Die Kunstverbrennung Vom 30. / 31. Mai 1933 Und Die Werkvernichtung Der Malklasse Und Graphikwerkstatt Der Burg Giebichenstein
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www.geocities.com/csteckner/crodel/1933/index.html / Textstand 2000 Die Kunstverbrennung vom 30. / 31. Mai 1933 und die Werkvernichtung der Malklasse und Graphikwerkstatt der Burg Giebichenstein. "Erfolge der Kunstgewerbeschule. Auch von dem Oberpräsidenten von Sachsen liegt ein Auftrag vor. Ch. Crodel malt ein Stadtbild von Erfurt. Dies Gemälde ist für den Sitzungssaal des Oberpräsidiums in Magdeburg bestimmt." So war in der Saale Zeitung in Halle am 27.6.1929 zu lesen. Im Tagebuch Crodel ist dazu ein Atelierbesuch vermerkt: "Am 6.5. war der Ober-Präsident der Provinz Sachsen Waentig im Atelier. Aus dem Bild von Erfurt wird nun was werden." Das genannte Bild von Erfurt ist heute im Besitz der Berliner Nationalgalerie, es gehört zu den von Ober-Präsident Prof. Dr. Heinrich Waentig (SPD) für seinen Amtssitz in Magdeburg bestellten drei Stadtansichten. Zu Crodels Erfurter Stadtbild kamen im Laufe des Jahres noch das von Johannes Saß ausgeführte Stadtbild von Magdeburg und das Halle-Bild von Lyonel Feininger hinzu, der am 9. Nov. 1929 aufschrieb: "(Alois) Schardt came back from Erfurt yesterday. He had met the righthand man of the govenor of Magdeburg, Mr. Rintelen, who was very eager to see the Halle pictures."(1) Paulus Rintelen ist damals von Crodel auch porträtiert worden. Fast genau vier Jahre nach dem Besuch des Oberpräsidenten, im Frühjahr 1933, meldete sich wieder Atelierbesuch aus Magdeburg bei Crodel an. Es war der seit April 1933 amtierende kommissarische nationalsozialistische Regierungsvizepräsident Ernst v. Heydebrand (2). Im Tagebuch Crodel ist auf diesen Besuch bezogen unendliche Betroffenheit notiert: "Ich drück die Finsternis an meine Brust wie meine Braut / Muß ich sterben, grüß ich die Finsternis als meine Braut / und drücke sie ans Herz. (Maß für Maß III,1) Nur wo du lieb hast, da quillet das Wunder aus deinem Herzen, daraus deiner Kunst Werk wachset sursum cordia. (Meister Bertram) Was lebt ist unvertilgbar, bleibt in seiner tiefsten Knechtsform frei, bleibt eins, und wenn Du es scheidest bis auf den Grund, bleibt unverwundet, und wenn Du es bis ins Mark zerschlägst, und sein Wesen entfliegt Dir singend unter den Händen (Hölderlin)". Den Anlaß dieser Zitate erhellt ein Memorandum Crodels vom 29.8.1945: "Der ehemalige Regierungspräsident von Heydebrand äußerte im Frühjahr 1933 in meinem Atelier zu mir in Gegenwart meiner Frau: 'Wer so etwas malt, müsste erschossen werden.'"(3) Er hätte dies veranlaßt, wenn sich Crodel nicht unpolitisch und lyrisch dargestellt hätte. Den Tagebüchern entnimmt man indes, daß Crodel der nationalsozialistischen Haßlehre entgegenwirkte. 1925 trug er in sein Tagebuch ein:(4) "Sonntag, den 22. Vor einigen Tagen sprach Hitler hier; es ist typisch, daß dieser wildgewordene Nazi, durch seine gewißliche Jugend und seine mittlere Beredsamkeit es fertig bringt, trotz aller Unbildung und ohne wirkliche Idee (außer einer destruktiven, die sich am Hassen Nahrung sucht) von 2 Millionen Deutschen als "Führer" angesehen zu werden." Der Haß bedrohte nun Crodels Werke zuerst. Am 28.2.1933, am Tag nach dem Reichstagsbrand, war in der Mitteldeutschen National-Zeitung unter der Überschrift "Kulturbolschewismus im Lauchstädter Theater" die Vernichtung der Arbeiten Crodels gefordert: "Wir sehen ziemlich planlos zusammengestellte nur krankhaft verzerrte Gebilde, wie sie in ähnlicher Art von den unglücklichen Kranken in den Irrenanstalten hervorgebracht werden [...] Eine baldige Entfernung der abstoßenden Malereien dürfte eine Forderung der deutschen Öffentlichkeit sein." Der Autor "Fritsch" ist nicht identifiziert, vielleicht war es der nationalsozialistische Publizist und stellvertretende Gauleiter von Sachsen, Karl Fritsch, der sich über den von Crodel warnend als Opfer des Hasses in die Mitte der Lünette gesetzten Kriegsversehrten erregte und daher von "marktschreierischen Darstellungen" schrieb. Zudem waren Crodels Arbeiten mit der Kulturpolitik des früheren preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (1872-1955) in Verbindung gebracht, des stärksten staatspolitischen Gegners des Nationalsozialismus. Der sich nach dem Besuch Ernst v. Heydebrands ergebenden persönlichen Gefährdung begegnete sich Crodel durch seinen Übertritt zur Opposition, was aber sein Werk nicht retten konnte. So trat am 30 Mai 1933, der kommissarische Landeshauptmann der Provinz Sachsen vor den Magdeburger Landtag trat und als Exempel der neuen nationalsozialistische Kulturpolitik in der preußischen Provinz Sachsen die Zerstörung von Crodels Bad Lauchstädter Wandmalereien aus dem Goethe-Jahr 1932 ankündigte. Sie wurden, soweit sie ablösbar waren, von kulturpolitischen Reden begleitet vor dem Theater in Bad Lauchstädt öffentlich verbrannt, 20 Tage nach den Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933. Es ist die einzige bekannt gewordene nationalsozialistische Kunstverbrennung.(5) Bei der Bewertung der Vorgänge von Bad Lauchstädt darf nicht vergessen werden, daß die Erneuerung Bad Lauchstädts zum Goethe-Jahr 1932 ein Gesamtauftrag an die Werkstätten der Stadt Halle war, wie schon der Überschrift des Berichtes der Saale-Zeitung vom 24. Mai 1932 abzulesen ist:: Giebichensteins Arbeiten in Lauchstädt. Architektur-, Malerei, Metall- und Werberwerkstätten der Kunstgewerbeschule waren am Werk. Goethe-Theater Bad Lauchstädt Bühnenwand: Carl CRODEL Beleuchtung: Karl MÜLLER Kursaal und Kursaalanbau Bad Lauchstädt Leitung: Hans WITTWER Kursaal Möblierung: Erich DIECKMANN Beleuchtung: Karl MÜLLER Vorhänge: Benita KOCH-OTTE Kursaalanbau Wandgestaltung: Carl CRODEL Möblierung: Erich DIECKMANN Beleuchtung: Karl MÜLLER Vorhänge: Benita KOCH-OTTE Kachelöfen: Gustav WEIDANZ DieVernichtung traf die aus Goethes eigenen Aufzeichnungen zum Theater entwickelte Gestaltung der Bühnenwand im Goethe-Theater und die Karl Friedrich Schinkel Vorgaben im Kursaal aufgreifende Wandgestaltung des neuen Kursaalanbaus. Aber: Die Vernichtung traf Crodel allein und von Solidarität war nicht zu hören. In Crodels Tagebuch, Bd. IV, S. 134, liest sich der Vorgang so: "28. Mai. Sonntag, ich erfahre von einer bevorstehenden Vernichtung meiner Malereien auf der Bühnenwand des Theaters Lauchstädt. 29. Telefon mit Landeshauptmann Otto: "Sind Sie der sogenannte Künstler, der diese Schmierereien in Bad Lauchstädt gemacht hat.?" 30. Fahrt nach Berlin. Wendland. Frau Körting. Kündigung in der Burg. 31. Telegramm des Staatskommissars Hinkel: Erbitte jedwede Schonung der Wandmalereien Crodel. Hinkel. Die Malereien sind bereits vernichtet. [Zusatz von Franz Robert Wildenhain S. 135 oben:] Bete und arbeete. 14.VI.1933."(6) Crodel wehrte sich, indem er sich nach Ausweis der im Staatsarchiv Magdeburg erhaltenen Archivalien (Ausstellungskatalog Carl Crodel, Halle und Erfurt 1982, S. 23ff.) als Opfer von nachweisbaren persönlichen Racheakten darstellte, um so die Aufmerksamkeit von seiner Person und seinem Bekanntenkreis sowie seinen Werken abzulenken. Er nannte in einem Bericht an den Referenten im Berliner Kultusministerium Dr. v. Oppen am 4. Juni 1933 einen "vom Ressentiment des niemals Anerkannten beherrschten Bildhauers". Tatsächlich hatte nach den erhaltenen Archivalien der Bildhauer Paul Juckoff-Skopau die Angelegenheit am 14. Mai mit einem Brief an den Gaukulturwart "Radegast"(7) geschürt (8); die Person eines weiteren im Memorandum Crodels an Dr. v. Oppen genannten Malers(9) ist unklar. Gerhard Marcks nennt negativ einen "Herrn Pabst in Halle", ein zu häufiger Name, um eine bestimmte Person zu identifizieren. Da Gerhard Marcks im Gespräch zudem darauf hinwies, daß Paul Juckoff-Skopau gegen die Kunstgewerbeschule wegen des Abräumens seines Bismarck-Denkmals bei der Kröllwitzer Saale-Brücke aufgebracht war, so wird man gut daran tun, nicht die von Ressentiments getragenen Auseinandersetzungen mit den von Berlin aus verfügten Aktionen zu verwechseln, zu denen auch die Auflösung der Crodel-Klasse und der Druckwerkstätten der Burg Giebichenstein gehörte. Als politischer Akteur ist ja neben dem für den Provinzialverband zuständigen kommissarischen Landeshauptmann Otto und dem Gaukulturwart "Radegast" nicht der Anfang Mai 1933 im Atelier Crodels aufgetretene Regierungsvizepräsident v. Heydebrand zu vergessen, führender Kopf der innenpolitischen Zentrale der NSDAP. Und Kommissare wie Otto wurden von der Zentrale gelenkt, sie waren "unmittelbarer Ausdruck des Führerwillens". Die typische Vorgehensweise der faits accomplis(10) und der Wortlaut der Landtagsrede spricht dafür, daß die kulturpolitische Aktion Kurt Ottos vom Innenministerium Wilhelm Frick in Berlin abgesegnet war: "Es wird alles geschehen, um im Bereiche der Provinzialverwaltung die häßlichen Spuren zu tilgen, die hier und da die jüdisch irre geleitete sogenannte moderne Kunstrichtung hinterlassen hat. Mit Empörung habe ich in dem altehrwürdigen Goethetheater in Lauchstädt feststellen müssen, daß dieser durch unsren großen deutschen Dichter geheiligte Raum in abscheulicher Weise durch Schmierereien verschandelt worden ist, die mit Kunst nichts zu tun haben. Ich habe angeordnet, daß die Kulturschande sofort ausgelöscht wird. Die Arbeiten sind bereits im Gange. Die Bühnenumrahmung des Goethetheaters wird in der Form wiederhergestellt werden, die ihr Goethe gegeben hat. Erblicken Sie in diesem Akt der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dieses geheiligten Raumes das Sinnbild dafür, daß der Nationalsozialismus alles Artfremde und Schlechte aus den Kulturstätten des deutschen Volkes restlos austilgt".(11) Dieser letzte Satz aus dem Munde des kommissarischen Landeshauptmannes deutet den politischen Hintergrund der Aktionen