IV. Das Ende Der Ära Müller 1948/1949
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
IV. Das Ende der Ära Müller 1948/1949 1. „Der Arzt als Mörder"1. Fritz Schäffer und die Rebellion des Bezirksverbands Oberbayern Am 18. November 1947 endete das Spruchkammerverfahren, das Fritz Schäffer gegen sich selbst beantragt hatte, nachdem er von der Militärregierung kaltgestellt worden war. Der Staatsrat wurde als vom Befreiungsgesetz nicht betroffen erklärt und das Ver- fahren eingestellt2. Zwei Monate später hob die Militärregierung auch das gegen Schäf- fer verhängte Verbot politischer Betätigung auf. Damit war es ihm wieder erlaubt, Par- teiämter oder Abgeordnetenmandate zu übernehmen, die Militärregierung untersagte es Schäffer aber nach wie vor, ein öffentliches Amt mit Exekutivfunktionen auszuüben, bei dem Zusammenarbeit mit den Besatzungsbehörden notwendig sei3. Die oppositio- nellen Kräfte in der CSU zögerten nicht, Schäffers Rehabilitierung publik zu machen. Alois Hundhammer teilte den in Marktredwitz versammelten Delegierten der Landes- versammlung am 24. Januar 1948 erfreut mit, die Militärregierung habe dem Staatsrat „wieder volle politische Bewegungsfreiheit" gewährt4. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich wieder einmal schwere Gewitterwolken über der bayerischen Unionspartei zusammengebraut. Die Gegner Josef Müllers hatten ihr Ziel, den verhaßten Parteivorsitzenden zu entmachten, keineswegs aufgegeben, auch wenn all ihre diesbezüglichen Initiativen und Intrigen bisher erfolglos geblieben waren. Am 20. Januar 1948 trafen sich die Mitglieder des Bezirksvorstands der oberbayerischen CSU, fast alle eingeschworene Widersacher des Ochsensepp, um über die verfahrene Si- tuation der Partei und über die Marschroute für den bevorstehenden Parteitag zu bera- ten5. Diesmal sollte eine Entscheidung herbeigeführt werden so oder so. „Es herrschte einmütige Auffassung darüber", mußte Josef Müller in einer-vertraulichen Aktennotiz lesen, daß der Bezirksverband Oberbayern „diesmal das letztemal zu einer Landesver- sammlung fahren würde". Für den Fall, daß es nicht gelänge, die eigenen Ansichten und Forderungen durchzusetzen, wollte man geschlossen den Parteitag verlassen. Doch dabei blieb es nicht. Der Bezirksvorstand der oberbayerischen CSU beschloß überdies, Hans Ehard für das Amt des Landesvorsitzenden zu nominieren. Die Kandi- datur des populären und von allen Gruppierungen der zerstrittenen CSU respektierten Ministerpräsidenten hätte erstmals in der Geschichte der CSU zu einer Kampfabstim- ' Protokoll der Sitzung des Landesausschusses der CSU am 28729. 2. 1948 in Regensburg, in: Proto- kolle und Materialien, S. 1625 (Gerhard 2 Kroll). IfZ-Archiv, RG 260, AG 1948-27/2, Entscheidung im Spruchkammerverfahren gegen Fritz Schäffer vom 18. 11. 1947. Vgl. dazu auch Henzler, Fritz Schäffer, S. 208-228. 3 IfZ-Archiv, RG 260, AG 1948-27/2, EUCOM an OSS vom 19. 1. 1948. 4 Protokoll der Landesversammlung der CSU am 24725. 1. 1948 in Marktredwitz, in: Protokolle und Materialien, S. 1402. 5 ACSP, NL Müller 109, vertrauliche Aktennotiz Josef Plonners für Josef Müller über die Sitzung des Bezirksvorstands der CSU Oberbayern am 20. 1. 1948; das folgende nach dieser Aktennotiz. 220 IV. Das Ende der Ära Müller 1948/1949 mung um den Parteivorsitz geführt und Müller mit einem gefährlichen Gegenkandida- ten konfrontiert. Ob Ehard überhaupt dazu bereit war, gegen Müller anzutreten, war aber unklar, und für den Fall, daß er die ihm angetragene Kandidatur ausschlug, ver- einbarten die Mitglieder des Bezirksvorstands, Anton Pfeiffer ins Rennen zu schicken. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name Fritz Schäffer; der Gedanke, den Staats- rat für den Landesvorsitz vorzuschlagen, fand aber selbst in diesem Gremium keine Mehrheit. Der ehemalige BVP-Vorsitzende wirke auf viele fränkische Delegierte „noch wie ein rotes Tuch", hieß es. Doch es sollte nur noch wenige Wochen dauern, bis der Staatsrat mit einem Paukenschlag auf die politische Bühne zurückkehrte. Gänzlich unerwartet kam das Comeback Fritz Schäffers für die Parteiführung der CSU nicht. Schon Ende November wurde er als möglicher Kandidat für das Amt des Landes- vorsitzenden gehandelt. Zugleich kursierte in der Landesgeschäftsstelle das Gerücht, Heinrich Krehle würde den Vorsitz des Bezirksverbands München zugunsten Schäffers niederlegen, der die Münchner CSU im Frühjahr 1946 bereits kurze Zeit geführt hatte6. Die vorliegenden Dokumente lassen kaum Rückschlüsse auf etwaige Absprachen des Staatsrats mit seinen politischen Freunden für sein Comeback zu7, sicher ist nur, daß Schäffer um die Jahreswende 1947/1948 engen Kontakt mit Alois Hundhammer und Jo- seph Baumgartner hielt8. Die Überlegungen, die man in der Landesleitung der bayeri- schen Unionspartei anstellte, gingen aber vermutlich in die richtige Richtung mit einer - Abweichung: Es war nicht Heinrich Krehle, der seinen Platz für Schäffer räumte, sondern Alois Hundhammer. Der Bezirksverband Oberbayern, den Hundhammer seit 1946 führ- te, stellte die ideale Plattform für einen Angriff auf den innerparteilichen status quo dar, den Schäffer dann auch sofort startete. Die knapp 21.000 Mitglieder, die der oberbayeri- schen CSU 1947 angehörten, machten etwa ein Viertel der gesamten Mitgliedschaft aus9; zudem hatten die Kontrahenten Josef Müllers gerade dort ihre stärksten Bastionen. Ausgangspunkt für den „Staatsstreich" Fritz Schäffers gegen die Parteiführung war die Bezirksversammlung der CSU Oberbayern am 14. Februar 194810. Von starkem 6 IfZ-Archiv, MA 1420/13, Bericht Paul Burns' über Besprechungen mit Hanswolf Haunhorst am 24.11. und 28. 11. 1947 vom 4. 12. 1947; IfZ-Archiv, RG 260, 7/29-1/13-16, Sam E. Woods an das State Department vom 12. 1. 1948. Arbeitsminister Krehle hatte die Delegierten der Bezirksver- sammlung im November 1947 dringend gebeten, ihn wegen seiner vielfältigen Verpflichtungen nicht wiederzuwählen; die Bezirksversammlung hatte ihn jedoch dennoch im Amt des ersten Vorsitzenden des Bezirksverbands München bestätigt. ACSP, NL Müller 68, Protokoll der Bezirksversammlung der CSU München am 12. 11. 1947. 7 Vgl. Henzler, Fritz Schäffer, S. 238. In einer streng vertraulichen Aktennotiz Sepp Horts über ein Gespräch mit dem oberbayerischen Landtagsabgeordneten Franz Schäfer am 16. 7. 1947 hieß es je- doch bereits: „Wir warten bloss, bis Staatsrat Schäffer fertig ist mit seiner Spruchkammergeschichte. Dann schlagen wir mit ihm an der Spitze los, und zwar blitzartig. Wir brauchen dazu ca. 45-50 Ab- geordnete. Name der neuen Partei [...]: „Katholischer Volksblock ACSP, NL Müller 394. 8 Bayern." ACSP, CSU-LTF I, 15-12/4 und 5, Fritz Schäffer an Alois Hundhammer vom 19. 12. 1947 und des- sen Antwortschreiben vom 22. 12. 1947. Schäffer warf bereits am 19. Dezember die Frage auf, ob man die umstrittenen Satzungsfragen, die auch nach der außerordentlichen Landesversammlung weiterhin im Raum standen, „zur Entscheidung für den inneren Zusammenhalt der CSU" machen wolle. Die Entscheidung über das Comeback des Staatsrats fiel wohl erst Anfang Februar 1948. Am 9. Februar ließ Schäffer den mittlerweile zur Bayernpartei übergetretenen Baumgartner „unserer seinerzeitigen Verabredung entsprechend" wissen, er könne „wohl nicht mehr länger warten" und müsse „noch in dieser Woche entscheidende Entschlüsse fassen". BAK, NL Schäffer 23, Bl. 266. 9 Exakte Zahlen bei Mintzel, Geschichte der CSU, S. 131. Der Bezirksverband München hatte dage- gen nur knapp 2700 Mitglieder. 10 Mitteilungen der Christlich-Sozialen Union vom 21.2. 1948: „CSU Oberbayern gegen Landeslei- tung. Kritik an den Satzungen und an der Politik"; Südost-Kurier vom 18.2. 1948: „Der ,Staats- 1. Fritz Schäffer und die Rebellion des Bezirksverbands Oberbayern 221 Beifall begleitet, unterbreitete Hundhammer selbst den Delegierten den Vorschlag, an seiner Stelle Schäffer zum Vorsitzenden des Bezirksverbands zu wählen11. Die aggressi- ve Rede des Staatsrats traf offensichtlich genau den richtigen Ton. Begleitet von schar- fen Angriffen gegen Josef Müller zeichnete Schäffer ein düsteres Bild der Situation. Die Vorwürfe, die der ehemalige BVP-Vorsitzende dabei erhob, glichen denen, die er be- reits im Frühjahr 1946 vorgebracht hatte; ja es scheint fast so, als wollte Schäffer naht- los dort anknüpfen, wo er von der Militärregierung so abrupt unterbrochen worden war. Zugleich versuchte der Staatsrat, ein gleichsam religiöses Charisma zu verbreiten: „Drum sage ich: Wenn mich etwas veranlassen könnte, Ihrem Ruf zu folgen, dann wäre es das Be- streben, in der Union, die das Wort .christlich' aufs Schild erhoben und diesen Namen angenom- men hat, dahin zu wirken, daß sie wieder eine Partei wird, in der nur mit christlichen Methoden gearbeitet wird (lebhafter Beifall) und die dann auch die christlichen Grundsätze im öffentlichen Leben bedingungslos und kompromißlos vertritt. (Zustimmung.) Ich bin im praktischen Leben sehr für Kompromisse; aber da, wo das Gewissen spricht, da, wo es um Grundsätze geht, kann es Kompromisse nicht geben! Unser Heiland hat gesagt: Ich bin in die Welt gekommen, nicht um den Frieden, sondern um das Schwert zu bringen. Das gilt für jeden, der aus einem christli- chen Gewissen heraus im öffentlichen Leben steht. Im öffentlichen Leben muß ich mich zu mei- nen Grundsätzen bekennen; und das ist das Schlimme, wenn eine Demokratie dazu führt, daß die Wendigen und Geschmeidigen, die Grundsatzlosen, sich an die Spitze drängen, und die auf- rechten Männer, die Grundsätze haben, zerrieben und an die Seite gestellt werden. (Beifall.) Des- wegen sage ich: Wenn mich etwas veranlassen könnte, ist es der Gesichtspunkt, die Christlich-So- ziale Union zu einer Partei der christlichen