Der Komponist Als Prediger: Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Motette Als Zeugnis Von Verkündigung Und Auslegung Vom Reformationszeitalter Bis in Die Gegenwart
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DER KOMPONIST ALS PREDIGER: DIE DEUTSCHE EVANGELISCH-LUTHERISCHE MOTETTE ALS ZEUGNIS VON VERKÜNDIGUNG UND AUSLEGUNG VOM REFORMATIONSZEITALTER BIS IN DIE GEGENWART Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades vorgelegt beim Fachbereich 2 Kommunikation/Ästhetik Fach Musik/Auditive Kommunikation Carl von Ossietzky Universität Oldenburg von Jan Henning Müller Salbeistraße 22 26129 Oldenburg Oldenburg (Oldb) Juli 2002 Tag der Einreichung: 31.Juli 2002 Tag der Disputation: 29.Januar 2003 Gutachter: Prof. Dr. Peter Schleuning, Prof. Dr. Wolfgang E. Müller Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 4 1.1 Thematische Einführung und Abgrenzung 4 1.2 Zur Darstellung 5 1.3 Gattungsspezifische Annäherung in vier Schritten 7 1.3.1 „Gattung“ als Vorstellung, Begriff und Kategorie 7 1.3.2 Musikalische Gattungen 10 1.3.3 Die Motette als musikalische Gattung 13 1.3.4 Zur Spezifität der evangelisch -lutherischen Motette 17 1.4 Konsequenzen für die Analyse und Motettenkorpus 20 1.4.1 Zur Analyse 20 1.4.2 Motettenkorpus 24 2 VORAUSSETZUNGEN IM MITTELALTER UND IM HUMANISMUS 26 2.1 Rhetorik, Homiletik und Predigt 26 2.2 Zum vorreformatorischen Musikbegriff 31 2.3 Gattungsgeschichtlicher Abriss: die Motette bis etwa 1500 34 3 „SINGEN UND SAGEN“: DIE GENESE DER GATTUNG 41 3.1 Aussermusikalische Faktoren 41 3.1.1 Theologische Voraussetzungen 41 3.1.2 Zum Musikbegriff der Reformatoren (Luther, Walter, Melanchthon) 55 3.1.3 Erste deutschsprachige Predigtmotetten 67 3.2 Innermusikalische Faktoren 82 3.2.1 Beispielfundus 82 3.2.2 Textdisposition 84 3.2.3 Modale Affektenlehre 91 3.2.4 Klausellehre und Klauselhierarchie 94 3.2.5 Musikalische Deklamation 110 3.2.6 Musikalisch-rhetorische Figuren 117 3.2.7 Analyseschema 127 4 DIE EV.-LUTH. MOTETTE ALS PREDIGTMUSIK VON 1600 BIS IN DIE GEGENWART 129 4.1 Von 1600 bis 1750 129 4.1.1 Theologie und Musik sub specie rhetoricae 129 4.1.2 Zur Bedeutung der lutherischen Orthodoxie 132 4.1.3 Der musicus poeticus ecclesiasticus 137 2 Inhaltsverzeichnis 4.1.4 Die barocke Predigtmotette 143 4.2 Aufklärung: Motetten als Parerga des Gottesdienstes 149 4.2.1 Vorüberlegungen 149 4.2.2 Zum homiletischen Programm der Aufklärung 151 4.2.3 Konsequenzen für den Gottesdienst 153 4.2.4 Zum (Kirchen-) Musikbegriff der Aufklärung 155 4.2.5 Die Stellung der ev.-luth. Predigtmotette im aufklärerischen Umfeld 159 4.3 Das 19. Jahrhundert 161 4.3.1 Grundsätzliches 161 4.3.2 Zum Verhältnis von Musik und Theologie 162 4.3.3 A-capella-Ideal 164 4.3.4 Neuordnungen in Gottesdienst und Chormusik 169 4.3.5 Zur Situation der ev.-luth. Motette 174 4.4 Das 20. Jahrhundert 184 4.4.1 Zur Wort-Renaissance in der Theologie der ersten Hälfte des Jahrhunderts 184 4.4.2 Liturgische Reformbestrebungen und kirchenmusikalische Erneuerung 186 4.4.3 Die ev.-luth. Motette im Rahmen kirchenmusikalischer Erneuerung 192 4.4.4 Restauration: Homiletik, Kirchenmusik und Motette nach dem zweiten Weltkrieg198 4.4.5 Von den Sechziger Jahren bis zum Pluralismus der Gegenwart 205 5 FAZIT 210 Analyse 1: Melchior Franck, Und ich hörte eine große Stimm 212 Analyse 2: Tobias Michael, Aus der Tiefe 232 Analyse 3: Heinrich Schütz, Die mit Tränen säen 253 Analyse 4: Wolfgang Carl Briegel, Es ging ein Sämann aus zu säen 284 Analyse 5: Johann Sebastian Bach, Fürchte dich nicht 302 Analyse 6: Gottfried August Homilius, Sehet, welch eine Liebe 331 Analyse 7: Johann Gottfried Schicht, Die mit Tränen säen 344 Analyse 8: Felix Mendelssohn Bartholdy, Warum toben die Heiden 353 Analyse 9: Albert Becker, Sehet, welch eine Liebe 367 Analyse 10: Heinrich Kaminski, Aus der Tiefe 377 Analyse 11: Hugo Distler, In der Welt habt ihr Angst 393 Analyse 12: Johannes Driessler, Das ist ein köstlich Ding 406 1.1 Thematische Einführung und Abgrenzung 3 ANHANG 424 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen 424 Notenausgaben 427 Literaturverzeichnis 429 Lebenslauf von Jan Henning Müller 446 Danksagung 448 1 Einleitung 1.1 Thematische Einführung und Abgrenzung Wie schon im Titel erkenntlich, ist die vorliegende Arbeit in mehrfacher Hinsicht eingegrenzt: 1. sprachlich 2. konfessionell 3. gattungsmäßig 4. historisch Die Gattungskategorie stellt, ganz allgemein gesprochen, ein vermittelndes Moment zwischen Musik und Gesellschaft dar.1 Im Zuge der Wittenberger Reformation mit ihren gesell- schaftlichen Umwälzungen wurden sehr konkret umfassende gattungsbildende Potentiale freigesetzt. Diese haben sich damals vor allem in der Kirchenkantate und dem protestantischen Kirchenlied als neu entstandenen Gattungen gezeigt. Sie zeigten sich aber infolge der Bibelübersetzung Luthers auch innerhalb der traditionsreichen Gattung der Motette als der nunmehr ersten Gattung überhaupt, welche die Vertonung von Bibeltext in einer National- sprache ermöglichte. Mittels historischer und systematischer Betrachtung der Gattung Motette in sprachlicher, zeitlicher und konfessioneller Eingrenzung wird im Folgenden die Spezifizierung einer eigenständigen musikalischen Gattung in ihrer Kontinuität bis in die Gegenwart hinein geleistet: die der evangelisch-lutherischen Predigtmotette als Zeugnis von Verkündigung und Auslegung. Der Begriff „Predigtmotette“ sei hier verstanden im Sinne einer Synthese von Kerygma und Exegese. Der Name impliziert somit keinerlei liturgische Stellung. Sie kann als Motette zur Predigt auftreten, muss es aber nicht. Wie gezeigt werden wird, zeichnet sich die Gattung wesentlich durch kerygmatische und exegetische Momente aus. Der Begriff des Kerygma ist in diesem Zusammenhang mit Harnisch als Verkündigung „im Blick auf das Ereignis der Ansage wie auch mit Bezug auf das angesagte Ereignis“ zu verstehen.2 Dies kann innnerhalb eines Gottesdienstes sein, muss es aber nicht. Exegese in Motetten zeigt sich als individueller Zugang eines Komponisten zum vertonten Text oder auch als Zeugnis einer bestimmten Auslegungstradition. Im Regelfall liegt beides vor und wirkt so die Motette zu einem Zeugnis der Auslegungsgeschichte. Ein solches Vorhaben ist notwendigerweise interdisziplinär angelegt. Es vereint in seinem Ansatz mindestens Aspekte der Musikwissenschaft (Musikgeschichte, Gattungstheorie und musikalische Analyse), der Theologie (Motetten als Zeugnisse von Verkündigung und 1 Dazu ausführlich unten, 1.3. 2 Vgl. Harnisch 1989, Sp. 1029. 1.2 Zur Darstellung 5 Auslegung) und der Germanistik (Rhetorikgeschichte). Aufgrund dieser Interdisziplinarität des Ansatzes und der historischen Breite des Dargestellten sind Unzulänglichkeiten, Inkon- zinnitäten und möglicherweise auch Fehler kaum vermeiden. Der weiten Felder sind zu viele, als dass diese von einer Einzelperson hinreichend bearbeitet werden könnten. Insofern muss die vorliegende Arbeit, wenn sie rezipiert wird, auf Widerspruch und inhaltliche Kritik stoßen. Jede theologisch fundierte Kritik an den hier geleisteten Analysen, jeder Disput über die hier ausgewählten Motetten wird diese jedoch innerhalb eines theologischen Diskurses zu verorten helfen. Motetten sind dann ganz konkret als Zeugnisse von Verkündigung und der Auslegungsgeschichte behandelt. Damit wäre aber der gattungsspezifische Ansatz dieser Arbeit schon in seinem Kern bestätigt. Jedwede Kritik auf musikwisssenschaftlicher Ebene lädt insofern Fachleute für die entsprechenden Epochen oder Komponisten ein, es im interdisziplinären Diskurs mit Theologen und Germanisten besser zu machen. In jedem Falle wäre dann das wesentliche Ziel der Arbeit erreicht: Evangelisch-lutherische Motetten würden in ihrer Gattungsspezifität als Zeugnisse der Auslegungsgeschichte gesehen und stünden innerhalb einer interdisziplinären Diskussion. Eine solche Diskussion kann angesichts der Entwicklung abendländischer Musik im Spannungsfeld zwischen Kultus und Kunst gerade im Zusammenhang mit der Motette nur eine fruchtbare sein. 1.2 Zur Darstellung Die Darstellung der Thematik soll in ihrem Aufbau beidem gerecht werden, dem systemati- schen Aspekt (Analyse der Einzelwerke, Relation und Abgrenzung zu anderen Gattungen) sowie dem historischen Aspekt (Voraussetzungen und Entwicklung, Abriss der Gattungsge- schichte). Somit wird Aspekten der Internität der Musik sowie der Externität der Gesellschaft Rechnung getragen und dabei eine „Regel der Gattungskonstitution“3 exemplarisch nachvollzogen und verifiziert. Die historischen und die systematischen Abschnitte sind jeweils komplementär aufeinander zu beziehen: Der mittels der Analysen geführte Nachweis, dass es eine gattungsspezifische kontinuierliche Tradition der ev.-luth. Predigtmotette gibt, muss grundsätzlich bei der Lektüre der historischen Kapitel mitgedacht werden.4 Umgekehrt sind historische Aspekte in den Analysen auf das Nötigste beschränkt. Die Analysen sind dabei auch für sich abgeschlossen lesbar gehalten; lediglich der Aspekt der Lesefreundlichkeit gab den Ausschlag, die Analysen jeweils als Ganzes an das Ende zu stellen. Zudem wird so auch die Validität des Einzelwerkes hervorgehoben. In Kapitel 1 Einleitung wird der Neuansatz dieser Arbeit thematisch vorgestellt und syste- matisch als gattungsspezifischer Ansatz eingegrenzt. Kapitel 2 Voraussetzungen referiert 3 Danuser 1995, Sp. 1045. Dazu ausführlich 1.3 4 Zur Komplementarität historischer und systematischer Erkenntnisperspektiven vgl. Seiffert 1989, S. 144. 6 Einleitung historisch die Vorraussetzungen zur Genese der Gattung (Rhetorik, Homiletik, Ars musica). In dem gewichtigsten Kapitel 3 „Singen und Sagen“: Die Genese der Gattung wird diese Genese in ihrer gesellschaftlichen Externität (3.1.) und musikimmanent (3.2.) erläutert. Kapitel 4 Die protestantische Motette als Predigtmusik von 1600 bis in die Gegenwart führt schlaglichtartig