugspunkt herangezogen werden, wenn Renner das Werben, bzw. wie er sagt, den hochpolitischen Kampf um Frequenzen, beschreibt und in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringt, dass Motor Entertainment von anderen Unternehmen als „schon hartnäckig“ (T.R.: Z. 348) angesehen wird (vgl. T.R.: Z. 335-348). Gepaart mit der Strategie des Ausprobierens zeigt sich dementsprechend in allen Interviews eine starke Überzeugung von dem eigenen Handeln und dem Unternehmen an sich. Kühn äußert sich in diesem Sinne, wenn er sagt: „[...] und bin überzeugt (°), dass wir da ein schönes Angebot machen (.), also ein spannendes. Und hoffe auch, dass sich das als erfolgreich erweisen wird in den nächsten Jahren.“ (M.K.: Z. 525-527) Auch Rübsamen äußert sich, wie bereits erwähnt, optimistisch was die Zukunft des Unternehmens anbelangt. Ihre Überzeugung am Handeln von Motor Entertainment und insbesondere Motor FM zeigt sich deutlich als sie Motor FM zu anderen Radiosendern abgrenzt:

„Keiner zieht sich ein [...] T-Shirt an und denkt dann, das wäre jetzt ansatzweise spannend. Die Leute würden noch eher, glaub ich, also in gewissen Kreisen, sage ich, ziehen sie sich ein Motor FM oder ein Motor T-Shirt an. Das finde ich irgendwie cool. Also da kommt dann so ein bisschen [...] dieser Musikbranchen-Lifestyle-Faktor mit reingewürgt. Den wir [Stimme wird lauter] alle halt aufgesogen haben (.) in den letzten Jahren (.) weißte?“ (M.R.: Z. 843-850)

Rübsamen stellt in ihren Ausführung somit Motor Entertainment als innovatives, „cooles“ und einzigartiges Unternehmen dar (vgl. M.R.: Z. 22-30, 385-395, 835-847). Eine gewisse Haltung, die über alle Motor-Medien hinweg vermittelt wird, wird, wie Rübsamen sagt, bei Motor immer unter der Zeile mitverkauft (vgl. M.R.: Z. 837-838). Renner bestätigt:

98 „Motor für mich selbst – ist für mich eine Definition eines Lifestyles. Eigentlich eine Haltung zu Musik und im Umgang mit Musik. Die sie eben halt dokumentieren kann in einzelne Interpreten und Songs (°), aber eben halt auch in einer Art und Weise, wie man über Musik schreibt und über Musik redet, welche Musik man spielt.“ (T.R.: Z. 17-22)

Renner fasst zusammen: „Das heißt äh (..) wir haben nicht nur Content, wir haben auch eine Haltung und die kommunizieren und verkaufen wir.“ (T.R.: Z. 54-56) Die Schnelllebigkeit des Medienmarktes hat dennoch bei Rübsamen zu einer eher genügsamen Haltung geführt. Dies zeigt sich in Äußerungen, wie:„Schuster bleib bei deinen Leisten. Weißte (°). Lieber klein, klein (.) – fein, fein. Nicht denken, dass alle dich toll finden müssen (.), weil die Leute suchen sich das, was sie gut finden (.) und du kannst nicht alle glücklich machen.“ (M.R.: Z. 1084-1087) Rübsamen möchte auch künftig Kompromisslösungen im Programm, wie sie in ihren Augen von MTV und VIVA durchgesetzt werden, umgehen. Sie erläutert, dass heutzutage im Musikbereich eine vielseitige Programmierung, wie sie MTV und VIVA bieten, nicht mehr funktioniert, da es für jeden Musikfan eine entsprechend ausgerichtet Plattform im Internet gibt. Das Handeln beschreibt sie, wie folgt:

„Tagsüber machen wir so ein bisschen von allem (.) und dann wenn es nicht mehr so wichtig ist, dann machen wir so ein bisschen Spezialsendung. Montag: Metal. Dienstag: Indie. Mittwoch: HipHop. Weißte so? [...] Wie kriegst du das hin? Da musst [...] du dir als Metalfan halt sagen: Okay, MTV ist Schrott, aber die Sendung ist halt klasse (.) und dann merk ich mir die Zeit.“ (M.R.: Z. 1090-1097)

Aus diesem Grund hat man sich bei Motor Entertainment für eine bestimmte musikalische Nische entschlossen „mit Ecken und Kanten“ (M.R.: Z. 1102), wo auch mal bewusst Sachen weggelassen werden (vgl. M.R.: Z. 1102-1103).

„[...] weil letztendlich klar (!) wir profitieren als Marke jetzt davon, dass MTV und VIVA so riesen Lücken auftut. Also, wie gesagt in England ist das ja nicht so. Da sind die ja smart genug. Aber hier gibt’s für uns auch in der Kommunikation einfach auch ’ne riesen Möglichkeit auch dann da einfach aufzusetzen und zu sagen (.), ja, alles klar (!), ganz Gallien war besetzt vom großen Mainstreamangebot. Nein! Nicht ganz Gallien eine kleine Enklave kämpft tapfer. Und da gefallen wir uns im Moment auch ganz gut in dieser (..), weißte (°), in dieser Robin Hood-Position (.) im Grunde.“ (M.R.: Z. 1706-1716)

6.3.10. Digitalisierung der Medien Einer bald vollständigen Digitalisierung der Medien und Medienkanäle in Deutschland, insbesondere des Rundfunks, stehen die drei Experten indes skeptisch gegenüber. Beispielsweise äußert Kühn: „Also, die nächsten, würde ich jetzt mal sagen, zehn Jahre, gibt es in Deutschland

99 sicherlich noch UKW Radio.“ (M.K.: Z. 450-452) Wie lang die Umstellung auf den digitalen Rundfunk dauern kann, vermag auch Rübsamen schwer abzuschätzen, „[...] weil vielleicht der Umstellungswechsel (..), statt fünf Jahren doch noch zehn Jahre dauert. Das weiß ja keiner genau (.), auch die Politiker nicht.“ (M.R.: Z. 1728-1731). Renner hofft:

„[...] dass in (..) fünf Jahren die Vorbereitungen für digitalen Rundfunk, weil (da haben wir) 2012 – 2012 ist eigentlich per Staatsverträgen die Umschaltung auch zum (..) digitalen Hörfunk, wie auch umgeschaltet wurde auf digitales Fernsehen, vorgesehen (°), dann ernsthaft vorangetrieben werden. Ich glaube nicht, dass dann wirklich alles schon digitalisiert ist (°) [...].“ (T.R.: Z. 1042-1048)

Das Voranschreiten der Digitalisierung der Medien beurteilen dennoch alle Interviewpartner als unausweichlich. Dies ist der Grund, warum die Experten bereits jetzt versuchen, in ihren Unternehmen die analogen Medien als Transmissionsriemen in die digitale Welt zu nutzen. Kühn beschreibt diese Tatsache mit den Worten: „Also wir sprechen ja häufig [...] vom analogen Transmissionsriemen in die digitale Welt (°) [...]“ (M.K.: Z. 281-282). Rübsamen bestätigt: „Wir sagen immer so schön klassische Medien als Transmissionsriemen in die digitale Welt.“ (M.R.: Z. 625-626) Renner holt etwas weiter aus und beschreibt die momentane Situation, wie folgt:

„Wir waren eigentlich davon ausgegangen, [...] die Mehrheit derjenigen, die unseren Stream hört, wird sein (.) in Gebieten, wo du Motor FM halt nicht analog bekommst und deshalb nutzen sie es digital. Also halt der klassisch unterversorgte Hamburger Markt, der Frankfurter Markt. Das sind alles Märkte, wo es eigentlich nur Mainstreamprogramme gibt und du dich über Musik gar nicht informieren kannst. Und wir dachten o.k., das müssten eigentlich diese Märkte sein (..), die diesen Stream so schnell so erfolgreich gemacht haben mit 128.000. Pustekuchen (°) über 60 Prozent kommen aus Berlin und Stuttgart (°). Das heißt also, das Analoge funktioniert hier sehr wohl als Transmissionsriemen ins Digitale. Offensichtlich ist das eine Office- Nutzung. Das liegt ja nahe (.), dass Leute also zu Arbeit fahren (..), angefixt werden durch das analoge Angebot, aber fortsetzen digital (..) in einer Arbeitssituation (..) am PC (..) oder Apple.“ (T.R.: Z..372-389)

6.3.11. Unabhängigkeit der Medien Einigkeit unter den Experten herrscht darüber, dass insbesondere die Labelarbeit unabhängig von dem Medienangebot von Motor Entertainment sein muss, um eine objektive Qualität erreichen zu können. Dementsprechend sucht ein nahezu unabhängiges Redaktionsteam, das Rübsamen auch als Meinungsgeberinstanz bezeichnet, nach Inhalten, die subjektiv zu Motor Entertainment passen (vgl. M.R.: Z. 50-55). Unabhängig davon sucht man bei den Labels Motor Music und Motor Digital nach Künstlern und Inhalten, die man selbst betreuen möchte. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass natürlich ein gegenseitiger Werbeeffekt durch die einzelnen Medien

100 und Angebote erwünscht ist. Dies erklärt sich durch die crossmediale Vernetzung der einzelnen Angebote. Kühn bestätigt: „Ich sage mal unser Label hat jetzt natürlich auch keinen Nachteil dadurch, dass es Kommunikationskanäle für die Musik gibt, die auf dem Label statt findet.“ (M.K.: Z. 59-61) Dennoch stellt Kühn klar, dass es weder möglich noch erwünscht ist, das Programm von Motor FM wie Motor TV ausschließlich mit Musik der Labels Motor Music und Motor Digital zu füllen. Anhand des Senders Motor FM erläutert Kühn, dass sich der Einfluss des Labels auf die anderen Medien stark in Grenzen hält. Er erläutert, dass von den 6.000 Künstlern80, die bei Motor FM auf Rotation sind, nur etwa zehn dem Label Motor Music angehören (vgl. M.K.: Z. 63-68).81 Rübsamen bestätigt: „Also, das war immer das alte Missverständnis, dass man jetzt einen Radiosender macht (.) und nur Motor Themen spielt.“ (M.R.: Z. 337-339). Weiter erklärt Rübsamen, dass das Label Motor Music, wie Motor FM oder Motor TV, Bands aussucht, die in dem Gesamtkonzept von Motor Entertainment entsprechen (vgl. M.R.: Z. 343-345). Renner ergänzt, dass versucht wird, zumindest eine geistige Grenze zwischen dem Label und den Medien zu ziehen. In seinen Augen „[...] darf das Medium, egal ob es eine Webpage ist (°), ob es die (..) TV-Station ist, ob es Radio ist, nicht der verlängerte Arm des Medium| des Labels sein [...]“ (T.R.: Z. 149-152). Auch hinsichtlich der Entscheidungskompetenz gibt es zwischen dem Label- und dem Medienangebot Überschneidungen. Kühn fasst zusammen: „Zumindest sind die Leute, die Entscheidungen beim Label treffen ja mit den Leuten, die Entscheidungen in den anderen Kanälen treffen identisch. (..) Weshalb es da logischerweise auch zu Übereinstimmungen [lacht] in der Playlistauswahl kommt.“ (M.K.: Z. 77-81)

6.3.12. Zukunft Speziell durch den Verkauf von Waren und Inhalten über das Internet ergibt sich nach Renner die Möglichkeit, dass der heute noch sehr geplante Akt eines CD Kaufs künftig verstärkt durch einen intuitiven spontanen Kauf, der durch ein emotionales Umfeld begünstigt wird, ersetzt wird. Um ein optimales Umfeld zu bieten, werden viele spitze Medienkanäle benötigt, die den Konsumenten gezielt ansprechen. Da eine Kaufentscheidung in Zukunft sehr spontan getroffen werden könnte, sollte in den Augen Renners über die Werbung nicht, wie bisher,

80 Dies ist ein geschätzter Wert. Rübsamen nennt im Interview, dass sicherlich 5.000 Musiktitel im Backkatalog des Radiorepertoires sind. (M.R.: Z. 337-339) 81 Berücksichtigt man jedoch, dass dies zum Zeitpunkt des Interviews nahezu dem gesamten Künstlerrepertoire von Motor entspricht, entsteht dem eigenen Label, durch die Verbreitung über verschiedene – dem Unternehmen zugehörige – Medienkanäle, natürlich ein großer Vorteil.

101 Langzeitinformationen vermittelt werden, sondern eine spontane Interaktion auch in der Werbung unterstützt werden wird (vgl. T.R.: Z. 972-998). Kühns Bestimmtheit wandelt sich in Hoffnung, wenn er die Situation des Unternehmens in fünf Jahren beschreibt:

„In fünf Jahren sind wir sicherlich nicht der (..) größte, aber bestimmt ein hoffentlich beliebter und gesetzter Radio- und Fernsehsender (°) und –betreiber in Deutschland, der (..) nach wie vor viel neue Musik spielt und ein spannendes Medienangebot macht. Und gleichzeitig wird die Webseite, die Community dazu sein. Jaa und [...] wir können alle davon leben.“ (M.K.: Z. 577-583)

Rübsamen pflichtet Kühn bei, wenn sie Zukunftswünsche formuliert und erklärt, dass sie sich wünscht, dass sich Motor Entertainment in fünf Jahren als ein ernstzunehmendes Innovationsunternehmen etabliert hat, „ [...] wo eben auch Partner, die wir brauchen (.), also Markenpartner, durchaus sagen: Hey, habt ihr gut gemacht (.), waren gute Referenzprojekte.“ (M.R.: Z. 1748-1750) Renner fügt hinzu, dass er hoffentlich das Unternehmen in fünf Jahren rückblickend als orientierenden Vorreiter von crossmedialen Effekten erkennen kann, das Verbreitung über viele Kabelsysteme und andere Fernsehkanäle erfahren wird und auch im digitalen wie analogen Radio zu hören sein wird (vgl. T.R.: Z. 1049-1054). Abschließend mahnt Renner jedoch zur Vorsicht, auch wenn Crossmedialität inzwischen anerkannt ist und auch von den Konsumenten angenommen wird (vgl. T.R.: Z. 1068-1073):

„Wir reden hier immer noch über eine Avantgarde, die es macht, aber diese Avantgarde ist signifikant für eine Erkenntnis von Zukunft. Man darf sich jetzt noch nicht das Ding hoch rechnen zu Wirtschaftsmodellen, die sich halt jetzt schon komplett so tragen würden. Also, das heißt, es ist nach wie vor ein vorsichtiges tippeln nach vorne angesagt (°). Man muss es jetzt tun (°), tun sie auch (.), aber man muss es so tun, dass es sich gut abfedert (°), denn wir wissen alle nicht wie lang die Zeit dauert bis dahin. Wir wissen es kommt (°), aber (..) keiner kann vernünftige Wetten darauf eingehen, (..) wie lange es dauert. Und wir sollten uns alle bei der Betrachtung der Chancen (°), die dahinter liegen, nicht erlauben einen Fehler zu wiederholen, der New Economy hieß.“ (T.R.: Z. 1073-1086)

6.4. Resümee Die Methode des Experteninterviews erwies sich als geeignet, um strategische Ziele, Motivationen und Handlungshintergründe des Konglomerats wie der Experten in Erfahrung zu bringen. Es zeigt sich, dass die Experten eine crossmediale Vernetzung der verschiedenen Medien in den Vordergrund rücken, um sich in einer konvergenten Medienwelt als ernst zunehmendes

102 Medienunternehmen zu etablieren. Motor Entertainment ist heute kein, wie Rübsamen formuliert, „Hobbyfreizeitprojekt“ mehr (M.R.: Z. 1460), sondern ein kleiner langsam und nachhaltig gewachsener Apparat (M.R.: Z. 1467-1468). Die Spezialisierung des Inhalts aller von Motor Entertainment angebotenen Medien auf einen Musikstil ermöglicht auch eine wechselseitige crossmediale Bewerbung der Angebote. Nicht zuletzt dadurch kann das Risiko minimiert werden, da, ähnlich wie bei großen Medienkonzernen, ein erfolgreiches Medium, ein Anderes puschen oder auch notfalls finanziell mittragen kann. Zudem ergeben sich durch das parallele Medienangebot, das ähnliche Inhalte zur Verfügung stellt, Synergieeffekte durch die Mehrfachverwertung von Inhalten und Ressourcen, die in einer analogen wie digitalen Welt zum Tragen kommen. Aus der Erfahrung der Experten dienen insbesondere die analogen Medien als Transmissionsriemen für eine digitale Mediennutzung, welche in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Dies ist von Belang, da eine digitale Mediennutzung neue Verdienstmöglichkeiten für die Inhalteanbieter offenbart wie den Online-Verkauf der Inhalte. In diesem Sinn forciert man bei Motor Entertainment eine digitale Mediennutzung, da – im Unterschied zu der analogen Medienwelt – eine digitale Mediennutzung dem Rezipienten und letztlich auch Konsumenten ein viel spontaneres Agieren ermöglicht und ihn schlussendlich nur ein Klick von dem Erwerb der Inhalte trennt. Der zunehmende Konkurrenzdruck in einer digitalen Medienwelt, bedingt durch den Wegfall der Kanalbegrenzung, erklärt eine Spezialisierung der neuen Medienangebote, wie sie auch Motor Entertainment mit der Spezialisierung auf eine Musikrichtung und somit auf eine Nutzergruppe verfolgt. Die Spezialisierung auf die Musikrichtung ergibt sich durch die emotionale Bindung des Führungskreises an diese Musik mit der sie selbst popkulturell sozialisiert worden sind. Dadurch, dass die Medienmacher selbst hinter dem Produkt stehen, dass sie vertreiben, erscheint ihr Handeln auch den Nutzern und Konsumenten glaubhaft und ermöglicht so eine emotionale Bindung an die Marke Motor. Dass eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit den Inhalten erfolgt, das spürt, hört und liest der Rezipient in dem sehr breitgefächerten und dennoch spezialisierten Angeboten. Letztlich geht es in den Augen Kühns dem Unternehmen darum, dass die Leute Musik dieser Stilrichtung verstärkt hören und auch durch einen Kauf unterstützen: „Also uns geht’s drum, dass die Leute die Musik kaufen. Also (..) ähm, dass sie es in erster Linie tun. Schön, wenn sie es bei uns tun, aber das, was bei uns nicht angeboten wird, auch gerne woanders, natürlich, ja (°).“ (M.K.: Z. 371-374)

103 7. Handlungsmöglichkeiten

Im folgenden Kapitel sollen die Handlungsmöglichkeiten einer zeitgemäßen Vermarktung von Musik in einer konvergenten Medienwelt aufgezeigt werden. Somit kann dieses Kapitel als das eigentliche Resümee dieser Arbeit verstanden werden, da es die wesentlichen Ergebnisse, die im Zuge dieser Arbeit gewonnen werden konnten, zusammen fasst und auf ihre Bedeutung in der Praxis verweist. Vielfach hilft ein Blick auf den Forschungsgegenstand dieser Arbeit – die Motor Entertainment GmbH –, um durch praktische Erfahrungswerte des Unternehmens die Ergebnisse zu untermauern. Dennoch ist zu beachten, dass die im Folgenden vorzustellenden Ergebnisse als Vorschläge zu verstehen sind und keineswegs die einzigen Handlungsmöglichkeiten darstellen.

Der Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Musikindustrie hat gezeigt, dass technische sowie musikalische Entwicklungen häufig von der Musikindustrie – vor allem von den Major Labels – zu spät wahrgenommen wurden. Viele der Neuerungen lagen außerhalb des Blickfeldes der Industrie (vgl. Kapitel 3). So wurden und werden die enormen Auswirkungen von Innovationen, angefangen bei der Erfindung des Phonographen über das Radio bis hin zu der Digitalisierung der Medien und dem daraus entstandenen Format MP3, immer wieder unterschätzt. Dies zeigt, dass sich die Musikindustrie in der heutigen Zeit nicht mehr nur als eigenständige Industrie begreifen darf, die ein begrenztes Blickfeld verfolgt, sondern als ein Teil der TIME-Branche (vgl. 2.1.1.), deren Entwicklungen sich zunehmend gegenseitig beeinflussen. Insbesondere mit der Digitalisierung sowie der Konvergenz der Medien hat sich das bestehende Wertschöpfungspotential erweitert. Die Musik-DVD oder auch der boomende Verkauf von Klingeltönen (man müsste eigentlich inzwischen von Klingelmelodien bzw. -songs sprechen) dienen als Beispiel einer solchen Erweiterung (vgl. Mühl-Benninghaus 2007, S. 266). Das Mobiltelefon selbst kann als ein Beispiel von technischer Konvergenz herangezogen werden, da es neben den Funktionen eines herkömmlichen Telefons inzwischen auch als mobiles Fernsehgerät, Spielekonsole, Fotoapparat, Videokamera und Musikabspielgerät genutzt werden kann sowie den mobilen Zugriff auf das Internet ermöglicht (vgl. Kapitel 2.8). Medienkonvergenz und der damit einhergehende technische Fortschritt bedeutet also für die Musikindustrie, dass Musik in sehr viel mehr Bereichen des Alltags präsent ist, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Vor allem die mobile Mediennutzung wird zur Zeit als Chance betrachtet, zusätzlich spontane Einkäufe zu generieren, wie beispielsweise mobile Downloads von Musiktiteln via Handy (vgl.

104 Musikwoche.de 09.08.2007, Experten rechnen mit mobilen Downloads bei Apple). Eine weitere Möglichkeit bietet die zunehmende Verwertung von Musiktiteln in Computerspielen, wie sie bereits seit Jahren, beispielsweise bei dem Computerspiel Tony Hawk, praktiziert wird. Bezüglich der Digitalisierung und Konvergenz der Medien kann folglich festgehalten werden, dass dies speziell für die Musikindustrie – durch die Erschließung neuer Märkte – eine große Chance bedeutet. Auch der von der phonographischen Industrie bisher weitgehend negativ konnotierte Austausch von Musik via Internet sollte nicht nur auf „Piraterie“ reduziert werden, sondern als Anreiz gesehen werden, dem Nutzer der heutigen Zeit entsprechende Mediennutzungsmodelle anzubieten. Die Tatsache, dass sich das eigentliche Kerngeschäft der Labels – das Reproduzieren und Distribuieren von Tonträgern – zunehmend durch die Digitalisierung der Technologien und Medien vereinfacht hat, bedeutet, dass diese Aufgaben am Markt an Bedeutung verlieren und somit ein Umdenken erzwungen wird. Insbesondere das bisher so wertvolle Vertriebssystem der (Major-)Labels büßt im Zuge einer digitalen Vermarktung an Einfluss (vgl. Renner 2004 , S. 270) ein, wenngleich dies nicht heißen soll, dass es bedeutungslos wäre. Renner fasst zusammen: „Die Vertriebsstrukturen der großen Plattenfirmen sind bereits austauschbar geworden. Mit MP3 drohen sie überflüssig zu werden. Im non-physischen Musikvertrieb fallen Einstieghürden wie Macht und Kapital. Der Markt steht prinzipiell jedem offen." (Renner 2004 , S. 270) Dies erfordert ein Umdenken und ein Loslösen von überholten Strukturen, um „neue“ Umsätze in „neuen“ Bereichen zu erschließen, um einem Trend von sinkenden Umsätzen vor allem im Bereich der phonographischen Industrie entgegen zu wirken. Das oben angeführte Zitat deutet eine gestärkte Position von unabhängigen Medienbetreibern und insbesondere von unabhängigen Labels an. Bereits jetzt scheinen die sogenannten Independents einen Aufwind zu erleben (vgl. Kapitel 3.9.). Dies dürfte auf die wesentlich flexibleren Strukturen von unabhängigen Unternehmen zurückzuführen sein, die ein schnelleres und gezielteres Agieren ermöglichen. Aber auch die musikalische Spezialisierung der Independent Labels kann, an dem von Mainstream- Produkten überfluteten Markt, einen entscheidenden Vorteil darstellen. Insbesondere Major Labels setzten in den letzten Jahren auf künstlich geschaffene Bands, sogenannte Casting- Gruppen bzw. Boygroups, die nur mit der Aufwendung eines enormen Marketingbudgets und meist nur kurzfristig am Markt gehalten werden konnten und somit selten dem angestrebten Ideal eines langfristigen Künstleraufbaus entsprechen.

105 Die nun folgenden Ausführungen greifen verschiedene Handlungsmöglichkeiten und Chancen der Musikbranche in einer konvergenten Medienwelt auf, um sinkenden Umsätzen entgegen zu wirken.

7.1. Das integrierte Medienunternehmen Eine Konvergenz der Branchen, Inhalte, Angebote und Technik offenbart sich deutlich in sogenannten integrierten Medienunternehmen, die sich in verschiedenen Medienbereichen und Branchen engagieren, um nicht in die Abhängigkeit eines schrumpfenden Marktes zu geraten. Das Risiko von Einkommensverlusten kann somit über verschiedene Tätigkeitsfelder in unterschiedlichen Branchen gestreut werden. Insbesondere die Digitalisierung der Medien und eine Konvergenz der Branchen sowie der Technologie erleichtert, wie eben angedeutet, Zugangsmöglichkeiten zu verwandten Medienmärkten und schaffen auf diese Weise die Möglichkeit, Einnahmen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zu generieren, nicht zuletzt durch sinkende Initialkosten. So ist es, wie das Beispiel Motor Entertainment zeigt, für einen unabhängigen Medienbetreiber möglich, mit „geringem“ Aufwand ein Medienkonglomerat inklusive eigener Medienkanäle, wie Fernsehen und Radio, binnen kurzer Zeit aufzubauen. Dennoch kann das Risiko gemindert werden von einer Einkommensquelle abhängig zu sein, wie zum Beispiel allein von den Umsätzen eines Labels. Zudem bieten Synergieeffekte (vgl. Kapitel 7.2.), die sich aus einem Mediennetzwerk ergeben, solch einem integrierten Unternehmen einen entscheidenden Vorteil.

7.2. Größere Aufmerksamkeit durch crossmediale Strategien Insbesondere integrierte Medienunternehmen finden im eigenen Unternehmen vielfältige Möglichkeiten Synergieeffekte auszunutzen. Am Beispiel der Motor Entertainment GmbH wird dieser Aspekt besonders deutlich, da das Unternehmen, wie bereits angesprochen, die Vernetzung der einzelnen Bereiche in den Vordergrund stellt. Die einzelnen Medien verfolgen bei Motor Entertainment hinsichtlich der musikalischen Orientierung eine nahezu identische Ausrichtung, womit sich durch die Mehrfachverwertung von Inhalten, das heißt in diesem Fall (spezielle) Informationen zu einem Künstler oder einer Band, Synergieeffekte ergeben. Besonders die Labelarbeit kann auf der einen Seite Medienkanäle, wie Motor FM, Motor TV und Motor.de, mit Inhalten bereichern und andererseits von dem damit einhergehenden Promotioneffekt für die

106 Musik der Künstler profitieren. Zudem kann die einheitliche musikalische Ausrichtung des Labels eine Vernetzung der Bands und Künstler befördern (vgl. Abb. 20).

Abb. 20: Verweis auf weitere Veröffentlichungen von Motor Music Vorderseite eines Flyers von Motor Entertainment, der CDs beigelegt wird

Quelle: Flyer Motor Entertainment GmbH

Darüber hinaus sorgt der Online-Shop Motorload für den eigenen Vertrieb der Produkte im Internet. Für die Nutzer werden Mehrwerte geschaffen, indem jedes Medium sich in seiner Spezifik präsentiert. Das Radio bietet – neben der Musik – Informationen rund um die präsentierten Künstler, offeriert aber auch aktuelle Nachrichten zum Tagesgeschehen. Der Onlinestream von Motor FM erlaubt es den Nutzern zudem die Playlist einzusehen sowie die gespielten Lieder direkt gegen Gebühr herunterzuladen bzw. zu bestellen. Im Gegensatz zu dem Radioprogramm ist der Internetfernsehsender Motor TV frei von Nachrichten sowie Moderationen und beschränkt sich somit auf das Abspielen von Musikvideoclips sowie das Darstellen von Hintergrundinformationen zu der gespielten Musik. Als Mehrwert zu dem Audiomedium Radio

107 macht der Internetfernsehsender die Musik sowie kurze Hintergrundberichte audiovisuell erlebbar und kann so zusätzlich ein visuelles Bild der Künstler vermitteln. Das Portal Motor.de vernetzt die einzelnen Medienbereiche von Motor Entertainment, indem es die verschiedenen Angebote verlinkt. Außerdem bietet es Raum für tiefgreifende Hintergrundberichte, die in solch einer Ausführlichkeit in den Medien Radio und TV nicht denkbar wären. Darüber hinaus können die Nutzer rund um die Uhr auf diese Daten zurückgreifen und sind nicht an Sendezeiten gebunden. Diese Vernetzung der unternehmenseigenen Medien auf Motor.de schafft Orientierung bzw. einen Überblick über das Angebot des Unternehmens. Dies wird durch weitere Verweise zwischen den anderen Medien unterstützt. So verweisen Moderatoren und Jingles im Radioprogramm auf die Onlineportale. Überdies stellen beispielsweise den Tonträgern beigelegte Flyer einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Angeboten her (vgl. Abb. 21).

Abb. 21: Verweis auf das Angebot von Motor Entertainment Rückseite eines Flyers von Motor Entertainment, der CDs beigelegt wird

Quelle: Flyer Motor Entertainment GmbH

108 Diese vielfältige Verweisstruktur wird, wie bereits im Kapitel 2.1.2. erläutert, auch unter dem Begriff Crossmedia subsumiert, die Schweiger anhand der MOPS-Matrix verdeutlicht.

7.3. Erweitern des Blickfeldes Medienkonvergenz verlangt von den Unternehmen, wie bereits erwähnt, eine entsprechende Weitsichtigkeit in ihrem Handeln, die sich nicht mehr nur auf eine Branche konzentriert, sondern verstärkt (technologische) Entwicklungen anderer Branchen berücksichtigt. Bisher weist speziell die Musikindustrie noch ein sehr begrenztes Blickfeld auf. Tschmuck beschreibt dementsprechend anhand des vierstufigen Grundmusters des kollektiven Handelns die zumeist gezwungene Akzeptanz von Innovationen in der Musikindustrie. Demnach drückt sich in Phase eins die Ignoranz gegenüber dem neuen Produkt aus. In Phase zwei wird die Relevanz des Neuen und die Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit heruntergespielt, bis sich in Phase drei ein Kampf der bisherigen Marktmacht gegen das Neue entfacht. Dieser Kampf endet schließlich in Phase vier mit der Akzeptanz des Neuen, da die Vertreter des alten Paradigmas „[...] nicht mehr in der Lage sind, alle sich gleichzeitig verändernden Faktoren des Wandels zu kontrollieren.“ (Tschmuck 2003, S. 277) Ein daraus resultierender struktureller Wandel ist nicht allein technologisch, sondern kann in den Augen Tschmucks auch als kultureller Wandel verstanden werden (vgl. Tschmuck 2003, S. 277ff.).

Das Grundmuster des kollektiven Handelns illustriert am Beispiel des Formats MP3 Offensichtlich kann das von Tschmuck beschriebene Grundmuster auch durch das in den 1990er Jahren eingeführte Format MP3 Bestätigung finden. Anstatt zu versuchen, positive Effekte aus der Entwicklung eines neuen Formats zu ziehen, bekämpfte die phonographische Industrie, nach einer Phase der Ignoranz, die neue Technologie und versuchte eine illegale Nutzung, die bald nicht mehr zu stoppen war, einzudämmen (Phase eins und zwei). Die Wünsche potentieller Kunden, die augenscheinlich Interesse an dem neuen Format bekundeten, wurden ignoriert, ja sogar bekämpft. Dies entspricht der Phase drei in Tschmucks Modell. Erst Ende der 1990er Jahre wurde begonnen aktuelle Veröffentlichungen, neben dem physischen Tonträger, auch legal als MP3 anzubieten (Haring 2002, S. 137ff). So setze sich erst sehr langsam die Akzeptanz des neuen Formats, auch innerhalb der phonographischen Industrie, durch. Diesen Zustand beschreibt die vierte Phase in Tschmucks Modell.

109 Doch selbst dann wurden und werden MP3-Dateien meist nur mit dem DRM-Schutzmechanismus (Digital Rights Management) versehen, angeboten, die das illegale vervielfältigen von Inhalten verhindern sollen. Dies kam und kommt den Interessen der Verbraucher jedoch nicht entgegen. Helberger fasst zusammen:

„DRM-geschützte Inhalte verhindern, dass der Verbraucher Ausnahmen nutzen kann, die das Urheberrecht vorsieht (wie beispielsweise die Schrankenbestimmung für privates Kopieren). Sie schränken den Verbraucher in seiner Autonomie ein, digitale Inhalte zu hören, zu sehen oder zu lesen, wo und wann er will. Sie greifen in die Privatsphäre ein und verletzen den Datenschutz. Im Extrem installieren DRM- Systeme sogar ohne Erlaubnis des Verbrauchers Software auf dessen Computer, die zu Schäden an Soft- und Hardware oder Dateien des Verbrauchers führen kann.“ (Helberger 2006, S. 33)

Die Industrie hat es zudem nicht geschafft, einen einheitlichen Schutzmechanismus am Markt zu etablieren. Diesen Umstand beschreibt Renner sehr deutlich:

„Apple nutzte im i-Store ein eigenes DRM-System, das den dreimaligen Wechsel des Computers erlaubte, Sony arbeitet bis heute mit einer Eigenentwicklung namens Atrac, die teilweise nicht einmal auf Sony- Playern funktioniert, und natürlich hat auch Real Networks genauso wie Microsoft eine eigene DRM- Technik im Angebot. Und keines der Programme passt zu einem der anderen.“ (Renner 2004, S. 255)

Dass DRM-geschützte Inhalte nicht dem Wunsch des Kunden entsprechen, belegen auch die Debatten um sicherungsschutzfreie Musik. In den Augen der Autorin scheint das Vorgehen der Industrie nicht der richtige Weg zu sein. Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nutzer ein minderwertiges Produkt (mit DRM-Schutz) akzeptiert als das, was er zwar illegal, aber kostenfrei angeboten bekommt. Viele der potentiellen Konsumenten sind bereits an eine illegale Nutzung gewöhnt, da lange Zeit kein entsprechendes legales Angebot vorhanden war. Das zum Verkauf angebotene Produkt sollte daher mindestens so gut sein, wie das illegal angebotene Produkt (vgl. Renner 2004, S. 152). Bauckhage bestätigt diesen Gedanken, wenn er schreibt:

„Digitale Musik wird sich als neues Konsumformat dauerhaft aber nur durchsetzen, wenn diese Vorteile [82, V.H.] die Kosten des Konsums auch zukünftig überwiegen und ein Kopierschutz den Konsum nicht unnötig behindert.“ (Bauckhage 2002, S. 132)

82 Bauckhage sieht die geringeren Transaktionskosten für den Konsumenten, die geringeren Distributions- und Produktionskosten für die Hersteller sowie die Mobilität von Musik durch neue technische Standards als wesentliche Vorteile digitaler Musik gegenüber herkömmlichen Tonträgern.

110 Das heißt, im Grunde ist es für den Nutzer in der Vergangenheit einfacher gewesen sich die Musik auf illegalem Weg zu beschaffen, als sich um ein entsprechendes Verkaufsangebot zu bemühen, das die gleichen Leistungen beinhaltet. Zweifelhaft erscheint auch der Sinn eines Schutzmechanismus, wenn man bedenkt, dass bislang jeder Schutzmechanismus „geknackt“ worden ist (vgl. Renner 2004, S. 255). Um eine Steigerung des entgeltlichen Absatzes von Musikdateien zu erreichen, erscheint es daher dringend notwenig das Blickfeld in Hinblick auf die Wünsche und Vorlieben der Kunden zu weiten. Diese sollten oberste Priorität haben. Letztlich wird der Kunde nur das Produkt kaufen, das ihm eine Anschaffung wert ist. Das heißt, das zum Kauf angebotene Produkte muss einen Mehrwert zu dem illegal angebotenen Produkt bieten oder zumindest leichter als dieses erhältlich sein. Genau diesen Gedanken versucht die Motor Entertainment GmbH mit ihrer Strategie umzusetzen. Der Blickwinkel und auch das Tätigkeitsfeld wird neben der Arbeit als Label auch auf andere Medienbranchen, wie die Fernseh-, Radio- und Veranstaltungsbranche, ausgeweitet. Wünsche und Vorlieben der Konsumenten haben oberste Priorität und entsprechen auch den Wünschen und Vorlieben der Macher von Motor Entertainment, die mit großer Leidenschaft Musik in einem redaktionell gepflegten Umfeld der Öffentlichkeit näher bringen. Im eigenen Online-Shop Motorload wird die Musik teils ohne Kopierschutz als MP3 und teilweise, dem Wunsch des jeweiligen Rechteinhabers entsprechend, als WMA (Windows Media Audio) angeboten. Die WMA Titel sind DRM-geschützt. Titel des eigenen Labels Motor Music werden als MP3 angeboten und sind kopierschutzfrei. Sie richten sich demzufolge nach den Bedürfnissen der Konsumenten. Eine möglichst vielfältige Nutzung des Angebots unterstützt Motor Entertainment beispielsweise auch durch die in Kapitel 4.1. erwähnte Möglichkeit der kostenfreien Umwandlung von Vinyl-Inhalten in digitale Dateien. Darüber hinaus wird der Zugang zu Musik und den damit in Verbindung stehenden Konsumgütern, wie Konzertkarten oder Merchandisingprodukten, dem Nutzer, insbesondere über das Online-Portal Motor.de so einfach als möglich gemacht. Für die Musik, für deren Verbreitung sich Motor Entertainment verantwortlich sieht, schafft das Unternehmen folglich in der Tat ein Angebot, das sich gegenüber illegalen Plattformen behaupten kann.

7.4. Verkaufsflächen schaffen Eine drastische Reduzierung der Verkaufsfläche für Tonträger in den letzten zwei Jahrzehnten erschwert den Kunden zunehmend den Erwerb von physischen Tonträgern in einem realen Laden.

111 Gefördert wurde das Absterben der Schallplattenläden in Deutschland von der Industrie selbst, die den enormen Absatzzahlen der Elektrofachgroßmärkte wie Saturn oder Media Markt (beide der Metro-Gruppe angehörig) nicht widerstehen konnte. Die Großmärkte boten die Tonträger zu unschlagbar günstigen Preisen an und unterboten häufig sogar noch den Einkaufspreis, um Kunden mit dem Angebot in den Laden zu locken. Auf diese Weise wurde ein fairer Wettbewerb gestört. Läden, die ausschließlich Tonträger verkauften, konnten dem Konkurrenzdruck nicht standhalten (vgl. Renner 2004, S. 186ff.). Dass hierbei neben dem Image von Musikprodukten auch die emotionale Bindung an das Produkt Musik leidet, wird dabei kaum beachtet. Die Industrie muss letztendlich erkennen, dass ein emotionales Umfeld für das stark emotionsabhängige Produkt Musik in einem Großmarkt nicht in dem Maße vermittelt werden kann, wie in einem „herkömmlichen“ Schallplattenladen, der sich in erster Linie um den Verkauf von Tonträgern sowie um kompetentes Beratungspersonal bemüht. Dass Musik nach wie vor eine bedeutende Rolle im Leben insbesondere der Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielt, konnte im Kapitel 5, das sich dem Mediennutzungsverhalten widmet, aufgezeigt werden. Ein starkes Interesse an Musik ist in der Gesellschaft nach wie vor vorhanden und konnte nicht durch neue Medien kompensiert werden. Vielmehr haben die Audiomedien durch ihre Digitalisierung an Bedeutung gewonnen, wenngleich sich dies nicht in den Verkaufszahlen (der Majors Labels) ausdrückt. Auch in dieser Hinsicht scheint es unabwendbar, die Wünsche potentieller Käufer von Musik in den Fokus zu rücken, ihnen zu entsprechen und den Kauf von Musik so einfach wie möglich zu gestalten. Dem entgegen kommen könnte auch die Generierung eines emotionalen Verkaufsumfeldes, wie es Motor Entertainment durch die Einbettung des Online-Shops in einen redaktionell gepflegten Rahmen versucht. Die Hoffnung ist, potentielle Kunden in einem emotionalen Umfeld verstärkt zu einem Spontankauf zu bewegen. Insbesondere bei dem Medium Internet, das den Nutzer vom Kauf eines Produktes nur durch einen Klick trennt, rechnet Motor Entertainment damit, dass Spontankäufe gesteigert werden können (T.R.: Z. 975-991). Husemann bezeichnet Motor Entertainment dem emotionalen Bezug entsprechend als „Boutique deines Vertrauens“. „Und das Vertrauen kommt, weil man diesen Leuten glaubt, dass sie auch leben, was sie da machen.“ (Liebing 02/2007, S. 22) Motor Entertainment bietet eben nicht nur den Kauf des Produktes an, sondern auch Informationen, die eine unabhängige und damit glaubwürdige Redaktion aufbereitet. Die Verkaufsflächen zum Absatz von Tonträgern in Supermärkten oder

112 Elektrofachgroßmärkten, wie Saturn und Mediamarkt, stehen meist im Gegensatz zu diesem emotionalen Ansatz.

7.5. Onlineshop statt Plattenladen Eine große Chance, zusätzliche Verkaufs- und Informationsfläche zu schaffen, bietet unter anderem der Onlineverkauf von Musik in physischer oder non-physischer Form.83 Die nahezu unbegrenzte Weite des Internets ermöglicht es, die Angebotsbreite erheblich auszudifferenzieren, da man nicht an räumlich beschränkte Verkaufsflächen gebunden ist. Plattenläden, die an die Präsentationsfläche in einem realen Laden gebunden sind, können nur einen Bruchteil des tatsächlichen Angebots ausstellen und daher Kundenwünsche häufig nicht erfüllen. Die erweiterten Möglichkeiten des Internets entsprechen nach Volkmer daher auch den Interessen von Musikliebhabern. Er beschreibt anhand von Daten einer Umfrage84, dass das Internet inzwischen die wichtigste Informationsquelle für sie ist. Insbesondere Seiten wie Last.FM85, Rate Your Music (RYM)86 oder auch der Online-Shop Amazon87 sind hierbei für sie wichtige Auftritte. Die Umfrage zeigt zudem, das dass Internet nicht nur Informationsquelle ist, sondern auch der Ort, an welchem Musikliebhaber am häufigsten Musik einkaufen. Insbesondere die Angebote von Amazon, eBay88, CDUniverse89 und jpc90 stechen hier aus dem vielfältigen Angebot von Online- Shops heraus. Nach wie vor kaufen jedoch noch knapp 44 Prozent der stark Musikinteressierten Musik in einem traditionellen Plattenladen ein. (Das Internet nutzen 47 Prozent für den Kauf.)91 Handelsketten wie Saturn oder Media-Markt nutzen 28 Prozent der Musikliebhaber, um Musik zu kaufen. Knappe 19 Prozent der stark Musikinteressierten kaufen bei eBay und nur 12,5 Prozent

83 Diese Möglichkeit kann jedoch bisher nicht als ein vollständiger Ersatz für reale Verkaufsflächen im Laden betrachtet werden, da das Internet, wie in Kapitel 4 erläutert, nicht allen Menschen zugänglich ist. 84 Volkmer befragte mit seiner Programmvermarktungs- und Medienberatungsfirma Radio- Vision im Herbst 2006 287 sehr musikinteressierte Leute im Alter zwischen 14 und 55 Jahren. Die Teilnehmer der Studie waren Menschen, die mindestens einmal im Monat Geld für Tonträger oder Downloads ausgeben. Davon wurden 141 Personen, die über Internetplattformen erreicht wurden, via E-mail bzw. über die Möglichkeiten des Forums selbst befragt. Bei den restlichen Personen, die sich aus Brancheninternen und Musikkonsumenten zusammensetzen, wurden die Daten im persönlichen Gespräch erhoben. Aus Sicht der Autorin sollte die Stichprobe in einer weiteren Befragung erhöht werden. 85 http://www.lastfm.de/, Zugriff: 08.08.2007. 86 http://rateyourmusic.com/, Zugriff: 08.08.2007. 87 www.amazon.de, Zugriff: 08.08.2007. 88 www.ebay.de, Zugriff: 08.08.2007. 89 http://www.cduniverse.com, Zugriff: 08.08.2007. 90 http://www.jpc.de, Zugriff: 08.08.2007. 91 Mehrfachantworten möglich.

113 der Musikliebhaber nutzen Downloadplattformen (vgl. Volkmer 2007, S. 8ff.). Diesen Daten entsprechend liegt der Umsatz laut der International Federation of the Phonographic Industry (kurz: IFPI) mit digitalen Formaten derzeit bei ungefähr zehn Prozent im Gesamtmarkt. Man rechnet jedoch damit, dass bis 2010 das digitale Geschäft mindestens ein Viertel aller weltweiten Verkäufe ausmacht. Man geht folglich von einem enormen Relevanzgewinn des Onlineverkaufs von Musik in den nächsten Jahren aus (vgl. Musikwoche 26.01.2007, S.8). Beispielhaft zeigt sich an dieser Stelle auch das Online-Shop-Angebot von Motor Entertainment, das, wie im voranstehenden Kapitel erläutert wurde, den emotionalen Bezug zum Nutzer in den Vordergrund stellt und Inhalte in einem redaktionell gepflegten Rahmen darbietet.

7.6. Globalisierung der Medien Nicht nur die Präsentation des Tonträgers bzw. der Musik in einem emotionalen Umfeld, auch die Präsentation des oder der Künstler/s, zum Beispiel auf dem Plattencover, in Musikvideos, dem Fernsehen generell, in Zeitschriften oder Zeitungen und im Onlinebereich, unterstützen die Festigung des Künstlerimages. Insbesondere die Bildmedien, die das Image auch für Andere abbildbar, übertragbar bzw. kopierbar machen, haben eine Globalisierung der Popkultur ermöglicht, die auch kulturelle Grenzen überschreitet (vgl. Klein/Friedrich 2003, S. 86f.).

„Popkulturen sind Migrantenkulturen, und sie etablierten sich als hybride Kulturen. Sie konstituieren sich im ‚Dazwischen’ von Globalem und Lokalem: Popkulturelle Stile werden an lokalen Orten entwickelt, als kulturindustrielle Ware global verbreitet, an verschiedensten Orten der Welt angeeignet und gehen als lokale Stile wieder in die globale Produktion ein.“ (Klein/Friedrich 2003, S. 81)

Das heißt, popkulturelle Stile werden lokal neu kontextualisiert und verstärken so auch eine emotionale Bindung. Diese Wechselwirkung zwischen dem Lokalen und dem Globalen wird von von Robert Robertson auch mit dem Begriff der „Glokalisierung“ bezeichnet (vgl. Klein/Friedrich 2003, S. 82f.). Die lokale wie globale Relevanz von Musik gewinnt speziell durch das Medium Internet eine neue Bedeutung. Schließlich dient das Internet, bereits seit seinen Anfängen, auch dem lokalen wie globalen Austausch von und über Musik. Das Besondere ist dabei, dass das Internet nicht nur eine Vernetzung innerhalb der Industrie ermöglicht, sondern auch eine Vernetzung zwischen den Musikfans herstellt, beziehungsweise, via Rückkanal darüber hinaus einen direkten Austausch zwischen Fan und Industrie ermöglicht. Internetforen wie MySpace oder auch Last.FM

114 unterstützen in jüngster Zeit diesen Austausch über Musik in besonderem Maße und stärken dadurch auch die Relevanz von Musikprodukten bzw. schaffen einen Bedarf. Das Independentunternehmen Motor Entertainment versucht auf verschiedenen Wegen eine Vernetzung von Lokalem und Globalem zu erreichen92. Einerseits unterstützt man insbesondere deutsche Bands, die sich dem globalen Phänomen der Gitarrenmusik angeschlossen haben, und verschafft somit dem globalen Phänomen eine lokale Relevanz. Andererseits zeigt eine Radiosendung wie „Auslandsspionage“, die interessante Neuentdeckungen aus dem Ausland präsentiert, dass man speziell den globalen Markt nicht aus den Augen verlieren will. So mischt sich dementsprechend im Radio- und Fernsehprogramm von Motor FM sowie Motor TV Lokales und Globales. Dies entspricht in den Augen Kleins und Friedrichs dem Wesen der Popkultur, die von einem Austausch lebt und als hybrid bezeichnet werden kann (vgl. Klein/Friedrich 2003, S. 82f.). Das Ziel eines globalen Austauschs von und über Gitarrenmusik verfolgt auch die Kooperation zwischen Motor Entertainment und dem in Los Angeles ansässigen Radiosender Indie 10393. Der Gedanke einer globalen Vernetzung soll in Zukunft weiter ausgebaut werden. In diesem Sinne existieren bereits jetzt Kooperationen mit Radiosendern in Japan, England, Skandinavien und Australien (vgl. M.R.: Z. 1784-1789). Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, bislang nur national bekannten Bands auf einem internationalen Markt Gehör zu verschaffen. Ein solch international ausgerichtetes Radionetzwerk ermöglicht es einem Online-Radiosender wie Motor FM zusätzlich sein Programm nicht nur an einem globalen Radiomarkt anzubieten, sondern dies darüber hinaus über das Radionetzwerk zu präsentieren, das heißt es international zu bewerben. Auf diese Weise kann der Radiosender bzw. in diesem Fall die Marke Motor auch an bisher noch nicht erschlossenen Märkten an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt durch die Globalisierung der Populärmusik ist das Angebot an Musik jedoch unüberschaubar geworden. Ein Unternehmen wie Motor Entertainment versucht durch Selektion den Konsumenten dabei zu unterstützen, einen Überblick über das massenhafte Angebot zu bekommen und durch globale Kooperationen auch internationale Bands in den Fokus zu rücken. Die Produktflut begrenzt sich jedoch nicht nur auf das Musikangebot. Auch das Angebot an Medienkanälen steigt mittels einer digitalen Datenübertragung sprunghaft an:

92 Lokale Themen sind für die Mediennutzer oft von besonderem Interesse. Sie verstärken eine emotionale Bindung zu den Nutzern, da sie das direkte Umfeld betreffen. 93 Samstag Nachmittag präsentiert Sat Bisla von dem Partnersender Indie 103 aus Los Angeles seine neusten Entdeckungen auf Motor FM. Motor FM informiert im Gegenzug Bisla über spannende Neuentdeckungen aus Deutschland, die dann wiederum im Programm von Indie 103 präsentiert werden.

115

„Die Digitalisierung ermöglicht eine Explosion der Kanäle und Informationen, das Internet liefert uns davon schon einen Vorgeschmack. Bald schon werden analoge Medien die Ausnahme sein. Doch je mehr Wissen verfügbar ist, desto größer wird vermutlich die Verwirrung sein. Hunderte, Tausende von Kanälen mit Millionen Programmstunden und Milliarden an Informationshäppchen machen es unglaublich schwierig, in der Menge des Neuen das wirklich Wichtige, das Spannende zu finden. [...] So wie der Pearl Tower über die Metropole Shanghai strahlt und Orientierung gibt, brauche ich feste Begriffe, Marken, denen ich vertrauen kann.“ (Renner 2004, S. 280)

Die Vielfalt des Angebots führt dazu, dass die Angebote immer weiter ausdifferenziert werden. So werden insbesondere Spartenprogramme, die einen sehr spezifischen Nutzerkreis ansprechen, das heutige Rundfunkprogramm ergänzen. Vom Angler- oder Kochkanal, über den Autokanal bis hin zum Musikkanal, der sich auf eine Musikrichtung begrenzt, werden dem Konsumenten über verschiedene Medien wie Radio, Fernsehen oder Internet Angebote gemacht, die dank ihrer spezifischen Adressierung an eine Nutzergruppe auch für die Werbeindustrie interessant sind, da hier Streuverluste der Werbung sehr viel geringer ausfallen (vgl. Renner 2004, S. 220f.). Zudem sinken durch die Digitalisierung der Medien die Kosten, um den Sendebetrieb aufnehmen und das Programm verbreiten zu können. Durch geringere Kosten und das Interesse der Werbebranche an einem spezifischen Nutzerkreis werden daher auch Nischenangebote wettbewerbsfähig. Das Suchen und Finden von Angeboten gewinnt dementsprechend in einer globalen Medienwelt verstärkt an Bedeutung wie Kusek und Leonhard beschreiben:

„Intelligente Software und musikspezifische Suchmaschinen werden das gute alte Radio als primäre Methode, von neuer Musik zu erfahren, ersetzten [sic!]. Wenn alle Musik, die jemals aufgenommen wurde, auf eine Festplatte zum Preis von weniger als 400 US$ passt – wenn es mehr Gratis-Musik gibt, als man ein ganzes Leben lang hören kann –, dann dreht sich alles darum, die Musik zu finden, die man mag.“ (Kusek/Leonhard 2005, S.154)

Das Internet birgt für die Musikindustrie folglich in vielerlei Hinsicht eine Chance: Besonders unabhängig agierenden Medienunternehmen bietet das neue Medium, und vor allem das komprimierte Format MP3, die Möglichkeit global zu agieren, ohne unbedingt auf das Vertriebsnetzwerk der Major Firmen angewiesen zu sein. Dennoch stellt dieses Netzwerk für alteingesessene Medienkonzerne einen großen Vorteil dar, da hierüber Informationen über verschiedene Medien kostengünstig publik gemacht werden können. Das unabhängige Medienkonglomerat Motor Entertainment, das sich an dem Netzwerkgedanken der Major Unternehmen orientiert und eigene Medienkanäle als Hilfsmittel für die Distribution schafft, zeigt

116 jedoch ein alternatives Konzept für Independents auf. Auch der kanadische DJ, Produzent und Labelchef John Acquaviva, der im Dance- und Elektronikbereich verhaftet ist, beschreibt in einem Interview mit der Musikwoche, wie sich die Vertriebstrukturen mit dem Internet verändern und welche Chancen dabei speziell für unabhängige Labels entstehen:

„Vor zehn Jahren war das Ziel meines Labels, das meistens Underground-Vinyle verkauft, meine Platten in die Geschäfte überall auf der Welt zu bringen. Aber wenn ein Laden irgendwo in Rumänien drei Exemplare davon haben wollte, war der Vertrieb extrem kostspielig und lohnte den Aufwand nicht. Heute können – dank Portalen wie Beatport – meine Titel auch in Rumänien digital geordert werden, und das zu einem erschwinglichen Preis. Auf diese Weise sind viele neue Märkte entstanden. Für Underground-Labels bedeutet das, dass die Vermarktung meiner Titel heute viel effizienter geworden ist, da ich dank des Internets jeden Winkel der Welt erreichen kann.“ (Musikwoche 04.05.2007, S. 11)

7.7. Absatzmodelle Eine Veränderung des Angebots sowie der Distribution erfordert ferner das Überdenken des vertrauten Verkaufsmodells. Insbesondere der Gedanke eines Musikabonnements scheint am ehesten der Produktflut der Zeit sowie dem Verlangen nach einer mobilen Rezeption zu entsprechen. Ein Musikabonnement würde dem Nutzer, gegen eine monatlich zu entrichtende Pauschale, ein immenses Angebot an einzelnen Musiktiteln und Alben kostenfrei zum Hören via Audio Stream zur Verfügung stellen.94 Eine Erweiterung dieses Angebots wäre beispielweise eine zur Verfügung stehende audiovisuelle Datenbank, über die Musikvideoclips, Interviews oder Musikdokumentationen abgerufen werden können. Optimalerweise für den Nutzer können die Daten auch heruntergeladen, gespeichert und auf andere Geräte transferiert werden. Ein unbegrenztes Speichern der Daten könnte jedoch bald zu einer Sättigung des Konsums führen. Auf diese Weise würde der „Backkatalog“ der Plattenfirmen entwertet, der bislang wesentlich zu den Einnahmen der phonographischen Industrie beträgt. Denkbar wäre aber die Entwicklung eines Modells, welches dem Kunden erlaubt, je nach Höhe der monatlichen Pauschale zwischen ein bis zehn Alben in seiner persönlichen Musikbibliothek dauerhaft zu speichern, die dann auch auf anderen Geräten abspielbar wären. Exklusive Neuerscheinungen oder auch physische Tonträger könnten durch gesonderte Entlohnung in einem Premiumabonnement zugänglich gemacht werden.

94 Dass der Nutzer von einem Musikabonnement ein ganzheitliches und ausdifferenziertes Angebot verlangt, bei welchem möglichst alle Anbieter von Musikinhalten berücksichtigt werden, zeigen Misserfolge von Online-Shops, die sich dem widersprechend nur auf das Angebot einzelner Majorlabels beschränkten (Röttgers 2003, S.48ff.).

117 Aktuell bietet das Unternehmen napster95, das sich von einem illegalen zu einem legalen Anbieter von Musik gewandelt hat, eine Musik-Flatrate an, die derzeit vier Millionen Musiktitel umfasst. Das Angebot klingt zunächst sehr attraktiv, zumal die monatliche Gebühr der Flatrate nur 9,99 Euro beträgt.96 Allerdings relativiert sich das Angebot, wenn man bedenkt, dass der Nutzer in seinem Handeln beschränkt wird. Musikrezeption ist nur Online bzw. Offline via PC möglich. Ein Transfer auf weitere Geräte wie einen mobilen MP3-Player oder Datenträger ist nur gegen Bezahlung möglich. Sobald sich der Nutzer beispielsweise eine CD brennen will, muss er pro Titel zusätzlich 99 Cent bzw. 9,99 Euro für ein Album abführen. Dies macht das Angebot insbesondere für Musikliebhaber uninteressant, da es das dauerhafte Speichern bzw. Sammeln von Musik nur gegen zusätzliche Bezahlung zulässt und die Daten im Abonnement ausschließlich als Audio Stream zur Verfügung stehen. Bleibt man dem gängigen Verkaufsmodell verhaftet, könnten über einen einheitlichen Händlerabgabepreis, ähnlich der Buchpreisbindung, neue Absatzorte erschlossen werden. Der Preis könnte beispielsweise nach der Aktualität eines Produktes gestaffelt sein. Das heißt, Veröffentlichungen aus dem Backkatalog könnten entsprechend günstiger als Neuerscheinungen angeboten werden. Ein Preisdumping durch Großabnehmer würde so verhindert und herkömmliche Plattenläden hätten wieder eine reelle Chance sich am Markt dauerhaft zu etablieren.

7.8. Mundpropaganda und Opinion Leader Da insbesondere Mundpropaganda, also der Tipp eines Freundes, einer Freundin oder eines Bekannten, verantwortlich für das Interesse an einem Künstler und somit letztendlich auch für den Kauf eines Produktes ist, sollte auch dieser Aspekt in der virtuellen Verkaufssituation berücksichtigt werden. Entweder durch den direkten Austausch der Konsumenten über ein Chat- oder Blogsystem oder aber auch, wie es der Online-Shop Amazon vorführt, über eine Vernetzung von ähnlichen Angeboten bzw. Empfehlungen von anderen Kunden mit ähnlichen Interessen. Auch Renner beschreibt in seinem Buch, dass Mundpropaganda mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat.

95 Ende der 1990er Jahre entwickelte Shawn Fanning die Musiktauschbörse napster, die, basierend auf einem Peer-to-Peer-System, dem Nutzer ermöglichte als MP3 komprimierte Musikdateien unter Interessenten zu tauschen. Das Angebot traf den Nerv der Zeit und fand rasche Verbreitung. Wegen Urheberrechtsverletzungen musste das Angebot auf Druck der Recording Industry Association of America abgeschaltet werden (vgl. S. 157ff.). 96 vgl. http://www.napster.de/, Zugriff: 09.08.2007.

118

„Ab Mitte der neunziger Jahre tauchte in unserer Universal-eigenen Marktforschung immer häufiger eine neue Quelle als Grund für den Plattenerwerb auf: ‚empfohlen durch Freund/Freundin’. Der Opinion Leader funktioniert wie ein kleiner Leitwolf im sozialen Umfeld, denn er kennt sich in den Codes der Stilgruppe am besten aus, er ist der ‚early mover’, den die Hardwareindustrie bei der Einführung neuer Produkte so dringend benötigt.“ (Renner 2004, S. 213)

Des Weiteren konstatiert Volkmer, dass laut der von seiner Firma Radio-Vision durchgeführten Umfrage (vgl. Kapitel 7.5.) 38 Prozent der Musikliebhaber Mundpropaganda nutzen, um sich über Musik zu informieren. Damit liegt die Mundpropaganda nach der Informationsquelle Internet (73 Prozent, Mehrfachantworten möglich) an zweiter Stelle. Unter den Musikliebhabern haben laut Aussage dieser Umfrage Radio und Fernsehen kaum Relevanz bei der Kaufentscheidung. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in den Medien Radio und Fernsehen derzeit kaum unbekannte Künstler vorgestellt bzw. präsentiert werden und nahezu ausschließlich Mainstream verfolgt wird. In der Regel sind Musikliebhaber längst über die im Radio und Fernsehen präsentierten Neuheiten informiert. Der Bedarf nach spitzeren Kanälen, die tatsächlich den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen, scheint daher insbesondere für Musikliebhaber gegeben. Diesem Faktum stellt sich Motor Entertainment und versucht gerade Musikliebhabern die Medien Radio und Fernsehen, durch die Präsentation von Musik abseits des Mainstreams, wieder näher zu bringen. Das Programm spricht durch die unkonventionelle Musikauswahl auch die Gruppe der Opinion Leader an, die bei Gefallen eine positive Einführung eines Produktes nicht zuletzt durch Mundpropaganda unterstützt. Das Direktmarketingsystem xtaster, das von M2M unterstützt wird, macht sich genau diese Tatsache zu Nutze und versucht mittels Fanteams die Mundpropaganda um einen Künstler oder eine Band in Gang zu setzen (vgl. Kapitel 4.3., 6.3.7.).

7.9. Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Tonträgerunternehmen stärken Eine gesteigerte Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Tonträgerunternehmen könnte zudem das eigene Engagement der Künstler verstärken. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang ein Modell beschrieben, in welchem Kreative in der Zukunft in Eigenregie ihr Produkt bearbeiten sowie vertreiben und somit mehr Verantwortung für die eigene Arbeit beweisen müssen (vgl. z.B. Haring 2002, S. 140). In der Regel werden sie dabei von Fachpersonal, das beispielsweise von Tonträgerfirmen gestellt wird, beraten. Eine Umsetzung in der Praxis ist jedoch nach wie vor nicht gängig. Häufig scheitert eine Selbstvermarktung an Unkenntnis über regionale wie (inter-)

119 nationale Veranstaltungs- bzw. Werbeorte, Magazine sowie Journalisten, die dem Produkt entsprechen. Zudem spielen persönliche Kontakte und Netzwerke eine bedeutende Rolle, die Außenstehenden häufig verschlossen bleiben. So einfach wie die Vermarktungsmaschinerie erscheint, so diffizil ist sie im gleichen Moment. Ferner sieht auch Tschmuck die Informationsbündelung durch die phonographische Industrie als ein bedeutendes Instrument einer erfolgreichen Verbreitung von Inhalten:

„Komponisten und Interpreten haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich ohne Hilfe eines Plattenlabels im Internet zu vermarkten. Allerdings sind die Such- und Informationskosten für den Konsumenten im Internet sehr hoch. Um als Musiker bekannt zu werden, braucht es immer noch die Informationsbündelung, wie es die Plattenlabels mit Hilfe von Marketinginstrumenten leisten.“ (Tschmuck 2003, S. 279)

Renner hingegen sieht selbst hier für den Künstler nicht mehr die Notwendigkeit sich an ein Label zu wenden, da eine beträchtliche Zahl freier kompetenter Mitarbeiter oder Agenturen zur Verfügung stehen, die guten Willens sind, neben dem Künstlermanagement auch Marketing und Promotion zu erfüllen (vgl. Renner 2004, S. 272). Nach Ansicht Renners würde eine Zunahme der Eigenverantwortlichkeit der Künstler durch eine Beteiligung an den Umsätzen das Engagement der Künstler beleben. Eine Individualisierung in der Gestaltung von physischen Tonträgern könnte den oder die Künstler, im Rahmen des Möglichen, verstärkt einbeziehen. Über eine nicht immer einfach kopierbare Verpackung des Tonträgers könnte verstärkt ein Kontext zu der Musik hergestellt werden, der bei dem Käufer den Wunsch, den Tonträger im Original zu besitzen, verstärken könnte. Als Beispiel kann hierbei die Band Radiohead angeführt werden, die sich aktiv am Artwork ihrer Tonträger beteiligt und auf diese Weise einen emotionalen Bezug zu der Band verstärkt.

7.10. Resümee Mit der Einführung des Internets hat die Musikindustrie die Kontrolle über Informationen zwar nicht verloren, das Handeln wird jedoch durch das neue Medium erheblich umstrukturiert. Veränderungen in den Strukturen der Musikbranche hat es in der Vergangenheit mehrfach gegeben (vgl. Kapitel 3). Wo die aktuellen Veränderungen hinführen und wie tiefgreifend und nachhaltig sie die gesamte Entertainment Branche verändern werden, ist derzeit noch nicht vollständig ersichtlich. Dass sich die Musikindustrie in einem Wandlungsprozess befindet, steht jedoch außer Frage. Dementsprechend wurde in diesem Kapitel versucht, mögliche Änderungen anzudeuten, die teilweise bereits in der Praxis von dem Unternehmen Motor Entertainment

120 umgesetzt werden, teilweise aber auch noch „Zukunftsmusik“ darstellen. Neben neuen Handlungsmöglichkeiten sollten aber auch alte Prinzipien wieder aufgegriffen werden. Volkmer fasst zusammen:

„Der aktive Musikkäufer ist mündig und entscheidet selbst, was ihm gefällt oder nicht. Wie wär’s denn mal wieder mit langfristigem Künstleraufbau, mit echter Imagebegleitung, tollen Coverideen, mit Unterstützung bei der Tourneegestaltung und – last but not least – mit guter Musik?“ (Volkmer 2007, S. 11)

Festzuhalten ist an dieser Stelle noch einmal, dass es nicht einen Weg in die Zukunft gibt. Vielmehr ist der Weg in die Zukunft der Vermarktung von Musik eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, ja insbesondere eine Kombination von verschiedenen Medien, die der zunehmenden Individualisierung in der Mediennutzung und einer voranschreitenden Medienkonvergenz gerecht werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es in Zukunft keinen Markt für Mainstreamangebote oder für sich allein stehende Audiomedien sowie Abspielgeräte geben wird. Die Nutzung differenziert sich zwar weiter aus, aber auch gewohnte Nutzungsstrukturen werden fortbestehen, da sie sich in der Vergangenheit bewährt haben. Verschiedene mobile und ortsgebundene Medien sowie Medienkanäle und -angebote werden dem Nutzer in der Zukunft – ausdifferenzierter als heute – parallel zur Verfügung stehen. Nicht selten wird es vorkommen, dass die Nutzer nicht bereit sind eine Veränderung von Technologien und / oder Geräte zu akzeptieren. Hier ist, wie die Etablierung des digitalen Fernsehens via DVB-T (Digital Video Broadcasting – Terrestrial) bestätigt, auch der Staat mit Hilfestellungen gefragt.

8. Abschließendes Resümee

In diesem Kapitel soll noch einmal ein Bezug zu den in der Einleitung gestellten Forschungsfragen (vgl. Kapitel 2) hergestellt werden, um die Ausgangslage des Unternehmens Motor Entertainment, seine Strategie und sein Konzept sowie die sich in einer konvergenten Medienwelt ergebende Handlungsmöglichkeiten zu verdeutlichen. Eine zusammenfassende Erläuterung zum aktuellen Forschungsgegenstand bildet in der Folge den Abschluss dieser Arbeit.

Die fortschreitende Konvergenz innerhalb der TIME-Branche (vgl. Kapitel 2.1.1.) wird vor allem hinsichtlich digitaler Medienangebote sichtbar, die durch das Verschmelzen der Branchen, Techniken und der Angebote vormalige Grenzen überwinden. Der Blick in die Entwicklung der

121 Musikindustrie zeigt, dass sie ihr Blickfeld auf weitere Branchen ausweiten muss, um einem konvergenten Medienmarkt gewachsen zu sein und weiter als eigenständige Branche existieren zu können. Das Internet hat in diesem Umwandlungsprozess als Konkurrent, aber auch als Förderer von Musik, weiterhin eine Schlüsselfunktion inne. Das Zusammenwachsen der Medien und das neue Medium Internet führen, wie die Entwicklung der Musikindustrie zeigt, zu nachhaltigen Veränderungen in der Medien- und insbesondere in der Musikbranche. Das Auftreten eines unabhängigen zukunftsorientierten Konglomerats wie Motor Entertainment zum jetzigen Zeitpunkt liegt folglich darin begründet, dass das Unternehmen die möglichen Chancen eines sich in der Musikindustrie andeutenden Wechsels der Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen – insbesondere hervorgerufen durch eine Digitalisierung der Medien und einer damit einhergehende Konvergenz der Branchen, Techniken und Angebote – erkannt hat und sich diese zu nutze machen möchte. Dabei orientiert sich das Unternehmen mit seiner Angebotsbreite an den Strukturen der Major Unternehmen, versucht jedoch im finanziellen Rahmen eines Independent Unternehmens zu bleiben, um neben der finanziellen auch die inhaltliche Freiheit zu bewahren. Zugangsbeschränkungen, bedingt durch die in den Kapazitäten begrenzte analoge Technologie, entfallen für Medienkanäle künftig und verstärken so den Konkurrenzdruck in der konvergenten Medienwelt. Dementsprechend hat sich das Unternehmen Motor Entertainment auf eine Nische – eine musikalische Nische, abseits des Mainstreams – spezialisiert. Dass man eine inhaltliche Spezialisierung, über alle dem Unternehmen eigenen Medien, wie Radio, Fernsehen, Internet, verfolgt und auch in der Labelarbeit berücksichtigt, lässt das Unternehmen nicht zuletzt für den Konsumenten glaubhaft erscheinen. Dieser sieht, hört, liest und spürt, dass hier aus Überzeugung und Leidenschaft für diese Musik gehandelt wird (vgl. Kapitel 6.3.9). Die Vernetzung der Medien und der verschiedenen Verbreitungskanäle, im Sinne von Crossmedia, stellt, wie die Kapitel 4, 6 und 7 zeigen, einen strategischen Grundsatz des Unternehmens dar. So versucht man die Spezifika der einzelnen Medien hervorzuheben und zugleich, durch das wechselseitige Verweisen der Medien, Orientierung innerhalb des Konglomerats oder auch eines Themas zu bieten. Ein daraus entstehender wechselseitiger Werbeeffekt wird, neben sich aus dem Zusammenschluss ergebenden Synergieeffekten, bewusst ausgenützt, um nachhaltig die Marke Motor in einer analogen wie digitalen Welt zu etablieren. Zuletzt konnte das Kapitel 7 die in der Einleitung gestellte Frage nach den Handlungsmöglichkeiten in einer konvergenten Medienwelt beantworten. Auch hier gewinnt vor allem die zunehmende Vernetzung der Inhalte, aber auch der

122 Branchen und Tätigkeitsfelder an Bedeutung. Insbesondere das Internet erweitert die Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten der Nutzer, verhilft aber auch den Medienanbietern zur Generierung von neuen virtuellen Verkaufsflächen. Diese ermöglichen in Zukunft zunehmend, zurückgreifend auf eine große Angebotsbreite, spontane Kaufhandlungen der Konsumenten.

Abschließend kann, wie bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erwähnt, darauf hingewiesen werden, dass aktuelle Entwicklungen der Musikindustrie bisher nur unzureichend Berücksichtigung, insbesondere in der universitären Forschung, finden. Dementsprechend ist nach wie vor der Einfluss des Internets auf die Strukturen der Musikindustrie nicht hinreichend untersucht worden. Ebenso konnten Nutzen und Verlust von illegalen wie legalen Musiktauschbörsen im Internet nicht nachhaltig geklärt werden (vgl. Adelberger/Fittkau/Reinecke/Richter-Matthies/Trepte 2004, S. 199ff.; Bauckhage 2002, S. 131ff.). Hinsichtlich einer Konvergenz der Medien findet die Musikindustrie als Teil der Entertainment- Branche in der universitären Forschung nur bedingt Beachtung. Diese sollte bei noch ausstehenden detaillierten Untersuchungen zu dem konvergenten Verhalten innerhalb der TIME- Branche verstärkt Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wird bisher die Untersuchung einer Konvergenz in der Mediennutzung von Erwachsenen noch kaum beachtet. Daneben bedarf auch die Nutzung von Audio-Medien durch Erwachsene weiterer Forschung. Speziell in der Medienforschung fand die Musikindustrie in der Vergangenheit vor allem im Zusammenhang der Erforschung der Rezeption von Musikvideos sowie dem Musikfernsehen generell Berücksichtigung. Doch auch in diesem Feld besteht weiterer Forschungsbedarf (vgl. Mikos/Neumann-Braun 2006). Bei weiteren Forschungsvorhaben hinsichtlich der Rezeption oder dem Kaufverhalten von Musik erscheint eine lückenlose Auflistung der verschiedenen Geräte, über die Musik konsumiert werden kann, wichtig. Eine Auflistung der Musikabspielgeräte beantwortet auch die Frage nach dem möglichen Voranschreiten der Gerätekonvergenz in diesem Bereich. Eine Untersuchung der Rezeptionsorte von Musik könnte zudem interessante Ergebnisse offen legen, da beispielsweise der Musikkonsum nicht immer an ein im eigenen Besitz befindliches Gerät gekoppelt ist. Auch die Dauer der Rezeption von Musik über die verschiedenen Geräte sollte generell Berücksichtigung finden und aufzeigen, dass die Musikrezeption im Tagesverlauf durch verschiedene Medien und Medienkanäle gestützt wird.

123 Literatur:

• Adelberger, Cyrill / Fittkau Jan-Tajo / Reinecke, Leonhard / Richter-Matthies, Anling / Trepte, Sabine: Von Jägern und Sammlen – Motive des MP3-Sharings in Abgrenzung zum CD-Kauf. In: Hasebrink, Uwe / Mikos, Lothar / Prommer, Elisabeth [Hrsg.]: Mediennutzung in konvergierenden Medienumgebungen. München: Reinhard Fischer, 2004. • Bauckhage, Tobias: Das Ende vom Lied? Zum Einfluss der Digitalisierung auf die internationale Musikindustrie. Stuttgart: Ibidem, 2002. • Berg, Charles / Milmeister, Marianne: Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Geschichte finden. Über die Kodierverfahren der Grounded Theory Methodologie. In: Mey, Günter / Mruck, Katja [Hrsg.]: Grounded Theory Reader. Köln: Zentrum für Historische Sozialforschung, 2007. • Bogner, Alexander / Menz, Wolfgang: Das theoriegenerierende Experteninterview. Erkenntnisse, Wissensformen, Interaktion. In: Bogner, Alexander / Littig, Beate / Menz, Wolfgang: Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005. • Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V. [Hrsg.]: Jahrbuch 2006 der Phonographischen Wirtschaft. München: Musikmarkt, 2006. • Chapple, Steve / Garofalo, Reebee: Wem gehört die Rock-Musik? Geschichte und Politik der Musikindustrie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1980. Titel der Originalausgabe: Rock ’n’ Roll is Here to Pay. Chicago, Illinois: Nelson-Hall Inc., 1977. • Deisen, Sebastian: MTV: Like Rolling Off A Logo. In: Hoffmann, Hilmar / Schobert, Walter [Hrsg.]: Sound & Vision. Musikvideo und Filmkunst. Schriftenreihe des Deutsche Filmmuseum. Franfurt a. M.: Verlag der Autoren, 1993. • Eberspächer, Jörg: Medienkonvergenz. In: Eberspächer, Jörg / Ziemer Albrecht [Hrsg.]: Digitale Medien und Konvergenz. Tagungsband. Heidelberg: Hüthig, 2001. • Eimeren van, Birgit / Ridder, Christa-Maria: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis 2005. Media Perspektiven: 10/2005. • Eimeren van, Brigit / Frees, Beate: Zukünftige Medien: Praxistauglich für den Konsumenten? Media Perspektiven: 11/2006. • Europäische Kommission: Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen. KOM (97) 623 endg. 1997. • Garling, Jens: Interaktives Fernsehen in Deutschland. Europäische Hochschulschriften Reihe 40. Frankfurt a. M.: Lang, 1997. • Garofalo, Reebee: Rockin’ Out - Popular Music in the U.S.A. Boston: Allyn and Bacon, 1997. • Gebel, Christa / Lauber, Achim / Theunert, Helga / Wagner, Ulrike: Zwischen Vereinnahmung und Eigensinn – Konvergenz im Medienalltag Heranwachsender. Erster Untersuchungsabschnitt zur Studie „Umgang Heranwachsender mit Konvergenz im Medienensemble“ BLM-Schriftreihe Band 74. München: Reinhard Fischer, 2004.

124 • Gelatt, Roland: The fabulous phonograph 1877-1977. New York: Macmillan, 1977. • Glaser, Barney G / Holton, Judith: Remodeling Grounded Theory. In: Mey, Günter / Mruck, Katja [Hrsg.]: Grounded Theory Reader. Köln: Zentrum für Historische Sozialforschung, 2007. • Gleich, Uli: Crossmedia – Schlüssel zum Erfolg? In: Media Perspektiven, Heft 11/2003. • Gronow, Pekka: The Recording Industry: an Ethnomusicological Approach. Tampere: University of Tampere,1996. • Gronow, Pekka / Saunio, Ilpo: An international history of the recording industry (Titel Originalausgabe: Äänilevyn historia). London/New York: Cassell, 1998. • Hack, Günther: Big Brother – Aufmerksamkeitslenkung im Medienverbund. In: Beck, Klaus / Schweiger; Wolfgang [Hrsg.]: Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. Reihe InternetResearch, Band 1. München: Reinhard Fischer, 2001. • Haring, Bruce: MP3. Die digitale Revolution in der Musikindustrie. Freiburg: orange-press, 2002. • Hasebrink, Uwe: Konvergenz aus medienpolitischer Perspektive. In: Theunert, Helga/ Wagner, Ulrike [Hrsg.]: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF. München: BLM Schriftreihe, 2002. Band 70. • Hasebrink, Uwe / Mikos, Lothar / Prommer, Elisabeth [Hrsg.]: Mediennutzung in konvergierenden Medienumgebungen. München: Reinhard Fischer, 2004. • Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft: Stuttgart: Metzler, 2003. • Hoffmann, Dagmar: Experteninterview. In: Mikos, Lothar / Wegener, Claudia [Hrsg.]: Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch. Konstanz: UVK, 2005. • Hoffmann-Riem, Wolfgang: Medienregulierung als objektiv-rechtlicher Grundauftrag. In: Medien- und Kommunikationswissenschaft: Baden-Baden: Nomos, Jahrgang 50, Heft 2000/2. • Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schulz, Wolfgang / Held, Thorsten: Konvergenz und Regulierung. Optionen für rechtliche Regelungen und Aufsichtsstrukturen im Bereich Information, Kommunikation und Medien. Baden- Baden: Nomos, 2000. • Jahnke, Marlies: Der Weg zum Popstar. Vom Demoband bis in die Top 10. Mainz: Schott, 1998. • Kassner, Karsten / Wassermann, Petra: Nicht überall, wo Methode draufsteht, ist auch Methode drin. Zur Problematik der Fundierung von ExpertInneninterviews. In: Bogner, Alexander / Littitg, Beate / Menz, Wolfgang: Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005. • Klein, Gabriele / Friedrich, Malte: Globalisierung und die Performanz des Pop. In: Neumann-Braun, Klaus u.a. [Hrsg.]: Popvisionen. Links in die Zukunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003. • Klingler, Walter / Gerhards, Maria: Mediennutzung in der Zukunft. Media Perspektiven: 02/2006. • Kusek, David / Leonhard, Gerd: Die Zukunft der Musik. Warum die digitale Revolution die Musikindustrie retten wird (Titel Originalausgabe: The Future Of Music – Manifesto for the digital music revolution). München: Musikmarkt, 2006. • Liebing, Hagen: Neueste Deutsche Welle. In: tip Berlin. Heft: 02/2007. • Loosen, Wiebke: Mediale Synergien – Crossmediale Marketingstrategien und Konsequenzen für den Journalismus. In: Beck, Klaus / Schweiger, Wolfgang [Hrsg.]: Attention Please! Online Kommunikation und Aufmerksamkeit (Reihe InternetResearch, Band 1). München: Reinhard Fischer, 2001.

125 • Maier, Michaela: Zur Konvergenz des Fernsehens in Deutschland. Ergebnisse qualitativer und repräsentativer Zuschauerbefragungen. Konstanz: UVK, 2002. • Martland, Peter: Since records began. EMI. The first 100 years. Portland, Oregon: Amadeus Press, 1997. • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [Hrsg.]: JIM-Studie: Jugend, Information, Multimedia – Basisuntersuchung zum Medienumgang 12-19-jähriger. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2006. • Meier, Werner A.: Was macht die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit der Konvergenz? In: Latzer, Michael / Maier-Rabler, Ursula / Siegert, Gabriele / Steinmaurer, Thomas [Hrsg.]: Die Zukunft der Kommunikation. Phänomene und Trends in der Informationsgesellschaft. Innsbruck: Studien-Verlag, 1999. • Merten, Klaus: Konvergenz der deutschen Fernsehprogramme. Eine Langzeituntersuchung 1980-1993. Münster / Hamburg: Lit, 1994. • Meuser, Michael / Nagel, Ulrike: Das ExpertInneninterview – Wissenssoziologische Voraussetzung und methodische Durchführung. In: Friebertshäuser, Barbara / Prengel, Annedore [Hrsg.]: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim: Juventa, 2003. • Meuser, Michael / Nagel, Ulrike: ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur Methodendiskussion. In: Bogner, Alexander / Littitg, Beate / Menz, Wolfgang: Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005. Erstmals in: Graz, Detlev / Kraimer, Klaus: [Hrsg.]: Qualitativ-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1991 • Mey, Günter / Mruck, Katja [Hrsg.]: Grounded Theory Reader. Köln: Zentrum für Historische Sozialforschung, 2007. • Mikos, Lothar / Neumann-Braun, Klaus: Videoclips und Musikfernsehen. Eine problematische Kommentierung der aktuellen Forschungsliteratur. Berlin: Visitas, 2006. • Mühl-Benninghaus, Wolfgang: Krise des Medienmanagement am Beispiel von Musik-, Film- und Fernsehwirtschaft. In: Friedrichsen, Mike / Mühl-Benninghaus, Wolfgang / Schweiger, Wolfgang: Neue Technik, neue Medien, neue Gesellschaft? Ökonomische Herausforderungen der Onlinekommunikation. München: Reinhard Fischer, 2007. • Musikwoche. Das Fachmagazin für die Musikbranche. Dornach / München: 23.02.2007 Ausgabe Nr. 9 und 10. • Musikwoche. Das Fachmagazin für die Musikbranche. Dornach / München: 26.01.2007 Ausgabe Nr. 5 und 6. • Musikwoche. Das Fachmagazin für die Musikbranche. Dornach / München: 18.05.2007, Ausgabe Nr. 21. • Osgerby, Bill: Youth Media. New York: Routledge, 2004. • Pfadenhauer, Michaela: Auf gleicher Augenhöhe reden. Das Experteninterview – ein Gespräch zwischen Experte und Quasi-Experte. In: Bogner, Alexander / Littitg, Beate / Menz, Wolfgang: Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005. • Pichinot, Christine: Konvergenz der Medien in Europa im Spannungsfeld von E-Commerce- und Fernsehrichtlinie. Göttingen: Cuvillier, 2005. • Ramme, Georg: Strategien von TV-Unternehmen in konvergierenden Märkten. Optionen und ihre Bewertung. Baden-Baden: Nomos, 2005.

126 • Renner, Tim: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Frankfurt am Main: Campus, 2004. • Röttgers, Janko: Mix, Burn & R.I.P. Das Ende der Musikindustrie. Hannover: Heise, 2003. • Sanjek, David / Sanjek, Russell: American Popular Music Business in the 20th Century. New York: Oxford University Press, 1991. • Schmidt, Axel: Sound and Vision go MTV – die Geschichte des Musiksenders bis heute. In: VIVA MTV! Popmusik im Fernsehen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1999. • Schulze Darup, Tobias: Die Zukunft des Musikfernsehens? Eine Fallstudie über das internetbasierte Musikfernsehen am Beispiel der Nutzer von Motor TV. Examensarbeit. Hannover: Hochschule für Musik und Theater, 2007. • Schweiger, Wolfgang: Crossmedia zwischen Fernsehen und Web. Versuch einer theoretischen Fundierung des Crossmedia-Konzepts. In: Theunert, Helga/ Wagner, Ulrike [Hrsg.]: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF. Band 70. München: BLM Schriftreihe, 2002. • SevenOne Media: TimeBudget 12: 1999-2005. Unterföhring: SevenOne Media, 2005. • Shell Deutschland Holding [Hrsg.]: 15. Shell Jugendstudie - Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 2006. • Strübing, Jörg: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung. Wiesbaden: VS Verlag der Sozialwissenschaften, 2004. • Theunert, Helga / Wagner, Ulrike [Hrsg.]: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF. Band 70. München: BLM Schriftreihe, 2002. • Theunert, Helga / Wagner, Ulrike: Vorwort der Herausgeberinnen. In: Theunert, Helga/ Wagner, Ulrike [Hrsg.]: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF. Band 70. München: BLM Schriftreihe, 2002. • Tschmuck, Peter: Kreativität und Innovation in der Musikindustrie. Innsbruck: Studienverlag, 2003. • Vogel, Berthold: Wenn der Eisberg zu schmelzen beginnt... – Einige Reflexionen über den Stellenwert und die Probleme des Experteninterviews in der Praxis der empirischen Sozialforschung. In: Brinkmann, Christian / Deeke, Axel / Völkel, Brigitte [Hrsg.]: Experteninterviews in der Arbeitsmarktforschung. Diskussionsbeiträge zu methodischen Fragen und praktischen Erfahrungen, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Band 191. Nürnberg: (o.V.), 1995. • Volkmer, Heiko: Mundpropaganda statt Megastore. In: Musikwoche. Das Fachmagazin für die Musikbranche. Dornach / München: 12.01.2007, Ausgabe Nr. 3. • Wicke, Peter: Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der Popmusik. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1998.

127 Internet:

• AS&S Radio: ma 2007 Radio II. 2007. http://www.reichweiten.de, Zugriff: 19.07.2007. • blickpunktfilm.de: MTV und Viva in Kernzielgruppe weiter erfolgreich. Berlin: 12.01.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=224487&Biz=musicbiz&Premium=N&NL=MWD&uid=m20367, Zugriff: 12.01.2007. • Deutsche Grammophon: The "Gramophone" in Deutsche Grammophon. http://www.deutschegrammophon.com, Zugriff: 13.07.2007. • Donges, Patrick: Das Phänomen der Konvergenz in der Debatte um die RTVG-Revision. In: Medienheft, 09.03.2001. http://www.medienheft.ch/politik/bibliothek/p15_DongesPatrick.pdf, Zugriff: 23.02.2007. • Dudek, Philipp: Radio Teddy funkt für Kids und brave Eltern. taz Berlin lokal vom 13.7.2005. http://www.taz.de/pt/2005/07/13/a0218.1/text, Zugriff: 15.02.2007. • Förderland: Tim Renner (Internetseite nicht mehr erreichbar). [2005] http://www.foerderland.de/1019.0.html, Zugriff: 15.02.2007. • Gebühreneinzugszentrale (GEZ): Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte. 2007. http://www.gez.de/door/gebuehren/neg/, Zugriff: 23.08.2007. • Helberger, Natali: Digitales Rechtemanagement und Verbraucherinteressen. Plädoyer für eine DRM-Agenda, die auch die Interessen der Verbraucher berücksichtigt. In: Forschungszentrum Karlsruhe GmbH in der Helmholtz- Gemeinschaft, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse [Hrsg.]: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis. Nr. 2., 15.Jg., Eggenstein-Leopoldshafen: August 2006. http://www.itas.fzk.de/tatup/062/helb06a.pdf, Zugriff: 03.08.2007. • Hoff, Dieter: Technische Konvergenz – Fakten und Perspektiven. Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln. Heft 147, Köln: Institut für Rundfunkökonomie, 2001. http://www.rundfunk-institut.uni-koeln.de/institut/pdfs/14701.pdf, Zugriff: 13.07.2007 • Husemann, Petra [Hrsg.]: Motor.de – Musik nach vorn! [2006] http://www.motor.de/ueber, Zugriff: 6.12.2006. • Klose, Franz (I-D-Media AG): I-D-Media beteiligt sich an Motor Entertainment. 05.02.2006. http://www.aktiencheck.de/artikel/news-Nebenwerte-1197742.html, Zugriff: 25.07.2007. • Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK): Aufgaben. 2005. http://www.kek-online.de/Inhalte/aufgaben.html, Zugriff: 15.07.2007. • Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK): Online-Medien. 2007. http://www.kek-online.de/Inhalte/onlinemedien.html, Zugriff: 24.08.2007. • Lehrstuhl Populäre Musik (Humboldt Universität zu Berlin): Geschichte der Populären Musik [2007]. http://www2.rz.hu-berlin.de/fpm/lehr.htm, Zugriff: 31.07.2007.

128 • Media Perspektiven: Pressemitteilung: ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2005. 2005. http://www.ard-werbung.de/dokument/3221.phtml, Zugriff: 31.07.2007. • Meier, Lars: Biographie Tim Renner (Internetseite nicht mehr erreichbar). [2006] http://www.larsmeier.de/_moderat/timrenner.html, Zugriff: 27.11.2006. • Mission to Mars (M2M): Company. [2007]. http://www.m2m-net.de, Zugriff: 9.07.2007. • Motor FM: Sendungen [2007] http://www.motorfm.de/index.php?a=sendungen, Zugriff: 17.07.2007. • Motor Music: Über Motor Music. [2007]. http://www.motor.de/motormusic/uebermotormusic, Zugriff: 11.12.2006. • Motor Music: Was ist Motor Entertainment? [2007]. http://www.motormusic.de/motormusic/uebermotormusic/67/was_ist_motor_entertainment_.html, Zugriff: 19.07.2007. • MTV: Be different. [2007]. http://www.viacombrandsolutions.de/de/sender_programme//positionierung.html;jsessionid=B0AA3B0C9A 0B8161BCD3A48E8DB3B984, Zugriff: 17.07.2007. • Musikwoche.de: 100,6 Motor FM künftig aus einer Hand. Berlin: 11.06.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=234431&Biz=musicbiz&Premium=J&Navi=01159000, Zugriff: 24.07.2007. • Musikwoche.de: Apple meldet neue Verkaufsrekorde für iPod und iTunes. Cupertino, 10.04.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=230414&Biz=musicbiz&Premium=J&Navi=01301000, Zugriff: 23.05.2007. • Musikwoche.de: Caldas nennt neue Details zu Merlin. Köln, 16.08.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=238851&Biz=musicbiz&Premium=N&NL=MWD&uid=m20367, Zugriff: 19.08.2007. • Musikwoche.de: Deutsches Musikgeschäft erneut im Minus. Berlin, 29.03.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=229854&Biz=musicbiz&Premium=J&Navi=01301000, Zugriff: 23.05.2007. • Musikwoche.de: Experten rechnen mit mobilen Downloads bei Apple. Silver Spring, London: 09.08.2007. http://www.mediabiz.de/newsvoll.afp?Nnr=238433&Biz=musicbiz&Premium=N&NL=MWD&uid=m20367, Zugriff: 10.08.2007. • Oberländer, Dirk: Das Demotape hat ausgedient. taz Berlin lokal Nr. 7583, 05.02.2005. http://www.taz.de/pt/2005/02/05/a0274.1/textdruck, Zugriff: 15.02.2007. • Reuse, Sandra (VUT): Selbstdarstellung (Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V). http://www.vut-online.de/cms/?page_id=122, Zugriff: 04.06.2007.

129 • Schmidt; Uwe: Der neue Motor – Tradition und Fortschritt. 23.01.2007. http://www.motor.de/motorblog/uwe.schmidt/der_neue_motor_tradition_und_fortschritt.html#comments, Zugriff: 22.07.2007. • SevenOne Media: Online ABC. http://www.sevenonemedia.de/unternehmen/bibliothek/lexikas/, Zugriff: 15.07.2007. • Universal Music Deutschland: Geschichte. 2006. http://www.universal-music.de/inhalt/company/universal_geschichte, Zugriff: 16.02.2007. • Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V (VUT): Independents starten mit Merlin die erste Lizenzagentur für weltweites Repertoire. 20.01.2007. http://www.vut-online.de/cms/?p=354, Zugriff: 19.08.2007. • Viacom: Monatliche GfK-Daten MTV, VIVA, COMEDY CENTRAL und NICK. 2007. http://www.viacombrandsolutions.de/de/research/gfk/gfk.html;jsessionid=AD5F946CA147DF073EAC92DD4354 461E • Vonlowtzow, Caroline: Deutschlands erste bundesweite Jugendwelle? Interview mit Markus Kühn. 05.05.2006. http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/303167, Zugriff: 16.02.2007. • Wicke, Peter: Populäre Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Entstanden in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikrat und dem Deutschen Musikinformationszentrum der Kulturstadt Bonn, 2004. http://www.miz.org/static/themenportale/einfuehrungstexte_pdf/04_JazzRockPop/wicke.pdf, Zugriff: 23.05.2007. • Zettler, Michael (Zett Media): Motorcity Kneipe. [2001] http://www.zett.org/?sp=1&detail=18, Zugriff: 02.08.2007.

130 Weitere Internetseiten, die der Information dienten:

• Motor.de http://www.motor.de/ • Motor FM http://www.motorfm.de/ • Motor Music / Motor Digital http://www.motormusic.de • Motor Online-Shop http://www.motorload.de/ • Motor Tours http://www.motor-tours.de/ • xtaster http://www.xtaster.de • Motor TV http://www.motortv.de/ • Bunch TV http://www.bunch.tv, Zugriff: • Deluxe Music http://www.deluxemusic.tv • Tunespoon TV http://www.tunespoon.tv • Würfelzucker TV http://www.wuerfelzucker.tv

131

Anhang

132

ndustrie im 20. Jahrhundert Überblick Abb. Anhang 1: Der Wandel der Musiki Quelle: Tschmuck 2003, S. 240.

133

Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.

Berlin, den ------Veronika Henkel

134