Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ-Gedenkstätte – Mitteilungen Heft 51 / November 2009

Einblicke und Ausblicke Inhalt Die 51. Ausgabe der Mitteilungen Vorwort 2 Impressum 2 Blick nach vorn – Interview mit Nicola Wenge 3 „Ulm gegen Rechts“ 5 1. Internationaler Tag im DZOK 7 150 Jahre Bundesfestung 8 Tolstoi und die Ulmer Bundesfestung 9 Demjanjuks Spuren in Ulm 10 Sinti und Roma 12 70 Jahre Kriegsbeginn: Ein deutsch-polnisches Zeitzeugengespräch 13 Der Warschauer Aufstand, Kazimiera Kolinska und eine Ulmer Recherche 14 Ort der Gewalt, Ort des Leids, Ort des Widerstands 15 Dr. Nicola Wenge, neue Leiterin des Doku-Zentrums und Herausgeberin der Mit- Projekttage der PH Heidelberg 16 teilungen, bei einer Führung im Rahmen der Ulmer Kulturnacht, September 2009 (A-DZOK, Veranstaltungen 2009). Die „dzokkis“ im Umbruch 17 Tobias, der neue ASF-ler 18 Gedenkstunde in der Ulmer KZ-Gedenkstätte Christian Renner: Porträt eines freiwilligen DZOK-Mitarbeiters 18 für den Widerstand von 1933 bis 1945 und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Nachrufe: A. Knoop-Graf, Sonntag, 15. November 2009, 11 Uhr L. Strate-Nathan 19/20

Gedenken im interkulturellen Austausch: Leserbrief des VVN/BdA 21 Eine wichtige Aufgabe auch für Ulmer/-innen Rückblick 2009 22 Dr. Nicola Wenge Neues in Kürze 26 „Was geht mich Eure Geschichte an?“ Neue Bücher 30 Eine Projektpräsentation des DZOK mit der Klasse 8a der Veröffntlichungen des DZOK 34 Adalbert-Stifter-Hauptschule und dem Stadtjugendring Ulm e. V. DZOK-Veranstaltungen ab 1230 Uhr: Winter/Frühjahr 2009/2010 35 Muttersprachliche Führungen durch die Gedenkstätte Förderer dieser Nummer 36 in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Ausschuss der Stadt Ulm Beitrittserklärung 36

Mitt51_18 1 01.11.2009, 19:17 Uhr Vorwort Liebe Leserinnen und Leser,

Sie halten die Nummer 51 unseres Wolfgang Keck führte, über meine Mitteilungsblatts in Ihren Händen. ersten Eindrücke, Aktivitäten, Pläne Die Zeitschrift wird weiterhin – nach und grundsätzlichen Perspektiven einer einmaligen Pause bedingt durch für die künftige Arbeit (S. 3). Doch den Leitungswechsel – halbjährig auch darüber hinaus hat sich perso- erscheinen. Und sie bleibt ein Forum nell viel getan in unserer Einrichtung zur (historisch-)politischen, regionalen und seinem Trägerverein: Vorgestellt Kultur, in dem wir nicht nur die Arbeit werden der neue „Freiwillige“ der des Doku-Zentrums vorstellen, son- Aktion Sühnezeichen Friedensdienste dern darüber hinaus zur kritischen Tobias Edling (S. 18), der Wechsel in Auseinandersetzung mit der NS-Zeit unserer Jugendgruppe der dzokkis und ihren Folgen für die Gegenwart (S. 17), der im Juli gewählte Vorstand einladen. Das äußere Erscheinungs- (S. 26) und der neue Ehrenamtliche bild signalisiert in diesem Sinne eben- Christian Renner (S. 18) falls Beständigkeit. Trotzdem markiert diese Nummer natürlich auch einen Nicola Wenge in der vh Ulm, 20.3.2009 Trotz dieser Veränderungen, die das (© Matthias Kessler/SWP) Neubeginn: Erstmalig übernehme ich DZOK auch schon im ersten Halbjahr als neue Leiterin des Dokumentations- beschäftigte, ist es uns gelungen, zentrums die Herausgabe des Mittei- durchgängig eine breit aufgestellte Impressum lungsblatts, unterstützt – auch das Erinnerungsarbeit und die aktive Par- Herausgeber: eine Neuerung – von einem Redak- teinahme gegen Rechts fortzuführen. Dokumentationszentrum tionsteam, in dem wir Inhalte und Hiervon geben die thematischen Bei- KZ Oberer Kuhberg Ulm e. V.; Umsetzung des „Blättle“ gemeinsam träge in diesem Heft einen Eindruck. Postfach 2066, 89010 Ulm; diskutieren und umsetzen. Ein Dank geht an dieser Stelle an die [email protected] Weil mit dem Leitungswechsel im Gastautoren, die diese Ausgabe mit www.dzok-ulm.de Sommer viele (zum Teil auch wider- ihren Perspektiven bereichern. Ich (dort Infos zur Mitgliedschaft) streitende) Hoffnungen und Wünsche, freue mich, dass Silvester Lechner DZOK-Büro mit Archiv, Bibliothek: Befürchtungen und Ängste verknüpft auch nach seinem Ausscheiden in Büchsengasse 13, 89073 Ulm, waren, berichte ich in einem Inter- gewohnt kompetenter Weise wich- Tel.: 0731 / 2 13 12, Fax: 9 21 40 56 view, das unser Vereinsvorsitzender tige Artikel beigesteuert hat. Seine Abschiedsrede vom 28. Juni 2009 Redaktion: Dr. Nicola Wenge (verantwortlich), finden Sie als Beilage in diesem Heft. Prof. Dr. Ulrich Klemm, Annette Lein, Ilona Walosczyk Doch eins ist klar: Dass wir produktiv weitermachen konnten, verdanken Druck: wir auch vielen weiteren langjährigen Offsetdruck Martin, Blaustein Wegbegleitern und Unterstützern. Auflage: 1 500 Mein besonderer Dank gilt deshalb Mitarbeiterinnen: Ihrer Treue gegenüber dem Doku- Dr. Nicola Wenge (Leiterin), Zentrum und Ihrer Bereitschaft, Tradi- Annette Lein, Ilona Walosczyk tionen und neue Impulse miteinander Bürozeiten: zu verbinden. Mo-Do 9 – 16 Uhr, Fr 9 – 12 Uhr Öffnungszeiten Bleibt mir für heute, Sie herzlich zur der KZ-Gedenkstätte: So 14 - 17 Uhr. Gedenkfeier am 15. November einzu- Führungen sonntags um 14:30 Uhr, laden, die die Bedeutung des Geden- für Gruppen nach Vereinbarung kens im interkulturellen Dialog in ihren auch werktags (mind. zwei Wochen Mittelpunkt stellt. vorher anmelden). Details auf S. 35 und unter Mit den besten Wünschen für Weih- www.dzok-ulm.de nachten und das neue Jahr 2010 Spendenkonto: 764 90 62 grüßt Sie Sonderkonto „Stiftung“: Silvester Lechner am gleichen Tag 272 07 04 (© Matthias Kessler/SWP) Nicola Wenge beide bei der Sparkasse Ulm (BLZ 630 500 00) Eintritt: 2,00 € / 0,50 € Führung: 35,00 € / Gruppe Mitteilungen des DZOK: 1,00 € / Heft

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Mitt51_18 2 01.11.2009, 19:17 Uhr Blick nach vorn Interview des Vereinsvorsitzenden Wolfgang Keck mit Nicola Wenge, der neuen Leiterin des DZOK

Was hat dich motiviert, neue Lei- terin am DZOK zu werden? Als ich eure Stellenausschreibung gelesen habe, fühlte ich mich sofort angesprochen. Einerseits suchte ich nach einer verantwortungsvollen Tätig- keit in der Gedenkstättenlandschaft, in der ich die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit aktiv führen könnte. Ande- rerseits gefielen mir euer inhaltliches Profil und euer Ruf, engagierte Arbeit zu machen. Diese Kombination hat mir die Entscheidung, mich aus Köln fort zu bewerben, erleichtert.

Was waren deine ersten Eindrücke von der Stadt Ulm und dem Doku- Wolfgang Keck und Nicola Wenge im Gespräch (A-DZOK, 10/09; Foto: A. Lein) Zentrum? Die Aufnahme hier war schon vor meinem eigentlichen Arbeitsbeginn angestoßen. Neben der alltäglichen arbeit – einen führenden Platz ein; am 1. Juni überwältigend freundlich. Arbeit und der Teamfindung in der seine Tätigkeit ist auch bundesweit Bei einem ersten Besuch im April Büchsengasse mussten außerdem anerkannt, was sich nicht zuletzt in wurde ich nicht nur herzlich begrüßt, das Veranstaltungsprogramm für der derzeitigen Bundesförderung der sondern lernte auch - mit meinem den Herbst und die Herausgabe des Pädagogik-Stelle spiegelt. zukünftigen Vorgänger durch die Mitteilungsblatts organisiert werden. Stadt eilend - einige der wichtigsten Da war ich schon froh, dass in der Siehst du auch Gefahren, denen Kooperationspartner kennen. Da fiel ruhigeren Sommerpause etwas Zeit man begegnen muss? mir schon positiv auf, dass Ulm eine blieb, um einige programmatische Mit wachsendem Abstand zur NS-Zeit Stadt der kurzen Lauf- und Kommuni- Überlegungen zu entwickeln, bevor und nahendem Ende der Zeitzeugen- kationswege ist. Dieses dicht gewebte sich das Doku-Zentrum im September schaft steht die Gedenkstättenarbeit Beziehungsflechtwerk des DZOK, das wieder in die Öffentlichkeit zurückge- grundsätzlich vor großen Herausfor- viele Menschen und Institutionen in meldet hat. derungen. In Zeiten medialer Verwi- der Region einbindet und zur Bewälti- schung von Realität und Fiktion einer- gung der vielfältigen Aufgaben ja auch Was begreifst du als wichtige seits und wachsender Verdrossenheit dringend erforderlich ist, hat mich in Vorzüge der aktuellen Situation an der Beschäftigung mit der NS-Zeit den ersten Tagen wohl am meisten unserer Einrichtung? andererseits müssen wir auch in Ulm beeindruckt. Das Doku-Zentrum ist heute - nach doppelt entgegensteuern: Erstens einem langen Weg - ein anerkannter brauchen wir mehr denn je den Rück- Wo lag der Schwerpunkt Bildungs-, Lern- und Gedenkort für bezug auf die historische Quellen- deiner Aktivitäten in den ersten viele Menschen. Die KZ-Gedenkstätte grundlage und die Anbindung an die Monaten? im Fort Oberer Kuhberg zieht jähr- neuere Forschung, um im medialen Zunächst einmal ging es für mich als lich über 9.000 Besucher mit leicht Dauerrauschen kritisch informieren „Neue“, die von außen kam, darum, steigender Tendenz an, die von dem zu können. Hierfür sind wesentlich den Charakter des Doku-Zentrums Gedenkstättenteam individuell und die Professionalisierung unserer kennen zu lernen. Und damit meine ich gruppenspezifisch betreut werden. Archivarbeit und die Vernetzung mit nicht nur die Arbeitsschwerpunkte und Das Info- und Servicezentrum mit anderen Forschungseinrichtungen Abläufe, sondern vor allem Wesen und Archiv und Bibliothek in der Büch- und Gedenkstätten. Zweitens sind wir Selbstverständnis. Besonders wichtig sengasse bietet als zweites wichtiges aufgefordert, ständig verstärkt auch waren hierfür intensive Gespräche mit Standbein die Grundlage für wertvolle jene Menschen anzusprechen und den Haupt- und Ehrenamtlichen, mit historisch-wissenschaftliche Arbeit zur einzubeziehen, die bisher noch nicht dem Vereinsvorstand und Freunden NS-Zeit in der Region Ulm/Neu-Ulm. so gut erreicht werden konnten. Dafür des Doku-Zentrums, nicht zuletzt Und nicht zuletzt ist das Doku-Zen- müssen wir gezielte Angebote für auch das Perspektivtreffen mit den trum als Stätte zivilgesellschaftlichen unterschiedliche Gruppen entwickeln Vereinsmitgliedern im Juli. Als ersten Engagements und lebhafter Diskus- (z. B. für die Altersgruppe zwischen 20 neuen inhaltlichen Aspekt habe ich sion fest etabliert. In der dezentralen und 50, für Ulmer mit Migrationshin- dann ein Pilotprojekt zur interkul- Gedenkstättenlandschaft Baden- tergrund oder für Touristen). Daneben turellen Gedenkstättenpädagogik Württembergs nimmt das DZOK sollen natürlich die klassischen Felder für die Gedenkfeier im November damit – auch wegen seiner Jugend- unserer Tätigkeit bestehen und weiter

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Mitt51_18 3 01.11.2009, 19:17 Uhr auch gleichzeitig durch professionelle Standards der Hauptamtlichen abzusi- chern und weiter zu entwickeln. Doch damit dieser Anspruch, der ja auch ein Stück Utopie ist, nicht zur Floskel wird, gilt es den Inhalt dieses Bürgerprojekts immer wieder neu zu bestimmen und vereint zu tragen. Natürlich sind wir als Bürgerprojekt auch weiterhin finanziell stark auf private Unterstützung ange- wiesen. Und ich appelliere an dieser Stelle an unsere Sponsoren und För- derer, uns weiterhin zu unterstützen! Doch gerade in der Gewinnung von Geldmitteln werden wir uns pers- pektivisch stärker professionalisieren Teilnehmer des DZOK-Projekts „Was geht mich eure Geschichte an?“, das sich gerade auch an müssen, um unsere vielfältigen Auf- Ulmer/-innen aus Einwandererfamilien richtet. 10/09; Foto: D. Fumy gaben zu erfüllen. Darüber dürfen wir aber unsere inhaltliche Unabhängig- ausgebaut werden. All dies erfordert von Häftlingen und Tätern. Das ist ein keit nicht verlieren. Kräfte und Kapazitäten, um die wir Projekt mit hoher Priorität, das direkt in Zukunft werden ringen müssen. angestoßen, aber langfristig angelegt Wie sollte die Gedenkstättenarbeit Denn schon der Status Quo ist ja fast und gesichert sein will und für das im 21. Jahrhundert aussehen? nur unter permanentem Einsatz aller wir in der Öffentlichkeit stark werben In einer globalisierten Welt, in der Kräfte aufrecht zu erhalten. müssen. Kriege und Krisen unsere Lebenswirk- Auch die Entwicklung zielgruppenori- lichkeit bestimmen, in der jüngere Men- Was hast du hierzu für kurz-, mittel- entierter Angebote wird mich künftig schen immer weniger auf feste Orien- und langfristige Planungen? beschäftigen. Ziel ist es, interessierte tierungshilfen durch Familien, Parteien Für die Gedenkstättenarbeit sind die Einzelbesucher aller Altersstufen, auch und Milieus zurückgreifen können und Planungen schon ziemlich konkret: Touristen, mit thematischen Son- in der auch in Deutschland die soziale Das Team aus Guides und Aufsichten derführungen, -veranstaltungen und Ungerechtigkeit zunimmt, wächst die wird sich durch regelmäßige inhaltliche -ausstellungen am Kuhberg und in Gefahr der Verführung durch rechte Treffen besser kennen lernen und für der Stadt für unser Thema und unsere Ideologien und Handlungsangebote. die Arbeit weiter qualifizieren; das Pro- Einrichtung zu gewinnen. Um erste Um dem zu begegnen und eine soli- gramm dafür steht schon. Außerdem Angebote zu konkretisieren, bin ich u. darische Gesellschaft zu stärken, in wollen wir aktiv neue Guides werben. a. im Gespräch mit der Tourismuszen- der die Würde eines jeden Menschen Auf der Agenda steht für 2010 trale. Jüngere Erwachsene dürfte man zählt, sind die Gedenkstätten gefragt, außerdem die Revision der beste- gerade mit aktuellen Fragestellungen, neue Wege zu gehen. Um Jugendli- henden Ausstellung und bis 2015 die einer zeitgemäßen Sprache und mit chen die Vorbedingungen und Folgen Vorbereitung für eine neue Ausstel- dem Einsatz neuer Medien anspre- für den Zivilisationsbruch des Nati- lung. Damit einher geht die Beschäfti- chen. Auch hier will ich neben der onalsozialismus überhaupt noch gung damit, wie der Außenbereich der Weiterarbeit mit unseren bewährten veranschaulichen zu können, ist es KZ-Gedenkstätte zugänglich gemacht Kooperationspartnern neue Netz- wichtig, die NS-Zeit stärker als bisher und in ein Konzept der Besucher- werke aufbauen, etwa mit dem in die lange deutsche Geschichte des führung eingebunden werden kann. Stadtjugendring, Medienwerkstätten 20. Jahrhunderts einzubetten. Nur so Parallel dazu will ich in Kooperation oder freien Kulturschaffenden und können sie daraus Schlussfolgerungen mit dem Haus der Geschichte Baden- Künstlern. Ein erstes Beispiel hierfür für die Gegenwart ziehen. Ebenso Württemberg und der Pädagogischen ist unser Gedenkprojekt. Die künftigen zentral ist eine multiperspektivische Hochschule Heidelberg schrittweise Planungen hängen aber auch davon Herangehensweise, die der Vielfalt der neue didaktische Materialien entwi- ab, welche finanziellen Mittel wir auftun historischen Akteure und der Pluralität ckeln. können und wie viele Freiwillige sich in unserer Gesellschaft gerecht wird. Der zweite wichtige Schwerpunkt diesem Bereich engagieren werden, Konkret heißt das zum Beispiel, dass meiner Tätigkeit wird auf der Siche- denn ohne diese können wir auch hier wir im Umgang mit der Vergangenheit, rung, Erschließung und zeitgemäßen nur langsam weiter kommen. aber auch in der Auseinandersetzung Aufbereitung unserer Quellenbasis mit rechtsextremen Tendenzen heute, liegen. Diese Arbeit kann nur mit Wie kann das Verhältnis von Bür- zwar weiterhin den regionalen Bezug einer gut durchdachten, einheitlichen gerprojekt und Professionalität in brauchen, aber zusätzlich verglei- Datenbanklösung realisiert werden. Zukunft gestaltet werden? chende nationale und internationale Außerdem brauchen wir zusätzlich Die Doppeldefinition des Doku-Zen- Perspektiven integrieren sollten. Ich dringend einen Archivar/Dokumentar, trums als Bürgerprojekt und professio- bin davon überzeugt, dass diese der die Dokumente für unsere didakti- neller Einrichtung sollte unbedingt auch Multiperspektivität nicht nur neue Ant- sche Arbeit und für neue Publikationen in Zukunft Bestand haben. Es gehört worten zur Geschichte des NS birgt, kontinuierlich zugänglich macht, etwa einfach zum Wesenskern des DZOK, sondern auch neue Wege der Demo- in Form einer interaktiven Online- die Arbeit basisnah zu diskutieren und kratie- und Menschenrechtserziehung Datenbank zu den Lebensgeschichten gemeinsam anzugehen, sich aber eröffnet.

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Mitt51_18 4 01.11.2009, 19:17 Uhr „Ulm gegen Rechts“ – Erfolg, Misserfolg, oder was? Versuch einer Zwischenbilanz zu den Ulmer Protestveranstaltungen gegen den NPD-Auftritt am 1. Mai

von Silvester Lechner

Die Vorgeschichte nur zwei, örtlich und zeitlich getrennte Im November 2008 wurde bekannt, Demonstrationen, die der NPD und dass die NPD-Jugend bei der Stadt die des „Bündnisses“ (angemeldet Ulm für den 1. Mai 2009 eine Demon- vom DGB). stration angemeldet hatte. Am weit Es ging hoch her bei der Bilanzsitzung über 100 Jahre alten Arbeiter-Feiertag am 14. Mai. Hauptvorwurf: Die Polizei (der unter dem NS-Regime pervertiert schützte mit ihrem Verhalten die etwa wurde) eine Gegen-Demonstration 500 angereisten (Neo-)Nazis nicht nur von alten und neuen Nazis! Diese in Ulm, sondern auch noch am späten Provokation weckte Widerstand auf Nachmittag in Neu-Ulm. Die Kritik breitester Basis. Der DGB und die Ein- entzündete sich an dem als unge- zelgewerkschaften reagierten zuerst rechtfertigt empfundenen und gegen und organisierten und begleiteten den Der Erfolg!? friedliche Unbeteiligte gerichteten, Ulmer Protest. Insgesamt 92 Ulmer Initiativen, Vereine, harten Vorgehen der Polizei. Die Kritik Der schon länger bestehende DGB- Verbände, Parteien u.a. schlossen sich reichte von der Strategie der „Einkes- Gesprächskreis „Bündnis gegen dem Bündnis an und organisierten 32 selung“ (gerichtet vor allem gegen den Rechts“ erweiterte sich zum Bündnis Veranstaltungen in den Aktionswo- „schwarzen Block“ der „Autonomen“), „Ulm gegen Rechts“. chen um den 1. Mai. Am 1. Mai selbst über „Platzverweise“ und „Ingewahr- Dieses Bündnis wurde repräsen- waren über 20.000 Menschen bei der samnahme“ (gerichtet auch gegen die tiert durch Ivo Gönner und Gerold Demonstration durch die Stadt Ulm „Sitz-Blockierer“ am Bahnhof) bis zum Noerenberg, sowie Wolfgang Klook und bei der folgenden Kundgebung Einsatz von Tränengas und Gummi- und Werner Gloning, die Oberbür- mit Erhard Eppler und dem Konzert knüppeln. Einige Dutzend Verletzte – germeister bzw. DGB-Vorsitzenden von Konstantin Wecker auf dem auch Polizisten – waren die Folge. Die von Ulm und Neu-Ulm. Am 21. Münsterplatz. Parallel zu den Veran- Ermittlungen und Verfahren gegenüber Januar wurde bei einem öffentlichen staltungen am Münsterplatz fanden an angezeigten Personen laufen zum Teil Gründungstreffen im Xinedome-Kino einem weiteren Dutzend öffentlicher noch heute. eine gemeinsame Resolution verab- Plätze zahlreiche Angebote verschie- Groß war auch die Empörung über schiedet, u. a. folgenden Inhalts: dener Initiativen statt. OB Ivo Gönners öffentlich geäußerte • Wir lehnen jegliche Aktivitäten von Über Partei- und Weltanschauungs- Etikettierung der „Autonomen“ als „rot verfassungsfeindlichen Organisati- grenzen hinweg – so ist zusammen- lackierte Faschisten“ und seine Vertei- onen ab. zufassen – zeigte sich das demokrati- digung des Polizeieinsatzes. • Wir bekennen uns zu einer demo- sche Gesicht der Stadt auf eine Weise, Kurz, das Bündnis „Ulm gegen kratischen, pluralistischen und die rundum Mut machte. Rechts“ war am 1. Mai aus dem offenen Gesellschaft. Ruder gelaufen. Emotionen, Frust • Wir wehren uns gegen Gewalt und Der Misserfolg!? allenthalben; Leistung, Erfolge, Nach- Diskriminierung. Am 14. Mai trafen sich etwa 60 Aktive haltigkeit des Bündnisses traute man/ • Wir setzen uns ein für Integration des „Ulmer Bündnisses gegen Rechts“ frau sich kaum mehr zu benennen. und Toleranz. zum Zweck einer ersten Bilanz im Gewerkschaftshaus. Es zeigte sich, Und jetzt? Die Anträge der Stadt Ulm bei den dass es vielerlei Wahrnehmungen zu Nun sind fünf Monate vergangen. Zeit zuständigen baden-württembergi- den Ereignissen am 1. Mai gab, ganz für einen Rückblick in gewisser - aller- schen Verwaltungsgerichten (zunächst abhängig davon, wer sich wann und dings kritischer - Gelassenheit. Das am 3.12. 08, zuletzt am 21. April), die wo in der Stadt befand. Was den Doku-Zentrum ist dazu besonders NPD-Auftritte in Ulm zu verbieten, Besuchern des Münsterplatzes als aufgerufen, aus zwei Gründen: wurden mit dem Hinweis auf das Erfolg erschien, war für die Teilnehmer/ Zum einen: als KZ-Gedenkstätte Rechtsgut „Versammlungsfreiheit“ innen an der „gewaltfreien Blockade“, und Ulmer Info-Zentrum zur NS-Zeit und die Aussage der Ulmer Polizei, die ab morgens um 5 Uhr rund um den besteht seine Existenzberechtigung ein „polizeilicher Notstand“ sei nicht Bahnhof angesetzt war, das Gegenteil. vor allem in der frühzeitigen Wahrneh- zu befürchten, abgelehnt. Eine sei- Zu dieser Sitzblockade - mit der Idee, mung und Bekämpfung aller alt- und tens der Stadt definierte Strecken- die anreisenden Rechtsradikalen am neonazistischen, rassistischen, mili- führung war eine Voraussetzung für Verlassen des Bahnhofs zu hindern taristischen und fremdenfeindlichen die Genehmigung. Als die NPD auch - hatte der Kreisverband der „Grünen“ Umtriebe in der Gegenwart. noch für den Nachmittag des 1. Mai in der Woche davor aufgerufen. Die Zum anderen: das Doku-Zentrum in Neu-Ulm einen zusätzlichen Auftritt Grünen empfanden das als „zivilen hat sich am Programm der Begleit- beantragte, wurde auch dazu der Ver- Ungehorsam“. Für die Polizei und veranstaltungen intensiv beteiligt (vgl. botsantrag von Stadt und Landkreis die Stadt, und besonders auch OB Kasten) und war im Koordinierungs- Neu-Ulm vom Münchner Oberverwal- Gönner, war es eine „nicht genehmigte ausschuss des Bündnisses durch tungsgericht abgelehnt. Demonstration“. Für die Stadt gab es seinen Leiter kontinuierlich vertreten.

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Mitt51_18 5 01.11.2009, 19:17 Uhr Drei Notwendigkeiten sind naheliegend: 1. Das Ulmer „Bündnis gegen Rechts“ hat in weiten 1. Mai 2009: „Ulm gegen Rechts“ Kreisen der Bevölkerung Sensibilität für Rechtsradika- Beiträge des Doku-Zentrums zur „Woche für Demokratie lismus und Neonazismus geweckt und es hat Solidarität und Toleranz“ (Beiträge der anderen Veranstalter unter: in gemeinsamen Aktionen erfahrbar gemacht. Dies darf www.ulm-gegen-rechts.de) nicht leichtfertig verspielt werden. Das Bündnis in der bisherigen Zusammensetzung, also auch mit den Stadt- 26. April, KZ-Gedenkstätte und Gewerkschaftsspitzen, muss weiter bestehen. Das KZ auf dem Kuhberg: Lange her! Lange her? Auch deshalb, weil die Rechtsradikalen nicht in den Eine Führung von Jugendlichen für Jugendliche Ruhestand gehen, sondern bald schon wieder in dieser 27. April, Stadthaus Stadt in Erscheinung treten werden. im Rahmen der Eröffnung der Ulmer Veranstaltungs- 2. Eine offene, moderierte Bestandsaufnahme, ohne woche: schtzngrmm – die dritte Generation. Eine szeni- Abrechnungs- und Schuldzuweisungsgebaren, aus der sche Collage der dzokkis, Jugendgruppe des DZOK, zu Perspektive aller Beteiligter steht noch aus; zunächst Nazi-Spuren im Alltag heute intern, später wenn möglich, auch in der Form einer 29. April, vh schriftlichen Dokumentation. Denn die Ulmer Ereignisse Rückblick aufs „Jungmädel“ Gudrun um den 1. Mai 2009 sind ein Lehrstück, das nicht im Lesung und Gespräch mit Gudrun Pausewang Nebel von Mythen und Gerüchten versinken darf. (auch Lesungen im Kopernikus-Gymnasium, Weißen- Anschauungsmaterial, wie der Bürgerprotest – inklusive horn und im Bertha-von-Suttner-Gymnasium, Neu-Ulm) Blockade – ohne Exzesse zu verwirklichen ist, könnten die Verantwortlichen der Stadt Mainz liefern, wo bei 30. April, Münsterplatz einem vergleichbaren Anlass friedliche Verlaufsformen Ulmer Schüler-Demo gefunden worden waren. (mitorganisiert von Charlotte Grief, dzokki) 3. Die Kontakt- und Sprachlosigkeit zwischen den 1. Mai 2009, Ulm Akteuren des Bündnisses, dem Ordnungsamt der Beteiligung an der Demo mit dem Transparent Stadt, der Polizei, aber auch den so genannten Auto- „Keine Menschenverachtung – nie wieder Nazis! DZOK“ nomen darf sich bei künftigen Abwehrkämpfen gegen Rechts nicht wiederholen. Und das liegt in unser aller 1. Mai 2009, KZ-Gedenkstätte Verantwortung als Bürgerinnen und Bürger einer bunten „Ulm gegen Rechts“ – Sonderöffnung und offenen und demokratischen Gesellschaft. 1. Mai 2009, Münsterplatz Denn: der gemeinsame Gegner steht immer noch rechts. Elisabeth-Hartnagel-Scholl Das Erbe der Weißen Rose - Grußwort 3. Mai, KZ-Gedenkstätte Internationaler Tag, für Ulmer/-innen, die aus anderen Ländern kommen 5. bis 15. Mai, Stadtbibliothek „Hass ist ihre Attitüde – was passiert in der rechten Szene?“ Eine Ausstellung des Adolf-Bender-Zentrums, St. Wendel über den Rechtsradikalismus von Jugendlichen

Foto links: unter dem Motto unserer Gedenkstätten-Ausstellung beteiligte sich das DZOK an Demonstrationszug und Kundgebung gegen Rechts auf dem Münsterplatz (A-DZOK, 5/09; Foto: V. Feger)

„Rot lackierte Faschisten“ Diese Formulierung, die OB Gönner am begegnete insbesondere Kurt Schumacher Zum Weiterlesen: 1. Mai 2009 gegenüber dem „Schwarzen mit der Gegenattacke, in ihren Methoden. Thomas Kurz, Feindliche Brüder im deut- Block“ der „Autonomen“ gebrauchte, aber auch in ihren Zielen seien die Kommu- schen Südwesten, Sozialdemokraten und hat einen historischen Hintergrund. Er nisten „rot lackierte Faschisten“. Kommunisten in Baden und Württemberg entstammt den Auseinandersetzungen von 1928 bis 1933, 1996. zwischen SPD und KPD in den Jahren der Weimarer Republik, insbesondere in den Ein beispielhaftes Zitat: Ulla Plener, Kurt Schumacher in der drei Jahren vor der „Machtergreifung“ der „Schwäbische Tagwacht“ (der SPD) vom „Schwäbischen Tagwacht“ über Demo- Nazis. 1.4.1930, aus einer Rede von Schumacher kratie und Kommunisten. Aufsätze und Prinzipiell ging es darum, ob der Sozia- in Esslingen am 29. März: „Der Weg der Redeberichte (1926-1933), Berlin 1995 lismus auf der Basis der Weimarer Republik leider ziemlich zahlreichen proletarischen (Gesellschaft - Geschichte - Gegenwart, (SPD) oder auf der Basis der „Diktatur des Hakenkreuzler geht über die Kommunisten, Schriftenreihe des Vereins „Gesellschaftli- Proletariats“ nach Moskauer Muster (KPD) die in Wirklichkeit nur rotlackierte Doppel- ches Forum e.V.“, Bd.2). zu erkämpfen sei. Dem Vorwurf der KPD, ausgaben der Nationalsozialisten sind. Volker Schober, Der junge Schumacher die Sozialdemokraten säßen in einem Boot Beiden gemeinsam ist der Hass gegen 1895 -1933, Bonn 2000. mit der Bourgeoisie und damit auch der die Demokratie und die Vorliebe für die Faschisten, seien also „Sozialfaschisten“, Gewalt.“ ( nach Schober 329; Plener 202) Silvester Lechner

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Mitt51_18 6 01.11.2009, 19:17 Uhr „Sie haben uns wie Brüder empfangen“ Eindrücke vom Ersten Internationalen Tag im DZOK (3. Mai 2009)

von Christiana Frola-Lucas (Internationaler Ausschuss der Stadt Ulm, Ulmer Weltbürger, Forum Migration Ulm)

„Wie Brüder empfangen“ worden zu sein entspricht der konkreten Empfin- dung der kulturellen und ideologischen Zaungäste, die hier ernst genommen und gehört wurden und sich als ein Teil der Meinungsbildung gefühlt haben. Der denkoffene Austausch, frei von jeder Schematisierung der Unter- schiede, so wie wir ihn an diesem Tag erlebt haben, lenkte den Blick der internationalen Gäste auf die Innen- perspektive der Geschichtsbetrach- tung Deutschlands: Dadurch wurden sie ohne weitere Schwierigkeiten zum Teil des Ganzen. Der Blick hatte nichts Voyeuristisches und erhob keine stan- dardisierten Vorwürfe, weil er zum Blick von innen wurde.

Diese gemeinsame Betrachtung hat über den Tag hinaus eine enorme inte- grative Kraft, die weit mehr ins Gewicht fällt als die wichtige Bildungsfunktion. „… Sie haben uns wie Brüder emp- Ohne jegliche Verallgemeinerungen Wir freuen uns deshalb sehr über den fangen …“ Mit diesen Worten trugen oder vorgefasste Ansichten haben wir Vorschlag des Dokumentationszen- sich die Teilnehmer des Internatio- als teilweise alte neue Ulmer diesen trums, den Internationalen Tag unter nalen Tages in das Besucherbuch Ort des „institutionalisierten Brechens“ Erweiterung auf andere Sprachen und der Gedenkstätte ein. Der erste Inter- von Menschen, gemeinsam mit Ein- Nationalitäten regelmäßig zu wieder- nationale Tag im DZOK fand am So. heimischen gesehen und begriffen. holen, dies ist sicher eine sehr gute dem 3. Mai statt, als Teil der Ulmer Den – wenn auch zeitweiligen – Zerfall Weiterentwicklung. Die ausländischen Woche der Demokratie, auf Einladung der Menschlichkeit zu betrachten ist für Vertreter im Internationalen Ausschuss des Dokumentationszentrums und in jeden schmerzhaft, ob bei den eigenen Ulm und das Forum Migration Ulm Zusammenarbeit mit dem Internatio- Vätern geschehen oder nicht; diese arbeiten daran, auch andere Kultur- nalen Ausschuss der Stadt Ulm. Etwa Erfahrung rüttelt an unserem allge- häuser Ulms zu ähnlichen Initiativen 80 Besucher mehrerer Nationalitäten meinen Menschenbild ebenso wie an zu bewegen. und Muttersprachen haben in fünf unserem Selbstbild. Trotzdem fühlen verschiedenen Gruppen die Anlage wir uns als Einwanderer zunächst besichtigt und sich anschließend eine unbedacht auf der sicheren Seite, bis gute Stunde im Plenum ausgetauscht. Foto links oben: DZOK-Ehrenamtlicher Joachim die Reflexion uns als Einzelne und als Straub erläutet den Besuchern die Haftbedin- Die Erklärungen der Guides sowie Teil der Ursprungsländer einholt: Was gungen in der Arrestzelle. (A-DZOK, 5/09; Foto: die Fragen und Wortbeiträge wurden kann ich selber sagen, über die Fes- S. Vogt) in die Sprachen der Gäste übersetzt unten: Frau Frola-Lucas, 3. v. r. bei einer Exkur- tigkeit meiner Überzeugungen, oder sion des DZOK in die KZ-Gedenkstätte Leonberg (Spanisch, Russisch, Italienisch, Grie- überhaupt als Italienerin? (10/09; Foto: K. Jasbar) chisch, Portugiesisch und Türkisch), so dass die Führungen zweisprachig und das Plenum mehrsprachig waren: In diesem Austausch war sprachlich einfach jeder er selbst. Eine italienische Familie hatte ihren Besuch aus dem Heimatland mitgebracht, darunter auch zwei Schüler eines Gymnasiums in Bari. Die Offenheit im Umgang mit der Vergangenheit hat diese Kinder der Urenkelgeneration dazu bewegt, Informationen und Materialien für ein Schulreferat zu sammeln. Für sie, wie für die meisten von uns, wurde an diesem Tag auch der Unterschied zw. Konzentrationslager und Vernich- tungslager klar.

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Mitt51_18 7 01.11.2009, 19:17 Uhr 150 Jahre Bundesfestung Ulm/Neu-Ulm Der Festung ein Fest? Ein Kommentar von Wolfgang Keck zum Jubiläum

„Warum nicht?“ fragten viele Besucher des Jubiläumsfests, die anlässlich der Feierlichkeiten die Festung neu kennen lernen wollten und weit zahlreicher erschienen als es die Organisatoren für möglich gehalten hätten. „Warum nicht?“ meine auch ich. Voraussetzung für ein gelungenes Fest wäre allerdings gewesen, mehr Information und öffentliche Diskussion über die Bedeutung dieses Bauwerks anlässlich des Jubiläums zu vermitteln und anzustoßen.

Die Festung in Ulm war – wie alle Festungen – von ihrer Zweckbestimmung und Wesensart als militärische Anlage ein Ort potenzieller Gewalt: nach innen zur Demonstration von Stärke, nach außen als Kriegsstützpunkt. Dabei war die Geschichte der Bundesfestung aus militärischer Sicht kurz und kann rückblickend als Fehlinvestition bezeichnet werden. Nur knapp zwanzig Jahre nach ihrem Baubeginn im Jahr 1842 war sie als Verteidigungswerk in Folge neuer, weiter reichender Geschütze untauglich. Vierzig Jahre nach ihrer Fertigstellung, im Jahr 1899, wurde die Hauptum- wallung vom Deutschen Reich an die Stadt Ulm verkauft und der die Stadtentwicklung schon lange hemmende Festungsfest des Förderkreises Bundesfestung am 5. Juli mit Hüpfburg auf Mauergürtel durchbrochen. Als Gesamtbauwerk hatte die dem ehemaligen KZ-Gelände. Besonders die Gastronomiezelte auf dem Festung damit ihre militärische Bedeutung verloren. Als Appellplatz fanden regen Zuspruch. Im Hintergrund Böllerschützen des SV Pfuhl und Bundschuh Helschwang auf der ehemaligen Einzelzelle. Truppenstandort hat sie dagegen ihre Bedeutung bis auf (A-DZOK, 7/09; Fotos: H. Greimel) den heutigen Tag behalten. Ulm wäre heute ohne die Bun- desfestung vermutlich kein Standort der Bundeswehr, auch wenn die Soldaten heute nicht in den alten Gebäuden unter- gebracht sind. In den Zeiten, als für viele Teile der Festung Der Schwerpunkt des Festungsfestes, das im engeren Sinn der ursprüngliche militärische Zweck entfallen war, diente die am 13. und 14. Juni begangen wurde, lag in der Präsen- Festung gleichwohl als Ort der Gewalt: als Kriegsgefange- tation der Aktivitäten der zahlreichen heutigen Nutzer der nenlager, als Konzentrationslager und im Zweiten Weltkrieg Gebäude. Das mag – ähnlich wie die Eröffnung des neuen als Internierungslager für Zwangsarbeiter, die u. a. Munition Festungswegs – die einzelnen Gebäude der Bundesfestung herstellen mussten. Rüstungsindustrie gab es in Ulm bereits einem großen Teil der Bevölkerung näher gebracht haben, vor dem Kriegsausbruch 1939. Während des Krieges wurde wie die große Zahl der Besucher auch auf dem etwas abseits das Röhrenwerk der Firma Telefunken als kriegswichtige gelegenen Oberen Kuhberg vermuten lässt. Ob damit aber Produktionsstätte in die Wilhelmsburg verlagert. Röhren für eine kritische Sichtweise der Festung für die Stadtgeschichte militärische Zwecke werden bis heute in Ulm gefertigt. Und gefördert wird, bezweifle ich. Der Rest der Veranstaltungen auch die aus der Insolvenz von AEG-Telefunken entstandene hatte überwiegend den Charakter von Events (Festungs- EADS produziert bis heute militärische Güter. Ralley, Geocaching, mittelalterliches Lagerleben) oder stand in keinem Zusammenhang zu dem Jubiläum. Auch der vom Ein Blick in das Programm zeigt, dass sich nur wenige der SWR-Fernsehen anlässlich des Jubiläums produzierte Film insgesamt 105 Veranstaltungen mit der Geschichte der Bun- über die Bundesfestung trägt außer einigen Fakten wenig desfestung befassten. Zu nennen sind in diesem Zusam- zur geschichtlichen Einordnung bei. Im Mittelpunkt steht menhang die Eröffnungsveranstaltung „Stadt und Festung“ eine Gruppe von Männern, die offensichtlich Spaß an Rol- mit der Präsentation des gleichnamigen, sehr lesenswerten lenspielen in historischen Soldatenuniformen hat. Buches von Simon Palaoro sowie die ebenfalls gleichnamige Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte, die am 11. Sep- Fazit tember eröffnet wurde. Daneben gab es einige Vorträge und Die Bundesfestung war und ist keine mittelalterliche Burgan- Führungen des Förderkreises Bundesfestung Ulm (FBU), die lage, deren Jubiläum man mit einigen Events (z. B. mittelalter- jedoch lediglich die Baugeschichte der Bundesfestung zum liches Lagerleben, s. o.) begehen kann. Ein gelungenes Fest Inhalt haben. Aus mehreren Gesprächen mit Vorstands- anlässlich eines Jubiläums darf auch leise und nachdenk- mitgliedern des FBU habe ich gelernt, dass der FBU aus liche Töne haben. Dazu gehört die Reflexion der Geschichte welchen Gründen auch immer die Bundesfestung nicht als dieser militärischen Großanlage und der Menschen, die sie militärhistorisches Bauwerk betrachtet. Vielleicht hat sich erbaut und genutzt haben - bzw. die dort „benutzt“ wurden diese Sichtweise nach der Jahrestagung der Deutschen (wie die Zwangsarbeiter in der Wilhelmsburg). Dieser Aspekt Gesellschaft für Festungsforschung, die Ende September in kam angesichts der Vielzahl der Veranstaltungen meiner Ulm stattfand, geändert. Meinung nach zu kurz.

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Mitt51_18 8 01.11.2009, 19:17 Uhr Tolstoi und die Ulmer Bundesfestung Nachwort zu einer Veranstaltung im Rahmen des Programms „150 Jahre Bundesfestung“

von Ulrich Klemm

Was haben der russische Dichter Leo Gesetzes der Nächstenliebe, wurde ab Tolstoi und die Bundesfestung Ulm Ende des 19. Jahrhunderts weltweit miteinander zu tun? Auf den ersten aufgegriffen und zu einer regelrechten Blick erst einmal gar nichts. Sucht „Tolstoi-Bewegung“. Nachhaltig wirkte man in der Geschichte der Bundesfes- diese pazifistisch-libertäre Sozialphi- tung nach Spuren Tolstois, wird man losophie z.B. auf Mahatma Gandhi, nicht fündig. Obgleich: Tolstoi, der von der ganz wesentlich durch Tolstois 1828 bis 1910 lebte, besuchte 1860 Denken beeinflusst wurde. Leo Tolstoi – Expressionistischer Holzschnitt von auf einer Europa-Reise Deutschland Marcel Slodki; aus: Die Aktion. Hrsg. von Franz und hätte, theoretisch, die Ulmer Die Bundesfestung Ulm als Pfemfert, Nr. 43/44, Jg. 1915, Titelseite. Bundesfestung in ihrer ganzen Pracht Marcel Slodki, 1892 (Lodz)–1943 (Auschwitz), Symbol und Ort der Gewaltbe- polnischer Maler, Grafiker und Illustrator, studierte erblicken können. Die Quellen spre- reitschaft vor dem Ersten Weltkrieg in München und lebte chen jedoch dagegen. Wo liegt also An dieser Stelle entsteht der Bezug nach 1918 in Berlin, wo er das Kabarett „Die der Zusammenhang? wilde Bühne“ leitete; später emigrierte er nach zur Bundesfestung Ulm als militäri- Frankreich, wo er verhaftet und 1943 nach schem Bollwerk gegen Frankreich. Die Auschwitz deportiert wurde. Tolstoi als Dichter und Pazifist Bundesfestung Ulm ist Mitte des 19. Als der Dichterphilosoph Tolstoi 1910 Jahrhunderts ein Signal der Gewalt- auf der Bahnstation Astapowo zurück- bereitschaft und der Akzeptanz von gezogen starb, hinterließ er nicht nur Krieg als Mittel der Politik. Festungen Über den Umgang mit Sym- ein weltbewegendes dichterisches sind Demonstrationen der Gewalt und bolen der Gewalt Werk, sondern auch eine Sozialethik, der Macht. Sie sollen nach „außen“ Hier stellt sich nun die Frage nach die ihn über die Grenzen Russlands Angst und Gefahr auslösen und nach dem Umgang mit diesen Symbolen zu einem Kämpfer und Propheten „innen“, also zur eigenen Bevölkerung der Gewalt in heutiger Zeit. Es ist für Frieden und Freiheit werden ließ. hin, Identität ermöglichen, Feindbilder eine schwierige Gratwanderung zwi- Nachdem er seine literarischen Haupt- verfestigen und Sicherheit suggerieren. schen Tradition, Aufarbeitung und werke Krieg und Frieden (1864-1869) Diese Funktionalität von Festungen ist demokratischer Kultur. Einerseits sind und Anna Karenina (1872-1877) voll- bis in die Gegenwart geblieben und diese monumentalen Werke archi- endet hatte, wandte er sich, im Zuge gleichsam eine gesamteuropäische tektonische Leistungen, vor denen einer Lebenskrise, vom dichterischen Tradition geworden. Die letzte „Welle“ wir heute staunend und bewundernd Schaffen ab und stellte sein Leben in monumentaler Festungen im Stil der stehen und die einer vergangenen den Dienst reformerischer und huma- Ulmer Bundesfestung zur Abwehr Epoche europäischer Geschichte nistischer Ziele. Er verfasste zahllose angenommener Gegner erfolgte in angehören. Sie sind nach wie vor aber politische, religiöse und sozialethische den 1930er Jahren in ganz Europa: auch nationale Symbole der Gewalt, Schriften und Pamphlete - nach wie Die Deutschen bauten ihren „West- die das Gefühl der Stärke erzeugen vor auch literarische Erzählungen, die wall“ am Rhein, die Franzosen ihre (können). Andererseits gibt uns das seine neue Ethik signalisierten - und „Maginot-Linie“ auf der gegenüber- Grundgesetz aber auch die Verpflich- sorgte für eine weltweite Verbrei- liegenden Seite, die Holländer das tung als Auftrag, kriegerische Symbole tung. Er wurde von der russischen Fort „Eben Emael“, die Tschechen der Gewalt abzulehnen bzw. diese zu Kirche exkommuniziert und galt Ende die „Benesch-Linie“ im Sudentenland, hinterfragen. des 19. Jahrhunderts als einer der die Griechen ihre „Metaxa-Linie“, die In diesem Sinne ist es einerseits legitim „gefährlichsten“ Gegner des russi- UdSSR baute eine „Stalin-Linie“, und und gut, ein monumentales Bauwerk schen Zarenregimes. Seine Stellung die Schweiz rüstete ebenfalls in den wie die Ulmer Bundesfestung nach und Bekanntheit als Dichter und 1930er Jahren ihre Festungslinien 150 Jahren „zu feiern“. Diese Bun- seine weltweite literarische Reputation auf, die heute noch zu sehen sind. desfestung gehört zu Ulm wie das schützten ihn jedoch vor unmittelbaren Diese Festungen und „Linien“, die Ulmer Münster oder der Schneider Repressalien. alle in Friedenszeiten erbaut wurden, von Ulm und ist eine prägende Die Intention, die er zunächst mit sind bewusste nationale Symbole Architektur, die Ulm vor 150 Jahren seinen Romanen, Novellen und der Kriegs- und Gewaltbereitschaft. bis heute verändert hat. Andererseits Erzählungen verfolgte, nämlich das In Ulm wurde diese Funktionalität und hätte dieses Jubiläum aber auch zum „menschliche Dilemma“ moderner Symbolkraft zuletzt im Zeitraum von Anlass genommen werden können, Zivilisation in ihrer individuellen und 1933-1935 gegen die eigene Bevöl- über Ulm hinaus zu schauen und gesellschaftlichen Auswirkung abzu- kerung „genutzt“, als im Fort Oberer das Thema „Krieg und Frieden“ - das bilden, verlagerte sich von der künst- Kuhberg ein Konzentrationslager eigentliche Kernthema der Bundesfes- lerischen Darstellung auf die Ebene eingerichtet wurde. Statt gegen die tung! - zu betrachten und eine Brücke des publizistisch-politischen Kampfes. „äußeren“ Feinde der Nation richtete zur Gegenwart zu schaffen. Hier hätte Seine Strategie des gewaltfreien sich die Bundesfestung nun gegen die sich Ulm als eine moderne Wissen- Widerstands, des Pazifismus und des „inneren“ Feinde. schaftsstadt profilieren können, die

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Mitt51_18 9 01.11.2009, 19:17 Uhr in europäischen Dimensionen denkt. kongress hätte halten sollen. Dieser Vaterlandsdienst, den Heldenmut, Entlang der Donau passiert dies ja Kongress wurde jedoch kurzfristig den Kriegsruhm, den Patriotismus zu bereits in vorbildlicher Weise. Ulm abgesagt. Die Gründe für die Absage sehen, und werden sehen, was da ist: hat seit 150 Jahren eine Bedeutung scheinen auch in der Zusage Tolstois die nackte frevelhafte Mordtat. als militärischer Standort - sei es mit zum Kongress gelegen zu haben. Diese nicht gehaltene Friedensrede seiner Festung, mit seiner deutschen In den folgenden Jahren fand diese von 1909 wurde von der adk-Stu- Garnison oder mit der US-Garnison in „Rede“, obgleich sie von Tolstoi nie dentin Svenja Dobberstein (jetzt im Neu-Ulm nach dem II. Weltkrieg. gehalten wurde, weltweit in verschie- Ensemble des Grips-Theaters Berlin) denen Übersetzungen eine große und in Regie von Manfred Jahnke am Tolstois Friedensrede 1909 und publizistische Verbreitung und gilt als Sonntag, 17. Mai 2009 – also 100 2009 eines seiner letzten politischen Mani- Jahre nach ihrer ersten geplanten Ver- Diese Überlegungen wurden vom feste. In Deutsch wurde sie erstmals öffentlichung - in der DZOK-Gedenk- DZOK zum Anlass genommen, eine 1909 in der von Gustav Landauer her- stätte im Rahmen des Festungsjubi- Veranstaltung zum Thema „Krieg und ausgegebenen Zeitschrift „Der Sozia- läums gelesen. Frieden“ durchzuführen und Tolstoi als list“ veröffentlicht. einen der wichtigsten europäischen Der Text wendet sich aus einem Fazit: Mit dem Münster hat Ulm heute Pazifisten vorzustellen. In den Mit- christlich-humanistischen Verständnis noch einen spirituellen Ort von Welt- telpunkt wurde dabei Tolstois „Rede heraus gegen Patriotismus, Milita- rang und mit der Bundesfestung einen gegen den Krieg“ gestellt, die er 1909, rismus und Gewalt als legale politische historischen Ort der Gewaltbereit- ein Jahr vor seinem Tod, verfasste. Der Mittel der Staaten. Tolstoi glaubte schaft von europäischer Dimension. Text geht auf einen Vortrag Tolstois an die Kraft des aufklärerischen Dieses Spannungsverhältnis sollte für zurück, den er 1909 in Stockholm auf Verstandes: „Sie (die Menschen, uns Bürgerinnen und Bürger Ulms dem XVIII. Internationalen Friedens- U. K.) werden aufhören, im Krieg den eine Verpflichtung sein.

Am 30. November soll in München einer der letzten großen NS-Kriegsverbre- cherprozesse in Deutschland beginnen. John Iwan Demjanjuk wird vor dem Landgericht München II angeklagt, Beihilfe zum Mord in mindestens 27.900 Fällen im Vernichtungslager Sobibor geleistet zu haben. Grund für uns, in einem Hinter- grundartikel dieses Thema aufzugreifen und mit einem lokalen Bezug zu vertiefen. Autor des Artikels ist der Journalist Peter Stöferle, der über Zwangsarbeit in Ulm/ Neu-Ulm während des Zweiten Weltkriegs recherchiert und sich mit der Person Demjanjuks auseinandergesetzt hat. John Demjanjuks Spuren in Ulm Der mutmaßliche NS-Verbrecher lebte nach 1945 in Flüchtlingslagern in der Sedan- und der Hindenburgkaserne

Eine Akteneinsicht in Bad Arolsen von Peter Stöferle

Es scheint nur wie eine Fußnote der Internationalen Flüchtlingsorganisation Iwan Demjanjuk. Passfoto auf dem DP-Ausweis Geschichte: Der mutmaßliche NS- (IRO) als Antwort auf die Frage zu vom 11.2.1948 (IST, Bad Arolsen: Foto: P. Stöferle) Kriegsverbrecher Iwan (John) Dem- Protokoll, ob er in dem Land bleiben janjuk hat sich 1945 und danach in wolle. Auch in seine ukrainische Deutschland aufgehalten – doch Heimat wollte der junge Mann nicht dies ist der Auslöser dafür, dass er zurück – „aus politischen und religi- hierzulande wegen der Beihilfe zum ösen Gründen“, wie er angab. Ende des Krieges. Er will mit seiner Mord an 29 000 Menschen im pol- Frau nach Argentinien oder Kanada nischen Vernichtungslager Sobibor In dem Antrag vom März 1948 auf emigrieren.“ vor Gericht gestellt werden kann. Anerkennung des Flüchtlingsstatus, Spuren hinterließ Demjanjuk auch in der im Archiv des Internationalen Dieser Lebenslauf lässt Fragen offen, Ulm - als unscheinbare „displaced Suchdienstes des Roten Kreuzes in die John Demjanjuk nun als 89-Jäh- person“ in den Flüchtlingslagern in der Bad Arolsen liegt, sind die Kriegs- riger vor dem Landgericht München Sedan- und der Hindenburgkaserne; jahre des jungen Mannes, seiner beantworten muss. Die Ludwigs- Demjanjuks Tochter Lydia ist 1950 im Darstellung folgend, auf kargen sieben burger Zentralstelle zur Aufklärung Krankenhaus Ulm-Söflingen geboren. handschriftlichen Zeilen festgehalten: nationalsozialistischer Verbrechen ist „Im Jahr 1937 floh er von Koziatyn „zu 100 Prozent“, so der Leitende Seine Absicht, mit Deutschland nichts (=Kiew)/USSR nach Polen. In Polen Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, mehr zu tun haben zu wollen, hatte lebte er bis 1943. Im Jahr 1943 depor- überzeugt, dass Demjanjuk an den John Demjanjuk denkbar knapp for- tiert nach Deutschland. Arbeitete die Morden in Sobibor beteiligt war. Dem- muliert: „no“, nahm der Offizier der ganze Zeit in Deutschland bis zum janjuk selbst bestreitet dies.

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Mitt51_18 10 01.11.2009, 19:17 Uhr Tatsächlich hat Demjanjuk in seinem der Ankunft vergast, bis zu 1300 * Über das „Resettlement Center“ Unterstützungsantrag an die IRO vom Menschen auf einmal. In historischen Ludwigsburg will Demjanjuk mit März 1948 unter „Aufenthaltsorte der Büchern gibt es grauenerregende Dar- Familie im Oktober 1950 auswan- letzten 12 Jahre“ selbst angegeben: stellungen des Gaskammer-Todes von dern, kehrt aber nach Ulm zurück, „1937/4-1943/1 Sobibor – Chelm Säuglingen und Kindern und darüber, nun in die Hindenburgkaserne. Im – Poland“. Als Beschäftigung nannte wie die in Sobibor zum Verscharren März 1951 darf er – wegen eines er „Fahrer“ für 40 Zloty im Monat, als der Opfer eingesetzten „Arbeitshäft- TBC-Verdachts – auch beim zweiten Arbeitgeber „Firma Auto“ – nicht etwa linge“ mit dem Abtragen der Leichen- Versuch nicht ausreisen. Über einen das „SS-Sonderkommando“ Sobibor. berge nicht hinterherkamen, Für Ober- Klinikaufenthalt in Bad Reichenhall Weitere Stationen, so gab Demjanjuk staatsanwalt Schrimm ist klar: „Wer kommt er erneut nach Feldafing. seinerzeit an, seien gewesen: von dort gearbeitet hat, war an Morden * Über Ludwigsburg gelangt Familie Januar 1943 an „Pilawu, Germany“ – beteiligt.“ Demjanjuk nach Bremerhaven und gemeint sein dürfte Pillau/Ostpreußen, reist am 29. Januar 1952 mit dem der Seehafen von Königsberg, heute: Die Unterlagen in Arolsen liefern ein Schiff „General Haan“ in die USA Baltijsk –, sowie ab Oktober 1944 „ziemlich komplettes Informationsge- aus. Iwan ändert dort seinen Vor- „Durchgangslager Munik“ (München). füge“ für Demjanjuks Nachkriegszeit, namen in John; er arbeitet zunächst erklärte Suchdienst-Direktor Reto auf einer Farm in Decatur/Indiana, Die Staatsanwälte in Ludwigsburg Meister bei einer Akteneinsicht. Etliche später bei Ford in Ohio. sind sich sicher, dass Demjanjuk in Spuren führen in die Region: Sobibor – an der Grenze zur Ukraine Doch über den Aufenthalt Demjanjuks gelegen – nicht als Fahrer bei einer * Demjanjuk stellte sich im Mai 1945 vor Mai 1945 und seine Tätigkeit findet Zivilfirma gearbeitet hat, sondern, im Lager für „Displaced Persons“ sich in den Archiven in Arolsen kein wie es sein Dienstausweis nahe legt, in Landshut vor, wurde dort Fahrer Dokument. Seine eigene Ortsangabe ab 27. März 1943 als einer von rund der UN-Flüchtlingsorganisation Sobibor im Flüchtlingsantrag war der 100 Trawniki; so hießen die SS-„Hilfs- UNRRA/IRO und im Juli 1947 für IRO damals offenbar nicht der Nach- willigen“ ukrainischer Herkunft nach die US-„Truck Company 1049“ in forschung wert. In den USA lebte ihrem Ausbildungsort. Im Herbst Regensburg. Dort heiratete er die er unter richtigem Namen bis in die 1943 soll er von Sobibor zum Dienst Ukrainerin Wera. 1970er-Jahre unbehelligt. im KZ Flossenbürg (Oberpfalz) ver- * Über Feldafing bei München, Bad setzt worden sein – sein Name steht Reichenhall und nochmals Regens- In Jerusalem wurde Demjanjuk 1986 dort in einer Materialausgabeliste. burg kam er laut Lager-Registrier- zum Tode verurteilt – als angeblicher Angaben zu Demjanjuks Aufenthalt in karte am 14. September 1949 nach Wachmann „Iwan der Schreckliche“, Flossenbürg finden sich in den Akten Ulm. Dort wurde am 7. April 1950 der in Treblinka für 890 000 Morde in Arolsen allerdings nicht, ebenso die Tochter Lydia geboren; Wohn- mitverantwortlich gewesen sei. Dieses wenig zu seinem angeblichen Dienst sitz war laut Geburtsurkunde „Ulm, Urteil wurde 1993 aufgehoben – nach von Anfang 1945 an in der Wlassow- Block G in der Sedankaserne“. allem, was man weiß, weil Demjanjuk Armee, einem Freiwilligenverband, der Unterlagen im Stadtarchiv Ulm gibt in diesem Fall verwechselt wurde. gegen die Russen kämpfte und dafür es dazu nicht. Doch schon damals tauchten vage auch auf den Truppenübungsplätzen * Die Familie zieht am 25. Mai 1950 Hinweise auf, Demjanjuk sei zwar nicht Münsingen und Heuberg übte. nach Ellwangen. Wegen der Auf- in Treblinka, dafür aber in Sobibor lösung der Ulmer Lager mussten gewesen. Die vor Gericht in Jerusalem In Sobibor wurden die fast aus- 1950 viele Ukrainer in die Neu- genannten Daten und Hinweise sind schließlich jüdischen Opfer – anders Ulmer DP-Lager; Demjanjuk war zum Teil identisch mit jenen in den als in Arbeitslagern – meist am Tag nicht unter ihnen. IRO-Akten in Arolsen.

Und schon im damaligen Prozess wurde aus den IRO-Unterlagen zitiert und rekonstruiert, wo sich Demjanjuk nach 1945 in Deutschland aufhielt, wie der US-Journalist Tom Teicholz damals in seiner (vergriffenen) Doku- mentation „Iwan the terrible - The trial of John Demjanjuk“ festhielt. Selbst die Aufenthalte in Ulm, Feldafing und Ellwangen wurden 1986 offenbar vor Gericht erwähnt. Nur hat es in Deutschland damals fast niemand zur Kenntnis genommen. Und so sollte es noch fast ein weiteres Vierteljahrhun- dert dauern, bis Demjanjuk im Mai 2009 ausgeliefert wurde.

Meldekarte der UN-Flüchtlingsorganisation (IST, Bad Arolsen; Foto: P. Stöferle)

DZOK-Mitteilungen Heft 51, 2009 11

Mitt51_18 11 01.11.2009, 19:17 Uhr Sinti und Roma: „das fremde Fremde“ in Europa Ein Thema fürs Doku-Zentrum: „Zug der Erinnerung“ und AK Sinti/ Roma

Von Silvester Lechner

Am 16. September schrieb Robert Misik in einem Kom- mentar der „Tageszeitung“ (taz): In einer Zeit, in der sich innerhalb Europas „Kebap, Sushi, Pizza, Weißwurst“ mischen, also zunächst Fremdes nun bekanntes und akzep- tiertes Fremdes geworden sei, seien die osteuropäischen Roma der Inbegriff „des fremden Fremden“. Und im Innenteil der Zeitung heißt es konkreter, die Sinti und Roma seien „die neuen Sündenböcke“; ihre direkte und indirekte Diskrimi- nierung ist in 17 europäischen Staaten nachzuweisen, mit schrecklichen Beispielen bis in die jüngste Gegenwart. Ihre Situation ist weitgehend von Armut, Arbeitslosigkeit und Ver- folgung geprägt. Die Zahl der Sinti und Roma in Europa ist nur zu schätzen, sie umfasst an die 14 Millionen, viele davon sind gar nicht als Staatsbürger registriert. In Deutschland leben nach Angaben des „Zentralrates der Sinti und Roma“ heute etwa 70 000 Sinti und Roma mit einem deutschen Pass, dazu kommen einige tausend nicht gemeldete, z. B. aus dem Kosovo. Als Ulmer „anständiger Bürger“, dem aus Osteuropa kom- mende Roma zumindest auffallen, fühlt man sich ertappt, wenn Misik schreibt: „Und so gibt es offenbar ungeschrie- bene kulturelle Gesetze, wie ‚man‘ bettelt: Einigermaßen gewaschen und gekämmt sollte man dabei schon sein. Auch eher sanft oder zumindest lustig.“ Der Umgang mit dem „Fremden“ in Deutschland ist historisch unauslöschlich gezeichnet durch den Nationalsozialismus und sein Konstrukt von der homogenen „Volksgemeinschaft des Blutes“ und deren „Feinden“, denen prinzipiell das Von Joachim Straub (ehrenamtlicher DZOK-Mitarbeiter) erarbeitete Ergän- Daseinsrecht abgesprochen wurde. zungstafel zum Thema Sinti und Roma in Ulm. Deshalb gehört für das Doku-Zentrum heute die Beschäfti- (A-DZOK, 4/09; Foto: T. Edling) gung mit jeder Form des Rassismus und also auch der Anti- ziganismus, die „Zigeuner-Feindschaft“, zum Kernbestand der Aufgaben. Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes der Sinti und Roma in Baden Württemberg, skizzierte eingangs sehr Von zwei Initiativen ist zu berichten: fundiert die gegenwärtige gesellschaftliche Situation dieser Als vom 20. bis zum 22. April des Jahres der „Zug der Minderheit, Oberbürgermeister Ivo Gönner, Prälatin Gabriele Erinnerung“, in dem das Schicksal der in der NS-Zeit Wulz und der ehemalige DZOK-Leiter Silvester Lechner deportierten Kinder thematisiert wurde, am Ulmer Bahnhof (u. a.) steuerten Grußworte bei. halt machte, hatte das Doku-Zentrum die Organisation des Von größtem Interesse für die DZOK-Arbeit war, neben dem Aufenthalts, der Finanzierung sowie zahlreicher Begleitver- engagiert-deprimierenden Vortrag von Professor Wilhelm anstaltungen übernommen. Täglich waren 1 000 Besucher Solms aus Marburg über „Kirchen und Antiziganismus“, da, dreißig Ehrenamtliche engagierten sich, über 5 000 Euro die Präsentation des pädagogischen Mitarbeiters beim an Spenden wurden gesammelt. Dem ehrenamtlichen Mit- Landesverband der Sinti und Roma, Egon Schweiger (mail: arbeiter Joachim Straub ist dabei der wichtigste Beitrag zu [email protected]). Präsentiert wurde verdanken. Mit Unterstützung zweier Praktikantinnen gelang ein Projekt für die Arbeit mit Jugendlichen. Der Titel: „Augen- es ihm, in wenigen Wochen ein halbes Dutzend zusätzlicher blicke des Einhaltens (…) Argumentationshilfen gegen Anti- Ausstellungstafeln zu erarbeiten; sie dokumentieren die ziganismus und Antisemitismus. Ein Projekt für Schulen“. Schicksale von Kindern, die aus Ulm deportiert worden Angeboten werden darin auf der Basis von vorhandenen waren. Darunter war auch eine Tafel mit aus Ulm depor- „Modulen“: tierten Sintis. Alle Tafeln sind im Archiv des DZOK aufbe- - Besuche im Unterricht, „maßgeschneidert“ für die jewei- wahrt und dort einsehbar. ligen Klassen Am 1. Juli feierte im Ulmer „Haus der Begegnung“ der „AK - Fortbildungen für Lehrer/-innen und fachliche Beratung Sinti/ Roma und Kirchen in Baden-Württemberg“ „10 Jahre - Projekttage für Jugendliche und Erwachsene Einsatz für Anerkennung und Menschenrechte sowie gegen Termine sind zu vereinbaren bei der „Beratungsstelle Diskriminierung und Antiziganismus“. Der veranstaltende Bildung/Antiziganismus im Verband Deutscher Sinti und Arbeitskreis wird in der Region Ulm durch den Wiblinger Roma Baden-Württemberg“. Die genaue Adresse: evangelischen Pfarrer Dr. Andreas Hoffmann-Richter KulturHaus RomnoKher koordiniert. Kontakt per mail: [email protected]. Baden- 68158 Mannheim Württemberg-Büro: [email protected] www.sinti-roma-bawue.de

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Mitt51_18 12 01.11.2009, 19:17 Uhr 70 Jahre Kriegsbeginn: Ein deutsch-polnisches Zeitzeugengespräch des DZOK am 1. September 2009

von Nicola Wenge

Es scheint angekommen zu sein im kollektiven Gedächtnis der Deutschen: Sowohl bei den offiziellen Gedenk- feiern am 1. September als auch in den Medien wurde der Überfall der Wehr- macht auf Polen vor 70 Jahren als ein brutaler Angriffskrieg dargestellt. Als ein Krieg, dessen rassistische Vernich- tungslogik sich gegen die polnische Zivilbevölkerung richtete, um diese als „Untermenschen“ zu versklaven und ihre Führungsschicht zu vernichten. Dieses Diktum hat aber wohl nur dann Bestand, wenn man den Fokus auf die Gedenkreden und auf die seriöse Berichterstattung richtet. Tatsächlich nimmt das Wissen um die deutschen Verbrechen in Polen eher ab als zu, und dies gerade in der Generation der heutigen Schüler und Studenten: Der Historiker Hans-Ulrich Wehler dazu: „ ...wenn wir sagen, dass im Zweiten er im November 1941 mit seinen Nachdenkliche Töne bestimmten das Gespräch. Eltern und einer weiteren Schwester v.l. Roman Sobkowiak, Nicola Wenge und Rein- Weltkrieg jeder fünfte Pole sein Leben hold Settele. (A-DZOK, 9/09; Foto: S. Vogt) verlor und dass schon am Anfang des verhaftet, rassistisch überprüft und Krieges 800 000 Polen aus den von mit ihnen nach Schelklingen in ein SS- Deutschen besetzten Gebieten ver- Umsiedlungslager verschleppt wurde. trieben wurden, dann treffen wir auf Unwisssen und Verwunderung.“ Wie der deutsche Sieg über Polen Publikum von den Fanfarenklängen im deutschen Reich – und auch in der Radio-Sondermeldungen und Diese Reaktionen erlebte auch Roman Ulm – gefeiert wurde, daran erinnert wie Schüler die militärischen Siege Sobkowiak, als er auf Einladung des sich Reinhold Settele, der zweite auf einer Landkarte mit Stecknadeln DZOK und des DGB Ulm bei einem Gesprächspartner des Abends, noch nachzeichneten. Dass es trotz der Gespräch mit Nicola Wenge im Haus gut: Der aus einer sozialdemokra- NS-Propagandamaschinerie und trotz der Gewerkschaften seine Lebens- tischen Familie stammende Ulmer aller Drohungen möglich war, sich geschichte vorstellte. Sobkowiak, berichtete dem ca. 50-köpfigen mit oppositionellen Aktionen gegen 1923 geboren und im deutsch-pol- Krieg und NS-Regime zu wenden, nischen Grenzbereich der Provinz beschrieb Settele ebenfalls eindring- Poznan/Posen aufgewachsen, war Auszeichnung für die lich. Ab 1941 malte er mit zwei gleich als 16-jähriger Gymnasiast mit dem Lebensgeschichte von gesinnten Freunden Antikriegsparolen Fahrrad vor dem Vormarsch der Roman Sobkowiak an Hauswände und leistete kleinere deutschen geflohen. Auf Die Biografie von Roman - Sob Sabotageakte. Seiner späten Einbe- seiner vierwöchigen Irrfahrt durch kowiak wurde 2008 unter dem rufung zur Wehrmacht vom 15.4.1945 das Land wurde er Zeuge deutscher Titel „Eindeutungsfähig?!“ von entzog er sich durch Desertion. Bombardements auf polnische Flücht- Silvester Lechner für das DZOK lingstrecks. Seine Schwester wurde herausgegeben. Bei der Verlei- Settele war es auch, der im Gespräch als Ehefrau eines Lehrers - und damit hung des 28. Landespreises für mit dem Publikum immer wieder die nach der NS-Ideologie Angehörige der Heimatforschung 2009 hat die aktuelle Notwendigkeit pazifistischen auszurottenden polnischen Intelligenz Jury das Buch wegen „hervorra- Engagements anmahnte, den Afgha- - vom Warthegau in das Generalgou- gender Leistungen für die Heimat- nistan-Krieg kritisierte und damit die vernement verschleppt und starb mit forschung Baden-Würrtemberg“ politische Verbindung zwischen Ver- 23 Jahren. Sein Bruder, wegen einer mit einem Anerkennungspreis gangenheit und Gegenwart herstellte. angeblich deutschfeindlichen Äuße- ausgezeichnet. Die Feierstunde Ein sichtlich berührtes Publikum rung denunziert und zum Tode verur- findet am 19. November 2009 in dankte beiden Zeitzeugen mit langem teilt, entkam der Vollstreckung dieses Reutlingen statt. Applaus für ihre Bereitschaft, vor dem Urteils nur durch einen Zufall. Nach- eigenen persönlichen Hintergrund an drücklich schilderte Sobkowiak die Die Publikation ist für 19,80 € die vergangenen Kriegsverbrechen zu demütigenden Drangsalierungen, die in der Bibliothek des DZOK zu erinnern und damit auch ihre Lehren Razzien und die ständige Angst vor erwerben. aus der NS-Zeit anschaulich zu ver- Vertreibung und Deportation, bevor mitteln.

DZOK-Mitteilungen Heft 51, 2009 13

Mitt51_18 13 01.11.2009, 19:17 Uhr Der Warschauer Aufstand, Kazimiera Kolinska und eine Ulmer Recherche

von Ilona Walosczyk und Nicola Wenge

Am 1. August 1944 begann der War- 11.14 Uhr am 10. September 247 schauer Aufstand gegen die deutsche Maschinen von Süden her über Ulm Besatzung. Die nationalpolnische Hei- einschwenkten, herrschte allerdings matarmee versuchte - angesichts des eine geschlossene Wolkendecke. Vormarsches der Roten Armee bis vor Trotzdem wurden die Depots des die Tore der Stadt - sich aus eigener Heereszeugamtes und die Reinhard- Kraft zu befreien. Unterstützt wurde die kaserne in Neu-Ulm getroffen, aber Heimatarmee von weiteren polnischen auch Schäden in Wohngebieten Neu- Untergrundgruppen. Obwohl die etwa Ulms angerichtet. Mit Sprengbomben 25.000 Aufständischen nur unzurei- beharkt wurde zugleich wieder der chend bewaffnet waren, konnten sie Ulmer Güterbahnhof.“ (Hans Eugen in den ersten Tagen bedeutende Teile Specker (Hrsg.), Ulm im zweiten Welt- der Stadt einnehmen, bevor deutsche krieg, 1995). 49 Menschen starben SS- und Polizeieinheiten allmählich die in Folge des Angriffs, darunter auch Ulmer Hauptfriedhof, Abteilung 80. Das Grab von Oberhand gewannen. Der Aufstand Kazimiera Kolinska im Alter von drei- Frau Kolinska – im Bild hinten mittig – wurde mit endete am 2. Oktober 1944 mit der undvierzig Jahren. Jene britischen einem Blumenstrauß markiert. (A-DZOK, 9/09; Foto: Walosczyk) Kapitulation der Aufständischen. Ca. Verbündeten, die den Warschauer 16.000 polnische Soldaten und ca. Aufstand militärisch unterstützten 150.000 Zivilisten hatten ihr Leben und ihr die Freiheit bringen sollten, verloren. Die Stadt wurde auf Befehl brachten ihr – in Ulm – den Tod. Ihre 8.1.1901 in Polonia Myschow, gest. Himmlers systematisch dem Erd- Tochter und ihre Schwester über- 10.09.1944 während eines Luft- boden gleich gemacht. Die Altstadt, lebten und kehrten nach dem Krieg angriffs, entdeckte. Da „u“ und „o“ die Museen, die Bibliotheken, die nach Polen zurück. Warschau war handschriftlich geschrieben leicht zu Archive, die Kirchen wurden zerstört zerstört, sie ließen sich in Piekary Sl. in verwechseln sind und der Vorname und das Kulturgut verbrannt. Die über- Oberschlesien nieder. wie auch das Geburtsdatum und der lebenden Soldaten kamen in Gefange- Die Tochter heiratete und bekam Geburtsort übereinstimmen, sind wir nenlager, die Zivilisten mussten War- Kinder; ihr ganzes Leben war aber von zu der Überzeugung gekommen, dass schau verlassen. Sie wurden zunächst der Ungewissheit, wann ihre Mutter es sich bei der Person um die von uns in das Durchgangslager Pruszkow starb und wo sie begraben wurde, gesuchte Kazimiera Kolinska handelt. geschickt und dann zur Zwangsarbeit geprägt. Nun bat ihr Sohn uns um Die genaue Lage ihres Grabes: Ulmer nach Deutschland deportiert. Hilfe bei der Suche nach dem Grab Hauptfriedhof Abt. 80, Grabstelle 4, Und hier beginnt die Verflechtung der seiner Großmutter und der genauen als Todesursache ist ein Luftangriff Vergangenheit mit der Gegenwart. Feststellung ihres Todestages. Er ausgewiesen. Wir bekamen Post aus Polen, mit wollte, dass seine Mutter endlich Ruhe der Bitte, ein Grab zu finden. Kazi- fände. Ein erster Ulmbesuch vor vielen Leider sind in Abteilung 80 lediglich miera Kolinska war – nach Auskunft Jahren hatte keine Resultate erbracht, die russischen Gräber überhaupt als ihrer Familienangehörigen – während deshalb wollte er es jetzt noch einmal solche erkennbar, da nur sie über des Warschauer Aufstandes mit der versuchen. Dieses Mal war das Doku- Grabtafeln verfügen und damit als ein- ganzen Familie aus Warschau nach Zentrum seine Anlaufstelle. Unser zige kenntlich gemacht sind, weshalb Deutschland, nach Ulm, deportiert, Archiv verfügt über zahlreiche Informa- es uns zunächst nicht möglich war, worden. Nach fast 70 Jahren ist es tionen und viele Materialien bezüglich die Ruhestätte von Frau Kolinska zu schwer festzustellen, wann genau der polnischen Zwangsarbeiter in Ulm finden. Weitere Nachforschungen im sie nach Ulm verschleppt wurde und und in der Umgebung. Leider konnten Friedhofsamt förderten jedoch eine was sie hier gemacht hat. Wir wissen wir in unseren Dokumenten aber keine Aufstellung der Namen der gestor- jedoch sicher, dass sie mit ihrer kleinen Angaben über Frau Kolinska finden; benen Polen zutage, welche auch den Tochter Janina und mit ihrer Schwester aus den Erinnerungen mancher ehe- Namen Kulinska sowie einen Bele- Janina Borowka bereits im September maliger polnischer Zwangsarbeiter gungsplan für die Abt. 80 enthielt; mit 1944 in Ulm war. Denkbar ist daher, wussten wir zwar, dass einige War- seiner Hilfe erst konnten wir die Grab- dass sie zu den rund 35.000 Zivilisten schauer nach dem Aufstand in die stelle 4, also den Platz wo Fr. Kolinska gehörte, die nach der deutschen Ero- Wilhelmsburg deportiert wurden; der begraben wurde, identifizieren. Am berung der Warschauer Altstadt am Name Kolinska tauchte in diesem 10. September, am Todestag seiner 22. August zur Zwangsarbeit in das Zusammenhang aber nicht auf. Großmuter, konnten wir dem Enkel Deutsche Reich gebracht wurden. Wichtige Unterstützung bei unseren mitteilen, dass wir das Grab gefunden In Warschau hatte Kazimiera Kolinska Recherchen fanden wir durch einen haben. 64 Jahre nach Kriegsende eine Tragödie erlebt und gesehen, Mitarbeiter des Friedhofamts der bestehen immer noch offene Fragen. wie die Menschen um sie herum auf Stadt Ulm, der in seinen Büchern Wenigstens eine davon konnte nun grausame Weise getötet wurden. den Namen Kasimire Kulinska, geb. beantwortet werden. Und sie hatte überlebt, war nach Ulm gekommen, nur um hier wenige Tage nach ihrer Ankunft Opfer eines Bombenangriffs zu werden: „Als um

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Mitt51_18 14 01.11.2009, 19:17 Uhr Ort der Gewalt, Ort des Leids, Ort des Widerstands Erkundung der KZ-Gedenkstätte „Oberer Kuhberg Ulm“ mit einer 12. Klasse

von Christiane Bertram, Lehrerin am Friedrich List-Gymnasium Reutlingen

Geschichte vor Ort zu erkunden ist Gruppe I: Bilder vom KZ – Produktion Wer Interesse an weiteren Informa- als Mittel der Annäherung an histo- eigener Bilder tionen oder an den verwendeten rische Ereignisse und Phänomene Gruppe II: Szenisches Spiel zum Arbeitsblättern und Materialien hat, seit langem in der Geschichts- „Heuberg-Lied“ und zur Hitler- kann sich gerne an mich wenden: Fachdidaktik bekannt und wird auf Rede [email protected]. Exkursionen von vielen Lehrern und Gruppe III: Biografien von Häftlingen – Lehrerinnen umgesetzt. Damit bei den Kurt Schumacher und Alfred Schülerinnen und Schülern über das Haag Event- und Gemeinschaftserlebnis Gruppe IV: Szenische Lesung: Frauen hinaus etwas „hängen bleibt“, sollten im Widerstand – Lina Haag die Schüler/-innen den Ort selbständig kämpft um ihren Mann erkunden können. Aufgabe der Lehr- Gruppe V: Kurt Schumacher und kraft ist es, mit motivierenden und Maria Fiechtl: „Liebste Miga“ – aktivierenden Arbeitsaufträgen diese Kreative Schreibaufträge und ein Erkundung anzuleiten. szenisches Spiel Gruppe VI: Lebensweg des Komman- Die KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg danten Karl Buck – „Wir werden bietet hierfür die besten Vorausset- hinter Hitler stehn und sollt‘ es zungen. Die vielfältigen Erfahrungen durch die Hölle gehen“ in der Schülerarbeit finden sich in der pädagogisch-didaktischen Handrei- Nach Führung und arbeitsteiliger chung, die 2004 vom Oberschulamt Erkundung der Themeninseln begann Tübingen und dem Ulmer Doku-Zen- die Arbeit in den Kleingruppen, für die trum herausgegeben wurde, wieder. ich auch den Abend mit einbezogen Hier werden eine Vielzahl von Informa- hatte. Am zweiten Tag wurde diese tionen, Materialien und ausformulierten fortgesetzt und mit einer zweistün- Arbeitsaufträgen zusammengestellt, digen Präsentation abgeschlossen. die einen umfassenden Zugang zur Die Erkundung der KZ-Gedenkstätte Gedenkstätte ermöglichen. Darüber war in dieser Form, die von den Betei- hinaus unterstützt Frau Annette Lein, ligten auch ein emotionales Engage- die pädagogische Mitarbeiterin, tat- ment einforderte, nicht einfach. Wenn kräftig und einfallsreich bei der Vor- der NS-Unterdrückungsapparat nicht bereitung und der Durchführung der nur im Unterricht vorgestellt oder bei Exkursion. einer Führung vor Ort gezeigt wird, Im Juli 2009 war ich mit meinem sondern sich in den persönlichen 12er-Deutschkurs des Friedrich-List- Geschichten zu den Opfern und Tätern Gymnasiums in Reutlingen anderthalb konkretisiert und darüber hinaus nach- Tage in der KZ-Gedenkstätte Oberer empfunden und nachgespielt wird, wie Kuhberg in Ulm. Der Grundstein für es bei unserer Exkursion der Fall war, diese Exkursion wurde bei der Lehrer- dann geht das allen unter die Haut. fortbildung „Politische Verfolgung und Die einen lassen sich auf die Gefühle Widerstand im Nationalsozialismus“, und Affekte ein, die anderen wehren die vom 2.-3. April 2009 in der KZ- diese ab. Gedenkstätte stattfand, gelegt. Trotzdem - der Ort und die Ereig- Bei der Vorbereitung der Exkursion nisse, die hier stattfanden, werden entwarf ich auf der Grundlage der erst dann lebendig, wenn sie sich o. g. Handreichung wie auch der mit Geschichten von Menschen ver- Materialien, die bei der Lehrerfortbil- binden. Wichtig ist es meiner Ansicht dung erarbeitet worden waren, eigene nach, den Schüler/innen affektive und Arbeitsaufträge, die ich mit Frau Lein analytische Zugangsweisen zur Wahl im Vorfeld durchsprach. Der Schwer- zu stellen, um niemanden zu über- punkt lag auf der Arbeit in sechs fordern oder zu überwältigen. Wenn Kleingruppen, die den Ort aus der dies, – wie in Ulm – geschieht, dann Perspektive der Opfer und der Täter kann die Erkundung einer KZ-Gedenk- wie auch in kreativen (Gruppen I, II, IV, stätte zu einem nachhaltig prägenden V) und analytischen Zugangsweisen Erlebnis der Beteiligten werden. (Gruppen III und VI) erschlossen. Fol- gende Themen bzw. Arbeitsaufträge standen zur Auswahl: Arbeitsimpressionen (alle 9 Fotos: Ch. Bertram)

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Mitt51_18 15 01.11.2009, 19:17 Uhr Projekttag für Studierende der PH Heidelberg in der KZ-Gedenkstätte: Eine Selbsterkundung

Zum wiederholten Mal fand am 28. Mai 2009 in der Gedenkstätte ein Pro- jekttag für Studierende der Pädagogischen Hochschule Heidelberg statt. Grundsätzliche Zielsetzungen des Hochschulseminars unter Leitung von Frau Dr. Hettinger waren die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Gedenkstätten heute für Geschichtskultur und Geschichtspolitik. Am authen- tischen Lernort standen die Vorstellung und das Ausprobieren von Methoden in arbeitsteiliger Gruppenarbeit im Mittelpunkt. Eine Arbeitsgruppe hatte den Schwerpunkt: „Affektive Arbeitsformen“. Wir stellen aus der Hausarbeit einer Teilnehmerin einen Auszug vor, der diese Arbeitsformen unserer Gedenkstät- tenpädagogik gut reflektiert.

4.1.3 Selbsterfahrung mit wir absolut gar kein Talent zum affektiven Arbeitsformen Zeichnen haben, war das Ergebnis in Ordnung und jeder hatte Freude Ich war erstaunt über die vielen Ange- am Zeichnen. Auch das war eine bote, die uns vorgestellt wurden, sehr positive Erfahrung. Ich weiß wollte aber selbst nichts so wirklich jetzt, dass mit Kohlekreide wohl ausprobieren. Es schien einigen so tatsächlich jeder irgendwie ein bis- zu gehen und wir entschieden uns, schen malen kann. zunächst einmal gemeinsam ein Elf- Nach diesen gemeinsamen chen zu schreiben. Frau Lein hatte Schritten hatte sich bei mir ein zuvor erwähnt, dass es wichtig sei, Gefühl der Sicherheit eingestellt, Verweigerung der Schüler zuzulassen. dass es mir nun viel leichter machte Im Nachhinein ist mir klar geworden, alleine loszuziehen, um in der Stille dass ich selbst mich der Sache Eindrücke zu gewinnen. Am meisten zunächst verweigert habe. Ich wollte bewegt und interessiert hat mich den Rahmen der Sicherheit, den mir der Gedanke daran, warum Men- die Leute, die mit mir um den Tisch schen Träume haben und wovon ein saßen, gaben, nicht verlassen. Wir Häftling träumen könnte, wonach haben uns ähnlich verhalten, wie sich sich Menschen sehnen und was viele Schüler wohl auch zunächst es ist, das einem Häftling in einer verhalten würden. Wir wollten lieber solchen Situation die Kraft für den im beheizten Raum sitzen bleiben, nächsten Tag gibt. Die Kälte und die als uns alleine auf die Erfahrung ein- schlechten Lichtverhältnisse stelle zulassen und in der kalten Umgebung ich mir persönlich am schlimmsten umherzuwandern um Eindrücke zu vor. Licht dringt nur durch Schieß- sammeln. Verweigerung als Selbst- scharten in das Gebäude. Der ehe- schutz. Wenn Schüler eine solche malige Häftling Alois Geray sagte um Haltung einnehmen, setzt das den 1960: „Luft und Licht kamen durch Lehrer immer unter Druck und bringt die schmalen Schießscharten in dem ihn in eine schwierige Situation, aus dicken Festungsgemäuer, so dass der ein Ausweg nicht immer leicht auch am hellen Tag nur dämmriges zu finden ist. Dieses Bedürfnis nach Dunkel in den Aufenthaltsräumen Verweigerung selbst zu erfahren, war herrschte.“ (Zitat in Stein graviert am daher sehr bereichernd für mich und Boden der Kasematten). Ich begab ich hoffe, es wird mir dadurch leichter mich also mit meinem Fotoapparat fallen, meinen Schülern in einer ähnli- auf die Suche nach Lichtquellen und chen Situation die Zeit zu geben, die versuchte mich in einen Gefangenen sie brauchen, um sich selbst gewahr hineinzuversetzen, der Licht nur aus zu werden. Nach unserem Wort für dieser Perspektive sehen konnte. Wort gemeinsam verfassten Elfchen Immer durch einen Schacht, ver- begannen wir zu viert an einer Koh- winkelt hinter Türen und Mauern lezeichnung zu malen. Jeder hatte und nie direkt. Die Kraft dieser Men- ein Stück Kohlekreide in der Hand schen muss aus Erinnerung an die und einer nach dem anderen fügte Vergangenheit oder Hoffnung auf der Zeichnung ein Detail hinzu und die Zukunft kommen. Dabei helfen kommentierte kurz, was er sich Träume und Wünsche und kleine dabei gedacht hatte. Obwohl wir Lichtstrahlen, die man zu sehen alle zu Beginn verlauten ließen, dass bekommt.

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Mitt51_18 16 01.11.2009, 19:17 Uhr der Vermittlung von Geschichte zu Die „dzokkis“ im Umbruch suchen. In Form unseres Theater- stücks „schtzngrmmm“ hier selbst ein Ein Kernstück im Selbstverständnis des DZOK ist die Beteiligung Jugendlicher an wenig Aufklärung zu leisten, genoss den unterschiedlichsten Aspekten der Arbeit. Dazu gehören neben der Betreuung ich sehr. der Gedenkstätte an den Wochenenden und dem Angebot von Jugendführungen Elementar wichtig wäre es, im Schul- auch die Mitwirkung bei Veranstaltungen des DZOK mit eigenen Beiträgen. Im lehrplan verstärkt auf Deutschlands vergangenen Jahr waren die dzokkis mit mehreren Aufführungen der szenischen Nachbarländer und deren Bewohne- Collage „schtzngrmmm“ sehr erfolgreich. Nach dem Abitur haben nun vier Ulm rInnen einzugehen, die unter der tota- verlassen – für die jüngeren gilt es jetzt, neue Ziele zu definieren. Was machen litären Herrschaft litten. Wünschens- aber eigentlich die vier, die zum Teil über mehrere Jahre die Aktionen der Gruppe wert wäre außerdem, dass sich in geprägt haben? Man kann wohl sagen: sie tragen ein Stück weit das DZOK und Schulen mehr Raum für Diskussionen seine Ideen in die Welt. und eigene Reflexionen ergäben – mit Lisa Dorn geht für ein Jahr in den Libanon und wird dort an der Schneller Schule Generationen verbindenden Treffen. in Khirbet Qanafer Jugendsozialarbeit im Rahmen eines ökumenischen Freiwilli- Meine Erfahrung ist, dass Dokumen- genprogramms leisten. Patricia Konrad arbeitet für ein Jahr (Freiwilliges kulturelles tarfilme, die mit aneinandergereihten Jahr) im Kinder- und Jugendmuseum München. Lara Eisele lebt und arbeitet seit Bildern von Massengräbern gefüttert Ende August in Berlin – sie erhielt die Chance, im Jüdischen Museum Berlin ihr und mit wenig Inhalt kommentiert Freiwilliges Jahr zu absolvieren. Charlotte Grief engagiert sich inzwischen in Minsk werden, mehr abstumpfen als auf- im Rahmen eines ASF-Jahres. Ihren Blick zurück stellen wir den Lesern hier vor. klären. Die Fahrten mit den dzokkis nach Gedenkstättenarbeit heute: Perspektiven und Gedanken einer Kreisau und Groß-Rosen, besonders scheidenden „dzokkistin“ auch die „Euthanasie“-Gedenkstätten- fahrt nach Grafeneck bewegten mich von Charlotte Grief Empathievermögen empfinde ich in dagegen sehr. Als ich Ende Juli an der Erinnerungsarbeit als äußerst not- einer von ASF organisierten Gedenk- Es ist August, zwei Jahre als aktive wendig. Für mich steht eine Didaktik stättenfahrt nach Majdanek und „dzokkistin“ gehen zu Ende. Unmit- des Erinnerns mit humanitärer Orien- Belzec teilnahm, registrierte ich wieder telbar nach dem Abitur am Hans- und tierung im Vordergrund, die würdevoll von Neuem, wie wichtig die Gedenk- Sophie - Scholl Gymnasium werde ich Vergangenheit aufarbeitet, dabei aber stättenarbeit und deren Erhaltung ab September mit der Organisation die angebrachte Distanz bewahrt. ist. An diesen authentischen Orten „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste Das Beschäftigen mit der Vergan- trifft Vergangenheit auf Gegenwart. (ASF)“ für ein Jahr nach Belarus, Minsk, genheit schärfte aber auch meinen Geschichte wird greifbar – fühlbar. gehen. Hauptsächlich werde ich dort Gegenwartsblick. So hat die Teilnahme Aber nicht nur die Fahrten, sondern als „Freiwillige“ in einem Heim für kör- bei der dzokki-Gruppe – gerade auch auch die „normalen“ Treffen in der perlich und geistig behinderte Kinder in der Auseinandersetzung mit der Büchsengasse waren für mich ziem- und junge Erwachsene arbeiten. In geplanten JN-Demonstration am 1. lich wichtig. Bot sich doch hierbei Kombinationsprojekten bekomme ich Mai – meine Wahrnehmung gegen- immer wieder die Gelegenheit, sich jedoch die Möglichkeit, Erfahrungen wärtiger gesellschaftlicher Strukturen mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten im „Verbund für ehemalige Zwangs- kritischer werden lassen. Der neue, auszutauschen. Dass unsere Gruppe arbeiterInnen“, in einer Geschichts- staatlich geförderte Patriotismus aus äußerst einzigartigen Individuen werkstatt im ehemaligen jüdischen („Du bist Deutschland“), das „Flagge- bestand, erhöhte den Reiz dabei. Getto und im jüdischen Sozial- und zeigen“, NPD-Plakate und die offen- Kulturzentrum zu sammeln. sichtlich höhere Bereitschaft Rechts- Zum Abschluss hoffe ich, dass der Dass ich mich dazu entschieden radikaler zu Gewaltanwendungen durch die jahrelange Arbeit von Sil- habe, hat ganz wesentlich mit gegen Migranten fordern meiner Mei- vester Lechner gewonnene Stellen- meiner Prägung durch das DZOK nung nach, noch aktiver Aufklärungs- wert des DZOK nicht eingebüßt wird, zu tun und mit meinen Erfahrungen und Aufarbeitungsarbeit zu betreiben sondern vielmehr noch weiter gestaltet in der Jugendgruppe, die ich im Fol- und vielleicht nach neuen Ansätzen und entwickelt werden kann. genden vorstellen will. Ganz allgemein Nicola Wenge, Annette Lein, Ilona gesprochen eröffneten mir Annette Walosczyk, Tobias und der energiege- Eröffnung der „Woche der Demokratie“ in Ulm am Lein und Dr. Silvester Lechner einen ladenen dzokki-Gruppe wünsche ich 27.4.2009 mit der Theateraufführung der dzokkis. dafür nur das Beste! neuen Zugang und Umgang mit der Charlotte Grief 3. v. l. geschichtlichen Vergangenheit. Durch (A-DZOK, 4/09; Foto: P. Reinholz) das historische und pädagogische Zusammenspiel ergaben sich für mich wichtige Reflexionsmomente. Bei- spielsweise während eines Seminars der Landeszentrale für politische Bil- dung über „Politische Verfolgung und Widerstand“. Durch Standbilder war es für TeilnehmerInnen möglich sich in Täter- bzw. Opferfiguren zu begeben. Die physische Gebundenheit in jeweilige Positionen führte zur psy- chischen, emotionalen Annäherung.

DZOK-Mitteilungen Heft 51, 2009 17

Mitt51_18 17 01.11.2009, 19:17 Uhr Tobias, der neue ASF-Freiwillige zusätzlich aber auch die unterschiedlichen Deutsch- landbilder, die Herkunfts- Im September hat Tobias Edling aus dem fernen Potsdam länder der TeilnehmerInnen als neuer „Freiwilliger“ der „Aktion Sühnzeichen Friedens- und die Erinnerungspolitik dienste“ (ASF) seine Arbeit am DZOK aufgenommen. Im in Deutschland ein Thema. Rahmen des Freiwilligendienstes 2009/2010 arbeiten ca. 20 Am 10. September trat junge Leute aus 13 Ländern in Deutschland. Sie engagieren ich, wieder vollgepackt, die sich in Gedenkstätten und Museen, sozialen Einrichtungen Reise nach Ulm an, wo ich und Menschenrechtsorganisationen. Das Ulmer Dokumen- um 20:06 von einem kleinen tationszentrum ist – gemeinsam mit dem Verein Gedenk- Empfangskomitee begrüßt stätte Augustaschacht – als kleinere KZ Gedenkstätte in wurde. diesem Programm aufgenommen. Mehr Informationen zu Inzwischen habe ich schon ASF gibt es unter www.asf-ev.de (Freiwilligendienste). meine ersten Arbeitswo- chen hinter mir. Ich habe die Die Geschichte, wie ich ich auch das DZOK als eine Foto: ASF verschiedenen Aufgabenbe- zum DZOK kam, beginnt mögliche Stelle an, in der reiche kennen gelernt und an einem verschneiten ich mein Freiwilligenjahr ver- mich im Büro gut eingelebt. Wochenende in einem bringen wollte. Mich sprach Zu Beginn meines Freiwil- Ein Highlight, neben dem kleinen brandenburgischen die Kombination aus Büroar- ligendienstes am 1. Sep- Treffen mit den dzokkis, Dorf Mitte Februar 2009. Zu beit, der Arbeit mit Gruppen tember befand ich mich die mich auch gleich zum diesem besagten Örtchen in einem ehemaligen frühen wieder in einem Branden- Spätzle kochen einluden, reiste ich, im Januar gerade KZ und die Mithilfe bei der burgischen Dorf: Wünds- war das sehr bewegende 19 geworden, aus Potsdam Betreuung der dzokkis an. dorf-Waldstadt. Während Zeitzeugengespräch mit an. Für die Zeit nach Im Vorfeld des Freiwilligen- dieses Seminars, welchem Roman Sobkowiak. meinem Abitur wollte ich jahres bei ASF muss jedeR noch drei kürzere über das Ich freue mich auf viele wei- ein Freiwilliges Soziales Jahr FreiwilligeR ein zweiwö- Jahr verteilt folgen werden, tere arbeitsreiche Wochen als Zivildienstersatz in einer chiges Praktikum absolviert lernte ich die anderen Frei- im DZOK und möchte Gedenkstätte oder einer haben. Ich entschied mich in willigen kennen, die nach diesen Artikel auch dazu Institution der politischen diesem Zusammenhang für aus vielen verschiedenen nutzen, meinen FörderInnen Bildung leisten. Neben Pro- ein 14-tägiges Workcamp Ländern nach Deutsch- dafür zu danken, dass sie jekten in den Niederlanden, mit einer internationalen land kommen. Neben dem mein Freiwilligenjahr in Ulm Frankreich und gab Gruppe in Buchenwald. ersten Kennenlernen waren möglich machen.

Ein Porträt des freiwilligen DZOK-Mitarbeiters Christian Renner

Dass die Arbeit des Dokumentationszentrums von der Unter- das mir die Orientierung in lerweise an zwei Sonntagen stützung seiner Ehrenamtlichen lebt, kann nicht oft genug Ulm gerade in den ersten im Monat am Oberen Kuh- betont werden. Wir haben Christian Renner, der sich seit Wochen sehr erleichtert hat berg anzutreffen – entweder Februar dieses Jahres für das DZOK engagiert, gebeten, sich – solange es nicht neblig war als Aufsicht oder als Guide. und seine Motivation für die freiwillige Mitarbeit vorzustellen: … Nachdem meine Freundin Das ehrenamtliche Engage- und ich uns gut in Ulm inte- ment in der KZ-Gedenkstätte griert haben, habe ich Lust ist mir so wichtig, weil ich Mein Name ist Christian bekommen, in Ulm etwas meine, dass die Qualen und Renner, ich bin 35 Jahre „nebenher“ zu machen. persönlichen Schicksale, die alt und lebe seit November Früher war ich bereits sich dort zugetragen haben, 2005 in Ulm. Meine ersten Tischtennis-Jugendleiter nicht verharmlost werden 25 Jahre habe ich im ober- und habe in einem offenen sollen – und das gilt sowohl fränkischen Coburg ver- Jugendtreff mitgearbeitet. für die nachfolgenden bracht, wo ich nach meinem Anfang 2009 fand an der vh Generationen als auch für Abitur bis April 1999 als Ulm eine Freiwilligenmesse alteingesessene Ulmer. Ich Bankkaufmann bei der statt, bei der das DZOK bin gespannt, wie sich die Sparkasse gearbeitet habe. auch Aufsichten und Guides Arbeit des DZOK insbeson- Anschließend habe ich an für die Sonntagsöffnungen dere in der Gedenkstätte der Uni Bamberg Diplom- suchte. Nach einem Treffen in den nächsten Jahren Pädagogik mit Schwer- mit Annette Lein wurde entwickeln wird. Die ersten punkt Erwachsenenbildung Foto: C. Renner mir schnell klar, dass mir Monate meiner ehrenamt- studiert. Highlight meines die Gedenkstätten-Arbeit lichen Mitarbeit waren für Studiums war ein zehnmo- Ulm und arbeite im Inter- in einem lebendigen Team mich sehr spannend und natiger Auslandsaufenthalt national Office der Hoch- Spaß machen würde. Positiv ich bin mehr denn je davon an der Uni Bergen in Nor- schule Neu-Ulm. Schwer empfinde ich die Dynamik überzeugt, dass es die rich- wegen. Seit Ende 2005 lebe beeindruckt bin ich nach an einem Ort mit so ernstem tige Entscheidung war, mich ich mit meiner Freundin in wie vor vom Ulmer Münster, Hintergrund. Ich bin norma- im DZOK zu engagieren.

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Mitt51_18 18 01.11.2009, 19:17 Uhr „Gerne komme ich im Sommer 2009 nach Ulm zu einer Veranstaltung …“

Silvester Lechner zum Tod von Anneliese Knoop-Graf am 27. August 2009

Am 1. und 2. März 2007 war die damals tete nach dem Krieg den Pädagogen 86-jährige Anneliese Knoop-Graf auf Bernhard Knoop), besonders in den Einladung des Doku-Zentrums (einmal letzten drei Jahrzehnten vor ihrem wieder) in Ulm, und zwar im Rahmen Tod. der Begleitveranstaltungen zur Aus- Zusammen mit Inge Aicher-Scholl stellung „Die Weiße Rose – Gesichter war sie diejenige aus dem unmit- einer Freundschaft“. Sie hielt damals telbaren Umfeld der Weißen Rose, einen Vortrag in der vh und erzählte in die das Vermächtnis des „Weiter- Pfuhl und Ludwigsfeld in den dortigen tragens“ für die Botschaften dieses Realschulen aus ihren Erinnerungen Widerstandskreises am intensivsten zur Weißen Rose. Damals war durch und wirkungsmächtigsten erfüllt hat. Silvester Lechner schon eine neue Natürlich war ihr Anknüpfungspunkt „Weiße-Rose-Aktion“, zusammen mit ihr Bruder Willi Graf und sein – gegen- dem Ulmer Scholl-Gymnasium, für über den Geschwistern Scholl – sehr den Sommer 2009 angedacht und unterschiedlicher biografischer Hin- sie schrieb am 11.8. 2007: „Gerne tergrund. Dennoch war ihr Blick nicht komme ich im Sommer 2009 wieder verengt auf den Bruder. Sie sah und nach Ulm zu einer Veranstaltung …“ beschrieb ihn immer im Kontext und Ebenso wie aus dem Projekt wurde im – nie bewertenden – Vergleich mit aus dem Besuch nichts. Während den anderen der Weißen Rose. Anneliese Knoop-Graf bei ihrem letzten Ulm- aber das Projekt noch realisiert Ihre wichtigsten Publikationen wurden Besuch, Anfang März 2007 werden könnte, hat der Tod die 2006, verbunden mit der Verleihung (A-DZOK; Foto: S. Lechner) Besuchsabsicht endgültig zunichte der Ehrendoktorwürde, gesammelt gemacht. Anneliese Knoop-Graf, herausgegeben: Rolf-Ulrich Kunze, machte, waren ein einzigartiger Bei- geboren am 30. Januar 1921, starb Bernhard Schäfers, Hg.: Anneliese trag zur politischen Bildung in unserer nach kurzer Krankheit am 27. August Knoop-Graf. Ausgewählte Aufsätze. Gegenwart. Sie verkörperte die demo- im 89. Lebensjahr. Konstanz 2006 (besprochen in: Mittei- kratisch-humanistischen Gegenbilder Am 26. September fand in der Stadt lungen 46, 2006). zu allen Facetten der nationalsozialis- Bühl, deren Ehrenbürgerin sie ist, eine Anneliese Knoop-Graf war in erster tischen Verheerungen. große Gedenkfeier statt. Linie eine authentische, verhalten In der Münchener „Weiße-Rose-Stif- leidenschaftliche Zeitzeugin. Das tung e. V.“ war sie von ihrer Gründung „Weiter tragen“ subjektive Erleben war historisch- in den späten 1980er Jahren bis heute Vor seiner Hinrichtung am 12. Oktober wissenschaftlich durchdrungen, also stellvertretende Vorsitzende. 1943 hatte Willi Graf, Mitglied des selbstkritisch gegenüber der eigenen Dem Trägerverein des Ulmer Doku- innersten Weiße-Rose-Kreises, an Zeugenschaft. Ihr großes pädagogi- Zentrums gehörte sie über 20 Jahre seine damals 22-jährige Schwester sches Talent gab der Vermittlung des als Mitglied an, es bestand darüber Anneliese geschrieben: „Auch Historischen eine fast einzigartige hinaus aber auch ein enger mensch- gegenüber meinen Freunden sollst Überzeugungskraft. Ihre Vorträge vor licher Kontakt. Wer Anneliese Knoop- Du bestimmt sein, mein Andenken hunderten von Schüler- und Erwach- Graf erleben durfte, vergisst sie nie. und mein Wollen aufrecht zu erhalten senengruppen, in denen sie auf ein- In der Bibliothek des Doku-Zentrums […]. Sie sollen weiter tragen, was wir drücklichste Weise den studentischen sind übrigens viele Publikationen von begonnen haben“. Widerstand, seine Motive und auch und zu Willi Graf und seiner Schwester „Weiter tragen“, das war Auftrag, ja den historischen Hintergrund des NS- vorrätig, darunter eine DVD mit dem Mission von Anneliese Graf (sie heira- Staates verständlich und einfühlbar Titel „Mein Bruder und ich“.

DZOK-Mitteilungen Heft 51, 2009 19

Mitt51_18 19 01.11.2009, 19:17 Uhr „Ich leb‘ nicht mehr in der Vergangenheit, ich möchte in der Gegenwart leben“

Silvester Lechner zum Tod von Luise Strate-Nathan, einer Ulmer Jüdin der Vorkriegszeit

In diesen Wochen erhielten wir die beginn musste die Familie Nathan Nachricht, dass Luise Strate-Nathan nach England auswandern, Luises am 14. Juni 2009 in ihrem Haus in Bruder Erich war dorthin schon 1937 Bottmingen in der Schweiz, nahe emigriert. Basel bzw. der deutschen Grenze, verstorben sei. Luise Nathan (verhei- Der Vater, Dr. August Nathan, war ratet seit 1953 mit Fritz Strate, der 1884 in Laupheim geboren (er starb 2002 verstarb) gehörte zu denjenigen 1962 in der Schweiz), machte am Ulmer/innen mit jüdischem Hinter- humanistischen Gymnasium in Ulm grund, die auf der Basis enger fami- 1902 das Abitur und ließ sich nach liärer Verknüpfungen in der Vor-Nazi- dem Jurastudium (Tübingen) um 1910 zeit, besonders in den letzten beiden in Ulm als Anwalt nieder. Er heiratete Jahrzehnten wieder in engem Kontakt 1920 die aus Esslingen stammende Die Familie von Margarete und August Nathan im November 1947 in der Emigration in England zu ihrer Geburtsstadt und dabei oft protestantische, nichtjüdische Marga- (Straton Hill). Von links: Luise, August, Erich, Mar- auch in freundschaftlichem Kontakt rete Gayler. garete Nathan. (A-DZOK, Bestand L. Nathan) zum Ulmer Dokumentationszentrum Aus der Ehe gingen die Kinder Luise standen. In den letzten Jahren kamen (1921) und Erich Wolfgang (geb. 1922) wurde (vgl. seinen Bericht in Heinz zur Weihnachtszeit regelmäßig von hervor, die später nach den Katego- Keils Dokumentation über die Ulmer Luise Strate-Nathan Brieflein mit einer rien des Nazi-Staates zu „Halbjuden“ Juden im NS-Staat, S.157ff). Die Spende fürs Doku-Zentrum. gemacht wurden. Der Tod ihres Bru- tausend Demütigungen, Enteignung Der (Neu-)anfang solcher Beziehungen ders, der in den letzten Kriegstagen, und Vertreibung, und schließlich die lag in den Einladungen der Stadt Ulm am 3. April 1945, als Soldat der briti- Ermordung von Millionen jüdischer für die früheren jüdischen Bürger schen Armee in Norddeutschland auf Menschen waren zerstörerische ab 1988, aber auch im historischen schreckliche Weise ums Leben kam, Erfahrungen der Familie, die nicht Interesse des Doku-Zentrums, so war für sie ein lebenslanger Schmerz. mehr gelöscht werden konnten. Es auch im Fall von Luise Strate-Nathan. Die Nathans wohnten in den 1920er ist angesichts dessen zu verstehen, Allerdings sagte sie in einem ersten Jahren in der Schillerstraße 40 (wo dass Luise Nathan erst in ihren letzten Interview in Ulm, am 22. Juli 2003, „Ich auch Luise geboren wurde), danach in Lebensjahren wieder vorsichtig den leb´ nicht mehr in der Vergangenheit, der Heimstraße 23 (Büro) bzw. 29, ab Kontakt zu ihrer Vaterstadt gesucht ich möchte in der Gegenwart leben“, 1936 bis zur Flucht aus Deutschland hat, wofür wir ihr sehr dankbar sind. und deutete damit an, wie schwer ihr in der Kernerstraße 3. Nur durch diese Im übrigen aber lebte sie 55 Jahre nach dem in der Nazi-Zeit Erlebten Flucht konnten sie ihr Leben retten. lang, bis ins hohe Alter von 88 Jahren das Sprechen darüber fiel. Bis 1956 blieben die Eltern von Luise in der Schweiz, im Kreis der Familien Nachdem sie etwas Vertrauen gefasst in ihrem Emigrationsland England, ihrer beiden Kinder. Die Familie war hatte, sprach sie und gab bereitwillig dann siedelten sie in die Schweiz um. der wohl wichtigste Trost für die Ver- Fotos, Dokumente und Erinnerungen Sie lebten in der Nähe ihrer Tochter, letzungen der Vergangenheit. ans DZOK-Archiv, unter Mithilfe ihrer die sich nach ihrer Heirat am 17. Das Doku-Zentrum bewahrt den Tochter Nicole Strate Lanz. Der Anlass Dezember 1953 schon in der Schweiz Nathans und speziell Luise ein für sie übrigens, am 22. Juli 2003 befand. ehrendes, warmes Gedenken. in Ulm zu sein, war ein doppelter: Die religiösen Beziehungen der einmal der Ulmer „Schwörmontag“ Nathans zum Judentum waren nicht und zweitens, das immer zu dieser sehr ausgeprägt. Ausgeprägter waren Zeit statt findende Klassentreffen mit wohl die zum bürgerlichen Deutsch- den Mitschülerinnen ihrer Klasse an land und insbesondere zur schwä- der ehemaligen Ulmer Mädchenober- bischen Heimat und zu Ulm. August realschule. Nathan hatte Anteil am Ulmer Vereins- und Musikleben („Ruderclub“, „Lieder- In dieses erste Ulmer Mädchengym- tafel“), war als deutscher Offizier im nasium war sie 1932 gekommen. Sie 1. Weltkrieg vielfach ausgezeichnet musste es infolge der nationalsozialis- worden. tischen Schulpolitik 1936 verlassen. Er war ein gefragter Rechtsanwalt mit Vorher hatte sie vier Jahre lang die einem großen jüdischen und christli- Volksschule in der Wagnerstraße 1, chen Bekanntenkreis. die „Wagnerschule“, besucht. Nach Deshalb blieb ihm letztlich unverständ- einem einjährigen Aufenthalt in einem lich, dass er von einem deutschen Internat in der französischen Schweiz Staat in seiner Heimatstadt Ulm auf- (1936/37) machte sie dann eine zwei- grund seiner von den Nazis definierten jährige Ausbildung an der Modefach- „rassischen Zugehörigkeit“ verhöhnt schule in St. Gallen; sie schloss mit und beschimpft und schließlich nach einem Diplom als „Modezeichnerin der sogenannten „“ im Luise Strate-Nathan in ihrem Haus in Bottmingen und Directrice“ ab. Kurz vor Kriegs- KZ Dachau aufs übelste misshandelt in der Schweiz (Foto: N. Strate Lanz)

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Mitt51_18 20 01.11.2009, 19:17 Uhr Eine kritische Anmerkung! „dass die Einrichtung der Mahnstätte nicht die Herausstel- lung von Greueln, sondern die Mahnung „Nie wieder!“ zur des VVN/BdA, Landesvereinigung Baden-Württemberg e.V. Zielsetzung haben müsse, wobei die Aufklärung über die Ursachen darüber, wie die Nazidiktatur möglich war und wie die heutige Generation dieser Gefahr begegnen kann, der Inhalt sein muss. Mit der Gründung des Kuratoriums wurde Im November 2008 erschien die 50. Ausgabe der Mittei- eine sehr wichtige Arbeitsstruktur zur Errichtung der Mahn- lungen des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg und Gedenkstätte geschaffen, die gesellschaftlich breiter Ulm e. V. – KZ-Gedenkstätte. Dieser beachtliche runde verankert war. Mit dabei waren Vertreter der Opferverbände Geburtstag wäre ein geeigneter Anlass für einen redakti- (Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim; Lagerge- onellen Blick zurück in die steinigen Gründerjahre und vor meinschaft Dachau; VVN Ulm), Angehörige Verfolgter, Ulmer allen Dingen für eine angemessene Würdigung der frühen CDU- und SPD-Stadträte, der Ulmer Vertreter der Israe- Aktivistinnen und Aktivisten gewesen. Denn ohne das lang- litischen Religionsgemeinschaft Württemberg, der Ulmer jährige und zähe Engagement der ehemaligen KZ-Häftlinge DGB-Landesvorsitzende, der Landrat von Neu-Ulm, der und ihrer Interessensverbände würde es die Gedenkstätte Vorsitzende der IG Metall Baden-Württemberg, Professoren Oberer Kuhberg heute vielleicht gar nicht geben. der Ulmer Universität etc.

Am Anfang der Ulmer Gedenkstättengeschichte stand die im Juni 1948 von ehemaligen württembergischen Häftlingen gegründete „Lagergemeinschaft“, benannt nach den beiden „frühen Konzentrationslagern“ Heuberg und Kuhberg sowie dem von 1935 bis 1945 in Regie der Landes-Gestapo in stehenden kleineren Lager im Polizeigefängnis Welzheim. Als am 13. November 1960 auf Betreiben der Lagerge- meinschaft auf dem Gelände des Oberen Kuhberg eine Gedenktafel angebracht wurde, lag die Befreiung vom Nazi- faschismus bereits 15 Jahre zurück. Diese Gedenktafel war ein erster wichtiger Verweis auf die Verbrechen, die hinter den Mauern und in den Verließen des Fort Oberer Kuhbergs von November 1933 bis Juli 1935 begangen wurden. Es war ein Zeichen der Erinnerung an die politisch verfolgten Kommunisten und Sozialdemokraten und ein Zeichen gegen Hans Gasparitsch (links), Ilse Werner und Alfred Hausser – drei wichtige VVN- das Vergessen und Verdrängen der Mehrheitsgesellschaft. Aktivisten für das Ulmer Doku-Zentrum im Jahr 1998 Es war ein Anfang und er ging nicht zufällig weder von der (A-DZOK, 3/98; Foto: S. Lechner) Landes- noch von der Bundesregierung aus, sondern von denen, die die Konzentrationslager überlebt hatten, den ehemaligen Häftlingen. Bis weit in die 1970er Jahre hinein Im März 1974 lehnte die Landesregierung den Antrag von erinnerten vor allem die ehemaligen Opfer an die Naziverbre- MdL Rolf Dick ab, auf dem Oberen Kuhberg eine zentrale chen und forderten damit die Gesellschaft zur Auseinander- Gedenkstätte einzurichten. setzung heraus. Sie hatten die Mehrheit gegen sich, galten 1977 wurde ein Trägerverein gegründet, der sich „Dokumen- als „Nestbeschmutzer“ und „Unruhestifter. tationszentrum Oberer Kuhberg, Ulm – KZ-Gedenkstätte e. V.“ nannte. Vorsitzender wurde Julius Schätzle. Von der Gedenktafel bis zur Errichtung einer Gedenk- Am 19. Mai 1985 wurden die KZ Gedenkstätte und das stätte vergingen weitere 25 Jahre. Es waren Jahre des Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg feierlich eröffnet. Kampfes gegen Gleichgültigkeit und Bürokratismus. Aber 25 Jahre nach dem Anbringen der Gedenktafel und 14 Jahre die Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim und nach der Gründung des Kuratoriums. Dazu bemerkte Hans die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Gasparitsch in seiner Rede anlässlich der Eröffnung: „… der Antifaschisten (VVN-BdA) ließen nicht locker. Sie wollten, Weg bis heute war weit und mühsam. Nicht wenige büro- dass auf dem ehemaligen KZ-Gelände eine Gedenkstätte kratische, bautechnische und finanzielle Hindernisse türmten eingerichtet wird. sich auf. Es dauerte rund 10 Jahre, bis wir von staatlicher 1968 trafen sich die Antifaschisten Otto Hornischer (Ulm), Seite ernst genommen wurden. Mancher gar verzagte aus Alfred Haag (München) und Hans Gasparatisch (Stuttgart) Ungeduld und Enttäuschung.“ zu einer Begehung des Geländes „Oberer Kuhberg“. Ins Aber es ging weiter. Neue und jüngere Aktivistinnen und selbe Jahr fällt das erste Gespräch des VVN-Vorsitzenden Aktivisten haben das Ruder übernommen. 2001 wurde die von Ulm, Otto Hornischer, mit dem Oberbürgermeister über neu gestaltete Gedenkstätte eröffnet und sie ist inzwischen die Errichtung einer Gedenkstätte. ein fester Bestandteil der Ulmer Stadtgeschichte geworden. Am 14.2.1971 lud die Lagergemeinschaft ins Ulmer Ein- stein-Haus zur Gründung des „Kuratorium für die Mahn- Solange es ihre Kräfte zuließen, haben die ehemaligen und Gedenkstätte Oberer Kuhberg“. Den Kuratoriumsvorsitz Häftlinge sich für die Belange der Gedenkstätte engagiert übernahm der damalige Ulmer OB Pfizer. Mehr als 20 wei- und bei Führungen und in Gesprächen über ihre KZ-Zeit tere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren zur Mit- berichtet. Dafür haben sie unsere Anerkennung und unseren arbeit bereit. Den geschäftsführenden Vorstand stellten Rolf Dank mehr als verdient. Und das darf genauso wenig dem Dick, Inge Aicher-Scholl, Kurt Fried, Julius Schätzle, Alfred Vergessen überlassen werden, wie ihr aufrechter Gang, den Hausser und Hans Gasparitsch. Man war sich einig darin, auch die Nazis nicht brechen konnten.

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Mitt51_18 21 01.11.2009, 19:17 Uhr Rückblick auf Veranstaltungen und Ereignisse des Ulmer Dokumentationszentrums und der Stiftung Erinnerung, Ulm, im Jahr 2009

Pädagogische und 27. Januar: Nationaler Gedenktag, 18. Februar: Workshop für Volontäre organisatorische Arbeit KZ-Gedenkstätte: 64 Jahre nach der der SWP. - ca. 310 begleitete Angebote (von Befreiung von Auschwitz. Lesung aus der 2-Stunden-Führung bis zum den Akten des Auschwitz-Prozesses. Ganztages-Angebot) in der KZ- Volkmar Clauss, Silvester Lechner Gedenkstätte Oberer Kuhberg Nationaler Gedenktag, Stadthaus Ulm: durch ehren- und nebenamtliche Präsentation des Gedenkbuches: „guides“; ca. 9 300 Besucher, „und erinnere dich immer an mich“. darunter 6 000 Jugendliche Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des - regelmäßige Öffnungszeiten für Holocaust. Ingo Bergmann. Einzelbesucher: So. 14-17 Uhr; 29. Januar: Auf Einladung der Stadt Führungen 14.30 Uhr treffen sich die Ulmer Nutzer der - Durchführung von ca. 50 Semi- Festung zur Programmplanung „150 naren, Vorträgen, Gesprächs- Jahre Bundesfestung Ulm“. Die Volontäre analysieren das „Ulmer Tagblatt“ und vergleichen mit der aktuellen SWP. (A-DZOK, gruppen zur Geschichte des NS 29. Januar: In Ulm gründet sich das 2/09; Foto: A. Lein) in der Region Ulm und Neu-Ulm Ulmer Bündnis gegen Rechts mit und zur Gewalt- und Rechtsradi- Beteiligung des DZOK. 18. Februar: „Die Widerständigen kalismus-Prävention für ca. 1.100 – Zeugen der Weißen Rose“. Ein Film 1. Februar: Die Gedenkstätte öffnet Personen. von Katrin Seybold. Ulm-Premiere im wieder nach Winterpause. „Obscura“-Kino mit Suse Zeller-Hirzel Eine Auswahl wichtiger Akti- 5. Februar: Die Vorsitzende Dorothee und Franz Josef Müller. Kühne und Mitglieder der Ulmer SPD vitäten 22. Februar: Die Schönheit israeli- besuchen die Geschäftsstelle und scher Musik. Merav Barnea und Adi 14. Januar: Auf Initiative des Doku- informieren sich über die Arbeit des Bar. Veranstalter: Aktion 100.000 und Zentrums gründet sich der Arbeits- DZOK. kreis „Ulmer Menschenrechtsbildung“. Doku-Zentrum im HdB. 13. Februar: Projekt für Patienten der Vgl. Neues in Kürze 26. Februar: Büchse 13. Das Ulmer Suchtklinik Ulm in der KZ-Gedenk- Holocaust-Gedenkbuch ist da! Wie 15. Januar: Büchsengasse 13: Aus- stätte. stellungseröffnung „Eindeutschungs- geht´s weiter mit dem Gedenken in 14. Februar: 6. Jahrestag der Stiftung fähig?!“ und Zeitzeugengespräch mit Ulm?. Ein Diskussionsabend. Erinnerung Ulm, Stadthaus Ulm: Roman Sobkowiak: „Ulm 1944-1946 28. Februar: Gleiselstetten Andres Veiel: „Der Kick“ – Ein Lehr- – Erlebnisse hautnah in einer Zeit des – „Entbuschung“ mit der katholischen stück über Gewalt im Deutschland Umbruchs“. Jugend Söflingen. von heute“. Ein Gespräch zwischen 15. Januar: Der erste von 10 der dem Autor und Amelie Fried. 7. März: Stefan Vogt (FSJ-ler am monatlichen dzokki-Treffs findet in der Doku-Zentrum) stellt die Ulmer Büchsengasse statt. Gedenkstättenarbeit den Referenten der KZ-Gedenkstätte Dachau vor. 7.-8. März: Im Mittelpunkt der LAG- Tagung in Rastatt stand die Diskussion der Förderschwerpunkte der Landes- zentrale der politischen Bildung/Ref. Geschichte und Verantwortung. 9. März: Henrike Pietrzyk, Geschichts- studentin an der Uni Rostock beginnt ein 4-wöchiges Praktikum am DZOK. Silvester Lechner und Stefan Vogt vor der von Im Bild zweiter von links Andres Veiel; Amelie Fried Frau Sabine Lutz gestalteten Ausstellung. ganz rechts (A-DZOK, 2/09; Foto: Ch. Loyal) 10. März: Besuch von Reinhard (A-DZOK, 1/09; Foto: S. Lutz) Bütikofer/Grünen-Europaspitzenkan- 14. Februar: 1. Ulmer Freiwilligen- didat und Ekin Deligöz/MdB in der 20. Januar: Studientag des Gymna- messe in der vh mit Präsentation des KZ-Gedenkstätte. siums Bad Urach mit 5 Klassen der DZOK. Christian Renner kommt so 11. März: Enthüllung einer Gedenk- Jahrgangsstufe 10. zum Doku-Zentrum. tafel an der Untersuchungshaftanstalt 26. Januar: Beginn eines 2-wöchigen 15. Februar: Film „Der Kick“ im Ulm zur Erinnerung an die dort vollzo- Sozialpraktikums von Lorenz Ulmer Kino „Mephisto“ für Schüler, mit gene „Sippenhaft“ der Familie Scholl Kocheise, Schüler am Humboldt- Gesprächen zum Thema Gewalt und nach der Hinrichtung von Hans und Gymnasium Ulm. Rechtsradikalismus. Sophie. 15. Februar: dzokkis besuchen die Gedenkstätte Grafeneck.

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Mitt51_18 22 01.11.2009, 19:17 Uhr 12. März: Meditativer Rundgang 8. April: dzokki-Führung für Azubis 29. April: DZOK-Treff/vh: Rückblick einen Tag nach dem Amoklauf von der Ulmer Firma Mayser. von Gudrun Pausewang auf das Winnenden für 2 Klassen des Staufer- 18. April: Werbeveranstaltung und „Jungmädel“ Gudrun. Eine Jugend im gymnasiums in Waiblingen. Infostand des DZOK für den „Zug der NS und ihre literarische Verarbeitung. 16. März: Schüler der Waldorfschule Erinnerung“ in der Hirschstraße. Zusätzlich vermittelt das DKZOK die Autorin zu Lesungen an zwei Gym- erkunden in der Geschäftsstelle des 20.-22. April: „Zug der Erinnerung“ nasien. DZOK Hintergründe zum Zweiten auf dem Ulmer Hauptbahnhof. Viele Weltkrieg und zur Zwangsarbeit als ehrenamtliche Mitarbeiter des DZOK Vorbereitung ihrer Klassenfahrt nach engagierten sich an Vorbereitung und Kursk. Betreuung des Projektes. 19. März: Büchse 13: „Was Gedenk- stättenarbeit leisten kann und was nicht“. Ergebnisse aus Praxis und Wissenschaft mit Annette Eberle. 20. März: Außerordentliche Mit- gliederversammlung in der vh: Vorstellung und Anhörung von drei Kandidat/-innen für die Nachfolge als wissenschaftliche/-r Leiter/-in bzw. Geschäftsführer/-in des DZOK. 25. März: Merke Tesfai, Schüler am Robert Bosch Gymnasium Ulm, hält Dagmar Königsdorfer/Journalistin der Neu-Ulmer seine GFS in der Gedenkstätte, eine Zeitung und Gudrun Pausewang (A-DZOK, 4/09; von 40 in diesem Jahr. Foto: S. Lechner) 30. April: Waldemar Grytz, DZOK- Mitglied, übergibt dem DZOK zum wiederholten Mal eine bedeutende Bücherspende. 1. Mai: Die Gedenkstätte öffnet für politisch interessierte Teilnehmer der Unter den Besuchern des „Zuges der Erinnerung“ Aktionen am 1. Mai. waren auch viele Familien. (A-DZOK, 4/09; Foto: S. Vogt) 1. Mai: DZOK beteiligt sich an Demonstrationszug und Kundgebung 21. April: Büchse 13: Lesung von gegen Rechts auf dem Münsterplatz. (A-DZOK, 3/09; Foto: A. Lein) Silvester Lechner aus dem Bericht 1. Mai: In Anwesenheit von Elisabeth der Ulmer Jüdin Resi Weglein über die 25. März: Im Rahmen der Frühjahrs- Hartnagel-Scholl und DZOK-Leiter Dr. drei großen Deportationen aus Ulm. akademie der Uni Ulm führt Silvester Silvester Lechner werden der Stadt Im Rahmen des Begleitprogramms Lechner durch die Gedenkstätte zum Ulm von der „Gesellschaft deutscher zum „Zug der Erinnerung“. Thema „Tarnen und Täuschen“. Rosenfreunde“ vier Rosen mit dem 23. April: Eine Schweizer Konfir- Namen „Sophie Scholl“ übergeben. 26. März: Die amerikanischen Gast- manden-Gruppe aus dem Raum schüler des Leibnitz-Gymnasiums in 3. Mai: Internationaler Tag in der Zürich informiert sich über die Etab- Stuttgart reflektieren über die Erinne- KZ-Gedenkstätte. Führungen und lierung des KZ-Systems in der frühen rungspolitik in Deutschland und Ulm. Gespräche für Ulmer/-innen, die aus Zeit des NS. anderen Ländern kommen. In Koope- 28. März: Studientag für die Mitar- 26. April: Die Nichte und eine Enkelin ration mit dem Intern. Ausschuss der beiter des Kreisjugendrings Mün- des ehemaligen Kuhberg-Häftlings Stadt Ulm. chen-Stadt zum Thema: Beteiligung Fritz Herr besuchen die Gedenkstätte. Jugendlicher an der Erinnerungsar- 5.-15. Mai: „Hass ist ihre Attitüde beit: das Beispiel dzokkis. 26. April: „Lang her! Lang her?“ Eine – was passiert in der rechten Szene?“ Führung der dzokkis für Jugendliche. Eine Ausstellung in der Stadtbibliothek 30. März: Theresa Mader, Schülerin Im Rahmen von „Ulm gegen Rechts“. Ulm. (Produziert vom Adolf-Bender- am Kepler-Gymnasium Ulm, beginnt 27. April: Aufführung der dzokkis im Zentrum e.V., St. Wendel, Saarland). ihr einwöchiges Sozialpraktikum im Veranstalter in Ulm: Stiftung Erinne- DZOK und gemeinsam mit Hen- Stadhaus „schtzngrmm - die dritte Generation. Eine szenische Collage rung Ulm, DZOK, in Zusammenarbeit rike Pietrzyk und Joachim Straub mit der Stadtbibliothek Ulm. Recherche und Gestaltung der Ulmer von Zigeunersoße in deutschen Ausstellungstafeln für den Zug der Küchen“ - Eröffnungsveranstaltung der 13. Mai: DZOK-Treff: „Gedenken in Erinnerung. Woche für „Demokratie und Toleranz“, Ulm – wie geht´s weiter?“ die vom Doku-Zentrum im Rahmen 2.-3. April: Lehrer-Fortbildung in 17. Mai: „Vom Ulmer KZ-Häftling zum des Bündnisses gegen Rechts mit- Sachen KZ Oberer Kuhberg: Tatort Befreiungsminister“. Zeitzeuge Bertold geplant und mit verschiedenen Veran- und Gedenkstätte. Kamm in der KZ-Gedenkstätte. Im staltungen unterstützt wurde. Rahmen des Ulmer Festungs-Festes. 5. April: Bußgottesdienst-Kreuzweg der Heilig-Geist-Gemeinde in der KZ- Gedenkstätte.

DZOK-Mitteilungen Heft 51, 2009 23

Mitt51_18 23 01.11.2009, 19:17 Uhr 17. Mai: „Vor hundert Jahren: Leo Tol- 29. Juni: Sitzung der Stiftung der 28. Juli: Kooperationsgespräch mit stois Rede gegen den Krieg“. Lesung Erinnerung Ulm. Nicola Wenge wird der Integrationsbeauftragten der Stadt der Ulmer Theaterpädagogin Svenja einstimmig in den Stiftungsrat berufen. Ulm, Frau Grunert, und Frau Frola- Dobberstein in der KZ-Gedenkstätte. Silvester Lechner gibt sein Vor- Lucas vom Internationalen Ausschuss Im Rahmen des Ulmer Festungs- standsamt auf und wird ebenfalls ein- der Stadt Ulm zur Gedenkfeier am Festes. stimmig in den Beirat aufgenommen. 15.11.2009. 21. Mai: „Stimmen für Hoffnung“. Juni: Für einen Gedenk- und Versöh- 9. August: Erste persönliche Kontakte Stille Andacht und gesungene Gebete nungshügel in Auschwitz wurden in der neuen DZOK-Leiterin mit der VVN- in der KZ-Gedenkstätte. Martina einer internationalen Aktion – für die Stuttgart in der KZ-Gedenkstätte. Weiler Im Rahmen des Ulmer Fes- Region Ulm durch das DZOK organi- 12. August: Das Herbstprogramm tungs-Festes. siert – Gedenksteine von Jugendlichen des DZOK „Büchse 13“ erscheint. gestaltet. Vgl. Neues in Kürze. 28. Mai: Studientag für Studierende 14. August: Unter dem Titel „Wo der PH Heidelberg. 30. Juni: Silvester Lechners letzter unschuldige Menschen eingesperrt 2. Juni: Erster Arbeitstag von Dr. Arbeitstag. waren!“ beteiligt sich das DZOK erst- Nicola Wenge, der neuen Leiterin des 3. Juli: Mitgliederversammlung mit malig am „Ferien-Express“ 2009 der DZOK. Vorstandswahlen; vgl. „Neues in Ulmer Museen für Kinder zwischen 7. Juni: Erinnerungen an den Luft- Kürze“. 6-12 Jahren. schutzbunker Gleiselstetten. Ein Zeit- 5. Juli: Bundesfestungsfest im Fort 17. August: Auf Grund des angekün- zeugengespräch mit Ulmer/-innen, die Oberer Kuhberg. In der KZ-Gedenk- digten Neonazi-Flashmobs anlässlich als Kinder im Krieg Schutz im Bunker stätte Sonderausstellung, Sonderfüh- des Todestages von Rudolf Heß gesucht hatten. rungen und hunderte von Besuchern. treffen sich ca. 200 Leute zum friedli- 13. Juni: „Was, in Ulm gab´s ein KZ!?“ 9. Juli: K. Pflug/LpB – Besuch und chen Zivilprotest. Das DZOK hatte mit Eine Sonderführung im Rahmen des Kooperationsgespräch im DZOK. anderen Gruppen dazu aufgerufen. Die Polizei hatte im Vorfeld einigen Ulmer Festungs-Festes. 9. Juli: Perspektivgespräch über die Neo-Nazis Platzverweis erteilt. 14. Juni: Das KZ auf dem Kuhberg. künftige Arbeit des DZOK für Ehren- Eine Führung von Jugendlichen für amtliche und MitarbeiterInnen. Jugendliche im Rahmen des Ulmer 11. Juli: Sommerfest in Gleiselstetten, Festungs-Festes. organisiert von den beiden Nutzer- 14. Juni: „schtzngrmm“ – die dritte Gruppen der katholischen Gemeinde Generation. Eine szenische Collage Söflingen. von Zigeunersoße in deutschen 13.-14. Juli: Studienaufenthalt des Küchen“. dzokkis- KZ-Gedenkstätte Gymnasiums Reutlingen in der KZ- im Rahmen des Ulmer Festungs- Gedenkstätte. Festes. 20. Juli: Projektnachmittag des 14. Juni: „Und die Freiheit weint“. Werkgymnasiums Heidenheim in der Lieder gegen Krieg und Faschismus. Gedenkstätte. (A-DZOK, 8/09; Foto: N. Wenge) Chor Kontrapunkt in der KZ-Gedenk- 22. Juli: Abschiedsfest der dzokkis. stätte im Rahmen des Ulmer Fes- 24. August: Abschiedstreffen für die tungs-Festes. Förderer des ASF-Freiwilligen Stefan Vogt. 25. Juni: Der Herausgeber der Zeit- schrift „Jüdische Kulturbühne“ Dr. 27. August: Anneliese Knoop-Graf Raymond Guggenheim besucht die stirbt am 27.8.2009. Geschäftsstelle des DZOK. 28. August: Hilde Mattheis, MdB für 27. Juni: Kennenlernbesuch von die SPD, besucht die Geschäftsstelle Nicola Wenge beim Förderkreis Bun- zu einem Arbeitstreffen mit Nicola desfestung Ulm. Wenge. 31. August: Nicola Wenge besucht Ein Lächeln zu Laras Abschied. V. l.: Lisa, Patricia OB Ivo Gönner, um ihn über die Arbeit und Charlotte (A-DZOK, 7/09; Foto: S. Vogt) des DZOK zu informieren. 23. Juli: Grundlagengespräch Dr. N. 1. September: Deutsch-polnisches Wenge/Dr. A. Geisel, Leiter der regi- Zeitzeugengespräch zum 70. Jah- onalen Arbeitsgruppe BW des Vereins restag des Überfalls auf Polen im „Gegen Vergessen für Demokratie“. Gewerkschaftshaus mit Roman Sob- 27. Juli: Nicola Wenge besucht Elisa- kowiak und Reinhold Settele. Modera- beth Hartnagel in Stuttgart. tion: Nicola Wenge. Hier eine Aufnahme mit dem Leiter Matthias 27. Juli: Projekttag Ulrich-von- 6. September: Europäischer Tag der Burger des FBU vom 19.9.2009 Ensingen-Realschule in der Gedenk- Jüdischen Kultur. Jüdisches Ulm im stätte. 19. und 20. Jahrhundert. Stadtfüh- 28. Juni: Verabschiedung von Dr. Sil- rung mit Ingo Bergmann. Büchsen- vester Lechner im Stadthaus Ulm. gasse 13: „Juden und Christen in der Weimarer Zeit. Das Beispiel der Stadt Köln“. Vortrag von Nicola Wenge.

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Mitt51_18 24 01.11.2009, 19:17 Uhr 8. September: Preview: „Berlin 36“. 1. Oktober: Die Mitarbeiter des Adolf- 19.-23. Oktober: Berufskundliches Film von Kaspar Heidelbach über die Bender-Zentrums e.V aus St. Wendel Praktikum Tobias Hölzer vom Scholl- jüdische Sportlerin Gretel Bergmann kommen zum Erfahrungsaustausch in Gymnasium Ulm. mit historischer Einführung und Dis- Geschäftsstelle und Gedenkstätte. 19. Oktober: Eine russische Besu- kussion mit dem Potsdamer Sporthis- 2. Oktober: Die Tochter des ehe- chergruppe des ZAWIW besichtigt toriker Berno Bahro und Fritz Glaun- maligen KZ-Hälftlings Oskar Wahl die KZ-Gedenkstätte. Zur Gruppe inger, Archivar beim SSV Ulm. besucht die Gedenkstätte und kündigt aus Kursk gehörten 22 Studenten, 8 10. September: Unser neuer ASF- an, Materialien für das DZOK-Archiv Dozenten der Hochschule MEBIK und Freiwilliger Tobias Edling kommt aus zu übergeben. einige Senioren. Potsdam in Ulm an. 5. Oktober: Werbeaktion an Ulmer 20. Oktober: Abschlussveranstaltung 13. September: Das DZOK und seine Gymnasien: Tobias besucht die Jahr- des Filmfestivals Über Macht im Stadt- Freunde erhalten eine Sonderführung gangsstufe 13 des Schubart-Gym- haus. Für den Abend wurden auch durch die Wanderausstellung „Verges- nasiums um den ASF-Freiwilligen der Materialien des DZOK zur Verfügung sene Rekorde“ Jüdische Athletinnen Jahre 2010/2011 zu finden. gestellt. vor und nach 1933 im Museum zur 5. Oktober: Kennenlerntreffen im 22. Oktober: ‚Büchse 13“: Die NPD Geschichte von Christen und Juden Jugendhaus Eselsberg mit den und ihr Milieu / Die rechte Szene in im Schloss Großlaupheim durch den am Projekt „Was geht mich eure Langenau heute: ein Diskussionsa- neuen Museumsleiter Dr. Niemetz. Geschichte an“ beteiligten Jugendli- bend mit Ulrich Klemm und Wilmar chen, Coaches und Mitarbeitern des Jakober. DZOK. 28. Oktober: Die Freiwillige Feuer- 5. Oktober: Besuch von Wolfgang wehr Unterweiler informiert sich über Keck und Nicola Wenge bei der Ulmer die Erinnerungsarbeit in der Gedenk- Kulturbürgermeisterin Sabine Mayer- stätte Dölle. 5. November: Antisemitismus im 6. Oktober: Kooperationsgespräch historischen Überblick. Vortrag von mit Frau Dr. Annette Hettinger von der Nicola Wenge im HdB. PH Heidelberg zur Entwicklung didak- 9. November: Erinnerungsabend tischer Materialien. für die Ulmer Opfer des Holocaust: Foto: B. Heinze 7. Oktober: Das DZOK wird nach Lesung aus dem Gedenkbuch und einem Gespräch mit der neuen Lei- Vorstellung eines Schülerprojekts. 16. September: Das Revisionsteam terin der Ulmer Tourismus-Zentrale, Ingo Bergmann, Simon Leinmüller des DZOK trifft sich in der Gedenk- Frau Hampel, in das jährliche Stadt- und die Klasse 10a der Bühlrealschule stätte und berät über Erneuerungen in führungsprogramm mit einem eigenen Dornstadt. Vgl. Neues in Kürze. der Ausstellung. Jugendangebot aufgenommen. 15. November: Gedenkfeier am 17. September: Der Kreis der 9.-11. Oktober: Nicola Wenge und Volkstrauertag „Gedenken im inter- Gedenkstätten-Guides trifft sich zur Karin Jasbar vertreten das DZOK auf kulturellen Austausch. Eine Aufgabe Planung eines Weiterbildungspro- dem 10. Dachauer Symposium zur auch für Ulmer/innen“ und Vorstel- gramms für die nächsten Monate. Zeitgeschichte. lung des Projekts „Was geht mich 17. September: Nicola Wenge 14. Oktober: OB Noerenberg und die eure Geschichte an?“ Führungen in 5 besucht die Lokal- und Mantelredakti- Gemeinderäte Neu-Ulms besuchen Sprachen in Zusammenarbeit mit dem onen der SWP, um sich vorzustellen. die Gedenkstätte. Internationalen Ausschuss der Stadt 19. September: Ulmer Kulturnacht Ulm und dem Stadtjugendring Ulm. 15. Oktober: Helene Lange Real- in der KZ-Gedenkstätte: Jugendfüh- schule Heilbronn startet ihr fächerü- 19. November: Büchse 13: Liga der rung und Konzert von der „Ethna“ bergreifendes Jahresprojekt mit einem Vagabunden und Gregor Gog. Vortrag um Jonas Dorn. Führung von Nicola Studientag in der Gedenkstätte. von M. Lange-Tetzlaff und R. Tetzlaff, Wenge: „Was?! In Ulm gab´s ein KZ?“ Stuttgart. Eine (Ein)Führung. 17. Oktober: Mitarbeiter und Freunde des DZOK besuchen die KZ-Gedenk- 6. Dezember: Letzte Sonntagsfüh- stätte Leonberg. Erfahrungsaustausch rung vor der Winterschließung. zwischen den beiden Vereinen. 9. Dezember: „Ulm 1933. Die Anfänge 18. Oktober bis 20. November: der NS-Diktatur“. Buchvorstellung von Ausstellung im HdB Ulm: „Antisemi- Rudi Kübler, 20 Uhr, vh Ulm. tismus? Anitzionismus? Israelkritik?“. 17. Dezember: Büchse 13: Treffen In Zusammenarbeit mit dem Arbeits- der Mitarbeiter und Freunde des kreis 27. Januar, der Deutsch-Israe- DZOK zum Jahresausklang. lischen Gesellschaft Ulm/Neu-Ulm, dem Dokumentationszentrum Oberer Kulturnacht in der Gedenkstätte: Jugendführung. Kuhberg und der vh Ulm. (A-DZOK, 9/09; Foto: N. Wenge) Erste Sonntagsführung nach der 19.-21. Oktober: Gedenkstättenpro- Pause am 31. Januar 2010 26. September: Fest der Kulturen auf jekt „Was geht mich Eure Geschichte dem Ulmer Marktplatz. Der Arbeits- an?“ mit der Kl. 8a der Stifter-Haupt- kreis Ulmer Menschenrechtsbildung schule-Ulm: und dem Stadtjugend- präsentiert seine Broschüre. ring Ulm e. V.

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Mitt51_18 25 01.11.2009, 19:17 Uhr +Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kü

Vorstandswahlen beim DZOK Otto-Elsässer-Weg umbenannt: Hilfe und Unterrichtseinheiten zur – Otto-Elsässer-Weg – AK Men- Ein Ulmer Schreibtischtäter ver- Menschenrechtsbildung anzubieten. schenrechte – Ausstellung Anti- liert öffentliche Ehrung Zum Arbeitskreis gehören neben dem semitismus? – Briefe aus Chicago Nach Otto Elsässer (1886-1961), DZOK Amnesty International Ulm, das – Lehrerseminar – Staatsarchiv Kirchenpfleger und FWG-Kommu- Behandlungszentrum für Folteropfer Sigmaringen – Archiveingang Fritz nalpolitiker, war 1978 ein Weg in der Ulm, der Flüchtlingsrat Ulm-Alb- Einstein – Schülerprojekt zum Söflinger Siedlung am Roten Berg Donau-Kreis e. V., die Kontaktstelle Gedenkbuch – Steine für Auschwitz benannt worden. Schon damals war für die ausländische Bürgerschaft – Gedenkstättenförderung – 70 bekannt, dass der honorige Bürger in Ulm, die Ulmer Volkshochschule, Jahre Grafeneck/Gedenkstätten- in der NS-Zeit nicht nur Parteimitglied die Ulmer DenkStätte Weiße Rose seminar zu NS-Krankenmorden/ war, sondern auch eine steile Kar- und UNICEF Ulm/Neu-Ulm. In einer Spur der Erinnerung/Denkmal der riere in der kommunalen Verwaltung Broschüre sind die Angebote nun Grauen Busse/27. Januar 2010 absolviert hatte (1937 Stadtkäm- zusammengefasst vorgestellt, die der – Buchankündigung Klopfer - merer, 1940-1942 Stellvertreter des Arbeitskreis dank einer Förderung Natzweiler-Struthof – Zeitgemäße NS-Oberbürgermeisters Friedrich durch den Europäischen Sozial- Bildungskonzepte – NPD-Publika- Foerster). Im Sommer diesen Jahres fonds den weiterführenden Schulen tion – Nachruf Prof. Utz Jeggle ging der Historiker Dr. Walter Wuttke in der Ulmer Weststadt zwischen mit neuen Details über die Verstri- September und Dezember 2009 ckungen Elsässers an die Öffentlich- kostenfrei anbietet. Für weitere Infor- keit: Elsässer hatte als Kämmerer die mationen verweisen wir auf die Web- Ausplünderung und Vertreibung der site des Arbeitskreises: www.ulmer- Vorstandswahlen beim DZOK: Ulmer Juden mitorganisiert und als menschenrechtsbildung.de (AL) Wolfgang Keck bleibt Erster Vor- Beauftragter für die Zwangsarbeiter sitzender in der Stadt die räumlichen Voraus- setzungen für Zwangsabtreibungen an polnischen und russischen Frauen geschaffen. Das Zwangsarbeiterllager Die Ausstellung „Antisemitismus? am Roten Berg lag in unmittelbarer Antizionismus? Israelkritik?“ … Nähe des nach Elsässer benannten … ist vom 18. Oktober bis zum 20. Wegs. Wuttke forderte deshalb eine November 2009 im Haus der Begeg- Straßenumbenennung und stieß nung Ulm zu sehen. Sie wurde von damit auf geteiltes Echo in der Ulmer Yad Vashem, Jerusalem und dem Bevölkerung, wie eine Leserbriefkon- Zentrum für Antisemitismusforschung, troverse in der Südwest Presse zeigte. Berlin entwickelt und vom Haus Wohl in Vermeidung einer langen der Begegnung in Zusammenarbeit Debatte ergriff Oberbürgermeister Ivo mit dem AK 27. Januar, der vh, der v.l.: Nicola Wenge, Myrah Adams, Martin König, Elke Reuther, Ulrich Klemm, Dagmar Orths, Gönner die Initiative und erklärte laut Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Hansjörg Greimel, Wolfgang Keck Pressemeldung vom 28. August, dass dem Doku-Zentrum nach Ulm geholt. (A-DZOK, 7/09; Foto: Ch. Loyal) der Name Elsässer negativ belastet Die Ausstellung beschäftigt sich mit sei und der Weg umbenannt werden zeitgenössischen Formen des Antise- müsse. Dieser Meinung schloss sich Am 3. Juli fand in der Ulmer vh die Mit- mitismus in Deutschland und Europa. der für Straßenumbenennungen gliederversammlung des DZOK statt, Anhand aktueller Beispiele - wie Kari- zuständige Ältestenrat an. Für den in diesem Jahr wieder mit Vorstands- katuren und Fotografien - zeigt sie, Nachfolgenamen kursieren derzeit wahlen. Mit großer Mehrheit wurde wie sich judenfeindliche Stereotypen verschiedene Vorschläge. Ein starkes dabei der erste Vorsitzende, Professor in verschiedenen gesellschaftlichen Signal der Verwaltung wäre es, den Dr. Wolfgang Keck, im Amt bestätigt. Gruppen bis heute gehalten haben Weg nach einem NS-Opfer vom Wieder gewählt wurden auch die bis- und gegenwärtig wieder neu aktuali- Roten Berg zu benennen. Das DZOK herigen Stellvertreter Hansjörg Greimel siert werden. (NW) steht für Beratungen in dieser Frage und Martin König. Als Kassiererin trat zur Verfügung. (NW) Ingrid Siegl nicht mehr zur Wahl an. Elke Reuther wurde zu ihrer Nachfol- gerin gewählt. Als Beisitzer verzichtete Ingo Bergmann auf eine Kandidatur. Der Film „Briefe aus Chicago“ bei Neu gewählte Beisitzerinnen sind den Biberacher Filmfestspielen! Myrah Adams, Dagmar Orths und DZOK im Arbeitskreis Menschen- Der Film „Briefe aus Chicago“ der Ingrid Siegl. Bestätigt wurden als rechtsbildung Ulm Ulmer Filmemacherin Sibylle Tiede- Beisitzer Prof. Dr. Ulrich Klemm und Der Arbeitskreis entstand 2008 als mann hatte vor genau einem Jahr, Wolfgang Traub. (NW) Zusammenschluss Ulmer Instituti- am 13. November, seine Premiere im onen, die langjährige Erfahrungen im Ulmer Stadthaus. Er handelt von dem Umgang mit dem Thema Menschen- aus Ulm stammenden jüdischen Ehe- rechte haben und dadurch in der Lage paar Lore und Gustav Frank, die vor sind, fachlichen Rat, organisatorische der Nazi-Verfolgung in letzter Minute

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Das Lehrer-Seminar „Politische Das Tagebuch der Mutter des Verfolgung und Widerstand im kleinen Fritz Salomon Einstein … NS“ … … über die ersten beiden Lebensjahre … orientiert sich am Beispiel des ihres Sohnes in Ulm kam in diesem frühen Konzentrationslagers Oberer Sommer in Kopie ins DZOK-Archiv. Kuhberg. Das seit 1992 - nunmehr zum Das bis dahin in Ulm noch unbekannte 13. Mal - in Kooperation zwischen der Tagebuch beschreibt auf 22 Seiten Landeszentrale für politische Bildung liebevoll die Entwicklungsschritte und dem Doku-Zentrum durchge- eines der letzten jüdischen Kinder, das führte Seminar ist für LehrerInnen aller in Ulm vor dem Holocaust geboren Schultypen geeignet und soll sie dazu wurde. Das Tagebuch enthält nicht nur einladen, einen Gedenkstättenbesuch private Kindheitsbeobachtungen und in ihren Unterricht einzubauen. Der zahlreiche Alltagsfotos, sondern auch nächste Termin: Do./Fr. 25.-26. März. einen detaillierten Bericht über die Ver- Anmeldung ab sofort im DZOK oder haftung des Vaters am 9. November bei: [email protected]. Tel. 1939 und die mühsame Vorbereitung 07125-152 148. Ein eigener Flyer wird der Emigration der Familie in die USA, Hochzeit 1941 von Gustav und Lore Frank geb. bei Bedarf zugeschickt. (NW) die am 26. November 1939 glückte. Hirsch in Chicago (Foto: S. Tiedemann) Bei der Gedenkveranstaltung des DZOK am 9. November um 20.00 Uhr in der Büchsengasse werden Teile des Das Staatsarchiv Sigmaringen … Tagebuchs vorgelesen. (NW) fliehen konnten und bis vor wenigen erschließt im Rahmen eines Groß- Jahren zusammen in Chicago lebten. projekts Entnazifizierungsakten aus Gustav ist verstorben, nun lebt Lore Württemberg-Hohenzollern. Der Auch das erste Schülerprojekt auf Frank – in der Nähe ihrer Tochter Gesamtbestand wird seit 2008 elek- Grundlage des Gedenkbuchs für die – allein in einem Altenheim. Der Film tronisch erfasst und schrittweite ins Ulmer Opfer des Holocaust von war in enger Kooperation mit dem Internet gestellt. Aktuell sind knapp Ingo Bergmann wird am 9. November Doku-Zentrum zustande gekommen, 23 000 Akten per Mausklick einzu- im Doku-Zentrum präsentiert. Hier ein nachdem Sibylle Tiedemann als sehen unter http://www.landesarchiv- Bericht des Lehrers Simon Leinmüller Person und mit all ihren Filmen ( bw.de/web/entnazifizierungsakten_ zu den Hintergründen der Schülerar- beginnend mit „Kinderland ist abge- im_internet__erschlossen/50572. beit: brannt“) dem DZOK eng verbunden Aber Vorsicht: Die Entnazifizierungs- „Das äußerst gelungene Gedenk- war und ist. Da Gustav Frank über akten müssen kritisch interpretiert buch Ingo Bergmanns war für mich Jahrzehnte auch als Fotograf arbei- werden, spiegeln die Fragebögen und Anlass, das Thema Nationalsozia- tete, zeigte Sibylle Tiedemann ab 23. die Zeugenaussagen doch vielfach lismus im Unterricht einmal etwas Oktober auch eine Ausstellung mit 50 die zeitgenössischen Entlastungs- anders anzugehen, lebensnaher und ausgewählten Fotografien aus Ulm vor und Verteidigungsstrategien. Zudem anschaulicher. Mit der Klasse 9a der und nach dem Krieg, sowie den USA beschränkte sich im französisch Bühlrealschule Dornstadt wurde als 1940 bis 1977 im Ulmer Künstlerhaus. besetzte Württemberg-Hohenzollern erster Teil zunächst der historische (Ausstellung und Film sind bei Inter- die Entnazifizierung auf bestimmte Hintergrund des Zeitraumes 1933-45 esse über [email protected] Berufsgruppen (z. B. Pfarrer, Jour- als Grundlage erarbeitet, anschlie- zu buchen). Nun wurde sie mit „Briefe nalisten) und auf Personen des ßend beschäftigten sich die Schüle- aus Chicago“ zum Wettbewerb öffentlichen Lebens. Anders im rinnen und Schülern im zweiten Teil „Dokumentarfilme“ bei den Biberacher amerikanisch besetzten Ulm. Hier in Gruppenarbeit mit den Biografien Filmfestspielen, die von 28. Oktober bearbeitete die Spruchkammer über jüdischer Bürger Ulms. Ziel war dabei bis 1. November zum 31. Mal in 101 000 Fragebögen, die jeder Bürger die Planung eines Stadtrundgangs Biberach stattfanden, eingeladen. (Bei über 18 Jahren ausfüllen musste. durch Ulm, dessen verschiedene Sta- Redaktionsschluss der Mitteilungen Die Akten der Ulmer Spruchkammer tionen Wohn- und Geschäftshäuser war noch nicht bekannt, mit welchem lagern im Staatsarchiv Ludwigsburg, dieser Bürger. Dieser Stadtrundgang Ergebnis …) Festival-Gründer und das die Entnazifizierungsakten mit wurde anschließend von der Klasse -Direktor bis heute, Adrian Kutter, Online-Findmitteln ebenfalls relativ selbstständig durchgeführt, wobei wertete den Film bei seiner Einladung nutzerfreundlich aufbereitet hat. Bei an den Stationen jeweils fünf- bis so: „Es ist ein unschätzbares Stück aller geratenen Vorsicht ist es daher zehnminütige Präsentationen von Zeitgeschichte über zwei ebenso absehbar - und natürlich auch wün- Schülern gehalten wurden. Der dritte unschätzbare Zeitzeugen, die gera- schenswert -, dass in nicht allzu ferner Teil des Projektes war die Gestaltung dezu „wunderbar“ unverkrampft und Zukunft die Entnazifizierungsakten einer Ausstellung im Schulhaus zu heiter mit ihrer Ulmer Vergangenheit auch für interessierte Laien eine dem Buch. Diese wurde schrittweise umgehen. Und die Bilder von Gustav äußerst wichtige und viel frequentierte durchgeführt, um Neugier und Span- Frank sind unglaublich!“ Quelle darstellen werden. (NW) nung aufzubauen. Anfangs hingen im Schulhaus nur einige Plakate mit der Aufschrift „Und erinnere dich immer an

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mich“, was bei Schülern und Lehrern der Gedenkstätten und Gedenkstät- Schon im Juni 2009 beschäftigte sich manche Spekulation hervorrief. An teninitiativen. Neu ist zum einen eine das 51. bundesweite Gedenkstät- den folgenden Tagen kam jeweils ein beschreibende Charakteristik der tenseminar schwerpunktmäßig mit weiterer Baustein dazu, zuerst Foto- Gedenk- und Erinnerungsstätten, die den NS-Krankenmorden. Eine Reihe grafien, dann Namen, Lebensdaten auch den Geltungsbereich umreißt. hochkarätiger Referenten diskutierte und Wohnsitze in Ulm. Als vorläufiger Neu sind außerdem die Förderung mit ca. 70 Teilnehmern im Haus auf Abschluss des Projektes standen die von Angeboten der historisch-politi- der Alb in Bad Urach die „Eutha- Ausstellung mit allen Ergebnissen schen Bildung und von bedeutenden nasie“ im ideengeschichtlichen und sowie ein selbst gestalteter Gedenk- Einzel- und Gemeinschaftsprojekten. biopolitischen Kontext des 19. und stein der Klasse für den Gedenkhügel Erstmalig schriftlich fixiert wurde 20. Jahrhunderts. Die Gedenkstätte bei Auschwitz. Durch die projektorien- schließlich auch die Sicherung der Grafeneck bildete am zweiten Tag das tierte Ausrichtung mit lokalgeschicht- wissenschaftlichen Grundlagenfor- Zentrum der Veranstaltung. Der dritte lichem Bezug und die für die Schüler schung. (NW) Seminartag war durch die Diskussion sehr bedeutsame Thematik haben die um Formen des Gedenkens und Schüler viele Inhalte gelernt, verinner- der Aufarbeitung geprägt. Getragen licht und waren zum Teil persönlich wurde das Seminar von der Landes- sehr betroffen. Geschichte hat für die 70 Jahre Grafeneck / Gedenkstät- zentrale für politische Bildung Baden- Schüler Gesichter, Lebenswege und tenseminar zu NS-Krankenmorden Württemberg. / Spur der Erinnerung / Denkmal Schicksale in Ulm bekommen.“ Mitte Oktober wurde dann im der Grauen Busse in Stuttgart / 27. württembergischen Raum die groß Januar 2010 in Ulm angelegte Gedenkaktion „Spur der Aktion für Schulklassen: Steine für Im Oktober 1939, vor 70 Jahren, Erinnerung“ durchgeführt. Vom Gedenkhügel bei Auschwitz wurde die Behinderteneinrichtung 13.-16. Oktober zogen hunderte von Grafeneck des evangelischen Sama- Menschen eine violette Farbspur vom riterstifts auf der Schwäbischen Alb Tatort Grafeneck zum regionalen Pla- „für Zwecke des Reichs“ beschlag- nungsort in Stuttgart am Karlsplatz, nahmt und von den NS-Behörden um so öffentlich auf die Beteiligung zum ersten Tötungszentrum für der Landesbehörden an der NS- psychisch Kranke und Behinderte „Euthanasie“ hinzuweisen. Zahlreiche umgewandelt. SS-Ärzte ermordeten Initiativen in den angrenzenden hier - im Rahmen der „Aktion T4“ Gemeinden und Städten begleiteten – von Januar 1940 bis Dezember die Aktion. Initiiert wurde das Projekt 1940 zwischen 10.500 und 11.000 vom Arbeitskreis „Euthanasie“ der Foto: lpb, I. Ruebner Menschen in einer Gaskammer auf Initiativen Stolpersteine für Stuttgart Auf Initiative des Bürgermeisters dem Gelände. Die Opfer stammten und den AnStiftern. Am Mittwoch, von Oswiecim (der von den Deut- aus Krankenanstalten und Heimen dem 14.10.2009, wurde auch das schen „Auschwitz“ genannten Stadt vor allem aus Baden, Württemberg transportable Denkmal der Grauen in Südwest-Polen), Janusz Mars- und Bayern. Unter ihnen waren auch Busse der Künstler Horst Hoheisel & zalek, wurde vor einiger Zeit damit 58 namentlich bekannte Ulmerinnen Andreas Knitz auf dem Schlossplatz in begonnen, für einen Gedenk- und und Ulmer. Sie wurden mit grauen Stuttgart aufgestellt, das nachdrücklich Versöhnungshügel in der Nähe des Bussen der eigens dafür gegründeten an den Patientenmord in Grafeneck ehemaligen KZ Auschwitz Steine zu (GEKRAT Gemeinnützige Kranken- erinnert. Genauere Informationen zu sammeln. Auf dem Gipfel eines auf- transport GmbH) nach Grafeneck den beiden Gedenkformen findet man geschütteten künstlichen Bergs sollen gebracht und hier direkt getötet. unter www.spur-der-erinnerung.de/ Steine aus aller Welt und ein Denkmal Die zentrale Planungsstelle für den und www.dasdenkmaldergrauenbusse.de/. Krankenmord war der „Kanzlei des an die Opfer des Holocaust erinnern. In Ulm wird am 27. Januar 2010 die Führers“ zugeordnet und hatte ihren Auch in Baden-Württemberg wurden Auseinandersetzung mit der lokalen Sitz in Berlin in der Tiergartenstraße hierfür Steine zusammengetragen. Dimension der Patientenmorde 4; die als „Euthanasie“ verschleierten Das Ulmer Doku-Zentrum hatte die im Mittelpunkt stehen. Neben der Patientenmorde wären aber ohne die Aktion für die Region Ulm koordiniert. klassischen Gedenkfeier am frühen Mitwirkung des Innenministeriums in Über die Landeszentrale für politische Nachmittag in der KZ-Gedenkstätte Stuttgart, der kommunalen Behörden Bildung in Stuttgart reiste im Juli eine und der Abendveranstaltung im und Wohlfahrtsverbände nicht möglich Schülergruppe nach Auschwitz, um Stadthaus ist am späten Nachmittag gewesen. Nach Jahrzehnten belas- die Steine zu übergeben. (NW) eine Gedenkaktion von behinderten tender Tabuisierung und verweigerter und nichtbehinderten Menschen auf rechtlicher Anerkennung dieser Opfer- dem Münsterplatz geplant. Öffentlich gruppe als Verfolgter des NS-Regimes Die neuen Grundsätze der – im Herzen der Stadt – wird dabei ist es umso wichtiger, dass sich 70 Gedenkstättenförderung 2010 des an die 58 Menschen erinnert, die von Jahre nach den „Euthanasiemorden“ Landes BW … der Ulmer Anstalt „Oberer Riedhof“ Menschen auf verschiedenen Ebenen … liegen vor, überarbeitet von der nach Grafeneck in den Tod geschickt – auch in der Region – mit dem Thema Landeszentrale für politische Bildung wurden. Das Kunst-/-Theaterprojekt und der Landesarbeitsgemeinschaft auseinandersetzen.

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setzt zugleich ein Signal, dass jeder Neuerscheinung der beiden Politologen und Mitarbeiter Mensch unabhängig von seinem Das KZ Natzweiler-Struthof und seine am Moses Mendelssohn Zentrum Hintergrund und Gesundheitszustand Außenlager in Baden-Württemberg. für europäisch-jüdische Studien der wertvoll und wichtig ist. Organisiert Eine Handreichung zum Besuch der Universität Potsdam ist eine knappe wird dieses Projekt vom DZOK in Gedenkstätten Einführung in die Geschichte und Kooperation mit dem AK 27. Januar, Im Gesamtkomplex des KZ Natz- Gegenwart der NPD. Der Band ver- der Kreativ-Werkstatt des Tannenhofs, weiler-Struthof in den Vogesen und einigt verschiedene aktuelle Studien der Gustav-Werner-Schule und dem seiner Außenlager im Land waren und Berichte zu einzelnen Aspekten Scholl-Gymnasium. Die Einladung zu über fünfzigtausend Menschen der der Geschichte, Programmatik und den Veranstaltungen mit genaueren „Vernichtung durch Arbeit“ ausge- politischen Praxis der rechtsex- Informationen folgt. (NW) setzt. Eine Autorengruppe hat die tremen Nationaldemokratischen Partei Geschichte für die deutschspra- Deutschlands (NPD) und des sie chigen Besucher der Gedenkstätte umgebenden politischen Milieus. Die „Le Struthof“ in Natzweiler aufbereitet Erfahrungen der vergangenen Jahr- Buchankündigung und mit wertvollen didaktischen und zehnte zeigen, dass man mit der Exis- Dr. Klopfer: vom Zentrum der Nazi- praktischen Hinweisen versehen. Die tenz einer „Nationalen Opposition“, Macht ins Nachkriegs-Ulm gut gegliederte 58-seitige Publikation einer rechtsextremen und fundamen- Demnächst erscheint ein neues erschien beim Fachbereich Gedenk- taloppositionellen Strömung in der DZOK-Buch stättenarbeit der Landeszentrale für politischen Kultur der Bundesrepublik Dr. Gerhard Klopfer (1905 bis 1987), politische Bildung Baden-Württem- auch künftig rechnen muss. Der Band Jurist, gebürtiger Schlesier, begann berg. Sie verbindet die Darstellung des eignet sich als Grundlagenlektüre zum 1933 seinen Atem beraubenden Auf- Stammlagers im Elsass mit denen der „Einstieg“ in das Thema und bietet stieg in die oberste Funktionselite der Außenlager in Baden, Württemberg sich auch für die Bildungsarbeit an. NSDAP. Die Karriere erreichte 1942 und Hohenzollern. Durch die parallele Der Mitautor Christoph Kopke ist seit ihren Höhepunkt in der Ernennung Gliederung von Besucherguide und vielen Jahren Mitglied im DZOK und zum Staatssekretär in der von Martin beigefügter CD, die vertiefende Bilder, hat zuletzt über die Bücherverbren- Bormann geleiteten Parteikanzlei der Texte und Audiofiles enthält, lassen nung in Ulm und Laupheim publiziert. NSDAP. Von Klopfer ging wohl direkt sich leicht alters- und schultypenspe- Das Buch ist ebenfalls in der Bibliothek keines der NS-Verbrechen aus, aber zifische Rundgänge zusammenstellen. des DZOK erhältlich und kostet 9,80 er war ein höchst effektiver Kommuni- Die Publikation kann im Internet oder Euro. (UK) kator zwischen Hitler/Partei einerseits bei der Landeszentrale für politische und vielen Ministerien des NS-Staates Bildung bezogen werden. Der Preis andererseits. In dieser Rolle nahm er beträgt 6 Euro zzgl. Porto. (NW) Zum Tod von Prof. Dr. Utz Jeggle auch an der „Wannsee-Konferenz“ Am 16. September diesen Jahres teil, als deren letzter noch lebender starb nach langer Krankheit der Teilnehmer er 1987 in Ulm verstarb. Zeitgemäße Bildungskonzepte zu weit über die Landesgrenzen hinaus Bei seinem Tod lag eine 30-jährige Nationalsozialismus und Holo- bekannte Kulturwissenschaftler Utz Berufskarriere als Rechtsanwalt in Ulm caust … Jeggle. Schon mit seiner Weg wei- hinter ihm. Vernommen von Robert … war nicht nur der Titel eines senden Dissertation „Judendörfer in Kempner 1946 bei den „Nürnberger „Fachtages“ am 9. Oktober 2008 in Württemberg“ von 1969 hatte er Stan- Prozessen“, also einem Gericht der Stuttgart, der von dem Stuttgarter dards gesetzt, die von der übrigen Alliierten, überstand er danach auch Jugendhaus und der Landeszentrale Forschung erst Jahrzehnte später ein Spruchkammer-Verfahren in deut- für politische Bildung durchgeführt aufgegriffen wurden. Mit seiner Habi- scher Regie ohne große Blessuren … und im letzten Mitteilungsblatt vorge- litationsschrift über das Dorf Kiebingen Die Biografie ist die leicht bearbeitete stellt wurde. So heißt nun auch die aus dem Jahr 1977 begründete er Fassung einer Magisterarbeit des aus Broschüre, die jüngst auf Grundlage – ebenfalls eine Pionierleistung – die Ulm stammenden Markus Heckmann, der am Fachtag gehaltenen Vorträge kritische NS-Heimatforschung, die die 2006 an der Berliner Humboldt- herausgegeben wurde. Die Publika- alte volkskundliche Vorstellungen von Universität bei Heinrich August tion – über die Bibliothek des DZOK Dorf und Brauchtum gegen den Strich Winkler entstanden war. Das Buch kostenlos zu beziehen – gibt einen bürstete. Doch Jeggle, ein Schüler wird für das DZOK redaktionell betreut guten Überblick über neue Vermitt- Hermann Bausingers, war nicht nur von Silvester Lechner und erscheint lungsansätze der Gedenkstätten- ein brillanter Denker und Universitäts- im Verlag „Klemm und Oelschläger“. arbeit in Baden-Württemberg. Zur lehrer am Ludwig-Uhland-Institut der Es wird voraussichtlich 12,80 € kosten Entwicklung der KZ-Gedenkstätte Universität Tübingen. Er hat sich auch und ca. 120 Seiten umfassen. Dort am Kuhberg informieren anschaulich an vielen Orten mit früheren jüdischen waren 2007 und 2008 für das DZOK Silvester Lechner, Annette Lein und Gemeinden tatkräftig engagiert, zum schon die Lebenserinnerungen von Stefan Vogt. (NW) Beispiel in Hechingen, Baisingen und Hans Lebrecht („Gekrümmte Wege, Tübingen, wo er lokale Forschungen doch ein Ziel“) und von Roman Sobko- anregte und mit großer Energie wiak („Eindeutschungsfähig!?“) heraus Was man über die NPD wissen begleitete. Die Trauerfeier für Prof. Utz gekommen. muss! Jeggle fand am 26. September in der Vorbestellungen ab sofort. (SL) Das soeben erschienene Taschenbuch Tübinger Martinskirche statt. (NW)

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Abschied von der Dorfidylle (Stuttgart) und das deutsche Land- begrenzt. Der ländliche Raum, die wirtschaftsmuseum (Hohenheim) Kleinstadt und das Dorf waren keine Landesstelle für Museumsbe- legen mit diesem Band eine äußerst Reservate. Der Faschismus okkupierte treuung Baden-Württemberg/ interessante Dokumentation und mit derselben Wucht und mit derselben Arbeitsgemeinschaft der sieben regi- Analyse ländlicher Verhältnisse für Barbarei die Provinz. Auch wenn sich onalen ländlichen Freilichtmuseen in den Zeitraum von 1933 bis 1945 vor. die Sozialstruktur und die Sozialpsy- Baden-Württemberg (Hrsg.): Der reich bebilderte Sammelband chologie des ländliches Raumes von Dorf unterm Hakenkreuz. Diktatur ist dabei der Begleitkatalog zur Aus- Ballungsräumen unterscheiden und auf dem Land im deutschen Süd- stellung „Dorf unterm Hakenkreuz“, im Detail die Mechanismen der Macht- westen 1933 bis 1945. Ulm: Süd- die von März bis November 2009 übernahme anders verliefen, waren deutsche Verlagsgesellschaft im Jan in den regionalen Bauernmuseen die Ergebnisse identisch. Ein Beispiel: Thorbecke Verlag 2009, 175 Seiten, Baden-Württembergs gezeigt wurde. In der oberschwäbischen Kleinstadt 16,90 €; auch im DZOK, Büchsen- Aus den unterschiedlichen Regionen Laupheim, ca. 20 Kilometer südwest- gasse 13, erhältlich. – Odenwald, Schwarzwald, Schwäbi- lich von Ulm und eine der größten sche Alb, Hohenlohe, Oberschwaben, jüdischen Gemeinden in Württemberg Obgleich der ländliche Raum seit den Allgäu – werden beispielhaft für diese mit etwa 240 Juden 1933, lebten 1980er Jahren wieder stärker in das Gegenden in den Freilichtmuseen über 200 Jahre Juden und Christen Bewusstsein rückt und er seitdem unterschiedliche Themenfelder in in friedlicher Koexistenz und prägten sowohl kulturell als auch politisch Form von konkreten Schicksalen und gemeinsam die Stadtkultur. Laupheim und wirtschaftlich größere Beachtung Ereignissen herausgegriffen. Folgende war auch keine Hochburg der NSDAP findet, ist die Zeit des Nationalsozi- Themen werden dabei in dem Band in - dominant war im März 1933 die Zen- alismus ein weißer Fleck geblieben. separaten und unterschiedlich struktu- trumspartei mit 45,1%. Und trotzdem Die Signale, die vor 20 Jahren sehr rierten Beiträgen bearbeitet und in den fand in Laupheim 1933 auch eine deutlich vor allem aus dem Kul- entsprechenden Museen dargestellt: Bücherverbrennung statt (wird in dem turbetrieb kamen, wurden von der Kinderlandverschickung (Odenwälder Beitrag von Cornelia Hecht jedoch Wissenschaft und der Gesellschaft in Freilandmuseum Walldürn-Gotters- nicht erwähnt; vgl. dazu Christoph weiten Teilen überhört. Eindrucksvoll dorf), Kindheit und Jugend (Frei- Kopke in: Schoeps/Tress (Hg.): Orte schildert beispielsweise die Filmtrio- lichtmuseum Neuhausen ob Eck), der Bücherverbrennung in Deutsch- logie „Heimat“ von Edgar Reitz (1984) Landwirtschaft im Spannungsfeld land 1933. 2008, S. 570-573), wurden den Nationalsozialismus in einem von Ideologie und wirtschaftlichen Juden sofort 1933 ausgegrenzt, an fiktiven hessischen Dorf und in ihrem Anforderungen (Oberschwäbisches den Pranger gestellt und boykottiert. Bestseller „Herbstmilch“ (1984), der Museumsdorf Kürnbach), eine Bau- Auch haben sich Laupheimer Unter- die Literaturgattung der bäuerlichen ernkarriere im Nationalsozialismus nehmer 1933 sehr schnell öffentlich Lebenserinnerung in den 1980er (Hohenloher Freilandmuseum), Juden von jüdischen Kunden distanziert. In Jahren popularisierte, spricht die Bäu- in Laupheim (Haus der Geschichte einer Anzeige in der lokalen Presse erin Anna Wimschneider auf wenigen Baden-Württemberg), Mädchenalltag schrieb ein Friseur: „… erkläre ich Seiten alle Themen des nationalsozia- (Freilichtmuseum Beuren), Krieg in hiermit öffentlich, daß Juden in listischen Terrors im ländlichen Raum der Heimat (Schwarzwälder Freilicht- meinem Geschäft nicht erwünscht an: Schikanen der SA, Verschleppung museum Vogtsbauernhof), Zwangsar- sind … Josef Locherer, Herren- und von Sozialdemokraten und Kom- beiter (Bauernhaus-Museum Wolfegg), Damenfriseur …“. Und auch in der so munisten in Konzentrationslager, die Mechanisierung der Landwirtschaft genannten Reichsprogramnacht 1938 schnelle Wandlung von Nachbarn zu (Deutsches Landwirtschaftsmuseum brannte die Laupheimer Synagoge bis Helfern des Systems, Zwangssterilisa- Hohenheim). Die Beiträge sind essay- auf die Grundmauern ab und die erste tion, Umgang mit jüdischen Bürgern, istisch geschrieben und fundiert mit Deportation Laupheimer Juden nach Hitlerbild statt Christuskreuz in den einem wissenschaftlichen Quellenap- Riga fand am 28. November 1941 Bauernhäusern und die „Aufarbei- parat. Sie sind Momentaufnahmen statt. tung“ nach 1945: „Die Hitlerbilder in und beschreiben am konkreten den Bauernhäuser waren dann auch Beispiel aus der jeweiligen Region Der ländliche Raum war weder nicht mehr da, eigentlich konnte sich punktuelle Ereignisse bzw. Schicksale. Schutzraum noch erfolgte die niemand erinnern, dass sie früher Eine Gesamtschau des ländlichen Machtergreifung ungleichzeitig. Die einmal in der Stube hingen...“ (Anna Raumes im Nationalsozialismus bietet „Berserkerwut in der Verneinung Wimschneider 1984, S. 81). der Band nicht - will er auch gar nicht. anerkannter Werte der europäischen Was die Bäuerin Wimschneider hier Mit der Verbindung von Analyse, Tradition“ (Richard Löwenthal, 1946) aus ihrer Erinnerung 1984 anspricht, Dokumentation und Bildmaterial ist fand in Laupheim ebenso schnell erlebt mit dem Band der ländlichen der Ausstellungsband jedoch ein ide- und gnadenlos statt wie in Berlin oder Freilichtmuseen in Baden-Württem- aler Einstieg in das Thema und bietet München. Die Bürokratie des Terrors berg von 2009 erstmals eine breitere qualitativ hochwertige Facetten bzw. mit dem deutschen Beamtentum wissenschaftliche Aufarbeitung für Impulse. Er sensibilisiert für eine mar- funktionierte in Laupheim ebenso wie den Südwesten Deutschlands. Die ginalisierte Heimatgeschichte. in Großstädten und die individuellen sieben baden-württembergischen Der „Kult der Unvernunft“ (Ber- Exzesse neuer Nazi-Repräsentanten Freilichtmuseen sowie das Haus der trand Russel, 1935) des deutschen gegen Juden waren in Laupheim nicht Geschichte Baden-Württemberg Faschismus war nicht auf die Städte anders als anderswo.

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Der Band nimmt die Illusion von einem Degen“. Die beiden Leiter der Gedenk- Ein besonderes Leseerlebnis ist das „anderen“ ländlichen Raum während stätte Deutscher Widerstand, seit im Anhang abgedruckte, vollstän- des Nationalsozialismus und signa- Jahren ausgewiesene Kenner Elsers, dige Protokoll des Verhörs durch die lisiert den Abschied von einer (nie legen mit ihrem Buch nun ein überaus Gestapo, das es dem Leser erlaubt, vorhandenen!) Dorfidylle. Das typi- lesenswertes Standardwerk vor. Das sich der Kraft der Selbstbehauptung sche „Stadt-Land-Gefälle“, das wir Buch ist wissenschaftlich anspruchs- dieses „Helden ohne Degen“ anzu- strukturell, ökonomisch und sozialpsy- voll, erzählerisch gelungen und nicht nähern. chologisch an vielen Stellen zwischen zuletzt gestalterisch ein Genuss. Nicht zuletzt soll die äußere Aufma- Ballungsräumen und dem ländlichen Mit leichter Hand und doch kritisch chung des Bandes gelobt werden, Umland bis heute vorfinden, hatte bringen die Autoren in ihr dichtes und das große, aber nicht zu große keine Konsequenzen bei der Machter- einfühlsam geschriebenes Lebensbild Format, das gediegene Papier, die greifung des Nationalsozialismus. Die den neuesten wissenschaftlichen zahlreichen Fotos und Faksimiles der „“ von Stadt und Land Stand ein. Es wird noch einmal Dokumente, die ganze Aufmachung funktionierte erschreckend schnell und erschreckend deutlich, wie Elsers sind ein weiterer Grund dieses Buch nachhaltig. Es wird deutlich, dass die Lebensgeschichte durch die NS-Pro- nicht nur zu lesen - die Anschaffung Sozialpsychologie des Dorfes, die die paganda, seine die Legendenbildung sei empfohlen. Tübinger Kulturwissenschaftler um im Lager fördernde Isolationshaft in Martin König Hermann Bausinger historisch immer den Konzentrationslagern Sachsen- wieder als „Not- und Terrorgemein- hausen und Dachau und wohl auch schaft“ analysierten, in besonderer durch die Projektionen seiner Mithäft- Weise im Zeitraum von 1933 bis linge - darunter auch Martin Niemöller Bücherverbrennung in Ulm und 1945 zum Tragen kam. Im Gegenteil: - verschüttet und verfälscht wurde. Laupheim Die kleinräumigen und „gläsernen“ Die Versuche der Familie Elsers, eine Sozialstrukturen des Dorfes erleich- öffentliche Korrektur zu erkämpfen, Julius H. Schoeps/Werner Tress (Hg.): terten in vielen Fällen die mentale gelang erst Ende der sechziger Jahre Orte der Bücherverbrennungen und physische Okkupation durch den mit der Entdeckung der Verhörpro- in Deutschland 1933. Hildesheim: Faschismus. Fazit: Ein lesenswerter, tokolle der Gestapo. Sie bleiben Georg Olms Verlag 2008, 848 Seiten, wichtiger und aufklärerischer Band. bis heute die Hauptquelle zu Elser, 24,80 €. Ulrich Klemm daran konnten auch die jahrelangen Recherchen der beiden Autoren Obgleich der Begriff der Bücherver- nichts ändern. Steinbach und Tuchel brennung durchaus Eingang in die beziehen jedoch noch wichtige neue Alltagssprache gefunden hat und auch Details aus Finanz- und Gerichtsakten mit einem barbarischen Akt der deut- Georg Elser ein. schen Faschismusdiktatur verbunden Doch wie erzählt man eine solche wird - in einem „Land der Dichter und Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Biographie? Die Autoren werden dem Denker“ (!), ist das konkrete Wissen Georg Elser. Berlin-Brandenburg: Problem, dass Elsers Leben nicht auf darum marginal und lückenhaft bzw. be.brawissenschaftsverlag 2008, 272 das Attentat reduziert werden kann, unklar. Seiten, 32,00 €. geschickt gerecht. Wie Zwiebelschalen Hier setzt der Band, herausgegeben legen sie verschiedene Dimensionen vom Moses Mendelssohn Zentrum Es gab in den letzten Jahren eine übereinander und verfolgen zuerst für europäisch-jüdische Studien an Fülle von Veröffentlichungen zu Georg seinen familiären und beruflichen Weg, der Universität Potsdam, an und bietet Elser, jenem Hitler-Attentäter aus wodurch nebenbei ein informativer erstmals einen differenzierten Über- Königsbronn bei Heidenheim, der Einblick in den Alltag der nichtbür- blick. In Einzeluntersuchungen zu 62 im November 1939 nach dem miss- gerlichen Bevölkerungsmehrheit der Städten können die Autorinnen und glückten Anschlag im Bürgerbräu- 1920er und 1930er Jahre entsteht. Autoren insgesamt 94 Bücherverbren- keller verhaftet und im April 1945 in Dann folgt die Darstellung des politi- nungen nachweisen, die im Zeitraum KZ Dachau ermordet wurde. Auch die schen Weges von Elser, dessen stille von März bis Oktober 1933 durchge- öffentliche Anerkennung ist in jüngster Konsequenz und Beharrlichkeit die führt wurden. Zeit enorm gewachsen: bis hin zur Autoren nicht nur bei der Attentats- Der Band kann belegen, dass die Würdigung durch eine Briefmarke und vorbereitung überzeugend in den Blick Bücherverbrennungen keine spon- der Einrichtung einer Forschungsstelle nehmen. Elsers Motivation, aber auch tanen Einzelaktionen waren, sondern und Gedenkstätte in Königsbronn. 24 seine Reflexion über sein „Scheitern“, Teil eines systematischen Plans zur Straßen sind in Deutschland nach ihm kann quellentechnisch ausschließlich Machtdurchsetzung des Nationalso- benannt. In Berlin wurde ihm sogar über das Verhör freigelegt werden zialismus 1933. In einem prägnanten 2008 ein Denkmal gesetzt: Durch die - was die Autoren vorsichtig und gut einleitenden Beitrag stellt Werner Tress Initiative der Ernst-Freiberger-Stiftung begründet tun. Breiten Raum nimmt die Phasen und Akteure der Bücher- wird Elser seit kurzem in zentraler Lage schließlich die Wirkungsgeschichte verbrennung dar und systematisiert die in der Nähe des Bundesinnenministe- seit 1945 ein. Auch hier gelingt den Ergebnisse der Einzelbeiträge sowie riums am Spreeufer in Berlin gedacht Autoren eine spannende, überzeu- der aktuellen Forschung. Bücherver- - als fünfte Büste der insgesamt zwölf gende Zusammenfassung, fundiert brennungen 1933 wurden sowohl von Personen umfassenden „Helden ohne und nicht überfrachtet. der Deutschen Studentenschaft (DSt)

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als auch von der Hitler-Jugend vor alle die gesammelten volksfremden semitismus-Forschung an der TU allem im Kontext der studentischen Flaggen (…) und die volksverder- Berlin. Sie umfasst den Zeitraum von „Aktion wider den undeutschen Geist“ benden Bücher und Schriften in der März 1933 bis zu jenem November initiiert, geplant und durchgeführt und reinigenden Glut des Feuers zu Asche 1936, in dem das „Columbia-Haus“, hatten ihren Höhepunkt am 10. Mai werden. (…) Die Jugend wünscht das ein KZ der SS, schließt und mit dem 1933. Aber auch vor und vor allem mit heißer Inbrunst“. Die Bücherver- neu errichteten KZ Sachsenhausen in nach diesem 10. Mai kam es bis brennung selbst wurde vom Ulmer Oranienburg eine neue, perfektionierte Oktober 1933 zu weiteren systema- HJ-Führer Eduard Mayer durchge- Ära des KZ-Systems beginnt. Das tischen Bücherverbrennungen. In der führt, zu dessen „Zuständigkeit“ auch Buch gliedert sich in fünf Hauptkapitel preußischen Rheinprovinz beispiels- Laupheim gehörte. Informationen und beschreibt zunächst die politische weise bekamen die Oberschulen über die verbrannten Bücher sowohl Situation der Reichshauptstadt bei am 19. Juli 1933 schulfrei um die in Ulm als auch in Laupheim konnte Beginn der NS-Zeit und die Entste- entsprechenden Bücher aus ihren von Kopke auf Grund der Quellenlage hung und erste Entwicklung des KZ- Schulbibliotheken auf dem Schulhof nicht recherchiert werden. Systems reichsweit. Im dritten Kapitel zu verbrennen. Nachgewiesen wurden Der Sammelband bietet mit seinen folgt die Skizzierung aller Berliner KZs. diese Aktionen bislang in Bad Kreuz- Beiträgen, die in der Regel pro Ort zwi- In den Kapiteln 4 und 5 wird auf den nach, Essen und Kleve. schen 3 und 16 Seiten Umfang haben Umgang der Justiz mit den KZ-Ver- Für den Ulmer Raum bearbeitet der - Berlin ist mit ca. 100 Seiten eine brechen, insbesondere in der Nach- aus Ulm stammende Politologe und Ausnahme - sowohl einen differen- kriegszeit, eingegangen, sowie auf die Mitarbeiter am Moses Mendelssohn zierten Überblick über Unterschiede heute bestehenden Gedenkorte. Zentrum für europäisch-jüdische und Gemeinsamkeiten bei den 94 Fazit: eine gründliche und wichtige Studien, Christoph Kopke, die Städte Bücherverbrennungen als auch einen Studie. Sie zeigt, dass in den vielfach Ulm (S. 764-770) und Laupheim (S. prägnanten Einblick in die Mikrostruk- vergessenen und als „nur Schutzhaft- 570-573). turen der Verbrennungen. Der Band ist lager“ verharmlosten „frühen Lagern“ Für Ulm sind seine zentralen Quellen einerseits ein Meilenstein in der For- die Entwicklung zu den Mordstätten das „Ulmer Tagblatt“ und der „Ulmer schung zur Bücherverbrennung 1933 im Krieg vorgezeichnet war. Sturm“. In den Ulmer Ratsproto- und andererseits aber auch „nur“ ein Silvester Lechner kollen und in anderen Unterlagen im Zwischenergebnis. Weitere, vor allem Stadtarchiv Ulm bzw. im Staatsarchiv lokale Detailstudien, stehen an. Ludwigsburg fanden sich keine Hin- Ulrich Klemm weise auf die Bücherverbrennung. Der „Ulmer Sturm“ berichtet von 6000 Fritz Bauer – Ein württembergi- Zuschauern auf dem Münsterplatz am scher KZ-Häftling 15. Juli 1933 bei der Bücherverbren- nung. Zuvor seien ca. 800 Jugend- Berliner Konzentrationslager Irmtrud Wojak: liche durch die Ulmer Innenstadt – zeitgleich mit dem KZ Kuhberg Fritz Bauer 1903 bis 1968. Eine gezogen und hätten im Anschluss Biographie. München: C. H. Beck an ihren Umzug die Verbrennung Irene Mayer-von Götz: 2009. 640 Seiten, € 34,00 €. auf dem Münsterplatz vollzogen. Die Terror im Zentrum der Macht. Die „Brandrede“ hielt der NSDAP-Orts- fünf Konzentrationslager in Berlin Neben Kurt Schumacher (1895-1952), gruppenleiter und Stadtrat Hermann 1933/34. Geschichte der Konzentra- seinem acht Jahre älteren politischen Freudenberger. Träger der Ulmer tionslager, 1933–1945, Bd. 9. Berlin: Vorbild, ist Fritz Bauer (1903 bis 1968) Bücherverbrennung war die HJ in Ver- Metropol 2008, 286 Seiten, 19,00 €. derjenige ehemalige Häftling der bindung mit der Scharnhorst-Jugend frühen württembergischen Konzentra- und dem Schüler-Bibelkreis, die sich In der im Berliner Metropol-Verlag tionslager, der sich größte Verdienste beide im Rahmen der Bücherverbren- seit 2001 erscheinenden Reihe um den Aufbau eines demokrati- nung in die HJ eingliedern ließen. „Geschichte der Konzentrationslager schen Deutschlands erworben hat. Am 22. Juli 1933 erfolgte in Laupheim, 1933 - 1945“ ist jetzt der Band 9 Beide verbindet nicht nur, dass sie ca. 20 km südlich von Ulm im ober- erschienen. Er greift am Beispiel Ber- in Stuttgart ansässige Sozialdemo- schwäbischen Umland gelegen, eine lins die Thematik der ersten drei und kraten waren, sondern auch, dass weitere Bücherverbrennung. Laup- des sechsten Bandes, nämlich die sie als entschiedene Gegner des heim war vor 1933 keine „Hochburg“ frühen Konzentrationslager in den NS- NS-Regimes gleich nach der Machtü- der NSDAP, hatte eine traditionsreiche Diktatur, wieder auf. Dort, wo der poli- bernahme in „Schutzhaft“ und d.h. ins jüdische Gemeinde mit 237 Mitglie- tische und kulturelle Widerstand am erste württembergische KZ auf dem dern und bei den Märzwahlen 1933 kompaktesten war, entstanden nach Heuberg kamen. Während allerdings war der Stimmenanteil des Zentrums der Machtübernahme im März 1933 bei Schumacher vielfach belegt ist, deutlich über dem der NSDAP. Im ca. 170 Folterstätten und elf Konzen- dass er anschließend während des Rahmen eines HJ-Treffens am 22. und trationslager der SA und SS. Sie waren gesamten Bestehens des KZ Oberer 23. Juli 1933 fand die Verbrennung über die ganze Stadt verteilt, der Terror Kuhberg dessen Häftling war, ist bei von Fahnen und Büchern statt. Der fand in aller Öffentlichkeit statt. Fritz Bauer durch Dokumente nur Laupheimer Kurier bemerkte dazu am Die Arbeit ist bei Wolfgang Benz gesichert, dass er um den 20. März 24. Juli 1933: „Voll Befriedigung sahen entstanden, am Zentrum für Anti- als Sozialdemokrat, der bis März 33

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Mitt51_18 32 01.11.2009, 19:17 Uhr cher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neu

am Stuttgarter Amtsgericht I Richter Stuttgart als erster und einziger Sohn Prozess von 1958 anknüpfend gewesen war, verhaftet und ins KZ (er hatte noch eine Schwester) einer – den Frankfurter Auschwitz-Prozess auf dem Heuberg gebracht wurde. bürgerlichen jüdischen Familie (S.31 (1963–1965) vor und realisierte ihn. Sicher scheint auch, dass er von ff) zur Welt, er wuchs zum Teil bei den In diesem Prozess wurden vor der dort mit einer Gruppe von anderen Großeltern Hirsch in Tübingen auf. internationalen Öffentlichkeit exempla- württembergischen Sozialdemokraten Fritz Bauer wurde nach dem Jura-Stu- rische NS-Verbrechen aus dem Kom- wohl im Oktober (?) 1933 ins Ulmer dium und der Promotion 1927 in Stutt- plex Auschwitz so offen gelegt, dass Außenlager vom Heuberg, das Gar- gart der jüngste Amtsrichter Deutsch- damit eine für die Bundesrepublik nisonsgefängnis in der Frauenstraße, lands, nachdem er zuvor schon dem neue Qualität der NS-Wahrnehmung kam. Ob er allerdings noch Häftling „republikanischen Richterbund“ und erreicht wurde - allerdings gegen den im KZ Oberer Kuhberg war, das ab der SPD beigetreten war. Er befreun- main-stream der deutschen Juristen Mitte November 1933 – u. a. von den dete sich mit Kurt Schumacher, unter und ihrer Institutionen. Frauenstraßen-Häftlingen – einge- dessen Einfluss er als Mitglied des Irmtrud Wojak beschreibt diese Leis- richtet wurde, ist durch Quellen nicht „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ tung Bauers, aber auch allgemein belegbar; es gibt keinen persönlichen einer der aktivsten Verteidiger der seinen Beitrag für den Aufbau einer Nachlass von Bauer. Sicher ist, dass er Republik in den Jahren vor 1933 in demokratischen und sozialen Justiz im Dezember 1933 aus der „Schutz- Stuttgart wurde. sowie für die Reform des politi- haft“ entlassen wurde. Irmtrud Wojak Nach der KZ-Zeit, während der er schen Strafrechts in Deutschland im behauptet im vorliegenden Werk, auch seinen Status als Beamter verlor Detail, eingebunden in den Kontext S. 113 ff, dass er aus dem KZ Oberer (April 1933) gab es für ihn, der die seiner Biografie und der allgemeinen Kuhberg entlassen worden sei. anhaltend zerstörerische Kraft des Geschichte. Das ist höchst informativ Wojak, die ihre wissenschaftliche NS-Systems durchschaute, nur das und sehr gut lesbar, wobei freilich Laufbahn am Frankfurter „Fritz-Bauer- Exil. 1949 kehrte er nach Deutschland manche Details etwas ungenau sind. Institut“ begonnen hat und nunmehr zurück und wurde schließlich 1956 Dennoch: eine eindrucksvolle Würdi- Leiterin des künftigen Münchner NS- hessischer Generalstaatsanwalt in gung eines Menschen, der sich um Dokumentationszentrums ist, hat über . die politische Kultur der Bundesrepu- Bauer promoviert und nun die erste In dieser Funktion, die er bis zu blik wie wenige Juristen seiner Zeit umfassende Biografie vorgelegt. seinem Tod 1968 ausübte, bereitete verdient gemacht hat. Fritz Bauer kam am 16. Juli 1903 in er – an den Ulmer Einsatzkommando- Silvester Lechner

Lesenswert!

DZOK (Hg.): Ulm – die KZ-Gedenkstätte und der Nationalsozialismus. Festschrift zur Verabschiedung von Silvester Lechner in den Ruhestand. Münster u. Ulm: Verlag Klemm & Oel- schläger, 184 Seiten, 17,80 Euro

Die jüngste Publikation des DZOK ist eine Bestandsaufnahme der beson- deren Art: Sie bietet ein breites Text- spektrum der persönlichen, politischen und wissenschaftlichen Wegbegleiter von Silvester Lechner, die diese zu seiner Verabschiedung in den Ruhe- DZOK in seiner 19-jährigen Tätigkeit Autorinnen und Autoren würdigen Sil- stand verfassten. Heraus kam ein viel- weit über Ulm hinaus einen überregio- vester Lechners Leistungen vielmehr fältiger und ideenreicher Sammelband, nalen und internationalen Ruf erwarb. höchst lebendig und bieten ein klares der Beiträge von 33 Autor/-innen aus Dabei macht die Verbindung aus und unmissverständliches Bekenntnis der Wissenschaft, Politik, Verwaltung, persönlichen Grußworten und analy- gegen Rechtsextremismus, für eine Medien, aus Bürgerbewegungen und tischen Stellungnahmen, aus klugen Aufarbeitung des Nationalsozialismus aus der Gedenkstättenarbeit zusam- Beobachtungen und emotionaler und für eine streitbare Demokratie, die menführt. Die Artikel beschäftigen sich Rückschau dieses Buch zu einem sich ihrer Geschichte ebenso stellt wie mit den Themen Nationalsozialismus, einzigartigen Lesestoff. Nie befällt ihrer Gegenwart. Die Botschaft des Rechtsextremismus, KZ-Gedenk- einen bei der Lektüre das Gefühl, Buchs: Mehr Mut und mehr Demo- stätten, Zeitzeugen – und mit Ulm. einen verstaubten Schubladentext vor kratie! steht ganz im Einklang mit Sil- Sie umreißen jene Arbeitsbereiche, mit sich zu haben, worunter so manche vester Lechners Lebenswerk. denen Silvester Lechner sich und dem akademische Festschrift krankt. Die Nicola Wenge

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Mitt51_18 33 01.11.2009, 19:17 Uhr Veröffentlichungen des DZOK

DZOK-Manuskripte Sonderveröffentlichungen

Bd. 1: Ulmer Geschichtswerkstatt zur NS- „… daß es so etwas gibt, wo man Menschen einsperrt …“. Zeit (Hg.), Das KZ Oberer Kuhberg bei Ulm. Die „Hitlerjugend“ am Beispiel der Ein Film von Bernhard Häusle und Siegi Jonas. Region Ulm/Neu-Ulm. Ein Aspekt im Stuttgart 1995, 33 Min., 18 € Umfeld der „Weißen Rose“, 1942/43. Eine kommentierte Dokumenten- und Materia- „Ich bin ja jetzt der Letzte …“ lien-Sammlung, Arbeiterkultur – Jugendwiderstand – Konzentrationslager. 6. Aufl. 2004, 170 S., 10 €. Hans Gasparitsch, geboren 1918 in Stuttgart, erzählt. Ein Film von Silvester Lechner und Roland Barth. Ulm 1999, Bd. 2: Claudia Dauerer, VHS-Video, 40 Min., 25 € Alfred Moos, ein Ulmer Jude auf der Flucht vor dem NS-Staat. Ein Beitrag zur Silvester Lechner (Hrsg.): deutschen Emigration nach Palästina. Die Kraft, nein zu sagen. Zeitzeugenberichte, Dokumente, Materi- Ulm 1995, 2. Aufl. ,150 S., 8 €. alien zu Kurt Schumachers 100. Geburtstag. Ulm (DZOK) 1995, 80 S., 10 € (vergriffen) Bd. 3: Silvester Lechner (Hg.), Schönes, schreckliches Ulm. 130 Markus Kienle: Berichte ehemaliger polnischer Gotteszell – das frühe Konzentrationslager für Frauen in Württem- Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- berg. Die Schutzhaftabteilung im Frauengefängnis Gotteszell in Schwä- beiter, die in den Jahren 1940 bis 1945 bisch Gmünd. in die Region Ulm/Neu-Ulm verschleppt Ulm (Klemm & Oelschläger) 2002, 90 S.,12 € worden waren, 2. Aufl. 1997, 420 S., 20 €. Markus Kienle: (Zur Zeit vergriffen!) Das Konzentrationslager Heuberg bei Stetten am kalten Markt. Ulm (Klemm & Oelschläger) 1998; Bd. 4: Silvester Lechner, 220 S., 50 Abb., 10 € Ulm im Nationalsozialismus. Stadt- führer auf den Spuren des Regimes, der Vorstand Stiftung Erinnerung Ulm (Hrsg.): Verfolgten, des Widerstands. Die Stiftung Erinnerung Ulm – Ulm 1997, 120 S., 8 €. für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde. (Zur Zeit vergriffen!) Ihre Gründung, ihr Zweck, ihre Ziele. Ulm 2004; 64 S., 22 Abb., 10 € Bd. 5: Myrah Adams, Die Würde des Menschen ist unan- Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar (Hrsg.): tastbar. Das KZ Oberer Kuhberg in Ulm, Als der Sport in Ulm 1933 nationalsozialistisch wurde … 1933 – 1935, Katalog zur Dauerausstellung Aufsätze und Dokumente. 2001. Manuskript; Ulm (DZOK) 2005; 68 S., 8 € Ulm 2002, 64 S., 138 Abb., 10 €. Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar (Hrsg.): Bd. 6: Oberschulamt Tübingen, Dokumen- Łódz – Ulm – New Jersey. Die Geschiche der jüdischen Familie tationszentrum Oberer Kuhberg (Hgg.), Frenkel, die 1938 aus Ulm vertrieben wurde. „Württembergisches Schutzhaftlager Manuskript; Ulm (DZOK) 2006; 72 S., 8 € Ulm“. Ein frühes Konzentrationslager im Nationalsozialismus (1933-1935). Hans Lebrecht: Materialien für den Besuch der Ulmer KZ- Gekrümmte Wege, doch ein Ziel. Erinnerungen eines deutsch-isra- Gedenkstätte mit Schülern, elischen Kommunisten. Herausgegeben von Silvester Lechner, Doku- Tübingen/Ulm 2004, 120 S., Zentrum; Ulm (Klemm & Oelschläger) 2007; 144 S., 30 Fotos, 19,80 € 15 Abbildungen, 8 €. (Zur Zeit vergriffen!) Roman Sobkowiak: Eindeutschungsfähig?! Eine polnisch-deutsche Biografie im NS- Staat und in der jungen Bundesrepublik. Herusgegeben von Silvester Lechner, Doku-Zentrum Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009; 116 S., 60 Fotos, 19,80 € Bestellung und Versand (zusätzlich Versandkosten) Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. (Hrsg.): Ulm – die KZ-Gedenkstätte und der Nationalsozialismus. Festschrift sind auch über das zur Verabschiedung von Silvester Lechner in den Ruhestand. DZOK möglich! Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009; 184 S., 17,80 €

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Mitt51_18 34 01.11.2009, 19:17 Uhr DZOK-Veranstaltungen Winter/Frühjahr 2009/2010

Montag. 9. November 2009 Mittwoch, 27. Januar 2010 DZOK-Treff Das Novemberpogrom 1938 – auch Nationaler Gedenktag für die Opfer Ein offener politischer Gesprächs- in Ulm kreis des Ulmer Dokumentations- des Nationalsozialismus Gedenkfeier am Weinhof, 19.00 Uhr zentrums KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg, 14.30 Uhr in der Regel dritter Donnerstag im Rachel Dror: Die Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie in der Was in Ulm am Oberen Kuhberg Monat, 20 Uhr begann … 65 Jahre nach der Befreiung Ort: Büchsengasse 13 Shoah – selbst erlebt, 20 Uhr (Haus der Begegnung) von Auschwitz Nicola Wenge Erinnerungsabend für die Ulmer Opfer dzokki-Treff des Holocaust, 20 Uhr (Büchse 13) Münsterplatz, 17.30 Uhr Lesung aus dem Gedenkbuch und Vorstel- Monatl. Treffen der Jugendgruppe Gedenkaktion an die Ulmer Opfer lung eines Schülerprojekts der NS-Patientenmorde des Dokumentationszentrums Ingo Bergmann, Simon Leinmüller und die von behinderten und nichtbehinderten In der Regel dritter Donnerstag im Klasse 10a der Bühlrealschule Dornstadt Ulmer/innen Monat, 17 Uhr Der Tag wird von der Deutsch-Israelischen (bei schlechtem Wetter im Münster) Ort: Büchsengasse 13 Gesellschaft, dem Haus der Begegnung und dem DZOK gestaltet. Stadthaus, Ulm, 20 Uhr „Wohin bringt Ihr uns?“ Ulmer Geschichte Von der „Volksgesundheit“ zur NS- zum Anfassen: „Euthanasie“ Sonntag, 15. November 2009 Mit Dr. Thomas Stöckle, Gedenk- Die KZ-Gedenkstätte im KZ-Gedenkstätte, 11 Uhr stätte Grafeneck, Dr. Thomas Müller, Fort Oberer Kuhberg Gedenkfeier für die Opfer der ZfP Weissenau, Horst Hoheisel und NS-Gewaltherrschaft Andreas Knitz, Künstler des „Denkmals Öffnungszeiten der Gedenkstätte 12.30 Uhr: Mehrsprachige Führungen der Grauen Busse“ Einzelbesucher: Für die Widerstandskämpfer von 1933 bis sonntags 14 - 17 Uhr NS-„Euthanasie“ und Sterbehilfe- 1945 und die Opfer der nationalsozialisti- Führung: sonntags 14.30 Uhr Debatte heute. Chancen und Grenzen schen Gewaltherrschaft findet am Sonntag, des Vergleichs Winter-Schließung: So., 13. Dez. 16. November 2008 um 11 Uhr wieder die Vortrag von Prof Dr. Klaus Dörner bis So., 24. Januar 2010 traditionelle Gedenkstunde statt. Gruppen-/Klassen-Besuche sind nach Vereinbarung (mindestens eine Woche vorher) jederzeit mög- Donnerstag, 19. November 2009 lich; Büchse 13, 20 Uhr Sonntag, 14. Februar 2010, 19 Uhr Gebühr für die Führung: 35 € Liga der Vagabunden und Gregor Gog. 7. Jahrestag der Eintritt: 2 € / 0,50 € Künstler, Obdachloser, Anarchist und Stiftung Erinnerung Ulm Kommunist: Das Leben des ehemaligen Stadthaus Ulm Anmeldung über das Heuberg-Häftlings erzählt von Monika OB Ivo Gönner: Begrüßung Dokumentationszentrum Lange-Tetzlaff und Robert Tetzlaff, Stutt- Dr. Ilse Winter: Bilanz 2009 Oberer Kuhberg gart. Michael Verhoeven: Tel. 0731-21312 „NS-Geschichte im Film“ mit Filmbeispielen und Podiumsdis- kussion Mittwoch, 9. Dezember 2009, 20 Uhr Buchvorstellung: 15. – 28. Februar 2010 Donnerstag, 5. November 2009 Ulm 1933. Die Anfänge der Verhoeven-Retro zum Thema „NS- Haus der Begegnung Ulm, 19.30 Uhr NS-Diktatur Geschichte“ Antisemitismus im historischen Präsentation durch den Autor Rudi Kübler Eine Filmreihe des Kinos Überblick im Gespräch mit Dr. Nicola Wenge Obscura und des DZOK Vortrag von Dr. Nicola Wenge Ulmer Volkshochschule, EinsteinHaus

Im Begleitprogramm der Ausstellung Donnerstag/Freitag, 25./26. März 2010 Antisemitismus? Antizionismus? Lehrer-Fortbildung in Sachen Donnerstag, 17. Dezember 2009 Israelkritik? KZ Oberer Kuhberg: Büchse 13, 20 Uhr konzipiert von Yad Vashem, Jerusalem und Tatort und Gedenkstätte Treffen zum Jahresausklang für Mitar- dem Zentrum für Antisemitismusforschung, KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg TU Berlin beiter und Freunde des Dokuzentrums Im Haus der Begegnung Ulm Ein Seminar der Landeszentrale für poli- Noch bis 20. November tische Bildung, in Kooperation mit dem Donnerstag, 21. Januar 2010 Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Büchse 13, 20 Uhr Für Lehrerinnen aller Schultypen der NS-„Euthanasie“ und ihre Aufarbeitung Fächer Geschichte, Deutsch, Ethik, Reli- Weitere Termine entnehmen Sie in den 1970/1980-er Jahren am Beispiel gion, Kunst der Hamburger Unipsychiatrie bitte der Tagespresse, unserem Anmeldung im DZOK oder bei: Vortrag von Prof. Dr. Friedemann Pfäfflin, [email protected], Newsletter oder der Website Uni Ulm, Forensische Psychotherapie Tel. 07125-152 148 www.dzok-ulm.de! Montag, 8. Februar, 20 Uhr (vh Ulm) Ein Flyer wird bei Bedarf zugeschickt

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Mitt51_18 35 01.11.2009, 19:17 Uhr Diese Nummer der Mitteilungen wird gefördert von:

Andrej Bauer, Bedachungen OffsetDruck Martin 72589 Westerheim; [email protected] Erhard-Grözinger-Straße 1, 89134 Blaustein Tel. 0731 - 954 02 11 Architektur Städtebau Obermeier+Traub Sparkasse Ulm Sonnenstraße 4/1, Tel. 0731 - 39 94 93-0 Neue Straße 66, Tel. 0731 - 101 - 0 www.obermeier-traub.de SPD-Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Ulmer Gemeinderat im Ulmer Gemeinderat Rathaus, Marktplatz 1, Tel. 921 77 00 Tel. 0731 - 161 - 1096, www.gruene-fraktion-ulm.de www.spd-ulm.de

Café Omar Uldo-Backmittel GmbH König-Wilhelm-Straße 5, Tel. 0731 - 921 31 66 Dornierstraße 14, 89231 Neu-Ulm Tel. 0731 - 9 74 72-0, www.uldo.de CDU im Ulmer Gemeinderat Tel. 0731 - 61 82 20 Ulmer Bücherstube Jastram www.cdu-gemeinderatsfraktion-ulm.de Am Judenhof, Tel. 0731 - 6 71 37 [email protected] Engel-Apotheke Ulm Hafengasse 9, Tel. 0731 - 6 38 84 Ulmer Weltladen e. V. Sterngasse 14, Tel. 0731 - 6 81 08 Hotel Goldenes Rad Neue Straße 65, Tel. 0731 - 80 01 84 Verlag Klemm & Oelschläger www.goldenes-rad.com Pappelauer Weg 15, Tel. 0731 - 38 51 36

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* Der Mindestbeitrag beträgt jährlich € 35, für Arbeitslose, Wehr- und Ersatzdienstleistende jährlich € 15.

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