Plenarprotokoll 16/78

Deutscher

Stenografischer Bericht

78. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Mündliche Frage 1 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Befragung der Bundesregierung: Agrarpoliti- DIE GRÜNEN) scher Bericht der Bundesregierung 2007 . . . 7747 A Erkenntnisse der Bundesregierung über Jürgen Koppelin (FDP) kartellrechtswidrige Absprachen in Europa (zur Geschäftsordnung) ...... 7747 B bezüglich der Vergabe von Aufträgen für Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7747 C Kraftwerke im Allgemeinen und Atom- kraftwerke im Besonderen Julia Klöckner (CDU/CSU) ...... 7748 D Antwort Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7748 D Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär (CDU/CSU) ...... 7749 B BMWi ...... 7754 C Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7749 B Zusatzfragen Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7754 D DIE GRÜNEN) ...... 7749 D Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7749 D DIE GRÜNEN) ...... 7755 A Dr. (DIE LINKE) ...... 7750 C Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7750 D Mündliche Frage 2 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 7751 B DIE GRÜNEN) Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7751 D Umsetzung und Inkrafttreten des Import- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ und Handelsverbots für Robbenprodukte DIE GRÜNEN) ...... 7752 C Antwort Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7752 C Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV ...... 7755 C Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) ...... 7753 A Zusatzfragen Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7753 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7755 D DIE GRÜNEN) ...... 7753 C Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . 7754 A Mündliche Frage 3 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 2: Sicherstellung der rechtzeitigen Umset- Fragestunde zung der Transparenzinitiative bezüglich (Drucksache 16/4133) ...... 7754 C der Empfänger von Agrarsubventionen im II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Hinblick auf eine Neuorientierung der EU- Mündliche Frage 12 Agrarpolitik im Rahmen des Midterm- Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Reviews 2008/2009 DIE GRÜNEN) Antwort Herstellung von Finanzierungsneutralität Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär zwischen Eigen- und Fremdkapital bei der BMELV ...... 7756 C Ausgestaltung einer Abgeltungsteuer Zusatzfragen Antwort Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin DIE GRÜNEN) ...... 7757 A BMF ...... 7760 C Zusatzfrage Mündliche Frage 4 Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7761 A DIE GRÜNEN)

Vorlage von Vorschlägen im Rahmen der Mündliche Frage 14 Energiegipfelrunden zur Erreichung ambi- Lutz Heilmann (DIE LINKE) tionierter Klimaschutzziele unter Beibehal- tung des Atomausstiegs Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen auf Kindergeld in Schleswig-Hol- Antwort stein Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . 7757 D Antwort Zusatzfragen Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ BMF ...... 7761 B DIE GRÜNEN) ...... 7758 A

Mündliche Fragen 15 und 16 Mündliche Frage 8 Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährung von Bundesmitteln an die Haltung der Bundesregierung zum Einsatz landwirtschaftlichen Krankenkassen gemäß des Automated Targeting System (ATS) § 221 SGB V zur pauschalen Abgeltung der durch US-Behörden zur Untersuchung von Aufwendungen für versicherungsfremde Flugpassagieren bei der Einreise in die Leistungen auch nach dem Jahr 2008 USA Antwort Antwort , Parl. Staatssekretär BMG . . 7761 D , Parl. Staatssekretär BMI . . . . 7758 D Zusatzfragen Zusatzfragen Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) ...... 7762 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 7762 D DIE GRÜNEN) ...... 7759 A

Mündliche Frage 18 Mündliche Frage 11 Dr. (BÜNDNIS 90/ Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Quantifizierung des monetären industrie- Prognostizierte Steuerausfälle durch die politischen Nutzens in der Studie „Indus- Unternehmensteuerreform für Körper- triepolitischer Nutzen des Transrapid“ so- schaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer wie Verhältnis des industriepolitischen in den einzelnen Jahren des Finanzpla- Nutzens zu den Baukosten für die Trans- nungszeitraums sowie Prognose zu den Kör- rapidverbindung vom Hauptbahnhof Mün- perschaftsteuereinnahmen im Jahr 2010 chen zum Flughafen München II Antwort Antwort Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMF ...... 7759 D BMVBS ...... 7763 B Zusatzfragen Zusatzfragen Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7760 A DIE GRÜNEN) ...... 7763 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 III

Mündliche Frage 19 zivilen und militärischen Strategie und Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Operationsführung von ISAF in Afghanis- DIE GRÜNEN) tan sowie Initiativen gegenüber Pakistan Haltung der Bundesregierung zur Recht- Antwort mäßigkeit des Modellversuchs für Gigaliner , Staatsminister AA ...... 7767 B in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Antwort Zusatzfragen Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ BMVBS ...... 7764 A DIE GRÜNEN) ...... 7767 C Zusatzfragen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7764 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Mündliche Frage 29 der FDP: Haltung der Bundesregierung zu Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Forderungen nach der Fortsetzung der Steinkohlesubventionen für einen Sockel- Haltung der Bundesregierung zur Charak- bergbau ...... 7768 B terisierung von Guantánamo Bay als „Hölle“ Antwort Paul K. Friedhoff (FDP) ...... 7768 B Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 7765 B (Hamm) (CDU/CSU) ...... 7769 C Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 7765 B Ulla Lötzer (DIE LINKE) ...... 7770 C Rolf Hempelmann (SPD) ...... 7771 C Mündliche Frage 30 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) DIE GRÜNEN) ...... 7772 B Kriterien nach Auffassung der Bundes- regierung und entsprechend den diplomati- Dr. (CDU/CSU) ...... 7773 C schen Geflogenheiten für ein „offizielles Gudrun Kopp (FDP) ...... 7774 B Angebot“ einer ausländischen Regierung Antwort Rolf Stöckel (SPD) ...... 7775 B Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 7765 D Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) ...... 7776 C Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 7765 D Dieter Grasedieck (SPD) ...... 7777 C Franz Obermeier (CDU/CSU) ...... 7778 B Mündliche Frage 31 (SPD) ...... 7779 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Behandlung der Abschiebung von Flücht- Nächste Sitzung ...... 7780 C lingen der uighurischen Minderheit nach China durch die kasachische Regierung in den Gesprächen zwischen Vertretern der Berichtigung ...... 7780 D Bundesregierung und dem kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew bei dessen Besuch in der Bundesrepublik Anlage 1 Deutschland Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 7781 A Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 7766 B Zusatzfragen Anlage 2 Omnid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 7766 C Mündliche Frage 5 Cornelia Hirsch (DIE LINKE)

Mündliche Frage 32 Eventuelle Änderung im SGB II bezüglich Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ der Finanzierung von Kosten für schuli- DIE GRÜNEN) sche Lernmittel Ergebnisse des Treffens der Außenminister Antwort der NATO hinsichtlich der Anpassung der , Parl. Staatssekretär BMAS . . . 7781 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Anlage 3 sischen Initiatoren Beate und Serge Klarsfeld in die Konzeptionsentwicklung Mündliche Fragen 6 und 7 der von der Deutschen Bahn AG in ihren (DIE LINKE) Bahnhöfen geplanten Ausstellung über die Seit 1998 entzogene Aufenthaltsgenehmi- Deportation von jüdischen Kindern in gungen bei unfreiwilliger Abwesenheit von Konzentrationslager sechs Monaten; Zahl der Fälle, in denen Aufenthaltstitel im Reisepass ungültig ge- Antwort macht werden sollten Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS ...... 7783 A Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 7781 D Anlage 8 Anlage 4 Mündliche Fragen 21 und 22 Mündliche Fragen 9 und 10 (BÜNDNIS 90/ Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) DIE GRÜNEN) Zahl rechtskräftiger Urteile im Zusam- Verhandlungsstand hinsichtlich der Beteili- menhang mit Insidergeschäften seit 2001 gung Frankreichs an der Finanzierung des sowie Zahl verhängter Freiheitsstrafen, Großprojektes XFEL; Bindung der Beteili- Geldstrafen und Bewährungsstrafen gung Deutschlands an ITER an eine ver- bindliche Zusage Frankreichs zur Beteili- Antwort gung an XFEL Dr. Barbara Hendricks (SPD) ...... 7782 B Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär Anlage 5 BMBF ...... 7783 C Mündliche Frage 13 (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 9 Kenntnis der Bundesregierung über den Mündliche Frage 23 Zugriff auf die bei der Deutschen Bank in Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Frankfurt geführten Konten des turkmeni- schen Exdiktators Nijasow Haltung der Bundesregierung im Klage- verfahren der EU-Kommission gegen Antwort Österreich bezüglich der Quotenregelung Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Hochschulzugang im Studienfach BMF ...... 7782 D Medizin Antwort Anlage 6 Andreas Storm, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 17 BMBF ...... 7783 D (CDU/CSU)

Kostenaufwand einer Finanzierung der Anlage 10 Krankenversicherung von Kindern privat krankenversicherter Eltern aus dem Bun- Mündliche Frage 24 deshaushalt Dr. (DIE LINKE) Antwort Einladung der Beauftragten der Bundesre- Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . 7782 D gierung für Migration, Flüchtlinge und In- tegration, Prof. Dr. Maria Böhmer, zu einer Expertenanhörung zum Thema „Integra- Anlage 7 tion durch Sport“ im Bundeskanzleramt Mündliche Frage 20 bei gleichzeitig stattfindender Gedenk- (Köln) (BÜNDNIS 90/ stunde für die Opfer des Nationalsozialis- DIE GRÜNEN) mus im Deutschen Bundestag Einbeziehung deutscher Bürgerinitiativen Antwort und Opferverbände sowie der franzö- Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . 7784 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 V

Anlage 11 ten der demokratischen Opposition Chudaiberdy Orasow und Nurberdy Mündliche Fragen 25 und 26 Nurmamedow an den Präsidentenwahlen Christoph Waitz (FDP) in Turkmenistan Umfang illegaler Raubgrabungen seit 1990 Antwort sowie Beachtung des § 984 BGB Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 7784 D Antwort , Staatsminister BK ...... 7784 B Anlage 13 Mündliche Frage 28 Anlage 12 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 27 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ Initiativen zur Gewährleistung demokrati- DIE GRÜNEN) scher Wahlen in Turkmenistan Bemühungen der Bundesregierung zur Antwort Ermöglichung der Teilnahme der Kandida- Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 7785 C

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(A) (C) Redetext

78. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- Landwirtschaft und Verbraucherschutz: zung ist eröffnet. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte zunächst um Verständnis dafür, dass sich die Regie- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: rungsbefragung um eine Viertelstunde verzögert hat. Befragung der Bundesregierung Das liegt daran, dass die Sitzung des zuständigen Aus- schusses, in der es um die deutsche EU-Ratspräsident- Leider sehe ich aber keinen Vertreter der Bundesre- schaft und unser Arbeitsprogramm ging, bis 13 Uhr ge- gierung. dauert hat. (Abg. Jürgen Koppelin [FDP] meldet sich zur Wir haben heute im Kabinett den Agrarpolitischen Geschäftsordnung) Bericht 2007 behandelt. Die Jahresangabe 2007 ist etwas irreführend, weil sich die Schlussfolgerungen dieses Be- – Herr Koppelin, zur Geschäftsordnung, bitte schön. (B) richts auf das Wirtschaftsjahr 2005/2006 beziehen. Ich (D) möchte Ihnen das wesentliche Ergebnis, das ich auch im Jürgen Koppelin (FDP): Kabinett vorgetragen habe, wiedergeben. Herr Präsident! Ich sehe den entsprechenden Minister Erstens. Die Stimmung in der Agrarwirtschaft und der nicht. Fairerweise muss man sagen, dass auch die Frak- Ernährungswirtschaft ist gut. Es gibt eine große Bereit- tionen etwas schwach besetzt sind. Daher beantrage ich schaft zur Innovation, und man konnte auf der Grünen eine Unterbrechung der Sitzung für 15 Minuten. Woche – die übrigens mit einem Besucherrekord zu Ende gegangen ist – die positive Stimmung buchstäblich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: mit Händen greifen. In Anbetracht der Umstände würde ich diesem Antrag gerne folgen. Aber auch die Lage in der Agrar- und Ernährungs- wirtschaft ist positiv. Viele Daten, die wir in dem Bericht (Dr. Uwe Küster [SPD]: Es gibt von meiner ausweisen, zeigen einen Aufwärtstrend. Das gilt auch für Fraktion keine Widerrede! – Undine Kurth die Stellung der deutschen Agrar- und Ernährungswirt- [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schaft auf den Weltmärkten. Wir haben bei den Exporten NEN]: Auch von uns keine Widerrede!) einen Zuwachs von 10 Prozent erzielt. Mit den Amerika- nern, Franzosen und Niederländern gehören wir jetzt im – Ich höre keinen Widerspruch. Dann unterbreche ich Bereich Agrar- und Ernährungswirtschaft zu den vier die Sitzung. Wir kommen um 13.15 Uhr wieder zusam- stärksten Exportnationen. men. Wir haben wie auch im letzten Wirtschaftsjahr eine (Unterbrechung von 13.01 bis 13.15 Uhr) Zunahme der Wertschöpfung zu verzeichnen. Die Ein- kommenslage ist besser als im Durchschnitt der fünf Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vorjahre. Der gesamte Bereich der Bioprodukte boomt. Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Produktion hält nicht Schritt mit der Nachfrage. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- Was die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe an- binettssitzung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht der geht, hat sich eine völlig neue, sehr positive Entwicklung Bundesregierung 2007. ergeben. Ich darf darauf hinweisen, dass wir heute im Vergleich zu Anfang der 90er-Jahre das Fünffache der Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht landwirtschaftlichen Flächen für nachwachsende Roh- hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft stoffe nutzen. Besonders angenehm berührt mich, dass und Verbraucherschutz, Horst Seehofer. sich in manchen Bereichen – ich denke zum Beispiel an 7748 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Bundesminister Horst Seehofer (A) die deutsche Holzwirtschaft – ein ausgesprochener Boom Ich glaube, wir müssen die Frage des ländlichen Rau- (C) entwickelt. mes, der Agrar- und Ernährungswirtschaft künftig in un- serer Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit als Zweitens. Die positive Entwicklung insgesamt geht Gesamtheit betrachten. Mein Vorschlag wäre eine Be- mit einem nach wie vor sehr starken Strukturwandel in- richterstattung über einen längeren Zeithorizont von vier nerhalb der Landwirtschaft einher. Die positiven Daten bis fünf Jahren, weil nur eine solche längere Betrachtung zur Wertschöpfung bzw. zur Gewinn- oder Einkommens- entwicklung betreffen vor allem die größeren Betriebe. der Wirtschaft wirklich repräsentative Aussagen ermög- Die Wachstumsschwelle liegt in Deutschland mittler- licht. weile bei 75 Hektar. Die positiven Zahlen sind im Regel- Ich glaube, insgesamt ist der Agrar- und Ernährungs- fall bei den Betrieben zu verzeichnen, die über eine land- bereich in einer guten Verfassung, und gerade bei den wirtschaftliche Nutzfläche von 75 Hektar und mehr jungen Landwirten, mit denen ich sehr stark in Kontakt verfügen. Hingegen kommt es bei den landwirtschaftli- stehe, gibt es Perspektiven. Zum ersten Mal seit vielen chen Betrieben unter 50 Hektar – insbesondere bei denen Jahren erlernen wieder mehr junge Leute den Beruf der unter 20 Hektar – zu Betriebsschließungen. Das heißt, Bäuerin und des Bauern. Überhaupt werbe ich dafür, in dass wir bei der sehr leistungsstarken und dynamischen diesem Bereich so über die Perspektiven zu reden, dass Landwirtschaft nicht übersehen dürfen, dass es gerade junge Menschen sich für diese Berufe entscheiden. bei kleinen und mittleren Betrieben nach wie vor einen sehr starken Strukturwandel gibt, der in der praktischen Wir dürfen auf der anderen Seite den Strukturwandel Politik entsprechend abzufedern ist. Aber die leistungs- nicht übersehen, den es nach wie vor gibt und den es starken Betriebe haben sich einen großen Markt er- auch in den nächsten Jahren geben wird; denn wir haben kämpft. Wir spielen auch auf dem Weltmarkt eine be- immer noch eine erhebliche Anzahl landwirtschaftlicher achtliche Rolle. Betriebe in der Größenklasse von 20 bis 50 Hektar. Mitt- Ich sehe es als Fortschritt, dass wir in den letzten Mo- lerweile verfügt allerdings über die Hälfte der Betriebe naten das Gegeneinander in der Landwirtschaft beendet über landwirtschaftliche Nutzflächen von mehr als haben. Die alte Diskussion „öko gegen konventionell“ 100 Hektar. Wir haben einerseits sehr viel Aufwind in ist beendet, genauso wie die Diskussionen „groß gegen der Landwirtschaft, müssen auf der anderen Seite aber klein“, „international gegen regional“. Wir haben ein die Notwendigkeit sehen, den Strukturwandel vernünftig ganz vernünftiges partnerschaftliches Miteinander. Ich im Interesse der Betroffenen zu begleiten. glaube, das hat sowohl die Stimmungslage in der Agrar- wirtschaft verbessert als auch zum ökonomischen Erfolg Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: überhaupt beigetragen. Vielen Dank, Herr Minister Seehofer. – Wir kommen (B) Ich möchte eine dritte Bemerkung anschließen, die nun zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als erster (D) ich auch im Kabinett gemacht habe. Ein Agrarbericht, Fragestellerin gebe ich der Kollegin Julia Klöckner das der sich auf ein Wirtschaftsjahr bezieht, verzerrt die Si- Wort. tuation. Ich kann nur noch wiederholen, was ich hier vor dem Deutschen Bundestag schon gesagt habe, nämlich Julia Klöckner (CDU/CSU): dass wir gemeinsam überlegen müssen, in welchen In- Herzlichen Dank, Herr Minister Seehofer, für Ihre tervallen und für welche Zeithorizonte wir solche Be- Ausführungen. Sie haben angesprochen, den Agrarbe- richte erstatten. Wenn Sie globale Zahlen des zurücklie- richt etwas anders, etwas lebensnäher zu gestalten, und genden Wirtschaftsjahres betrachten, sehen Sie: Wir zu Recht auch angeregt, den Ernährungsbereich in die haben beispielsweise bei der Einkommensentwicklung Berichterstattung einzubeziehen. Damit haben Sie eine eine Stagnation und einen leichten Rückgang, im Wirt- Frage, die ich stellen wollte, schon beantwortet. Ich habe schaftsjahr davor gab es aber ein Plus von 24 Prozent. zu diesem Punkt aber noch eine Zusatzfrage: Mein Haus schreibt mir auf, dass für das vor uns lie- gende Wirtschaftsjahr mit einem Plus zwischen 5 und Können Sie sich vorstellen, auch das sogenannte Agri- 10 Prozent zu rechnen ist. business – vorgelagerter und nachgelagerter Bereich – Deshalb ist eine punktuelle Betrachtung eines Wirt- aufzunehmen, damit wir einen Querschnitt haben, der schaftsjahres unzureichend, jedenfalls in der globalisier- zeigt, was sich rund um die Landwirtschaft und die Er- ten Welt unserer Tage, und ich möchte darum bitten, den nährungswirtschaft tut, und dass wir Maßnahmen, die Agrarbericht weiterzuentwickeln und die Agrarwirt- das BMELV in der Landwirtschaft angestoßen und er- schaft, die Forstwirtschaft und die gesamte Ernährungs- griffen hat – ich nenne als Beispiel ein für die Zukunft wirtschaft in einem Bericht zusammenzufassen. Ich geplantes Schulmilchprojekt –, evaluieren? möchte das damit begründen, dass in der Agrar- und Er- nährungswirtschaft insgesamt 4 Millionen Menschen be- Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, schäftigt sind; das sind 10 Prozent der Erwerbstätigen in Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Deutschland. Wenn Sie nur den Kernbereich der Agrar- Ja, ich kann mir alles vorstellen, was Sie gesagt ha- betriebe mit etwa 350 000 Beschäftigten betrachten, ist ben. das eine Marginalisierung des tatsächlichen Wirtschafts- geschehens. Die Wertschöpfung aller Bereiche liegt ins- (Heiterkeit – Julia Klöckner [CDU/CSU]: gesamt zwischen 7 und 8 Prozent. Ich möchte folgenden Wunderbar! Ich bedanke mich! – Dr. Uwe Vergleich anstellen: Das gesamte deutsche Gesundheits- Küster [SPD]: Frau Klöckner, was machen wir wesen hat auch etwa 4 Millionen Beschäftigte. nu?) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7749

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: teln und Agrarprodukten Ausdruck der Qualität unserer (C) Dann erteile ich – – Produkte. Das ist das Verdienst der Erzeuger. (Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, [FDP]) Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident, ernsthaft, wenn das vielleicht zu flap- Wir diskutieren gelegentlich zu viel über Mängel, bei- sig war: Der Agrarbericht war mit sektoraler Betrachtung spielsweise über Gammelfleisch, und übersehen dabei, des Kernbereichs der Landwirtschaft in Zeiten, als man dass die Qualität unserer Produkte weltweit sehr ge- in Brüssel jährlich über die Preise für das nächste Wirt- schätzt wird. Sonst würden sie nicht verkauft. schaftsjahr verhandelt hat, sicherlich gerechtfertigt. Aber Natürlich kann man politisch etwas dafür tun. Das angesichts der nun vorhandenen Vernetzung der ver- machen wir auch. Wir haben in unserem Haus eine Ex- schiedenen Sektoren – Landwirtschaft, Forstwirtschaft, portunterstützungsstelle eingerichtet, die der Staatsse- Ernährungswirtschaft, Landwirtschaftstechnik, Innova- kretär Gerd Müller leitet. Manche meinen: Das ist eine tion und ländlicher Raum – und in einer Zeit, in der wir in Reisestelle. – Aber sie ist für den Export sehr wichtig. der Landwirtschaft über eine derartige Vielzahl von Wirt- Zudem haben wir, die deutsche Regierung, sehr viel da- schaftsmöglichkeiten verfügen wie niemals zuvor – den- für getan, dass es zu einem Abkommen über den freien ken Sie nur an die Nahrungsmittelproduktion, den Ener- Handel mit Tier- und Pflanzenprodukten zwischen der giewirt, die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, den Russischen Föderation und der Europäischen Union ge- Tourismus und den Kulturlandschaftspfleger sowie an kommen ist. Russland ist für Deutschland der wichtigste die veränderten Umweltbedingungen und ökonomischen Drittstaat beim internationalen Handel. Deshalb war ein Bedingungen –, plädiere ich dafür, den Agrarbericht zu solches Abkommen lebenswichtig für unsere Produzen- verändern. Das können wir nur zusammen mit dem Par- ten. Wir streben Gleiches zwischen der Russischen Fö- lament; denn wir sind gesetzlich verpflichtet, einen deration und Polen an, und zwar wieder über die EU. Agrarbericht vorzulegen, und zwar in dieser Form. Da- Hier erweist sie sich als sehr hilfreich; denn die europäi- rüber stehen wir innerhalb der Koalition in Kontakt, und schen Mitgliedstaaten stellen in ihrer Gesamtheit eine zwar nicht, um die öffentliche Debatte abzuschneiden ganz andere Verhandlungsmacht dar, als wenn man ver- oder – wie ich bei der Diskussion über den Waldzu- suchte, auf bilateraler Ebene Abkommen abzuschließen. standsbericht gehört habe – um etwas zu verschweigen, sondern um die Tragweite dieses Wirtschaftsbereichs in Lieber Kollege Bleser, entscheidend ist aber die Qua- der Öffentlichkeit deutlicher zu machen und repräsentati- lität unserer Produkte. Sie sind weltweit geachtet und ge- vere Aussagen zu treffen, als sie mit einer temporären, schätzt. Deshalb kam es zu diesem Zuwachs. (B) auf zwölf Monate begrenzten Betrachtungsweise mög- (D) lich sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die nächste Frage stellt die Kollegin Bärbel Höhn. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist der Kol- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lege Peter Bleser. Herr Minister, ich wusste gar nicht, dass Sie Stützfra- gen nötig haben. Peter Bleser (CDU/CSU): Herr Minister, Sie haben in Ihrem Bericht ausgewie- (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) sen, dass die deutsche Ernährungswirtschaft im abgelau- Ich freue mich auf jeden Fall, dass Sie den Boom bei fenen Jahr Exporte mit einem Volumen von 40 Milliar- den Bioprodukten und den nachwachsenden Rohstoffen den Euro getätigt hat; das sind 10 Prozent mehr als im herausgestellt und damit letzten Endes die positive Wir- Jahr zuvor. Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem kung des rot-grünen Regierungshandelns hervorgehoben Haus ergriffen, die zu dieser fantastischen Entwicklung haben. Ich möchte etwas zu biogenen Kraftstoffen fra- beigetragen haben? Diese Entwicklung hat unter ande- gen. Die Bundesregierung hat zum 1. Januar 2007 eine rem dazu geführt, dass die Zahl der Auszubildenden in Änderung vorgenommen – die Beimischung – und damit der Ernährungswirtschaft, in den 14 grünen Berufen, die Steuerbefreiung für die nächsten Jahre zumindest erstmals wieder enorm angestiegen ist. partiell aufgehoben. Damit haben Sie die Mineralölkon- (Jürgen Koppelin [FDP]: Sie haben vergessen, zerne gestärkt und nicht den ländlichen Raum. Was wol- „Danke, Herr Minister“ zu sagen!) len Sie tun, damit die Wertschöpfung weiter im ländli- chen Raum bleibt? Denn je zentraler die Strukturen sind, desto weniger hat der ländliche Raum davon. Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Ich danke, lieber Kollege Peter Bleser, für diese ziel- Landwirtschaft und Verbraucherschutz: führende Frage. Liebe Frau Kollegin Höhn, ich dachte auch nicht, (Heiterkeit) dass Sie sich selbst durch Ihre Fragen stützen müssen. Insofern haben wir das jetzt wieder ausgeglichen. Zuallererst ist ein Zuwachs beim Export von über 10 Prozent in dem sensiblen Bereich von Nahrungsmit- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) 7750 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Bundesminister Horst Seehofer (A) Ich glaube, dass die Entwicklung von Biokraftstoffen Die nächste Frage hat die Kollegin Dr. Kirsten (C) und Bioprodukten schon vor Ihrer Regierungszeit be- Tackmann. gonnen hat. Das haben Sie nicht verhindert. Das kann man durchaus akzeptieren. Das ist eine Entwicklung, die Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): schon in den 90-er-Jahren massiv eingesetzt hat und jetzt Herr Minister, Sie haben die Bilanz des Jahres 2005/ weitergeht. Sie haben prognostiziert, dies würde unter 2006 dargestellt. Nun ist es so, dass die positive Ent- einer Großen Koalition zu einem großen Problem wer- wicklung der landwirtschaftlichen Betriebe den sozialen den. Ich war während der Grünen Woche bei der Neu- Brennpunkten in vielen ländlichen Räumen gegenüber- land GmbH. Vor einem Jahr bin ich dort noch mit der steht. Ich möchte Sie fragen, ob Sie Konzepte entwi- Prognose verabschiedet worden, in einem Jahr sei alles ckeln können, die eine Teilhabe der Bevölkerung im kaputt. Jetzt konnte ich mein Grußwort mit der Feststel- ländlichen Raum insgesamt an dieser positiven Entwick- lung beginnen, dass dieser Bereich so boomt wie nie zu- lung möglich machen. In Ihrem Bericht steht auch, dass vor. Übrigens stimmen auch die Erträge. Sie liegen wiederum 2,6 Prozent der Arbeitsplätze in der landwirt- 30 Prozent über den Erträgen konventioneller Betriebe. schaftlichen Produktion verloren gegangen sind. Ich Auch das steht im Agrarbericht. Das ist also eine wun- glaube, dass wir uns gemeinsam und ganz besonders Sie derschöne Entwicklung. als verantwortlicher Minister sich Gedanken machen Dazu, dass Sie gelegentlich sagen, die deutsche Re- müssen, wie man Strukturpolitik im ländlichen Raum gierung habe etwas versäumt, weil die Nachfrage größer betreibt, um Arbeitsplätze zu schaffen. als die Produktion sei, muss ich Ihnen sagen, dass wir eine ähnliche Entwicklung in ganz Europa haben. Mich Die zweite Frage: In Ihrer Bilanz steht, dass die ost- freut diese Entwicklung. Wir werden alles tun, damit das deutschen Betriebe einen Gewinnrückgang in Höhe von so weitergeht. Das hat auch etwas mit verändertem Ver- 22 Prozent zu verzeichnen haben. Damit haben sie zwar braucherbewustsein und dem veränderten Bewusstsein immer noch einen höheren Gewinn als die Betriebe in bei vielen Handelsketten zu tun. Das sollte uns gemein- den alten Bundesländern; aber es ist nachzulesen, dass sam freuen. Ich stelle hier für die neue Regierung fest, dieser Gewinnrückgang offensichtlich sehr stark mit den dass wir entgegen aller Prognosen sehr viel Positives für politischen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland zu- den Biobereich erreicht haben. Das entspricht auch mei- sammenhängt, also den geringeren Direktzahlungen, der ner tiefen Überzeugung. Nur, ich spiele den Biobereich Kappung der Agrardieselbesteuerung und ähnlichen nicht gegen den anderen Bereich aus. Das hat sich verän- Dingen. Ist es nicht an der Zeit, da einmal genau hinzu- dert. schauen? Denn im ostdeutschen ländlichen Raum bilden die Landwirtschaftsbetriebe eine besondere Strukturein- (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Uwe heit. Es sind teilweise die letzten Strukturen, die über- (B) (D) Benneter [SPD]: Da war keine Änderung nö- haupt noch funktionieren. Haben Sie eine Vorstellung tig!) oder Ideen, wie man dort politisch agieren könnte? Auch andere Bereiche produzieren vernünftige Nah- rungsmittel. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Tackmann, Sie haben nicht das Recht, Zum Biosprit. Man kann es nicht oft genug wiederho- eine Serie von Fragen zu stellen; denn sonst kommen die len: Die Regelung, die ich vorfand, war bis zum anderen nicht mehr an die Reihe. – Danke. Jahr 2009 gültig. Ohne eine Neuregelung wäre es nach 2009 zu einer vollen Besteuerung gekommen. Es (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber eine war völlig offen, wie man nach 2009 weitermacht. Da ist gute Frage war es trotzdem!) es mir doch lieber, wenn wir schrittweise zur Besteue- rung kommen und den Leuten auch für die Zeit Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, nach 2009 Klarheit geben. Ich habe keinerlei Schwierig- Landwirtschaft und Verbraucherschutz: keiten, diese Position gegenüber den Betroffenen zu ver- Zur Frage nach dem ländlichen Raum: Über die treten. Wir haben jetzt Vertrauen und Verlässlichkeit Hälfte der deutschen Bevölkerung lebt in ländlichen über das Jahr 2009 hinaus hergestellt. Das ist mir lieber, Räumen. Ein erheblicher Teil der ländlichen Räume als wie bisher bis zum Jahr 2009 weiterzumachen und – insbesondere in den neuen Ländern – ist von vielen dann eine volle Besteuerung einzuführen. So war die ökonomischen Problemen betroffen und wird von der Rechtslage, Frau Höhn. demografischen Entwicklung unseres Landes in beson- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: derer Weise betroffen sein. Deshalb ist es ein ganz zen- Kurze Nachfrage!) trales Ziel der Bundesregierung, neben dem Konzept der Metropolregionen auch für die ländlichen Räume Kon- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zepte hinsichtlich der Zukunftsperspektiven zu entwi- Frau Höhn, die Nachfrage muss ich genehmigen. Es ckeln. Sie wissen, dass wir dazu einen bundesweiten ist allgemein nicht üblich, Nachfragen zu stellen. Jeder Dialog eröffnet haben. Dieser soll sich nicht in einem hat eine Frage. Ich habe eine sehr lange Liste. Ich bitte, endlosen Kongressleben erschöpfen, sondern er wird auf die Nachfrage zu verzichten. dazu führen, dass wir ab Sommer dieses Jahres dem Par- lament und der Öffentlichkeit im Rahmen eines Kon- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zepts strukturelle Maßnahmen, die wir für die ländlichen Dann machen das die anderen!) Räume ergreifen wollen, vorschlagen werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7751

Bundesminister Horst Seehofer (A) Das ist ein ganzheitlicher Ansatz, der nach Abschluss hatten und somit schon lesen konnten. Ich finde Ihre (C) des Dialogs die Notwendigkeit nach sich zieht, zu über- Idee, ihn in die Ernährungswirtschaft einzubinden, eine legen, wie wir zum Beispiel die zweite Säule bezüglich interessante Überlegung, über die wir nachdenken und der Förderung ausstatten und wie wir die Gemein- die wir umsetzen sollten. Ich habe mir gedacht, dass wir schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des ihn vielleicht sogar in den Gesamtbereich Wirtschaft Küstenschutzes“ in Deutschland neu definieren. Das einbinden sollten. Morgen gibt es einen Tagesordnungs- muss politisch flankiert werden, woran wir gerade arbei- punkt Jahreswirtschaftsbericht 2007, und ich finde, die ten. Allerdings richtet sich das nicht gegen die Städte, Agrarwirtschaft gehört genauso zur Wirtschaft wie an- sondern Stadt und Land sollen Hand in Hand gehen. dere Bereiche auch. Es gibt viel bürgerschaftliches Engagement in den Es bestätigt sich ein bisschen, was in Fachkreisen ge- ländlichen Räumen, zum Beispiel das Projekt „Regionen sagt wird – das meine ich ganz generell –: Die Stimmung Aktiv – Land gestaltet Zukunft“. Das wollen wir auch ist besser als die Lage. Ich habe mich erschrocken, als weiterführen. Ich möchte aber auch meiner Überzeu- ich einige Zahlen las. Ich hatte nicht für möglich gehal- gung Ausdruck verleihen, dass die Zukunft der ländli- ten, dass das durchschnittliche Einkommen um chen Räume ohne Wertschöpfung in den ländlichen Räu- 1,4 Prozent gesunken ist. Vor allen Dingen hat mich die men nicht denkbar ist. Das heißt, wir müssen überlegen, Situation in den neuen Ländern erschreckt; das muss ich wie wir die Wertschöpfung – zum Beispiel in der Land- sehr deutlich sagen. Wir brauchen Konzepte. Ich möchte wirtschaft durch die Energieproduktion mit Biomasse gerne nach solchen Konzepten fragen. und nachwachsenden Rohstoffen – in den ländlichen Räumen halten können. Nur dann werden wir auch die Erschreckt hat mich auch, dass 25 000 Euro eines jungen Leute in den ländlichen Räumen halten können. durchschnittlichen Einkommens von 36 000 Euro auf Subventionen zurückgehen. Das zeigt, dass wir vor dra- Die zweite Frage betraf den Gewinnrückgang um matischen Herausforderungen im Hinblick auf das ste- 22 Prozent bei den Betrieben in Ostdeutschland. Wir ha- hen, was von der europäischen Ebene auf uns ganz si- ben dazu eine Begründung gegeben. Es gibt einige Be- cherlich zukommt. Welche Reformen planen Sie gründungen, die auch für Westdeutschland gelten. Wenn durchzuführen, um die Betriebe zu mehr unternehmeri- aber 5 Prozent der Mittel im Rahmen der Modulation schem Tun zu bewegen? von der ersten in die zweite Säule gelangen, wenn also 5 Prozent der Direktzahlungen an die Betriebe in Pro- Letzte Frage. Sind Sie mit der Regelung bezüglich der jekte zur Entwicklung des ländlichen Raumes fließen Erntehelfer, die mittlerweile getroffen worden ist – sie – wie übrigens von allen hier gewünscht –, dann schlägt soll Bestand haben –, wirklich so zufrieden, dass Sie auf- sich das natürlich in der Bilanz nieder. Das schlägt sich (B) geben und sich nicht mehr darum bemühen, eine bessere (D) in den neuen Ländern wegen der größeren Flächen na- Lösung zu finden? Die Beschreibung im Papier deckt türlich etwas stärker nieder. Sie dürfen also nicht überse- sich nach meinen Erfahrungen nicht mit der Realität. hen, dass wir eine gesetzliche Modulation von 5 Prozent haben. Das heißt, die Zahlungen an die Betriebe werden um 5 Prozent reduziert und das Geld geht weitestgehend Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, in Projekte zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Bisher gab es einen einzigen Bundesminister, der sein Bei der Größe der Betriebe in den neuen Ländern eigenes Ministerium aufgelöst hat: Das war der Post- – ich möchte dies jetzt nicht kritisieren, aber man muss minister. Ich kann Ihrem Vorschlag, den Agrarbericht in es als mathematische Grundlage berücksichtigen – wirkt den Jahreswirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsmi- sich das natürlich prozentual, also relativ, spürbarer aus nisters einzuarbeiten oder beide Berichte zusammenzu- als beispielsweise in meinem Heimatland mit sehr klei- legen, nicht mit voller Begeisterung folgen. Wir sollten nen landwirtschaftlichen Flächen. versuchen, dafür zu sorgen, dass es sich in unserem Zu- (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da ständigkeitsbereich in die Richtung entwickelt, die ich braucht man ein Gegenkonzept!) vorhin angedeutet habe. – Wissen Sie, man kann eines nicht machen: Man darf Was die von Ihnen genannten Zahlen angeht: Es ist nicht gelegentlich hier im Parlament sagen, man wolle immer problematisch, eine Globalzahl in einer Statistik mehr Geld von der ersten in die zweite Säule transferie- isoliert zu betrachten. Wenn Sie ein paar Seiten weiterle- ren, und sich anschließend darüber wundern, dass es sen – wie ich Sie kenne, tun Sie das sicherlich –, dann plötzlich zu einem Rückgang der Mittel in der ersten werden Sie sehen, dass es eine Differenzierung nach Be- Säule kommt. Das geht nicht. triebsgrößen gibt. Sie werden sehen, dass Betriebe mit einer Größe bis 50 Hektar Negativwerte haben, dass Be- triebe mit einer Größe zwischen 50 und 75 Hektar eini- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: germaßen stabile Werte haben und dass die Zahlen für Die nächste Frage geht an den Kollegen Hans- Betriebe mit einer Größe von mehr als 75 Hektar positiv Michael Goldmann. sind. Die entsprechenden Werte der kleinen Betriebe sin- ken, aber die Fläche der größeren Betriebe nimmt zu, Hans-Michael Goldmann (FDP): und der Umfang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Herr Minister, ich möchte mich auch dafür bedanken, ist insgesamt gleich geblieben. Das sind die Auswirkun- dass wir den Bericht gestern Abend schon zur Verfügung gen des von mir angesprochenen Strukturwandels. 7752 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Bundesminister Horst Seehofer (A) Wie dramatisch er – immer noch – ist, zeigt Folgen- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) des: In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hat ein Herr Minister, Sie haben – so wie Sie gesagt haben – Bauer zehn Menschen ernährt; heute ernährt ein Bauer gute Rahmenbedingungen übernommen; ich denke an 140 Menschen. Man erkennt daran die ganze Dynamik die Agrarreform, die Unterstützung von Bioprodukten in diesem Bereich durch Innovation, durch Mechanisie- und an die erneuerbaren Energien. Das Problem ist, dass rung und vieles andere. Diese Dynamik ist ungebrochen. Sie drohen, diese Fundamente einzureißen. Mit der fi- Das sollten wir auch aussprechen. nanziellen Vorausschau auf der europäischen Ebene hat Frau Merkel höchstpersönlich dafür gesorgt, dass so viel Ich glaube, wir sind gut beraten – auch im Hinblick Geld aus der Landwirtschaft, und zwar aus einem sinn- auf Ihren Hinweis, dass 25 000 Euro eines durchschnitt- vollen Anwendungsbereich, wie niemals zuvor entzogen lichen Einkommens auf Subventionen zurückgehen –, wird, nämlich ungefähr 700 Millionen Euro. Ich habe im die Multifunktionalität der Landwirtschaft – Nahrungs- Hinblick auf die zweite Säule ein Problem damit, dann mittel, Energie, Freizeit, Erholung, Tourismus, Kultur- noch von Verlässlichkeit zu reden. Der Agrardiesel ist landschaft – aufrechtzuerhalten und der Landwirtschaft noch viel teurer geworden und die Biospritbesteuerung dabei zu helfen, in Europa nach marktwirtschaftlichen führt dazu, dass die Wertschöpfung in den ländlichen Gesetzen tätig zu sein. Je besser sie ihre Existenz über Räumen gerade nicht mehr gewährleistet ist; das führt zu Preise und Einkommen sichern kann, desto weniger Verwerfungen. Subventionen sind nötig. Meine Fragen: Erstens. Was halten Sie den Verlusten Ich möchte – wie eben im Ausschuss – deutlich sa- von Finanzmitteln in der ganzen zweiten Säule entge- gen, dass sich die Landwirte jetzt darauf verlassen kön- gen? Gerade für die Biobetriebe ist, im Hinblick auf die nen müssen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik, die bis Umstellung, die Förderung der ländlichen Räume essen- zum Jahre 2013 vereinbart ist, fortbesteht. Wie soll je- ziell. Zweitens. Haben Sie vor, die Biospritbesteuerung mand, der von staatlichen Rahmenbedingungen sehr – die wir übrigens 2009 nicht auslaufen lassen, sondern stark abhängig ist, investieren, wenn er sich auf diese nur überprüfen lassen wollen – zu sichern oder die Be- Rahmenbedingungen nicht verlassen kann? Die Verläss- steuerung entsprechend wieder zurückzunehmen? lichkeit, die Stabilität in der EU bis zum Jahre 2013 sind Voraussetzung für die Investitionen. Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ich bin ein glühender Verfechter des Ansatzes, dass wir die Landwirtschaft zu mehr unternehmerischem Tun Zum letzten Punkt. Es gibt den ständigen Auftrag, das, hinführen. Im Gegensatz zu meinem früheren Tätigkeits- was wir entschieden haben, mit den Marktentwicklungen zu vergleichen und auf Handlungsnotwendigkeiten, (B) feld ist in der Landwirtschaft ein ganz hohes Maß an Be- (D) reitschaft vorhanden – darüber bin ich sehr froh –, sich wenn sie sich ergeben, zu reagieren. Es wäre ja welt- der unternehmerischen Tätigkeit mehr als der Diskus- fremd zu sagen: einmal entschieden, für immer entschie- den. sion über Subventionen zuzuwenden. Das freut mich un- gemein. Gelegentlich stellt man fest, dass jeder von der Zu Ihrer anderen Frage muss ich Ihnen sagen: Die Marktwirtschaft spricht, dass man die Anhänger der Kanzlerin hat eindeutig deutsche Interessen vertreten. Marktwirtschaft aber mit nichts mehr bestrafen kann als Wir hatten im Zusammenhang mit der deutschen Einheit mit der Einführung der Marktwirtschaft. ein zweites Sonderanliegen; das waren die Ziel-I-Ge- biete. Es wird so oft davon gesprochen, die Österreicher (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Erntehel- hätten für die zweite Säule etwas herausgeholt und die fer!) Deutschen hätten das übersehen. Unsere Priorität war aber nun einmal, die ungünstigen Wirtschaftsstrukturen – Ja, Erntehelfer. Ich bin mit dem Kollegen Müntefering in den neuen Ländern durch zusätzliche europäische völlig d’accord; ich weiß, das hört nicht jeder gern. An- Fördermittel für Ziel-I-Gebiete zu verbessern. Deshalb gesichts der bei uns bestehenden Arbeitslosigkeit bin ich haben wir deutsche Interessen vertreten. dafür, dass wir verstärkt hier lebende Arbeitslose für sol- che Tätigkeiten heranziehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Teuer er- Das schändet übrigens auch nicht; das sollten wir kauft!) auch sagen. Allerdings sehe ich auch die Probleme, die im praktischen Vollzug hier und dort entstanden sind. Wissen Sie, Sie können bei den Verhandlungen nicht Eine Erntehelferregel darf nicht so aussehen, dass sie in zehn Sonderinteressen anmelden. Vor dem Hintergrund der Praxis zulasten der Bauern geht. Wir brauchen ein unserer historischen Sondersituation durch die deutsche Stück mehr Flexibilität und ein Stück weniger Bürokra- Einheit war unser Interesse, bei der Förderung der Wirt- tie. Unter keinen Umständen darf sich das wiederholen, schaftsstruktur zu einer zusätzlichen Mittelausstattung was im Vorjahr passiert ist, als wegen einer zu starren zu kommen. Das ist gelungen: Beispielsweise bekommt Vorgehensweise der Behörden das eine oder andere nicht mein Heimatland Bayern in der zweiten Säule mehr För- möglich war. dermittel als ganz Großbritannien. Die Förderung, die als Ausgleichszulage in der zweiten Säule gezahlt wird, ist auch nach Berücksichtigung der Sparmaßnahmen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: von denen Sie sprachen, noch höher als in jedem ande- Die nächste Frage hat die Kollegin Ulrike Höfken. ren Land. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7753

Bundesminister Horst Seehofer (A) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, das ist Ich muss Ihnen allerdings Folgendes sagen: In der (C) auch richtig so! Die waren ja tüchtig!) Hälfte der Bundesrepublik gibt es den Maiszünsler nicht und in den Gegenden, wo es ihn gibt, mit sehr unter- – Ja, das ist in Ordnung. Wir dürfen nicht die These auf- schiedlicher Befalldichte. Ich bin kein praktizierender stellen, das Sparen führe zur Zerschlagung der Förder- Landwirt. Deshalb rufe ich gelegentlich mir bekannte programme für den ländlichen Raum. Manchmal kann man die Mittel auch sinnvoll einsetzen. Landwirte an und frage: Was macht ihr? Habt ihr den Maiszünsler? Dann bekomme ich ganz überwiegend die Antwort: Ja, aber nicht so besonders dramatisch. Wir Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: pflügen tiefer um, wir wechseln die Fruchtfolge, und Die nächste Frage hat – – dann ist der Maiszünsler weg. – Es gibt also auch andere Möglichkeiten der Bekämpfung als nur den Bt-Mais. (Zurufe der Abg. Ulrike Höfken [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Trotzdem müssen wir Antworten darauf geben, was – Entschuldigen Sie, Frau Höfken, es kommen heute so- die Forschung, die Sicherheit und die Frage der Koexis- wieso nicht alle Fragesteller zum Zuge. tenz angeht. Sie werden erleben, dass wir sie geben. (Zurufe der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und der Abg. Bärbel Höhn Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Weil die vorgesehene Zeit eigentlich abgelaufen ist, frage ich, ob es noch Fragen außerhalb dieses Themen- – Es ist ja schön, dass alle an dem Thema so interessiert bereichs gibt; wenn nicht, könnten wir die Zeit noch sind; aber die nächste Frage hat die Kollegin Dr. Christel weiter für dieses Thema nutzen. – Da es keine Fragen zu Happach-Kasan. anderen Themen gibt, setzen wir die Regierungsbefra- gung hierzu fort. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Herr Minister, Sie haben eben sehr deutlich darge- Die nächste Frage hat die Kollegin Cornelia Behm. stellt, dass wir einen Wandel in der Landwirtschaft ha- ben: zum einen hin zu größeren Betrieben, zum anderen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hin zur Produktion nachwachsender Rohstoffe; das gilt Herr Minister, sogar Herr Sonnleitner hat neulich zu- insbesondere mit Blick auf die energetische Verwertung. gegeben, dass die Vorgängerregierung in Sachen nach- Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie gesagt ha- wachsende Rohstoffe nicht alles falsch gemacht hat. – (B) ben, es gebe ein Prä für die unternehmerische Landwirt- (D) schaft. Die unternehmerische Landwirtschaft braucht Nur so viel zu Ihrem Geplänkel mit Bärbel Höhn. stabile rechtliche Rahmenbedingungen. Sowohl um Klimaschutz zu betreiben als auch um die In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Frak- Wertschöpfung im ländlichen Raum zu erhöhen, müssen tion Die Linke haben Sie deutlich gemacht, dass wir ins- wir darauf achten, auf unseren Flächen eine maximale, besondere beim Mais ein Problem mit dem Maiszünsler aber nachhaltig erzeugte Biomasse zu gewinnen, einer- haben. Sie wissen aus der Diskussion sicherlich, dass seits in Form nachwachsender Rohstoffe für die stoffli- Bt-Mais eine Möglichkeit ist, um den Maiszünsler zu be- che und energetische Nutzung, andererseits aber auch kämpfen. Dies ist gerade auch aus umweltpolitischer zur Nahrungsgewinnung. Ich frage Sie zu diesem Punkt, Sicht sinnvoll, wie das Ministerium für Umwelt in Bay- welche Strategien Sie haben, um sicherzustellen, dass ern in einem sehr aufwendigen Bt-Mais-Monitoring dar- die ökonomischen Interessen – man merkt, dass die sehr gestellt hat. in den Vordergrund gerückt werden – die ökologischen und die sozialen Interessen nicht überlagern. Ich will Wann wird das Gentechnikgesetz so novelliert, wie ganz konkret werden und Sie fragen, wie Sie bei der Sie es im Koalitionsvertrag versprochen haben – hin zu mehr Anwendung auf dem Acker und hin zu mehr For- Ausweitung der NaWaRo-Flächen sicherstellen wollen, schung –, um für Bt-Mais und die Europa im Zulas- dass der Naturschutz nicht unter die Räder kommt, dass sungsverfahren befindliche Stärkekartoffel in Deutsch- also ausreichend Flächen für den Biotopschutz und den land etwas mehr Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen? Biotopverbund bleiben. Planen Sie zum Beispiel, sich stärker für das Thema Agroforstsysteme zu engagieren? Das würde durchaus einen Lösungsansatz bieten. Neh- Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, men Sie sich des Problems an, dass wir immer nur Mais- Landwirtschaft und Verbraucherschutz: flächen im Auge haben? Wollen Sie nicht die Fruchtar- Wie Sie wissen, sind wir dazu in einem sehr guten tenvielfalt fördern, auch durch Forschung im Bereich der Gespräch mit den Koalitionsfraktionen. Technologie? Bis jetzt sagen die Anlagenbauer ja im- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nein?!) mer: Bei uns geht das nur mit dem Mais. – „Sehr gut“, Herr Goldmann. Fachliche Tiefe ist kein Ich habe von Nachhaltigkeit gesprochen. Dazu noch Widerspruch zu „sehr gut“. – Ich denke, dass wir mit den die Frage: Wie ist der Stand der Nachhaltigkeitszertifi- Ergebnissen baldmöglichst ins Bundeskabinett gehen zierung? Welche Kriterien müssen wir Ihres Erachtens können. wann zur Anwendung bringen? 7754 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

(A) Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt 2: (C) Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Fragestunde Diese Entwicklung rund um die nachwachsenden Rohstoffe mit all ihren Verästelungen – Biokraftstoffe, – Drucksache 16/4133 – Biomasse, Biogas – ist eine positive Entwicklung. Sie ist Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- aus unterschiedlichen Gründen sehr unterstützenswert. ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Be- Es geht um Klimaschutz, um Umweltschutz, um die antwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Grundlagen der wirtschaftlichen Existenz der Bauern. Hartmut Schauerte zur Verfügung. Ich habe letzte Woche im EU-Parlament in verschie- Wir kommen zur Frage 1 des Kollegen Hans-Josef denen Ausschüssen darum gebeten – das möchte ich hier Fell vom Bündnis 90/Die Grünen: ebenfalls tun –, zu überlegen – das tun auch wir als Regie- Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor über kar- rung; dazu müssen wir aber auch einen Dialog führen –, tellrechtswidrige Absprachen in Europa bezüglich der Ver- wie wir manche Fehler, die in der Agrarpolitik in den gabe von Aufträgen für Kraftwerke im Allgemeinen und Nachkriegsjahrzehnten gemacht wurden – da wurde das Atomkraftwerke im Besonderen? Ökonomische, die Menge in den Vordergrund gestellt Herr Schauerte, bitte. und die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf unsere Schöpfung lange Zeit übersehen –, beheben können. Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- Diese Frage stellt sich angesichts der Dynamik bei den desminister für Wirtschaft und Technologie: nachwachsenden Rohstoffen gleichermaßen. Wir sollten Herr Kollege Fell, ich beantworte die Frage im Na- vermeiden, die Fehler der Nachkriegsgeschichte jetzt zu men der Bundesregierung wie folgt: Der Bundesregie- wiederholen. Ich habe den Eindruck, dass ich bei den zu- rung sind keine kartellrechtswidrigen Absprachen in ständigen Ausschüssen des Europaparlaments auf sehr Deutschland bezüglich der Vergabe von Aufträgen für offene Ohren gestoßen bin, als ich ausgeführt habe, dass Kraftwerke im Allgemeinen und Atomkraftwerke im wir Nachhaltigkeitskriterien und Standards entwickeln Besonderen bekannt. Erkenntnisse über Absprachen in müssen. Zum Teil sind es die gleichen wie in der Nah- Europa liegen der Bundesregierung nicht vor. rungsmittelproduktion; aber wir müssen sehr Obacht ge- ben, dass es hier nicht zu einer platten Industrialisierung unter Ausbeutung unserer Böden kommt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Fell, Ihre Nachfrage. Es ist kein Widerspruch, das Positive mit einer Feh- lervermeidungsstrategie zu verbinden. Ich sagte bereits Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (B) heute im Fachausschuss, dass wir einmal zusammenstel- Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. Es (D) len müssen, was wir schon haben und was wir noch ist Ihnen ja nicht entgangen, dass die EU-Kommission brauchen, und zwar unter spezifischer Bezugnahme auf kartellrechtliche Maßnahmen und Strafmaßnahmen ge- nachwachsende Rohstoffe, zum Beispiel Fruchtfolge, genüber dem Konzern Siemens ergriffen hat. Ich frage vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit. Sie in diesem Zusammenhang, ob die Bundesregierung Im Europaparlament war die Schlussfolgerung bezüg- sich nun vornimmt, hier im Detail genauer hinzu- lich des Dialogs und auch der Entscheidungen über die schauen; denn es hat in den letzten Jahrzehnten auffäl- Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang: Wenn es ge- lige Ereignisse gegeben. Wenn man beispielsweise die länge, auf europäischer Ebene saubere Regeln und Stan- Verteilung von Atomkraftwerken in Europa auf der dards als Gemeingut zu entwickeln, dann wären wir Landkarte betrachtet, sind Vermutungen sehr wohl ge- auch gegenüber Drittstaaten in einer starken Stellung rechtfertigt, dass auch hier kartellrechtliche Absprachen und hätten eine gute Grundlage, wenn es um Wälder und ein Thema sind. Ähnliches in anderen Regionen der Welt ginge. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel Zertifizierungs- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- systeme im Verhältnis zu Drittstaaten durchaus eine Ant- desminister für Wirtschaft und Technologie: wort sein können. Herr Kollege Fell, wir werden die Ergebnisse der Un- tersuchungen der Europäischen Kommission diesbezüg- Aber lassen Sie uns das jetzt wirklich mit Nachdruck lich abwarten. diskutieren. Mein Interesse ist, auf europäischer Ebene zu Regeln zu kommen. Denn nur wenn es uns auf euro- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: päischer Ebene gelingt, in diesem Zusammenhang Nach- Weitere Nachfrage? – Bitte. haltigkeitsregeln zu entwickeln, werden wir auch welt- weit Wirkung entfalten können. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich fragte nicht, ob Sie die Ergeb- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nisse abwarten wollen, sondern ich fragte, ob die Bun- Die Fragezeit für die Regierungsbefragung ist abge- desregierung angesichts einer solch eindeutigen Indi- laufen. Ich bedaure, dass viele Fragesteller nicht mehr zienlage selbst aktiv werden will; denn kartellrechtliche zum Zuge kommen konnten, aber wir haben die Zeit so- Absprachen sind im Bereich der Energiewirtschaft be- gar schon überschritten. Deswegen müssen die Fragen reits nachgewiesen. Was wollen Sie also tun, um solch entfallen, können aber schriftlich gestellt werden. verbotswidrige Handlungen zu unterbinden? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7755

(A) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- (C) desminister für Wirtschaft und Technologie: desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Ihre Bewertung, dass es sich um einen massiven braucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamenta- Missbrauch handelt, kann ich nicht teilen. Jedenfalls lie- rische Staatssekretär Dr. Peter Paziorek zur Verfügung. gen uns bis heute keine Erkenntnisse dazu vor. Aber ich will gerne zusagen, dass wir angesichts dieser Vor- Wir kommen zur Frage 2 der Kollegin Bärbel Höhn: kommnisse noch einmal bei den beteiligten Unterneh- Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unter- men nachfragen. nommen, um den einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages zu einem Import- und Handelsverbot für Rob- benprodukte vom 19. Oktober 2006 (Bundestagsdrucksache Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 16/2755) umzusetzen, und für wann ist in Deutschland mit Eine weitere Frage der Kollegin Bärbel Höhn. dem Inkrafttreten des Verbotes zu rechnen?

Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Herr Staatssekretär, Sie haben eben deutlich gemacht, cherschutz: dass es zwar in der EU-Kommission Erkenntnisse über kartellrechtliche Absprachen gibt, dass diese aber Ihnen Werte Kollegin, die Bundesregierung setzt sich mit offensichtlich nicht vorliegen. Nachdruck für eine harmonisierte Lösung ein, die für die gesamte Europäische Union gilt. Jüngst hat sich Staats- sekretär Lindemann bei den Beratungen des Kommis- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- sionsvorschlags für eine „Verordnung des Europäischen desminister für Wirtschaft und Technologie: Parlaments und des Rates über ein Verbot des Inverkehr- Ja. bringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und Hundefellen sowie von Produkten, die solche Felle ent- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): halten, in die bzw. aus der Gemeinschaft“ im Agrarrat Erste Frage: Haben Sie sich bei der EU über die vor- am 29. Januar dieses Jahres für die Aufnahme von Rob- liegenden Erkenntnisse erkundigt? Zweite Frage: Was benfellen in den Verordnungsvorschlag ausgesprochen. wollen Sie tun, um das Informationsdefizit – die EU Der zuständige Kommissar Kyprianou lehnte das deut- weiß ja mehr über deutsche Konzerne als die deutschen sche Anliegen ab, da es bereits ein Einfuhrverbot für be- Behörden – abzubauen? stimmte Robbenfelle gebe. Derzeit würden in der Kom- mission ebenfalls Untersuchungen zur artgerechten Tötung der Tiere durchgeführt. Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (B) desminister für Wirtschaft und Technologie: Parallel zu den entsprechenden Bemühungen auf (D) Ich habe diese Frage gerade schon beantwortet. Wir europäischer Ebene für ein Importverbot prüft das Bun- werden uns bei den beteiligten Unternehmen und bei den desministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- zuständigen Behörden noch einmal erkundigen, ob auf braucherschutz derzeit für den Fall, dass auf Gemein- nationaler Ebene diesbezüglich irgendwelche Erkennt- schaftsebene keine ausreichende Regelung gefunden nisse vorliegen. wird, ob und gegebenenfalls welche Wege für ein natio- nales Handelsverbot gefunden werden können. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darf ich eine zweite Nachfrage stellen? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Frau Höhn? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, im März beginnt wieder die Rob- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): benjagd. Das Einfuhrverbot gilt nur für Robben mit wei- Halten Sie es für zielführend, allein bei den beteilig- ßem Fell. Deshalb werden die Robben exakt drei Wo- ten Unternehmen nachzufragen? Offensichtlich scheint chen nach der Geburt erschlagen oder erschossen. Wir das für Sie der richtige Weg zu sein, um herauszufinden, haben aus diesem Grund am 19. Oktober letzten Jahres ob sie sich kartellrechtswidrig abgesprochen haben. im Bundestag den einstimmigen Beschluss gefasst, dass ein Verbot auf EU-Ebene geprüft werden soll. In dem Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- entsprechenden Antrag hieß es: desminister für Wirtschaft und Technologie: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie- Frau Kollegin, es ist selbstverständlich, dass wir die rung auf, … solange ein solches Verbot Erkenntnisse der EU nutzen. Aber wir werden auch mit den Beteiligten das Gespräch führen und über eventuelle – damit ist ein Einfuhr- und Handelsverbot auf EU- Vorkommnisse reden. Dann werden wir sehen, ob wir Ebene gemeint – weiter untersuchen müssen. nicht zustande kommt, den Import, die Be- und Ver- arbeitung und das Inverkehrbringen von Robben- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: produkten in Deutschland wirkungsvoll zu unter- Vielen Dank, Herr Staatssekretär. binden. 7756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Bärbel Höhn (A) Das war, wie gesagt, ein einstimmiger Beschluss des Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Um- (C) Bundestages. setzung der Transparenzinitiative zur Offenlegung der Emp- fänger von Agrarsubventionen rechtzeitig erfolgt, damit die Wir sind die Legislative und Sie sind die Exekutive. Informationen bei der Diskussion um die Neuorientierung der europäischen Agrarpolitik im Rahmen des Midterm-Reviews Was haben Sie getan, um diesen Beschluss des Bundes- 2008/2009 Berücksichtigung finden können? tages – Sie hatten ein halbes Jahr Zeit; in zwei Monaten beginnt die Robbenjagd – umzusetzen? Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- cherschutz: desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Frau Kollegin, die Bundesregierung unterstützt die cherschutz: Europäische Transparenzinitiative. Wichtige Gesichts- Verehrte Frau Kollegin, ich kenne die Genesis dieses punkte in der Diskussion zu den Modalitäten einer Ver- Beschlusses, da ich selbst als Parlamentarischer Staats- öffentlichung sind für die Bundesregierung, dass auch sekretär mit Ihnen zusammen an den Beratungen des über Ziele und Zusammenhänge der Förderung umfas- Ausschusses zu diesem Punkt teilgenommen habe. Es send informiert wird, die Gleichbehandlung aller Sekto- handelt sich um einen gemeinsamen Beschluss aller ren und Programme gewährleistet ist, datenschutzrecht- Fraktionen; insofern sind wir auch inhaltlich nicht aus- liche Gesichtspunkte beachtet werden und der einander. Es war aber klar, dass wir die schwierige Frage bürokratische Aufwand begrenzt gehalten wird. Außer- zu behandeln haben, ob aus WTO-rechtlichen Gründen dem werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die ein nationaler Importstopp ausgesprochen werden kann. EU-Kommission die Veröffentlichung übernimmt. Aus diesem Grunde hatten wir uns alle – sowohl die Le- gislative als auch die Exekutive – darauf verständigt, zu- Was den Veröffentlichungszeitpunkt betrifft, sind die nächst einmal zu versuchen, auf europäischer Ebene eine Vorgaben in den jeweiligen Rats- bzw. Kommissionsver- Lösung zu finden. Wir prüfen zurzeit, welche rechtli- ordnungen maßgebend. Für den Garantiefondsbereich ist chen Möglichkeiten im Rahmen dieses schwierigen Fel- in der Änderungsverordnung Nr. 1995/2006 zur Allge- des – es muss sich in die WTO-Rechtsordnung einpas- meinen Haushaltsordnung Nr. 1605/2002 vorgesehen, sen – bestehen, um den Beschluss des Deutschen dass die Daten des Haushaltsjahres 2008 veröffentlicht Bundestages zur Umsetzung bringen zu können. werden, und zwar aus gutem Grund: Ausgaben des EU- Haushaltsjahres 2008 betreffen das Antragsjahr 2007 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: – das ist mit dem Erntejahr deckungsgleich –, für das bis zum 15. Mai 2007 von den Betriebsinhabern entspre- Eine weitere Nachfrage. chende Anträge zu stellen und von den zuständigen Lan- (B) desbehörden anschließend zu bescheiden sind. Die Bun- (D) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): desregierung hat die Länder Ende letzten Jahres gebeten, Herr Staatssekretär, ich muss Sie korrigieren: Der Be- bereits mit diesen Anträgen die Bäuerinnen und Bauern schluss des Bundestages lautet anders; dort steht nicht darüber zu informieren, dass mit einer Zuwendung eine „zunächst“, sondern „solange ein solches Verbot nicht entsprechende Veröffentlichung vorgesehen ist. Die Zah- zustande kommt“. Das ist ein halbes Jahr her. Belgien, lungen zu diesen Anträgen erfolgen im Jahre 2007 sowie das ebenso wie Deutschland ein EU-Staat ist, hat gerade bis zum zweiten Quartal 2008 und werden auf den EU- auf nationaler Ebene einen solchen Beschluss gefasst. Haushalt 2008 gebucht. Auch die Niederlande sind hier sehr weit. Haben Sie sich mit den Regelungen in diesen beiden Ländern auseinan- Die Daten über die geleisteten Einzelzahlungen lie- dergesetzt und Überlegungen angestellt, ob Sie solche gen beim bisherigen Verfahren in Deutschland zum weit Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland über- überwiegenden Teil zunächst nur auf der Ebene der Län- nehmen können, um den Beschluss des Bundestages um- der vor. Im Rahmen des vom EU-Recht vorgeschriebe- zusetzen, in dem nicht von „zunächst“, sondern sinnge- nen sogenannten Jahresabschlusses werden sie Anfang mäß von „parallel“ die Rede ist? 2009 an die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung und anschließend an unser Haus übermit- telt; einige Tage später werden sie dann über das Bun- Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- desfinanzministerium an die EU-Kommission gesandt. desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Ähnliches gilt auch für die flächenbezogenen ELER- cherschutz: Maßnahmen, zum Beispiel für die Ausgleichszulage und Verehrte Frau Kollegin, genau das ist jetzt Gegen- die Agrarumweltprogramme. stand der Prüfung in unserem Hause, ob Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen solchen Sonderweg gehen Dies bedeutet, dass sowohl der Bund als auch die EU- können, ohne von der EU gestoppt zu werden. Weil wir Kommission die Daten ohne großen zusätzlichen Auf- das gemeinsame Ziel, für eine artgerechte Tötung einzu- wand, also grundsätzlich bei Beibehaltung des bisheri- treten, erfolgreich umsetzen wollen, nehmen wir im Au- gen Verfahrens, Anfang 2009 werden veröffentlichen genblick eine ganz intensive Prüfung dieser Rechtsfrage können. vor. Derzeit ist geplant, unmittelbar nach Vorliegen aller den Agrarbereich betreffenden Bestimmungen – für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Marktordnungsmaßnahmen und Direktzahlungen liegen Nun kommen wir zur Frage 3 der Kollegin Höhn: derzeit auf EU-Ebene überhaupt noch keine Durchfüh- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7757

Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek (A) rungsbestimmungen vor – ein Konzept zur Veröffentli- Platz greifen, wie wir es uns vorstellen – im Hinblick auf (C) chung zu erstellen und mit den Ländern abzustimmen. In die Zahlungen, die jetzt, in 2007, erfolgen, damit rech- diesem Rahmen soll dann auch die Frage des Veröffent- nen, dass sein Name zum frühestmöglichen Zeitpunkt lichungszeitpunktes erörtert werden. Ich bin mir sicher, genannt wird. dass dieses Vorgehen sowohl dem Anliegen der Veröf- fentlichung von EU-Subventionsdaten als auch einer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sachgerechten Diskussion zur Fortentwicklung der euro- Ihre zweite Nachfrage. päischen Gemeinsamen Agrarpolitik bestmöglich Rech- nung trägt. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Kommission beabsichtigt, nach eingehenden Vor- Herr Staatsekretär, Sie haben eben gesagt, dass das arbeiten ihr abschließendes Papier zur Überprüfung der noch rechtzeitig vor Erstellen des Midterm-Reviews sein EU-Politiken Ende 2008 oder Anfang 2009 vorzulegen. wird. Nun wissen wir aber, dass die EU die Abfassung Also können die EU-Subventionsdaten in der sich daran ihrer Midterm-Reviews teilweise nach vorne verlagert; anschließenden Diskussion Berücksichtigung finden. das haben wir mehrfach erlebt. Der Minister hat zwar heute im Ausschuss gesagt, er sei nicht dafür; trotzdem Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: passiert das manchmal. Sind Sie auf einen solchen Fall Nachfrage, Frau Höhn? vorbereitet? Denn es wäre natürlich entscheidend wich- tig, dass wir gerade dann, wenn Subventionen gekürzt werden, zielgenauer fördern können und so sehen kön- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nen, wo Umverteilungen möglich sind. Haben Sie eine Ja. – Herr Staatssekretär, andere EU-Länder haben solche Möglichkeit eingeplant? mittlerweile die Subventionsempfänger benannt; das geht bei diesen. Sie sagen, dass Sie prüfen; wenn ich es richtig verstanden habe. Dazu würde ich gerne eine Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- Nachfrage stellen. Im Jahre 2009 wollen Sie die Daten desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- veröffentlichen. Ist es richtig, dass die Öffentlichkeit in cherschutz: Deutschland anders als in anderen EU-Ländern erst im Es ist in der Tat so, dass wir diese Möglichkeit einpla- Jahre 2009 die Daten erhält, und veröffentlichen Sie nen müssen. Ich kann Ihrer Sachverhaltsschilderung, dann nur die Daten oder auch die Namen der Subven- Frau Höhn, durchaus zustimmen. Ich kann aber zum jet- tionsempfänger? zigen Zeitpunkt noch nicht sagen – ich habe Ihnen ja den großen Aufwand geschildert –, wie wir auf ein solches Vorziehen reagieren würden. Ich kann aber versichern, (B) Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun- dass dieser Gesichtspunkt ein Prüfauftrag bei den zu- (D) desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- ständigen Stellen in unserem Hause sein wird. cherschutz: Zunächst einmal habe ich geschildert, wie wir das Ganze umsetzen wollen. In einem föderalen Staat – Frau Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Höhn, das wissen Sie aus Ihrer vorherigen Tätigkeit in Danke schön, Herr Staatssekretär. der Politik – müssen wir solche Verwaltungsvollzugs- Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- maßnahmen mit den Ländern abstimmen. Das ist nun desministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- einmal so bei uns. sicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Wir haben uns schon einmal in einer Fragestunde mit Staatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung. diesem Sachverhalt beschäftigt. Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten Hans- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Josef Fell: Exakt! Gegenüber damals haben Sie sich Wurden der Bundesregierung im Rahmen der Energiegip- schon ein bisschen bewegt!) felrunden Vorschläge vorgelegt, die die Erreichung ambitio- nierter Klimaschutzziele unter Beibehaltung des Atomaus- – Herzlichen Dank. Ich wollte das gerade sagen. Ich stiegs beinhalten, und, falls ja, welche? kann Ihre Aussage durchaus unterstreichen. – Ich muss klar und deutlich sagen: Das, was ich vorgetragen habe, Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- ist eine inzwischen in der Bundesregierung abgestimmte nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Haltung. Es ist also klar: Die Daten werden veröffent- Sehr geehrter Herr Kollege Fell, ich beantworte Ihre licht. Den Bäuerinnen und Bauern wird schon jetzt ge- Frage wie folgt: Im Rahmen der Energiegipfelrunden sagt, sie müssten damit rechnen, dass auch ohne eine 2006 und der untergeordneten Arbeitsgruppensitzungen Mindestgrenze entsprechende Daten veröffentlicht wer- wurde insbesondere im Rahmen des Aktionsplans Ener- den. Das ist der jetzige Sachverhalt. gieeffizienz über eine Vielzahl von Emissionsminde- rungsansätzen diskutiert. Umfassende Konzepte zur Es tut mir leid, dass wir diese Daten aufgrund des Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele unter Beibe- durchaus umfangreichen bürokratischen Aufwandes hin- haltung des Atomausstieges wurden der Bundesregie- sichtlich der Frage, wann Zahlungen gebucht werden rung damals nicht vorgelegt. und wann sie in die Berichte eingehen, nach dem jetzi- gen Stand erst 2009 veröffentlichen können. Aber Sie se- Auf dem nächsten Energiegipfel im Frühsommer die- hen: Ab sofort muss jeder – wenn die Verordnungen so ses Jahres soll über Energieszenarien bis 2020 diskutiert 7758 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Parl. Staatssekretärin Astrid Klug (A) werden. Hierfür werden derzeit verschiedene Szenarien Frau Merkel hat kürzlich gefordert, dass derjenige, (C) erstellt, darunter ist auch eines, das unter Zugrunde- der aus der Atomenergie aussteigen will, glaubhafte legung der verschiedenen energiepolitischen Vorgaben Konzepte zum Klimaschutz vorlegen muss. Die Antwort des Koalitionsvertrages inklusive Beibehaltung des Atom- auf diese große Frage ist doch längst gegeben. Warum ausstiegs berechnet wird. wird sie von der Bundesregierung nicht zur Kenntnis ge- nommen? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage, Kollege Fell? – Bitte. Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit: Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können sicher sein, dass alle Argumente und Zah- Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Antwort. len, die im Rahmen der Energiegipfelrunden von den un- Sie hat mich ein wenig verwundert; denn nach Aussagen terschiedlichen Seiten zur Sprache gebracht worden des Bundesverbandes Erneuerbare Energie habe er auf sind, zur Kenntnis genommen werden. Sie fließen in ge- dem letzten Kanzlergipfel ein Konzept vorgelegt, das nau die Szenarien ein, die ich Ihnen soeben beschrieben eine Stromerzeugung von etwa 240 Terawattstunden aus habe und die derzeit erarbeitet werden. Für die nächste erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 vorsieht. Energiegipfelrunde werden verschiedene alternative Wenn man weiß, dass die Atomkraftwerke 1990 nur Szenarien unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem 160 Terawattstunden erzeugt haben, dann wird klar, dass Koalitionsvertrag berechnet. Diese reichen von der Bei- ein Atomausstieg mit gleichzeitigem Klimaschutz mög- behaltung der Atomenergie über den Ausstieg aus der lich ist. Insofern wundert mich, dass Sie sagen, solche Atomenergie bis hin zu einem Szenario, das einen we- Konzepte seien nicht vorgelegt worden. sentlich höheren Anteil der erneuerbaren Energien be- rücksichtigt. Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Wir sind davon überzeugt, dass bei Beibehaltung der minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- derzeitigen Dynamik im Bereich des Ausbaus der erneu- heit: erbaren Energien ambitioniertere Ziele als bisher – es Es gibt derzeit noch kein fertiges Konzept innerhalb geht um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 – erreichbar sind. der Bundesregierung, das man hätte vorlegen oder über All diese Berechnungen fließen in die Debatte ein; ich das man hätte diskutieren können. An solchen Konzep- glaube, dass wir in der Sache nicht auseinander sind. ten wird aber gearbeitet. Diese Zahlen werden als Arbeitsgrundlage für alle Betei- ligten dienen. Wir werden darüber diskutieren, welche (B) In der Sache widerspreche ich Ihnen nicht. Sie wis- Auswirkungen der Atomausstieg haben wird und ob ein (D) sen: Es gibt zur Bewertung der Atomkraft in Verbindung ambitioniertes Klimaschutzziel mit dem Atomausstieg mit dem Klimaschutz unterschiedliche Auffassungen in vereinbar ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Zahlen der Bundesregierung. Ein Teil der Bundesregierung sieht das belegen werden. hier einen Zusammenhang. Ich gehöre zu dem Teil der Bundesregierung, der meint, dass beides, sowohl der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Atomausstieg als auch ein ambitionierter Klimaschutz, möglich ist. In diesem Zusammenhang gibt es ambitio- Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. nierte Ziele, die auch im Rahmen der Energiegipfelrun- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- den diskutiert werden. Sie kennen die Ziele; sie lassen nisteriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 5 der Ab- sich im Koalitionsvertrag wiederfinden. Dabei geht es geordneten Cornelia Hirsch soll schriftlich beantwortet um die Verdoppelung der Energieeffizienz bis zum Jahr werden. 2020 und einen weiteren deutlichen Ausbau der erneuer- baren Energien bis zum Jahr 2020, wodurch die Folgen Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- der Abschaltung der Atomkraftwerke kompensiert wer- desministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fra- den könnten. gen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Petra Pau sollen schriftlich beantwortet werden. Zweite Zusatzfrage, Herr Fell? – Bitte. Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Omid Nouripour: Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz des im De- Frau Staatssekretärin, gestatten Sie mir folgende Fest- zember 2006 auch von EU-Kommissar Franco Frattini kriti- stellung: Ich habe nicht danach gefragt, ob die Bundes- sierten Automated Targeting System, ATS, durch US-Behör- regierung entsprechende Vorschläge vorgelegt hat. Viel- den zur Untersuchung von Flugpassagieren bei der Einreise in mehr habe ich gefragt: Wurden der Bundesregierung im die USA? Rahmen der Energiegipfelrunden Vorschläge vorgelegt? Diese wurden – ich habe das bereits ausgeführt – vom Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bundesverband Erneuerbare Energie vorgestellt. Inso- minister des Innern: fern irritiert mich, dass diese Vorschläge offensichtlich Herr Kollege Nouripur, Ihre Frage bezieht sich auf nicht zur Kenntnis genommen werden. das sogenannte ATS, das Automated Targeting System, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7759

Parl. Staatssekretär Peter Altmaier (A) das von den Vereinigten Staaten in den 90er-Jahren zur wurde und demzufolge drei Tage lang nicht einreisen (C) Analyse von Passagier- und Frachtdaten aufgebaut durfte. Meine Frage: Ist es aus Sicht der Bundesregie- wurde und seitdem betrieben wird. Hier kommt es aus rung vertretbar, im Rahmen des Automated Targeting Sicht der Bundesregierung darauf an, ob in Anbetracht System zu kooperieren, wenn dieses System zur Folge der derzeit bestehenden amerikanischen Vorschriften hat, dass deutsche Staatsbürger fälschlicherweise als Ge- weiterhin sichergestellt ist, dass die vom Department of fährder eingestuft werden und infolgedessen womöglich Homeland Security im Zusammenhang mit der Über- drei Tage in Haft sind? mittlung von Fluggastdaten europäischer Fluggesell- schaften, PNR, abgegebene Verpflichtungserklärung Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- auch künftig beachtet wird. Auf unsere Anfrage hin minister des Innern: wurde dies von amerikanischer Seite ausdrücklich be- jaht. Darüber hinaus hat die Bundesregierung keine Ver- Herr Kollege Nouripour, bei der Frage, wer unter wel- anlassung, eine Bewertung des ATS vorzunehmen. chen Voraussetzungen in ein Land einreisen darf, han- delt es sich um eine Frage der nationalen Souveränität und der Ausübung nationaler Hoheitsrechte. Die deut- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sche Rolle beschränkt sich darauf, deutsche Staatsbür- Nachfrage? ger, die an der Einreise gehindert werden, konsularisch zu betreuen und zu beraten. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Altmaier. Die Bundesregierung hat zurzeit die Verhand- Vielen Dank, Herr Staatssekretär. lungsführung bezüglich der weiteren Aushandlungen des Vertrages über den Austausch von Passagierdaten inne. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes- Mir stellt sich die Frage, inwieweit eine Zusammenar- ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die beit mit den Amerikanern beim ATS überhaupt möglich Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks ist. Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund, dass die zur Verfügung. Europäische Union einheitlich der Meinung ist, dass die Daten für höchstens dreieinhalb Jahre gespeichert wer- Die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch den dürfen, während sie im ATS 40 Jahre lang gespei- sollen schriftlich beantwortet werden. chert werden. Wie will die Bundesregierung als Ver- Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Christine Scheel, handlungsführer gewährleisten, dass die Daten, die über die anwesend ist, auf: (B) PNR im ATS landen, nach dreieinhalb Jahren gelöscht (D) werden? Welche kassenwirksamen Steuerausfälle durch die Unter- nehmensteuerreform werden in den einzelnen Jahren des Fi- nanzplanungszeitraums von der Bundesregierung jeweils für Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Körperschaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer prognosti- minister des Innern: ziert, und welche Annahmen insbesondere zum realen und no- minellen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegen der Pro- Herr Kollege Nouripour, Sie wissen, dass das Interims- gnose der Bundesregierung zugrunde, dass die Einnahmen abkommen zum 31. Juli dieses Jahres auslaufen wird. In aus der Körperschaftsteuer im Jahr 2010 wieder das Niveau den Gremien des Justiz- und Innenministerrates wird des Jahres 2007 erreichen werden („Handelsblatt“, 24. Januar zurzeit ein Mandat für die Verhandlungen zum Ab- 2007)? schluss eines endgültigen Abkommens vorbereitet. Die- ses Mandat wird im Augenblick auf Arbeitsebene bera- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim ten. Wir gehen davon aus, dass in der nächsten Bundesminister der Finanzen: Ratssitzung im Februar eine Einigung über dieses Man- Frau Kollegin Scheel, die in der angesprochenen Ver- dat erzielt wird. öffentlichung zitierte Projektion des Steueraufkommens Ich bitte um Verständnis, dass ich zu Fragen der Ver- der Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre ab handlungsführung, die von der Bundesregierung auf- 2008 wurde vor dem Hintergrund eines angenommenen grund der Ratspräsidentschaft wahrgenommen wird, nominalen jährlichen Wachstums des Bruttoinlandspro- keine Aussagen machen kann, bevor der Europäische dukts von 2,7 Prozent erstellt. Es handelt sich um eine Rat der Justiz- und Innenminister dieses Mandat nicht Projektion, nicht um eine abschließende Berechnung. beschlossen hat. Ein nominales Wachstum von jährlich 2,7 Prozent lag auch der letzten Steuerschätzung vom November zu- grunde. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? – Bitte. Ein mit den Ländern abgestimmtes Finanztableau mit Angaben zu den finanziellen Auswirkungen auf die ein- zelnen Kassenjahre wird mit dem Regierungsentwurf Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): vorgelegt werden. Am 4. Januar dieses Jahres erschien in der „Süddeut- schen Zeitung“ ein Artikel über einen deutschen Staats- bürger, der in die USA einreisen wollte, aber aufgrund Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: des ATS als Risikopassagier, als Gefährder, eingestuft Nachfrage, Frau Scheel? 7760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

(A) Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unsere Zielrichtung ist eindeutig: Wir wollen den (C) Ja. – Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass Sie Standort Deutschland für deutsche und ausländische Un- ein nominelles Wachstum von 2,7 Prozent zugrunde ge- ternehmen attraktiver machen. Allein die Tatsache, dass legt haben. Das gilt ja dann für den gesamten Planungs- wir die Höhe der Besteuerung um fast zehn Prozent- zeitraum, also bis 2009. Was würde denn passieren, punkte senken, bringt hier einen Vorteil mit sich. Die wenn dieses angenommene Wachstum um beispiels- Verlagerung von Gewinnen und Verlusten ist ja mit weise 0,5 Prozent geringer ausfallen würde? Welche Transaktionskosten verbunden. Diese Transaktionskos- Steuerausfälle hätte das zur Folge? ten rentieren sich nicht mehr, wenn der Steuersatz niedri- ger wird. Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Dies alles sind Annahmen im Rahmen des Gesetzge- Bundesminister der Finanzen: bungsverfahrens, die in das Finanztableau einfließen Frau Kollegin Scheel, bezogen auf die Körperschaft- werden. steuer in neuer Gestalt kann ich dazu aus dem Stand he- raus keine Angaben machen. Dass eine nominelle und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: reale Veränderung des Wirtschaftswachstums, egal ob Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Scheel: nach oben oder nach unten, Folgen für das Steuerauf- kommen hat, liegt auf der Hand. Ich glaube aber, dass es Gelang es der Bundesregierung nach ihren bisherigen Plä- nicht sinnvoll ist, jetzt hypothetisch zu fragen, welche nen für die Ausgestaltung einer Abgeltungsteuer, Finanzie- rungsneutralität zwischen Eigen- und Fremdkapital herzustel- Folgen es für das Körperschaftsteueraufkommen hätte, len, und, falls dies nicht gelungen ist, wie beabsichtigt die wenn dieses nominelle Wachstum von 2,7 Prozent nicht Bundesregierung, den durch die unterschiedliche Steuersatz- einträte. belastung entstehenden Anreiz, Investitionen verstärkt mit Fremdkapital zu finanzieren, im Sinne einer soliden und kri- Ich sagte Ihnen schon: Wir werden das Gesetzge- senfesten Unternehmensfinanzierung abzumildern? bungsverfahren wie immer rege begleiten und dem Bun- destag im Zusammenhang mit dem Entwurf ein Finanz- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim tableau vorlegen. Dem werden wir Wachstumsannahmen Bundesminister der Finanzen: zugrunde legen, die auf den neuesten Daten beruhen. Frau Kollegin Scheel, die Bundesregierung erkennt Aber selbstverständlich kann sich die Situation in den die Probleme, die sich durch die Spreizung der Steuer- Folgejahren zum Positiven oder zum Negativen ändern. sätze auf Erträge aus Fremdkapital, zum Beispiel Zinsen, und auf Eigenkapital, zum Beispiel Dividenden, erge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ben. Der steuerliche Anreiz zu einer erhöhten Fremd- (B) Zweite Nachfrage, bitte. kapitalfinanzierung wird dadurch gemildert oder gar (D) genommen, dass der Anwendungsbereich der Abgel- tungsteuer eingegrenzt werden soll. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, neben der Projektion unter Zu- Zinserträge aus Gesellschafterdarlehen und vergleich- grundelegung des angenommenen Wachstums gibt es ja baren Finanzierungsformen, etwa Back-to-back-Finan- auch Annahmen zum Steueraufkommen im Unterneh- zierungen durch Zwischenschaltung eines Kreditinstitu- menssektor insgesamt. Wie kommen Sie denn zu der tes, unterliegen nicht der abgeltenden 25-prozentigen konkreten Aussage – in allen Zeitungen ist nachzulesen, Besteuerung, sondern sind normal zu veranlagen. Dies dass Minister Peer Steinbrück dies gesagt hat –, dass in hat zur Folge, dass etwa die Zinserträge aus Gesellschaf- der Folge 5 Milliarden Euro an Steuerausfällen zu ver- terdarlehen beim Gesellschafter einer maximalen Ein- zeichnen sein werden, obwohl Sie gar nicht wissen, wie kommensteuerbelastung von 47,48 Prozent unterliegen. hoch die Steuerbelastung der deutschen Unternehmen im Hinzu kommt die Belastung, die sich auf Ebene der Ka- Einzelnen ist? pitalgesellschaft durch die gewerbesteuerliche Hinzu- rechnung des Zinsaufwands in Höhe von 25 Prozent er- gibt. Bei übermäßiger Fremdfinanzierung greift auch Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim noch die Zinsschranke der Körperschaftsteuer. Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Scheel, die Maßnahmen im Gesetzent- Demgegenüber beträgt die maximale Gesamtbelas- wurf, der noch nicht als Referentenentwurf vorliegt, tung auf Unternehmens- und Anteilseignerebene, also werden natürlich im Einzelnen bewertet. Daraufhin wird bei Kapitalgesellschaften die maximale Gesamtbelas- dem Parlament ein Finanztableau vorgelegt. tung von Dividenden – zusammengenommen die Vorbe- lastung auf Unternehmensebene –, 48,33 Prozent. – Dies Es ist damit zu rechnen, dass unmittelbar nach In- steht den 47,48 Prozent gegenüber, wie ich es Ihnen ge- krafttreten des Gesetzes im Jahre 2008 höhere Steuer- rade für Personengesellschaften am Beispiel der Gesell- ausfälle als 5 Milliarden Euro für den Gesamtstaat zu schafterdarlehen dargelegt habe. verzeichnen sein werden. Unser Ziel ist – das haben wir immer so kommuniziert –, durch die Rückgewinnung In Abwägung der Vorteile einer Abgeltungsteuer ge- von Steuersubstrat in die Bundesrepublik Deutschland in gen die Nachteile dieser wirklich geringfügigen Beein- einem überschaubaren Zeitraum wieder auf dasselbe Ni- trächtigung der Finanzierungsneutralität hat sich die veau an Steuereinnahmen zu kommen wie in den Jahren Bundesregierung für die Realisierung der Vorteile der 2006 oder 2007. Abgeltungsteuer entschieden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7761

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Stand der Bearbeitung der Kindergeldanträge eingehen, (C) Nachfrage, Kollegin Scheel? nicht nur bezogen auf das Land Schleswig-Holstein.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Staatssekretärin, die Einführung der Abgeltung- Gibt es eine Nachfrage? – Nein. steuer ist ja zum 1. Januar 2009 geplant. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Wird die Abgeltungsteuer in dem Gesetzentwurf, der Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. demnächst vorgelegt wird, mit all den Modalitäten, die Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes- Sie jetzt angesprochen haben – der unterschiedlichen ministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht Behandlung von Zinsen und Dividenden, mit allen Ein- der Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz zur schränkungen –, im Detail geregelt werden? Verfügung.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Wir kommen zur Frage 15 des Kollegen Dr. Edmund Bundesminister der Finanzen: Peter Geisen: Ja, Frau Kollegin, das ist Gegenstand des Gesetzent- Gibt es ein Übereinkommen zwischen dem Bundesminis- wurfes, der nach meinem jetzigen Stand in der nächsten terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Gesundheit, wonach die Woche als Referentenentwurf veröffentlicht wird. landwirtschaftlichen Krankenkassen auch nach 2008 Bundes- mittel gemäß § 221 SGB V zur pauschalen Abgeltung der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtheit aller Frage 13 der Kollegin Marieluise Beck soll ebenfalls gesetzlich Krankenversicherten erhalten werden, obwohl sie schriftlich beantwortet werden. laut GKV-WSG-Entwurf nicht an dem geplanten Gesund- heitsfonds beteiligt sind, und, wenn nein, wie wird dann si- Dann kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Lutz chergestellt, dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen ih- Heilmann: ren Anteil zur Abgeltung versicherungsfremder Leistungen gemäß § 221 SGB V erhalten, da sie als Teil der gesetzlichen Trifft der Bericht der „Lübecker Nachrichten“ vom Krankenversicherung durch die Übernahme gesamtgesell- 17. Januar 2007 zu, dass in Schleswig-Holstein etwa 18 000 schaftlicher Aufgaben in gleicher Weise belastet werden wie Anträge auf Kindergeld derzeit unbearbeitet sind, und wieso die übrigen Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversi- hat die Bundesregierung die Verzögerungen der Bearbeitung cherung? der Anträge auf Kindergeld noch immer nicht behoben, ob- wohl diese Verzögerungen seit mehr als einem Jahr bekannt sind? Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (B) ministerin für Gesundheit: (D) Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Herr Dr. Geisen, Ihre Fragen 15 und 16 beziehen sich Bundesminister der Finanzen: beide auf die Teilhabe der landwirtschaftlichen Kranken- Herr Kollege Heilmann, bei der an die „Lübecker kassen am Bundeszuschuss ab 2009. Ich würde gerne, Nachrichten“ übermittelten Zahl von 18 000 Kindergeld- Ihr Einverständnis vorausgesetzt, beide Fragen im Zu- anträgen handelt es sich nicht um die Anzahl der An- sammenhang beantworten. träge, die, wie es im Bericht heißt, „auf ihre Bearbeitung warten“, sondern um unerledigte Bearbeitungsvor- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gänge, von denen ein nicht bezifferbarer Anteil noch Kollege Geisen ist einverstanden. Dann rufe ich zu- nicht bearbeitungsreif ist. Gründe für eine fehlende Be- gleich Frage 16 auf: arbeitungsreife sind zum Beispiel, dass die eingereichten Wenn ja, wann und an welcher Stelle ist bzw. wird dies Anträge unvollständig sind oder dass sich die Rechtsauf- rechtlich verbindlich festgelegt? fassung der Familienkasse und der Antragsteller unter- scheidet und daher noch Klärungsbedarf besteht. Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Im letzten Jahr wurden mehr als 76 Prozent aller bei ministerin für Gesundheit: den Familienkassen in Schleswig-Holstein eingegange- Die Antwortet lautet wie folgt: Der Bundeszuschuss nen Kindergeldanträge innerhalb von 20 Arbeitstagen nach § 221 SGB V zur pauschalen Abgeltung der Auf- abschließend bearbeitet und erledigt. Somit kann nicht wendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde von einer Verzögerung der Bearbeitung der Kindergeld- Leistungen wird ab dem Jahr 2009 an den Gesundheits- anträge gesprochen werden. fonds gezahlt und von diesem über das System der risi- koadjustierten Zuweisungen an die Krankenkassen ver- Die angespannte Situation, die bei den Familienkassen teilt. Deshalb können an ihm in diesem Verfahren nur im Bereich der Regionaldirektion Nord der Bundesagen- solche Krankenkassen teilhaben, die auch am Fondsver- tur für Arbeit zu Beginn des Jahres 2006 vorherrschte, fahren teilnehmen, mithin nicht die landwirtschaftlichen wurde zwischenzeitlich durch den Einsatz verschiedener Krankenkassen. Maßnahmen, zum Beispiel durch die Bereitstellung zu- sätzlicher Personalkapazitäten, behoben. Im Übrigen darf Grundsätzlich erfüllt auch die landwirtschaftliche ich Sie auf die ausführliche Antwort des Bundesministe- Krankenversicherung Aufgaben, die von der Allgemein- riums der Finanzen – Drucksache 16/4051 vom 17. Janu- heit zumindest anteilig zu finanzieren sind. Bis Ende ar 2007 – auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ver- 2008 ist eine Beteiligung der landwirtschaftlichen weisen, in der wir ganz allgemein und umfänglich auf den Krankenkassen an den dafür bereitgestellten Bundeszu- 7762 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Parl. Staatssekretär Rolf Schwanitz (A) schüssen gesichert. Auch wenn gegenwärtig noch keine zum Ausdruck. Ich bestätige es an dieser Stelle noch ein- (C) Regelung zur Fortführung der Beteiligung der landwirt- mal ausdrücklich. schaftlichen Krankenkassen an den Zahlungen des Bun- des vorgesehen ist, bedeutet dies nicht, dass deren Wie ich bereits ausgeführt habe, werden wir bis Ende Einbeziehung zukünftig ausgeschlossen sein soll. Die 2008 – auf der Grundlage eines noch zu erstellenden Bundesregierung wird prüfen, inwieweit die landwirt- Gutachtens – die weiteren Schritte zu erörtern haben. schaftlichen Krankenkassen auch in Zukunft in den Ge- Damit haben wir genügend Zeit, alle Faktoren abzuwä- nuss der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufga- gen und die weiteren Schritte in aller Ruhe zu entschei- ben durch Steuermittel kommen können. Es ist daran den. Eine verbindliche Entscheidung – darauf bezog sich gedacht, bis Ende 2008 ein Gutachten zu erstellen, das meines Erachtens der dritte Teil Ihrer Frage – kann letzt- die aktuelle Höhe und die voraussichtliche Entwicklung endlich nur der Gesetzgeber treffen. Damit wird er sich der sogenannten „alten Last“ – gemeint ist das ungüns- sicherlich zu befassen haben. tige Verhältnis der Altenteiler zur Zahl der beitragszah- lenden Landwirte durch den andauernden Strukturwan- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: del im landwirtschaftlichen Bereich – darlegt, deren Eine weitere Nachfrage. Bitte. Tragung durch besondere Bundesmittel im Agrarhaus- halt gerechtfertigt ist. Dr. Edmund Peter Geisen (FDP): Ich habe noch zwei Nachfragen. Erstens. Gibt es für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den Zeitraum ab 2009 eine zeitliche Begrenzung zur Nachfrage? – Kollege Geisen. Zahlung der genannten Bundesmittel zum einen an die landwirtschaftlichen Krankenkassen und zum anderen Dr. Edmund Peter Geisen (FDP): an die übrigen gesetzlichen Krankenkassen und, wenn Erstens. Herr Staatssekretär Schwanitz, gerade weil ja, warum? die Landwirtschaft völlig aus der Gesundheitsreform he- Zweitens. Wie wird dann – wenn nicht rechtlich – rausgehalten wurde: Stellt die Bundesregierung infrage, verbindlich gewährleistet, dass die landwirtschaftlichen dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie die Krankenkassen ab 2009 Bundesmittel gemäß § 221 gesetzlichen Krankenkassen insgesamt gesamtgesell- SGB V für versicherungsfremde Leistungen entspre- schaftliche Aufgaben wahrnehmen. Zweitens. Legt der chend ihrem Anteil erhalten? angekündigte Entschließungsantrag der Regierungsko- alition zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz rechtlich verbindlich fest, dass die landwirtschaftlichen Kranken- Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (B) kassen auch nach 2008 Bundesmittel gemäß § 221 ministerin für Gesundheit: (D) SGB V für versicherungsfremde Leistungen entspre- Herr Dr. Geisen, wie Sie wissen, gibt es für die Zu- chend ihrem Anteil an der Gesamtheit aller gesetzlichen schüsse für die gesetzlichen Krankenkassen gemäß Krankenversicherungen erhalten und, wenn ja, wie? Das § 221 SGB V bislang keine zeitliche Begrenzung. Jetzt ist meine Hauptfrage. haben wir entsprechende Regelungen verabredet. All das, was die landwirtschaftlichen Krankenkassen be- Ich habe noch eine weitere Frage. trifft, werden wir auf der Grundlage des erwähnten Gut- achtens zu entscheiden haben. Ich kann zum jetzigen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zeitpunkt keine Schlussfolgerungen ziehen; dies wäre Dazu kommen wir anschließend. – Bitte schön, Herr spekulativ, weil die Erhebungen, die im Zusammenhang Staatssekretär. mit dem Gutachten vorzunehmen sind, noch nicht vor- liegen. Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Gesundheit: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Dr. Geisen, zunächst will ich noch einmal wider- Eine Zusatzfrage des Kollegen Goldmann. Bitte sprechen, dass der Landwirtschaftsbereich vollständig schön, Herr Goldmann. von der Gesundheitsreform ausgenommen werden soll. Es gibt sehr wohl wichtige Teilbereiche – zum Beispiel Hans-Michael Goldmann (FDP): die Erweiterung des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenkassen und die Verbandsbeziehungen –, in de- Herr Staatssekretär, bekanntlich ist die FDP kein Fan nen auch die landwirtschaftlichen Krankenkassen erfasst des Gesundheitsfonds. Können Sie mir erklären, warum sind. Daneben gibt es zweifellos Bereiche, bei denen Kinder von Landwirten anders behandelt werden als dies nicht der Fall ist. Kinder von Lehrern, Ärzten und Handwerkern? Wenn Sie der Meinung sind, dass auch für diese Kinder ge- Ich habe in meiner Antwort ausdrücklich darauf hin- samtgesellschaftliche Leistungen erbracht werden sol- gewiesen, dass die zurzeit nicht vorgesehene Beteiligung len, dann frage ich Sie, was das Gutachten bewirken soll. der landwirtschaftlichen Krankenkassen an den Zahlun- Heute Morgen ist uns von Kollegen der CDU/CSU und gen des Bundes ab 2009 nicht bedeutet, dass die Bundes- der SPD im Ausschuss nachdrücklich versichert worden, regierung die Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher es stehe unerschütterlich fest, dass das Erbringen ge- Aufgaben durch die landwirtschaftliche Krankenkasse samtgesellschaftlicher Leistungen für Kinder von Land- infrage stellt. Das kommt in meiner Antwort deutlich wirten bzw. von Personen, die in landwirtschaftlichen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7763

Hans-Michael Goldmann (A) Berufen tätig sind, auch nach 2009 anerkannt werden von 2002. Davon werden zunächst, wie in der volkswirt- (C) solle; darüber gebe es sogar eine Protokollnotiz. schaftlichen Bewertung üblich, die Fahrzeugkosten ab- gezogen, die dem Betrieb zugerechnet und als negativer Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Nutzen veranschlagt werden. Dann werden sowohl für ministerin für Gesundheit: den Nutzen als auch für die Kosten die zur Ermittlung Herr Kollege Goldmann, zunächst noch einmal aus- des Nutzen-Kosten-Verhältnisses maßgeblichen Annui- drücklich: Selbstverständlich werden Kinder im Rahmen täten gebildet, um die Werte finanzmathematisch ver- der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichbar zu machen. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis unterschiedlich behandelt. Die Leistungsansprüche sind stellt sich dann auf 2,5. identisch, auch im Bereich derer, die in der landwirt- schaftlichen Krankenversicherung versichert sind und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Versicherungsschutz genießen. Eine Nachfrage? Ich habe ausdrücklich gesagt, dass die Verabredung, auf der Grundlage eines Gutachtens zu entscheiden, Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht bedeutet, dass für den Zeitraum nach 2009 eine NEN): solche zusätzliche Erstattung – über die umfangreiche Sehr geehrter Herr Staatssekretär, erst einmal vielen Erstattung aus Bundesmitteln, die im Zusammenhang Dank für die Beantwortung, aber ich habe eine Nach- mit der Defizithaftung des Bundes bei den Altenteilern frage. Wir hatten gerade eine recht denkwürdige Aus- in einer beachtlichen Größenordnung in die landwirt- schusssitzung schaftliche Krankenkasse laufen, hinaus – ausgeschlos- sen ist. Aber es macht sehr wohl Sinn, die besonderen (Dr. Uwe Küster [SPD]: Jede Ausschusssit- Fragen, die aus der Sondersituation der landwirtschaftli- zung ist denkwürdig!) chen Krankenkassen resultieren – die Belastung der Bei- – nicht jede Ausschusssitzung ist denkwürdig –, in der es tragszahler in dieser besonderen Krankenversicherung, darum ging, wie sich Preise und Kosten entwickeln, auch die Entwicklung des Strukturwandels und damit die wenn die DB AG beteiligt ist. Es zeigte sich, dass man sich bis dahin abzeichnende Sondersituation der Belas- ungefähr mit dem Faktor vier rechnen kann. Wenn wir tung bei den Altenteilern –, genau in Augenschein zu die 1,6 Milliarden Euro mit diesem Faktor multiplizie- nehmen und dann auf dieser Grundlage zu entscheiden. ren, kommen wir zu ganz anderen Kosten als jenen, von denen Sie gesprochen haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Deshalb meine Frage: Für wie wahrscheinlich halten (B) Sie persönlich bzw. hält Ihr Ministerium es, dass in die- (D) Die Frage 17 der Kollegin Veronika Bellmann wird sem Fall der Kostenrahmen von 1,6 Milliarden Euro ein- schriftlich beantwortet. gehalten wird – zum einen im Lichte der Erfahrung, dass das in der jüngeren Vergangenheit bei keinem Großpro- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- jekt gelang, und zum anderen angesichts der Tatsache, nisteriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur dass man mit diesem Projekt Neuland beschreitet, die Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Technik noch nicht groß ausprobiert wurde und Tiefla- Achim Großmann zur Verfügung. gen von 40 Metern vorkommen sollen? Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- Wie hoch wird in der Studie „Industriepolitischer Nutzen desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: des Transrapid“, die im Auftrag des damaligen Bundesminis- teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen von Professor Herr Dr. Hofreiter, ich würde Ihnen gerne bei einem Dr. Maennig in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Baum er- Glas Bier etwas über meine persönliche Meinung erzäh- stellt wurde, der industriepolitische Nutzen des Transrapid len, aber ich glaube, es ist nicht die Aufgabe eines monetär quantifiziert, und in welchem Verhältnis steht dieser Staatssekretärs, in der Fragestunde seine persönliche industriepolitische Nutzen zu den Baukosten für die Transra- Meinung wiederzugeben, wenn eine Position der Bun- pidverbindung vom Hauptbahnhof München zum Flughafen München II? desregierung abgefragt ist. Sie haben – das werden Sie hoffentlich zugeben – die Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ergebnisse der Ausschusssitzung sehr polemisch zusam- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: mengefasst. Ich kann Sie nicht bestätigen, vor allen Din- Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege gen auch deshalb nicht, weil viele Kostenschätzungen ja Dr. Hofreiter, der von der Studie ermittelte gesamte volks- nicht ursächlich von der DB AG zu verantworten sind. wirtschaftliche Nutzen beläuft sich auf rund 2,9 Mil- liarden Euro. Davon sind rund 1,5 Milliarden Euro ver- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: kehrlich und darüber hinausgehend 1,38 Milliarden Euro Eine weitere Nachfrage. industriepolitisch induziert. Der industriepolitische Nut- zen unterteilt sich in 0,94 Milliarden Euro erwartete Er- folge im In- und Ausland und 0,44 Milliarden Euro Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Spin-off-Effekte. Die Investitionskosten betragen in rea- Ich habe danach gefragt, für wie wahrscheinlich die len Preisen 1,6 Milliarden Euro; das ist der Preisstand Bundesregierung es hält, dass das real eintritt. 7764 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

(A) Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- delt und eine Beförderung auf der Schiene oder auf dem (C) desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wasserweg nicht möglich ist. Sowohl in Nordrhein- Obwohl Geisteswissenschaftler, bin ich eher der Mei- Westfalen als auch in Niedersachsen werden jedoch teil- nung, dass wir uns mit den Zahlen zu beschäftigen ha- bare Ladungen transportiert. Damit werden die zum ben, wenn sie konkret vorliegen, das heißt, wenn das Schutz der Verkehrssicherheit und der Verkehrsinfra- Projekt in der Ausschreibung ist und wenn wir über die struktur vorgesehenen restriktiven Erteilungsvorausset- Planungsleistungen, darüber, was auf uns zukommt, de- zungen für Erlaubnisse unterlaufen, und damit wird eine taillierte Vorstellungen haben. Alles andere bewegt sich Grundentscheidung des Verordnungsgebers konterka- – das hat Ihnen auch der ehemalige bayerische Verkehrs- riert. minister, Herr Dr. Wiesheu, gesagt – eher im Rahmen der Spekulation. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, eine Nachfrage, Herr Hofreiter. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann kommen wir zur Frage 19 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hofreiter: Damit sind wir uns einig, dass die Versuche illegal Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unter- sind. Sie haben das betont und es den beiden Bundeslän- nommen, um den in der Antwort auf die Kleine Anfrage der dern mitgeteilt. Aber was folgt eigentlich daraus, wenn Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 16/2965 als sich ein Bundesland nach Meinung der Bundesregierung rechtswidrig, weil keine Ermächtigung für die Länderbehör- den in dieser Sache besteht, bezeichneten Modellversuch für nicht an ein Bundesgesetz hält, außer dass man ihm Gigaliner des Landes Niedersachsen zu unterbinden, und wie schriftlich mitteilt, dass es gegen ein Bundesgesetz ver- steht die Bundesregierung zum Modellversuch für Gigaliner stößt? Wenn nur Schreiben die Folge sind, was hindert in Nordrhein-Westfalen? dann in Zukunft einzelne Bundesländer daran, weitere Bitte, Herr Staatssekretär Großmann. Verstöße zu begehen, wenn ihnen bestimmte Bundesge- setze nicht passen? Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Dr. Hofreiter, nachdem die Bundesregierung da- von erfahren hatte, dass das Land Niedersachsen einen Denkbar wäre, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt die Modellversuch mit modularen Nutzfahrzeugkombinatio- Aufgabe der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nen durchführen will, hat das Bundesministerium für nach § 70 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sowie die Erteilung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis- (B) Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Schreiben (D) vom Januar 2006 an das Niedersächsische Ministerium sen nach § 29 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung für für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr klargestellt, dass die Fahrzeuge übertragen werden, die aufgrund neuer tech- Durchführung eines sogenannten Modellversuchs nicht nischer Konzepte im Rahmen eines Pilotversuches, also vor Abschluss der zu diesem Thema in Auftrag gegebe- zeitlich befristet, am Verkehr teilnehmen sollen. nen Untersuchungen durch die Bundesanstalt für Stra- Das ist eine Maßnahme, die sehr weit geht. Wir haben ßenwesen erfolgen sollte. Niedersachsen wurde daher erst einmal versucht – ich glaube, das ist politisch sinn- ausdrücklich gebeten, von seinem Vorhaben Abstand zu voll –, dies nicht nur mit Briefen, sondern auch in Ge- nehmen. Ebenso hat die Verkehrsministerkonferenz im sprächen mit den betreffenden Bundesländern zu berei- Mai 2006 beschlossen, dass vor einer endgültigen Zulas- nigen. Wir werden sicherlich prüfen, ob wir, wenn diese sung modularer Nutzfahrzeugkombinationen auf der Ba- Gespräche nicht zum Erfolg führen, von der angespro- sis von Ausnahmegenehmigungen die Ergebnisse der chenen anderen Variante Gebrauch machen, also die Zu- Bundesanstalt für Straßenwesen ausgewertet werden lassungskompetenz wieder dem Bund übertragen. sollten. Da sich das Land Niedersachsen dieser Bitte des Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: BMVBS und dem Beschluss der Verkehrsministerkonfe- Eine weitere Nachfrage. renz widersetzt hat, wurde es vom BMVBS auf Staatsse- kretärsebene im August 2006 erneut angeschrieben. Die Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rechtswidrigkeit der von Niedersachsen erteilten stra- Gibt es dafür irgendeinen Zeitrahmen? Die Versuche ßenverkehrsrechtlichen Erlaubnisse wurde vom BMVBS laufen schließlich schon eine gewisse Zeit. Wann also ist ausdrücklich beanstandet und ein sofortiger Abbruch des der Zeitpunkt erreicht, an dem der Geduldsfaden endgül- Versuchs gefordert. Auch auf dieses Schreiben hat das tig reißt, wenn es keine einvernehmliche Lösung mit den Land ablehnend reagiert. betreffenden Bundesländern gibt? Die Bundesregierung beurteilt den in Nordrhein- Westfalen eingeleiteten Modellversuch ebenso wie den Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- laufenden Versuch in Niedersachsen als rechtswidrig. desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Straßenverkehrsrechtliche Erlaubnisse dürfen nach den Es geht nicht um Geduld. Vielmehr sollte man sich allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 29 Abs. 3 der auf vernünftige Weise darüber einigen, dass diese Versu- Straßenverkehrs-Ordnung nur erteilt werden, falls es che – das hat auch die Verkehrsministerkonferenz erge- sich bei dem Transportgut um unteilbare Ladungen han- ben – nicht laufen sollen. Wir rechnen in Bälde mit den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7765

Parl. Staatssekretär Achim Großmann (A) Ergebnissen der BASt, die diese Versuche untersucht. dass die Art und Weise, wie Gefangene in Guantánamo (C) Parallel prüfen wir, ob wir gegenüber den Bundeslän- behandelt werden, nicht mit dem Völkerrecht vereinbar dern anders reagieren müssen. Ich nenne Ihnen jetzt be- ist. Ich glaube, das ist die angemessenere Sprache für wusst keine Deadline, keine „Geduldsfadenreißfrist“. den politischen Bereich, unbeschadet des Rechts der Wir sind aber schon ernsthaft daran interessiert, dass wir Presse, andere Begriffe zu benutzen. uns durchsetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Die Frage 20 des Kollegen Volker Beck (Köln) soll schriftlich beantwortet werden. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Herr Staatsminister, ich versuche noch einmal, an- dersrum zu fragen; das ist Ihnen nicht unbekannt. Ich Die Fragen 21 bis 23 im Geschäftsbereich des Bun- möchte Sie fragen, ob die Beamten des Bundesnachrich- desministeriums für Bildung und Forschung sowie die tendienstes und des Verfassungsschutzes, die in Fragen 24 bis 26 im Geschäftsbereich der Bundeskanzle- Guantánamo einen Gefangenen verhört haben, außer den rin und des Bundeskanzleramtes sollen ebenfalls schrift- Eindrücken, die sie aus dem Verhör über die Person des lich beantwortet werden. Gefangenen gewonnen haben, auch ihre Informationen Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus- über die Zustände in dem Lager schriftlich festgehalten wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsmi- haben und ob die Bundesregierung sich mit diesen Infor- nister Gernot Erler zur Verfügung. mationen direkt auseinandergesetzt hat. Die Frage 27 der Kollegin Marieluise Beck (Bremen) und die Frage 28 des Kollegen Volker Beck (Köln) sol- Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: len schriftlich beantwortet werden. Herr Kollege Gehrcke, wie ich Sie einschätze, wissen Sie ganz genau, welche Antwort jetzt folgen muss: Über Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Wolfgang Tätigkeiten der Mitarbeiter der Dienste, nach denen Sie Gehrcke: gefragt haben, kann die Bundesregierung öffentlich Hält die Bundesregierung – in Übereinstimmung mit vie- keine Auskunft geben. Das ist auch Angelegenheit des len Medien – die Charakterisierung von Guantánamo als eingerichteten Untersuchungsausschusses. „Hölle“ (so die „Frankfurter Rundschau“ am 20. Januar 2007) für zutreffend? (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich ahnte es!) (B) Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: (D) Herr Kollege Gehrcke, ich beantworte Ihre Frage wie Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: folgt: Die Haltung der Bundesregierung zu Guantánamo Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Wolfgang ist bekannt. Sowohl die frühere als auch die jetzige Bun- Gehrcke: desregierung haben mehrfach deutlich gemacht, dass Welche Kriterien müssen nach Auffassung der Bundes- eine Institution wie Guantánamo nicht mit rechtsstaatli- regierung und den diplomatischen Gepflogenheiten entspre- chen Prinzipien vereinbar ist. Auch die EU vertritt die- chend erfüllt sein, damit aus dem „Angebot“ einer ausländi- sen Standpunkt und hat dies wiederholt gegenüber den schen Regierung ein „offizielles Angebot“ wird? Vereinigten Staaten von Amerika deutlich gemacht. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Gehrcke, ich beantworte Ihre Frage wie Nachfrage, Herr Gehrcke? folgt: Ich beziehe Ihre Frage auf die derzeitige Diskus- sion über ein angebliches Angebot zur Freilassung von Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herrn Kurnaz aus Guantánamo. Was die Frage des An- Herr Staatsminister, ich hatte Sie eigentlich gefragt, gebots an sich angeht, so setzt ein Angebot im Wortsinne wie dem Text zu entnehmen ist, ob Sie eine Formulie- immer voraus, dass jene, die es machen, auch die Kom- rung wie die, die die „Frankfurter Rundschau“ zum La- petenz haben, es einzulösen. Auf diese Tatsache hat der ger Guantánamo benutzt hat, nämlich „Hölle“, als ange- Bundesminister des Auswärtigen insbesondere mit sei- messen betrachten. Ich kann die Frage auch anders ner Qualifizierung als „offiziell“ hingewiesen. Im Übri- formulieren: Wie würde die Bundesregierung ein Gefan- gen möchte ich an dieser Stelle den Beratungen des Un- genenlager bezeichnen, in dem geschlagen und gefoltert tersuchungsausschusses nicht vorgreifen. wird, in dem Menschen in Ketten gelegt, mit Kapuzen überzogen und Kälte- und Hitzeschocks ausgesetzt wer- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den? Gibt es aus Sicht der Bundesregierung einen Be- Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke? griff, den man dafür benutzen kann? Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Staatsminister, wie Sie meine Frage interpretie- Herr Kollege Gehrcke, ich selber habe in einer Rede ren, ist Ihre Angelegenheit. Das steht nicht in der Frage. vor diesem Hohen Hause am 26. Januar 2006 eine um- Ich habe gefragt, ob es Kriterien der Bundesregierung fassende Bewertung abgegeben und deutlich gemacht, gibt, ab wann ein „Angebot“ zu einem „offiziellen 7766 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Wolfgang Gehrcke (A) Angebot“ wird. Nehmen Sie das als Frage eines Lernbe- drei Fällen von Auslieferungen uighurischer Flüchtlin- (C) reiten, was die Außenpolitik angeht. Ich möchte einfach gen an die Volksrepublik China gekommen. Die Bundes- wissen, ab wann ein Angebot ein offizielles ist und ob es regierung ist in diesen und weiteren ihr bekannt werden- dafür Kriterien gibt. Ich habe Sie nicht nach Herrn den Fällen um die Aufklärung und Thematisierung von Steinmeier gefragt. Missständen bemüht. Dies geschieht in engem Einvernehmen mit dem Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: UNHCR, um den besten Schutz der betroffenen Perso- Herr Kollege Gehrcke, die Bundesregierung hat kein nen zu gewährleisten. Bei meinem Gespräch mit dem spezielles Verständnis zu dem Begriff „Angebot“ und damaligen kasachischen Außenminister Tokajew am der Logik eines solchen Begriffes. Ich habe deswegen 14. Juli 2006 habe ich die Probleme bei der kasachischen ausgeführt, dass ein Angebot dann als offiziell – danach Flüchtlingspolitik thematisiert. Der damalige Außenmi- fragen Sie ausdrücklich – gelten kann, wenn die Anbie- nister Tokajew hat mir dabei versichert, dass Kasachstan ter tatsächlich befugt sind, ein solches Angebot umzuset- sich an die internationalen Verpflichtungen der UN- zen. Das ist das, was mit diesem Begriff „offiziell“ ge- Flüchtlingskonvention halten werde. In einer Reihe von meint gewesen ist. Fällen prominenter usbekischer Flüchtlinge hat die kasa- chische Regierung entsprechend diesen Normen korrekt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: und umsichtig gehandelt. Herr Kollege Gehrcke, zweite Nachfrage. Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft für die Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes in Kasach- Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): stan den internationalen Normen entsprechend einsetzen Herr Staatsminister, bevor ein Vertrag völkerrechtlich und dies bei politischen Gesprächen angemessen und geschlossen wird, gibt es – wie mir bekannt ist – eine zum Nutzen der betroffenen Flüchtlinge ansprechen. Menge Vorstufen: Es gibt Papiere, Non-Paper, Verhand- lungen und Gespräche. Man startet nie mit einem offi- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ziellen Angebot. Vielmehr gehen dem Verhandlungen, Nachfrage. Gespräche und Papiere voraus. Da Sie den Fall Steinmeier direkt angesprochen ha- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ben, muss ich Sie jetzt fragen, ob es eigentlich unge- Herzlichen Dank, Herr Staatsminister, für die Ant- wöhnlich ist, dass Vorgespräche dieser Art geführt wer- wort. – Die erste Nachfrage, die ich dazu habe, ist die ur- den, bevor ein offizielles Angebot von autorisierten sprünglich formulierte: Waren die Flüchtlinge aus Uighu- (B) Stellen – von einem Minister, einer Regierung oder wem rien und ihre Abschiebung nach China Gegenstand der (D) auch immer – gemacht wird? Gespräche mit dem Staatspräsidenten Nasarbajew, die in dieser Woche stattgefunden haben? Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Gehrcke, schon die Logik gebietet es, anzuer- Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: kennen, dass von einem Angebot immer erst dann ge- Herr Kollege Nouripour, der gesamte Komplex der sprochen werden kann, wenn derjenige, der da handelt, Menschenrechte einschließlich der Flüchtlingsproblema- auch eine entsprechende Autorisierung hat. Und genau tik hat sowohl in den bilateralen Gesprächen wie auch auf diesen Tatbestand bezieht sich die ganze Diskussion bei den öffentlichen Veranstaltungen eine Rolle gespielt. zwischen uns beiden. Die kasachische Seite ist dabei sehr offen auf unsere Vorträge eingegangen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die wir lei- der nicht weiterführen können!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen dann zur Frage 31 des Kollegen Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nouripour: Die Frau Bundeskanzlerin soll gestern in einem dieser Ist bzw. war die Praxis der Regierung der Republik Ka- Gespräche davon gesprochen haben, dass die Bundes- sachstan zur Abschiebung von Flüchtlingen der uighurischen republik Bedingungen formulieren werde, die erfüllt Minderheit in die Volksrepublik China Gegenstand der Ge- spräche der Vertreter der Bundesregierung mit dem kasachi- sein müssen, damit man das Bestreben Kasachstans un- schen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew, der in dieser terstützen kann, turnusgemäß im Jahr 2009 den Vorsitz Woche die Bundesrepublik Deutschland besucht? der OSZE zu übernehmen. Gehört – wenn diese Nach- richt denn stimmt – der Umgang der kasachischen Re- Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: gierung mit den Flüchtlingen, speziell mit Flüchtlingen Meine Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die aus den uighurischen Gebieten, zu diesen Bedingungen? Bundesregierung verfolgt in engem Benehmen mit dem UNHCR – also mit dem Hohen Kommissar der UN für Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Flüchtlingsfragen – den Schutz uighurischer wie auch Die Voraussetzungen dafür, dass die Bewerbung Ka- usbekischer Flüchtlinge in Kasachstan. Nach Informa- sachstans für die Präsidentschaft in der OSZE im Jahr tionen des UNHCR ist es im Jahr 2006 in Kasachstan zu 2009 erfolgreich ist, sind nicht etwa vonseiten der Bun- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7767

Staatsminister Gernot Erler (A) desregierung definiert worden. Diese Voraussetzungen Impuls geben. Ziel ist, den Dialog zwischen Afghanistan (C) ergeben sich vielmehr daraus, dass Kasachstan zeigen und Pakistan auf eine breitere Basis zu stellen, unter an- muss, dass es durch eigene Reformpolitik im Presse- derem durch die politische Flankierung der funktionie- wesen, im Wahlrecht usw. qualifiziert dafür ist, diese renden militärischen Zusammenarbeit zwischen ISAF, verantwortungsvolle Arbeit in der Präsidentschaft der Pakistan und Afghanistan, die „Tripartite Commission“. OSZE wahrzunehmen. Logischerweise gehört dazu auch der ganze Bereich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: der Menschenrechte und der Flüchtlingspolitik. Wir ha- Nachfrage, Kollege Trittin. ben von der kasachischen Regierung klare Ansagen dazu, dass diesbezüglich in der nächsten Zeit – in den Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nächsten Wochen und Monaten – Fortschritte erzielt Herr Staatsminister, meine Frage zielte nicht so sehr werden sollen. Hierbei geht es vor allen Dingen um die auf die Verstärkung der humanitären Hilfe und der bes- Umsetzung von bereits angekündigten Gesetzesänderun- seren Koordination im Rahmen der UN, sondern darauf, gen. ob es hinsichtlich der Strategie- und Operationsführung militärischer Aktionen der NATO zu einer Veränderung Wie gesagt, es gibt schon konkrete Beispiele. Ein sol- der Strategie gekommen ist, weil wir feststellen mussten, ches Beispiel ist – ich habe es im Bericht über meinen dass insbesondere im Süden Afghanistans – anders als Besuch in Astana angesprochen –, dass es uns gelungen im Norden – oft in einer Weise vorgegangen wurde, dass ist, eine Änderung der kasachischen Flüchtlingspolitik die militärische Aktion die Legitimation des Aufbaus zu erreichen. und damit das produktive Zusammenwirken von „zivil“ und „militärisch“ infrage gestellt hat. Ich glaube, das ist Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: vor dem Hintergrund angeforderter Verstärkungen aus Vielen Dank. – Wir kommen jetzt zur letzten Frage in Deutschland eine legitime Frage. der Fragestunde, nämlich zu Frage 32 des Kollegen Jürgen Trittin: Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Welche Ergebnisse hat das Treffen der Außenminister der Herr Kollege Trittin, Sie kennen die deutsche Position NATO hinsichtlich der Anpassung der zivilen und militäri- dazu. Wir versuchen unserer Verantwortung für die Nord- schen Strategie und Operationsführung von ISAF in Afgha- nistan ergeben, und welche Initiativen gedenkt man gegen- region nachzukommen. Dabei geht es genau darum, den über Pakistan zu ergreifen? militärischen Teil zu nutzen, um einen sicheren Rahmen zu schaffen, damit der Wiederaufbau durch die afghani- Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: sche Regierung und die internationalen Hilfsorganisatio- (B) nen so gestaltet werden kann, dass dabei ein Fortschritt (D) Herr Kollege Trittin, meine Antwort lautet folgender- und ein Nutzen für die Bevölkerung entstehen. Wir sind maßen: Das informelle NATO-Außenministertreffen am davon überzeugt, dass dieser Ansatz der einzige ist, der 26. Januar 2007 in Brüssel hat die beim Rigagipfel ange- uns in Afghanistan voranbringt. stoßene politische Strategiediskussion zu Afghanistan fortgeführt und auf den Punkt zu bringen versucht. Die Das Problem ist natürlich – das muss man ehrlich sa- Notwendigkeit eines umfassenden zivil-militärischen gen –: Im Süden und Osten des Landes ist es etwas Ansatzes für den Erfolg der internationalen Gemein- schwieriger als im Norden – dort tragen wir die Verant- schaft in Afghanistan wurde einhellig betont, die Zielset- wortung –, das umzusetzen. Wir glauben aber, dass es zung einer Verbesserung der Zusammenarbeit und Ko- gar keine Alternative zu einer Verstärkung dieser zi- ordinierung vorgegeben. Nun muss dies konkret in die vil-militärischen Zusammenarbeit gibt. Ich habe die ver- Praxis umgesetzt werden. schiedenen Ereignisse, die zum Teil auf Initiativen der Bundesregierung zurückgehen, noch einmal genannt, um Hohe Erwartungen richteten sich an die Vereinten Na- diesen Grundgedanken hier zu unterstreichen. tionen, ihre Koordinierungsrolle verstärkt wahrzuneh- men. Das JCMB-Treffen, also das Treffen des Joint Ich kann Ihnen sagen: Wir machen Fortschritte. Die Coordination and Monitoring Board, auf Ebene der poli- zweitägige Tagung dieser Koordinierungseinrichtung hat tischen Direktoren in Berlin am gestrigen Tag hat dazu gezeigt, dass sich dieser Grundansatz als konsensfähig wichtige Impulse gegeben. Neben der Verstärkung der erwiesen hat. Wir wollen dies mit den verschiedenen zivilen Anstrengungen wurden vereinzelt Forderungen Troikatreffen und auch mit der bevorstehenden Sitzung nach mehr Einsatzkräften für ISAF geäußert. Eine ver- der Verteidigungsminister der NATO in diesem Sinne tiefte Diskussion ist für das Treffen der Verteidigungsmi- fortsetzen. nister am 8./9. Februar 2007 zu erwarten. Insgesamt ist dabei wichtig, dass Sicherheit und Wie- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: deraufbau sich gegenseitig bedingen und nicht gegenein- Zweite Nachfrage, bitte. ander ausgespielt werden dürfen. Es herrschte Einigkeit darüber, dass Pakistan eine regional herausgehobene Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rolle für die Befriedung Afghanistans spielt. Deutsch- Herr Kollege Erler, vor dem Hintergrund, dass die an- land hat hier im Rahmen von G-8-Vorsitz und EU-Rats- gefragten zusätzlichen Aufklärungskapazitäten in Ge- präsidentschaft die Initiative ergriffen und wird mit der stalt der deutschen Tornados explizit nicht für die Auf- EU-Troika Pakistan am 8. Februar 2007 einen wichtigen klärung im Norden, sondern für die Aufklärung im 7768 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Jürgen Trittin (A) Süden benötigt werden, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie Mit dieser Position standen wir lange Zeit völlig al- (C) die Feststellungen, die der afghanische Außenminister leine da. Bei den letzten großen Demonstrationen 1997 unter anderem gestern in einer öffentlichen Veranstal- in Bonn wurde den Kumpels im Ollenhauer-Haus und tung gemacht hat, wonach die Störungen durch militante bei den Grünen die Verpflegung gereicht, während im Kräfte im Süden von Pakistan nicht unterbunden, son- Dehler-Haus die Scheiben zu Bruch gingen. dern aktiv gefördert und unterstützt werden? ( [FDP]: Pfui!) Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Nun ist unsere Erkenntnis auch bei den Grünen und Wir nehmen solche Beobachtungen, die sich mit an- bei großen Teilen der SPD angekommen. Die Abkehr deren Informationen decken, die wir erhalten, ernst. von der Dauersubventionierung deutscher Steinkohle ist Deswegen gab es die deutsche Initiative, jetzt ein der Kern der Koalitionsbeschlüsse, und den begrüßen Troika-Treffen mit Pakistan vorzubereiten, das in den wir. Wir begrüßen auch, dass es jetzt eine reelle Chance nächsten Tagen – genauer, ich hatte es gesagt, am für den „weißen“ Bereich der RAG zum Börsengang 8. Februar – stattfinden wird, um gemeinsam nach Mög- gibt und hiermit der Strukturwandel im Kohlerevier wei- lichkeiten zu suchen, eine stärkere Kontrolle der illega- ter unterstützt werden kann. len Grenzübertritte zu bewerkstelligen. Wir haben den Eindruck, dass die pakistanische Regierung sich auf eine (Beifall bei der FDP) Position zubewegt, sich bei der Grenzkontrolle von au- Der vorgesehenen Überprüfung des Ausstiegsbe- ßen helfen zu lassen. Das ist allemal besser, als wenn schlusses im Jahre 2012 – sozusagen die Gesichtswah- man sich hinterher überlegen muss, wie man die ISAF in rungsklausel für die Glückauf-Fraktion in der SPD – se- den Grenzgebieten Afghanistans gegen solche Milizen, hen wir mit Gelassenheit entgegen. Wir haben nichts die die Grenze überschreiten, verteidigen kann. gegen die Förderung von Steinkohle in Deutschland; wir wenden uns gegen unsinnige Subventionierung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der FDP) Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir sind am Ende der Fragestunde. Wenn die deutsche Steinkohle so wichtig und 2012 wett- bewerbsfähig wäre, dann brauchten wir dafür auch keine Ich unterbreche jetzt die Sitzung. Sie wird um Subventionen. Was sollte dann also ein Sockelbergbau? 15.35 Uhr mit dem Aufruf einer Aktuellen Stunde fort- Dann wird Kohle nach den Regeln des Marktes gefördert gesetzt. werden, allerdings sicher stärker als heute unter den Ge- (Unterbrechung von 15.06 bis 15.35 Uhr) sichtspunkten des Umweltschutzes. Bereits heute leben (B) 350 000 Menschen in der Folge von Bergschäden, besser (D) Vizepräsidentin Petra Pau: gesagt: Bergsenkungen, in Wohnungen, die unterhalb des Rheinpegels liegen. Das darf so nicht weitergehen. Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aktuelle Stunde Was uns an den Beschlüssen allerdings Sorge bereitet, auf Verlangen der Fraktion der FDP ist der Zeitplan: sozialverträgliches Auslaufen im Jahre 2018. Damit ich nicht missverstanden werde: Die Haltung der Bundesregierung zu Forderungen FDP ist, wie in der Vergangenheit auch, für ein sozial- nach der Fortsetzung der Steinkohlesubventio- verträgliches Ende der Subventionen. Dazu stehen wir. nen für einen Sockelbergbau Was allerdings unter „sozialverträglich“ verstanden Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die wird, darüber sollten wir noch einmal nachdenken. Nach FDP-Fraktion der Kollege Friedhoff. Berechnungen im Bundeswirtschaftsministerium werden von heute bis zum Auslaufen im Jahre 2018 39,7 Mil- (Beifall bei der FDP) liarden Euro Steuergelder in den Bergbau gesteckt. Dies bedeutet bei heute etwa 35 000 Bergleuten einen Betrag Paul K. Friedhoff (FDP): von 1,13 Millionen Euro pro Kumpel – ein gewaltiger Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Betrag. Steigt man 2012 aus den Subventionen aus, spart Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP- man laut dem Arbeitspapier des BMWi stolze 12 Mil- Fraktion hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil liarden Euro; allerdings sind dann noch 10 600 Berg- sie damit den Beschlüssen der Bundesregierung zum so- leute beschäftigt. genannten Sockelbergbau auf den Grund gehen möchte. Ist es nun wirklich sozial verträglich, so viel Geld für Die FDP fordert seit über 20 Jahren den Ausstieg aus das Auslaufen einer unwirtschaftlich gewordenen Indus- dem subventionierten deutschen Steinkohlenbergbau; trie aufzuwenden? Uns kommen da Zweifel. Wir glau- denn seit mehr als 20 Jahren kann man die Versorgungs- ben, dass man dieses Geld besser in neue Arbeitsplätze sicherheit gleich gut, aber viel preiswerter zum Beispiel für die Kumpels stecken sollte. durch Bevorratung erreichen. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der FDP) DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7769

Paul K. Friedhoff (A) Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Strukturwan- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (C) del immer mit Geld verbunden war und ist. Aber hier (Beifall bei der FDP) wird das Geld nicht für Strukturwandel und die Schaf- fung neuer Arbeitsplätze verwendet, sondern in das Be- enden von Beschäftigung gesteckt. Hier müssen wir um- Vizepräsidentin Petra Pau: denken und uns ein Beispiel am gelungenen Für die Unionsfraktion hat der Kollege Laurenz Strukturwandel zum Beispiel in der deutschen Stahlin- Meyer das Wort. dustrie nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP) Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Aus den einstmaligen Stahlunternehmen Thyssen, Krupp Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe oder Mannesmann sind längst Unternehmen mit moder- Kolleginnen und Kollegen! Die Ausgangssituation, die nen, zukunftsfähigen Produkten geworden, ohne dass es wir im Bergbau vorfinden, ist uns allen seit Jahren be- hoher Subventionen bedurfte. Das Geld wurde lieber in kannt. Es handelt sich um ein immer weiteres Abschmel- den Strukturwandel der Konzerne gesteckt, um neue Tä- zen des Bergbaus. Heute sind gerade noch ein Drittel der tigkeitsfelder zu erschließen, in denen dann neue Ar- bei der RAG Beschäftigten im eigentlichen Bergbaube- beitsplätze entstanden sind.So macht es die private, un- reich tätig. Die Frage ist: Wie können wir den jetzt anste- subventionierte Wirtschaft. henden Prozess angesichts der Lage auf dem Weltmarkt Auf diese Weise wurde in der Krise der europäischen begleiten? Stahlindustrie in Luxemburg eine Beschäftigungsgesell- Die Preise am Weltmarkt richten sich in dramatischer schaft von Unternehmen und Betriebsrat der Arbed ge- Weise gegen die von der RAG geförderte Kohle. Das hat gründet, in die alle freigesetzten Stahlwerker übernom- nichts mit der Leistungsfähigkeit der Bergleute, sondern men wurden und die dann eine verbesserte Infrastruktur mit den anderen Umständen zu tun, unter denen bei uns schaffte. Dies war viel billiger, schaffte zusätzliche öf- Kohle gefördert wird. Tagebau wie in anderen Ländern fentliche Infrastruktur und brachte neue Arbeitsplätze. ist natürlich wesentlich kostengünstiger als der Kohleab- Warum sollte bei der deutschen Steinkohle nicht auch bau in Tiefen, wie sie etwa im Ruhrgebiet zu finden sind. das möglich sein, was bei den deutschen Stahlkonzernen Dort muss man immer tiefer gehen, um noch Kohle för- und bei der Arbed in Luxemburg gelungen ist? dern zu können. (Beifall bei der FDP) Für 1 Tonne Steinkohle werden am Weltmarkt 60 Euro Wenn man nicht 2018, sondern sechs Jahre früher, verlangt, während 1 Tonne heimischer Steinkohle 130 bis (B) also 2012, die Subventionen beendet, kann man laut 140 Euro, manchmal – wie im Falle des Bergbaus im öst- (D) BMWi 12 Milliarden Euro einsparen. Damit ließe sich lichen Ruhrgebiet – bis zu 340 Euro kostet. Diese hohen eine Transrapidstrecke wie in München vom Flughafen Preise erklären sich aus Störungen, beispielsweise Stö- zur Innenstadt achtmal bauen. rungen im Produktionsablauf. Die Preise für die heimi- sche Steinkohle liegen also um den Faktor fünf bis sechs (Lachen bei der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/ höher als die für die Steinkohle auf dem Weltmarkt. DIE GRÜNEN) Deswegen ist es richtig, darüber nachzudenken, wie Damit ließen sich mehr als die dann noch im Bergbau tä- die langfristige Konzeption aussehen soll. Wir wollen tigen Arbeitnehmer mit einer Perspektive in Arbeit und den Börsengang der RAG und damit das Gründen einer Brot bringen. Stiftung ermöglichen, um den Aufbau von neuen Ar- beitsplätzen in diesem Unternehmen zu unterstützen. Bis Oder: Warum kann der freigesetzte Elektriker im 2018 ist es ein langer Zeitraum. Ich verhehle nicht, dass Bergbau zum Beispiel nicht bei der STEAG eingesetzt wir es lieber gesehen hätten, wenn der Ausstieg eher er- werden? Stehen hier vielleicht die hohen Leistungen des folgen würde. Dann hätten wir schon früher mehr Geld Anpassungsgeldes oder die Bedingungen in den Bewilli- für den Aufbau neuer Arbeitsplätze. gungsbescheiden für die Subventionen einer sinnvollen Regelung entgegen? Auch bei der Steinkohle gibt es eine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) soziale Verantwortung des Konzerns für die Mitarbeiter. Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir jetzt einen Was sagt der montanmitbestimmte Aufsichtsrat dazu? Endzeitpunkt definieren, den der Bundestag – wann auch immer; es ist jetzt die Rede von 2012 – natürlich Vizepräsidentin Petra Pau: noch überprüfen kann. Sollten sich fundamentale Markt- Kollege Friedhoff, kommen Sie bitte zum Schluss. daten ändern, wäre der Bundestag selbstverständlich frei, in neue Überlegungen einzutreten. Warum sollte Paul K. Friedhoff (FDP): sich der Bundestag gehindert fühlen, darüber nachzu- denken, wenn sich irgendwann – möglicherweise in Teil- Mit dem Geld der Steuerzahler sich die Ruhe der bereichen, etwa bei der Kokskohle – andere Preisver- Bergleute zu erkaufen, sie mit hohen Subventionen hältnisse ergeben? Kohle fördern zu lassen und nicht das Geld für einen Strukturwandel, also für die Zukunft, einzusetzen – das Eines sage ich hier auch an die Adresse der Kollegin- erscheint mir einfältig und gerade nicht sozialverträglich nen und Kollegen der Grünen: Im Vergleich zur Förde- zu sein. rung mancher alternativer Energien ist die Subvention 7770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Laurenz Meyer (Hamm) (A) der Steinkohle eine verdammt wirtschaftliche Angele- Ulla Lötzer (DIE LINKE): (C) genheit. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im Ge- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gensatz zu Ihnen, Herr Meyer, begrüßen wir Ihren Be- stimmt überhaupt nicht, das wissen Sie!) schluss zum Ende der heimischen Steinkohle nicht. Auch Ihr selbsterklärter Arbeiterführer Rüttgers macht – Das ist so, bezogen auf die Kilowattstunde. Das muss hier mehr als deutlich, dass er die Interessen Tausender man einfach nüchtern sehen. Bergleute, ohne mit der Wimper zu zucken, auf dem Al- tar des Börsengangs der RAG opfert. Die Überprüfung des Beschlusses ist also immer möglich. Mit ihm ist jetzt sichergestellt worden, dass ein (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: sozialverträglicher Prozess ablaufen wird. So leid es mir Aber für die Braunkohle gilt das nicht?) tut, die schlechteste Alternative wäre für den größten Teil der Bergleute ein Sockelbergbau gewesen, weil Selbst das Datum 2018 stellt Herr Rüttgers laut dann von den vorhandenen acht Anlagen sechs hätten Tickermeldung von heute noch infrage. Nachdem die geschlossen werden müssen, und zwar möglicherweise Bergleute und mit ihnen viele Menschen im Ruhrgebiet ohne das Anpassungsgeld, also ohne sozialverträgliche lange für Sozialverträglichkeit gekämpft haben, wird die Regelungen. Dafür wären auch in den Ländern keine RAG von Ihnen aus der sozialen Verantwortung entlas- Mehrheiten vorhanden gewesen. sen. Die Steinkohle soll in eine Stiftung überführt wer- den, die dann für die Ewigkeitskosten – die Stilllegungs- (Beifall bei der CDU/CSU) kosten, die Pensionen der Bergleute, die Kosten der Das, was jetzt verabschiedet wird, ist für die aller- Berg- und Wasserschäden – aufkommen soll. Es geht um meisten die absolut beste Lösung. Aus meiner Landtags- schätzungsweise 13 Milliarden Euro, die aus den Rück- tätigkeit habe ich das Beispiel „Sophia Jacoba“ im stellungen der RAG und den Erlösen des Börsengangs Aachener Bereich vor Augen. Dort ist sehr frühzeitig ein finanziert werden sollen. Dies ist ein riskantes Spiel. Stilllegungstermin definiert worden, wodurch man sich Herr Meyer, das ist Ihnen durchaus klar; denn schon geht rechtzeitig auf die neue Zeit einstellen konnte. Es ändert in Ihrer Partei der Streit insbesondere darüber los, wie sich auch das Denken in den betroffenen Regionen, diese Mittel aufgebracht werden sollen. Herr Ramsauer wenn nicht mehr nur das Verteidigen des Hergebrachten sperrt sich mit aller Gewalt gegen eine Übernahme der im Vordergrund steht, sondern man sich auf etwas Neues Kosten durch den Bund; stattdessen solle der Strompreis konzentrieren muss. Entscheidend ist, dass wir einen sol- erhöht werden. Frau Thoben fordert heute eine Beteili- chen Prozess unterstützen, auch mit finanziellen Mitteln gung des Bundes an den Ewigkeitskosten, damit das – nicht für die Bergleute selbst; sie sind finanziell abge- Land nicht auf einem Fass ohne Boden sitzen bleibe. Die (B) sichert –, da wir für die Kinder der heutigen Bergleute Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Steuerzah- (D) zukunftssichere Arbeitsplätze brauchen. An diesen lerinnen und Steuerzahler sollen für das aufkommen, Standorten haben wir es mit sehr konzentrierten regio- was Sie der RAG erlassen. Der Börsengang ist nicht nur nalwirtschaftlichen Problemen zu tun. Aus diesen Grün- ein Projekt der Landesregierung und der CDU. Er ist ein den wäre ein Sockelbergbau kein vernünftiger Weg ge- gemeinsames Projekt der CDU, der SPD, der Grünen wesen, auch wenn ihm der eine oder andere angehangen und der FDP. Das Glitzern des Shareholder-Values vor hat. Die Beihilferegelungen hätten überhaupt nicht de- Augen zählt offensichtlich nichts anderes mehr. gressiv gestaltet werden können, und der Bundestag (Dirk Niebel [FDP]: So ein Quatsch! Das sind wäre in seiner Mehrheit niemals bereit gewesen, eine 70 000 Arbeitsplätze und Zukunftschancen!) dauerhafte Garantieerklärung für jedwede Kosten- und Erlössituation der Kohleförderung in Deutschland abzu- Ihre Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der geben. SPD, den Börsengang der RAG zu befürworten und gleichzeitig für einen Sockelbergbau einzutreten, war, Wir sollten nun die gefundene Lösung mit den Betrof- ehrlich gesagt, von Anfang an unglaubwürdig. fenen sehr offensiv und nüchtern diskutieren, die Um- strukturierungsprozesse umgehend anschieben und so (Beifall bei der LINKEN) neue Strukturen für die Zukunft schaffen. Sollte sich an den energiepolitischen Verhältnissen einmal etwas dra- Das ist eine Politik nach dem Motto „Wasch mir den matisch ändern, wird der Bundestag jederzeit in der Pelz, aber mach mich nicht nass“. Unter dem Titel Lage sein, das Thema neu aufzugreifen. Wir sollten nun „Neue Kraft für NRW“ kann man noch heute bei der so, wie vorgesehen, vorgehen. Ich begrüße für unsere SPD lesen: Fraktion das, was am Sonntagabend vereinbart worden Wie zuvor Vizekanzler … Müntefering sprach sich ist. auch Kraft für den Erhalt des Steinkohlebergbaus (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- aus und kündigte an, die SPD werde … an einem … neten der SPD) Steinkohlesockel festhalten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hört! Vizepräsidentin Petra Pau: Hört!) Das Wort hat die Kollegin Ulla Lötzer für die Frak- Es war immer klar: Wer einen Sockelbergbau will, tion Die Linke. darf den profitablen Bereich der RAG nicht aus der Haf- (Beifall bei der LINKEN) tung für die Steinkohlenförderung entlassen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7771

Ulla Lötzer (A) (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (C) Daher wundert es nicht, dass die Aussagen zum Festhal- ten an einem Sockelbergbau nicht einmal eine Halb- Rolf Hempelmann (SPD): wertszeit von einer Woche nach dem Landesparteitag Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- hatten. Ein lächerlicher und fadenscheiniger Versuch, gen! Schon vor eineinviertel Jahren sind die Weichen für nicht ganz als Wortbrecherin dazustehen, ist da die für die Entscheidung gestellt worden, die in den letzten Ta- 2012 vereinbarte Überprüfung. gen gefällt worden ist und die heute Abend in einem Welche Alternative bieten Sie denn jetzt den Men- weiteren Kohlespitzengespräch zu bestätigen sein wird. schen im Ruhrgebiet? Was sagen Sie den Leuten in Vor eineinviertel Jahren ist im Koalitionsvertrag die Kamp-Lintfort, die erst 1 000 Arbeitsplätze durch Ma- Rede davon gewesen, dass die weitere Subventionierung nagementversagen bei BenQ verloren haben und jetzt der deutschen Steinkohle degressiv, aber sozialverträg- noch einmal 3 000 Arbeitsplätze in der Steinkohlenför- lich erfolgen soll, dass dabei betriebsbedingte Kündi- derung verlieren? Sie versprechen einen sukzessiven gungen zu vermeiden sind und die Bundesregierung den Arbeitsplatzabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen. Börsengang der RAG unterstützen will. Die IG Bergbau, Chemie, Energie sagt, die Details Offen blieb lediglich eine Frage, nämlich die Frage, müssten noch geklärt werden. Herr Sommer warnt, ein ob der subventionierte Steinkohlenbergbau in Deutsch- Abschieben in Transfergesellschaften sei mit ihm nicht land am Ende dieses Prozesses auslaufen oder ob es ei- zu machen. Da hat er recht. nen Sockelbergbau geben soll. (Beifall bei der LINKEN) Vor eineinviertel Jahren saßen nicht nur Bundespoliti- Über Ersatzarbeitsplätze, über Perspektiven für die ker, sondern auch die Vertreter der Länder – insbeson- Auszubildenden sagen Sie nichts. Stattdessen liest man, dere der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, Sie wollten den Bundesanteil an den Subventionen ab und die Wirtschaftsministerin des Landes Nordrhein- 2009 von 80 auf 66 Prozent kürzen. Wir fordern Sie auf, Westfalen, Frau Thoben – am Verhandlungstisch. Alle ein Konzept vorzulegen und die Subventionen von Bund haben sich zu den Prinzipien der Sozialverträglichkeit und Land nicht zu kürzen, sondern die Mittel stattdessen und zum Börsengang bekannt; das war gut so. Dennoch für den Aufbau von Ersatzarbeitsplätzen in der Region muss man einräumen, dass die einzelnen Positionen weit bereitzustellen. auseinandergingen. Von daher freue ich mich über die Einigung, zu der es in dieser Woche gekommen ist. Sie (Beifall bei der LINKEN) ist heute noch zu bestätigen. Diese Einigung zeigt die (B) Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energiepolitik, Handlungsfähigkeit der Großen Koalition und der Poli- (D) zu Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien bietet tik insgesamt. auch für NRW Chancen. Es geht nicht einfach um den Ersatz von heimischer Kohle durch billigere Import- Aus Sicht der SPD ist das Ergebnis, vor allem des- kohle. Gebraucht wird speziell für die Kohlebergbaure- halb, weil der Sockel nicht fest vereinbart werden gionen eine gezielte Ansiedlungsstrategie im Bereich der konnte, sicherlich kein Grund zu unbegrenztem Jubel, erneuerbaren Energien. In der energetischen Häuser- aber das Ergebnis ist sehr zufriedenstellend. Warum? Es sanierung zum Beispiel gibt es im Ruhrgebiet nach- ist erstens zufriedenstellend, weil der Zugang zu den La- weislich einen hohen Arbeitskräftebedarf und gute gerstätten nicht endgültig verschüttet worden ist. Wir ha- Kenntnisse. Den Bergleuten muss dafür ein Qualifizie- ben eine belastbare Überprüfung für das Jahr 2012 vor- rungsangebot gemacht werden. gesehen, die Kriterien für diese Überprüfung sind schon heute konkret fixiert worden. Da insbesondere von der Wir treten nach wie vor dafür ein, eine Grundförder- FDP Kritik an der Politik des Kohlesockels geäußert menge an Steinkohle zu erhalten. Nur so kann die damit wurde, möchte ich zweitens deutlich machen, dass wir verbundene Kompetenz erhalten werden. An dieser angesichts steigender Importabhängigkeit und steigender Kompetenz hängen noch einmal Tausende von Arbeits- Preise für Importenergie sowie angesichts einer zuneh- plätzen im Ruhrgebiet. Mittelfristig kann die Kohle ein menden internationalen Nachfrage nach Energieproduk- wichtiger Ersatzrohstoff für das zur Neige gehende ten die Auffassung vertreten, dass eine Vorkehrung im Erdöl als Grundstoff der petrochemischen Industrie wer- Sinne einer heimischen Energiereserve nur richtig sein den. Deshalb wäre es extrem kurzsichtig, das Know-how kann. schnell abreißen zu lassen. Statt die Bergleute die Zeche zahlen zu lassen, muss die RAG mit in der Haftung blei- (Beifall bei der SPD) ben. Voraussetzung dafür ist, den Börsengang zu stop- pen. Außerdem sollte man im Auge behalten, dass in der Vergangenheit weder die Politik noch die Industrie be- Danke. sondere Prognosefähigkeit bewiesen haben. Ich denke dabei nur an das Thema Kokskohle, das bereits kurz an- (Beifall bei der LINKEN) gesprochen wurde. Hätte man in der Vergangenheit vor- sorglicher gehandelt, wären wir in diesem Bereich heute Vizepräsidentin Petra Pau: noch aktiv. Wir sind es nicht mehr. Inzwischen sind die Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Rolf Preise jedoch so gestiegen, dass es heute wirtschaftlich Hempelmann das Wort. wäre. 7772 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Rolf Hempelmann (A) Wir haben – das war für die SPD besonders wichtig – lenbergbaus in Deutschland kommen. Diese Entschei- (C) eine Perspektive bis zum Jahr 2018 eröffnet. Entgegen dung ist richtig, aber auch überfällig. anderslautenden Aussagen in der Debatte ist dieser Weg der einzige sozialverträgliche aus der Steinkohle. Das ist Das sage ich als Abgeordnete aus einem Wahlkreis, in nicht nur die Position einer sogenannten Glückauf-Frak- dem in den letzten Jahrzehnten infolge des Strukturwan- tion, sondern diese Position wird auch durch Gutachten dels 30 000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Das ist hart belegt. Deswegen ist es wichtig, dass wir bei diesem Da- für die Region. Ich habe viele Gespräche mit den betrof- tum bleiben. Ich sage das ausdrücklich, weil es heute fenen Menschen geführt. Dieses Thema ist also auch in Tickermeldungen gibt, die besagen, dass der Minister- sozialer Hinsicht sehr sensibel. Ich sage das ferner vor präsident von Nordrhein-Westfalen andere Überlegun- dem Hintergrund, dass im Norden meines Wahlkreises gen anstellt. Ich denke, nach den Gesprächen am noch immer Kohle abgebaut wird. Ich habe in den letz- Sonntag und dem Steinkohlenspitzengespräch im Koali- ten Jahrzehnten erlebt, dass das Festhalten am Steinkoh- tionsausschuss am Montag sollte der Ministerpräsident lenbergbau ein Hemmschuh für die Zukunftsentwick- des Landes, das von diesen Regelungen am meisten pro- lung dieser Region war. Deshalb ist es richtig, aus dem fitiert, den Weg freimachen. Ich bin ganz sicher, dass die Steinkohlenabbau auszusteigen. Kollegen der CDU/CSU-Fraktion und die Unionsmit- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glieder im Kabinett entsprechend Einfluss nehmen wer- sowie bei Abgeordneten der FDP) den. Trotzdem sind drei Punkte Ihres Beschlusses zu kriti- (Beifall bei der SPD) sieren. Erstens ist 2018 viel zu spät, Das Datum 2018 ist ein wichtiges Signal für die Be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schäftigten im sogenannten schwarzen Bereich. Genauso und bei der FDP) wichtig ist es aber, dass wir mit unseren Entscheidungen den Weg für den hier gerade gescholtenen RAG-Börsen- zweitens ist die Option für eine Überprüfung im Jahr gang freigemacht haben. Man sollte nicht vergessen, 2012 fatal, und drittens – das ist eine ganz wichtige dass es hier um Wertschöpfung und um die Sicherung Frage – ist überhaupt noch nicht geklärt, wer die Ewig- von Arbeitsplätzen in den Kohlerevieren in Nordrhein- keitskosten trägt. Sie haben Ihre Hausaufgaben noch Westfalen geht. nicht gemacht. Denjenigen, die Subventionsmittel zur Finanzierung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Strukturwandels in Nordrhein-Westfalen fordern, und bei der FDP) sage ich: Die beste Unterstützung eines Strukturwandels (B) in Nordrhein-Westfalen ist der RAG-Börsengang. Damit Ich gehe auf diese drei Punkte näher ein. (D) werden Arbeitsplätze im Lande gehalten, damit wird Der erste Punkt betrifft das Jahr 2018. Man muss wis- eine Branche weiterentwickelt und konkurrenzfähig, sen, dass in jedem Jahr 2,5 Milliarden Euro Subventio- Zerschlagung und Marktbereinigung werden vermie- nen in diesen Bereich gesteckt werden. In jedem Jahr, in den. Insofern ist der RAG-Börsengang genau der rich- dem der Bergbau länger besteht, werden 2,5 Milliarden tige Weg. Euro quasi in die Vergangenheit gesteckt und können (Beifall bei der SPD) deshalb nicht in die Zukunft dieses Landes investiert werden. Deshalb ist es falsch, bis 2018 zu warten. Meine Damen und Herren, jetzt beginnt die Arbeit des Gesetzgebers. Wir müssen ein Steinkohlenfinanzie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rungsgesetz vorlegen. Ich hoffe, dass wir zügig von den sowie bei Abgeordneten der FDP) zuständigen Ministerien die entsprechenden Vorlagen Sie können die Kosten zusammenzählen. Die Grünen bekommen. Ich denke, wir werden in der Detailarbeit haben den Beschluss gefasst, dass der Ausstieg 2012, beweisen, dass das, was jetzt in den Eckpunkten festge- spätestens 2015 erfolgen soll. Allein auf Bundesebene legt worden ist, unsere Leitlinie für die Zukunft ist. würden wir 6 bis 12 Milliarden Euro sparen, wenn wir Vielen Dank. das realisieren würden. (Beifall bei der SPD) Der zweite Punkt: Warum ist die Überprüfung im Jahr 2012 fatal? Dahinter stecken durchaus interessante Vizepräsidentin Petra Pau: Überlegungen, Stichwort Versorgungssicherheit. Dazu Das Wort hat jetzt die Kollegen Bärbel Höhn für die muss man Folgendes sagen: Die Ressourcen an Öl, Gas Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. und Uran sind begrenzt; sie reichen vielleicht noch 50 oder 75 Jahre. Bei der Kohle ist das anders. Wir haben (Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie, was Joseph Fischer Kohlevorräte für 200 Jahre. Es ist keineswegs so, dass vor dem Dehler-Haus gemacht hat!) die Kohlevorräte nur in politisch instabilen Ländern vor- kommen, wie es bei Gas, Öl und Uran der Fall ist. Hinzu Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kommt, dass die Kohle in den anderen Ländern im Tage- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte bau abgebaut wird, die Kosten demzufolge viel geringer Kolleginnen und Kollegen! Zunächst muss ich sagen: sind. Der Abbau einer Tonne Kohle kostet in Deutsch- Die Zielsetzung des Beschlusses der Bundesregierung ist land 190 Euro. Der Weltmarktpreis liegt zurzeit bei richtig. Es ist gut, dass wir zu einem Ende des Steinkoh- 60 Euro. An dieser Situation wird sich im Wesentlichen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7773

Bärbel Höhn (A) nichts ändern. Deshalb ist es richtig, aus dem Steinkoh- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) lenabbau in Deutschland auszusteigen. Das Wort hat der Kollege Dr. Pfeiffer für die Unions- fraktion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Die Überprüfung wird aber auch deshalb teuer, weil Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und wir – zu Recht – zugesichert haben, dass es keine be- Herren! Ich denke, hier wird ein Meilenstein erreicht: triebsbedingten Kündigungen geben wird. Als Ministe- das Auslaufen der Subventionen für den Steinkohlen- rin in NRW habe ich aber erlebt, dass diese Zusicherung bergbau. Frau Höhn, wir in der Großen Koalition errei- dazu führt, dass die RAG weitere Einstellungen vor- chen jetzt gemeinsam das – dies unterstreicht einmal nimmt frei nach dem Motto: Wir können den Sockel- mehr die Handlungsfähigkeit dieser Großen Koalition –, bergbau doch nicht mit dem alten Personal durchführen; was Sie weder während Ihrer Beteiligung an der Landes- wir müssen dafür neue Leute einstellen. Dadurch wird es regierung in Nordrhein-Westfalen noch während Ihrer immer teurer. Je länger es den Sockelbergbau gibt, desto Beteiligung an der rot-grünen Regierung in Berlin errei- mehr Kosten werden aufgehäuft, die am Ende von der chen konnten. Gesellschaft getragen werden müssen. Diese Überprü- Wir setzen mit dieser Entscheidung ein ordnungspoli- fungsoption lässt die Ewigkeitskosten in die Höhe stei- tisch klares Signal. Es bedeutet den Einstieg in den größ- gen. Deshalb ist sie falsch. ten Subventionsabbau der Geschichte der Bundesrepu- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) blik Deutschland. (Rolf Stöckel [SPD]: Ach, den gab es bisher Brauchen wir die heimische Steinkohle? Mit der hei- noch gar nicht? – Weiterer Zuruf von der SPD: mischen Steinkohle werden momentan 10 Prozent des Den Einstieg?) Strombedarfs und 3 Prozent des gesamten Energiebe- darfs gedeckt. Herr Meyer, bei den erneuerbaren Ener- – Die Zahlen sind genannt worden. Mit Verlaub, wenn gien sind wir diesbezüglich schon viel weiter. 12 Prozent man die 45 Milliarden Euro – über die reden wir –, die des Strombedarfs werden aus erneuerbaren Energien ge- von Bund und Ländern, von der öffentlichen Hand, für deckt. Im Bereich der Primärenergie tragen die erneuer- den Steinkohlenbergbau, bis er ausläuft, ausgegeben baren Energien sogar doppelt so viel zur Bedarfsde- werden, in andere Bereiche investieren würde, dann ckung bei wie die Kohle. Herr Meyer, deshalb sind die könnte man heute alle Verkehrsprojekte, für die es eine Subventionen, die wir für den Steinkohlenbergbau be- Planfeststellung im Bereich des Bundesverkehrswege- (B) zahlen, gemessen an der Wirkung im Vergleich mit den planes gibt, locker sofort umsetzen. (D) erneuerbaren Energien, unangemessen. Bei den erneuer- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- baren Energien sinken die Kosten, während sie bei der NEN]: Das haben Sie nicht geschafft, obwohl Steinkohle gleich hoch bleiben. Das ist der Unterschied. Sie an der Regierung sind? – Gegenruf des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abg. Dirk Niebel [FDP]: Sie auch nicht!) Letzter Punkt: Die Frage der Ewigkeitskosten muss Insofern ist das Ende heute nicht erreicht. Aber wir ha- geklärt werden. Wir reden hier über voraussichtlich un- ben den Einstieg geschafft. gefähr 35 Milliarden Euro. Deshalb sagen wir Grüne: Wir schaffen Planungssicherheit für alle Beteiligten. Wir sind dafür, dass die RAG an die Börse geht, und wir Dies gilt zum Beispiel für die betroffenen Bergbauregio- sind für eine Stiftung, weil dieses Modell richtig ist. nen, weil wir hiermit den Startschuss für einen zukunfts- Gleichzeitig sagen wir aber auch: Man muss die Kosten gerichteten Strukturwandel geben. Der RAG geben wir ehrlich beziffern. In dem KPMG-Gutachten sind ganz die Perspektive, ihre anderen Bereiche, die zukunftsfä- viele Kosten gar nicht berücksichtigt worden. Was ma- hig sind, in denen Innovationspotenzial vorhanden und chen Sie zum Beispiel mit den Deichen? Die Kosten für Beschäftigungsaufbau noch möglich ist, ohne Damo- die Deiche wurden überhaupt nicht berücksichtigt. Die klesschwert dauerhaft in der Zukunft zu betreiben. Ich Leute am Niederrhein wohnen hinter 13 oder 15 Meter denke, das sind sehr wichtige Entscheidungen. hohen Deichen, weil die Region um 12 Meter abgesackt ist. Diese Menschen leben in einer Art Badewanne. Ich möchte noch ein paar Mythen über die Bedeutung Wenn ein Hochwasser kommt, können sie sich nicht ein- des Steinkohlenbergbaus ansprechen, die heute wieder mal auf ihre Dächer retten. Sie sind Wasserfluten ausge- insbesondere von der ganz linken Seite angeklungen sind. setzt. Die Zahlen wurden ja genannt. Im Jahr 2004, als die För- dermengen noch größer waren, hatte der deutsche Stein- Was machen wir mit diesen Ewigkeitskosten? Ich kohlenbergbau einen Anteil an der weltweiten Förderung sage Ihnen: Wir müssen die Finanzierung sehr schnell in Höhe von gerade einmal 0,6 Prozent. Der Beitrag der klären. Denn eines gilt: Kohlepolitik ist Vergangenheit. Steinkohle zum Primärenergieverbrauch liegt heute bei Alles, was wir da reinstecken, ist falsch investiert. Wir 5 Prozent. Der Sockelbergbau, über den diskutiert wurde, müssen in die Zukunft investieren und nicht in die Ver- wäre ein versorgungssicherheitspolitischer, ordnungspo- gangenheit. litischer und finanzieller Wahnsinn. Es würde den Steuer- zahler pro Jahr 1,5 Milliarden Euro kosten, 6 bis 8 Millio- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen Tonnen Steinkohle zu fördern. 6 bis 8 Millionen 7774 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Dr. Joachim Pfeiffer (A) Tonnen Steinkohle kann man heute am Weltmarkt für lich am Leben erhalten. Jetzt kommt dieses Ende – auf (C) 700 Millionen Euro kaufen. Die Kosten wären also mehr Druck der Liberalen in Nordrhein-Westfalen, auf Druck als doppelt so hoch. Das macht überhaupt keinen Sinn der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die die und hätte inklusive der Altlasten dazu geführt, dass wir schwarz-rote Koalition hierzu getrieben hat. quasi jeden Arbeitsplatz in diesem Bereich mit (Beifall bei der FDP – Dieter Grasedieck 150 000 Euro – das ist schon heute fast so – subventionie- [SPD]: Leider, muss man sagen!) ren. Insofern ist es ein Einstieg in den Ausstieg. Die Grundsatzentscheidung – Ausstieg aus der Sub- Zur hohen Wertschöpfung, deren Verlust beklagt ventionierung der Steinkohlenförderung – ist zweifellos wird: Es ist nicht mehr so, dass die Zulieferindustrie den richtig. Denn diese Subventionierung macht allein etwa Steinkohlenbergbau in Deutschland aus technologischer 30 Prozent der Bundesfinanzhilfen aus. Das ist ein Rie- Sicht als Referenzprojekt für notwendig hält. Er wird be- senbatzen Geld. reits ganz anders betrieben; sie braucht ihn daher nicht mehr. Insofern ist die Grundsatzentscheidung, die jetzt Der Börsengang der RAG wird von uns auf jeden Fall gefallen ist, von historischer Bedeutung und geht in die befürwortet. Aber es stellen sich Fragen, und ob diese richtige Richtung. Es hätte aus unserer Sicht schneller Große Koalition sich tatsächlich so einig ist, das werden gehen können. Das ist ganz klar. Die Gelder stehen jetzt wir sehen. nicht für den Strukturwandel zur Verfügung. Das ist an- (Ulrike Flach [FDP]: Das ist wohl wahr!) geklungen. Der Erlös des Börsengangs wird wahrscheinlich bei Andere Chancen – auch energiepolitische – seien 5,5 Milliarden Euro liegen; über die Rückstellungen noch am Rande angesprochen: Ein RAG-Nachfolgeun- müssen wir spekulieren. Dem stehen, wie gesagt, die ternehmen ist die STEAG, ein Player, der den Wettbe- Pensions-, Alt- und Ewigkeitslasten von rund 13 Mil- werb im Energiebereich in Deutschland und in Europa liarden Euro gegenüber. beleben kann. Diversifizierung ist ferner wichtig, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Mindestens!) Welche Fragen sind noch zu klären? Auch das ist Diese Regierung wird die Frage beantworten müssen, schon gesagt worden: Für die Union ist das Ende der wie diese Lücke zu füllen ist, wie die Kosten verteilt Fahnenstange erreicht. Bei dieser nochmaligen Kraftan- werden sollen. Mit 2018 ist der Ausstieg ferner viel zu strengung, auch aus öffentlichen Mitteln, muss es blei- weit in die Zukunft verlegt. Das sind noch elf Jahre. ben. Es kann nicht sein, dass wir ohne Not die Ewig- (Beifall bei der FDP) keitslasten übernehmen. Sie sind keine bundespolitische (B) Aufgabe – der Bund beteiligt sich unter Versorgungssi- Es geht also um Milliardensummen, die wir noch ein- (D) cherheitsgesichtspunkten an den Steinkohlenbergbau- sparen könnten. Da gilt es nachzuverhandeln. subventionen –, sie sind eindeutig Ländersache. Die Frage ist nun, wie Sie sich dabei verhalten wer- Fazit: Es ist ordnungspolitisch richtig, diesen Aus- den. Denn überhaupt noch nicht angesprochen ist die stieg zu machen. Wir beenden damit die Subventionspo- Problematik, wie dieses Ausstiegsszenario beihilferecht- litik. Denn auch mit den 150 Milliarden Euro, die in der lich aussieht. Die SPD sagt, man werde den Beschluss Vergangenheit an Subventionen geflossen sind, ist es 2012 überprüfen. Die CDU/CSU hält dagegen: Kommt nicht gelungen, den heimischen Steinkohlenbergbau in- nicht infrage, der Ausstieg bleibt. Die SPD wiederum ternational wettbewerbsfähig zu machen. Wir stellen die besteht darauf, das sei eine echte Revisionsklausel, dann Weichen für die Zukunft richtig. Deutschland braucht In- solle tatsächlich geprüft werden. vestitionen in seine industrielle Zukunft und nicht in die (Rolf Stöckel [SPD]: Natürlich!) Vergangenheit. Dabei hat Kommissar Piebalgs noch im vergangenen Vielen Dank. Jahr bei einer öffentlichen Veranstaltung im Landtag in (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der Düsseldorf ausdrücklich gesagt, dass es für die Subven- FDP: Das ist ein gutes Wort zum Schluss!) tionierung keine Anschlussregelung geben könne – schon gar keine Subventionierung im Rahmen eines Sockel- bergbaus – und dass ein Hintertürchen mit der EU nicht Vizepräsidentin Petra Pau: zu machen sei. Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Gudrun Kopp das Wort. Was die frühere rot-grüne Bundesregierung angeht, haben die Grünen in der Tat damals versäumt, das zu (Beifall bei der FDP) vollziehen, was jetzt endlich beschlossen worden ist.

Gudrun Kopp (FDP): (Beifall bei der FDP) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Seinerzeit ist eine Regelung zur Weiterführung der Damen! In den letzten vier Jahrzehnten sind in die För- Subventionierung getroffen worden, die 2010 ausläuft. derung der deutschen Steinkohle circa 128 Milliarden Insofern stellt sich die Frage, wie bis zum Jahr 2018 zu Euro an Subventionen geflossen. Jahrzehntelang war die verfahren ist, zumal auch die Revisionsklausel eine FDP ein einsamer Rufer, der gesagt hat: Was nicht annä- Rolle spielt. Ich halte das für problematisch und finde es hernd wettbewerbsfähig ist, sollten wir auch nicht künst- auch nicht ehrlich. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7775

Gudrun Kopp (A) Wenn es bei dem Ausstiegsbeschluss bleibt – wir hof- Auch Ihre betriebswirtschaftlichen Rechnungen, wie (C) fen, dass der Zeitpunkt noch vorgezogen wird und dass viel die Arbeitsplätze kosten und auch in Zukunft kosten für das Ruhrgebiet Perspektiven geschaffen werden –, werden, sind nicht gerade neu und originell. Ich möchte dann finde ich es unseriös, ein Hintertürchen offenzulas- Sie daran erinnern, dass vor zehn Jahren – 1997, als Sie sen, indem seitens der SPD eine Überprüfung im Jahr noch im Bund Regierungsverantwortung getragen 2012 angekündigt wird. Was sollen die Menschen in den haben – eine Vereinbarung zum Subventionsabbau ge- Bergbauregionen davon halten? Das ist doch unzumut- schlossen worden ist und dass die Zahl der Beschäftigten bar. Es ist ein vorgezogenes Wahlkampfgeplänkel. Inso- von 600 000 im Jahr 1958 mittlerweile auf 36 000 ge- fern kann man, wenn es bei dem Beschluss bleibt, nur je- schrumpft ist. Es hat ein permanenter Subventionsabbau dem empfehlen, sich auf den Ausstieg einzustellen und und Abbau von Fördermengen und Personal stattgefun- finanziell und strukturell auf die Zukunft einzurichten. den. Es gibt keinen vergleichbaren Wirtschaftsbereich – vielmehr sind neue Bereiche entstanden, die gefördert (Beifall bei der FDP) werden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Eine Frage stellt sich immer wieder: Brauchen wir die Transrapid –, in dem öffentliche Subventionen so stark heimische Steinkohle für unsere Energiesicherheit? Ich abgebaut worden sind und in dem trotzdem wie in den glaube, wir können sie getrost mit Nein beantworten. Ich Steinkohlerevieren ein Strukturwandel im Hinblick auf möchte Ihnen eine interessante Zahl nennen. Gerade ein- moderne Arbeitsplätze, Konversion und regenerative mal 0,3 Prozent des weltweiten Steinkohlenabbaus er- Energien gelungen ist. folgt in Deutschland. Es gibt weltweit genügend Vorräte in politisch stabilen Regionen. Die Preisunterschiede Frau Höhn müsste eigentlich am besten wissen, was sind eklatant: 49 Euro pro Tonne für die Importstein- dort in Nordrhein-Westfalen entstanden ist. Das heißt, kohle gegenüber 190 Euro für die deutsche Steinkohle. der Erhalt des Steinkohlenbergbaus mit öffentlicher För- Insofern ergeben sich keinerlei Notwendigkeiten, in die- derung in einer Wertschöpfungskette muss nicht automa- sem Bereich das Rad zurückzudrehen. Dazu sollten wir tisch neue moderne Arbeitsplätze und Strukturwandel stehen. konterkarieren. Wir haben das in NRW bewiesen, vor al- len Dingen in Zeiten einer SPD-geführten Landesregie- Die Fragen sind – möglicherweise am heutigen rung. Nur so war es überhaupt möglich, den Struktur- Abend – zu klären, und wir alle können nur hoffen, dass wandel ohne Brüche und soziale Verwerfungen in die Streitigkeiten über die dann wichtigen Detailfragen Nordrhein-Westfalen hinzubekommen. nicht wieder von vorne losgehen und die Ewiggestrigen am Ende doch noch das Sagen haben. Schauen Sie nach (Beifall bei der SPD) vorn! Gestalten Sie das Ende der Subventionierung so Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, im Kohlere- (B) bald wie möglich – nicht erst 2018 – und verunsichern vier, haben ja Einbußen und Veränderungen in Kauf ge- (D) Sie die Menschen nicht mit einem unnötigen Zickzack- nommen. Sie haben nicht nur weniger Beschäftigung kurs wie bei der Überprüfungsklausel bis 2012! und Einkommenseinbußen hingenommen, sondern viele Vielen Dank. ehemalige Bergleute, die umgeschult worden sind, hat- ten durchaus noch weitere soziale Risiken zu tragen. (Beifall bei der FDP) Viele von ihnen sind mittlerweile arbeitslos. Die FDP und die CDU, die in NRW bei der Regie- Vizepräsidentin Petra Pau: rungsübernahme den Amtseid geleistet haben, Schaden Das Wort hat der Kollege Rolf Stöckel für die SPD- vom Land abzuwenden, könnten das hier tun. Das Land Fraktion. NRW investiert jährlich 500 Millionen Euro und be- (Beifall bei der SPD) kommt dafür eine Wirtschaftskraft von geschätzten 3 Milliarden Euro zurück. Deshalb kann ich nicht erken- Rolf Stöckel (SPD): nen, dass die Politik, die aktuell über die Tickermeldun- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe gen verbreitet wird, dass man nämlich doch eine schnel- Kolleginnen und Kollegen! Die Beschäftigten, die Be- lere Schließung von Schachtanlagen will, Schaden vom triebsräte, das Unternehmen, aber vor allen Dingen die Land NRW abwendet. Menschen im Revier sind sicherlich an der einen oder (Dirk Niebel [FDP]: Damit würden Sie den anderen Stelle bestürzt über den Ausstiegsbeschluss. Bergleuten aber eine Zukunft geben!) Aber nach fast zwei Jahren Planungsunsicherheit und so- zialen Ängsten, die nicht nur durch Aussagen der Lan- Noch wissen wir nicht, welche volkswirtschaftlichen desregierung, sondern auch der Fraktionen im Bundes- Belastungen auf das Land zukommen. Sie machen hier tag immer wieder geschürt worden sind, erwarten sie betriebswirtschaftliche Rechnungen auf, in denen aber von dieser Regierungskoalition vor allem, dass endlich die Kosten der explodierenden Arbeitslosigkeit, die ein eine Perspektive ausgehandelt wird. schneller Ausstieg automatisch hervorrufen wird, ebenso wenig enthalten sind Dass die FDP diese Aktuelle Stunde nutzt, um ihren ideologischen Kampf gegen die Steinkohle weiterzufüh- (Widerspruch bei der FDP) ren, überrascht nicht wirklich. wie fehlende Ausbildungsplätze, die noch ungeklärte (Lachen bei der FDP – Paul K. Friedhoff [FDP]: Haftung für Altlasten und Pensionen sowie – noch wich- Legen Sie die Scheuklappen ab!) tiger – die Gefährdung vieler Arbeitsplätze in kleinen 7776 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Rolf Stöckel (A) und mittleren Betrieben, etwa in Betrieben der Zuliefer- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) industrie oder der Bergbautechnologie mit Tausenden Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg für Beschäftigten – ich kenne solche Betriebe in meinem die Unionsfraktion. Wahlkreis –, die mittlerweile zu 70 Prozent von Umsät- zen mit dem Ausland leben. Im Gegensatz zu dem, was Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): ich hier gerade gehört habe, sagen diese Unternehmen – das weiß Herr Meyer auch ganz genau –, dass der Re- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ferenzbergbau, ein Sockelbergbau an diesem Standort Ich komme aus Gelsenkirchen und weiß deshalb, wovon für diese Technologie unbedingt notwendig ist. ich rede, wenn ich über Bergbau, Steinkohle und Bergar- beiterfamilien spreche. Dennoch sage ich deutlich: Der Hier geht es um zukunftsorientierte Arbeitsplätze; Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle ist notwen- denn Kohletechnologie und Energiegewinnung aus dig. Er ist nach jetzigem Plan für 2018 vorgesehen. Da- Kohle wird es auf der Welt noch viele Jahrzehnte geben. mit haben die verbliebenen rund 35 000 Beschäftigten Und das ist eine Frage des Verbrauchs und nicht etwa der des RAG-Konzerns Sicherheit. vorhandenen Vorräte. Ob die Vorräte noch für 200 Jahre reichen werden, hängt wesentlich vom Verbrauch, aber (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Und im Saar- auch von der übrigen Nutzung der Kohle ab. Das ent- land!) scheidet doch letztendlich darüber, ob wir auch in Zu- – Stimmt, auch im Saarland. Aber ich rede in erster Linie kunft in dieser Exportwirtschaft führend sind und mit über die Region, aus der ich komme. dazu beitragen können, dem Klimawandel umwelt- freundlich zu begegnen, auch durch Technologie aus Im Jahr 2012 soll der Ausstieg aus der Steinkohleför- Deutschland und mit Arbeitsplätzen, die in Deutschland derung noch einmal überprüft werden. Wenn es nach mir erhalten werden und neu entstehen können. geht, ist das nicht unbedingt notwendig. Ich finde, wir sollten die laufenden Gespräche nutzen, darüber nachzu- (Beifall bei der SPD) denken, ob es nicht möglich ist, die Zeitschiene zu ver- Die Kommunalpolitiker in meinem Wahlkreis – ihre kürzen. Stellungnahmen haben wir nach der Kohlerunde am Montag heute alle auf dem Tisch – schütteln den Kopf. (Gudrun Kopp [FDP]: Hört! Hört! Das ist ver- nünftig!) Vizepräsidentin Petra Pau: Darum bitte ich die Kollegen, ohne die Gespräche er- Kollege Stöckel, die Stellungnahmen können Sie jetzt schweren zu wollen. Ich kann die Position der Kollegen aber nicht mehr vortragen. sicherlich nachvollziehen. Aber wir sollten in dieser (B) Frage offen miteinander umgehen. Ich jedenfalls habe (D) Rolf Stöckel (SPD): den Eindruck, dass in den Fraktionen viel mehr Punkte mehrheitsfähig sind, als der Beifall und die jeweiligen Das tun aber nicht nur die Bürgermeister – in Hamm Gesamtpositionen vermuten lassen. Vielleicht kann man etwa ist es ein Parteikollege von Herrn Meyer –, sondern hier ein Stück weiterkommen. auch die Unternehmen sagen deutlich: Wir brauchen ei- nen Sockelbergbau. Der Ausstieg soll sozialverträglich und ohne betriebs- Es ist gut, dass die Parteifreunde der SPD in NRW mit bedingte Kündigungen erfolgen. Frau Lötzer, den früher an der Spitze deutlich zu diesem So- oft gehörten Satz „Bergleute sollen die Zeche zahlen“ ckelbergbau stehen. hätten Sie sich sparen können. So wird es nicht sein. Für den Übergang wird es sicherlich keine Modelle mehr ge- ben, die zu Frühverrentung führen, sondern Modelle, mit Vizepräsidentin Petra Pau: denen langfristig Arbeitsplätze in anderen Bereichen ge- Sie müssen bitte zum Schluss kommen. schaffen werden. Da wir insbesondere im letzten Jahr gelernt haben, welche Auswirkung die Zahl der sozial- Rolf Stöckel (SPD): versicherungspflichtigen Arbeitsplätze auf das gesamte Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. System der Sozialversicherung hat, muss das unser Ziel sein. Wir wollen, dass in einem Finanzierungsgesetz für die Steinkohle diese Option erhalten wird. Wenn diese (Rolf Stöckel [SPD]: Machen wir schon die Option im Finanzierungsgesetz nicht realistisch nieder- ganze Zeit!) gelegt wird, dann sehe ich zum Beispiel keine Möglich- keit, Herr Meyer, das Donarfeld zu erschließen, wo wir Für diejenigen, die aus einer bergbaufernen Region im nächsten Jahrzehnt ohne öffentliche Subventionen kommen, möchte ich zwei, drei Sätze zum besseren Ver- Kokskohle wirtschaftlich erfolgreich werden abbauen ständnis sagen. Ich komme aus einer Stadt, in der der können. Bergbau in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt hat, in der heute noch viele Menschen vom Bergbau le- (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Es gibt so- ben und mit ihm verbunden sind, in der Familien über wieso keine! Das ist uns doch allen klar!) Generationen im Bergbau tätig waren, in der der Berg- bau das Leben in vielen Stadtteilen geprägt hat und in Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. der es mit Schalke 04 einen Fußballverein gibt, der 1904 (Beifall bei der SPD) als Knappenverein begonnen hat. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7777

Wolfgang Meckelburg (A) (Dr. [CDU/CSU]: Sehr gut!) Meine Position ist völlig klar. Ich trage die Be- (C) schlüsse und wünsche, dass wir noch ein Stückchen Fle- Wenn man sich diesen Verein anschaut, dann stellt man xibilität hinbekommen. Ich hoffe vor allem, dass diejeni- fest, dass sich auch dort vieles verändert hat. Es sind gen, die sich damit in den nächsten Stunden sehr intensiv nicht mehr die Bergleute, die nach der Arbeit in der beschäftigen müssen, uns einen Weg aufweisen, der uns Grube zum Fußball gehen. Dass sich etwas verändert als Gesetzgeber das Leben einfach macht. hat, haben die Menschen in meiner Region erkannt. Auch bei uns weiß jeder, dass der subventionierte Stein- Herzlichen Dank. kohlenbergbau auf Dauer keine Chance hat und dass ein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Sockelbergbau – zumindest aus meiner Sicht – nicht neten der SPD und der FDP) dringend notwendig ist.

Wir sollten die Überprüfung ernst nehmen und mögli- Vizepräsidentin Petra Pau: cherweise die laufenden Gespräche dazu nutzen, ein Das Wort hat der Kollege Dieter Grasedieck für die Stück weiterzukommen. Ich sage das deswegen, weil es SPD-Fraktion. nach wie vor in meiner Region und insbesondere in Gel- senkirchen Enttäuschungen über solche Beschlüsse gibt. Dieter Grasedieck (SPD): Aber ich finde, wir sollten die nun getroffenen Be- schlüsse mit Ehrlichkeit und in aller Deutlichkeit vertre- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und ten und sagen: Der Bergbau ist nicht die Zukunft des Herren! Frau Kopp, Sie beklagten die Subventionen. Ruhrgebiets und des Saarlands. Wir brauchen vielmehr Wenn Sie sich einmal das Gutachten des IfW ansehen, Gelder für Innovationen; das ist der entscheidende Be- dann stellen Sie fest, dass 2004 die Subventionen in griff. Statt Tradition und Emotion, die man mit dem Deutschland insgesamt rund 150 Milliarden Euro betra- Bergbau verbindet, brauchen wir Vernunft, Emotion und gen haben. Die Subventionen für die Steinkohle machten Zukunft, das heißt Innovationen und Investitionen in die weniger als 2 Prozent aus. Bereiche, in denen Arbeitsplätze entstehen. Interessant war auch die Aussage von Herrn Friedhoff. Er sprach von der Kohlefraktion. Ich bin (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und stolz, Mitglied einer Kohlefraktion zu sein, Herr der FDP) Friedhoff. Ich möchte zwei, drei Punkte aufgreifen, die ständig (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gegen die Bergbauförderung angeführt werden. Ich will das nicht vertiefen, nur so viel: Die Bergbausubventio- Wir sind trotzdem handlungsfähig, wir suchen trotz- (B) nen sind zu teuer geworden. Zu diesem Schluss kommt dem Lösungen. Wir haben diese Lösungen mit der CDU/ (D) man, wenn man – wie in den letzten Tagen geschehen – CSU gefunden. Die Gegenwart trotz unterschiedlicher das auf die Tonne Kohle oder die Zahl der Mitarbeiter Zukunftsziele zu gestalten, das ist eine wichtige Aufgabe umrechnet. Die Subventionen sind inzwischen so hoch, der Koalition. Diese Aufgabe haben wir gelöst. Wir ha- dass die im Bergbau Beschäftigten ein auskömmliches ben Ergebnisse vorzuweisen. Eckpunkte sind aufgeführt Leben führen könnten, wenn man ihnen die Subventio- worden. Wir arbeiten erfolgreich. Unsere Region, unser nen direkt auszahlte. Das ist natürlich kein gangbares Revier hat Zukunftsaussichten, hat Perspektiven: Ers- Modell. Aber das zeigt, wie teuer das Ganze geworden tens. Durch den Börsengang werden 100 000 Arbeits- ist. Deswegen ist vielleicht jedes Jahr, das wir früher aus plätze gesichert. Zweitens. 34 000 Kumpels fallen nicht der Bergbauförderung aussteigen, ein Jahr, das uns hel- ins Bergfreie. Drittens. Wir erhalten die Arbeitsplätze fen wird, zu Innovationen zu kommen. von 40 000 Menschen in der Zulieferindustrie. Viertens. 2012 entscheiden wir über die Zukunft unserer Kohle. Zwei Argumente zugunsten des Bergbaus, die bislang eine große Rolle gespielt haben, trage ich nicht mehr Insgesamt sind es 140 000 Arbeitsplätze, die bei der mit. Das erste betrifft die Rohstoff- und Energiesicher- STEAG, der Degussa, dem Bergbau und der Zuliefer- heit. Schon heute werden 60 Prozent der Kohle impor- industrie erhalten werden können. Es ist vorhin schon tiert, Tendenz steigend. Zur heimischen Energieversor- darauf hingewiesen worden, dass die STEAG wirklich gung trägt die deutsche Kohle ohnehin nur 5 Prozent bei. eine hervorragende Arbeit leistet. Die Kohlekraftwerke, Der Anteil am Weltmarkt beträgt nur noch 0,3 bzw. die in der nächsten Zeit gebaut werden sollen, haben 0,4 Prozent. Diese Zahlen muss man zur Kenntnis neh- Wirkungsgrade, die im Bereich von 46 bis 50 Prozent men. Das Argument der Rohstoff- und Energiesicherheit liegen. Wenn wir die Kraft-Wärme-Koppelung hinzu- zieht also nicht mehr. nehmen, so kommen wir auf 70 Prozent. Die Kraftwerke sind ein Exportschlager. Diese Exportschlager müssen Das zweite Argument ist folgendes – das gilt auch im erhalten bleiben. Das ist nur in der Kombination mit der Hinblick auf die Zulieferbetriebe –: Von 1996 mit Kohle denkbar. Das CO2-freie Kraftwerk ist nicht nur 45 Millionen Tonnen hat sich die Steinkohlenförderung ein Schlagwort. Es wird umgesetzt. Es wird produziert. bis heute mehr als halbiert. Die Umwelt wird dadurch entlastet. Deshalb ist diese Entwicklung wichtig. Trotzdem haben wir eine stabile Beschäftigung. Der Exportanteil in diesem Bereich beträgt 90 Prozent. Inso- Betrachten wir unsere Bergmaschinen. Sie werden fern ist das kein Argument dafür, die Subventionen auf schneller, flexibler und stabiler, und es werden mehr längere Sicht zu erhalten. elektronische Geräte in sie eingebaut. Das sind Export- 7778 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Dieter Grasedieck (A) schlager „Made in “. Diese haben einen großen Meine Vorredner haben schon gesagt, dass es noch (C) Stellenwert. Fast 40 Prozent der Weltproduktion dieser eine ganze Reihe offener Fragen gibt. Ich möchte bei- Maschinen kommen aus Deutschland. Auch das muss spielsweise auf die Frage eingehen, was der Sockelberg- gesehen werden. Russen und Chinesen kaufen unsere bau eigentlich bedeutet. Zu welchem Zweck brauchen Technologie. Diese Technologie wird auch im Tunnel- wir den Sockelbergbau? Ist der Sockelbergbau uns als bau eingesetzt. Österreicher und Schweizer setzen un- Vertretern des Bundes diese Ausgaben wirklich wert? sere Bergmaschinen ein, die bei uns im Bergbau getestet Selbstverständlich sind wir als Bundesrepublik Deutsch- worden sind. Dieses Wissen darf nicht verloren gehen. land in der Bergbautechnologie weltweit führend, und Deswegen brauchen wir ein Übungsfeld. Auch dafür ist das bindet auch einiges. Aber ich möchte an die Kolle- der Bergbau wichtig. Daran hängen viele Arbeitsplätze. gen von der SPD doch die Frage richten, ob es denn da- mit tatsächlich so ernst gemeint ist, insbesondere wenn (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten man bedenkt, dass die RAG die DMT verkauft hat. Man der CDU/CSU und der LINKEN) muss hinterfragen, ob das wirklich noch diesen Stellen- Man muss auch berücksichtigen, dass bei der RAG wert hat und ob der Sockelbergbau wirklich notwendig viele junge Menschen in den verschiedensten Berufen aus- für die weitere Entwicklung der Bergbautechnologie ist. gebildet werden. In unserem Revier sind das 10 000 Aus- Ist es wirklich notwendig, hier im Land zwei Gruben zu bildungsplätze, in meinem Wahlkreis 420 Ausbil- unterhalten, in denen man diese Technologie weiterent- dungsplätze in den modernsten Berufen. IT-Kaufleute, wickelt? Industriemechaniker, Elektroniker usw. werden vom (Zuruf von der FDP: Nein, es ist nicht erfor- Markt aufgesogen. Sie werden in der Kleinindustrie und derlich!) in der Großindustrie gebraucht. Es ist wichtig, dass wir den Jugendlichen eine Chance geben. Auch deshalb ist Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass es notwen- es entscheidend, dass wir im Bergbau weiterarbeiten dig ist, dann stellt sich natürlich die Frage, ob es Auf- können. gabe des Steuerzahlers ist, diese Technologie über zwei Gruben am Leben zu erhalten. Ist das die Aufgabe der Zusammenfassend sage ich: Die Entwicklung von Wirtschaft oder ist es die Aufgabe des Steuerzahlers? Sie Spitzentechnologien und die Sicherung von Arbeits- und können sich die Antwort bei mir leicht denken: Es ist die Ausbildungsplätzen machen einen Sockelbergbau, so Aufgabe der Wirtschaft selber! meine ich, auch über 2018 hinaus erforderlich. Der Sockelbergbau ist sicher ein Zukunftsziel der SPD. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Heute aber gestalten CDU/CSU und meine Partei auf der Zuruf von der FDP: Richtig!) (B) Grundlage der ausgehandelten Eckpunkte die Gegen- (D) wart. Glück auf! Man könnte bösartig formulieren, dass der Sockelberg- bau nichts anderes als eine Verlängerung des Leidens ist. (Beifall bei der SPD) Und daran möchte ich mich nicht beteiligen. Mein zweiter Punkt betrifft die Frage der Ewigkeits- Vizepräsidentin Petra Pau: lasten. Es soll Börsenerlöse geben und es sollen Rück- Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Franz stellungen von der RAG gebildet werden. Und dann Obermeier das Wort. redet man darüber, dass die Summe, die dabei heraus- kommt, nicht dafür reicht, die Ewigkeitslasten zu finan- (Beifall bei der CDU/CSU) zieren. Wenn die Ewigkeitslasten weiterhin durch den Steuerzahler – auf Bundes- und Landesebene – getragen Franz Obermeier (CDU/CSU): werden, dann begehen wir – diese Auffassung vertrete Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Diese ich – einen schweren Fehler. Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen sind Ich habe die Hoffnung, dass die Prämissen bei der angetreten mit dem Ziel, Subventionen abzubauen. Jetzt Klärung der jetzt noch anstehenden Fragen eindeutig ge- hat unser Wirtschaftsminister, , den größ- regelt werden. Es kann nicht sein – dies wurde gelegent- ten und vermutlich auch schwierigsten Brocken in die lich angesprochen –, dass diese Lasten dem Bundeshaus- Hand genommen. Vor wenigen Tagen kam es zu einer halt aufgebürdet werden. weitgehenden Verständigung über den Abbau der Berg- bausubventionen. Zum Abschluss noch ein Wort an die Kollegin Höhn. Frau Höhn, während Ihrer fünfminütigen Rede hatte ich Ich verhehle nicht, dass mir der Zeitraum bis 2018 den Eindruck, Sie hätten in den zurückliegenden Jahren sehr lang erscheint. Aber bei genauerer Betrachtung nie irgendwo Regierungsverantwortung getragen. muss man natürlich die schon mehrfach angesprochenen Umstände berücksichtigen, nämlich dass es sich um (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das könnte Tausende von Arbeitsplätzen handelt. Wir wollen selbst- man meinen! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ verständlich eine sozialverträgliche Umstellung der Ar- DIE GRÜNEN]: Sie haben es ja auch nicht beitsplätze und wissen ganz genau, dass solche Dinge hingekriegt! Wo sind Sie denn gelandet? Sie Zeit brauchen. Das geht nicht so einfach – und vor allem haben sich doch der SPD gebeugt, obwohl Sie nicht so schnell –, wenn man den betroffenen Menschen gleich stark sind! Was ist denn Ihre Entschei- eine vernünftige Perspektive bieten will. dung?) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7779

Franz Obermeier (A) In Ihrer Rede haben Sie so getan, als hätten Sie noch nie (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Sie (C) etwas zu entscheiden gehabt, weder im Land NRW noch glauben wohl, Sie sind auf dem Parteitag! Wir hier im Deutschen Bundestag. Ihre Partei führt sich auf, sind hier im Bundestag!) als hätte sie mit sämtlichen entscheidenden Fragen noch nie etwas zu tun gehabt. Die Wähler werden bald mer- Eines muss allen Beteiligten klar sein: Die Options- ken, dass Sie versuchen, sie zu verdummen. klausel ist keine Pro-Forma-Angelegenheit. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn Die Entscheidung 2012 ist ergebnisoffen. Die Option [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wird im Steinkohlegesetz festgeschrieben. Angesichts sich doch der SPD gebeugt, Herr Kollege von schneller Veränderungen auf den globalen Energiemärk- der CDU/CSU, obwohl Sie gleich stark sind!) ten ist es höchst fraglich, ob es vernünftig ist, die Zu- gänge zu den heimischen Kohlevorkommen endgültig zu schließen. Heute kann niemand vorhersagen, wie die ge- Vizepräsidentin Petra Pau: naue Preisentwicklung bei Steinkohle, Kokskohle und Das Wort hat der Kollege Gerd Bollmann für die Kokskohleerzeugnissen sein wird. SPD-Fraktion. Auch Umwelt- und Klimaschutzgründe werden als (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Argumente für das Ende der deutschen Steinkohlenför- derung herangezogen. Gerd Bollmann (SPD): (Rainer Brüderle [FDP]: Stimmt!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen im Ruhrgebiet Ich halte das bei einigen für eine große Heuchelei. Ja, es (Zuruf von der LINKEN: Und im Saarland!) ist richtig, dass wir bei der Energieversorgung die Ver- brennung fossiler Energieträger deutlich verringern müs- kennen die Bedeutung der Steinkohle. Die Menschen im sen. Das Ziel einer fortschrittlichen Energiepolitik sind Ruhrgebiet wissen, warum erneuerbare Energien geför- der Ausstieg aus der Atomenergie und eine vollständige dert werden müssen. Die Menschen im Ruhrgebiet wis- Energieerzeugung aus umweltfreundlicher und schad- sen ganz genau, warum sie der FDP nie mehr als stofffreier erneuerbarer Energie. 3 Prozent der Stimmen geben. Aber wir reden heute weder über das Ende der Stein- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen kohle in der Energieerzeugung noch über das Ende von (B) bei der FDP – Gudrun Kopp [FDP]: Da haben Kohlekraftwerken. Wir werden Kohle auch weiterhin (D) Sie etwas versäumt! – Laurenz Meyer [Hamm] nutzen, möglicherweise allerdings keine heimische [CDU/CSU]: Was?) Kohle, sondern Importkohle. Ökologisch ist es irrele- vant, ob wir Steinkohle aus dem Ruhrgebiet oder aus – Das war falsch gerade. Entschuldigung! Südafrika verwerten. (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Die Rede (Beifall bei Abgeordneten der SPD) fing schon an wie auf dem Parteitag!) Nach intensiven und kontroversen Verhandlungen Zur Energiesicherheit noch einige Anmerkungen: Ei- wurde ein Kompromiss zur Zukunft des deutschen Stein- nige bedeutende kohleliefernde Länder gelten als Risi- kohlenbergbaus geschlossen. Den Bergleuten und ihren koländer. Kohleimporte über große Strecken, zum Teil Familien gibt dieser Beschluss Sicherheit. Die Förde- um den halben Globus, tragen ein hohes Transportkos- rung des Steinkohlenbergbaus bis mindestens 2018 ist tenrisiko. Geopolitische Risiken gewinnen auch auf dem verbindlich festgelegt. Es wird keine betriebsbedingten Kohleweltmarkt an Gewicht. Politische Konflikte, Kri- Kündigungen für die Bergleute geben. Damit sind die sen oder gar Kriege machen auch vor dem internationa- Pläne der CDU-FDP geführten NRW-Landesregierung len Kohlehandel nicht halt. Das darf nicht vernachlässigt vom Tisch. Ein abrupter Ausstieg mit Einsparungen von werden. China, die USA, Russland und Indien kontrol- 750 Millionen Euro bis 2010 auf Kosten der Bergleute lieren fast 75 Prozent der Weltproduktion und und ihrer Familien, wie er insbesondere von der FDP 65 Prozent der Kohlevorräte. Sie haben bei der Kohle propagiert wurde, hat keine Mehrheit gefunden. Es be- auf Dauer eine große Verfügungsmacht. Nur der Zugriff steht weiterhin die Möglichkeit, auch über 2018 hinaus, auf eigene Reserven erhält ein Stück Unabhängigkeit Kohle zu fördern. aufrecht. (Laurenz Meyer [Hamm)] [CDU/CSU]: Was? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will keinen Gudrun Kopp [FDP]: Wo leben Sie?) Hehl daraus machen, dass ich mir eine Lösung ge- wünscht hätte, die bereits heute die Festschreibung eines Ein Sockelbergbau, der die Importabhängigkeit senkt Sockelbergbaus vorgesehen hätte. Die hierfür vorgese- und zukünftige Chancen offenhält, ist möglich. Die SPD henen Subventionen wären gut angelegtes Geld. Selbst hat erreicht, dass 2012 eine neue Bewertung der Lage die Zeitschrift – jetzt hören auch Sie von der FDP bitte vorgenommen wird: aus wirtschafts- und energiepoliti- gut zu – „Der NRW-Mittelstand“ vom Bundesverband schen Erwägungen genauso wie aus industrie- und for- mittelständische Wirtschaft, Ausgabe November/De- schungspolitischer Perspektive. zember 2006, schreibt: 7780 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

Gerd Bollmann (A) Die Kohlebeihilfen für NRW sind kein „Ge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, alles in allem hat es (C) schenk“. Die Beihilfen fließen eins zu eins über sich gelohnt: Die Bergleute haben eine Perspektive, die Aufträge des Bergbaus in mittelständische Zuliefer- RAG bleibt als leistungsfähiger Konzern erhalten, und betriebe zurück. die Chance, heimische Steinkohle als Energieträger zu nutzen, bleibt gewahrt. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der LINKEN: Auch im Saarland!) Ich danke für die Aufmerksamkeit. Glück auf! Der Staat zahlt hier nicht drauf, sondern betreibt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Mittelstandsförderung. Davon profitieren steuer- der LINKEN – Laurenz Meyer [Hamm] zahlende Firmen mit weltweit nachgefragtem [CDU/CSU]: Der musste die ganze Zeit selber Know-How und damit wiederum auch der Staat. grinsen! – Gegenrufe von der SPD) Teuer für die öffentliche Hand wird es dagegen, wenn der Bergbau dicht gemacht ist und die Ar- Vizepräsidentin Petra Pau: beitslosigkeit im Revier auf neue Rekordhöhen Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am klettert. Unternehmen stärken sieht anders aus. Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, auch ein kla- (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD) res und deutliches Wort an die Adresse der Betreiber von Kohlekraftwerken: Die Kohle als Brücke ins solare Zeit- – Offensichtlich gibt es noch großen Diskussionsbedarf. alter – egal ob heimische Kohle oder Importkohle ge- Doch die Diskussion muss nun außerhalb der Sitzung nutzt wird – hat nach 2012 nur eine Chance, wenn ihr fortgesetzt werden. Einsatz auf dem höchsten Stand der Technik geschieht. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Der Einsatz aller Formen der Kraft-Wärme-Kopplung destages auf morgen, Donnerstag, den 1. Februar 2007, muss weiter vorangebracht werden. Auf Zeit spielen ist 9 Uhr, ein. nicht mehr möglich. Die Sitzung ist geschlossen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) (Schluss: 16.47 Uhr)

(B) (D) Berichtigung 76. Sitzung, Seite 7674 (B), vierter Absatz, der erste Halbsatz ist wie folgt zu lesen: „Detlef Müller (Chem- nitz) (SPD)“. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7781

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Anlage 2 Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) (Druck- entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich sache 16/4133, Frage 5): Stimmt die Bundesregierung zu, dass es sich bei der Frage der Finanzierung von schulischen Lernmitteln – ähnlich wie Barthle, Norbert CDU/CSU 31.01.2007 bei der Frage der Finanzierung mehrtägiger Klassenfahrten und entgegen ihrer Antwort auf meine schriftliche Frage im Bülow, Marco SPD 31.01.2007 August 2006 (Bundestagsdrucksache 16/2415 Frage 12) – nicht vorrangig um eine Frage des Schulwesens handelt, die damit im Verantwortungsbereich der Länder liegen würde, Edathy, Sebastian SPD 31.01.2007 sondern um eine soziale Frage einer Personengruppe, die so- mit im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt werden müsste, und inwieweit plant sie vor diesem Hinter- Eichel, Hans SPD 31.01.2007 grund, die zurzeit bestehende Lücke im SGB II zu schließen? Ernst, Klaus DIE LINKE 31.01.2007 Die Bundesregierung stimmt dem nicht zu. Eine Regelungslücke besteht nicht. Im Rahmen der Grund- Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 31.01.2007 sicherung für Arbeitsuchende erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen zusammen lebenden Golze, Diana DIE LINKE 31.01.2007 Angehörigen die notwendigen Leistungen, um ihren Le- bensunterhalt bestreiten zu können. Der Umfang dieser Leistungen ist abschließend gesetzlich geregelt. Dies ist Hilsberg, Stephan SPD 31.01.2007 im Fortentwicklungsgesetz zum 1. August 2006 in der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 4 SGB II ausdrücklich klar- Kasparick, Ulrich SPD 31.01.2007 gestellt worden. Die Regelleistung bildet hierbei das soziokulturelle Existenzminimum ab. Sowohl die Höhe Lehn, Waltraud SPD 31.01.2007 als auch die Art der Bedarfsermittlung sind vom Bundes- sozialgericht (Urteil vom 23. November 2006 – B 11b (B) (D) Leutert, Michael DIE LINKE 31.01.2007 AS 1/06 R) als verfassungsgemäß bestätigt worden. Ein Grundbedarf für Lehrmittel und Schulbedarfe ist in der Löning, Markus FDP 31.01.2007 Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten. Darüber hi- nausgehende, aufstockende Leistungen nach dem Lopez, Helga SPD 31.01.2007 SGB II für den Kauf von Schulbüchern oder sonstigen Lernmitteln können nicht gewährt werden. Das BMAS Merten, Ulrike SPD 31.01.2007 hält an der Auffassung fest, dass insoweit die Länder im Rahmen der Kultushoheit verantwortlich sind. Nahles, Andrea SPD 31.01.2007

Pflug, Johannes SPD 31.01.2007 Anlage 3 Antwort Rachel, Thomas CDU/CSU 31.01.2007 des Parl. Staatssekretärs auf die Fragen Schäfer (Bochum), SPD 31.01.2007 des Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksa- Axel che 16/4133, Fragen 6 und 7): Wie vielen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 31.01.2007 die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder ei- ner Aufenthaltsberechtigung waren, ist seit 1998 diese Auf- Andreas enthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 des Ausländergeset- zes nach unfreiwilliger Abwesenheit von sechs Monaten Schummer, Uwe CDU/CSU 31.01.2007 entzogen worden? Wie oft wurde in derlei Fällen von Bundes- oder Landes- Dr. Schwall-Düren, SPD 31.01.2007 behörden derjenige Staat und dessen Behörden, in dem sich der Ausländer unfreiwillig aufhielt, gebeten, ihm seinen Rei- Angelica sepass abzunehmen und einer deutschen konsularischen Ver- tretung zu überlassen, damit diese den darin befindlichen Auf- Dr. Tabillion, Rainer SPD 31.01.2007 enthaltstitel für Deutschland als ungültig abstempeln konnte? Der Kontext der Fragestellungen lässt darauf schlie- Wimmer (Neuss), CDU/CSU 31.01.2007 ßen, dass in Frage 1 nicht „unbefristete Arbeitserlaub- Willy nis“, sondern wohl „unbefristete Aufenthaltserlaubnis“ 7782 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

(A) gemeint ist. Derzeit (Stand 31. Dezember 2006) sind im Handelns der Verdächtigten durch den Wortlaut der (C) Ausländerzentralregister (AZR) rund 2,9 Millionen auf- Strafvorschrift erschwert wurde. Durch das Anleger- hältige Drittstaatsangehörige mit einer unbefristeten schutzverbesserungsgesetz vom Oktober 2004 sind die Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung oder Regelungen zum Insiderhandelsverbot umfassend geän- Niederlassungserlaubnis bzw. vom Erfordernis einer dert worden. Für ein strafbares Handeln ist nunmehr aus- Aufenthaltserlaubnis befreite Personen erfasst. Daneben reichend, wenn Insiderinformationen für ein verbotenes wird gegebenenfalls der Sachverhalt „Aufenthaltstitel Insidergeschäft verwendet werden. Es ist nicht mehr er- widerrufen/erloschen“ gespeichert, nicht aber die forderlich, dass sie ausgenutzt worden sind; gerade der Gründe für einen Widerruf oder ein Erlöschen des Auf- Nachweis des Ausnutzungsvorsatzes bereitete in der enthaltstitels. Angaben zu den Fragen 1 und 2 können Praxis Schwierigkeiten. Die Ermittlungsverfahren der daher nicht gemacht werden. Sollte entgegen der oben Staatsanwaltschaften und die Urteile der Gerichte, die angegebenen Annahme doch nach Arbeitserlaubnissen bis Ende 2005 zum Abschluss gelangten, beruhen aller- gefragt worden sein, so wird vorsorglich darauf hinge- dings noch auf Sachverhalten, die vor dem Inkrafttreten wiesen, dass etwaige Rücknahmen von unbefristeten Ar- der neuen Regelungen lagen. Zum anderen könnte die beitserlaubnissen im AZR nicht erfasst werden. Sanktionsquote dadurch beeinflusst sein, dass viele Staatsanwaltschaften und Gerichte erst Erfahrungen mit diesem Tatbestand – die Fälle werfen oftmals schwierige Anlage 4 börsenrechtliche Fragestellungen auf – sammeln. Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Anlage 5 Fragen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 16/4133, Fragen 9 und 10): Antwort Wie viele Fälle von Insidergeschäften wurden seit 2001 der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Frage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) weitergeleitet, und in wie vielen Fällen kam es seit 2001 zu rechtskräftigen Urteilen? (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Frage 13): Wie viele Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Bewährungs- strafen wurden im Zusammenhang mit Insidergeschäften seit Wer hat in Turkmenistan nach Kenntnis der Bundesregie- 2001 verhängt, und warum ist die Sanktionsquote bei Insider- rung gegenwärtig Zugriff auf die bei der Deutschen Bank in verfahren so gering (vergleiche Berliner Zeitung, 24. Januar Frankfurt geführten Konten des Ex-Diktators Saparmurat 2007)? Nijasow, auf denen nach Schätzungen von Nichtregierungsor- (B) ganisationen insgesamt bis zu 12 Milliarden Euro deponiert (D) Zu Frage 9: sind? Seit 2001 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleis- Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bzw. tungsaufsicht (BaFin) bzw. das Bundesaufsichtsamt für werden Konten für den verstorbenen turkmenischen Prä- den Wertpapierhandel, eine der drei Behörden, aus de- sidenten Saparmurat Nijasow bei der Deutschen Bank nen die BaFin hervorgegangen ist, 157 Vorgänge bzw. nicht geführt. Hierzu verweise ich auch auf die Antwort 414 Personen bei der jeweils zuständigen Staatsanwalt- von Kollegen auf die schriftliche Frage schaft angezeigt. Die genannte Anzahl der angezeigten Nr. 113 für den Monat Januar von Kollegen Volker Personen ist geringer als die tatsächliche Anzahl, da erst Beck, die er mit Schreiben vom 26. Januar 2007 beant- ab dem Jahr 2003 eine Statistik über die Anzahl der an- wortet hat. gezeigten Personen geführt wird. Seit 2001 kam es in 45 Fällen zu rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidun- gen. Anlage 6 Antwort Zu Frage 10: Nach Mitteilung der BaFin wird nicht gesondert statis- des Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Frage tisch erfasst, wie sich die gerichtlichen Entscheidungen der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) auf Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Bewährungsstrafen (Drucksache 16/4133, Frage 17): im Zusammenhang mit Insidergeschäften verteilen. Wie hoch wäre der Kostenaufwand, wenn die Krankenver- Grundsätzlich stellten die Staatsanwaltschaften Verfah- sicherung der Kinder, deren Eltern Mitglied einer privaten Krankenversicherung sind, über einen entsprechenden Zu- ren häufig mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170 schuss aus dem Bundeshaushalt finanziert würde? Abs. 2 StPO) ein. Bei Strafbefehlen werden in der Regel Geldstrafen zwischen 30 und 90 Tagessätzen verhängt. In der privaten Krankversicherung waren im Jahr Kam es zu Verurteilungen, wurden in einigen Fällen 2005 laut Angaben des PKV-Verbandes 1,55 Millionen Freiheitsstrafen von ein bis zwei Jahren auf Bewährung Kinder voll versichert. Der Bundesregierung liegen verhängt. Bisher gibt es aber nur eine Verurteilung, bei keine Angaben über das Prämienvolumen für privat ver- der eine Freiheitsstrafe nicht auf Bewährung verhängt sicherte Kinder vor. Laut Auskunft des PKV-Verbandes wurde. Die relativ geringe Sanktionsquote dürfte zum ei- entfielen im Jahr 2005 rund 7 Prozent der Aufwendun- nen darauf zurückzuführen sein, dass in der bisherigen gen für Krankenversicherungsleistungen auf Kinder. Verfolgungspraxis der Nachweis eines tatbestandlichen Aufgrund der höheren Vergütung der Leistungserbringer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7783

(A) sind diese Ausgaben nicht mit denen der gesetzlichen Warum wurde die Beteiligung Deutschlands an ITER (C) Krankenversicherung vergleichbar. (Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor; Frankreich) nicht an eine verbindliche Zusage Frankreichs zur Beteiligung an XFEL gebunden?

Anlage 7 Zu Frage 21: Antwort Die Verhandlungen mit Frankreich über eine Beteili- gung am Bau und am Betrieb des Freie Elektronen Rönt- des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage genlasers XFEL sind noch nicht abgeschlossen. In einem des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Gespräch im Januar dieses Jahres wurde das französi- DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Frage 20): sche Interesse am XFEL und die Bereitschaft erklärt, In welcher Weise wurden bzw. werden nach Kenntnis der sich am Bau des XFEL zu beteiligen. Die Gespräche lau- Bundesregierung deutsche Bürgerinitiativen und Opferver- fen zurzeit noch. bände sowie die französischen Initiatoren Beate und Serge Klarsfeld bei der Konzeptionsentwicklung der von der Deut- Zu Frage 22: sche Bahn AG in ihren Bahnhöfen geplanten Ausstellung über die Deportation von tausenden jüdischer Kinder in Konzentra- ITER ist ein internationales Projekt, in dem für Eu- tionslager, darunter Auschwitz, einbezogen? ropa die EU-Kommission mitwirkt. Deutschland ist als Die Bundesregierung begrüßt nachdrücklich die Ab- Mitgliedstaat der EU via EURATOM an ITER beteiligt. sicht der Deutschen Bahn AG (DB AG), eine Ausstel- Primär war es daher keine deutsche Entscheidung, ob eine Beteiligung an ITER stattfindet oder nicht. Den- lung zu den von der Reichsbahn durchgeführten Depor- noch hat Deutschland 2003 auf unterschiedlichen Ebe- tationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager nen Frankreich gegenüber deutlich gemacht, dass es für sowohl auf Bahnhöfen als auch in deren unmittelbarer die Unterstützung eines ITER-Standorts in Frankreich Nähe zu zeigen. Bundesminister Tiefensee ging es eine Beteiligung an XFEL und FAIR erwartet. Diese ebenso wie dem Ehepaar Klarsfeld stets darum, dass das Sichtweise wurde von dem damaligen französischen unermessliche Leid der deportierten jüdischen Kinder ei- Forschungsminister d'Aubert bestätigt. nen ganz wesentlichen Bestandteil der Ausstellung bil- det. Die von der DB AG mit der Erarbeitung der Aus- stellung beauftragte Arbeitsgruppe hat die Arbeit an der Anlage 9 Konzeption inzwischen (am 25. Januar 2007) aufgenom- men. Ein erstes Gespräch mit Serge und Beate Klarsfeld, Antwort den Initiatoren der in Frankreich gezeigten Ausstellung des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage (B) „11.000 jüdische Kinder. Mit der Reichsbahn in den der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) (D) Tod“, fand nach Kenntnis der Bundesregierung bereits (Drucksache 16/4133, Frage 23): am 11. Januar 2007 statt. Eine direkte, formelle Einbe- Welche Position vertritt die Bundesregierung in dem Kla- ziehung deutscher Opferverbände und Bürgerinitiativen geverfahren der EU-Kommission gegen Österreich bezüglich bereits in die Konzeption der Ausstellung war nicht Ge- der Quotenregelung beim Hochschulzugang im Studienfach genstand der zwischen Bundesminister Tiefensee und Medizin, und was waren die Ergebnisse des angekündigten der DB AG am 1. Dezember 2006 getroffenen Vereinba- Treffens zwischen dem österreichischen Wissenschaftsminis- rung. Dies schließt nach Auffassung der Bundesregie- ter Johannes Hahn mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung Dr. ? rung Gespräche und Arbeitskontakte der mit der Vorbe- reitung beauftragten Arbeitsgruppe mit den Vertretern Die EU-Kommission hat am 24. Januar 2007 ein Ver- solcher Verbände jedoch selbstverständlich nicht aus. fahren zur Überprüfung der neuen Quotenregelung im Zudem hat Bundesminister Tiefensee bereits im vergan- österreichischen Hochschulzugangsrecht eingeleitet. Ös- genen Jahr ausdrücklich angeregt, Bürgerinitiativen und terreich wird die Hinweise der EU-Kommission in den Opferverbände im Vorfeld vor Ort zu beteiligen, wenn nächsten Monaten sorgfältig prüfen müssen. Deutsch- die Ausstellung ab dem kommenden Jahr in deutschen land ist an den Verfahren nicht formell beteiligt. Frau Städten präsentiert wird. Die Bundesregierung geht da- Bundesministerin Dr. Schavan hat in dem Gespräch mit von aus, dass Anregungen und Wünsche solcher Ver- dem österreichischen Wissenschaftsminister Dr. Hahn bände und Initiativen von der Arbeitsgruppe sorgfältig am 26. Januar 2007 erklärt, dass Deutschland den Pro- geprüft werden. zess weiterhin konstruktiv begleiten und insbesondere Österreich – sofern erforderlich – unterstützen wird. Mi- nister Dr. Hahn hat das Angebot begrüßt. Anlage 8 Antwort Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragen der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Fragen 21 und 22): Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Wie ist der gegenwärtige Stand der Verhandlungen mit (Drucksache 16/4133, Frage 24): Frankreich über die Beteiligung Frankreichs an der Finanzie- Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass rung des Großprojektes XFEL (Röntgenlicht-Freie-Elektro- zeitgleich zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozia- nen-Laser)? lismus im Deutschen Bundestag am 29. Januar 2007 die 7784 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007

(A) Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge haben. Dabei spielt es eine Rolle, welche kulturellen (C) und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, im Rahmen des Schätze vorhanden sein können und ob und gegebenen- Forums Integration zu einer Sachverständigen- und Experten- anhörung zum Thema „Integration durch Sport“ ins Bundes- falls welche finanziellen Mittel für eine Entdeckung zur kanzleramt einlädt und das gleichzeitige Stattfinden der Verfügung gestellt werden sollen. Archäologen bekla- Anhörung mit der Begründung entschuldigt: „Selbstverständ- gen, dass diese Rechtslage Fundverheimlichung und lich ist dies in der Konzeption unserer Veranstaltung berück- Fundtourismus fördere und eine seriöse wissenschaftli- sichtigt worden.“ (Verleiche Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration che Auswertung unmöglich mache. Sie fordern im Inte- vom Januar 2007)? resse des Kulturgüterschutzes ein staatliches Schatzre- gal, das alle Fundstücke dem Staat zuordnet. Ebenfalls Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, zur Vermeidung von Fundverheimlichung und Fundtou- Flüchtlinge und Integration hat in der Konzeption der rismus, aber vielleicht auch aus Furcht vor Handelsein- Sachverständigenanhörung „Integration durch Sport“ die schränkungen, raten wiederum zum Beispiel Numisma- Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im tiker dringend von einem staatlichen Schatzregal ab. Deutschen Bundestag berücksichtigt. Die zur Anhörung eingeladenen Mitglieder des Deutschen Bundestages Gegen ein uneingeschränktes staatliches Schatzregal sind mit Schreiben vom 18. Januar darauf hingewiesen spricht insbesondere, dass dem Entdecker ein Anreiz ge- worden, dass der Ablauf der Veranstaltung im Hinblick geben werden soll, den Fund dem Eigentümer anzuzei- auf die Gedenkveranstaltung geändert wurde, um den gen und ihn mit diesem zu teilen. Je geringer der Anteil Abgeordneten eine Teilnahme an beiden Veranstaltun- am Fund, desto höher wird vielfach die Gefahr einge- gen zu ermöglichen. schätzt, dass der Finder den Schatz für sich selbst behält. Diese Bewertung dürfte unabhängig davon gelten, ob es sich bei dem Schatz um einen Fund von kulturell hohem oder niedrigem Interesse handelt. Anlass für gesetzgebe- Anlage 11 rische Maßnahmen wird deshalb gegenwärtig nicht gese- hen. Unabhängig davon sind nicht rechtmäßige Ausgra- Antwort bungen, also „Raubgrabungen“ zu betrachten. Diese des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen finden unabhängig von der jeweiligen Gesetzeslage statt, des Abgeordneten Christoph Waitz (FDP) (Drucksa- da die „Raubgräber“ ohnehin nichts von dem Schatz an che 16/4133, Fragen 25 und 26): andere abgeben wollen, sei es an den Eigentümer der Sa- In welchem Umfang gab es nach Kenntnis der Bundesre- che, in welcher der Schatz verborgen war, oder an das gierung in Deutschland seit 1990 illegale Grabungen nach Land, das Eigentum an dem kulturellen Fund bean- verborgenen, im Boden befindlichen Gegenständen, bei denen sprucht. Insoweit sind die Länder aufgerufen, den erfor- eine Fundanzeige unterlassen wurde (entdeckte Fälle, deren (B) Relevanz und Dunkelziffer), und in welchem Umfang fanden derlichen Schutz sicherzustellen. Die Bundesregierung (D) diese „Raubgrabungen“ planmäßig statt (bitte nach Jahren wird die mit dem Schatzregal verbundene Problematik auflisten)? gleichwohl sorgfältig im Benehmen mit den für den In welchen konkreten Fällen gab es nach Kenntnis der Denkmalschutz zuständigen Ländern prüfen. In diesem Bundesregierung einen kausalen Zusammenhang zwischen Zusammenhang bittet sie im Interesse einer seriösen Be- Fundverheimlichungen, Fundtourismus und der bestehenden Regelung des § 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbin- antwortung der Fragen um Verständnis dafür, dass dazu dung mit den diesbezüglichen Ländergesetzen? umfangreiche Abfragen bei den Ländern erforderlich sind, die seit Eingang der Fragen nicht zu leisten waren. Bei den Beratungen des Gesetzes zur Ausführung des Die Bundesregierung wird diese Abfrage sofort in Auf- UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 trag geben und die Ergebnisse dem Herrn Abgeordneten über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unverzüglich zuleiten. rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut stand unter anderem der Gedanke im Vorder- grund, dass jeder Vertragsstaat sein Kulturgut angemes- sen zu schützen hat. In diesem Zusammenhang wurde Anlage 12 dem Parlament von Archäologen vorgetragen, dass der Schutz von Bodenfunden bei illegalen Grabungen der- Antwort zeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht in wün- des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Ab- schenswertem Umfang gewährleistet sei. In § 984 BGB geordneten Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE wird geregelt, dass der Entdecker und der Grundstücks- GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Fragen 27): eigentümer bei einem Schatzfund je zur Hälfte Miteigen- Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die tum erwerben. Dies gilt auch in den drei Flächenstaaten Kandidaten der demokratischen Opposition Chudaiberdy Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Durch Lan- Orasow und Nurberdy Nurmamedow an den Präsidenten- desgesetz kann jedoch abweichend vom § 984 BGB wahlen in Turkmenistan teilnehmen können? auch bestimmt sein, dass Schatzfunde allein Eigentum Die Vorbereitungen der Präsidentenwahlen in Turk- des Landes werden, mit oder ohne Entschädigung für menistan werden von der Bundesregierung als EU-Rats- den Entdecker. Die Länder haben damit die Möglichkeit präsidentschaft sorgfältig beobachtet. In einem von der selbst zu entscheiden, welche Lösung sie für geeignet deutschen Ratspräsidentschaft initiierten Gespräch der halten. So gilt in den Ländern Berlin und Sachsen das EU-Botschafter mit Außenminister Raschied Meredow „große“ Schatzregal, während die anderen Bundesländer wurde die turkmenische Führung auf ihre im internatio- davon in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht nalen Rahmen eingegangenen Verpflichtungen hinge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7785

(A) wiesen. Dies schließt einen fairen Wettbewerb und die Welche konkreten Aktivitäten und Maßnahmen unter- (C) Zulassung oppositioneller Bewerber zu den Wahlen ein. nimmt die Bundesregierung, damit die bevorstehenden Wahlen in Turkmenistan nach demokratischen Maßstäben ablaufen? Nach derzeitigem Stand ist allerdings nicht zu erwarten, dass die turkmenische Führung diese Forderung auch Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Eigenschaft als tatsächlich umsetzen wird. Bei einem kürzlichen persön- EU-Ratspräsidentschaft die Vorbereitungen der Wahlen lichen Gespräch von Vertretern des Auswärtigen Amtes in Turkmenistan mit großer Aufmerksamkeit. Die Bun- mit dem Oppositionskandidaten Chudaiberdy Orasow desregierung hat der turkmenischen Führung und insbe- – dem Gründer der sozial-politischen Bewegung sondere Außenminister Raschied Meredow gegenüber „Watan“/„Vaterland“ – wurde deutlich, dass die in der deutlich gemacht, dass die EU erwartet, dass sich die Regel im Exil lebende Opposition nicht mehr davon aus- turkmenische Führung bei den bevorstehenden Präsiden- geht, zu den Wahlen zugelassen zu werden. tenwahlen an ihre im internationalen Rahmen eingegan- genen Verpflichtungen hält. Das Auswärtige Amt steht mit der OSZE – das heißt dem ODIHR/Office for Demo- Anlage 13 cratic Institutions and Human Rights – in engem Kontakt bei der Vorbereitung der von ODIHR für die Wahlen ge- Antwort planten Expertenmission. Die deutsche Ratspräsident- schaft hat im Ständigen Rat der OSZE im Namen der EU des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Abge- eine Stellungnahme abgegeben, in der die turkmenische ordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ Führung zur Durchführung freier und transparenter DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Frage 28): Wahlen aufgefordert wurde.

(B) (D)

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