Gesungene Aufklärung
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Gesungene Aufklärung Untersuchungen zu nordwestdeutschen Gesangbuchreformen im späten 18. Jahrhundert Von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Fachbereich IV Human- und Gesellschaftswissenschaften – zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Barbara Stroeve geboren am 4. Oktober 1971 in Walsrode Referent: Prof. Dr. Ernst Hinrichs Korreferent: Prof. Dr. Peter Schleuning Tag der Disputation: 15.12.2005 Vorwort Der Anstoß zu diesem Thema ging von meiner Arbeit zum Ersten Staatsexamen aus, in der ich mich mit dem Oldenburgischen Gesangbuch während der Epoche der Auf- klärung beschäftigt habe. Professor Dr. Ernst Hinrichs hat mich ermuntert, meinen Forschungsansatz in einer Dissertation zu vertiefen. Mit großer Aufmerksamkeit und Sachkenntnis sowie konstruktiv-kritischen Anregungen betreute Ernst Hinrichs meine Promotion. Ihm gilt mein besonderer Dank. Ich danke Prof. Dr. Peter Schleuning für die Bereitschaft, mein Vorhaben zu un- terstützen und deren musiktheoretische und musikhistorische Anteile mit großer Sorgfalt zu prüfen. Mein herzlicher Dank gilt Prof. Dr. Hermann Kurzke, der meine Arbeit geduldig und mit steter Bereitschaft zum Gespräch gefördert hat. Manche Hilfe erfuhr ich durch Dr. Peter Albrecht, in Form von wertvollen Hinweisen und kritischen Denkanstößen. Während der Beschäftigung mit den Gesangbüchern der Aufklärung waren zahlreiche Gespräche mit den Stipendiaten des Graduiertenkollegs „Geistliches Lied und Kirchenlied interdisziplinär“ unschätzbar wichtig. Stellvertretend für einen inten- siven, inhaltlichen Austausch seien Dr. Andrea Neuhaus und Dr. Konstanze Grutschnig-Kieser genannt. Dem Evangelischen Studienwerk Villigst und der Deutschen Forschungsge- meinschaft danke ich für ihre finanzielle Unterstützung und Förderung während des Entstehungszeitraums dieser Arbeit. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, die dieses Vorhaben über Jahre bereit- willig unterstützt haben. Ohne sie wäre das Vorhaben niemals zu einem Abschluss gekommen. Barbara Stroeve 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort……………………………………………………………………………………..… 1 Einleitung………………………………………………………………………………......... 4 1. Historische Voraussetzungen : Protestantische Gesangbuchgeschichte von den Anfängen bis zum frühen 18. Jahrhundert .. 19 Teil I: Das protestantische Gesangbuch in der deutschen Aufklärung 2. Aufklärung in Theologie und Kirchenlied………………………………………...… 33 2.1.Geistesgeschichtliche Anmerkungen zur Aufklärung als historische Epoche .............. 34 2.2.Theologische Aufklärung unter besonderer Berücksichtigung der Neologie …….....… 45 2.3.Aufklärung im protestantischen Kirchenlied ………………………………………........... 58 2.3.1. Ästhetische Grundlagen ……………………………………………….…………..…. 58 2.3.2. Das Kirchenlied unter dem Einfluss aufklärerischer Ideen ……………………….. 61 3. ‚Aufgeklärte’ Gesangbuchreformen in nordwestdeutschen Territorien: Vorgeschichte und Entstehung……………………………………………….….….….. 71 3.1. Das Braunschweigische Gesangbuch von 1779/80 ……………………………..….….. 72 3.1.1. Rahmenbedingungen: Braunschweig unter den Herzögen Karl I. (1735-1780) und Karl Wilhelm Ferdinand (1770-1806) ……………………………………..….….…… 72 3.1.2. Zur Entstehung und Einführung des Gesangbuchs von 1779/80 ……………… 76 3.2. Das Oldenburgische Gesangbuch von 1791 …………………………………………… 80 3.2.1. Rahmenbedingungen: Oldenburg unter Herzog Peter Friedrich Ludwig (1785-1829) ………………………………………………………………………………….. 80 3.2.2. Zur Entstehung und Einführung des Gesangbuchs von 1791 ……….………….. 86 3.3. Der Anhang zum Hannoverschen Gesangbuch von 1792 …………………..….……… 90 3.3.1. Rahmenbedingungen: Hannover unter Kurfürst Georg III. (1760-1820) …………………………………………………………………..…….….…..…. 90 3.3.2. Zur Entstehung und Einführung des Anhangs von 1792 ...................................... 96 Teil II: Analyse der ausgewählten Gesang- und Choralbücher der Aufklärung in vergleichender Perspektive 4. Zielsetzung und Vorgehensweise……………………………………………….….. 98 5. Zur Anlage und Gestaltung der Gesangbücher……………………….………..... 101 5.1. Beschreibung der Gesangbuchausgaben …………………………………………..... .... 101 5.2. Vergleich der Rubriken ………………………………………………………………….... 104 5.3. Auswahl der Lieder und Verfasserschaft ……………………………………..…………. 116 2 6. Die Liedertexte der Gesangbücher…………………………………………….….… 122 6.1. Die Veränderungen am traditionellen Liedgut anhand von Fallbeispielen .................. 122 6.1.1. Das Beispiel Oldenburg ……………………………………………..………...….. 123 6.1.2. Das Beispiel Braunschweig ………………………………………..……………... 135 6.1.3. Das Beispiel Hannover ……………………………………………………….…… 144 6.1.4. Resümee ……………………………………………………………...….……….... 150 6.2. Die zeitgenössischen Lieder …………………………………………………….………… 152 6.2.1. Natur und Natürlichkeit ……………………………………………………………. 152 6.2.2. Sakralisierung des Pflichtgedanken …………………….………………..….….. 159 6.2.3. Tugendgewissheit und ‚Moral-Emphase’ ……..………………………….……… 163 6.2.4. Resümee ……………………………………………………………………………. 171 7. Die Melodien in den Gesangbüchern……………………………………….…..…… 172 7.1. Vorbemerkungen ………………………………………………………………...……..…… 172 7.2. Das Oldenburgische Choralbuch von Carl Meineke (ca. 1792).………….…….….….. 177 7.3. Das Braunschweigische Choralbuch von Johann Christoph Kelbe (1832) ...…….…… 179 7.4. Das Hannoversche Choralbuch von Johann Christoph Böttner (1800) …………….…. 181 7.5. Ein charakteristisches Melodiebeispiel ……………………………………..……………. 184 7.6. Resümee ………………………………………………………………..……….…..………. 188 . Teil III: Zur Rezeption der Gesangbücher in den untersuchten Territorien 8. Gesangbücher als Symbol einer religiös-kulturellen Identität……….………… 192 8.1. Verwendungsmöglichkeiten ……………………………….………………….………... 192 8.2. Wertschätzung ……………………………………………………………………...……. 196 9. Der Diskurs um die Einführung ‚aufgeklärter’ Gesangbücher………..…..……. 198 9.1. Rezensionen in der zeitgenössischen Publizistik ….………………………....…….… 200 9.2. Reaktionen der Bevölkerung auf die Gesangbuchreformen ………………………… 207 10. Schlussbetrachtung und Ausblick….………………….…………….……………. 218 Abkürzungsverzeichnis……………….…………………………………………..….…… 227 Quellen- und Literaturverzeichnis……………………………………………….……… 227 3 Einleitung Gesangbücher sind wertvolle Dokumente der Kultur,- Sprach,- Musik- und Mentali- tätsgeschichte einer Gesellschaft. Im Verlauf der Jahrhunderte waren sie fortwäh- renden Veränderungen und Erneuerungen ausgesetzt. Für einen begrenzten Zeit- raum und für bestimmte Staaten eingeführt, dürfen sie als repräsentativ für Glauben und Leben dieser Kirchengemeinschaft und dieser Zeit gelten. Insofern spiegelt sich im Wandel der Lieder auch der Wandel der Zeiten. Auch jene Kirchenlieder, die durch ihre jahrhundertelange Tradierung eine scheinbar überzeitliche Bedeutung er- langt haben, sind immer eingebunden in den Kontext ihrer Entstehung, also in die jeweilige theologie-, literatur- und musikgeschichtliche Situation. Für den gläubigen Protestanten war das Gesangbuch alltäglicher Wegbegleiter, gewissermaßen ein Handbuch für den praktischen Glauben, das nicht nur im Gottes- dienst, sondern ebenso in der Hausandacht seine Verwendung fand. Oft genug ent- hielt es neben einem Liedteil auch einen Anhang mit Gebeten, die den Gläubigen Trost und Orientierung vermittelten. Zudem spielten neben dieser emotionalen Wert- schätzung der materielle und ideelle Wert keine unerhebliche Rolle: Das Gesang- buch war ein stolzes Repräsentationsobjekt und wurde pietätvoll bewahrt und ver- erbt. Angesichts dieser Bedeutungsfülle wird erkennbar, welche Rolle das Gesang- buch über seine gottesdienstliche Funktion hinaus in der Spiritualität des Einzelnen spielte. Es bildete die „Basis der religiösen Erziehung“ 1 und war somit ein wertvolles Erziehungsinstrument. Von dieser pädagogischen Zielrichtung waren sowohl aufklä- rerische Theologen als auch Kirchenmusiker wie Johann Friedrich Reichardt über- zeugt: „Das Gesangbuch ist die belebte Bibel des gemeinen Christen, sein Trost, sein Lehrer, seine Zuflucht und Ergötzung zu Hause. […] Der Kirchengesang ist für die Menge; also auch für die Bedürfnisse derselben, für ihre Denk- und Sehart, für ihre Situation und Sprache.“ 2 Gesangbücher sind kontinuierlichen Überarbeitungen und Modifikationen aus- gesetzt. Im Allgemeinen werden dabei neue Lieder aufgenommen, traditionelle Lie- der wieder gestrichen oder sprachlich überarbeitet. Hierin liegt zugleich die Proble- matik einer Gesangbuchreform: Einerseits hat sie ein kulturelles Erbe zu bewahren, andererseits muss sie auch dem Ausdruck der Zeit gerecht werden. Denn sie ist so- 1 Vgl. Patrice Veit: Das Gesangbuch als Quelle lutherischer Frömmigkeit, in: Archiv für Reformations- geschichte 79, 1988, S. 206-229, S. 222. 2 Johann Friedrich Reichardt: Kirchenmusik, in: Ders. (Hg.): Musikalisches Kunstmagazin, Bd. 1, Ber- lin 1782, S. 206-207. Diese Auffassung teilten auch Johann Friedrich Doles oder Johann Christian Kittel. 4 wohl den Kirchenliedern als Glaubenszeugnisse vieler Jahrhunderte mit ihrem theo- logie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Hintergrund verpflichtet, als auch den Wand- lungen der Frömmigkeit und der Entwicklung der theologischen und hymnologischen Arbeit. Es stehen also Fragen nach dem Verhältnis von Tradition und Aktualität von Kirchenliedern im Vordergrund: Kann das alte Kirchenlied objektiv und zeitlos sein? Fehlt ihm nicht durch seine Konservierung die Existenz- oder Situationsbezogenheit? Ähnliche Fragen stellten sich auch ‚aufgeklärte’ Theologen spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts, die, ausgehend davon, dass das traditionelle Kirchenliedgut weder den theologischen Erkenntnissen noch dem ästhetischen Empfinden der Zeit entsprach, das