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Medien

TV-SENDER Stachel im Fleisch Die Bieter-Schlacht um den Kölner Musikkanal Viva steht vor der Entscheidung: Setzt sich AOL Time Warner gegen das Über- nahmeangebot von MTV durch?

igentlich ging es um den Kampf ge- II VIVA gen Aids, als am vergangenen Mitt- Viva Media AG Ewoch die Großen des US-Medienge- schäfts zusammenkamen. Anteile der Gesellschafter AOL Time Warner und die - in Prozent Tochter MTV hatten das exquisite Spen- den-Dinner gesponsert, an den Zehner- 15,3 AOL Time Warner Tischen im New Yorker Fitness-Tempel Chelsea Piers (Preis pro Tisch: 10000 bis 15,3 EMI 25 000 Dollar) amüsierten sich Stargäste Viva-Sendung „Fast Forward“* wie Bill Clinton, Kofi Annan und REM- 15,3 Vivendi „Ein Stück Musikkultur“ Sänger Michael Stipe. Universal In anderer Mission war auch ein Besu- 18,2 Gründer- Die inzwischen mit Time Warner zum cher aus Deutschland dabei: Helge Sasse, gesellschaft weltgrößten Medienkonzern fusionierte Mitgründer des Kölner Videoclip-Kanals AOL-Gruppe ist derzeit mit 15,3 Prozent an Viva, wollte die Zukunft seines Senders Die Initiatoren der Viva Media AG beteiligt und hat im vo- sondieren, der 1993 mit einem Video der 11,7 Jörg Grabosch rigen September ein 49-Prozent-Paket an Fantastischen Vier gestartet war: „Zu geil und andere Viva Zwei erworben. Zudem verfügt das für diese Welt“. Gesellschafter Unternehmen über beste Beziehungen zum Schon seit Monaten liefert sich Vivas Viva-Gesellschafter EMI – so konnte es bis- Erzfeind MTV mit AOL Time Warner eine 24,2 Streubesitz lang verhindern, dass Viacom trotz seines Übernahmeschlacht ums deutsche Musik- hohen Gebots auf die nötigen Anteile für fernsehen. Die Chancen sind günstig, denn eine unfreundliche Übernahme kam. zwei Großaktionäre der Deutschen, die Salm, Ex-Chefin von MTV Deutschland, Bei AOL Time Warner ist der kleine Musikkonzerne EMI und Vivendi Univer- „und Viacom war klar, dass diese Wunde deutsche Musikkanal aus Köln inzwischen sal, wollen sich aus Geldnot von ihren An- nur durch eine Übernahme geheilt werden Chefsache, auch aus ganz persönlichen teilen trennen. kann.“ Motiven. Manager Pittman hatte vor über Jetzt steht der Deal vor dem Abschluss: Diese Aussicht rief in der vorvergange- 20 Jahren MTV mitgegründet, 1985 wurde Die Viacom-Verhandlungen mit den Viva- nen Woche gleich die versammelte Me- der Kanal dann aber an Viacom verkauft. Aktionären, darauf deutet alles hin, sind so dienpolitik auf den Plan: NRW-Medienbe- Ein Riesenfehler, wie nach dem Siegeszug gut wie gescheitert. Und AOL-Vorstand rater Helmut Thoma fürchtete um seinen der Marke nicht nur Pittman erkannte. Robert Pittman scheint fest zur Übernah- Kölner Standort, die Landesmedienwächter Für die Viva-Gründer hätte ein AOL- me der Kölner entschlossen. um die Vielfalt, und Kulturstaatsminister Einstieg durchaus Charme: Sie könnten im Für Zuschauer und Clip-Produzenten in Julian Nida-Rümelin sah gar „ein Stück Unternehmen verbleiben und mit dem Deutschland bedeutet der Einstieg eines Musikkultur in Deutschland“ schwinden. amerikanischen Konzern eine strategische tonangebenden US-Konzerns so oder so Mit Engagement kämpfen die Gründer Allianz bilden. Wenigstens ein Viva-Sender einen harten Schnitt: Sasse und Viva-Chef um Sasse und Vorstandschef Dieter Gorny bliebe als reiner Musikkanal erhalten. Mit Dieter Gorny hatten den Sender 1993 mit nun für einen Einstieg von AOL Time War- dem Großkonzern im Rücken könnten Partnern eigens gegründet, um der Vor- ner – dabei hatte die MTV-Mutter Viacom Gorny und Sasse zudem lang gehegte Ex- macht von MTV zu entkommen. das deutlich höhere Angebot vorgelegt. Je- pansionspläne endlich richtig vorantreiben: Vier Kanäle – zwei bei MTV, zwei bei weils rund 70 Millionen Euro, heißt es in Schon träumen die Musikmanager von ei- Viva – bedienen inzwischen säuberlich Verhandlungskreisen, wollte Viacom für ner weltumspannenden MTV-Konkurrenz sortiert den Musikgeschmack von Teenies, die Pakete von EMI, Vivendi Universal und – mit Clip-Stationen von China bis Süd- Twens und älteren Fans. „Bei Viacom wer- der Gorny-Truppe „Die Initiatoren“ bie- amerika. den nur zwei Sender übrig bleiben“, er- (siehe Grafik). Auch für den deutschen Fernsehmarkt wartet der Chef des Verbands der Clip- Doch AOL Time Warner hat die besse- könnte der AOL-Einstieg über die Kölner Produzenten Markus Peichl, „bei AOL ren Chancen. „Warner ist schon aus der weitgehende Konsequenzen haben – bis Time Warner wenigstens drei.“ Geschichte von Viva heraus der natürli- hin zu einer neuen Sendergruppe. Ein Vor- Besonders der Einstieg des Viva-Erz- chere Partner für die Gründer“, sagt Sas- standschef ist auch schon im Gespräch: konkurrenten Viacom würde, darin sind se: Das Unternehmen war in Köln von An- Dieter Gorny. sich Branchenkenner einig, den Kölnern beginn dabei. Der hat vom Übernahmepoker der letz- auf Dauer kaum Überlebenschancen las- ten Wochen jedenfalls genug: „Ich hoffe, es sen. „Viva war immer ein Stachel im * Mit Moderatorin Charlotte Roche und Interview-Gast gibt bald eine Entscheidung.“ Fleisch von MTV“, sagt Christiane zu Robbie Williams am 23. Dezember 2001. Frank Hornig, Marcel Rosenbach

der spiegel 25/2002 111