Heft 2-10 Textkörper Innen Dina 5
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Kirchenmusik im Bistum Limburg 2/2010 ChorImPuls Bistum Limburg www.kirchenmusik.bistumlimburg.de 2/2010 Editorial Impressum Kirchenmusik im Bistum Limburg 2/2010 Liebe Leserinnen und Leser, im Jahr 2009 waren insgesamt rund 394.000 Herausgeber Mitglieder in 15.700 Chorgruppen der katholischen Referat Kirchenmusik im Bistum Limburg Kirche aktiv. Im Vergleich zum Jahr 2002 bedeutet dies Bernardusweg 6, 65589 Hadamar einen Rückgang um rund 30.000 Sängerinnen und Sänger, fon: 06433. 88 720 der im Wesentlichen der schwindenden Mitgliederzahl der fax: 06433. 88 730 Kirchenchöre geschuldet ist (seit 2002 um rund 33.000 Mit- mail: [email protected] glieder). Deutlich zugenommen hat die Mitgliederzahl der Kinder- und Jugendchöre (rund 8.400 web: www.kirchenmusik.bistumlimburg.de mehr als 2002); Choralscholen sind im gleichen Zeitraum um rund 2.000 Mitglieder gesunken. Im Bereich des instrumentalen Laienmusizierens ist in der katholischen Kirche ein deutlicher Schriftleitung Anstieg zu erkennen. Waren es im Jahr 2002 noch 1.800 Gruppen mit insgesamt 17.600 Mitglie- DKMD Andreas Großmann dern, so stieg ihre Zahl im Jahr 2009 auf 2.400 Gruppen mit 23.800 Mitgliedern. Zeitgenössi- mail: [email protected] sche geistliche Chormusik bildet daher einen Schwerpunkt, um den sich die Artikel dieses Hefts bewegen. Redaktionsteam Kirchenmusik prägt das kulturelle Leben wesentlich mit: vom gregorianischen Choral bis zum Gabriel Dessauer zeitgenössischen Werk, von der Kantate bis zum Sacro-Pop und von Instrumentalmusik bis zur Johannes von Erdmann Bodypercussion findet sie ihren Ausdruck. Kirchenmusik führt die Verschiedenheit der ausein- Konstanze Henrichs ander strebenden sozialen Gruppen und Generationen zusammen und leistet damit neben der Carsten Igelbrink Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts einen entscheidenden bildungspolitischen Wolfgang Nickel Beitrag. Kirchenmusik versteht sich jedoch nicht nur als Teil des Kulturlebens, denn zugleich ist sie Teil der kirchlichen Verkündung. Sie tritt in Dialog mit allen Menschen und ihren religiösen Erscheinungstermin und ästhetischen Erfahrungen. 1. Mai und 1. November Die von den beiden großen Kirchen und dem Deutschen Musikrat gemeinsam initiierte bun- Redaktionsschluss desweite Aktion „Einheit durch Vielfalt – Kirche macht Musik“ gipfelte im Kongress, der vom 15. März und 15. September 14.-17. Oktober in Berlin mit Repräsentanten der Politik und der Kirchen sowie Musikerinnen und Musikern stattfand. Nur wenn es weiterhin gelingt, die Bedeutung der Kirchenmusik für den Einzelnen zu vermitteln, wird ihre große gesellschaftspolitische Wirkungskraft erkennbar, deren Rahmenbedingungen nicht gekürzt, sondern ausgebaut werden müssen. Anregende Lektüre und belebende Impulse für Ihre kirchenmusikalische Praxis wünscht Ihnen Bistum Limburg DKMD Andreas Großmann, Schriftleiter www.kirchenmusik.bistumlimburg.de Inhaltsverzeichnis Editorial 2 Entwicklungen der Neuen Musik im Bereich geistlicher Chormusik 4 „Die Schwierigkeiten sind normal!“ – Das gegenwärtige Leben chorisch hörbar machen 11 Chormusik aus dem angelsächsischen Sprachraum 15 Die Kraft des Anfangs – Größere Kompositionen im NGL-Stil 20 Berichte und Informationen Kongress des DMR „Einheit durch Vielfalt – Kirche macht Musik“ 30 ChorImPuls – Dirigieren und Singen 29. Werkwoche des RKM 31 Vergütungssätze für Organistenvertretungen 32 Neue Orgel für die Musikhochschule Mainz 32 Nachrichten Jubiläen 34 Geburtstage 34 Personalia 35 Termine 36 Freie Stellen 37 Kirchenmusikalische Veranstaltungen Nov. 2010 - April 2011 38 Rezensionen Bücher und Lehrwerke 44 Orgelmusik und Orgel plus 47 Instrumentalmusik 55 Vokalmusik Chormusik 55 Messen 57 Sologesang 59 Erschienen sind 59 Orgel von St. Peter und Paul, Hochheim am Main 61 Bildnachweis 62 Impressum 63 3 Entwicklungen der Neuen Musik im Bereich geistlicher Chormusik Johannes von Erdmann Lange Zeit hielt man die Tonalität für die einzige von der Natur bestimmte und bestätig- te Möglichkeit des Abendlandes zu musikalischem Ausdruck zu gelangen. Mit der gleichzeitigen Erfüllung und Auflösung der Tonalität in Wagners Tristan schien nun die abendländische Musik am Ende zu sein. Dass gerade der Sprengstoff des Tristan, einmal explodiert, den Weg zu ganz Neuem freimachen würde, trat erst viel später zu Tage, als nämlich um 1920 Arnold Schönberg und ebenso der unbekannte Mathias Hauer die Tonalität durch ihre Negierung ersetz- ten. Entscheidendes Merkmal war die Gleichsetzung von Konsonanz und Dissonanz, Geburtsstunde einer neuen Zeit. Dass Schönberg hier etwas wagte, das nicht das Hirn- gespinst eines Einzelnen war, sondern vielmehr eine allgemeine und geradezu zwangs- läufige Entwicklung bedeutete, die in der Luft zu liegen schien, bewahrheitete sich an- hand der ungeheuren Durchschlagskraft, mit der sich die Neue Musik, teils unabhängig von oder sogar gegen Schönberg gerichtet, in den Ländern mit abendländischer Musik- kultur flutartig durchsetzte. Durchaus aber resultierte keine Einheitlichkeit daraus. Die Grabenkämpfe waren oft entsetzlich, vor allem wurde Strawinsky gegen Schönberg ausgespielt. Zahlreiche Rich- tungen blühten: da gab es das Zwölftonsystem, die freie Atonalität, den linearen Kont- rapunkt, den Neoklassizismus, verschiedene folkloristische Systeme, rhythmisch fun- dierte Systeme, Polytonalität und sogar die Rückkehr zu einer dissonanzangereicherten Tonalität, die noch immer in der aktuellen Kirchenmusik vielfach anzutreffen ist. Vokalmusik im Rahmen des Neuen Die Vokalmusik erfuhr nach dem ersten Weltkrieg tiefgreifende Veränderungen. Subjek- tivität galt als Ideal einer vergangenen Epoche. Um einer sozialen Verankerung der Mu- sik willen wurde das Ideal von Gemeinschaft beschworen. So kam es zu einer verständ- lichen Begünstigung für die Chormusik. Im Ausklang des deutschen Expressionismus kam es zu großer, aber bereits gegenüber der Romantik spürbar distanzierter Lyrik, z.B. bei Hindemith in den ensemble- beziehungsweise klavierbegleiteten Zyklen „Des Todes Tod“ (1922 nach Eduard Reinacher) oder „Das Marienleben“ (1922/23 bzw. 1936-48 nach Rilke). Der Rückgriff auf das Volkslied, durch eine starke Volksliedbewegung in zahlreichen Ländern gestützt, befruchtete eher die Instrumentalkomposition, als dass er, wie man denken könnte, für die künstlerische Vokalkomposition zur Perspektive hät- te werden können. In Frankreich waren es surrealistische Dichtungen, die die Vokal- komposition anregten, stets in ästhetisch distanzierter oder parodistischer Weise und damit antiromantisch. Seit Mitte der dreißiger Jahre ist hier vor allem Francis Poulenc zu nennen. Zwischen 1920 und 1950 wird der Aufstieg der Chormusik zu einem Faktum der Musik- geschichte, ohne dass liturgische Musik im engeren Sinn diesen Anspruch erheben 4 könnte. Denn es war gerade eine Loslösung aus der Sphäre der Weltanschauungsmu- sik, die Chormusik zu einem ästhetisch eigenständigen, in vielen Funktionen wirkungs- vollen Bereich werden ließ. In diesem Zusammenhang entstanden auch große geistlich fundierte Werke, die meist nicht liturgisch motiviert waren. Die Chorkomposition umfass- te sowohl die Gattungen Kantate und Oratorium mit geistlicher oder weltlicher Prägung und manifestierte sich des Weiteren in der Bühnenkomposition, in Schauspiel und Oper, ja, sogar im Ballett. Ein wegweisendes Werk im Rahmen der Oratorienkomposition wurde Arthur Honeggers „Le Roi David“, ein Werk, in dem funktionale Aspekte die artifizielle Komposition beein- flussten. Es sollte 1921 mit diesem biblischen Drama ein in der Provinz gelegenes Volkstheater wiedereröffnet werden. Siebenundzwanzig Nummern sollten entstehen für siebzehn Instrumentalisten und gemischten Chor. Honegger holte sich von Strawinsky den Rat, so zu komponieren als habe er diese Besetzung gewollt. So ging er sehr pragmatisch vor bei dem Bestreben, Funktionserfüllung und Kunstanspruch miteinander zu versöhnen. Er schreibt: „Niemals das Gegebene als eine uns aufgezwungene Sache ansehen, sondern recht eigentlich als eine persönliche Aufgabe, als eine innere Not- wendigkeit.“ Unabhängig von der deutschen Händel-Renaissance um 1920 dokumen- tiert der Chorstil von oft monumentaler Einfachheit im Oratorium Honeggers eine große Nähe zu Händel. Nach dem ersten Weltkrieg und in den folgenden Jahrzehnten ist in Oratorium und Oper eine erhöhte Bedeutung des Chors nachzuweisen, die gleichzeitig auf eine besondere Anziehung der beiden Gattungen zueinander verweist. Bühnenwer- ke werden zu Konzertwerken umfunktioniert, umgekehrt werden Kantaten und Oratorien inszeniert. Busoni hatte die Idee, Bachs Matthäuspassion szenisch darzustellen. Orff griff die Idee auf, als er 1932 die sicher nicht von Bach stammende Lukaspassion so bearbeitete, dass von einem religiösen Lehrstück in epischer Form die Rede war. Neben Schönberg war es in Deutschland zweifellos Hindemith, der neue Wege be- schritt. Zunächst sah das Publikum im jungen Hindemith den musikalischen Parallelfall zu Oswald Spengler. Hindemith wurde so in der Volksmeinung zum Beweisstück für den Untergang des Abendlandes im Bereich der Musik. In dieser Phase komponierte er mit dem „Marienleben“ eines seiner bedeutendsten geistlich inspirierten Werke, mit dem er, trotz gelegentlicher impressionistischer Reminiszenzen, zu polyphonem Denken fand. Von hier an begleitete die Musik Bachs seinen Weg, selbstverständlich in grund- legend neuem Gewande. Es bedeutete 1924 eine Kühnheit, einen Text von der Wortin- tensität eines Rilke nicht mehr illustrativ zu komponieren, sondern vielmehr die Ge- sangslinie instrumental