Festkonzert 70 Jahre Swr Vokalensemble Dirigent: Marcus Creed Inhalt
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HOLLIGER LIGETI KURTÁG NONO SMOLKA FESTKONZERT 70 JAHRE SWR VOKALENSEMBLE DIRIGENT: MARCUS CREED INHALT 4 EDITORIAL FESTKONZERT 6 PROGRAMM 14 TEXTE UND ÜBERSETZUNGEN 25 BIOGRAFIEN VIER REFLEXIONEN 29 ZEICHNUNGEN I SIMONE RUESS 39 DOROTHEA ENDERLE ALTERNATIVE ENERGIE 44 CLAUS-STEFFEN MAHNKOPF DER KULTURAUFTRAG 48 ZEICHNUNGEN II JÜRGEN PALMER 70 JAHRE 58 CHRONIK 64 URAUFFÜHRUNGEN 70 MITGLIEDER 72 ZITATE AUS DEM GÄSTEBUCH 74 FREUNDE UND FÖRDERER 75 IMPRESSUM KLANGVIELFALT ERLEBEN Liebe Konzertbesucher und Freunde des SWR Vokalensembles, FESTKONZERT seit 70 Jahren streben wir in jedem Konzert nach dem besonderen Moment, wenn die Welt kurz 70 JAHRE SWR VOKALENSEMBLE still seht und Kunst und Leben eins werden. Das Besondere, Einzigartige zu suchen und Unver- zichtbares zu leisten ist uns Anspruch und Motivation und ich danke allen, die uns auf diesem Weg begleiten. Unserem Publikum, das sich mit offenen Ohren und Herzen auf alle musikali- schen Abenteuer einlässt und allen Fürsprechern und Förderern, die uns die Möglichkeit geben, nach den Sternen zu greifen und auch Wagnisse einzugehen. Denn nur in dieser künstlerischen Freiheit ist musikalische Weiterentwicklung möglich und können Meisterwerke erschaffen werden. Gerade in der Neuen Musik müssen Interpreten wie Zuhörer sich immer wieder mit Offenheit und Mut auf Ungewohntes einlassen. Diese Bereitschaft, sich mit Neuem, zunächst Fremdem zu befassen und vertraut zu machen, ist uns eine wichtige Haltung, bei der unsere künstleri- sche Arbeit auf eine weltoffene Gesellschaft hinwirkt. Zum Anlass des Jubiläums haben wir uns für diese Festbroschüre ein Geschenk gemacht: Wir haben zwei Künstler und zwei Persönlichkeiten des Musiklebens gebeten, unsere Arbeit aus ihren sehr unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Spannende Ein- und Aussichten sind dabei entstanden, die das Potenzial haben, über den Moment hinaus zu wirken. So hat die bildende Künstlerin Simone Rueß nach Gesprächen mit drei Sängerinnen des SWR Vokalensembles überraschende Innenbilder und Raumassoziatio- nen der Chormitglieder visualisiert. Der Künstler und Grafiker Jürgen Palmer hat die Sänger bei der Probenarbeit beobachtet und darauf mit kraftvollen und auch poetischen Zeichnungen reagiert, die etwas wiedergeben von der Intensität, die entsteht, wenn 30 Individuen sich zu einem »Klangkörper« vereinigen. Es mag kein Zufall sein, dass sich die Essays von SWR2 Musikchefin Dorothea Enderle und des Komponisten und Musikphilosophen Claus-Steffen Mahn kopf unabgesprochen gegenseitig ergänzen. Ihre sehr politischen Außen- und Innenbetrachtungen unseres Wirkens und Selbst- verständnisses bestärken uns, immer wieder auch künstlerische Risiken einzugehen und wei- terhin für einen einzigen perfekten Moment alles zu geben. Ich wünsche Ihnen ein anregendes Festkonzert und freue mich, wenn Sie uns auch in Zukunft begleiten. Cornelia Bend CHORMANAGERIN 4 5 SA 17. SEPTEMBER 2016, 20 UHR GYÖRGY KURTÁG 1926 STUTTGART, THEATERHAUS OMAGGIO A LUIGI NONO OP. 16 (1979) 19 UHR KONZERTEINFÜHRUNG MIT MARTINA SEEBER 1. Deklination des Pronomens »wessen« 2. Anna Achmatowa: Bruch (Fragment) 3. Rimma Dalos: Liebe für Monate ... 4. Rimma Dalos: Woher kann ich denn wissen ... 5. Rimma Dalos: O Liebe – Erbauer! 6. Rimma Dalos: Und ein Tor wurde mir aufgetan ... FESTKONZERT LUIGI NONO 1924 – 1990 SARA DOLCE TACERE. CANTO PER 8 SOLI A CAPPELLA (1960) 70 JAHRE SWR VOKALENSEMBLE MARTIN SMOLKA 1959 POEMA DE BALCONES Nach Fragmenten von Federico García Lorca ANSPRACHE für 2 gemischte Chöre (2008) PETER BOUDGOUST, INTENDANT DES SWR ANSPRACHE FRITZ KUHN, OBERBÜRGERMEISTER DER STADT STUTTGART Die Namen der Solisten können Sie HEINZ HOLLIGER 1939 der Besetzungsliste auf Seite 28 entnehmen. DIE JAHRESZEITEN SWR Vokalensemble Lieder nach Gedichten von Scardanelli (Hölderlin) Dirigent Marcus Creed für gemischten Chor a cappella (1975/1978/1979) Moderation Dorothea Bossert 1. Der Frühling II. Mit äußerster Ruhe. 2. Der Sommer III. Kanon für 7 Frauenstimmen 3. Der Herbst III 4. Der Winter I GYÖRGY LIGETI 1923 – 2006 DREI PHANTASIEN NACH FRIEDRICH HÖLDERLIN (1982) 1. Hälfte des Lebens 2. Wenn aus der Ferne 3. Abendphantasie Das Konzert wird live im SWR2 Abendkonzert gesendet. PAUSE Ab 27. September ist es als Videostream unter SWRClassic.de abrufbar. 6 7 physischen Extrembedingungen geschuldet, wie der kompositorischen Arbeit mit Tonhöhe, HEINZ HOLLIGER Harmonik, Rhythmus oder Tempo. Heinz Holliger spielt mit der Verfassung der Sänger, und DIE JAHRESZEITEN FÜR 16 STIMMEN A CAPPELLA indem er die harmonische Oberfläche der Gedichte unterwandert, versetzt er die Naturbilder in einen unwirtlichen Körper- und Seelenraum. 1. Frühling II 2. Sommer III 3. Herbst III 4. Winter I GYÖRGY LIGETI »Selten ist eine Komposition derart einmütig als Offenbarung begrüßt worden«, erinnerte sich der damalige Leiter der Donaueschinger Musiktage Joseph Häussler an die umjubelte Urauf- DREI PHANTASIEN NACH FRIEDRICH HÖLDERLIN führung des ersten Zyklus der Jahreszeitenchöre. Die späte Begeisterung der Musikszene für Friedrich Hölderlin liegt damals offenbar in der Luft. Das Werk des Dichters zieht einige der 1. Hälfte des Lebens bedeutendsten Komponisten der Siebziger und Achtziger Jahre in seinen Bann. Wolfgang Rihm, 2. Wenn aus der Ferne Luigi Nono und Hans Zender suchen auf Hölderlins Spuren den Weg zu einer neuen Innerlich- 3. Abendphantasie keit und einer Ästhetik des Leisen und Fragmentarischen. Auch in Heinz Holligers Schaffen nimmt die Beschäftigung mit Friedrich Hölderlin einen bedeutenden Platz ein. Die Jahreszei- Mit diesen drei Chören begibt sich György Ligeti im Jahr 1982 auf Hölderlins Spuren. Zwar tenchöre werden 1985 Teil des abendfüllenden Scardanelli Zyklus. Mit dem Pseudonym Scar- suggeriert das »nach« im Titel der Phantasien eine gewisse Distanz zur literarischen Vorlage, danelli und frei erfundenen Jahreszahlen unterzeichnete Hölderlin seine späten Gedichte, die tatsächlich bleibt die Komposition jedoch bis auf kleine Streichungen immer dicht am Text. So wie die Jahreszeiten meist die Natur und ein tiefes Einverständnis mit dem Lauf der Dinge zum wie die Birnen in Hälfte des Lebens – nach Hölderlins wohl berühmtesten Gedicht – hoch oben Gegenstand haben. Es sind feinsinnig gelassene Beobachtungen, aus denen sich das lyrische in den Sopranstimmen über dem spiegelglatten See hängen oder sich die trunkenen Schwäne Ich verabschiedet hat. In Heinz Holligers Vertonungen jedoch kehrt das einsame Ich des Dich- im schaukelnden Crescendo küssen, unternimmt der gebürtige Ungar mit der 16stimmig auf- ters – in den Gesangsstimmen 16fach gespiegelt – zurück. Und so wird der Jahreslauf nicht gefächerten Vertonung eine geradezu klassisch-romantische Chorvertonung. Vers für Vers nur zu einer feinfühligen Beschreibung des Werdens und Vergehens, sondern beschreibt zu- zeichnet er die Gegensätze des Gedichts nach, in dessen goldene Fülle die Kälte des Alters und gleich eine »komponierte Erkaltung« (Roman Brotbeck). Die Scardanelli-Chöre bestehen aus je des Todes hereinbrechen. György Ligeti, mit 59 Jahren selbst auf der Schwelle der zweiten Le- drei Liedern über Frühling, Sommer, Herbst und Winter und dürfen auch in Teilen aufgeführt benshälfte, kennzeichnet seine Drei Phantasien damals als »emotional, lautmalerisch, über- werden, sofern jede Jahreszeit repräsentiert ist. reizt«. In ungewohnter Deutlichkeit zeichnet der Komponist, der bei seinem internationalen Durchbruch mit mikropolyphonen Klangflächen für Aufsehen sorgte, melodische Gestalten In dieser Auswahl erinnert gleich der von Pausen zerschnittene Frühling II in seiner Starre weit wie den Schrei nach Sonnenschein, der im fünffachen Forte in spitzer Höhe jäh abreißt. Immer mehr an das ewige Eis, als an das »grüne Thal« und den munteren »hellen Strom«, von denen wieder aber kontrastiert Ligeti die expressiven Gestalten mit Massenklängen, die an seine der Dichter schreibt. Die Pracht und »Weite« des Sommers inszeniert der Komponist als einen frühen Chor- und Orchesterwerke erinnern. Mit der ausgedehntesten von ihnen, einer wort- Tripelkanon der Isolation. Jeder Sänger folgt seinem eigenen Pulsschlag und sucht sich in kom- und sprachlosen Wintermusik, die sich von der verschneiten Erstarrung unmerklich in Zittern, ponierter, zunehmender Ermattung einen einsamen Weg durch das harmonische Feld. Zähneklappern und schließlich ins eisige Klirren der Fahnen steigert, endet die erste der Phan- tasien: ein Frostchor von acht Frauenstimmen über einem erstarrten Bassfundament. Heinz Holliger setzt in diesen Vertonungen auf ebenso einfache wie starke Mittel. Eines seiner wichtigsten Gestaltungsmittel ist der Körper der Sänger in seiner körperlich-seelischen Ganz- Der Text der zweiten Phantasie auf die Ode Wenn aus der Ferne gehört zu Hölderlins Gedichten an heit. Damit macht er – weit stärker als seine »nur« komponierenden Kollegen – seine Erfahrun- die unerreichbare Geliebte Diotima. In diesem Text spricht die Geliebte selbst, was György Ligeti mit gen als Interpret zum Gegenstand seiner Arbeit. Wenn der Chor »mit fast leerer Lunge, stark der Dominanz der ätherisch fernen Frauenstimmen vor Ohren führt. Die Männer ziehen mit vorge- überhaucht«, mit »verkrampfter Kehle« oder wie im Winter so tief singt, dass der Ton ins fahle zogenen Versen zeitweise eigene Textebenen ein, bis sie sich am Ende mit den Frauenstimmen in Geräusch absinkt, spielt der Komponist und Oboist mit den Körpern seiner Interpreten. Die der »Dämmerung« verlieren, einem auskomponierten Seufzer, der sich bei geschlossenem Mund verstörende Wirkung des Werks ist mindestens