THEMA 2019 Aufbruch in die Moderne

Wenn’s um

Glück geht HALLETHEMA 2019 – Sparkasse Das Glück Ihrer Mitmenschen liegt Ihnen am Aufbruch Herzen? Mit einem Konto oder einer Geldanlage bei der Saalesparkasse unterstützen Sie ge- meinsam mit uns soziale Einrichtungen in der Umgebung. in die Moderne Gewinne der Saalesparkasse bleiben in der Region. Ermöglicht wird dadurch jedes Jahr die Förderung zahlreicher regionaler Initiativen in den Bereichen Soziales, Sport und Kultur. :HLWHUH,QIRUPDWLRQHQ¿QGHQ6LHXQWHU www.saalesparkasse.de/engagement.

Tina Witkowski, Gründerin des KAHUZA e.V. 365 TAGE UND MODERNE IM KUNSTMUSEUM MORITZBURG HALLE (SAALE)

Die Stille im Lärm der Zeit Marc, Macke, Nolde Meisterwerke aus der Sammlung Ziegler IHK: DIE ERSTE ADRESSE! 10 . 0 2 . – 1 2 . 0 5 . 2 019 FÜR IHREN ERFOLG MACHEN WIR UNS STARK. Things to come Ein Lichtspiel über László, Lucia und Sibyl Moholy-Nagy von Die Industrie- und Handelskammer Halle- ist die branchenübergreifende Angela Zumpe (Film-Installation) Selbstverwaltungsorganisation von 55.000 Mitgliedsunternehmen im süd- und Oliver Held (Skript) lichen Sachsen-Anhalt. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat sie den 23.06. – 25.08.2019 gesetzlichen Auftrag, das Gesamtinteresse aller Gewerbetreibenden ihres Bezirks − ausgenommen der Handwerker − zu vertreten. Bauhaus Meister Moderne Comeback der Meister kritischer Partner der Politik 29.09.2019 – 12.01.2020 unabhängiger Anwalt des Marktes kundenorientierter Dienstleister

Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau www.kunstmuseum-moritzburg.de Franckestraße 5, 06110 Halle (Saale), Telefon: 0345 2126-0, [email protected], www.halle.ihk.de Wassily Kandinsy: Abstieg, 1925, Aquarell und Gouache über Tusche auf Papier, 48 x 32 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt Grußwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Halle (Saale) ist aktuell eine Stadt im Auf- bruch – wir erleben regelrecht ein kleines Wirtschaftswunder. Komplette Stadtteile sind im Wandel oder entstehen ganz und gar neu. Faszinierenderweise lassen sich zahlreiche Pa- rallelen zum Aufbruch der 1920er Jahre fin- den, wenngleich die Umwälzungen, die Halle (Saale) seinerzeit erlebt hat, freilich ungleich größer waren: Aus einer Kleinstadt wurde ab der Mitte des 19. Jahrhunderts binnen weni- ger Jahrzehnte eine Großstadt – mit aufblü- hendem kulturellen Leben, pulsierender In- dustrie und aufsehenerregenden städtebauli- chen Akzenten.

Das vorliegende Themenheft »Halle 2019 – Mein Dank geht an dieser Stelle auch an die Aufbruch in die Moderne« führt Sie zurück in Autorinnen und Autoren: Ihre Texte haben das jene aufregende Zeit. Ich verspreche eine Ziel erreicht, wenn sie Sie, liebe Leserinnen spannende Lektüre, bei der natürlich auch be- und Leser, neugierig gemacht und in der Folge sagte Bereiche – Kultur und Wirtschaft als vielleicht sogar Ihr Interesse geweckt haben, Motoren der Stadtentwicklung – eine tragen- sich tiefer gehend mit dem einen oder ande- de Rolle spielen. So werden die Facetten des ren Thema auseinanderzusetzen. In diesem Themas »Aufbruch in die Moderne« exempla- Sinne wünsche ich eine anregende Lektüre. risch an den Beispielen der Lettiner Porzellan- fabrik und der damaligen halleschen Kunstge- Herzlich werbeschule Burg Giebichenstein gezeigt. Die Dreieinigkeitskirche in Halle-Süd wird bei- Dr. Bernd Wiegand spielhaft für das neue Bauen vorgestellt. Tat- Oberbürgermeister sächlich dürften Kenner der Stadtgeschichte auf interessante Details und auch Personen stoßen, etwa auf Willy Dietrich, der in den 1920er Jahren Intendant des damaligen Halle- schen Theaters gewesen war.

1 Grußwort

Liebe Leserinnen und Leser, das Veranstaltungsformat HalleThema verbin- det alljährlich interessante Angebote, Ausstel- lungen und Veranstaltungen hallescher Ak- teure aus Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Stand im vergangenen Jahr mit »Moderne und Revolution« bereits eine für die Entwicklung unserer Stadt prägende Zeit im Fokus, so wid- met sich im Jahr des Bauhausjubiläums das HalleThema 2019 »Halle und die Moderne« auf neue und andere Weise dieser für die Stadt- und Gesellschaftsentwicklung so be- deutenden Epoche. Nach dem Ersten Weltkrieg stehen die Jahre voller Kunst, ja neuem Kunstsinn. Neue Rhyth- der Weimarer Republik zwischen krisenge- men und Tänze, Musik von der Schallplatte, schüttelter, industriell geprägter Modernität, vom Grammophon oder zunehmend aus dem optimistischer Wahrnehmung kultureller Radio, Werbung, Kinofilme, neue Bilder- und Avantgardeleistungen, sozioökonomischen Klangwelten, Jazz, Klassik von Oper bis Operet- Neuerungen und Verwerfungen. Innere Wi- te, Varieté, Sport und Sportbegeisterung, Mas- dersprüche zeigten sich in den Jahren der senfreizeit, aber auch okkultische Sitzungen, »klassischen Moderne« auch in Halle (Saale) in Geistersehen, Aberglauben und Kritik daran, der Polarisierung der Gesellschaft; so ging es Lebensreformbewegungen – alles schien mög- letztlich auch auf kommunaler Ebene um So- lich in einer arbeitsteiligen Industriegesell- zialpolitik und -fürsorge sowie um das Bemü- schaft voll überbordender Kreativität und Lust hen, die Lebenssituation und Chancen der Be- an natürlicher, unversehrter Körperlichkeit völkerung zu verbessern. Neues Bauen, Hygie- oder gegenständlicher Funktionalität. ne, Stadt- und Verkehrstechnik, Bildung und Die Beiträge im diesjährigen Themenheft wol- Erholung, Kunst und Wissenschaft bestimm- len Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, diese ten schon die Betätigungsfelder kommunalen Zeit vergegenwärtigen. An vergangene Leis- Handelns in den 1920er Jahren. Die rasant fort- tungen der Moderne in Halle (Saale) soll ex- schreitende Modernisierung und Rationalisie- emplarisch erinnert, auf Erhaltenes aufmerk- rung der Produktionsprozesse beschleunigten sam gemacht werden. Darüber hinaus finden den sozialen Wandel, folgten teilweise einem Sie Hinweise auf weitere ausgewählte Jubilä- technischen Machbarkeitswahn, dessen Ver- en im Themen- und Bauhausjahr 2019. sprechen sich allzu häufig nicht erfüllten. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Es wuchs eine Sehnsucht nach Unbefangen- heit, nach Freizeit und Amüsement, Ablenkung Dr. Judith Marquardt und Unterhaltung, aber auch nach anspruchs- Beigeordnete für Kultur und Sport

2 Inhalt Halle 2019 – Aufbruch in die Moderne

4 NEUES BAUEN und NEUES SEHEN in Halle 52 Das Trauma T.O. Immisch Die völlige Entwertung des Geldes Ulf Dräger 14 Halle (Saale) 1923–1929 Kurze Bemerkungen zum vorüber- 58 Neues Bauen gehenden Aufschwung dieser Stadt Die Dreieinigkeitskirche der Prof. (em.) Dr. Peter Hertner Franziskaner in Halle-Süd Matthias Schwenzfeier 18 Das Wirtschaftsleben in der Stadt Halle (Saale) nach dem 64 Spurensuche – Gedenktage Ersten Weltkrieg und der Weltwirt- bedeutender Persönlichkeiten, schaftskrise 1929 Einrichtungen und Unternehmen Danny Bieräugel Die Wendezeit im Fokus des Ministeriums für Staatssicherheit 22 Aufbruch und Moderne am Beispiel Dr. André Gursky der Lettiner Porzellanfabrik Volkshochschule »Adolf Reichwein« Dr. Walter Müller Gabriele Behr 200 Jahre Sparkasse 28 Halle in den 1920er Jahren 200 Jahre Thüringisch-Sächsischer Athleten, Sportlerinnen und Vereine in Verein für Geschichte und Altertums- Zeiten der polarisierenden Moderne kunde Prof. Dr. Stefan Lehmann Dr. Walter Müller Die Erweiterung der Salzniederlage 34 Willy Dietrich vor dem Klaustor Ein ehrlicher Makler der Kunst Dr. Uwe Meißner Margrit Lenk Christoph Semler und die Astronomie Dirk Schlesier 40 Künstlerischer Aufbruch in die Moderne Die hallesche Kunstgewerbeschule 90 Ausgewählte Veranstaltungen 2019 Burg Giebichenstein im Überblick Dr. Angela Dolgner

3 4 Brücke, 1928

5 NEUES BAUEN und NEUES SEHEN in Halle

T. O. Immisch Fotografiehistoriker

In den zwanziger Jahren des vergangenen kannten Ausmaßen. Auch in Halle als einem Jahrhunderts sollte alles neu werden, sein: Zentrum des mitteldeutschen Industriere- die Neue Frau, die Neue Musik, der Neue Tanz viers und Verkehrsknotenpunkt wirkten sich usw. Wovon bis heute vieles erhalten bzw. diese Veränderungsprozesse nachhaltig aus. von Einfluß bis in die Gegenwart ist, sind vor Neu im Baugeschehen und damit charakte- allem das Neue Bauen, die damals neue Ar- ristisch für das Neue Bauen war vor allem, chitektur und das Neue Sehen einer neuen daß es kostengünstig sein und meist Mini- Generation von Fotografen. malanforderungen genügen mußte. Wichtige Mit Kriegs- und unruhiger Nachkriegszeit im Konzepte waren der Kleinwohnungsbau und Jahrzehnt von 1914 bis 1923 waren viele bis das Wohnen, die Wohnung für das Existenz- dahin selbstverständlich erschienene Ord- minimum. Für die Architektur der Zeit bedeu- nungen, Werte und Gegebenheiten fragwür- tete dies unter anderem, daß die Gebäude- dig geworden oder weitgehend weggefallen. struktur häufig von innen nach außen entwi- Zu den politischen Veränderungen – parla- ckelt wurde, gern kubische oder gebogene mentarische Republik statt konstitutioneller Baukörper entworfen wurden, meist glatte Monarchie – kamen weitere beträchtliche Fassaden und Flach- oder Pultdächer verwen- Veränderungen der gesellschaftlichen, sozia- det wurden. Dazu finden sich erste Ansätze len und kulturellen Verhältnisse. Deutschland industriellen und seriellen Bauens, teils mit war verarmt und bis Mitte des Jahrzehnts von vorgefertigten Teilen und der verstärkte Ein- Krisen gezeichnet. Zur allmählichen Bewälti- satz von Stahl und Beton. Gemeinsam war gung dieser Situation wurden seitens der allen diesen Bestrebungen der Verzicht auf Länder, Kommunen und Gewerkschaften be- Stil sowohl im Sinne des Historismus, der his- trächtliche Anstrengungen unternommen, torische Stile imitierte oder mischte wie im um die soziale und kulturelle Lage besonders Sinne der Stilkunst um 1900, des Jugendstils der Arbeiterschaft und des Kleinbürgertums mit seinem Willen zum Stil in ganz verschie- zu verbessern. Neben Gesetzesänderungen, denen Ausprägungen, etwa Materialstil, Hei- etwa zur Beschränkung der Arbeitszeit, betraf matstil, Landhausstil usw. Deshalb wurde für das ab Mitte der zwanziger Jahre vor allem das Neue Bauen, das auch in den Niederlan- einen sozialen Wohnungsbau mit Wohnanla- den, der Schweiz und der Sowjetunion prä- gen und Siedlungen von bis dahin kaum ge- gend wurde, der (Hilfs-)Begriff des Internati-

6 onal Style gefunden. Die Formierungsphase bichenstein lehrende Hans Finsler ins Spiel: des Neuen Bauens liegt in den Jahren 1923 Von ihm stammte auf der »FiFo« der dritt- mit dem Haus am Horn, gebaut für die erste größte Beitrag nach denen von Moholy-Nagy Bauhausausstellung in und 1926 mit und Sasha Stone. dem Bauhausgebäude Dessau und der Wei- Die Fotografie des Neuen Sehens umfaßt ßenhofsiedlung des Deutschen Werkbundes, zwei Hauptrichtungen, eine experimentelle, errichtet 1927. verfahrensbezogene (Hauptvertreter Moholy- Die Formierungsphase des Neuen Sehens der Nagy) und eine gegenstandsbezogene, be- Neuen Fotografen ist dagegen zeitlich etwas tont sachliche (Hauptvertreter Albert Renger- versetzt. Sie beginnt 1925 mit dem Bauhaus- Patzsch). Finslers Werk gehört zu letzterer, buch 8 »Malerei Photographie Film« von Lász- Experimente sind darin die Ausnahme. ló Moholy-Nagy und findet ihren Höhepunkt In seinem grundlegenden Essay zu Finslers 1929 mit der Werkbundausstellung »FiFo« – Werk und Werdegang »Der Blick auf die Din- Film und Foto – in , welche die da- ge. Hans Finsler, Photographien 1926–1932« mals aktuellen Tendenzen und Entwicklungen gibt Bruno Thüring eine bündige Definition der internationalen Fotografie und Filmkunst der Arbeitsweise und -mittel dieser Neuen präsentierte. Zur Ausstellung erschienen zwei Fotografen: »Die von ihnen angewandte Bild- Publikationen: »Foto-Auge« von Franz Roh sprache kennzeichnet folgende Merkmale: und Jan Tschichold sowie »Es kommt der neue Fotograf!« von Werner Graeff. Hier kommt der Cröllwitzer Brücke, 1928 in Halle an der Kunstschule auf der Burg Gie-

7 8 scharfe und präzise Wiedergabe, Ausschnitt- haftigkeit anstelle der Totalen, Abkehr von der statischen, horizontalen Perspektive zu- gunsten eines dynamisierten, polyvalenten Blickwinkels – von der Froschperspektive bis zur ›Flugzeugimpression‹ –, die nuancierte Wiedergabe fein abgestufter Tonwerte, die Betonung von Hell-Dunkel-Kontrasten sowie der Miteinbezug experimenteller Praktiken wie Doppelbelichtung, Negativabzug und Photogramm.«1

Linke Seite oben links: Wasserturm, Detail, Oktober 1929 oben rechts: Wasserturm, von Südosten, Oktober 1929 unten links: Wasserturm mit Telegraphenmast, Frühling 1929 unten rechts: Wasserturm, Detail von unten gesehen, Frühling 1929

9 Vorige Seite oben rechts: wahl seiner frühen Bilder 1969 in Rapperswil Wasserturm durch Decke, von oben, Oktober 1929 hat er sich zu seinen Anfängen als Fotograf unten links: Wasserturm innen, Treppenraum, Oktober 1929 anschaulich geäußert unter der Überschrift »Mein Weg zur Fotografie«: unten rechts: Wasserturm innen, von unten nach oben, Oktober 1929 »Fotografie habe ich nicht erlernt. Vielleicht habe ich sie ererbt von meinem Grossvater, der Fotograf war. Er lebte bereits, als die Fotografie Hans Finsler (1891 Heilbronn–1972 Zürich) erfunden wurde. Ich bin Zürcher von Geburt war als Fotograf Autodidakt. Er studierte zu- (1891), studierte nach der Matur zuerst Archi- nächst Architektur in Stuttgart, dann Kunst- tektur und wurde in München unter dem Ein- geschichte in München. 1921 ging er nach fluss von Fritz Burger mit der modernen Kunst Halle, um dort bei seinem Lehrer Paul Frankl bekannt. Während des ersten Weltkrieges ging zu promovieren. Für den Lebensunterhalt ich zur Kunstgeschichte über und erhielt von fand er eine Anstellung als Bibliothekar und Heinrich Wölfflin entscheidende Einsichten in Lehrer für Kunstgeschichte an der Kunsthand- die Bildbetrachtung und Bildanalyse. 1922 kam werkerschule auf der Burg Giebichenstein. ich als Bibliothekar und Lehrer für Kunstge- Anläßlich einer Ausstellung mit einer Aus- schichte an die Kunstgewerbeschule Burg Gie- bichenstein in Halle, eine Schule, die im Wett- bewerb mit dem Bauhaus nach neuen Gestal- tungsmitteln suchte. Es kamen eine Reihe von Schülern und Lehrern vom Bauhaus nach Halle. Ich fragte mich dort: Wie muss man Dinge fo- tografieren, die nach bestimmten formalen Gesetzen entstanden sind? Vor meinen Versu- chen wurden diese Dinge von einem Berufs- fotografen unsachgemäss nach der damals üblichen Schablone fotografiert. Meine ersten Versuche existieren nicht mehr. Sie wurden abgelehnt, auch innerhalb der Schule. Sie waren zu ungewohnt. Aber Foto- grafie in Verbindung mit den aufzunehmen- den Dingen wurde für mich zu einer faszinie- renden Entdeckung. Hätte ich eine fotografi- sche Lehre absolviert, wäre ich nie zu den glei- chen Ergebnissen gekommen. Zwangsweise wurde ich Fotograf. Schüler kamen, es entstand die erste Klasse für Sachfotografie an einer Kunstgewerbeschule. Wasserturm, Ausstieg aus Wendelschacht, Oktober 1929 Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg bedeute- ten auf vielen Gebieten einen Neubeginn. Man

10 fragte nach den Grundlagen. Man fragte zum Wasserturm, Ausstieg aus Wendelschacht, Oktober 1929 Beispiel: Was ist ein Haus? Was ist ein Stuhl? Was ist Farbe?« 2 Finslers Antworten auf seine Fragen sind die Fotografien, Sach- und Architekturaufnah- Charakteristisch für Finslers Architekturfoto- men, die er 1926 bis 1932 in Halle schuf. grafie ist, daß er häufig nicht einzelbildorien- Seine Sach- und Produktfotos entstanden zu- tiert arbeitet wie andere wichtige Architektur- nächst vor allem für die »Burg«, die sie auch fotografen der Zeit, etwa Werner Mantz in für Werbezwecke verwandte (diese Aufgabe Köln oder Max Krajewski in , sondern se- wurde zunehmend von den Schülern der Foto- riell. Das heißt, er bewegt sich fotografierend klasse übernommen), sodann für eine ganze um die Bauten herum und durch sie hindurch. Reihe von Firmen und Institutionen, etwa WMF Mittels der so erreichten Mehransichtigkeit oder den Deutschen Werkbund. Die umfäng- vermittelt der Fotograf ein sowohl komplexe- lichste Werkgruppe aus Finslers Zeit in Halle res wie differenzierteres Bild seiner jeweiligen sind seine Architekturaufnahmen sowohl von Gegenstände. In einigen Fällen, bei freistehen- historischen wie von modernen, zeitgenössi- den Bauwerken, konnte er beide Ansätze – das schen Bauten. Sie entstanden mehrheitlich im Umschreiten wie das Durchschreiten der Ge- Auftrag verschiedener städtischer Ämter: Ju- bäude glücklich verbinden. Drei davon, eine gend-, Hochbau-, Verkehrs- und Nachrichten- Brücke, ein Turm und ein Glashaus werden im amt, teils als Dokumentation, teils für lokale Folgenden exemplarisch vorgestellt. Publikationen von Büchern über Zeitungen Die Giebichensteinbrücke wurde 1926 bis und Zeitschriften bis hin zu Postkarten. 1928 gebaut, entworfen von Clemens Vacca-

11 Flughafenrestaurant, 1931

no – Konstruktion und Paul Thiersch – Gelän- Der Wasserturm Süd am Lutherplatz, entwor- der, Lampen und Treppen. Thiersch schlug fen von Wilhelm Jost und Oskar Muy wurde auch für die Gestaltung der 1927/28 zusammen mit der daneben stehen- beiden monumentalen Brückenfiguren vor, den Umformerstation errichtet. Beide Bauten ein Pferd auf der Stadt- und eine Kuh auf der waren nötig geworden wegen der südlichen Landseite Richtung Kröllwitz. Die Ausführung Stadterweiterung dieser Zeit, so die Wohnan- der Plastiken besorgte der Bildhauer Josef lagen am Lutherplatz und am Johannesplatz Gobes nach Marcks‘ Entwürfen. und die Siedlung Vogelweide. Finsler beschäftigte sich 1928 mit den Auf- Finsler fertigte im Frühjahr und im Herbst nahmen des Bauwerks. Er fotografierte die zwei Aufnahmeserien davon, zunächst von Brücke von verschiedenen Aufnahmeorten außen, im Oktober vom Inneren des Turms. an beiden Seiten des Flusses aus, nahm sie Die Außenansichten zeigen ihn von verschie- von oben, von unten und von der Seite auf denen Standorten aus und aus unterschied- und kam zu verschiedenen Diagonalkompo- lichen Entfernungen sowie mit variierten sitionen. Von den sechs überlieferten Foto- Aus- und Anschnitten. Auf einigen Bildern grafien betonen fünf das Dynamische der steht der Turm frei, auf anderen sehen wir ihn Brückenbögen, die für den Fotografen defini- im Detail oder teilweise verdeckt vom Umfor- tive Variante verdeutlicht für ihn aber vor al- mergebäude. Mit einer Ausnahme vermeidet lem die Funktion und das Wesen des Baus: der Fotograf stark stürzende Linien. Am ver- »Die Brücken gehören zu den wichtigsten Kon- blüffendsten ist die Aufnahme mit dem Zie- struktionen des Menschen zur Überwindung gelmauerwerk unten vor dem Turm und den natürlicher Hindernisse. Die Brücke ist die Wolken hinter ihm, die die Assoziation eines räumliche Verbindung zweier fester Punkte Schiffes erzeugt – die Mauer als Bug, der Turm oder Auflagen. In dieser Aufnahme wird der als Schornstein und die Wolke als Rauch dar- Raumeindruck erzeugt durch die Diagonale aus. (Anklänge an Elemente des Schiffbaus des Bilds, das stark von oben aufgenommen kommen in der Architektur der Zeit gelegent- werden konnte. Die Fläche des Flusses entsteht lich vor.) Die Innenaufnahmen zeigen entwe- durch das Boot, der Zweck der Brücke durch der den Raum zur Gänze, aus extremer Unter- einen Fußgänger. Die Aufnahme ist das Ergeb- oder Draufsicht, die Kreisform der spiralig nis tagelanger Versuche.« 3 aufgehängten Kugellampen leicht aus der

12 Flughafenrestaurant, Obergeschoß, Nordseite, 1931

Mitte gerückt oder konstruktive Details des Wiederum fotografiert Finsler zunächst um Baus, verknappt und rabiat angeschnitten das Haus herum, dann hinein bis hin zu Aus- wiederum aus Drauf- und Untersicht. stattungsdetails. Er schreitet von einer Fron- Das Restaurantgebäude des Flughafens Hal- talansicht zu einer leichten Schrägsicht zum le-, errichtet 1930/31, entspricht von Eingang, nimmt die Treppe zum Restaurant den drei gezeigten Beispielen am meisten auf und dieses selbst, einmal streng symmet- den Prinzipien des Neuen Bauens mit seinem risch und einmal asymmetrisch, isoliert foto- Flachdach, den Glasfassaden, der sichtbaren grafisch eine der Lampen und zeigt den Raum Stahlbetonkonstruktion im Inneren und sei- mit zugezogenen Vorhängen, ein perfekter ner prismatischen Kubatur. Entworfen wurde Rundum- und Durchgang. es von , seit 1929 Leiter der Alles in Allem läßt sich über Finslers hallesche Architekturklasse an der »Burg«. Davor war er Architekturfotografie in den Jahren um 1930 Assistent von Hannes Meyer am Bauhaus in sagen, daß die Stadt Glück hatte mit ihrem Dessau. An der Gestaltung und Ausstattung Fotografen und er mit der Stadt. 1932 ging er des Baus waren weitere Klassen bzw. Lehrer an die Kunstgewerbeschule Zürich. der Schule beteiligt: Die Tönung der großen Scheiben entwickelte die Malklasse von Er- win Hass, die Lampen entwarf Karl Müller, 1 Hans Finsler: Neue Wege der Photographie, Leiter der Metallwerkstatt, Vorhänge, Tisch- Hrsg. Klaus E. Göltz, Theo Immisch, Peter Romanus decken und Servietten wurden in der Textil- und Axel Wendelberger, Leipzig 1991, S. 67. klasse von Benita Koch-Otte gewebt und das 2 Hans Finsler: Mein Weg zur Fotografie, Geschirr entwarf Marguerite Friedlaender, Pendo Verlag Zürich 1971, zitiert in: siehe Anmer- Leiterin der Porzellanwerkstatt, hergestellt in kung 1, S. 292. der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin. 3 Siehe Anmerkung 1, S. 203.

13 Halle (Saale) 1923–1929 Kurze Bemerkungen zum vorübergehenden Aufschwung dieser Stadt in schwierigen Zeiten

Prof. (em.) Dr. Peter Hertner

Die folgenden kurzen Bemerkungen stützen Beide Texte sind vergleichsweise umfang- sich auf knappe Auszüge aus dem Band »Le- reich, nur ganz geringe Teile aus ihnen kön- benserinnerungen eines deutschen Oberbür- nen deshalb hier vorgestellt werden. Die fol- germeisters« von Richard Robert Rive, Stutt- genden ausgewählten Beispiele stammen gart 1960. Rive hatte die Stadt Halle an der aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Saale von 1906 bis 1933 in dieser Funktion ge- Rive war in einer deutschen, nach Neapel aus- leitet. Zweite Quelle ist das Buch »Die halli- gewanderten Familie 1864 geboren worden, sche Stadtverwaltung«, 1906–1931, Halle wuchs aber nach dem Tod des Vaters und der (Saale) 1931, verfasst im selben Jahr von dem Rückkehr der Mutter nach Schlesien im Jahr Historiker Erich Neuss, der damals das Amt 1868 in Breslau auf. Hier ging er zur Schule, des Stadtarchiv- und Bibliotheksdirektors von absolvierte ein Jurastudium an der dortigen Halle ausübte. Universität, promovierte und wurde mit 30 Jahren Teilhaber in einer großen Breslauer Anwaltsfirma. Ende 1899 wurde Rive als be- soldeter Stadtrat Mitglied des Breslauer Ma- Halle, Gartenvorstadt Gesundbrunnen, gistrats. 1906 wählte man ihn in Halle (Saale) Modellbebauungsplan (Ausschnitt), 1928 zum Oberbürgermeister. Er trat damit in ein Amt ein, das er insgesamt sehr erfolgreich bis zum Frühjahr 1933 ausüben sollte. Schon während der ersten acht Jahre bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gelang es Rive, eine Reihe von überfälligen, zum Teil aber auch gänzlich neuen Problemen in der Stadt

Halle, Gartenvorstadt Gesundbrunnen, Lageplan, 1927

14 15 Halle und in ihrem Umland einer Lösung zu- dem halleschen Norden wurde während des zuführen. Erwähnt sei hier nur ganz kurz der ersten Weltkrieges und unmittelbar danach von Rive schon in den ersten Wochen seiner von der Stadtverwaltung noch weiter nach Tätigkeit – nach Überwindung der Anfangs- Norden verlegt, wo man beispielsweise bei schwierigkeiten – begonnene »Umbau« der Trotha für den Schiffstransport auf der Saale städtischen Verwaltung, mit dessen Hilfe de- einen Hafen ausbaute, der jahrzehntelang – ren Effizienz verbessert werden sollte, was über die Zwischenkriegszeit und den Zweiten auch in den meisten Fällen gelang. Bereits ein Weltkrieg hinweg – seine regionale Bedeu- Jahr nach dem Amtsantritt von Rive in Halle tung beibehalten konnte. ließen sich bei der Modernisierung der Stadt, »Die schlimmste und auch in ihrer Dauer beispielsweise bei der Arbeit der Baudeputa- hartnäckigste Not war nach dem Kriege die tion, klare Fortschritte erkennen. Ein weiteres Wohnungsnot«, schreibt Rive in seinen Le- Feld mit langfristiger Wirkung bot beispiels- benserinnerungen, die er nach seinem Aus- weise der schrittweise Erwerb von großen scheiden aus dem halleschen Oberbürger- Teilen der »domänenfiskalischen Ländereien meisteramt in den Jahren nach 1933 verfasst des Amtes Giebichenstein« im Norden der hat. Er fährt an dieser Stelle fort: „Die Knapp- Stadt Halle, insbesondere der an der Saale heit an Lebensmitteln wich nach Jahr und liegenden Burgruine. Die Ausdehnung nach Tag ausreichender Versorgung und die Ar- beitslosigkeit nahm in Halle erst 1929 be- drohlichere Formen an. Anders die Woh-

Kranverladung im Hafen nungsnot. Von den Anfängen der städtischen Halle-Trotha, um 1930 Wohnungs- und Wohnungsbaupolitik bis zu ihren Riesenleistungen der Nachkriegszeit ist zeitlich und sachlich ein weiter Weg. Für die Stadt war es ein Glück, dass die Bebau- ung, die bald ungeahnte Maße annahm, im Stadtgebiet ebenso wie in Nachbarkreisen, wenn sie in diese vorstoßen musste, nach systematisch ausgearbeiteten Bau- und Sied- lungsplänen durchgeführt werden konnte. Ebenso, dass es niemals an dem erforderli- chen Grund und Boden zum Wohnungsbau fehlte. Die Fürsorge der Stadt vor dem Kriege fand jetzt ihre stärkste Rechtfertigung, sie wurde zum Segen in der Not nach dem Krie- ge. Immer war die Stadt in der Lage, den Bau- grund unter günstigen Bedingungen zur Verfügung zu stellen und damit zu verbilli- gen. Auf solchem Boden steht heute der größte Teil der neuen Wohnstadt von Halle mit fast 9000 Wohnungen, die allein in den

16 Jahren 1919 bis 1930 geschaffen worden sind, und mit Stadtteilen von einer solchen Vollen- dung des Aufbaus und der Anlage, wie z. B. die Gartenstadt Gesundbrunnen.« In nicht wenigen Fällen vergleichbar mit Ri- ves Lebenserinnerungen, die wie angegeben, aber erst 1960 in Westdeutschland veröffent- licht wurden, ist das bereits im Jahr 1931 von Erich Neuss in Halle in Druck gegebene Buch über Die Hallische Stadtverwaltung, das »statt eines Vorwortes« beginnt mit einem kurzen Auszug aus der Ansprache von Robert

Richard Rive »an die hallischen Stadtverord- Schiffe im Hafenbecken neten am 2. April 1906«, also ganz am Beginn Halle-Trotha, um 1935 von dessen Amtszeit. Das Buch von Neuss ist vor allem aufschlussreich, weil es aus einer ren. Von großem Interesse sind besonders anderen, aber keinesfalls gänzlich verschie- auch die Seiten, die dem Wohnungsbau und denen Perspektive die Ergebnisse der Verwal- der Wohnungsbaupolitik in Halle zwischen tung der Stadt Halle am Ende des 19. und im 1923 und ungefähr 1930 gewidmet sind, die ersten Drittel des 20. Jahrhunderts darstellen vor dem Hintergrund eines raschen städti- will. Es ist das Buch eines Historikers, das schen Wachstums gesehen werden müssen. ganz auf Halle konzentriert bleibt und des- Beide hier ganz kurz erwähnten Beiträge zur halb nicht so weit ausholen muss wie Rive. Es Geschichte Halles im ersten Drittel des 20. ist auch das Buch eines Jüngeren – Neuss Jahrhunderts sind von einer Qualität, um die wurde erst 1899 geboren – mit zwangsläufig sie andere deutsche Städte dieser Größe be- geringerer Lebenserfahrung, aber dennoch neiden können. Es wäre der Stadt und der mit einem erstaunlich scharfen Blick auf die Geschichtswissenschaft zu wünschen, dass Vorgänge in der Saalestadt. Als besonders Vergleichbares auch zu den folgenden Jahr- informativ wird der Leser – neben den präzi- zehnten in Angriff genommen wird. sen Ausführungen über die hallesche Sozial- politik vor und nach dem Ersten Weltkrieg – den Beitrag von Neuss in diesem Band über »die Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke der Stadt« einschließlich der »Straßenbahnfra- ge« empfinden. Damit werden immerhin 75 Weiterführende Literatur: Jahre städtischer Infrastrukturpolitik abge- Thomas Brockmeier/ Peter Hertner (Hg.): Menschen, deckt. Vom Thema her ganz anders, aber le- Märkte & Maschinen. Die Entwicklung von Industrie und mittelständischer Wirtschaft im Raum Halle (Saale). senswert und informativ sind im Übrigen die Halle 2007. Ausführungen von Neuss zur Museumspoli- Kerstin Küpperbusch: Von der Mietskaserne zur tik in der Stadt Halle in der Zeit kurz vor dem Gartenvorstadt. Siedlungs- und sozialer Wohnungsbau Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jah- während der Weimarer Republik in Halle. Halle 2010.

17 Das Wirtschaftsleben in der Stadt Halle (Saale) nach dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise 1929

Danny Bieräugel IHK-Konjunkturreferent

Die Auswirkungen des Krieges Kriegsgegner hatten die deutsche Wirtschaft Halle (Saale) hatte sich nach der Jahrhun- von ausländischen Rohstoffen und Märkten dertwende zu einem bedeutenden Wirt- abgeschnitten und begrenzten so die Wachs- schafts- und Verkehrszentrum in Mittel- tumsmöglichkeiten. Auftragsrückgänge im deutschland entwickelt. Die Wirtschaft in der Auslandsgeschäft trafen etwa den in Halle Region war jedoch in den beginnenden (Saale) angesiedelten Maschinenbau. Die Un- 1920er Jahren stark vom zurückliegenden ternehmen stellten Spezialmaschinen für ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 und dessen den Bergbau, die Zuckerindustrie, aber auch Folgen geprägt. Um diesen Krieg führen zu für Bäckereien her. können, wurde nahezu die gesamte Wirt- Nach den für diese Zeit nur spärlich verfüg- schaftsleistung Deutschlands benötigt. Im baren Statistiken blieb die Produktion wäh- Ergebnis hatte das Deutsche Reich die Pro- rend des Krieges zwar weitgehend konstant, duktion auf kriegswichtige Güter umgestellt. Dies führte zusammen mit einer Blockade Struktur der deutschen Wertschöpfung durch die Kriegsgegner bei der Versorgung nach Wirtschaftsbereichen der Zivilbevölkerung während des Krieges zu Engpässen bis Anteile am Nettoinlandsprodukt 1910 bis 1913 hin zu Hungersnöten. 1925 bis 1929 Wer die weitere Entwicklung 45% 41% der halleschen Wirtschaft in den 1920er Jahren verstehen will, muss zunächst auf die 23% ökonomische Entwicklung im 16% Krieg schauen. Die nominale 9%10% 9% 12% Wirtschaftsleistung – gemes- sen am Bruttosozialprodukt – war nach Kriegsbeginn Land- und Industrie- und Handel, Banken, sonstige Forstwirtschaft Handwerk Versicherungen Dienstleistungen deutlich abgefallen. Denn die

18 das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt je Das Kriegsende 1918 brachte für die Unter- Einwohner lag bei umgerechnet ca. 6.000 nehmen einen abermaligen Umbruch. Die US-Dollar. Hinter der vermeintlichen Stabili- Produktion musste wieder auf zivile Waren tät verbirgt sich aber eine deutliche Ände- umgestellt werden. Ein gutes Beispiel dafür rung der Wirtschaftsstruktur im Deutschen war eine vormalige hallesche Munitionsfab- Reich. Aufgrund der spezifischen Anforderun- rik, die nun unter dem Namen Reimer & Fabel gen des Krieges verschoben sich die Anteile Milchzentrifugen herstellte. Allerdings hat- des Sozialproduktes von der Landwirtschaft ten besonders die Industriebetriebe zum Teil auf die industrielle Produktion und die erheblich unter den Auflagen und Restriktio- Dienstleistungen. nen der Siegermächte zu leiden. Überdies Das zeigte sich auch in der Region Halle mit waren Produktionsmittel und Rohstoffe leistungsfähigen Böden für industrielle Nah- knapp. Demzufolge ging das Bruttoinlands- rungsmittelproduktion und der noch jungen produkt Deutschlands nach 1918 zunächst Chemieproduktion. Wegen der günstigen stra- deutlich zurück. Innere Unruhen durch die tegischen Lage – Mitteldeutschland war da- Revolution und entsprechende Arbeitskämp- mals vor feindlichen Angriffen geschützt – war fe verhinderten eine schnelle Erholung zu- die kriegswichtige Chemieproduktion in be- sätzlich. nachbarten Orten wie Bitterfeld oder Leuna angesiedelt worden. In Halle (Saale) selbst wa- ren vor allem mittelständische chemische und Kraftwerk Trotha, 1926 pharmazeutische Unternehmen ansässig.

19 In der Folge nahmen die Unternehmens- 1923 bei sagenhaften 4,2 Billionen Mark. konzentrationen zu – im Maschinenbau, aber Für den Bankensektor in der Stadt Halle (Saa- auch in der für den mitteldeutschen Raum le) brachten die 1920er Jahre deshalb einen seit dem 19. Jahrhundert bedeutenden Rüben- deutlichen Umbruch: War die Kreditwirt- zuckerindustrie. Die Unternehmen konnten so schaft vor dem Krieg noch durch kleinere ei- ihre Kosten senken. Schon 1921 schlossen sich genständige Institute geprägt, brachten Zu- mehr als 30 Rohrzuckerfabriken aus der Regi- sammenschlüsse und Übernahmen kleinerer on zur Vereinigung mitteldeutscher Rohrzu- Bankhäuser die großen Berliner Institute auf ckerfabriken (VEMIRO) mit Sitz in Halle (Saa- den halleschen Geldmarkt. le) zusammen. Durch weitere Übernahmen Die Geldentwertung wirkte sich unmittelbar und einen Zusammenschluss mit der Vereini- auf die Preise vieler Güter und auch die Löhne gung anhaltischer Zuckerproduzenten ent- aus. Das lähmte die Wirtschaft zunehmend stand ein Konzern, der rund 30 Prozent aller und an Investitionen war trotz hoher Nach- deutschen Zuckerfabriken umfasste. frage kaum zu denken. In der Region Halle Hinzu kam, dass die Deutschland mit dem Ver- stieg die Zahl der Erwerbslosen deutlich und sailler Vertrag ebenfalls auferlegten Reparati- auch die Konkurse nahmen zu. onszahlungen die Inflation der Reichsmark befeuerten. Ab 1922 explodierte sie geradezu. Der Kurs des Dollars lag 1918 noch bei rund sechs Papiermark, 1922 im Jahresdurchschnitt Entwicklung der Wertschöpfung in Deutschland schon bei rund 1.900 Mark und im Dezember Quelle: Maddison Project

Reales Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in US-Dollar zum Kurs von 2011 in Preisen von 2011

9.000 1928 8.500 1930

8.000 1913 1931 7.500 1926 1922 7.000 1907 1932 1903 1914 1924 6.500 1918 1900 1916 6.000

1920 5.500 1923

5.000 1919

4.500

4.000

20 Neuanfang und einige „Goldene“ Jahre Wohnsiedlungen am Stadtrand vor – Raum Erst die Währungsreform im November 1923 für die wachsende Zahl der Arbeiter und An- beendete die Hyperinflation. In der Folge gestellten. Von der Nähe zur Zuckerindustrie stieg das Bruttosozialprodukt und damit profitierten nicht zuletzt die halleschen Scho- auch Produktion und Beschäftigung wieder koladenhersteller, die bekannteste – wenn an. In der Region Halle war – wie überall in gleich nicht die einzige – David-Mignon, das Deutschland – ein starkes Wachstum zu ver- Unternehmen stellte die Hallorenkugeln her. zeichnen. Die Zeit von 1924 bis 1928, dem Vorabend der Die zwischenzeitlich stärker verbreiteten Weltwirtschaftskrise, war auch geprägt von technischen Innovationen wie Elektrogeräte einem Aufschwung verbunden mit einem und Automobile erforderten insbesondere starken Optimismus, der durch technische In- eine leistungsfähige Industrieproduktion. Da- novationen und das neue Sozialsystem beför- von profitierten die Region Halle und die im dert wurde. Der wirtschaftliche Wohlstand Umkreis angesiedelte Braunkohleförderung, ermöglichte einen Aufschwung bei Kunst und da sie als Produktions- und Energierohstoff Kultur: Die Kunstsammlung der Moritzburg benötigt wurde. So stieg die Gewinnung von stieg in die erste Liga der deutschen Museen Kohle im »Thüringisch-Sächsischen Braun- auf, im Varietétheater Walhalla am Steintor kohlenbezirk« von 30,1 Mio. Tonnen im Jahr traten bekannte Kleinkünstler auf – ein Hauch 1913 auf 48,4 Mio. Tonnen im Jahr 1926. Damit von »Goldenen Zwanzigern« in Halle (Saale). kamen 35 Prozent der deutschen Braunkohle- Diese endeten in Deutschland ebenso wie in förderung aus der Region. vielen anderen Teilen der Welt mit dem An der Stromerzeugung aus festen Brenn- schwarzen Donnerstag am 24. Oktober 1929. stoffen (im Wesentlichen Braunkohle) im Die guten Jahre hatten international zu Über- Deutschen Reich hatte 1925 die preußische treibungen an den Finanzmärkten geführt Provinz Sachsen, in der die Region Halle lag, und erhebliche Kapitalmittel fehlgelenkt. Das mit 2,72 Mrd. kWh einen Anteil von 18 Pro- Platzen dieser Spekulationsblase wirkte auch zent. Nur die preußischen Rheinprovinzen auf die realen Märkte zurück und löste eine waren seinerzeit noch bedeutsamer in der Weltwirtschaftskrise aus. In Deutschland wa- Elektrizitätswirtschaft. ren die öffentlichen Haushalte aufgrund der Die soziale Revolution, die regional sehr stark Reparationsverpflichtungen und einem ge- von gewerkschaftlichen Kräften geprägt war, ringen Ansehen bei ausländischen Gläubi- verbesserte auch die Arbeitsbedingungen der gern nicht in der Lage, der Krise zu begegnen. Beschäftigten. Sie erhielten erstmals einen Dies führte zu einem vergleichsweise starken Jahresurlaub, es wurden Sozialkassen einge- Einbruch – auch in Halle (Saale). führt und der Lohn stieg. Das führte neben einem industriellen Aufschwung auch zu Zu- Weitergehende Ausführungen insbesondere wächsen bei Handel und Dienstleistungen zur Wirtschaftsentwicklung in den verschiedenen sowie dem Wohnungsbau der Stadt. Die städ- Branchen finden sich in: tische Bauwirtschaft profitierte davon, dass in Thomas Brockmeier/Peter Hertner (Hrsg.): Menschen, Märkte und Maschinen. Die Entwicklung von Industrie Halle (Saale) umfangreich gebaut wurde. Ein und mittelständischer Wirtschaft im Raum Halle (Saale), städteplanerischer Gesamtplan sah neue Halle (Saale) 2007

21 22 Aufbruch und Moderne am Beispiel der Lettiner Porzellanfabrik Dr. Walter Müller

Ende 1858 gründete Heinrich Baensch (1830– Brennerei-Arbeiter, Schlämmerei- und Müh- 1911) im unweit von Halle gelegenen Saalkrei- lenarbeiter, Kapseldreher, Porzellan-Packer sort Lettin eine Porzellanfabrik. 1950 wurde sowie Hofarbeiter, deren Wochenlohn zwi- das Dorf nach Halle eingemeindet. Heinrich schen 10 bis 20 Mark lag. Die darunter als Baensch hatte in Berlin Porzellandreher ge- »Acordarbeiter« beschäftigten konnten sogar lernt und sich vor allem in Schlesien prakti- 15 bis 25 Mark verdienen. sche Kenntnisse in der Steingut- und Porzel- Um 1900 und in den Jahren danach konnte lanherstellung angeeignet. Zunächst wurde bis auf eine Absatzflaute zwischen 1908 und nur Weißporzellan als Tafelgeschirr herge- 1911 der Export Lettiner Porzellans deutlich stellt und Hauptabsatzgebiet war vor allem gesteigert werden. Hauptexportregionen die nähere Umgebung. Mit dem Bau des und Länder waren England und dessen Kolo- zweiten Brennofens um 1868 wurde auch das nien, Nordamerika (vor allem die USA), Nord- Bemalen des hergestellten Porzellans aufge- europa sowie Griechenland. 1903 erhielt die nommen. Noch bis 1876 erfolgte der Waren- Lettiner Porzellanfabrik von Heinrich Baensch absatz ausschließlich in Deutschland. Laut auf der Gewerbe-Ausstellung in Athen eine Jahresbericht der Handelskammer zu Halle Goldene Medaille für ihre Produkte verliehen. a. d. S. 1882 wurden »Tafelgeschirre, weiss und Im ältesten bisher bekannten »Preis-Verzeich- dekorirt, auch unter Musterschutz gestellte nis der Porzellan-Manufaktur von Heinrich Luxusgegenstände für In- und Ausland« Baensch in Lettin bei Halle/S.« von 1903/1904 produziert. 1873 beschäftigte die Porzellan- wurde damit gleich für die Qualität des Letti- manufaktur bereits 32 Mitarbeiter, deren Zahl ner Porzellans geworben. sich bis 1883 »auf durchschnittlich 50« stei- Im Bericht an die Handelskammer im Dezem- gerte. Im Jahr 1876 gehörten dazu etwa schon ber 1907 konnten schon 110 Arbeiter aufge- zwei bis drei Porzellanmaler, Dreher, Former, führt werden, von denen immerhin 29 ge- lernte Arbeiter waren, die schon als Lehrlinge in der Fabrik angefangen hatten. Mit dem Be- Dekors von Ludwig Hohlwein, Jugendstildose mit Kirschen malen des Porzellans waren damals schon vier Porzellanmaler ganzjährig beschäftigt.

23 Nach dem Tod des voll zu. Aber eigenes Firmengründers Betriebsvermögen für Heinrich Baensch notwendige Modernisie- am 3. Februar 1911 wurde rungen und Produktanpas- der Betrieb von seinem Sohn sungen bzw. Neuentwicklun- Alfred Baensch (1873–1942) gen stand nur sehr begrenzt zur weitergeführt. Dieser war be- Verfügung. Alfred Baensch ver- reits von seinem Vater zu Studi- suchte in den Jahren 1927 bis 1930 enzwecken in zahlreiche euro- über die Leipziger Messe wieder päische Länder, vor allem Eng- verstärkt in das Exportgeschäft land und Frankreich, geschickt einzusteigen. Diese Jahre stellen worden, um vor allem das Ex- für die Lettiner Porzellanfabrik portgeschäft weiter zu die wohl innovations- entwickeln. Bedingt Vase in Baensch Rot, Art Dèco, kaum Goldabrieb; reichste und künstle- Unterglasurmarke: 1900–1931 in blau durch ungünstige Zeit- risch produktivste Zeit umstände war dies je- dar und rechtfertigen doch zunächst nur begrenzt möglich. So kam die Titelwahl für den Beitrag »Aufbruch und kriegsbedingt durch den Ersten Weltkrieg Moderne«. Dazu wurden u. a. 1927/28 zwei zwischen Mitte 1914 bis Ende 1918 der Export aufwendig gestaltete neue Firmenkataloge von Lettiner Porzellan nahezu vollständig zum mit künstlerisch hochwertigen Farbtafeln her- Erliegen und in der Weimarer Republik hatte gestellt, die mehrere Jahre Gültigkeit hatten. die Lettiner Porzellanfabrik in den Jahren Weiterhin gelang es Alfred Baensch mehrere 1925/26 wirtschaftlich schwer zu kämpfen. Im deutschlandweit angesehene Künstler auf Jahresbericht der Industrie- und Handelskam- Honorarbasis für die Gestaltung moderner mer zu Halle 1926 steht dazu verallgemeinert: Formen und vor allem neuer Dekors zu gewin- »Die im Bezirk vertretene Porzellanherstel- nen. Anfänge dazu lassen sich bereits unter lung litt im Jahre 1926 weiter unter dem im seinem Vater erkennen. So entwarf zum Bei- Vorjahr eingeleiteten wirtschaftlichen Nieder- spiel der bedeutende deutsche Plakatkünstler, gang. Der Kundenkreis zeigte sich im Einkauf Grafiker, Maler und Designer Ludwig Hohl- äußerst zurückhaltend. Das allgemeine Bild wein (1874–1949) zwischen 1903 und 1909 konnte auch nicht durch eine scheinbare zeit- mehrere Jugendstildekore für die Lettiner Por- weilige Besserung gegen Jahresende geän- zellanfabrik, die man rechtlich schützen lies. dert werden. Obwohl Deutschland eine leis- Produziert wurden diese im sogenannten Be- tungsfähige und künstlerisch auf der Höhe reich »Luxusporzellan« in Lettin vor allem für stehende Porzellanindustrie hat, war es äu- das Exportgeschäft auf Dosen und Bonbonni- ßerst schwierig, auf dem Auslandsmarkt wie- eren wohl noch bis in die 1920er Jahre. Die der festen Fuß zu fassen. Wie viele der mittle- Lettiner Porzellanfabrik stellte sich speziell ren und kleinen Industrien, so litt die Porzel- unter der Leitung von Alfred Baensch vor al- lanindustrie unter mangelhafter Zurverfü- lem in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gungstellung von langfristigen Krediten.« künstlerisch dieser Entwicklung inmitten des Dies traf auch auf die Lettiner Porzellanfabrik generellen Aufbruchs der Klassischen Moder-

24 ne, bei der die gestalterische Verbindung von Künstlerisch gehörte die zu den kleineren Eleganz der Form, Kostbarkeit der Materialien, Porzellanfabriken in Deutschland zählende Stärke der Farben und Sinnlichkeit des The- Lettiner Porzellanfabrik von Alfred Baensch in mas im Vordergrund stand. Vieles davon war der Zeit des Aufbruchs in die Moderne zwei- schon im Jugendstil angelegt. Eine Neuheit felsfrei mit zu den führenden Herstellern im für Lettin waren auch die erstmals im Messe- Bereich der Porzellanfabrikation im Deut- katalog 1927/28, Farbtafel XI vorgestellten schen Reich. Ebenfalls wurden zwischen 1927 plastischen Tiergruppen (Hundegruppe, Scha- und 1930 ältere noch im Lager vorhandene le mit Eisbären, Schale mit Füchsen) bzw. die Weißporzellane mit zeitgemäßen Dekors be- Putten mit Schale, die Schale mit Traubenes- malt. Aber auch die bekannten Firmenpro- ser, die Schlangenbändigerin sowie die Mas- dukte in den Traditionsfarben der Lettiner kenballszene. Derartige Tier- bzw. Figuren- Porzellanfabrik wie »Baensch-Rot« und Ko- gruppen hatte die Lettiner Porzellanfabrik in balt wurden zunehmend mit modernen De- den Jahren zuvor gar nicht im Sortiment. Diese koren versehen. basierten überwiegend auf Entwürfen des be- Damit konnte die Zahl der Beschäftigten in deutenden Designers/Modelleurs Hans Kie- der Lettiner Porzellanfabrik zwar bis 1929 auf weg für die Kunstabteilung der Porzellanfabrik 200 gesteigert werden, wozu etwa fünf bis Fraureuth aus dem Jahre 1919 und wurden ab sieben Porzellanmaler, mehrere Porzellandre- 1927 auch im Lettiner Werk produziert. Die her und -former, Porzellanbrennerei-Arbeiter, 1866 gegründete Porzellanfabrik Fraureuth im Schlämmerei- und Mühlenarbeiter, Kapsel- gleichnamigen Ort war ein Hersteller von Ge- dreher, Porzellanpacker und Hofarbeiter ge- brauchs- und Zierporzellan. Sie musste 1926 hörten. Wirtschaftlich waren diese Arbeits- Konkurs anmelden. Alfred Baensch muss es plätze jedoch keinesfalls sicher. also gelungen sein, zumindest einige der For- Der Anteil des Exportgeschäfts an der Letti- men aus der Konkursmasse zu erwerben und ner Porzellangesamtproduktion konnte in deren Produktion in hoher Qualität auch in der dieser Zeit zwar auf 5 bis 20 % gesteigert Lettiner Fabrik zu realisieren. Zum Beispiel zeigt die Art Déco Schale drei Eisbären an ei- Keksdose, Art Déco; nem Wasserbecken (Höhe: 14 cm, Breite: 35 cm) Unterglasurmarke: 1927–1931 in grün in absolut naturgetreuer Ausarbeitung und die Ausformung ist von sehr hoher künstleri- scher Qualität. Zwar beschäftigte die Lettiner Porzellanmanufaktur bis Anfang der 1930er Jahre noch keinen eigenen hauptamtli- chen Designer bzw. Modelleur, aber auch die im Betrieb be- schäftigen Porzellanmaler schei- nen zahlreiche der umgesetzten modernen Dekore in der Art Déco- Zeit geschaffen zu haben.

25 werden, war aber im wesentlichen kreditvor- 26 ausländische Firmen und deren Vertreter finanziert und damit äußerst krisenanfällig. Kaufinteresse für die in überwiegend neuen Die Hauptexportländer waren Frankreich, Formen, Dekoren und modernen Design (Art England, Spanien, die Tschechoslowakei, Nord- Déco) angebotenen Lettiner Gebrauchs- und und Südamerika. Das Exportgeschäft wurde Luxusporzellane, aber Abschlüsse konnten jedoch durch die starke tschechische und ja- keine getätigt werden. Damit hatte zwar Alf- panische Konkurrenz und damit gedrückte red Baensch mit seiner Firma künstlerisch den Preise, hohe Zollsätze des Auslandes, sowie Höhepunkt in der Herstellung von Lettiner die damals vorherrschenden verlängerten Gebrauchs- und vor allem Luxusporzellanen, Zahlungsfristen bis zu mehreren Monaten er- die durchaus auf dem internationalen Porzel- schwert. Um überhaupt im Auslandsgeschäft lanmarkt konkurrenzfähig waren, Anfang der noch erfolgreich zu sein, musste die Ge- 1930er Jahre erreicht; wirtschaftlich stand das schäftsführung der Lettiner Porzellanfabrik Unternehmen jedoch sehr schlecht da. Der außerdem starke Preiskonzessionen akzeptie- notwendige Absatz für die hochwertigen Let- ren, was zwangsläufig zu einer nur sehr gerin- tiner Porzellanerzeugnisse und damit die er- gen Gewinnspanne führte. Die damit verbun- forderliche Umsatzsteigerung konnten nicht denen negativen Auswirkungen zeigten sich realisiert werden. besonders nach der im Oktober 1929 mit dem Schon zu Beginn der Weltwirtschaftskrise las- New Yorker Börsencrash ausbrechenden Welt- tete auf der Lettiner Porzellanfabrik ein er- wirtschaftskrise. Auf der Leipziger Herbstmes- heblicher Schuldenberg. Allein die Sparkasse se 1930 bekundeten zwar 79 inländische und des Saalkreises hatte mit 130 000 Reichsmark und der Tierarzt Dr. Paul Meyer aus Salzmün- de mit 80 000 Reichsmark den Firmeninha- Firma Baensch, Messekatalog 1927/28, Farbtafel IX ber Alfred Baensch Hypotheken gegeben, um die Erweiterung des Inland- und Exportge- schäfts durch neue Innovatio- nen und eine Teilmodernisie- rung der Produktionsanlagen vorzufinanzieren. In der Zeit der Konjunktur konnten die dafür erforderlichen hohen Zinsen erwirtschaftet werden und die Fabrik einen leichten Gewinn erzielen. In der Welt- wirtschaftskrise aber konnte die Lettiner Porzellanfabrik je- doch dem Wettbewerbsdruck anderer Marktteilnehmer auf dem eng umkämpften Porzel- lanmarkt trotz eines moder- nen Sortiments an Gebrauchs-

26 und Luxusprozellanen – wie viele andere und führte die Porzellanproduktion bis 1945 Porzellanbetriebe – nicht lange standhalten. fort. Ab 1940 wurden dabei in Lettin zuneh- Mit der Umwandlung der seit 1. Juli 1906 mend Elektroteile aus Porzellan, hauptsäch- noch von Heinrich Baensch eingetragenen lich Flugzeug- und U-Bootsicherungen, herge- bestehenden Betriebsform der Firma als stellt. Erstmals 1944 konnte die Porzellanfab- Offene Handelsgesellschaft hatte Alfred rik Lettin GmbH seit der Gründung 1935 einen Baensch am 15. Januar 1931 sich als persönlich Gewinn erwirtschaften. Zu dieser Zeit entfie- haftender Gesellschafter im Handelsregister len nur noch etwa 20 % der Produktion auf die eintragen lassen und damit versucht, durch Herstellung von Gebrauchs- , Zier- bzw. Luxus- den Einsatz seines Privatvermögens die Letti- porzellan und rund 80 % waren Rüstungsauf- ner Porzellanfabrik und die Arbeitsplätze der träge, vor allem Porzellansicherungen ver- damals rund 200 Beschäftigten noch zu ret- schiedenster Art. Positiv ist dabei zu bemer- ten. Am 21. Januar 1931 musste Alfred Baensch ken, dass seit dem ersten Konkurs im Januar jedoch Konkurs anmelden und wurde damit 1931 trotz aller finanziellen Probleme und selbst bettelarm. Seine Villa in Lettin (Stadel- kaum erfolgten Investitionen zwischen 1931 berg 9) ging neben der Firma und weiterem und 1945 die Produktion in der Lettiner Porzel- recht umfangreichen Grundbesitz in Lettin lanfabrik nahezu durchgehend aufrechterhal- und der näheren Umgebung in die Konkurs- ten werden konnte und rund 100 bis 150 Ar- masse und wurde Eigentum des Hauptgläubi- beitsplätze durchschnittlich in dieser Zeit ge- gers, der Sparkasse des Saalkreises. Alfred sichert werden konnten. Baensch starb im 70. Lebensjahre stehend am Ab 1. April 1946 wurde die Porzellanfabrik Let- 26. Januar 1942 als armer, einsamer Privat- tin unter Zwangsverwaltung durch die Provinz mann in einer kleinen Mietwohnung in der Sachsen gestellt. Von 1948 bis zur Schließung Dölauer Zechenhausstraße 6. der Produktionsstätte in Lettin am 31. Dezem- Um die Porzellanfabrik Lettin und damit die ber 1990 und anschließender Beräumung des Porzellanfabrik im Ort als größten Arbeitge- Werksgeländes wurde durch den volkseigenen ber für den Ort und die Umgebung vielleicht Betrieb (VEB) Porzellanwerk Lettin Halle/Saale doch noch zu retten, bildete sich aus den im Ort Porzellan hergestellt. Hauptgläubigern ein Konsortium das die Zum Jahreswechsel 1990/1991 endete damit Firma fortführte und diese am 7. Juli 1931 in nach der Betriebsgründung Ende 1858 eine eine Aktiengesellschaft mit dem Namen »Por- über 130jährige Firmengeschichte. Heute zellanfabrik Lettin, vormals Heinrich Baensch werden unter der 2008 von dem hallischen AG.« umwandelte. Durch die hohe Hypothe- Arzt und Nuklearmediziner Thomas Steuber kenlast hatte die Aktiengesellschaft keinen erworbenen Marke »Lettiner Porzellan« in langen Bestand. Nach mehreren Interimslö- limitierter Auflage wieder exklusive Objekte sungen übernahm schließlich 1935 die Wick- aus Porzellan, vor allem Künstler-Medaillen, mann-Werke AG in Witten-Annen für 40 000 Kleinplastiken und ausgewählte Einzelstücke Reichsmark mit dem gesamten Inventar und hergestellt. Diese werden meist von halli- allen Liegenschaften den Betrieb. Am 30. März schen Künstlern entworfen und gestaltet. 1936 wurde die Aktiengesellschaft »Porzellan- fabrik Lettin« in eine GmbH umgewandelt

27 Halle in den 1920er Jahren Athleten, Sportlerinnen und Vereine in Zeiten der polarisierenden Moderne

Prof. Dr. habil. Stefan Lehmann Leiter des Archäologischen Museums der MLU Halle-Wittenberg, i. R.

Vor 100 Jahren, kurz nach dem Ende des Ers- mit einem Schwerpunkt in der Leibeserzie- ten Weltkrieges und der Novemberrevolution, hung wuchs sich der Zuspruch zum Sport zu tagte ab Anfang Februar 1919 die verfassung- einer Massenbewegung aus. Allerdings hatte gebende Nationalversammlung im Deut- sich bereits vor dem Weltkrieg ein wettkampf- schen Nationaltheater in Weimar. orientierter moderner Sportbetrieb heraus- Diese Gelegenheit nutzte der Dachverband gebildet, in dem sich schnell unterschiedliche des Sports in Deutschland zur politischen Ein- Sport- und Wettkampfdisziplinen differen- flussnahme, indem Vertreter des »Deutsche zierten und neu etablierten. Die zahlreich Reichsausschusses für Leibesübungen« (DRA) vorhandenen Vereine organisierten sich in der Nationalversammlung eine Denkschrift übergreifenden Sportverbänden, und insge- überreichten. In dieser waren sieben Forde- samt erfreute sich der Sport eines wachsen- rungen zu Leibesübungen, Turnen, Spiel und den und großen Zuspruchs in der Bevölke- Sport formuliert, die in Bälde gesetzlich gere- rung. Allerdings kann für die Zeit vor dem gelt werden sollten: Ersten Weltkrieg noch nicht von einem Mas- 1. Bau von Übungsstätten und Sportplätzen; sencharakter der Sportbewegung gesprochen 2. Sportpflicht an den Schulen; 3. Turnunter- werden. So zählten etwa die Deutsche Tur- richt auch an den weiterführenden Schulen; nerschaft ca. 1,4 Millionen und die Arbeiter- 4. Tägliche Sportstunde; 5. Beibehaltung der Turn- und Sportbewegung etwa 400.000 Sommerzeit; 6. Staatliche Finanzunterstüt- Mitglieder. Frauen zung für die Vereine sowie 7. Schaffung und und Jugendliche wa- Ausbau staatlicher Ämter für Leibesübungen ren generell deutlich und Sport. unterrepräsentiert. Die vorgebrachten Forderungen mündeten dann zwar nicht in entsprechende Gesetze, Otto Blankenstein, doch verbesserte sich die Situation für den von 1904–1919 Vorstandsmitglied des Sport und seine Stätten in den 1920er Jahren Saale-Regattavereins spürbar. Unter den neuen politischen Bedin- und seit 1921 Leiter der Kanu-Abteilung des gungen der Weimarer Republik sowie durch Rudervereins Böllberg die Reformbestrebungen in der Pädagogik

28 in Schnepfental den Schulsport begründete Turnlehrer-Kurs 1925 in der Universitätsturnhalle und zudem den ersten Schulsportplatz ein- in der Moritzburg richtete, ausgerechnet in Halle studiert hatte. Zu erinnern ist auch an Johann Heinrich Krau- Vorgeschichte se (1800–1882), der an der Alma Mater lehrte: Schauen wir uns, um auf Halle zu kommen, Sein gelehrtes Werk über das antike Olympia die geistige und praktische Situation in der und seine Wettkämpfe erschien 1838 und Stadt sowie in der Mitteldeutschen Region wurde schon bald zu einem Standartwerk für vor dem Ersten Weltkrieg an, so sind zunächst den antiken Sport. Der erste hallesche Profes- durchaus vitale, doch unterschiedliche Traditi- sor für Archäologie, Ludwig Ross, wollte sogar onen erkennbar. Bereits seit dem 18. Jahrhun- das antike Olympia ausgraben und sammelte dert war Halle durch das an der Universität bereits 1853 Geld dafür, doch sein Traum konn- traditionell etablierte akademische Fechten te erst nach seinem Tode verwirklicht werden. sowie durch die von der Altertumskunde be- Der ›Erfinder‹ der Turnbewegung Friedrich triebenen Forschungen zu den antiken Spie- Ludwig Jahn hatte ebenfalls eine Verbindung len und Wettkämpfen eng mit dem Sport (im zu Halle, hatte er doch eine Zeitlang hier stu- antiken Wortgebrauch: gymnische (Leicht- diert. Auf das von ihm entwickelte Turnen und Schwerathletik) und hippische (Pferde- geht das heutige weltweit praktizierte Gerä- rennen) Agone (Wettkämpfe)) verbunden. Es teturnen zurück. Der erste hallesche Turnver- verwundert somit nicht, dass der berühmte ein war der 1848 (!) gegründete Schülerturn- Reformpädagoge GutsMuths (1759–1839), der verein in den Franckeschen Stiftungen; der

29 erste Ruderverein wurde 1874 gegründet, und und ist ein Beispiel für die neuentstehende 1894 sammelten Bürger Geld für die Universi- Sportarchitektur des späten Jugendstils. Sie tät, damit der Nordflügel der Moritzburg für blieb natürlich auch in den 1920er Jahren ein den akademischen Sport ausgebaut werden wichtiger Veranstaltungsort nicht nur für die konnte. Acht Fechtsäle sowie eine große Turn- verschiedenen Formen der Pferdewettläufe. halle wurden dann dort eingerichtet. Es muss festgehalten werden, dass die Sport- In der Zeit um die Jahrhundertwende entwi- vereine nicht nur dem Training und der Orga- ckelte sich allgemein und somit auch in Halle nisation von Wettkämpfen dienten, sondern ein neues Sportverständnis. Eine statistische sich auch der Pflege eines geselligen Lebens Untersuchung über »Die Sportvereine in Halle widmeten, das unterschiedliche Ebenen der und die Sportanlagen in Halle von 1910–1912«, Gesellschaft erreichte. Andererseits gab es welche 1913 im Auftrag der Stadt erstellt wur- bei der sportlichen Betätigung schichtenspe- de, zeigt in einer umfangreichen statistischen zifische Vorlieben und Unterschiede. So be- Auswertung, dass mittlerweile Tennis, Reit- vorzugten bürgerliche Kreise Wandern, Tur- sport, Radsport (Rennsport, Radball und Kunst- nen, Tennis, Schwimmen und Rudern, wäh- radfahren) in der Stadt attraktiv geworden rend die Schwerathletik, also Boxen, Ringen, waren. Bereits 1880 hatte sich ein »Hallescher Gewichtheben, intensiver in den Athletikver- Eisklub« gegründet, und der erste Fußballklub einen des Arbeitersports betrieben wurden. spielte ab 1896. Zu Anfang des Jahrhunderts Neue Sportarten, wie das aus England einge- wurde zudem ein Schwimmsportverein ge- führte und später auch unter den Arbeitern gründet, wobei ein Hallenschwimmbad erst in so beliebte Fußballspiel, wurden zunächst in den Jahren 1913–15 errichtet werden konnte. bürgerlichen Kreisen, etwa im 1896 gegrün- Die am westlichen Ufer der Saale liegende deten »Hallescher Fußballclub« (heute VfL Galopprennbahn ist in der ursprünglichen Halle 1896 e. V.), ausgeübt. Form erhalten und steht heute unter Denk- Wie die oben erwähnte Statistik für 1905/06 malschutz. Der ovale Kurs mit Haupttribüne zeigt, rangierte Halle seinerzeit in Mittel- sowie Nebenanlagen wurde 1912/13 errichtet deutschland mit 20 Sportplätzen vor Leipzig (15), (8) und Chemnitz (3). Damit verfügt die Stadt bereits damals über eine Infrastruktur, die neben den sportbegeister- ten Vereinsmitgliedern, den Trainern und Übungsleitern dann eine der Grundlagen für die stürmische Entwicklung des Sports in der Zeit der Weimarer Republik war. Zu dieser Entwicklung trugen aber auch die rasanten und modernen Entwicklungen im internatio-

Wanderpokal der Universität Halle/S., Entwurf Gustav Weidanz, um 1924, Ausführung Andreas Moritz; auch als 1925 gestifteter Wanderpreis der Stadt Halle für die Ruder-Regatten des Saale-Regattavereins

30 nalen Sportwesen bei. Hier muss vor allem Internationales Steher-Radrennen im Olympia-Park in der Merseburger Straße, Ansichtskarte um 1925 daran erinnert werden, dass es im Jahr 1896 nach vielen vorherigen Versuchen gelungen war, die in Athen stattfindenden Wettkämpfe der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit zu Strömungen und kulturelle Tendenzen der organisieren. Diese Spiele waren eines der Leibesübungen und Körperkultur und im wei- folgenreichsten Ereignisse der modernen teren Sinne des Sports zusammen, die ihrem Sportgeschichte. Es sollte allerdings noch vie- Charakter nach einerseits konservativ bis re- le Jahrzehnte dauern bis auch Athleten und aktionär, andererseits aber auch hoch modern, Athletinnen aus Halle bei den Olympischen progressiv und emanzipatorisch waren. Spielen siegen sollten. Letztere Tendenzen bestimmten auch die Entwicklung des Sports nach 1945 noch lange Sport wird zum Massenvergnügen mit. Denn in dieser Zeit wurden die deut- Wie oben gezeigt wurde, sind im 19. Jahrhun- schen Traditionen des Turnens und der Lei- dert und dann in der Zeit bis zum Ausbruch besertüchtigung um die ›westlichen‹ zumeist des Ersten Weltkrieges die Grundlagen für die angelsächsischen Vorstellungen von Sport rasante Entwicklung und immense Bedeu- und Spiel bereichert, wobei nicht nur der Vol- tung des Sports in der Zeit der Weimarer Re- leyball allerdings den Umweg über die Sow- publik gelegt worden. Während der kurzen jetunion genommen hatte. Die 1950 gegrün- Zeit von 1918/19 bis 1933 waren die Entste- dete »Deutsche Hochschule für Körperkultur« hung und Weiterentwicklung von Sportdiszi- (DHfK) in Leipzig – ursprünglich war Halle plinen derart virulent, dass sich die sportliche vorgesehen –, sorgte in unmittelbarer Nähe Betätigung zu einem Phänomen auswuchs, für den Trainernachwuchs und die wissen- dass große Teile der Bevölkerung erfasste. Da- schaftlichen Betreuungsmöglichkeiten für bei kamen ganz unterschiedliche politische den Hochleistungssport.

31 verbringen. Sport- ereignisse wie Fuß- ballspiele, Radren- nen (etwa Sechsta- gerennen), Boxver- anstaltungen und Leichtathletikwett- kämpfe, Flugtage, Autorennen, Turn- feste, oder Ruder- regatten und Pfer- derennen wurden zu Publikumsmag- neten. Doch in Hal- le erfreuten sich der Fußball, das Bo- xen und der Rad- sport besonderer Beliebtheit. Studentischer Fechtunterricht in der Moritzburg 1925 Im Jahr 1921 be- schloss der Hallesche Magistrat den Bau eines Stadions. Die Bauarbeiten an dem modernen Stadion mit einer Kapazität von 32.000 Steh- Insgesamt gesehen wird der heutige intellek- und 3000 Sitzplätzen wurden in den Folgejah- tuelle Diskurs zu Sport und Spiel als gesell- ren durch die Inflation und die damit verbun- schaftliches und kulturelles Phänomen auch dene wirtschaftliche Rezession gehemmt. von der Erinnerung an die Sportbegeisterung Dennoch wurde die »Kampfbahn der Stadt der sogenannten »Goldenen Zwanziger« mit- Halle« im Jahre 1923 eingeweiht. Der damalige bestimmt. In diesem Zusammenhang soll nur Bau war jedoch ein Provisorium, der erst 1936 daran erinnert werden, dass die Gründung der fertiggestellt werden sollte. Wettkämpfe fan- weltweit ersten Sporthochschule in Berlin den aber dort trotzdem seit 1923 statt, und das 1920 erfolgte und dass 1925 an der Universität Stadion entwickelte sich schon bald zu einer in Halle das Institut für Leibesübungen mit der wichtigsten Sportstätten Mitteldeutsch- einem eigenen Lehrstuhl eingerichtet wurde. lands, in der neben Fußball auch Meisterschaf- In den Zwanziger Jahren wurde der Sport ten im Radfahren, Boxen und der Leichtathle- auch in Halle zu einem weite Kreise der Be- tik ausgetragen wurden. Sehr beliebt waren in völkerung erfassenden Massenvergnügen. den sog. »Goldenen Zwanzigern« die Sechsta- Die Wirtschaft blühte wieder auf, die Einfüh- ge-Rennen. Sie zogen durch ihre Verbindung rung des Acht-Stunden-Tages erlaubte es nun von Radrennen, Musik und Unterhaltung mas- auch Arbeitern und vermehrt Frauen regel- senhaft Zuschauer an. Zu populären Sportar- mäßig ihre Freizeit in den Sportvereinen zu ten entwickelten sich in dieser Zeit auch der

32 Motorsport sowie die Pferderennen, wobei der Radsport, das Boxen und der Fußball aber nicht an Beliebtheit einbüßten. Die Turnverei- ne hatten hohe Mitgliederzahlen, und insbe- sondere die Arbeitersportvereine waren für die Arbeiter und ihre Kinder von immenser Be- deutung. Die rasante Entwicklung der Sportbewegung in Halle machte auch die Errichtung weiterer Sportstätten notwendig. Der Magistrat er- füllte entsprechend Wünsche und kam somit dem Sport und der Öffentlichkeit entgegen. Bekannte hallische Leichtathleten und Studenten So entstand eine sportliche Infrastruktur, die der Universität Halle (Wawerla, Bauer und Storz) 1925 im Hof der Moritzburg es nun Halleschen Sportlern auch erlaubte, um nationale und internationale Anerken- nung zu kämpfen. Die Zeit nach der »Machtergreifung« 1933 ehemalige Sportler und Sportlerinnen die Na- war dann davon geprägt, dass die Strukturen zizeit überlebt und dann am Wiederaufbau des Sports tiefgreifend nach dem Führerprin- des Sportbetriebes mitgewirkt. So konnten zip verändert wurden und dass der Sportbe- sie ihr Wissen und ihr Können weitergegeben, trieb mit dem Ausbruch des Zweiten Welt- was sicher dazu beitrug, dass während der krieges endete. Aber es haben doch viele DDR-Zeit, aber auch danach eine ganze Reihe von Sportlern und Sportlerinnen aus Halle bei großen internationalen Meisterschaften, aber Verfassungsfeiersportfest Halle/S. 1929, Vorderseite: links ein mächtiger Adler auf einem vor allem bei den Olympischen Spielen siegen ausgestreckten Arm, rechts in der Hand ein Zweig oder Medaillen erringen konnten. einer Siegespalme, Privatbesitz

33 Willy Dietrich Ein ehrlicher Makler der Kunst

Margrit Lenk

Er kam 1922 aus Halberstadt nach Halle. Dort Duplizität der Ereignisse: Zweimal übernahm hatte er ein Jahr zuvor Francesco Sioli (1878– Willy Dietrich ohne Not das Erbe von Theater- 1958), der Aachen übernahm, als Theaterleiter leuten, die durch ihr avantgardistisches künst- abgelöst. Sioli zählte zu den Avantgardisten lerisches Konzept aufmerken ließen. Zufall? des deutschen Theaters jener Zeit, zur Gruppe Wenn ja, dann einer mit Sinn. Solch ein Erbe der Künstler und Intellektuellen, die nach dem wiegt schwer. Auch in unseren Tagen geraten Ersten Weltkrieg – enttäuscht übe das glorrei- Theater immer wieder in künstlerische Krisen, che Kaiserreich mit seinen blutigen wenn nach Zeiten anspruchsvoller, Konsequenzen – sich linken politi- eigenwilliger künstlerischer Ar- schen Bewegungen anschlos- beit versucht wird, mit gleichen sen, die Novemberrevolution Maßstäben einfach weiterzu- unterstützten und ihrem Pro- führen, was da geschaffen test gegen die bestehende wurde. Bei Willy Dietrich be- ungerechte Welt künstle- stand nicht die Gefahr, dass risch lautstark, mit neuen er so verfahren würde. expressionistischen Aus- Wer war er? Was brachte er drucksformen Gestalt gab. mit für Halle, als Nachfolger Siolis »Räubern« in Aachen eines Leopold Sachse und Part- wird nachgesagt, dass sie durch ner für »hinterlassene« Mitar- ihre aktualisierenden Lösungen beiter vom Schlage Paul Thierschs einer inszenatorischen »Revolution« (1879–1928), dem Direktor der Kunst- à la Piscator mit den Weg bahnten. gewerbeschule Burg Giebichenstein? In Halle trat Willy Dietrich die Nachfolge von Am 16. Februar 1886 in einer alteingesesse- Leopold Sachse (1880–1961) an – einem nen märkischen Kaufmannsfamilie geboren, »Künstler von ungewöhnlichem Intellekt, ... begann sein Leben zunächst in »normalen« aufgeschlossen für alles Neue«. Einer vom Ka- gutbürgerlichen Bahnen: Gymnasium in liber und von der Richtung Siolis, nur, dass er Potsdam, Studium der Geschichte und Litera- vom Musiktheater herkam, dass er zielklarer tur in Berlin. Doch daneben, schon seit einer noch als sein Halberstädter Intendanten-Kol- lege ein umfassendes künstlerisches Erneue- Programmheft Stadttheater Halle, rungsprogramm verfolgte und als ein Theater- Spielzeit 1926/27 mann von beachtlichem Format gelten kann.

34 35 Schüleraufführung auf der »Penne«, keimte Rückzug manch alteingesessener Abonnen- der unwiderstehliche Drang zum Theater. ten, aber auch im Gefolge der allgemeinen Und so kam es, dass er »mit 21 Jahren, bela- Wirtschaftskrise und hereinbrechenden Infla- den mit dem obligatorischen väterlichen tion eintraten. Fluch, wie es sich für diese Zeit gehörte, das Obwohl der Magistrat mit dem verdienstvol- Vaterhaus verließ, um Schauspieler zu wer- len Oberbürgermeister Richard Rive (1864– den«. Zunächst besuchte er die Bühnenschu- 1947) an der Spitze Sachse bis zuletzt bestärk- le des Berliner Schillertheaters, erfuhr dann te und in seinem halleschen Amt halten woll- im Pommerschen und Mecklenburgischen te, knüpfte man an den Wechsel dann doch alle Freuden und Leiden von Engagements die Hoffnung, ein neuer Intendant möge »mit an kleinen Provinz-»Klitschen« und Wander- festem Steuermannsgriff« Ruhe ins Haus bühnen, wurde darauf am Stadttheater Mei- bringen und zahlendes Publikum heranschaf- ßen »erklärter Liebling des Publikums« und fen, statt hochfliegende Kunstideen realisie- kam schließlich über Halle, wo er bei Eugen ren zu wollen. Ähnliche Erwartungen hatte es Mauthner (1855–1917) am alten Neuen Thea- wohl auch in Halberstadt nach Sioli gegeben. ter im Fach des jugendlichen Liebhabers bril- Willy Dietrich, ein erfahrener, solider Theater- lierte, und über das Deutsche Theater in Köln praktiker, schien in beiden Fällen der rechte sowie eine Tournee durch Südamerika an das Mann. Und er hielt, in Bezug auf Halle, was er ehrwürdige Königliche Schauspielhaus in versprochen hatte – zur Zufriedenheit der ver- . Das war 1912. Zwei Jahre später be- schiedenen Stadtobrigkeiten, die zwischen gann der Krieg, und der bis zum Königlich- 1922 und 1945 am Ruder waren. Sächsischen Hofschauspieler Aufgestiegene »Auf die ganze Zeit seines hiesigen Wirkens musste ins »Feld«. Doch es gelang dem rüh- gesehen, hat sich Willy Dietrich als ein ehrli- rigen Komödianten, eine Theatertruppe auf- cher Makler der Kunst ... erwiesen«, heißt es in zubauen, mit der er in Warschau ein Deut- einer Würdigung zum 10jährigen Halle-Jubilä- sches Theater gründete und nach dem Krieg um des Intendanten, mit dem dieser zugleich ins Remscheider Theater einzog. 1921 folgte sein 25jähriges Bühnenjubiläum beging. er dem Ruf nach Halberstadt, und am 16. Mai »Künstler, Organisator und Kaufmann« – in 1922 übernahm Willy Dietrich die Leitung des dieser Dreieinigkeit sieht man das »Geheim- Stadttheaters zu Halle. nis« der stabilen Entwicklung, die das Stadt- Das Wirken seines Vorgängers hatte in der theater in dem Jahrzehnt unter Dietrich ge- Saalestadt heftiges Pro und Kontra hervorge- nommen hat. rufen. Massive politische Anfeindungen, in die Der Spielplan entwickelte planmäßig die sich schon antisemitische Angriffe mischten, Grundsätze eines guten Provinztheaters; ne- mögen dazu beigetragen haben, dass Sachse ben sorgsamer Pflege der klassischen und le- dem Hamburger Angebot 1922 sehr rasch Fol- bensfähigen älteren Werke wurde den wichti- ge leistete. Durch Sachse wesentlich initiiert, gen und ästhetisch bedeutsamen Neuerschei- war 1920 in Halle eine Ortsgruppe der Freien nungen der jetzigen Generation größtes Au- Volksbühne ins Leben getreten. Neue Publi- genmerk zuteil, ohne dass das Theater je einer kumskreise konnten gewonnen werden. Doch tendenziösen oder sensationslüsternen Ma- sie wogen die Verluste nicht auf, die durch den che anheimgefallen wäre. Fern dem erhitzten

36 Tagesstreit außerkünstlerischer Meinungen, seines Vorgängers weiterzutreiben – etwa, wollte es doch für die Gegenwart lebendige wenn er den von Sachse geförderten jungen Kunst bieten ... Wenn das Stadttheater heute Autor Hans J. Rehfisch (1891–1960) noch enger tatsächlich ein Sammelbecken der verschie- an das Stadttheater zu binden suchte oder den gearteten künstlerischen Bestrebungen dem Direktor der halleschen Kunstgewerbe- ist, so verdankt es das ... seiner streng neutra- schule Burg Giebichenstein den Freiraum len Arbeitsweise, die immer oberstes Gesetz schuf, seine avantgardistischen Bühnenbil- eines Provinztheaters bleiben wird ...«, so ein dideen und Theatervorstellungen zu verwirk- zeitgenössisches Urteil. Und ein anderes: »... lichen. Zuletzt sogar durch eine eigene Insze- keiner Partei –, keiner Weltanschauung die- nierung. nen, außer dem, was künstlerisch irgendwie Einem Theatermann wie Dietrich machte es wesentlich, allgemein menschlich bedeutsam allerdings auch keine Schwierigkeiten, Brecht erscheint, und in diesem Maße ›Vermittler‹ zu und Kolbenheyer in einem Spielplan zu verei- sein – zwischen rechts und links, oben und un- nigen und sich »mit den Gegebenheiten« ab ten: – das ist das Theater W. Dietrichs.« Was 1933 »abfinden und durch alles hindurchfin- ihn dabei sicher leitete, heißt es im selben Bei- den« zu können. trag, sei sein »theatermäßiger Instinkt«, mit In Beziehung zu Paul Thiersch trat neben den dem er »die Erschütterungen vorausspürt, die Intendanten Willy Dietrich auch der Regisseur den Zuschauer zu erfassen vermögen«. Willy Dietrich. Von den 30 bis 35 Schauspiel- Es formt sich das Bild eines Theatermannes, produktionen (rund 60–70 Inszenierungen der sein Kunst- und Leistungshandwerk ver- insgesamt – jede fünf- bis zehnmal gespielt), steht, der weiß, was wirkt und der auf Wir- die pro Spielzeit heraus kamen, wurden je- kung, auf hohen Besucherstrom aus ist, ein weils acht vom Intendanten persönlich insze- Kunstarbeiter der unermüdlich schafft und niert. Vielfach waren es die großen »Schin- schaffen lässt – ohne von einem ausgepräg- ken«, die er sich selbst vornahm – Klassiker ten künstlerischen Konzept oder von be- vor allem, dazu Werke wie Ibsens Peer Gynt, stimmten politischen und weltanschaulichen Shaws Die heilige Johanna, Jedermann oder Ideen und Wirkungsabsichten beherrscht zu Das Große Welttheater von Hoffmannsthal sein. Ein Praktiker eben, doch einer, der Gespür u. a. m. – aber auch Neuschöpfungen, etwa hat für Talent und künstlerisch Bedeutsames, von Kaiser, Bruckner, Schnitzler, Unruh, Kla- der offen ist für Neues, auch Experimente bund, Schmittbonn und schließlich, 1929, nicht scheut, der künstlerische Anforderun- Brecht mit der Dreigroschenoper. gen zwar nicht selbst aufrichtet, sich ihnen Heutige Maßstäbe dürfte man an die in ra- aber bereitwillig und durchaus risikofreudig scher Folge herausgebrachten Inszenierungen stellt, wenn sie auf ihn zukommen. Andere wie auch an die Teamarbeit zwischen Büh- beschrieben das als »unverwüstlichen, gesun- nenbildner und Regisseur nicht anlegen. Doch den Optimismus, der ihn sich immer mit dem im Rahmen dessen, was möglich war, hat Gegebenen abfinden und durch alles hin- Dietrich wohl »saubere«, durchaus einfallsrei- durchfinden ließ«. Einem so gearteten Thea- che Regiearbeit geleistet. Es heißt er habe auf termann machte es keine Schwierigkeiten, »Wortregie« Wert gelegt und die Ensemble- einige künstlerische Verstöße und Wagnisse kunst sorgsam gepflegt.

37 Die Kritiken, wie sie in verschiedenen regiona- geschehen zwei nebeneinander stehende Tei- len Tageszeitungen erschienen, lassen vermu- le geblieben. Jedenfalls wird das eine meist so ten, dass er seine Darsteller anzuregen ver- getrennt vom anderen beschrieben, dass der stand, sich eigenschöpferisch ihre Figuren zu Leser kaum zu entdecken vermag, wie das Zu- formen, deren Zusammenspiel er dann künst- sammenwirken funktioniert haben könnte. lerisch ansprechend, nachvollziehbar und mit Einige Rezensionen vermerken den Dualis- dem Sinn für Wirkungen bei den Zuschauern mus: »Da vergaß man die Handlungen über organisierte. Von außergewöhnlichen »Lesar- dem Farbwunder«, denn Thiersch »spielte in ten«, ausgefallenen szenischen Lösungen ist Linien und Farben eine aus selbständigem nirgends die Rede. »Dietrichs Inszenierungen Empfinden entsprungene ... helltönende Be- ... vermieden das Extreme.« In erster Linie, gleitung zu dem gelegentlich matter verklin- heißt es, fühlte er sich »als Diener des Dich- genden Text«, schreibt der Rezensent in Bezug ters ... Er lehnte daher ... grundsätzlich jedes auf die Heilige Johanna. Und für Herodes und vergewaltigende Regieexperiment ab ...« Aber Mariamne wird gar festgestellt, dass »die er experimentierte mit Thiersch. Besser: Er ließ Bühnenbilder ... das Eindrucksvollste und Mo- dem ambitionierten Bühnenbildner, dessen numentalste« waren und aus dem Drama Schöpfungen ja nicht unumstritten waren, »fast ein Gemälde« werden ließen, »was ei- freie Hand und nutzte allenfalls mit Geschick gentlich gegen die Aufführung sprechen die Räume, die da geschaffen waren. müsste«. Glücklicherweise habe sich das Spiel Mitunter vermitteln Kritiken jedoch auch den dann aber doch »den Bühnenbildern einge- Eindruck, als seien Bühnenbild und Bühnen- fügt ...« Das Nebeneinander der künstleri-

38 schen Elemente ist gewiss der Eile geschuldet, Nachdem er sich zwei Jahre als Bühnenver- mit der die künstlerischen Produktionen vor- mittler versucht hatte, holte ihn sein früherer bereitet werden mussten. Ohne ein gewisses Schauspiel-Oberspielleiter Karl Kendzia (1897– Maß an Routine war der Inszenierungsfülle 1973), der neue Intendant des Hauses, an die kaum beizukommen. Doch die Arbeitsweise, langjährige Wirkungsstätte zurück. Bis kurz die es hier brauchte, kam wohl auch Dietrichs vor seinem Tode leitete er mit alter Theaterbe- künstlerischem Naturell entgegen. sessenheit, seinem berühmten Optimismus Pflege der Ensemblekunst – das meint auch, und voller Tatendrang das Künstlerische Be- dass Willy Dietrich versuchte, talentierte Kräf- triebsbüro des nunmehrigen Landestheaters te heranzuziehen, durch Aufgaben zu fordern Sachsen-Anhalt und engagierte sich zudem in und zu fördern und möglichst für längere Zeit der Betriebsgewerkschaftsleitung. Er starb am an Halle zu binden. Seine Protagonisten hat- 30. Januar 1955. ten in Halle einen Namen. Viele von ihnen spielten auch in den von Thiersch geschaffe- Leicht veränderte Fassung des gleichnamigen Aufsatzes, zuerst erschienen, in: Paul Thiersch und die nen Bühnenräumen oder arbeiteten als Regis- Bühne. Szenische Visionen eines Architekten. Halle (Saale) seure und Kapellmeister mit dem »Burg-Di- 1995, S. 28–31. Dort auch die bibliographischen Nachweise. rektor« zusammen. Man muss Willy Dietrich zugutehalten, dass er in der Zeit des Faschismus zwar genügend Anpassung übte, um im Amt zu bleiben, dass er aber weiterhin – neben der obligatorischen Hinwendung zu Nazidichtern – versuchte zu spielen, was »künstlerisch irgendwie wesent- lich, allgemein menschlich bedeutsam er- scheint«. Und er stellte sich schützend vor sein Ensemble. Er konnte die arische »Säube- rung« seines Theaters nicht verhindern, auch nicht die Entlassung seines 1925er Hamlets, Fritz Hensel, der wegen einer antinazistischen Äußerung denunziert worden war. Aber we- nigstens sorgte er dafür, dass dem begabten Schauspieler nichts Schlimmeres geschah. Er soll sich sogar um ein anderes Engagement für ihn gekümmert haben. Mit der Zerstörung des halleschen Stadtthea- ters am Ende des Zweiten Weltkrieges endete auch Willy Dietrichs Intendanz.

Stadttheater Halle, um 1930, Postkarte

39 40 Künstlerischer Aufbruch in die Moderne Die hallesche Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein

Dr. Angela Dolgner

Schon seit etwa 1920 genießt die hallesche bens aufzulösen und im städtischen Kunstge- Kunstgewerbeschule überregional einen aus- schehen eine Wende einzuleiten. Hierbei ver- gezeichneten Ruf. Nicht selten werden Burg folgte Rive eine außerordentlich geschickte, und Bauhaus gleichzeitig als die führenden umsichtige und erfolgreiche Personalpolitik. Kunstinstitute in Deutschland genannt. So Nicht nur die Berufungen Max Sauerlandts urteilt beispielweise Egbert Delpy in der Mes- zum Direktor des Städtischen Museums Mo- se-Beilage der Leipziger Neuesten Nachrich- ritzburg 1908, des namhaften Architekten ten vom 9. März 1927, die hallesche Schule sei Wilhelm Jost zum Stadtbaurat 1912 und Leo- ein »wirkungsvoller Fahnenträger des moder- pold Sachses zum Leiter der Städtischen The- nen Stilwillens«. 1928 bescheinigt er ihr sogar ater 1914 gehörten zu den personalstrategi- »nach wie vor die geschmacklich fortschritt- schen Glücksfällen, sondern ebenso die Ver- lichste Stellung«. pflichtung des Architekten Paul Thiersch zum Um 1900 fehlte es in Halle (Saale) allerdings Direktor der damaligen halleschen Handwer- noch an herausragenden, in die Zukunft wei- kerschule. senden Künstlerpersönlichkeiten und deren Interessenverbänden sowie an hinreichend Unterburg Giebichenstein, funktionierenden Organisationen und Ein- Heimstatt der halleschen Kunstschule seit 1921/22 richtungen, die sich der Präsentation und dem Vertrieb von Gegenwartskunst hätten annehmen können. Erst mit dem Amtsantritt von Richard Robert Rive als Oberbürgermeis- ter im Jahr 1906 gelang es, den Reformstau auf vielen Gebieten der Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und des öffentlichen Le-

Gustav Weidanz, Teekanne, Irdenware, Zinnglasur, um 1923, Privatbesitz

41 Im Ringen um die Erneuerung des zu Beginn nisation der Schule nach vollständig neuem des 20. Jahrhunderts in einem aussichtslosen eigenem Lehrplan«, Neuberufung von kunst- und beklagenswerten Formalismus stecken- gewerblichen Fachlehrern, uneingeschränkte den Kunstgewerbes maß man den Architek- Möglichkeit zur Ausführung privater Bauauf- ten und der Architektur eine stimulierende träge, »Projektierung und Bauleitung des in und integrierende Funktion zu. So waren es Aussicht zu nehmenden Neubaus der An- auch Architekten, die die Ideen des Deut- stalt«. Das von Thiersch entwickelte Pro- schen Werkbundes in die Ausbildung des gramm basierte auf dem Werkbundgedanken künstlerischen Nachwuchses hineintrugen und entsprach den Reformbestrebungen der und die Kunstschulreform wesentlich voran- Zeit. Er verwies auf die führende und integrie- trieben, wie beispielsweise Paul Thiersch in rende Rolle der Architektur als »Mutter aller Halle und Walter Gropius in Weimar. Der Künste«, forderte die Durchsetzung des Werk- Werkbund zielte auf eine »Veredelung der stättenprinzips, beabsichtigte, »ein reges Ver- gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken hältnis zwischen Gewerbe- und Kunsttreiben- von Kunst, Industrie und Handwerk«. Zentra- den sowie Firmen auf kunstgewerblichem les Anliegen war die Suche nach einer neuen, Gebiete und der Schule herbeizuführen« so- durch Funktion, Material und Konstruktion wie die Verbindung von praktisch-schöpferi- bedingten Formgebung auf allen Gebieten, scher Arbeit und kunsttheoretischer Bildung »vom Sofakissen bis zum Städtebau«, wie es zu fördern. Seine Bemühungen waren auf die Hermann Muthesius formulierte. Einheit der Künste und das vieldiskutierte Ge- Im Hinblick auf Paul Thiersch resümiert Ober- samtkunstwerk gerichtet. In dieser Haltung bürgermeister Rive Jahrzehnte später in sei- wusste sich Thiersch mit den bedeutenden nen 1960 herausgegebenen Lebenserinnerun- Reformkünstlern der Zeit einer Meinung. gen: »Die Berufung führte einen künstleri- Die Neustrukturierung des Schulorganismus schen Geist nach Halle, dessen Auswirkungen beinhaltete die Gründung einer Kunstgewer- auf fast allen Gebieten der Kulturbetätigung beabteilung, die Bildung entsprechender zu spüren war.« Thiersch, zum Architekten Fachklassen und die Gewinnung geeigneter ausgebildet in Winterthur, Basel und Mün- Lehrer. Noch 1915, zum Beginn des Winterse- chen, hatte erste Berufserfahrungen in Mün- mesters, eröffnete Thiersch die von ihm selbst chen, Berlin und Osnabrück sowie im Düssel- geleitete Fachklasse für Raumausstattung dorfer Büro von gesammelt. und Architektur. 1916 übernahm die aus Wien 1907 bis 1909 leitete er das Architekturatelier kommende Kunstgewerblerin Maria Likarz von Bruno Paul und 1909/10 dessen Büro auf die »Fachklasse für kunstgewerbliche Frauen- der Weltausstellung in Brüssel, bevor er ein arbeiten«. Um ein breites Ausbildungsspekt- eigenes Büro eröffnete. Außerdem lehrte er rum abdecken zu können, erfolgten in den an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunst- Folgejahren weitere Berufungen: 1916 Gustav gewerbemuseums, an der in dieser Zeit auch Weidanz für die Plastik, 1919 Erwin Hahs für Erwin Hahs, Karl Müller und Gustav Weidanz die Malerei und Erich Lenné für Metall. Anna ihren Studien nachgingen. Simons gab zwischen 1916 und 1920 Schrift- An die Übernahme des Direktorats in Halle kurse. Die unter Gustav Weidanz stehende hatte Thiersch Bedingungen geknüpft: »Orga- Fachklasse »Plastik in Stein, Holz und Metall«

42 umfasste ein deutlich breiter gefächertes Re- gänzung des Schulnamens gerecht: »Werk- pertoire als die Holz- und Steinbildhauerei stätten der Stadt Halle«. Die notwendigen des 1919 in Weimar gegründeten Bauhauses, räumlichen Voraussetzungen für die Neuorga- nämlich neben »Modellieren in Ton, Schnit- nisation der Schule konnten durch die Über- zen in Holz, Gypsschneiden, Steinhauen, Mo- lassung und den Ausbau der Unterburg Giebi- dellieren … für Stukkaturen und Antragsarbei- chenstein geschaffen werden. ten, für Grabmale, Gedenktafeln für Krieger- Die Umstrukturierung bedingte eine Reihe ehrung, für Terrakotten«, auch das Modellie- personeller Veränderungen. Die Fachklasse ren für Eisen- und Bronzeguss sowie »Keramik für kunstgewerbliche Frauenarbeiten unter und andres Kunstgewerbe«. Ebenso war die Maria Likarz wurde aufgelöst. Neue Werk- Malklasse von Erwin Hahs baugebunden aus- stätten und Fachklassen entstanden: die gerichtet, vom Programm her aber beträcht- Emailwerkstatt unter Klara Kuthe, die Textil- lich weiter gefasst: »Entwerfen für dekorative werkstatt unter Johanna Schütz-Wolff, der Wand- und Deckenmalerei, für Ausstattung Bucheinband seit 1920 unter Otto Pfaff, der ganzer Räume, für Glasmalerei und Mosaik Buchdruck seit 1922 unter Friedel Thomas. und Reklame, Holzschnitt, Radierung, Litho- Karl Müller löste 1922 Erich Lenné in der Lei- graphie, Buchillustration, Buchschmuck.« tung der Metallwerkstatt ab, die Fachklasse 1919 – drei Monate nach der Gründung des für Raumausstattung übernahm 1921 Johan- Bauhauses durch Walter Gropius – beantragte nes Niemeyer, der zugleich eine experimen- Thiersch die Einrichtung neuer Werkstätten telle Komponente in die Ausbildung einbrach- für Buchbinderei, Buchdruck, Stoff- und Tape- te. Die Fachklasse von Gustav Weidanz bilde- tendruckerei, Textil und Keramik und die Ein- te nach 1920 die Keimzelle für drei gesonder- stellung entsprechender Lehrkräfte. Die sensa- te Bereiche, für die eigentliche Bildhauerei, tionellen Erfolge auf der Leipziger Entwurfs- die Werkstatt für Kachelkeramik (Öfen) und und Modellmesse im Frühjahr 1920 bestätig- die Töpferei. Früher als am Bauhaus entstan- ten Thierschs Konzept. Der Schule wurde »eine hervorragende Stellung« unter den Ausstel- lern attestiert und ein halbes Jahr später sogar die Spitzenposition zuerkannt. Diese Anerken- nung nutzte Thiersch, um in dem Programm von April 1920 das Profil der Schule zu schärfen und deren Praxisorientierung zu stärken. Die neu gegründeten und auszubauenden Werk- stätten sollten nicht mehr nur Ausbildungs-, sondern zugleich Produktionsstätten sein. Die- sem Anspruch wurde die werbewirksame Er-

Clara Maria Kuthe oder Lili Schultz (?), Kelch, Kupfer, aufgezogen, Email, um 1921, Archiv und Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

43 Benita Otte und Marguerite Friedlaender nach Halle. Später folgten ihnen die Bauhäusler Erich Consemüller, Erich Dieckmann, Heinrich Koch, Wolfgang Tümpel, Rudolf Wildenhain, Hans Wittwer, und andere. 1927 erhielt die bil- dende Kunst Verstärkung durch den aus Jena kommenden Maler und Grafiker Charles Cro- del, der die Klasse für »Grafik und Zeichnung« übernahm und gleich Hahs sein Ausbildungs- programm und Tätigkeitsfeld bis zur Wand- malerei ausdehnte. Infolge der insgesamt positiven Entwicklung gelang es Thiersch als einem der ersten Schul- Erwin Hahs, »Keramik« (Keramische Objekte von Gustav Weidanz), Bleischnitt, 1923 männer, durch Messe- und Ausstellungsbetei- ligungen den Weg in die Öffentlichkeit zu beschreiten, sogar im europäischen und au- den 1925 unter Erwin Hahs und Hans Finsler ßereuropäischen Ausland. So zeigte die Burg die Werbewerkstatt und 1926 unter Finsler ihre Arbeiten beispielsweise in Basel, Genf, die Klasse für Fotografie. Paris, Zürich, dem Metropolitenmuseum New Vergleicht man die Entwicklung der halleschen York oder in Brasilien. Die erzielte Aufmerk- Kunstgewerbeschule mit dem Bauhaus, so dürften beide Schulen im Hinblick auf das breitgefächerte Spektrum der Werkstätten, deren Ausstattung und die daraus sich erge- benden technischen Möglichkeiten 1922 Gleichstand erreicht haben. Dennoch wiesen nach 1923 die Ausbildungsziele beider Institu- tionen in unterschiedliche Richtungen. Wäh- rend an der Burg das Handwerk und die ma- nufakturelle Kleinserie im Vordergrund der Aufmerksamkeit standen, orientierten am Bauhaus Walter Gropius und später Hannes Meyer auf die Verbindung von Kunst und Tech- nik und die industrielle Serienproduktion. Mit der Schließung des Bauhauses 1925 in Weimar wechselten zunächst Gerhard Marcks,

Johanna Schütz-Wolff, Bildteppich »Knaben mit Tauben«, Seide, Goldfäden, Leinen- und Körperbindung, 1923, Privatbesitz

44 samkeit hatte Aufträge zur Folge. Bis 1930 wuchs der Kundenkreis der Burg auf ca. 950 Firmen und Privatkunden im In- und Ausland an. Andererseits gingen Struktur und Profil mit der Etablierung der freien Künste, der Ar- chitektur und Fotografie, zeitweise auch eines Bühnenateliers weit über den Charakter einer Kunstgewerbeschule hinaus. Dennoch er- reichte es Thiersch – angespornt durch den Wettbewerb mit dem Bauhaus in Dessau – trotz aller Unterstützung nicht, den Status einer Kunsthochschule zuerkannt zu bekom- men, da das Handelsministerium, das eine Musteranstalt für das Handwerk und die In- dustrie anstrebte, in der Burg lediglich eine staatlich bezuschusste Künstlerkolonie mit Fabrikationsbetrieb sah. Von Anfang an bemühte sich Thiersch auch Raumstudie aus dem Unterricht von Erwin Hahs selbst als Architekt in Erscheinung zu treten (Vorarbeit zur farbigen Gestaltung eines und somit öffentliche, wenn möglich städti- gegebenen Raumes), um 1927, Archiv und Sammlung sche Bauaufträge für die Schule zu erlangen. Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Nachlass Jürgen Scharfe Seine Wettbewerbsteilnahmen blieben ohne Resonanz. Zwar war die Schule 1923/24 an der Ausstattung des Solbades Wittekind beteiligt, chitekturausbildung, die nun weit stärker von doch erst 1926 übertrug die Stadt Thiersch die einer rationalen und funktionalen Architek- künstlerische Leitung für die Giebichenstein- turauffassung geprägt wurde. Mit dem Flug- brücke und beauftragte ihn mit der Ausarbei- hafenrestaurant in Schkeuditz, an dessen tung von Plänen für den Ausbau des Flugha- Ausbau mehrere Klassen der Burg beteiligt fens Halle-Leipzig, nach denen schließlich nur waren, schuf Wittwer eine Ikone moderner eine Flugzeughalle von 150 Metern Länge re- Baukunst, mit sichtbarer Konstruktion und alisiert wurde. Weit größere Erfolge als mit großen Glasflächen, »irdisch und atmosphä- Architekturprojekten erlangte Thiersch mit risch« gleichermaßen. Sie wurde für viele seinen mehr als 40 Bühnenausstattungen für Hallenser zu einem beliebten Ausflugsort. Halle, Leipzig und Göttingen, die er in zehn Als Direktor führte Gerhard Marcks die Schu- Jahren gemeinsam mit seinen Schülern schuf. le ohne Kursänderung fort, wenngleich sich Sie boten ihm die Möglichkeit, seine künstle- die Zusammenarbeit mit der Industrie ver- rischen Intentionen und Architekturphanta- schiedentlich verstärkte. 1933 bekam die Burg sien öffentlich auszuleben. die veränderten politischen und kulturpoliti- 1928 verließ Thiersch Halle. Ein Jahr später schen Verhältnisse in ihrer Abkehr von der übernahm Hans Wittwer, der vom Dessauer Moderne mit aller Wucht zu spüren. 13 Lehrer Bauhaus nach Halle gewechselt hatte, die Ar- wurden entlassen, darunter alle ehemaligen

45 Künstlern der »Brücke« sowie der Galerie und Zeitschrift »Sturm« ausgehende Expressionis- mus seine nachhaltige Wirkung. Thiersch selbst, der mit Karl Schmidt-Rottluff befreun- det war, erwies sich in den von ihm konzipier- ten Wandmalereien im Treppenhaus des Lan- desmuseums für Vor- und Frühgeschichte Halle, die er gemeinsam mit seinen Schüle- rinnen Klara Maria Kuthe, Lili Schultz und Jo- hanna Wolff ausführte, der expressionisti- schen Stilrichtung gegenüber als äußerst Werbeabteilung der Werkstätten der Stadt Halle, Plakat »Flughafen Halle-Leipzig«, Offsetdruck, 1928, aufgeschlossen. Folgerichtig erschien ihm die Privatbesitz ekstatische, farbintensive und emotional aus- drucksstarke Formensprache für seine zahl- reichen Bühnen- und Kostümentwürfe als Bauhäusler, die Burg wurde zu einer Hand- besonders geeignet. Überhaupt prägten noch werkerschule degradiert, die Zusammenar- bis Mitte der zwanziger Jahre expressionisti- beit mit städtischen Institutionen wie dem sche Einflüsse in unterschiedlicher Intensität Theater oder dem Verkehrsamt aufgekündigt, die künstlerischen Ergebnisse sämtlicher Bildwerke im öffentlichen Raum fielen der Burgwerkstätten. Zerstörung anheim. Paul Thiersch, Entwurf einer Stadthalle und eines In ihrer künstlerischen Ausrichtung wurde die Universitätsgebäudes auf dem Gelände der Bergschenke Burg anfangs durch den von Maria Likarz her- in Halle, fotogr. Reproduktion, nach 1925, Archiv und eingetragenen elegant-verspielten Wiener Stil Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Nachlass Paul Thiersch beeinflusst. Doch bald entfaltete der von den

46 Unter dem Eindruck von Kubismus, Konstruk- Paul Thiersch/Hans Wittwer, Flughafen Halle-Leipzig, Flugzeughalle und Flughafenrestaurant, Postkarte, tivismus und Funktionalismus spielte die Re- um 1931, Privatbesitz duktion auf geometrische Grundformen ab Mitte der zwanziger Jahre in allen Werkstätten eine zunehmende Rolle. In der Weberei zum Beispiel gewann eine klare, sachliche Gestal- Mit ihrem Schaffen, ihrer Lehr- und Ausstel- tung im Karo- oder Streifendesign die Ober- lungstätigkeit leisteten die bildenden Künst- hand. Vor allem aber die Metallarbeiten von ler an der Burg, die Bildhauer und Maler, einen Karl Müller stehen jenen des Bauhauses sehr nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Profi- nahe. Trotz der klaren Formgebung entgehen lierung der Schule und zur Herausbildung ei- sie gleichwohl der dogmatischen Strenge und ner an der Moderne orientierten lokalen jedem künstlerischen Selbstzweck. Sind es um Kunstszene. In den ab 1926 existierenden zwei 1924 neben den dekorativen Stilformen des Bildhauerklassen schufen Gustav Weidanz Art deco vor allem konstruktivistische Gestal- und Gerhard Marcks eine Fülle bedeutender tungsprinzipien, die Müllers Lampen und Ge- Einzelplastiken. Darüber hinaus sorgten sich fäße kennzeichnen und den Eindruck von ge- beide unter dem spätexpressionistischen Ide- bauten Metallplastiken erwecken, so orientie- al des Gesamtkunstwerks um ein Fortleben ren sich die Gebrauchsgegenstände seit der der Kunst am Bau. Sie warben für eine neue Mitte der zwanziger Jahre zunehmend an ei- architektonische Bindung und zweckgerichte- ner funktionalistischen Formgebung. For- te Dekorativität, wofür der Brunnen und die menstrenge verbindet sich mit dem Empfin- Figuren für Bad Wittekind sowie die Bronze- den für das Organisch-Nützliche. plastiken an der südwestlichen Turmkante

47 des halleschen Ratshofes von Weidanz oder Karl Müller/Werkstatt, Ausstellungs-/Verkaufsstand die Tierskulpturen aus Beton an der Giebi- mit Lampen und Drückarbeiten, zwischen 1927 und 1930, chensteinbrücke von Marcks Zeugnis ablegen. Burg auf Grassimessen, Fotografie, Privatbesitz Weidanz betonte in seinen Werken die ele- mentaren plastischen Werte reiner Körper- lichkeit. Die figurale Stilisierung und Idealisie- rung, die Abkehr von naturalistischer Zufällig- keit ist verbunden mit der Behauptung des Karl Müller, Teekanne, Messing, Holz, um 1929, Archiv und Sammlung Burg Giebichenstein Menschlichen und Natürlichen. Gerhard Kunsthochschule Halle Marcks, der als Formmeister am Weimarer Bauhaus die Keramikwerkstatt geleitet hatte, gelangte unter dem Einfluss des Expressio- nismus zu einer betonten Abstrahierung der plastischen Form, einer Tendenz, von der er sich allerdings während seiner Lehrtätigkeit an der Burg allmählich wieder zu lösen be- gann. Mit erdenschweren Formen gestaltete er nun ein differenziertes, herbes Menschen-

Gustav Weidanz, Figuren am Ratshof, Bronze, aufgestellt 1930 (Rekonstruktion von Johannes Baumgärtner, 1976–1979, aufgestellt 1983)

48 49 bild von natürlicher Sinnlichkeit und kraftvol- in die dreißiger Jahre andauernde Periode ab- ler Daseinsbejahung. strakter Malerei ein. So dokumentiert sein Als Mitglied des »Arbeitsrates für Kunst« und Schaffen ein breites künstlerisches Ausdrucks- als experimentierfreudiger Künstler stand vermögen, das sich in seinem Spektrum von der Maler Erwin Hahs den Reformplänen realistischer Gestaltung, stark abstrahierter Thierschs, dem Gedanken des Gesamtkunst- Darstellung bis hin zur völligen Negation der werks und der Vorrangstellung der architek- gegenständlichen Welt bewegt. turbezogenen Kunst, besonders nahe. Folge- Charles Crodel, seit 1927 Leiter der Grafikklas- richtig war die Malklasse im Gegensatz zur se, hatte Archäologie und Kunstgeschichte akademischen Ateliertradition in größerem studiert, eine Lehre als Lithograf und Drucker Umfang mit Farbgestaltungen von Innenräu- absolviert und sich mit den führenden mo- men, Wandmalereien, Reklamearbeiten und dernen Künstlern seiner Zeit – vor allem den Tapetenentwürfen beschäftigt – vielfach als Bauhausmeistern – auseinandergesetzt. Er Auftragsarbeiten. In seinem Frühwerk war maß sich und sein Tun immer an den stren- Hahs sichtlich vom dynamischen, farbintensi- gen Anforderungen des Handwerks. Eine län- ven Expressionismus geprägt. Sein späteres gere Griechenlandreise im Jahr 1925 berei- Schaffen tendierte mehr zu einer beruhigten cherte seine narrative Phantasie und ließ eine Formensprache, zu »gebauten« Bildern. Nach scheinbar realitätsferne, märchen- und fabel- der Mitte der zwanziger Jahre setzte eine bis hafte Bildwelt entstehen. Das Erzählerische, Mythologische spiegelt sich auch in seinen Wandbildaufträgen. Erinnert sei an die Fres- Charles Crodel, Wandmalerei »Improvisationen über Leben und Tod« (Ausschnitt) im Musikzimmer der ken im ehemaligen Universitätsfechtsaal der ehemaligen Burse zur Tulpe in Halle, 1929 Moritzburg, im Musikzimmer des Studenten- hauses »Burse zur Tulpe« der halleschen Universität sowie im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt. Über die verschiedenen Ar- beiten im öffentlichen Raum hinaus suchten die Burg- künstler mittels eines Ver- kaufsraumes im unmittelba- ren Stadtzentrum sowie in zahlreichen Ausstellungen ihren Einfluss auf die halle- sche Kunstentwicklung zur Geltung zu bringen und eine Brücke zwischen Künstlern und Bevölkerung zu schla- gen. Bereits 1917 hatte die Schule eine Schülerausstel-

50 Erwin Hahs, Große Räumlichkeit, Gouache, 1922, Archiv und Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

lungen im eigenen Areal. Außerdem boten kleine Galerien, Bücherstuben, aber auch Un- ternehmen wie das Kaufhaus Huth zusätzli- che Ausstellungsmöglichkeiten. Die 1931 im »Volksblatt« gegebene Einschät- zung bezieht sich zwar auf die Ausstellung »Hass und sein Kreis« im Stadthaus, an der neben Hahs und seiner Frau Ilse Krahmann- Hahs unter anderen Gertraud von Harlessem, Iris Hoffstaetter, Doris Keetman, Karl Kunz, Werner Rohde, Julius Tinzmann und Paul Zilling teilnahmen, vermag in der Würdigung des künstlerischen Aufbruchs dieser Zeit je- doch den Rang einer Verallgemeinerung für sich in Anspruch nehmen: »So kann das Schaffen dieses Malerkreises im besten Sinne lung mit über 700 Exponaten veranstaltet. als Symbol für den aufstrebenden Geist unse- Einem Antrag des Kuratoriums vom Novem- rer Stadt angesehen werden, der aus allen ber 1920 folgend, erhielt sie alsbald Gelegen- Elementen unseres modernen, an Gegensät- heit, in einem gerade frei gewordenen Raum zen reichen, Lebens Kräfte zieht und zu einer im Roten Turm »ihre Erzeugnisse auszustel- hohen Vergeistigung des Materiellen strebt, len und zu veräußern«. Die Leitung von Aus- ohne dabei den Zusammenhang mit den stellungsbetrieb und Verkauf gedachte die Kräften der Natur zu verlieren.« Schuldirektion in professionelle Hände zu geben und übertrug diese dem Buch- und Literatur: Angela Dolgner: Die Stadt und die moderne Kunst – die Kunstheim K. & E. Twardy aus Berlin, doch hallesche Künstlerschaft, das städtische Museum und die wurde die Zusammenarbeit auf Grund von Kunstschule Burg Giebichenstein (1900–1933), in: Interessenkonflikten bald wieder aufgekün- Geschichte der Stadt Halle, Bd. 2, hrsg. von Werner Freitag und Katrin Minner., Halle 2006, S. 130–147 digt und der Laden fortan in Eigenregie der Burg betrieben. Insbesondere der Kunstverein Dies: Die Kunstschule Burg Giebichenstein und das Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin – ein Vergleich, in: veranstaltete Personalausstellungen, unter Jahrbuch für hallische Stadtgeschichte 2007, hrsg. im anderem von Erwin Hahs (1921, 1925) und Auftrag des Vereins für hallische Stadtgeschichte e. V. von Gustav Weidanz (1927) sowie eine Gedächt- Ralf Jacob, Halle 2009, S. 95–140 nisausstellung für Paul Thiersch (1929). Zu- dem beteiligten sich etliche Burgkünstler an thematischen Präsentationen und die Kunst- gewerbeschule veranstaltete Schülerausstel-

51 Das Trauma Die völlige Entwertung des Geldes

Ulf Dräger Kustos Landesmünzkabinett, Kunstmuseum Moritzburg Halle

Katastrophe, Geißel, Desaster, Zerrüttung. nicht nur das Vertrauen in die junge Demo- Unsere Sprache kennt kaum stärkere Worte, kratie erschütterte, sondern wie kaum eine die das Leiden der hilflos der Inflation ausge- andere Enteignungswelle das über mehrere setzten Bevölkerung umreißen können. Die Generationen gewachsene Vermögen, Rück- durch die Geldentwertung hervorgerufene lagen oder Wertgegenstände der meisten Situation ist heute kaum vorstellbar und die Bürger vernichtete. Erinnerung daran verdrängt. Lediglich die ak- Im Verlauf des Jahres 1922 entglitt die Inflati- tuellen Nachrichten aus Venezuela lassen uns on jeglicher Kontrolle. Zum Höhepunkt im die Auswirkungen erahnen. Herbst 1923 vervielfachten sich die Preise in- Doch es ist keine einhundert Jahre her, dass nerhalb weniger Stunden. In kürzester Zeit Deutschland einer bis dahin noch nie dage- wurden die verschiedensten Geldanlagen, die wesenen Hyperinflation ausgesetzt war, die in großem Umfang gezeichneten Kriegsanlei- hen, und vor allem auch die Versicherungen, Hugo Stinnes-Riebeck Montan- und Oelwerke AG, insbesondere die damals beliebten Lebens-, 5 Millionen Mark, September 1923, Druckerei Gebauer & Aussteuer- und Ausbildungsversicherungen, Schwetschke Halle (Saale), 18,4 x 9,4 cm fast vollständig wertlos. Das traditionelle Geschäftsmodell der Spar- kassen brach zusammen. Sie boten jetzt Anleihen in Sachwerten, in Roggen, Weizen, Kohle oder auch Salz an. Im Gegenzug war für Schuld- ner die Inflation eine nahe- zu paradiesische Situation. Kredite ließen sich immer leichter tilgen. Gleichzeitig

52 geriet die deutsche Wirtschaft in Abhängig- Stadt Halle, 500 Milliarden Mark, November 1923, Druckerei Carl Warnecke, 15,1 x 9,4 cm von der Presse als keiten von ausländischen Spekulationen und »Trauerkarte« verspottet, von dieser Emission wurden von völlig unter Wert erfolgenden Warenab- 317.400 der 373.400 gelieferten Exemplare ausgegeben flüssen. Der Augenzeuge dieser Zeit und In- und 1924 lediglich 6.919 Exemplare wieder eingelöst. haber des halleschen Auktionshauses Riech- mann & Co., Richard Gaettens, hatte als einer der ersten in Mitteldeutschland für seine Fir- für eine Behandlung. Fabriken und Behörden ma bereits Anfang April 1919 Bankkonten in zahlten die Löhne bereits am Morgen aus, New York, Amsterdam und Stockholm ein- weil die nächste Preissteigerung mit den richten lassen, um Geschäfte auch in Devisen neuen Devisenkursen spätestens zur Mit- abwickeln zu können. Damit gehörte er zu tagszeit eintrat. Familiensilber und andere den wenigen, die ihre Firmen und Vermögen Sachwerte wurden für das tägliche Überle- vor der Geldentwertung und einem Ausver- ben verschleudert. Die Bevölkerung, von kauf schützen konnten. Überlebensängsten getrieben, verfiel in Kauf- Der Preis für eine Straßenbahnfahrt hatte panik und eine bis dahin unbekannte Lust zur sich von 20 Pfennig auf 150 Milliarden Mark Verschwendung. Das Lied »Wir versaufen un- erhöht, eine Flasche Rotkäppchen Sekt koste- ser Oma ihr klein Häuschen...« von Robert te im Herbst 1923 1.928.000 Mark, die Zeche Steidl aus dem Jahr 1922 wurde zu einer Hym- in einem Restaurant konnte sich während der ne dieser Jahre. Die sogenannten goldenen Mahlzeit verdoppeln. Pfarrer benötigten für 20er Jahre waren für den größten Teil der Be- die Kollekte ganze Wäschekörbe. Ärzte ver- völkerung und insbesondere für die traditio- langten anstatt Geld nun Brot oder Briketts nell in Deutschland starke Mittelschicht unsi-

53 chere, entbehrungsreiche Jahre. Allein schon Den galoppierenden Preisen konnten die Löh- der Erhalt des Lebensstandards war ein ne, Gehälter, Renten, Zinsen oder andere feste sprichwörtlicher Tanz auf dem Drahtseil. Erträge nicht folgen. Die Reallöhne sanken in Die monatliche Inflationsrate betrug in mehreren Schritten auf unter 40% des Vor- Deutschland im Herbst 1923 bis zu 29.525%. kriegsniveaus. Durch den Kaufkraftmangel Übersetzt heißt dies, dass sich in den fünf Jah- verloren auch Immobilien ihren Wert. Das ren zwischen 1918 und 1923 der Preis für ein Ei chaotische Geldwesen machte schlussendlich um fünfhundert Milliarden Mark erhöht hat- eine funktionierende Wirtschaft unmöglich. te. Die Inflation zeigte sich jedem Menschen Seit Herbst 1922 erfüllte die Mark nicht mehr im rasanten Preisanstieg und im Verfall des die grundlegenden Funktionen des Geldes, Wechselkurses mit anderen Währungen. Mit- als Wertspeicher, als Tauschmittel und Re- te August 1923 konnte man mit einer Million cheneinheit. Erst die Regierung von Gustav Mark noch etwa 1/2 Kilogramm Butter kaufen, Stresemann stoppte die Notenpresse. Mit der 4 Kilogramm Brot oder 1 Kilogramm Rind- Einführung der Rentenmark gelang Ende 1923 fleisch. Ende September kostete 1/2 Kilo- ein Neustart. gramm Butter oder 1 Kilogramm Rindfleisch Mit der Hyperinflation waren auch die gesell- bereits 50 Millionen Mark. Einen Monat spä- schaftlichen Spannungen gestiegen und die ter, Ende Oktober 1923, musste man für 1/2 politische Mitte in der Saalestadt erodiert. Kilogramm Butter 6.000 Millionen, für 1 Kilo- Radikale Linke und Rechte polarisierten. Den- gramm Rindfleisch 3 Milliarden und für ein noch agierte die Stadtverwaltung Halles un- Kilo Brot 680 Millionen bezahlen. Die Groß- ter dem Oberbürgermeister Richard Robert handelspreise stiegen zwischen 1913 und 1920 Rive in diesen Jahren effektiv und besonnen. um 1.700% und der Dollarkurs auf 2.400%. Sie war in der Lage, die Produktion und Ver- Am 30. November 1923 stand der Kurs eines teilung der ständig notwendigen neuen Zah- Dollars bei 4.200.000.000.000 Mark. lungsmittel zu organisieren. Sie linderte die tägliche Not durch vielfältige Maßnahmen, wie die Hallische Volksspeisung für die Hun- gernden, durch Wärmestuben für Arme, und andere Hilfen mehr. Erich Neuss urteilte 1931, dass die Wohlfahrtspflege »ein Ruhmesblatt in der Geschichte der hallischen Stadtverwal- tung« genannt werden darf.1 Diese Hand- lungsfähigkeit ist aus heutiger Sicht immer noch erstaunlich. Die Gründung der Stadt- bank, der Mitteldeutschen Hafen AG, der Bau einer neuen Fabrik der Schokoladenfirma Most oder der Beschluss zum Bau eines mit- Stadt Halle, 50 Pfennig, 1. Mai 1920, Auflage 1.188.100 Exemplare, 8,2 x 5 cm, gestaltet von einer Schülerin der teldeutschen Flughafens in Schkeuditz ver- Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein nach einem deutlichen eine bewundernswerte Zukunfts- Entwurf von Maria Likarz, Lithographie Druckerei Carl Warnecke, Halle (Saale), Druck Johannes Kratz Leipzig zuversicht. Zweifellos eine der wichtigsten Leistungen der Stadt war die Linderung der

54 Zoologischer Garten Halle, 50 Pfennig, September 1921, 7,7 x 7,1 cm, Entwurf Franz Dubbick, Druckerei Gantz & Fuß, Halle (Saale)

55 Wohnungsnot. Zwischen 1919 und 1930 ent- standen tausende neue Wohnungen. Doch nicht zu übersehen sind auch die Stilllegun- gen von Straßenbahnlinien, die Teilschlie- ßung des Städtischen Museums für Kunst und Kunstgewerbe. Ursache der Geldentwertung waren die Defi- zite in den öffentlichen Haushalten, die sich im 1. Weltkrieg verfestigten und danach durch den Druck der Reparationen und die Ausga- benexplosion immer weiter gesteigert hat- ten. Die Geldmenge stieg allein während des 1. Weltkrieges von ca. 110 auf 430 Mark pro Kopf, während die Warenproduktion, vor al- lem der Export, abnahm und zuletzt zusam- menbrach. Ende 1918 hatte das Deutsche Reich 15 Milliarden Goldmark Schulden durch seine defizitäre Außenhandelsbilanz. Und der

Handelskammer zu Halle, 1 Goldmark, 15. November Kurs an den Devisenmärkten war auf 55% des 1923, Druck Gebauer & Schwetschke, Halle, Auflage Vorkriegsniveaus gesunken. insgesamt im Wert von 2.309.130 Goldmark, 11,2 x 7 cm Mit der Hyperinflation entschuldete sich der Staat in radikalster Form auf Kosten der Bevöl- kerung. Alle nicht in Devisen ausgedrückten Verbindlichkeiten verschwanden in kürzester Zeit. Doch verursachte die Geldentwertung im Inland auch eine neue Auslandsverschul- dung, die 1929, zusammen mit dem Börsen- crash an der Wall Street, das Land ungeschützt in eine bis dahin nicht dagewesene Weltwirt- schaftskrise stürzen ließ. Der Wohlstand des 1914 noch wirtschaftlich stärksten Staates des europäischen Kontinents war in großen Teilen nach der Hyperinflation aufgebraucht. Der bekannte Nationalökonom Adolf Weber ur- teilte, dass die Inflation den deutschen »Volks- wohlstand viel schwerere Wunden zugefügt (hat), als der verderben bringende vierjährige 2 Stadt Halle, 20 Pfennig, Juli 1921, Auflage 55.000 Krieg«. Exemplare, 5,7 x 6,7 cm, Entwurf Paul Thiersch, Druckerei Bereits im Jahr 1915 musste die Stadt Halle Carl Warnecke, Halle (Saale), aus der Serie historisch bedeutender Persönlichkeiten zur Durchsetzung von Rationierungen die Ausgabe von »Kriegsbrot- und Speisemar-

56 ken« veranlassen. Im März 1917 folgten risch anspruchsvollen Geldscheine sind vor- 200.000 50-Pfennig und 500.000 10-Pfen- zügliche zeitgeschichtliche Quellen, die nicht nigstücke zur Linderung des kriegsbedingten nur die ästhetischen Vorstellungen dieser Kleingeldmangels, im April musste die vorge- Jahre, sondern auch das Geschichtsbild und sehene Summe durch 307.104 Papiernotgeld- die Selbstwahrnehmung der Stadt Halle be- scheine noch erhöht werden, da Banken und zeugen.3 Fabriken kein Kleingeld zur Lohnauszahlung 1 Erich Neuss: Die hallesche Stadtverwaltung 1906–31, mehr zur Verfügung stand. Die Zahlungsmit- Abschnitt: Das kommunale Schicksal der Stadt Halle telknappheit spitzte sich immer weiter zu. 1919–1931.

Die Stadt emittierte 1918 Nominale zu 5 und 2 Zitiert nach Richard Gaettens: Inflationen, 20 Mark, 1922 zu 100 und 500 Mark und zwi- München 1955, S. 270. schen August und November 1923 Scheine 3 Umfassend dazu: Sven Koch: Notgeld im ehemaligen zwischen 100.000 und 500 Milliarden Mark. Regierungsbezirk Merseburg zwischen 1914 und 1924, Dipl. Arbeit Hochschule für Technik, Wirtschaft und Darüber hinaus ließ die Reichsbank z.B. in Kultur Leipzig, Leipzig 2001; und: Kurt Biging: Geldscheine der Druckerei der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale 1916-1992, Halle 2003. Reichsbanknoten drucken. Allein in Halle lie- ßen 46 Emittenten insgesamt 480 Emissio- nen drucken. Die Quantität der einzelnen Ausgaben erscheint aus heutiger Sicht fast unglaublich. Allein zwischen August und De- zember 1923 ließ die Stadt annährend 2,2 Mil- lionen Scheine in verschiedenen Nominalen herstellen. Insgesamt sollen 500 bis 600 ver- schiedene Arten von Notgeld in Halle umge- laufen sein, was wegen der völligen Unüber- sichtlichkeit für jedermann ein mühevolles Ärgernis im täglichen Zahlungsverkehr be- deutete. Richard Gaettens berichtete, dass allein wegen fehlendem Papier im Sommer 1923 die hallesche Druckerei Gebauer & Schwetschke einen umfänglichen Auftrag der Reichsbank zum Banknotendruck nicht an- nehmen konnte. Die Stadt ließ ihre Geldscheine auch von be- kannten Künstlern gestalten, die hauptsäch- lich an der Kunstschule Burg Giebichenstein Des Deutschen Volkes Leidensweg, 1923, Medailleur tätig waren. Dazu gehörten die Textilgestal- E. Mitlehner, Prägung Metallwarenfabrik Mittweida, terin Johanna Schütz-Wolff, die Emailkünstle- Messing geprägt, Dm. 3,2 cm rinnen Maria Strauss-Likarz und Klara Maria Am I. XI.1923 KOSTETE 1 CENTNER KRISTALLZUCKER 300 MILLIARDEN, 1923, unbekannter Hersteller, Tarnay-Kuthe sowie der Rektor der Kunst- Messing geprägt, Dm. 3,2 cm schule Paul Thiersch. Vor allem die künstle-

57 58 Neues Bauen Die Dreieinigkeitskirche der Franziskaner in Halle-Süd

Matthias Schwenzfeier

Unter den mehreren Tausend Menschen, die Verschiedene Gründe unterstützten Ulrichs vor knapp hundert Jahren in die wegen der Pläne. Zum einen wäre ein ansprechendes Industrialisierung neu entstandenen Wohn- neobarockes Kirchengebäude für die damali- viertel im Süden der Stadt Halle zogen, befan- ge Situation zu teuer und zu klein gewesen. den sich zahlreiche Katholiken. Ihre seelsorge- Auch wäre ein Kirchturm mit Blick auf den da- rische Betreuung wurde immer drängender. mals schon geplanten Wasserturm Süd städ- Die 1920 wieder zur Mission in der Stadt täti- tebaulich nicht vernünftig gewesen. Weiter- gen Franziskaner wurden gebeten, diese Be- hin erkannten die weitsichtigen Verantwortli- treuung zu übernehmen. Die junge Gemeinde chen schon damals, dass Ulrich in seinen Ent- wuchs sehr schnell, weswegen ein Gelände in würfen Ideen im Kirchenbau umsetzte, die der Lauchstädter Straße erworben wurde. ihrer Zeit weit voraus waren. In den Jahren 1923/24 wurden vom Architek- Ulrich arbeitete im Architekturbüro seines ten Clemens Lohmer das Kloster und ein Bet- Onkels Gustav Wolf (Haupttribüne der Ga- saal im neobarocken Stil geplant und gebaut. lopprennbahn) und übernahm dieses nach Bedingt durch die weiterhin sehr rasch wach- dessen Tod. Durch sein Engagement im Kura- sende Gemeinde, legte Lohmer schon im fol- torium der Handwerkerschule stand er in un- genden Jahr den Verantwortlichen der Ge- Der Kirchenneubau wächst rasch empor. meinde mehrere Pläne für den Bau einer Im Hintergrund ist der Wasserturm Süd zu erkennen. neobarocken Kirche vor. Neben Lohmer prä- sentierte auch der Architekt Wilhelm Ulrich (1890–1971) seine Entwürfe. Ulrich, geistig verbunden mit der liturgischen Bewegung und ein Architekt der Moderne, überzeugte die Verantwortlichen der Pfarrei von seinen Entwürfen.

Einfache Materialien in klaren, funktionsgerechten Formen üben auch ohne zusätzliche Schmuckelemente ihren Reiz aus.

59 Beim Bau der Dreieinigkeitskirche entwickel- Der Altar im Mittelpunkt einer Raumwabe te Ulrich einen hexagonalen Grundriss, bei und im Blickzentrum aller Besucher. dem drei Seiten in die Länge gezogen wur- den, die so dem Patronat folgten, als ein Drei- mittelbarem Kontakt u. a. mit Richard Robert eck mit abgestumpften Ecken wahrgenom- Rive, Gerhard Marcks, Paul Thiersch und Mar- men zu werden. In die südliche Wand integ- tin Knauthe. Später beschäftigte er sogar Erich rierte er eine Raumwabe, die den Altarraum Consemüller (ehem. Schüler von Itten, Klee, beherbergt. Dieser wird von einem Baldachin Kandinsky und Gropius) als Hochbautechniker überdacht, der, von sechs schmalen Säulen in seinem Architekturbüro. getragen, die Bibliothek der Franziskaner ver- Im Gegensatz zu den Architekten jener Zeit birgt. Vorbild für die Anordnung der Gemein- favorisierte Ulrich den hexagonalen Grundriss. debänke ist der altchristliche Gedanke eines Ausgehend von einem Kreis als Ideal, der ca. elf Zentralbaus. Prozent weniger Umfang als ein Quadrat glei- Ulrich interpretiert jedoch diesen Zentralbau cher Fläche hat, entwickelte er, inspiriert von vollkommen neu und ordnet die Bankreihen Vorbildern aus der Natur, seine hexagonalen halbzentral von drei Seiten um den Altar an. Entwürfe. Für Ulrich war das Hexagon ein für Die Blicke der Gläubigen konzentrieren sich menschliche Zwecke anwendbar gemachter somit von drei Seiten auf den Altar und ge- Kreis. Wie die Architekten des Bauhauses folg- währleisten eine innerliche und äußerliche te er dem Bauideal »die Form folgt der Funkti- Teilnahme, gepaart mit einem einzigartigen on«, jedoch sollten seine Bauten »klar wie Gemeinschaftsgefühl. Bemerkenswert ist die Kristall und rhythmisch wie Musik sein«. Tatsache, dass der 400. Besucher dieser Kir-

60 che näher am Altar sitzt, als der 300. Besu- cher einer gleich viele Plätze zählenden Lang- Die goldfarbenen Säulen des Altarraumes sind dekorativ und statisch wichtig. hauskirche. Die Kirche wurde von Ulrich ohne störende Säulen und Deckenträger als ein kompletter zusammenhängender Raum konzipiert. Um dies zu erreichen, verwendete er als Herzstück der Architektur die Stahlbetonbauweise. Auf sechs schlanken Säulen, von denen nur zwei sichtbar sind, ruhen der Lichtgaden mit Um- gang, die Glockenstube und große Teile der Deckenkonstruktion. Der den verkleinerten Grundriss abbildende und um 180 Grad ge- drehte Lichtgaden erhebt sich im Zentrum des Hauptraumes auf eine Höhe von 17,5 m. Die Fenster im oberen Teil sind durch einen Umgang verdeckt, wodurch ein indirekter und somit milderer Lichteinfall gewährleistet wird. Dieser Umgang ist nicht als Empore konzi- piert, sollte aber durchaus der Darbietung von »kleinen Gesangs- und Musikstücken aus Himmelshöhen« dienen, so der Architekt. Auf Über dem nördlichen Festeingang ist eine dem Lichtgaden wurde, wiederum im verklei- Empore mit Doppelfunktion eingezogen wor- nerten Grundriss, aber in ursprünglicher Lage, den. Zum einen ist sie eine klassische Sänger- die Glockenstube aufgesetzt. empore mit dem Spieltisch für die Orgel, zum anderen bildet sie die Decke für die Taufka- Blick von der Orgelempore auf die Anordnung pelle. Da die Taufkapelle einige Stufen tiefer der Bänke zum Altarraum hin. liegt und die Empore die lichte Höhe be- grenzt, steigert sich mit jedem Schritt in Rich- tung Altar die Wirkung des sich öffnenden Hauptraumes auf den Besucher. Die vom Architekten entwickelte Farbkonzep- tion ist Bestandteil der Architektur und erfüllt einzigartig liturgische, künstlerische und strukturgebende Aufgaben. Die Farbgebung wird von Rot- und Blautönen bestimmt, wobei weite Flächen der Wände in einem beruhigen- den Elfenbeinweiß gehalten sind. Die über die letzten ca. neun Jahrzehnte immer wieder veränderte Kirche wurde 2010 wenigstens farblich ihrem Originalzustand angenähert.

61 anzeige halle moderne A5 190111.qxp_Layout 1 11.01.19 14:42 Seite 1

Die größte Herausforderung bei der äußeren Sachsen-Anhalt – Land der Moderne Gestaltung der Kirche bestand für Ulrich dar- in, diese mit dem neobarocken Klostergebäu- de harmonisch zusammenzufügen. Dass Ul- rich vom Kloster die Dachlinien in Trauf- und Firsthöhe aufnahm und um die Kirche her- umführte, erwies sich als gelungen. Inspiriert vom Patronat der Kirche, gestaltete er die Dachflächen der Glockenstube in Form von drei riesigen Pfeilen, die sich an der Spitze der Kirche vereinigen und auf das, so der Archi- tekt, »alles bekrönende Kreuz« weisen. Die weißen Betonrippen der Orgelempore Für das derzeitige künstlerische Konzept der sichern deren Stabilität und sollen die Wirkung Kirche aus der Mitte des letzten Jahrhunderts der Prospektpfeifen aufnehmen. ist der Künstler Rudolf Brückner-Fuhlrott Michael Ulrich und (1908–1984) verantwortlich. Von ihm stam- Matthias Schwenzfeier men das monumentale Kreuz, die Marien- Weitergehende Informationen: Dreieinigkeitskirche der Dreieinigkeitskirche der und Josephsstatue, der Kreuzweg und die Franziskaner in Halle-Süd. Kunstführer Nr. 47. Verlag Janos Franziskaner in Halle-Süd Fensterverglasungen. Stekovics. ISBN: 978-3-89923-345-2. STEKO-Kunstführer – No. 47

Blick vom Altarraum hinauf zum Lichtgaden. 32 Seiten, 48 farbige Abbildungen Broschur, 12 × 17 cm, 3,90 EUR ISBN 978-3-89923-345-2

Andreas Hillger Land der Moderne Annäherung an einen Aufbruch in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur

Kulturreisen in Sachsen-Anhalt · Band 15 Herausgegeben von Christian Antz

192 Seiten, 207 farbige Abbildungen, Broschur, 14 × 21 cm, 16,80 EUR ISBN 978-3-89923-351-3

Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts haben als eine Zeit voller wirtschaft- licher und politischer, sozialer und ästhetischer Umbrüche auch auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt bleibende Spuren hinterlassen. Historische Städte erfuhren unter dem Einfluss der rasant wachsenden Industriebetriebe eine tief greifende Änderung, neue Siedlungen sollten den steigenden Bedarf an Wohn - raum befriedigen ... und während in Hochschulen wie dem Bauhaus Dessau oder der Burg Giebichenstein Halle um das Bild der Moderne gerungen wurde, stritten Reformer und Revolutionäre über die Zukunft der Gesellschaft. Dieses Buch weist Wege zu Orten und Personen, deren Namen mit dieser aufregenden und aufge - regten Epoche verbunden sind – eine Spurensuche im „Land der Moderne“. 62 V E R L A G J A N O S S T E K O V I C S | www.steko.net | mail: [email protected] | phone: +49 34607 21088 | fax: +49 34607 21203 anzeige halle moderne A5 190111.qxp_Layout 1 11.01.19 14:42 Seite 1

Sachsen-Anhalt – Land der Moderne

Michael Ulrich und Matthias Schwenzfeier

Dreieinigkeitskirche der Franziskaner in Halle-Süd

STEKO-Kunstführer – No. 47

32 Seiten, 48 farbige Abbildungen Broschur, 12 × 17 cm, 3,90 EUR ISBN 978-3-89923-345-2

Andreas Hillger Land der Moderne Annäherung an einen Aufbruch in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur

Kulturreisen in Sachsen-Anhalt · Band 15 Herausgegeben von Christian Antz

192 Seiten, 207 farbige Abbildungen, Broschur, 14 × 21 cm, 16,80 EUR ISBN 978-3-89923-351-3

Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts haben als eine Zeit voller wirtschaft- licher und politischer, sozialer und ästhetischer Umbrüche auch auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt bleibende Spuren hinterlassen. Historische Städte erfuhren unter dem Einfluss der rasant wachsenden Industriebetriebe eine tief greifende Änderung, neue Siedlungen sollten den steigenden Bedarf an Wohn - raum befriedigen ... und während in Hochschulen wie dem Bauhaus Dessau oder der Burg Giebichenstein Halle um das Bild der Moderne gerungen wurde, stritten Reformer und Revolutionäre über die Zukunft der Gesellschaft. Dieses Buch weist Wege zu Orten und Personen, deren Namen mit dieser aufregenden und aufge - regten Epoche verbunden sind – eine Spurensuche im „Land der Moderne“. 63 V E R L A G J A N O S S T E K O V I C S | www.steko.net | mail: [email protected] | phone: +49 34607 21088 | fax: +49 34607 21203 Spurensuche Gedenktage bedeutender Persönlichkeiten, Einrichtungen und Unternehmen

Die Wendezeit1 im Fokus die Deutsche Volkspoliziei (DVP) und das MfS wirklich verlassen könne. des Ministeriums Am 3.11.1989 legte das MfS in einem 4-Punk- für Staatssicherheit (MfS) te-Plan das Vorgehen des Geheimdienstes gegen die Demonstranten in Halle und deren Dr. André Gursky »Angriffe gegen das MfS«, wie es hieß, fest. Zentrale Methode: verstärkter Einsatz von In- »Freiheit für meine Akte«2 – Staatssicher- formanten und Spitzeln. Anfang November heit am Ende? 1989 erreichte eine Weisung des MfS/Abt. »Müssen uns auf Angriff einstellen.« Dieser Nachrichten die Diensteinheit im »Roten Vermerk findet sich in den namentlich nicht Ochsen«. Die Haftanstalt war im Bereich MfS- gekennzeichneten handschriftlichen Auf- UHA (Untersuchungshaftanstalt) an das so zeichnungen eines MfS-Offiziers über eine genannte abhörsichere Regierungsnetz, das Leiterberatung am 11.11.1989 unter Genosse Wtsch-Netz angeschlossen. »Offener UKW- Schöppe. »Die Lage ändere sich fast stünd- Verkehr ist nur im äußersten Notfall zulässig, lich.«3 Vier Tage zuvor legte ein »Einsatz- heißt es in dem Schreiben über die »Sicher- plan« der MfS Abt. XIV im »Roten Ochsen« heit der Nachrichtenübermittlung«. »In ers- unter Leitung von Oberstleutnant Konrad ter Linie sind die gedeckten Nachrichtenver- und dessen Stellvertreter, Hauptmann bindungen, wie: 1. Wtsch-Verbindungen, 2. Moczall, die sofortige Bereitstellung von Chiffrierverbindungen, 3. Kurzwellenfunkver- Schutzmasken und Stahlhelmen fest, die bindungen zum Nachrichtenaustausch zu Wachtürme wurden mit MPi ausgerüstet, die nutzen.« In diesen ereignisreichen Tagen, we- Tore zusätzlich mit Vorlegebalken verriegelt. nige Zeit vor dem Fall der Berliner Mauer, ap- Das Anwachsen der Demonstrationen in Hal- pellierte Stasi-Chef Erich Mielke persönlich le und »allen Teilen des Landes« wird als an alle MfS-Mitarbeiter und rief dazu auf, »konterrevolutionäre Situation« gewertet. durchzuhalten, standhaft zu bleiben und Resigniert wurde bereits Anfang November noch enger zusammen zu stehen. Das Schrei- festgestellt, dass ein militärisches Vorgehen ben erreichte auch den »Roten Ochsen«. »Ich gegen die Demonstranten auf Grund der ge- bin gewiss«, führte Mielke aus, »dass Ihr Euch bildeten Masse nicht mehr möglich wäre. in dieser großen Bewährungsprobe für unse- Der Bericht der Abt. VII des MfS stellte her- re Partei, für die Arbeiter- und Bauernmacht aus, dass sich die Staatsmacht nur noch auf und für unser Ministerium für Staatssicher-

64 heit auch weiterhin mit politischer Standhaf- tigkeit und Leidenschaft für unsere Sache einsetzt – so, wie wir das als Tschekisten im- mer getan haben.« Ausgehend von diesem Appell legte die Ab- teilung Kader/Schulung des MfS, nunmehr bereits als Bestandteil des »Bezirksamtes für Nationale Sicherheit Halle« am 21.11.1989 »Maßnahmen« fest, die auf eine Durchdrin- gung mit MfS-Mitarbeitern in verschiedene operativ relevante Bereiche abzielten. Unter Punkt 3 ist festgehalten: »Die Übernahme von Angehörigen des MfS in die DVP u. a. Or- gane des MdI (Ministerium des Innern) der DDR wird zentral durch die Abteilung Kader und Schulung in Abstimmung mit den Kader- organen der BDVP (Bezirksbehörde der DVP) realisiert.« Ein Papier von weit reichender Konsequenz. Immerhin strebte der Geheim- dienst nicht weniger an, als den zivilen ge- sellschaftlichen Bereich noch intensiver zu MfS-Hafthaus A durchdringen. 1990er Jahre Es war denn auch die BDVP, die im Dezember 1989 den Einsatzbefehl zur Absicherung der prozesse, der Archivierung, Aufbewahrung Haftanstalt »Roter Ochse« erhielt, um die oder Vernichtung operativen Schriftgutes Entnahme und Vernichtung von Aktenbe- und aller mit Erfassungs- und Speicherpro- ständen zu verhindern. Hatten die Befehlsge- zessen zusammenhängenden Fragen, ein- ber damit etwa wissentlich oder unwissent- schließlich IM/GMS« durch eine entsprechen- lich den »Bock zum Gärtner gemacht?« Das de geheimdienstliche Kommission im Bezirks- MfS behielt demnach in Halles Haftanstalt amt, der angehörten: OSL Eichapfel (Leitung), den kontrollierenden Durch- und Überblick. OSL Rauch, Major Steffens, Major Berger, Ma- Am ersten Dezembertag des Jahres 1989, ge- jor Kommol, Major Schramm, Major Müller, nau acht Tage vor der Amtsenthebung des Major Sroda, Major Nebelung und Haupt- Generalmajors Schmidt in Halle, informierte mann Pyka. dieser noch über die »Bildung einer zeitweili- Nach Auskunft von Zeitzeugen vernichteten gen Kommission im Amt für Nationale Si- Mitarbeiter des Geheimdienstes permanent cherheit« mit dem Aufgabenspektrum: »Kon- Schriftgut. In diesem Kontext forderte Gene- zeptionelle Vorbereitung und Koordinierung ralmajor Schmidt am 5.12.1989 alle Leiter der aller im Zusammenhang mit der Prüfung und BV (Bezirksverwaltung) dazu auf, die Mitarbei- Entscheidung über die Fortsetzung/Beendi- ter darüber zu informieren, die Mitnahme von gung operativer Bearbeitungs- und Kontroll- Schriftgut außerhalb der Dienstobjekte zu un-

65 tersagen. VP-Angehörigen sei es gestattet, MfS-Offizieren bemerkte: »Wir sind nicht da- Fahrzeuge und Behältnisse von Mitarbeitern vor gefeit, dass wir einmal einen Schuft unter zu kontrollieren, betonte Schmidt vorsorglich. uns haben. Wenn ich das schon jetzt wüsste, Dennoch: »Für die unmittelbare Aufgabener- würde er ab morgen nicht mehr leben. Kurzer füllung nicht benötigte Unterlagen sind Prozess.« Formalitäten waren für Mielke ent- grundsätzlich in den Panzerschränken aufzu- behrlich: »Das ganze Geschwafel von wegen bewahren. Diese sind verschlossen zu halten«, nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil – al- heißt es abschließend in dem Papier. les Käse, Genossen. Hinrichten, wenn not- Der Geheimdienst sah sich im Wandel begrif- wendig auch ohne Gerichtsurteil.«4 Für man- fen. Wie hier das Selbstverständnis auf den che Bedienstete in den Haftbereichen der Punkt gebracht wird, dazu später. Zunächst, DDR angesichts der scheinbar unüberschau- am 17.11.1989 – in einem MfS-internen Papier bar werdenden Situation und der Zunahme wird ein Vorschlag von Hans Modrow als Vor- gleich Tausender von »Schuften« in der DDR sitzender des Ministerrates der DDR »zur – auch Jahre später noch eine reale Option. grundsätzlichen Neubestimmung der Aufga- Die Mitarbeiter des MfS, erinnern sich Zeit- ben und zur Reorganisation des Ministerra- zeugen, nahmen die Anwesenheit von Ver- tes, der einzelnen Ministerien und weiterer tretern des Bürgerkomitees Halle in ihren staatlicher Organe und Einrichtungen« ange- Diensträumen sehr gelassen. Im Dezember kündigt und damit auch die Bildung eines 1989 fand auch eine Begehung der UHA »Amtes für Nationale Sicherheit« (AfNS) in des MfS »Roter Ochse« statt. Der gesamte Erwägung gezogen – informierte die Haupt- Komplex Am Kirchtor unterstand seit dem abteilung VII des MfS über den »Stand der 11.12.1989 der BDVP. Nach Auflösung der MfS- Entlassungen gemäß Beschluss des Staatsra- Kreisdienststellen war das dort noch vorhan- tes der DDR zur Durchführung einer Amnes- dene Schriftgut nach Halle in den »Roten tie vom 27.10.1989«. Hierin heißt es: »Mit Ochsen« transportiert worden – quasi flä- Stand vom 17.11.1989 wurden aus der StVE chendeckend aus dem gesamten Bezirk Halle. (Strafvollzugseinrichtung) und JH (Jugend- Der Militärstaatsanwalt und Bürgervertreter, haus) entlassen: 1.630 von insgesamt 1.928 zu so berichtete das SED Presseorgan »Freiheit« amnestierenden Strafgefangenen, davon rückblickend noch im März 1990, sichteten 1.336 der insgesamt 1.507 allein gemäß § 213 seither den Aktenbestand, um zu entschei- StGB Verurteilten. Aus den UHA wurden 945 den, was weiter aufbewahrt werden sollte Verhaftete entlassen.« Eine Bilanz, die nur und was nicht. »Erstaunlich«, heißt es in dem wenige Wochen zuvor noch hätte ganz an- Pressebeitrag, »was die Stasi so alles hortete. ders ausfallen können. »Züge aus Botschaf- Alte Landkarten, Schmöker, Kriegsorden, Hef- ten gleich in die StVE’n durchfahren lassen, ter mit Aktfotografien, Dinge, die sicher ir- Rädelsführer herauslösen, erschießen« Eine gendwann einmal eingezogen worden wa- allen Ernstes angesprochene Variante für den ren. Mehr Aufmerksamkeit erregten dagegen Umgang mit den Ausreiseantragstellern und vielerlei Beweisstücke der unseligen Stasi- Botschaftsflüchtlingen – offenbar ganz nach Methoden, so u.a. Kontaktfotos, Namenslis- dem Geschmack von Erich Mielke, der noch ten, Beobachtungsprotokolle, Personennach- zu Beginn der 80er Jahre in einer Rede vor weise und ähnliches mehr.« Es wurde vorge-

66 sehen, das »Zwischenlager« von MfS-Hinter- lassenschaften im »Roten Ochsen« bis Ende links: Haupthaus mit Trennungsmauer MfS/MdI 1970er Jahre März 1990 aufzulösen. Doch bis dahin liefen rechts: Haftanstalt 1990er Jahre die Reißwölfe heiß. Vertreter des Bürgerkomi- tees in Halle konnten in der Nacht vom 4. zum 5.12.1989, gegen 1.30 Uhr direkt mit an- walt Wolf verfügte noch am gleichen Tag die sehen, wie ein LKW das AfNS Am Gimritzer Versiegelung der Aktenbestände in den ge- Damm ungehindert verlassen hatte. Staats- nannten Einrichtungen. Ein wohl notwendi- anwalt Fichtler versuchte am Tag darauf zu ger Schritt, der die MfS-Profis jedoch kaum beruhigen, den Geheimdienstlern sei mitge- noch beeindruckte. »Wir haben die Versiege- teilt worden, Akten nicht zu vernichten. Blau- lungen später wieder geöffnet und Aktenma- äugig, wer es dabei bewenden ließ. Zumin- terial weiter vernichtet«, berichtet einer der dest konnte festgestellt werden, dass die damals beteiligten Stasi-Offiziere. »Und als BDVP zwar die einstige BV des MfS äußerlich die Bürger später erneut die Räume inspizier- überwachte, »die Strafvollzugseinrichtung ten, da waren die Versiegelungen natürlich Am Kirchtor und der Rat des Bezirkes«, heißt alle in Takt, wenn auch die Unterlagen nicht es in einem Pressebericht der »Freiheit« vom mehr so vollständig waren. Hatte jemand 8.12.1989, »waren dagegen überhaupt nicht Zweifel, dann hatte er sich eben getäuscht. So gesichert. Der Bezirksstaatsanwalt bekam einfach war das.«5 Ein Vorgehen, das im ge- Verdachtsmomente zur Kenntnis, die auf eine samten DDR-Maßstab auf die eine oder an- Vernichtung von Unterlagen schließen lassen dere Weise sicher nicht ohne Erfolg zur An- mussten.« Der amtierende Militärstaatsan- wendung kam. Aber auch diese Vorgänge

67 über Bürger, die in bestimmten sicherheits- politischen Positionen im In- und Ausland eingesetzt waren und vom MfS überprüft wurden (Geheimnisträger, Reise- und Ver- handlungskader), Unterlagen über so ge- nannte Inoffizielle Mitarbeiter (Karteien, Per- sonalakten), Unterlagen der ehemaligen Kreisdienststellen des MfS. Es erstaunt, dass sämtliche personenbezogenen Opferakten und OV keiner Auswertung zugeführt wer- den sollten. Lediglich waren alibimässige Zelle 1970er Jahre Stichproben für die autorisierte Gruppe vor- gesehen. Unglaublich allerdings sind weitere waren im Detail differenzierter. So berichtet Vorschläge der staatlich-zivilen Aktenverwal- ein Zeitzeuge bereits ein Jahr nach den »Ver- ter, wo Offiziere des MfS selbst über die Ver- siegelungsaktionen«: »Man stelle sich das nichtung ihrer eigenen Unterlagen frei ent- vor. Das Material über aktive IM blieb unein- scheiden und befinden sollten, nämlich über geschränkt zugänglich. Die Staatsanwalt- Kaderunterlagen (Personalakten) der haupt- schaft hatte uns nachdrücklich deutlich ge- amtlichen Mitarbeiter der ehemaligen BV, macht, dass es um die Versiegelung der Archi- Unterlagen der Allgemeinen Verwaltung der ve, nicht aber um die Versiegelung operativen ehemaligen BV (Finanzbelege, Inventurunter- Materials gehe. Und wir braven Bürger von lagen, Haushaltspläne und -berichte). Zum der Straße, die wir nicht die Mechanismen Glück fanden die Vorstöße von Dr. Engelhardt kannten und nicht wussten, welchen Scha- im Bezirk Halle keine Berücksichtigung. Ge- den wir anrichten, beugten uns.«6 nau eine Woche später meldete das einstige Bezirksmuseum Halle in der Lerchenfeldstra- Doch was sollte mit den vermeintlich ße (damals »Otto-Schlag-Haus«) Interesse an und tatsächlich gesicherten Unterlagen den MfS-Hinterlassenschaften an, weniger geschehen? am Schriftgut als vielmehr an Objekten. Die 3. Januar 1990: In einem von Oberarchivrat Dr. autorisierte Gruppe in Halle war ab Januar Engelhardt vom Staatsarchiv Magdeburg un- 1990 in die, wie es hieß, »Verfahrensweisen terzeichneten Papier erfolgten Vorschläge der Selektierung und Aufbereitung des über die Verwendung von MfS-Schriftgut. Schriftgutes« des MfS vollends integriert. Folgende Bestände sollten auf Vorschlag des Eine solche Sichtung der Akten nahmen Bür- Staatsarchivs an die autorisierte Gruppe des gervertreter und MfS-Offiziere gemeinsam Bürgerkomitees Halle vernichtet werden: Ak- vor, wie Beratungsprotokolle der autorisier- ten über Personen, die entsprechend der Si- ten Gruppe vom Mai 1990 belegen. Doch zu- cherheitsdoktrin des MfS bearbeitet und kon- nächst, in den Vormonaten des Jahres 1990, trolliert wurden (operative Vorgänge/OV, traten Überlegungen in den Vordergrund, wie operative Personenkontrollen/OPK, Karteien), die entsprechenden Stasi-Objekte zu beräu- Personendossiers bzw. Auskunftsdokumente men sind. Am 20.02.1990 erfolgte ein Proto-

68 kollvermerk, wonach Räumungsbeginn nun- 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (Stug) in mehr auch Am Kirchtor für die Abt. VIII, IX, Kraft. Doch blieb hier, wie auch in manch ande- XIV und XX sei. Der Abtransport des dort ein- ren Abläufen des deutsch-deutschen Zusam- gelagerten MfS-Schriftgutes aus den Objekt- menwachsens und der Problematik einer Ver- und Kreisdienststellen des MfS erfolgte ab gangenheitsaufarbeitung ein fader Beige- 6.03.1990 (Abschluss bis 31.03.90) in das Ob- schmack, folgt man den Recherchen des Welt- jekt der ehemaligen MfS BV Halle Am Gimrit- Journalisten Uwe Müller. Die für die Akten- zer Damm. Bis zu diesem Zeitpunkt, dem verwaltung im Sinne der Bürgerbewegung und 13.03.1990 waren die meisten MfS-Mitarbei- dem vielfach zitierten Slogan: »Freiheit für ter entlassen worden. Für den Auflösungspro- meine Akte!« zuständige Behörde, benannt zess selbst standen noch 80 hauptamtliche nach ihrem ersten Leiter Joachim Gauck, nann- MfS-Mitarbeiter zur Verfügung. te Müller eine »Behörde mit Geburtsfehlern«.7 Es ist bezeichnend, dass bereits Anfang Juni Warum? Im Juni 1990 wählte die DDR-Volks- 1990 Vertreter des Staatsarchivs Magdeburg kammer Joachim Gauck zum Vorsitzenden ih- auf die Anerkennung der Benutzerordnung res Sonderausschusses zur Kontrolle der Stasi- für Archive (vom März 1990) auch für die MfS- Auflösung. Zum damaligen Zeitpunkt war Unterlagen drängten. »Ein Ministarratsbe- Michael Diestel Generalsekretär der DSU, spä- schluss vom 16.05.1990«, berichtete die Zei- ter trat er in die CDU ein und wirkte gleichsam tung Der Neue Weg, hatte dem Staatsarchiv als letzter DDR-Innenminister. Er wies an, den und anderen Einrichtungen des Ministeriums von den Bürgerkomitees im Dezember 1989 des Innern die alleinige Verantwortung für die erkämpften Aktenbestand des MfS, zu ver- Sicherung, Aufarbeitung und Bewertung des Schriftgutes des ehemaligen MfS übertra- gen.« Das Blatt weist auf das vor 1989 beste- hende operative Zusammenwirken zwischen MdI und MfS in der DDR hin und schlussfol- gerte, dass die Arbeit des Bürgerkomitees da- mit zur Farce werde. »Die ungehinderte Arbeit des Bürgerkomitees muss erhalten bleiben!« Erst zwei Tage vor der Berichterstattung sei der Ausschluss des Bürgerkomitees durch den Leiter des staatlichen Arbeitsstabes im Bezirk Halle wieder aufgehoben worden, doch bis zur endgültigen Erkämpfung eines geregelten Aktenzuganges jenseits der staatlichen Archi- ve mit den entsprechenden Sperrfristen war es noch ein vergleichsweise langer und offen- bar auch nicht unumstrittener Weg.

Zellentür 1990er Jahre

69 nichten, namentlich die Unterlagen der Abt. Frage der Loyalität konnte dabei anfangs nur XV (Auslandsspionage), die direkt der HVA un- spekulativ, wenn überhaupt, zur Disposition terstellt war. An der Spitze der MfS-Auflöser gestellt werden. Das Signal jedoch, das mit berief Diestel Günter Eichhorn, der selbst Mit- Behördenbildung über die unverzichtbare Be- arbeiter der Staatssicherheitsdienstes war – deutung des Herrschaftswissens und damit zum damaligen Zeitpunkt jedoch weitgehend verbundene Geschichtsdeutungen gegeben unbekannt. Es ging bei weitem nicht mehr war, schien unmissverständlich; entsprechen- nur um Personalien, sondern auch um hohe de Reaktionen folgten unmittelbar. Bereits ein Finanzbeträge und zahlreiche Immobilien. Im Jahr nach dem Inkrafttreten des Stug gründe- staatlichen Auflösungskomitee wirkten, so ten ehemalige Offiziere des DDR-Geheim- Müllers Fazit, neben 25 Bürgerrechtlern 70 dienstes unverblümt das so genannte Stasi- hauptamtliche Stasi-Offiziere mit. Eichhorn Insiderkomitee. Auf zahlreichen aufwendig selbst habe Gauck eine Aufstellung von über gestalteten Web-Seiten und in Form der Mit- 100 hohen Stasi-Offizieren übergeben, die bei arbeit und des Einflusses in vielen Gremien, der Behördenbildung einstellungsmäßig zu Publikationen und öffentlichen Veranstaltun- berücksichtigen seien. Die so genannte Eich- gen arbeiten die Stasi-Strategen kontinuier- horn-Liste, so Müller, darunter Offiziere aus lich an einem Geschichtsbild, das, wie es heißt, der engsten »Tafelrunde« des Ministers Erich zur »Versachlichung« der Stasi-Thematik und Mielke, sei in keiner Chronik der Behördenge- zur Ausräumung »außerordentlich vieler schichte vermerkt. Stasi-Offiziere bewegten Missverständnisse« über das Wirken des MfS sich von Anfang an frei und nahezu unkont- beitragen soll. Genau dieses Anliegen umzu- rolliert quasi im staatlichen Auftrag in den setzen zählte bereits zu den letzten Intentio- eigenen Archiven, was auch in den Protokol- nen des neu geschaffenen Amtes für Nationa- len des Bürgerkomitees herausgestellt wird. le Sicherheit (AfNS). In einer »Erklärung des Als Grund ist derselbe zu finden, den Stasi- Kollegiums des Ministeriums für Staatssicher- Mitarbeiter Eichhorn in einem Brief an Gauck heit« vom 15.11.1989 wird dem in konkreten seinerzeit mitteilte und der noch heute viel- Ausführungen Rechnung getragen. Das AfNS fach zitiert wird: das Wissen und die vorhan- sah sich als künftiger Garant eines erneuerten denen Erfahrungen von Insidern seien für die sozialistischen Staates, der nur auf dem Bo- Durchdringung der Archive unverzichtbar. Die den sozialistischer Rechtsstaatlichkeit und Gesetzlichkeit bestehen könne. Es sollte dies jedoch eine Erneuerung mit alten Kadern und mit alten Arbeitsgrundlagen sein, daran lie- ßen auch die Vordenker des AfNS keine Zwei- fel. Es geht vor allem darum – und hier ließ man sprichwörtlich »die Katze aus dem Sack«: »alle Möglichkeiten zu nutzen, um das inoffi- zielle Netz im Operationsgebiet und in der

Haftanstalt Hofbereich 1990er Jahre

70 DDR zu sichern und das Vertrauen in die Zu- möglichst nichts dem »operativen Zufall« sammenarbeit zu erhalten und wieder zu fes- überlassen werden. Ausgehend von einer sol- tigen.« Die schärfste Waffe des DDR-Geheim- chen hohen Prozentzahl bereits erfasster dienstes, die konspirativ, also verdeckt arbei- Überprüfungen erscheinen die von OSL Jonak tenden Spitzel (IM), deren Einsatz und Arbeits- notierten Entlassungen von 27 DVP-Angehö- weise in den aktenkundig belegbaren rigen aus »Unsicherheitsgründen«, wie es Ausmaßen einer »Zersetzungsstrategie«, die heißt, und etliche Wochen vor dem Fall der sich gegen »feindlich-negative Elemente« Mauer geradezu lächerlich. Im Gegenteil: Jo- richtete und auf die Zerstörung der Persön- nak schätzt ein, dass die Abt. VII künftig eine lichkeit abzielte, die also zu diesem Zeitpunkt »wesentliche Rolle« bei der »abwehrspezifi- vielfach nur zu erahnen war, sollte nahtlos in schen Arbeit« zukommen wird – offenbar eine die neue Zeit hinüber gerettet – ja, deren durchaus realitätsbezogene Prognose einer, Funktionalität sogar ausgebaut und gefestigt wie es wörtlich heißt, tiefgründigeren »Durch- werden. Dass eine solche Strategie schon dringung« der polizeidienstlichen Bereiche längst Realität war, zeigen die in den Restun- und der inneren Sicherheit. terlagen des MfS auffindbaren Anweisungen, 1 Nach dem Sturz Erich Honeckers am 18. Oktober 1989 insbesondere die BDVP und das MdI der DDR sprach der neue Generalsekretär der SED, Egon Krenz von geheimdienstlich zu durchdringen. Bereits im einer »Wende« in der DDR. Oktober 1989 wird in einer als VVS-o008 (Ver- 2 Graffito an den Wänden im Ministerium für Staatssicher- trauliche Verschlusssache) gekennzeichneten heit der DDR in Berlin nach dessen Besetzung, zitiert nach Booß, Christian: Die Akteneinsicht, veröffentlicht am vertraulichen Einschätzung der politisch-ope- 24.04.2017 unter www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte. rativen Lage für die Jahresplanung 1990 der 3 BStU, MfS BV Halle, Abt. XIV, Sachakten Nr. 626, S. 11. Wei- Abteilung VII des MfS, zuständig für die Haft- tere Zitate wurden aus Sachakten verschiedener Abteilun- anstalten, von Oberstleutnant Jonak heraus- gen der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung Halle ent- gehoben, dass »notwendige Veränderungen nommen. in der Leitung der BDVP durch eine gute IM- 4 Ausschnitt eines Tonbandprotokolls in: Das MfS. Alltag Arbeit« realisiert werden konnten. »Mit der einer Behörde, von Christian Klemke und Jan N. Lorenzen (Filmdokumentation 2002). Erarbeitung und Übergabe von 20 neutrali- 5 Notizen über ein Gespräch mit einem ehemaligen Offi- sierten Informationen an den Chef der BDVP zier aus der MfS-Bezirksverwaltung Halle (Gursky 1996). Halle bzw. anderer Leitungskader der BDVP 6 Vor einem Jahr – die Entmachtung der Stasi in Halle. Rai- konnte ein wesentlicher Beitrag zur Kadersta- ner Butzke im Gespräch mit Dietmar Webel (Manuskript- bilisierung erreicht und Unsicherheitsfakto- ausdruck). ren vorbeugend beseitigt werden.« Die inten- 7 Vgl. Müller, Uwe, Hartmann, Grit: Vorwärts und verges- sive Durchdringung der Polizeidienststellen sen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe durch den Staatssicherheitsdienst der DDR der SED-Diktatur, Berlin 2009, S. 228 ff. war im Herbst 1989 bereits längst vor der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in vol- lem Gange. Zum Zeitpunkt der Berichtsabfas- Weitere Literatur vom Autor insbesondere zur „sozialisti- sung konstatierte das MfS eine »derzeit im schen Rechtsstaatlichkeit“ vgl.: Rechtspositivismus und konspirative Justiz als politische Strafjustiz in der DDR, Bestand befindliche OPK« allein im Zustän- Reihe: Treffpunkt Philosophie, Bd. 11, hrsg. von Matthias digkeitsbereich der Abtl. VII von 45%! Es sollte Kaufmann, am Main 2011.

71 Am 11. Oktober 2019 wird die Volkshochschule Adolf Reichwein der Stadt Halle (Saale) 100 Jahre alt.

Gabriele Behr Leiterin Volkshochschule

Begleiten Sie uns, liebe Bürgerinnen und 1947 – Nach zunächst vorwiegend politischer Bürger der Stadt Halle (Saale) und des Um- Tendenz der Volkshochschularbeit erfolgt landes in unserer wechselvollen 100-jährigen nun eine Verlagerung des Schwerpunktes zu Geschichte. den allgemeinbildenden und praktischen Lehrgängen. 1919 – Die Volkshochschulen werden Bestand- teil der Verfassung des Deutschen Reiches. Ministerratsbeschluss vom 21. April 1952 – Die gesamte fachliche Qualifizierung wird aus Artikel 148 vom 11. August 1919: »Das Volksbil- dem direkten Aufgaben- und Verantwor- dungswesen, einschließlich der Volkshoch- tungsbereich der Volkshochschulen ausge- schulen, soll von Reich, Ländern und Gemein- gliedert. den gefördert werden.« 1946–1995 – Sitz der Geschäftsstelle der 1930 – In Deutschland existieren rund 200 Volkshochschule Halle in der Karl-Liebknecht- Volkshochschulen. Straße 37. Danach Unterrichtsgebäude der Zwischen 1930 und 1933 werden alle Volks- Volkshochschule bis 2003. hochschulen geschlossen bzw. in unter- 27. April 1956 – Verfügung des Ministerpräsi- schiedliche nationalsozialistische Organisati- denten. Die Volkshochschulen werden wieder onen, wie z. B. nationalsozialistische Arbeits- dem Volksbildungsministerium angegliedert. front und Kraft durch Freude, eingegliedert. 1956/57 – Wiedereingliederung der Abend- 1945/46 – Die Deutsche Zentralverwaltung schulen in die Volkshochschulen, Übernahme für Volksbildung erarbeitet ein »Statut für der Vermittlung systematischer allgemeinbil- Volkshochschulen«. Dieses Statut wird durch dender Kenntnisse. den Befehl Nr. 22 des Obersten Chefs der so- wjetischen Militärverwaltung vom 23. Januar Bis 1989 relativ gleichbleibende Entwicklung 1946 zur gesetzlichen Grundlage für die sow- der Angebotsstruktur mit den Schwerpunk- jetische Besatzungszone erhoben. ten, schulische Abschlüsse, Sprachkurse, Kur- Schon Ende 1946 bestehen wieder 53 Volks- se in Maschinenschreiben, Stenografie, Buch- hochschulen mit 54 000 Besuchern in der führung, Kunst- und Kulturgeschichte, Textil- sowjetischen Besatzungszone. gestaltung.

Am 12. April 1946 wird die hallesche Volks- 1991 – Fusion der städtischen Volkshoch- hochschule wiedereröffnet. schule Halle mit der Volkshochschule Halle- Neustadt

72 14. September 2007 – Gründung des Vereins Freunde und Förderer der Volkshochschule Adolf Reichwein der Stadt Halle (Saale).

27. April 2010 – Unterzeichnung des Koopera- tionsvertrages der Volkshochschulen mit dem Ziel eine Kooperation beider Volkshochschu- len, der Volkshochschule Adolf Reichwein der Stadt Halle (Saale) und der Kreisvolkshoch- schule Saalekreis am Standort Halle (Saale) zum 1. Januar 2010 herbeizuführen.

Volkshochschule »Adolf Reichwein« August 2011 – Sitz der Geschäftsstelle der der Stadt Halle (Saale), Oleariusstraße 7 Volkshochschule Halle in der Oleariusstraße 7. 1992–1995 – Sitz der Geschäftsstelle der Nutzung von Büroräumen und Bereitstellung Volkshochschule Halle im Sanddornweg 16. von Unterrichtsräumen in zentraler Lage für die Bürgerinnen und Bürger von Halle und 1992 – Gesetz zur Förderung der Erwachse- dem Umland. nenbildung im Lande Sachsen-Anhalt: Förde- rung der Erwachsenenbildung ist eine öffent- August 2015 – Einzug des Neuen städtischen liche Aufgabe. Neu: Schulabschlüsse werden Gymnasiums (NsG) in die Oleariusstraße 7. von den Volkshochschulen nicht mehr durch- 20. Oktober 2014 – Gedenkveranstaltung in geführt. Erinnerung an die Ermordung 1995–2003 – Sitz der Geschäftsstelle der Adolf Reichweins »In der Entscheidung gibt Volkshochschule Halle in der Geiststraße 33 es keine Umwege«.

2003–2011 – Sitz der Geschäftsstelle der Volks- Die Volkshochschule Adolf Reichwein der hochschule Halle in der Diesterwegstraße 37 Stadt Halle (Saale) hat sich nach der politi- schen Wende zu einer leistungsstarken kom- 28. März 2007 – Nach einem Beschluss des munalen Bildungseinrichtung entwickelt. Sie halleschen Stadtrats wird der Volkshochschule plant und organisiert entsprechend der Be- der Name des Widerstandskämpfers und Re- darfe ihrer über 9000 Teilnehmer ein vielfäl- formpädagogen Adolf Reichwein verliehen. tiges Kursangebot in den verschiedensten Bereichen.

Programmhefte der Volkshochschule Halle

73 GESTERN – HEUTE – MORGEN 200 Jahre Sparkasse

Auf den Spuren der Sparkassengründer von Halle ... Seit ihren Anfängen vor rund 200 Jahren sind die Sparkassen eng mit der Entwicklung Deutschlands verbunden. Als regionale Kre- ditinstitute haben sie alle Phasen der jünge- ren Geschichte des Landes begleitet und auf viele Aspekte des wirtschaftlichen und gesell- grund noch mangelnder Kapitalkraft nur spo- schaftlichen Lebens Einfluss ausgeübt. Zu den radisch betrieben. Gründervätern der Saalesparkasse im 18. Jahr- Mit der Ernennung zum Salzfaktor im Juni hundert gehörten der Stadtrat Heinrich Franz 1809 gelang Lehmann auch als Kaufmann der Lehmann sowie der Oberbergrat Friedrich Au- endgültige Durchbruch. Die günstigen Zeit- gust Meschker. Letzterer wurde nach dem Tod verhältnisse und Heinrich Franz Lehmanns von Herrn Ludwig Heinrich von Jakob als des- geschäftliche Umsicht führten dazu, dass die sen Nachfolger am 17. August 1827 zum Direk- anfangs nur kleine Firma in der Saalestadt tor gewählt. Heinrich Franz Lehmann hinge- bald mit an erster Stelle stand. Die mehrfa- gen begann in seiner Jugend eine Kaufmanns- chen Geschäftserweiterungen erforderten lehre in Magdeburg und kam in den 1780er eine, zugleich mit dem Erwerb des Eckgrund- Jahren nach Halle. stücks in der großen Steinstraße, Firmener- In der Saalestadt trat er in das Handelshaus weiterung in einer bedeutend günstigeren des angesehenen Pfälzer Kaufmanns Heusin- Geschäftslage. Neben diesem wirtschaftli- ger ein und arbeitete sich aufgrund seiner chen Erfolg war der Geschäftsmann auch so- Fähigkeiten rasch nach oben. Er übernahm zial sehr engagiert. Er gehörte zu den Grün- das Geschäft seines damals bereits verstorbe- dern des halleschen Bürgervereins, dessen nen Schwiegervaters Johann Friedrich Ernst. Fokus vor allem auf der Armenfürsorge lag. Durch diese Übernahme und die bevorstehen- Er kaufte in einem besonders langen und kal- de Hochzeit mit der Nichte seines Chefs wur- ten Winter 127 785 Torfsteine auf eigene Kos- de er im Mai 1788 Bürger der Stadt Halle. In ten, um diese für Heizzwecke an Bedürftige in der späteren Familiengeschichte wurde offizi- Halle verteilen zu lassen. ell der 1. Mai 1788 als Gründungsdatum des Aufgrund seines engagierten gesellschaftli- Speditions- und Kommissionsgeschäftes an- chen und wirtschaftlichen Handelns war es gesehen, aus dem im späteren 19. Jahrhundert nicht verwunderlich, dass er im März 1819 zu das hallesche Bankhaus »H.F. Lehmann« her- einem der beiden Vorsteher der »Halleschen vorging. Nur ein Jahr später trat als weiterer Sparkassen-Gesellschaft« gewählt wurde. Erwerbszweig die preußische Staatslotterie Nicht nur sein tief verankertes Verantwor- hinzu, die sich als wahre Goldgrube erwies. tungsbewusstsein für die Menschen in der Bankgeschäfte wurden zu dieser Zeit auf- Region sondern auch seine Kompetenz als

74 Kauf- und Geschäftsmann waren für diesen Zuspruch ausschlaggebend. Lehmanns 1802 Sparkassenfiliale Rathausstraße geborener Sohn Ludwig vollzog am 1. Mai 1828 die offizielle Umwandlung des Speditions- und Kommissionsgeschäftes »H.F. Lehmann« in ein reines Bankgeschäft. Ludwig Lehmanns Die Entwurfsarbeiten Wilhelm Josts waren Vater verstarb am 7. Oktober 1846. Seine Grab- bereits vorbereitet, als dieser aufgrund eines stätte ist auf dem halleschen Stadtgottesacker Blinddarmbruchs für 5 Monate in das Diako- als Fragment erhalten. niekrankenhaus in Halle eingeliefert werden Aufgrund der Einführung des bargeldlosen musste. Zeit zur Genesung nahm sich der Geldverkehrs und des damit benötigten Plat- Stadtbaurat jedoch nicht. Ausgestattet mit zes für die Gerätschaften, hatte die Stadt einen Papier und Stift ließ sich Jost Ingenieure und Wettbewerb für den Neubau eines Sparkas- Techniker in das Krankenhaus bestellen, um sengebäudes in der Kleinen Steinstraße – Ecke die baulichen Maßnahmen seines Projektes Rathausstraße – ausgeschrieben. Unter den 79 zu besprechen. In Zusammenarbeit mit sei- eingereichten Entwürfen konnte die Jury je- nem Freund und Kollegen Heinrich Petry, Vor- doch keiner gänzlich überzeugen, sodass der stand der Neubauabteilung und Stadtbauin- Stadtbaurat Wilhelm Jost die Notwendigkeit spektor, konnte das Sparkassengebäude, wel- darin sah, einen erst vor 10 Jahren errichteten ches dem Stil der Reformationsarchitektur Privatbau zugunsten der Sparkasse anzukau- zugehörig ist, im Sommer 1916 fertiggestellt fen und im Herbst 1913 abreißen zu lassen. werden.

75 Vier viergeschossige Flügel gruppieren sich um die glasbe- dachte Schalterhalle. Um die Rathausstraße optisch zu ver- breitern, wurde der Gebäude- flügel an der Rathausstraße zwischen den zwei Giebeln der Ost- und Westflügel leicht in den Innenhof zurückversetzt und entlang der Fluchtlinie ein flacher Vorbau errichtet, in dem sich der Haupteingang befin- det. Dieses, unter Denkmalschutz stehende Sparkassen-Hauptsitz Rathausstraße Gebäude, ist heute Hauptsitz der Saalespar- kasse in Halle und wird weiterhin für die Bank- geschäfte der Kunden genutzt. durch unabhängige Testinstitute spiegeln die hohe Zufriedenheit der Kunden wider. Für die Wichtig für Mensch und Wirtschaft hohe Service- und Beratungsqualität der Saa- Die Werte des Sparkassengründers Heinrich lesparkasse erhielt sie mehrere Auszeichnun- Franz Lehmann begleiten die Saalesparkasse gen und Qualitätssiegel. Menschen schätzen in Halle und dem Saalekreis auch heute: Unternehmen, die nicht nur am Gewinn ori- Seit Generationen steht die Saalesparkasse in entiert sind. Nicht zuletzt deshalb zählt eine Halle und dem Saalekreis für kundenorien- kontinuierliche Nutzenstiftung für die Region tierten Service rund ums Geld. Sie ist da, wo zu den Eckpfeilern des Sparkassen-Geschäfts- die Menschen sind, die in der Region fest ver- modells. Diese beruht auf mehreren Säulen. wurzelt sind. Mit einem Marktanteil von über Zum einen ist die Saalesparkasse selbst ein 57 Prozent im Privatkundenbereich ist die wichtiger Wirtschaftsfaktor, gehört sie doch Saalesparkasse der wichtigste Finanzdienst- mit über 700 Mitarbeitern und über 30 Aus- leister vor Ort. zubildenden zu den großen Arbeitgebern in Neben den 46 Filialen und 34 SB-Standorten ihrem Geschäftsgebiet und vergibt ein be- sowie den beiden Mobilen Filialen entwickelt trächtliches Auftragsvolumen an die heimi- die Saalesparkasse selbstverständlich die vir- sche Wirtschaft. Zum anderen ist sie mit rund tuellen beziehungsweise elektronischen Ver- 15 Millionen Euro ein bedeutender Steuerzah- triebswege zum Nutzen der Kunden ständig ler und gehört durch ihre Kreditausreichun- weiter, um auch web-orientierte Nutzer von gen zu den wichtigen Impulsgebern für den dem breiten Leistungsspektrum überzeugen regionalen Geld- und Wirtschaftskreislauf. zu können. Diese stetige Weiterentwicklung Aber die Saalesparkasse übernimmt nicht nur geschieht, damit die Saalesparkasse die sich ökonomisch Verantwortung. Sie gehört auch permanent ändernden und vielfältigen An- zu den größten Förderern von gemeinnützi- forderungen erfüllen kann. Die sehr guten gen Vereinen und Initiativen in Halle (Saale) Ergebnisse überregionaler Bankenvergleiche und dem Saalekreis. In den letzten Jahren

76 konnten gemeinnützige Initiativen und Pro- ziger Initiativen und Vereine förderte, wie jekte in der Region mit über 3 Millionen Euro zum Beispiel die FUNUS Stiftung, den Litera- pro Jahr unterstützt werden. Umgerechnet turhaus Halle e.V. sowie den Kunstpreis der sind das über 9.000 Euro pro Tag. Dass die Stiftung der Saalesparkasse. Saalesparkasse dabei Wert auf Nachhaltig- In den zurückliegenden Jahren hat die Saale- keit und Kontinuität legt, zeigen beispielhaft sparkasse vieles erreicht und vieles ermög- die langjährigen Partnerschaften mit der licht. Obwohl das Umfeld von Niedrigzinsen, Carl-Loewe-Gesellschaft in Löbejün, dem Ver- Regulatorik und dem demografischen Wan- ein Alte Brennerei in Niemberg, dem Europä- del geprägt war, hat die Saalesparkasse ihren ischen Romanikzentrum und der Burg Quer- Kurs fortgesetzt. furt sowie der Stiftung Händelhaus, der Stif- tung Moritzburg und dem Zoologischen Emotional – Regional – Digital Garten Halle (Saale). Der Kunde von heute entscheidet, auf wel- Im sportlichen Bereich konzentriert sich die chen Wegen er Kontakt zu seinem Geldinsti- Saalesparkasse traditionell auf die Förderung tut aufnimmt. Für viele Kunden spielt die Be- des Nachwuchs- und Breitensports. Zahlrei- ratung von zu Hause aus per Telefon, Text oder che Fördervereinbarungen mit Sportvereinen Video-Chat eine immer größere Rolle. Dem der Region sind ein deutlicher Beleg für die wurde die Saalesparkasse mit der Eröffnung Absicht, die Förderaktivitäten möglichst vie- ihrer digitalen Filiale »direkt@saalesparkasse« len Menschen zugute kommen zu lassen. Da- gerecht. Seit über einem Jahr haben dieses rüber hinaus begleiten wir die unterschied- Beratungsangebot mehr als 1.500 Kunden der lichsten sportlichen Events in unserer Region. Saalesparkasse in Anspruch genommen. Ob beim Neujahrslauf in Merseburg, den Li- Ein Online Auftritt in den Sozialen Netzwer- ons Benefizläufen, dem Halloren-Pokal im ken soll den nächsten Meilenstein unserer Turmspringen, den Halleschen Werfertagen, Entwicklung darstellen. Aktuelle Finanz- den Beachvolleyball-Landesmeisterschaften themen, die einen Mehrwert für den Nutzer oder den Motocross-Weltmeisterschaften in bringen, Angebote und Berichte über das Teutschenthal – die Saalesparkasse ist für die vielfältige Engagement der Sparkasse in der Region immer am Start. Natürlich zählt aber Region werden den Kunden und Nichtkunden auch die Unterstützung von Leuchttürmen der Saalesparkasse neben den bisherigen In- aus dem Leistungssportbereich zum Engage- formationsquellen zukünftig auch auf ver- ment. Hier engagiert sich die Saalesparkasse schiedenen Kommunikationskanälen zur für den Halleschen Fußballclub e.V., die Eisho- Verfügung gestellt. Der Fokus liegt hierbei ckeymannschaft »Saale-Bulls«, die Volleybal- auf der Interaktion und dem direkten Dialog ler des Chemie Volley Mitteldeutschland e.V. mit den Nutzern. Seit Januar 2019 ist die Saa- sowie die Handballerinnen des SV UNION lesparkasse unter facebook.com/saalespar- Halle-Neustadt e.V. kasse zu finden. Ein weiterer fester Bestandteil des breiten gesellschaftlichen Förderengagements stellt die Stiftung der Saalesparkasse dar, die in den letzten Jahren Vorhaben anderer gemeinnüt-

77 200 Jahre Thüringisch-Sächsischer Verein für Geschichte und Altertumskunde und seine Bedeutung für Halle

Dr. Walter Müller

Ende 1819 als einer der ersten Geschichtsver- Förstemann (1804–1847), der seit 1858 bis zu eine Deutschlands in Naumburg gegründet, seinem Tod an der Universität Halle wirkende verlegte der Thüringisch-Sächsische-Verein bedeutende deutsche Historiker Professor für Geschichte und Altertumskunde 1823 sei- Ernst Dümmler (1830–1902), der Althistoriker nen Sitz nach Halle und wurde im Jahre 1826 und hallische Stadtgeschichtsschreiber Pro- der Universität Halle angegliedert. Bereits im fessor Gustav Hertzberg (1826–1907), der hal- Jahr zuvor hatte die Universität 1825 Räume lische Mittelalter- und Wirtschaftshistoriker für die Sammlungen, sowie für die Bibliothek sowie von 1912 bis 1940 Sekretär des Thürin- des Vereins in der Neuen Residenz am Dom- gisch-Sächsischen Geschichtsvereins Profes- platz zur Verfügung gestellt. Mit seinen re- sor Theo Sommerlad (1869–1940) sowie der gelmässig stattfindenden monatlichen Ver- Bibliothekar und Stadthistoriker Dr. Bernhard sammlungen – jeweils mit Fachvorträgen zur Weißenborn (1877–1954). Geschichte der Provinz Sachsen und der Stadt Vor allem in den 1920er Jahren wuchs das In- Halle – prägte der Verein bis 1943/1944 sehr teresse an historischen Themen sehr stark stark das kulturelle Leben in der Saalestadt. und der Verein organisierte deshalb bis 1943, Mit 350 Mitgliedern schon im Jahre 1827 bzw. dem Jahr der Verkündung des totalen Krie- immer noch 182 im Jahr 1938 war der Verein ges, zahlreiche Fachvorträge mit teilweise zugleich der zahlenmässig stärkste Verein in mehreren hunderten Besuchern. Auch wäh- Halle. Die Vereinsmitgliederzahlen schwank- rend des Zweiten Weltkrieges fanden noch ten zwischen 1825 und 1944 bedingt durch bis 1944 Monats- und Generalversammlun- verschiedene Ursachen jedoch zeitweise sehr gen statt. Die Tätigkeit des Thüringisch-Säch- stark, wie sich aus den Jahresberichten ergibt. sischen Geschichtsvereins endete nach den Die Vereinsmitglieder stammten überwie- kriegsbedingt nur noch in eher bescheide- gend aus verschiedenen sozialen Oberschich- nem Rahmen begangenen Feierlichkeiten ten der Stadt Halle, und anderen Orten der anlässlich des 125jährigen Bestehen des Ver- Provinz Sachsen. Vertreten waren Adlige, eins und des 250jährigen Universitätsjubilä- Guts- und Fabrikbesitzer, Universitätsange- ums im Jahre 1944. hörige bzw- angestellte, höhere und mittlere Beamte, Lehrer, Ärzte, Architekten und kauf- männische Angestellte. Zu seinen Mitglie- Das 1878–1880 errichtete Hauptgebäude dern zählten u. a. der von 1832/33 bis 1847 als der Universitätsbibliothek, Ansicht der Hauptfassade und von Architekturdetails, Sekretär des Vereins tätig gewesene Theolo- Aquarell von Ludwig v. Tiedemann 1878 ge und Universitätsbibliothekar Karl Eduard

78 79 Universitätsbibliothek Halle (Saale), Große Bedeutung für Halle gewann die Ver- Blick von Südosten, um 1885 einstätigkeit jedoch auch durch die umfang- reichen Sammlungen des Thüringisch-Säch- sischen Vereins für Geschichte und Alter- Versammlungsorte für die monatlichen Mit- tumskunde, die den Grundstock mehrerer bis gliederversammlungen, sowie die jährliche heute bestehender hallischer Kultureinrich- Generalversammlung im Oktober waren von tungen bilden. Die Sammlungen des Vereins 1826 bis 1838 die Residenz am Domplatz und waren Mitte des 19. Jahrhunderts bereits so danach bis 1883 das Logengebäude auf dem umfangreich geworden, dass trotz aller Be- Jägerberg (heute Hauptgebäude der Leopol- mühungen größere personelle und auch fi- dina) sowie später u. a. der Gasthof zur Stadt nanzielle Probleme bei der Ordnung und Ka- in der Großen Steinstraße. Das 100. talogisierung der Sammlungsobjekte exis- Vereinsjubiläum wurde am 3. Oktober 1919 tierten, die der Verein selbst nur unzurei- feierlich begangen. Der Archivar und Histori- chend bewältigen konnte. Aus diesem Grund ker Professor Walter Friedensburg (1855– fand u.a. am 18. September 1878 sogar eine 1938) gab dazu in seiner Funktion als Mitglied außerordentliche Generalversammlung in der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt eine Festgabe unter Grundriss des Residenz-Gebäudes dem Titel »Die Provinz Sachsen, ihre Entwick- in Halle, 1833 lung und Entstehung« heraus.

80 81 Das neue Provinzialmuseum in Halle, Richard-Wagner-Straße 9–10 fanden diese Ansichtskarte 1918 Objekte ihre Heimstätte und bilden bis heute den Grundbestand der umfangreichen Sammlungen des Landesamtes für Archäolo- Halle statt. Der Landesdirektor der Provinz gie – Landesmuseum für Vorgeschichte – Sachsen forderte die Vereinsmitglieder auf, Sachsen-Anhalt. vor allem die prähistorischen und geschicht- Die erstmals im Vereinsstatut von 1826 er- lichen Gegenstände dem Provinzialverband wähnte Bibliothek des Thüringisch-Sächsi- zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder be- schen Vereins für Geschichte und Altertums- schlossen dies zwar, aber bis zur Realisierung kunde wurde am 20. April 1893 an die heutige dauerte es noch einige Jahre. Aus den Bestän- Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen- den der Sammlungen des Thüringisch-Säch- Anhalt übergeben. Sie umfasste zu diesem sischen Geschichtsvereins und der am 18. Zeitpunkt etwa 5000 Bände. In den Jahren November 1876 gegründeten Historischen 1893/1894 wurden daraus 1638 noch nicht Kommission für die Provinz Sachsen wurde vorhandene Titel, 160 Handschriften, 292 Ur- am 21. März 1884 das Provinzialmuseum für kunden und mehrere Hundert Kupferstiche Geschichte und Altertumskunde der Provinz (vor allem Porträts, Ortsansichten und Kar- Sachsen gegründet. Im 1911 bis 1913 in Halle ten) in den Bibliotheksbestand eingearbeitet erbauten und am 9. Oktober 1918 eröffneten und die Dubletten an andere Einrichtungen Museum für Vorgeschichte in der heutigen weitergegeben bzw. antiquarisch veräußert.

82 Systematisch in die entsprechenden Sach- tiquarischer Forschungen, Naumburg 1822- gruppen des um 1890 geschaffenen soge- 1827; Neue Mitteilungen aus dem Gebiete nannten Hartwigschen neuen Realkatalogs historisch-Antiquarischer Forschungen, Halle eingegliedert, stehen diese Bestände bis heu- bzw. Nordhausen 1834–1910 sowie Thürin- te der Forschung noch überwiegend zur Ver- gisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte fügung. und Kunst, Halle 1911–1940) nahezu vollstän- Die schriftliche Überlieferung des Thürin- dig erhalten haben, ist die Provenienz meist gisch-Sächsischen Vereins für Geschichte eindeutig zu klären. Auch das von Max Sauer- und Altertumskunde im Umfang von reich- landt angelegte Inventarverzeichnis des Mo- lich neun laufenden Metern (heute über 80 ritzburg-Museums bildet für derartige Pro- Archivkartons) wurde am 19. Juli 1953 vom vinienzforschungen eine gute Grundlage. Landesmuseum für Vorgeschichte in das Sogar im Altbestand der heute an zwei ver- Archiv der Martin-Luther-Universität Halle- schiedenen Standorten in Halle unterge- Wittenberg (Dachritzstraße 12) überführt. brachten Fachbibliotheken des Landesamtes In den 1960er Jahren in einem Findbuch grob für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen- verzeichnet, bilden diese zwar teilweise lü- Anhalt befinden sich zahlreiche Bände, die ckenhaft erhaltenen Bestände die Haupt- laut Stempel ehemals zur Bibliothek des Thü- grundlage von Forschungen zur Vereinsge- ringisch-Sächsischen Vereins für Geschichte schichte. und Altertumskunde gehörten. Aber auch in anderen Sammlungen in Halle Zusammenfassend kann man somit konsta- befinden sich größere Bestände aus dem tieren, dass der Ende 1819 gegründete Thürin- ehemaligen Bestand der umfangreichen Ver- gisch-Sächsische Verein für Geschichte und einssammlungen. Im Kunstmuseum Moritz- Altertumskunde bis heute historisch und kul- burg Halle sind dies etwa 5% der heutigen turgeschichtlich große Bedeutung für Halle Sammlungsbestände aus dem 18. und 19. besitzt und seine Sammlungsbestände den Jahrhundert. Vor allem sind dies um die 500 Grundstock für mehrere bedeutende halli- Objekte aus dem Bereich Kunsthandwerk sche Kultureinrichtungen bilden. und Kunstgewerbe, Glas, Porzellan, Münzen und Medaillen. Diese Exponate bildeten die umfangreichste Erwerbung in der Amtszeit des Direktors des damaligen Städtischen Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Halle, Max Sauerlandt (1880–1934), von 1908 bis Anfang 1919. Da die jährlichen Zugangsverzeichnisse für die verschiedenen Sammlungen des Thürin- gisch-Sächsischen Vereins für Geschichte und Altertumskunde sich in den entsprechenden Berichten über die Vereinstätigkeit in der seit 1822 bis 1940 erschienenen Vereinszeitschrift (Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-an-

83 1719 Die Erweiterung der Salzniederlage vor dem Klaustor zur königlich-preußischen Saline Halle

Dr. Uwe Meißner

Die mittelmärkische Ritterschaft hatte 1701 sie von den kontinuierlichen Arbeitsleistun- einen Pachtvertrag über das sogenannte »Ex- gen der Salzwirker überzeugt. Für die Salz- tra-Sieden« der königlichen Domänenkoten und Bergwerksbehörde war deshalb das Be- in Halle abgeschlossen. Diese befanden sich triebsrisiko nicht überschaubar und sie befür- neben den pfännerschaftlichen Siedehäusern wortete deshalb die erneute Verpachtung. verstreut im Tal – heute das Gebiet von der Anfang April 1718 entschied sich König Fried- Hackebornstraße über den Hallmarkt, unter- rich Wilhelm I. (1713–1740) jedoch entgegen halb der Marktkirche bis zur Moritzkirche und dieser Empfehlung zunächst für die Selbst- Saale. Nach einmaliger Verlängerung wurde verwaltung durch die Hallische Deputation. zum Jahresende 1717 der Vertrag aufgehoben. Zu ihrer Unterstützung wurde die kommissa- Zunächst übernahm die Hallische Salz- und rische Direktion über das »Extra-Sieden« an Bergwerksdeputation, eine seit 1714 in Halle den Geheimrat und kurmärkischen Amts- bestehende behördliche Abordnung der Mag- kammerpräsidenten Friedrich von Görne deburgischen Kriegs- und Domänenkammer, (1670–1745) übertragen, der seit 1716 auch die Leitung des staatlichen Salinenbetriebes. Mitpächter der königlichen Saline zu Schöne- Die 21 königlichen Siedehäuser erhielten nach beck war. Mit dieser personellen Entschei- erprobter »Schönebecker Siedeart«, Vor- dung wollte der König die staatlichen Einnah- wärmpfannen aus Blei, die zu Einsparungen men aus dem Siedebetrieb für die Jahre von Wettiner Steinkohle führten. Vermutlich 1718–19 sichern. Das Generalfinanzdirektori- aus Unsicherheit und fehlender praktischer um und Geheimrat von Görne unterstützten Erfahrung und beschränkten Kenntnissen die Auffassung des Königs, die Selbstverwal- empfahlen die Beamten der Hallischen Salz- tung aufzuheben und langfristig den staatli- und Bergwerksdeputation, trotz der sich chen Salinenbetrieb zu verpachten. Vor 300 während der Selbstversiedung abzeichnen- Jahren, am 8. Mai 1719 kam die Ausschreibung den erfolgreichen Betriebsführung, die staat- der Pacht des »Extra Siedens zu Halle« im ge- liche Leitung zu Gunsten der Verpachtung samten Königreich zum öffentlichen Aus- aufzugeben. Standen die Beamten den tech- hang, die an den Meistbietenden vom 1. Janu- nischen Neuerungen des Siedebetriebes ar 1720 für sechs Jahre zu vergeben war. Die schon skeptisch gegenüber, so wenig waren Ausfertigung des 19 Punkte umfassenden

84 Pachtvertrages hatte die Magdeburger Kam- werden, denn der beauftragte Baumeister mer vorzunehmen und dabei auf die Bestel- hatte das Baumaß für die zu errichtenden lung einer Kaution von 10.000 Reichstalern Gebäude aufzunehmen, die örtlichen Boden- zu achten. verhältnisse für deren Gründung zu erfassen Ein weiterer öffentlicher Aushang vom 26. und schließlich einen Entwurf der Gebäude Mai 1719 am Rathaus gab den Interessenten anzufertigen. Die Pfännerschaft versuchte schließlich nochmals bekannt, dass die Ange- den Bau und die damit einhergehende Mo- botsabgabe bis zum 4. Juli festgesetzt war. Die dernisierung besonders die Einführung ver- hallesche Pfännerschaft schien nicht abge- besserter Fördertechnik an den Solebrunnen neigt eine Offerte abgeben zu wollen, doch zu verhindern, indem sie den Untergang des war sie nicht in der Lage in dem verbleibenden gesamten Salzwerkes dramatisch beschwor Zeitraum eine Entscheidung zu finden. Entge- und große finanzielle Einbußen prophezeite. gen allen Erwartungen fand sich überraschend Zwar hatte sich damit in knapp sechs Mona- niemand bereit, ein Angebot abzugeben. ten, vom Mai bis zum Oktober 1719, eine Lö- Unterdessen hatte Friedrich Wilhelm I. jedoch sung für die überraschend entstandene Pro- ein anonymes, an ihn direkt gerichtetes, An- blematik eines alternativen Standortes der gebot fristgerecht erhalten. Dieses erwähnt staatlichen Salzproduktion ergeben, doch erstmals den Erweiterungsbau einer neuen blieb zunächst offen, ob der König selbst als Saline auf der bereits bestehenden staatli- Bauherr agieren wollte oder das Risiko des chen Salzniederlage an der Schieferbrücke Baus von den zukünftigen Pächtern über- am westlichen Zugang zur Klaustorvorstadt. nommen werden sollte. Letztlich war ihm Die Vorschläge der »Entrepreneurs« zum Bau doch sehr daran gelegen, die Umsetzung ei- des neuen Salzwerkes resultieren aus der ner solchen beträchtlichen Erweiterungsin- Kenntnis über die Baufälligkeit von acht der vestition während des Bauverlaufs hinrei- noch 16 vorhandenen Domänenkoten also chend kontrollieren zu können, um Einfluss vom preußischen Staat betriebenen Siede- auf den Zeitpunkt der Fertigstellung und die häusern. Sie argumentierten, es sei viel güns- Qualität der Bauausführung zu nehmen. Da- tiger für 16.000 Rtlr. ein »gantz neues Saltz bei hatte Friedrich Wilhelm I. die Vorstellung, Werk über der Saale daselbst« zu errichten dass der Erweiterungsbau innerhalb eines als die alten verfallenen Siedehäuser wieder Jahres fertig ausgeführt werden könnte. einzeln aufzubauen. Zu den ersten Bauaufgaben gehörte die Bau- Am 13. Oktober 1719 erhielt der Magdeburgi- planung mit der Herstellung eines Aufmaßes, sche Landbaumeister und Ingenieur Carl der Heranziehung von Unterlagen schon be- Nuglisch (1668–1738) den Befehl, zusammen stehender Bauten im Umfeld des auszufüh- mit dem Rothenburger Amtmann Johann renden Bauwerks, die Anfertigung eines Auf- Paul Stecher (1662–1737), einem der späteren risses, meist mehrere in verschiedenen Grö- Pächter, den Bauplatz in Augenschein zu neh- ßen nach gleichen Maßstäben angelegte La- men, die Möglichkeiten zur Errichtung des gepläne, Gebäudeschnitte, Entwürfe und neuen Salzwerkes zu prüfen und darüber Be- Bauzeichnungen. Diese bildeten die Grundla- richt zu erstatten. Dieser Vorgang kann als ge für einen Kostenvoranschlag, der alle für Baubeginn der königlichen Saline angesehen den Bau notwendigen Materialien und zu

85 Abriß von dem hällischen Saltzwesen nebst dem Bericht an seine Königliche Majestät wie auch den Anschlag von dem Neuen Saltzheu- sern empfangen, waß der Bericht anlanget so habe selbigen einfältig jedoch der wahren beschaffenheit nach aufgesetzt, Ew. Excell: werden solches weil ich kein Literatus bin im besten auffnehmen, den Anschlag habe auff das höchste eingericht weil beÿ jetziger Zeit es schwer hält etwas nach zu kriegen, jedoch wirdt man dabeÿ ein vieles menagiren kön- Lageplan der Salzniederlage mit den zu errichtenden Siedehäusern, Maßstab in rheinl. Ruten, Oktober/ nen, denn wen ein Koht von 20 Pfannen auff November 1719, kolorierte Federzeichnung von Carl der Niederlage fertig ist so könnte man drau- Nuglisch (unsigniert) ßen anfangen zu Sieden, und in der Halle so viele Kohte anfangen einzureißen, da man dann große Hülffe an Materialien kriegen verdingenden Handwerksleistungen enthal- würde, alß Siedepfannen, Eiserne Röhren, ten musste. Der zweite Abschnitt umfasste Plumpen, und Steine von den Luftfängen und die Organisation der Materialbeschaffung Herdten, welches alles diesen Anschlag wür- und diese selbst, weiterhin die nach vergleich- de zu gute gehen, ich habe auch auf Herrn baren Angeboten günstigste Verdingung von Stechers guttfinden, beÿ jeder Siedepfanne 2 Handwerker- und Arbeiterleistungen, die Lei- Wärmpfannen setzen müßen, käme also un- tung und Überwachung der einzelnen Bau- ter einen Brodenfang 2 Siede und 4 Wärm- phasen. Zudem erwartete der König, die Füh- Pfannen, und in der Mitte die Zug Röhre, … ich rung und Finanzkontrolle des Bauetats ein- wünsche daß ich alles gutt gemacht habe …« schließlich der Rechnungsprüfungen und die Der dazu mit eingereichte Plan (Riss) zeigte Berichtspflicht gegenüber der provinzialen dem König an, dass genügend Platz zum Bau und zentralen Verwaltungsebene. vorhanden sei und dieser nur durch bei der Die komplexe Bauaufgabe ließ durch die In- Salzproduktion anfallenden Schutt (alte sellage der zukünftigen Saline nicht unbe- Herdmauern usw.) und auszuhebende Erde trächtliche Risiken bei der Gründung der Bau- für die Solfässer noch erhöht werden müsste, werke erwarten. Immerhin galt es dennoch, um etwa aufkommender Hochwassergefahr die Ausführung in kürzester Zeit zu realisie- zu entgehen. Selbst wenn ein solcher Fall ein- ren, um mögliche Einbußen bei der laufenden träfe, sei schließlich genug Zeit, um die Sole Salzproduktion zu vermeiden. noch zu versieden. Außerdem könnte man in Pflichtgemäß informierte der Landbaumeis- der Standortfrage ziemlich sicher sein, da seit ter Nuglisch in einem Schreiben vom 4. No- vielen Jahren mehrere Tausend Lasten Salz in vember 1719 an den nunmehr zum Minister den Magazinen ohne jeden Schaden auf- ernannten Friedrich von Görne über den bewahrt würden. Der Kostenvoranschlag Sachstand der Planungen zum Bau der Siede- des Landbaumeisters umfasste mit 26.880 häuser: »Ew. Excell: … [werden] hierbeÿ den Reichstalern alle Baumaterialien und Löhne.

86 Für das Dach wählte man zunächst noch ganz bezirk erfolgten 1720 die ersten Probesiedun- traditionell eine Stroheindeckung mit über- gen. Am 7. Februar 1721 wurde der Siedebe- strichenem Lehm, obgleich Ziegel wegen der trieb teilweise und schließlich 1722 vollstän- geringeren Brandgefahr für die Städte schon dig in 80 Pfannen aufgenommen. seit 1688 vorgeschrieben waren. Als Ausstat- Von der könglichen Saline sind keine Bauten tung wählte man eine gruppenweise batte- überliefert. Einzig die Südfront des sogenann- rieartige Anordnung der Siedepfannen, die- ten Uhrenhauses, ursprünglich als Salzhaus se entsprach mit jeweils zwei kleineren Vor- zwischen 1706 und 1709 auf der königlichen wärmpfannen und einer Siedepfanne der in Salzniederlage errichtet, erinnert in seiner Schönebeck entwickelten auf einem Herd Fachwerksichtigkeit an die einstige Nutzung. stehenden Siedetechnik. Dabei wurde die Darin wurde 1936 eines der ersten unterneh- Verdichtung, d. h. die Menge der in einem mensgeschichtlichen Museen der Provinz Siedehaus ohne trennende Wände einge- Sachsen von der Mansfeld AG für Bergbau richteten Pfannenanlagen in der Ausfüh- und Hüttenbetrieb, Abteilung Hallesche Pfän- rung sehr unterschiedlich gehandhabt. Für nerschaft, eingerichtet und 1967 drei Jahre Halle wählte Nuglisch zweimal 20 Herdanla- nach Einstellung des Salinebetriebes auf drei gen (im zweiten Siedehaus 18 und 22), die in Räume erweitert, schließlich 1969, nach einer einer Zehnerreihe mit den Vorwärmpfannen weiteren Musealisierungsphase, also vor ge- stirnseitig gegenüber standen. An deren nau 50 Jahren, am 7. Oktober 1969, zum 20. Kopfende befanden sich mittig zum First Gründungstag der DDR als erstes Industrie- führende Schornsteine mit angesetzten zweigmuseum im Osten Deutschlands der Wärmröhren, die in darüberliegenden Buch- Öffentlichkeit übergeben. ten das zum Trocknen abzulegende Salz auf- nahmen. Hinzu kamen die Brodenfänge zur Abführung des Siededampfes. Zwei der vier Siedehäuser hat man zu je einem Großsie- dehaus verbunden. Für den vollständigen Ausbau war schließlich ein erheblicher Betrag von 14.120 Reichstalern »Stand=Riß von 2 SaltzKothen«, Zeichnung (Ausschnitt) notwendig. Parallel zur Produktion in den um 1720 von Carl Nuglisch. noch betriebsfähigen Domänenkoten im Tal-

87 Christoph Semler und die Astronomie

Dirk Schlesier Leiter Planetarium Halle (Saale)

Auf das Jahr genau dreihundert Jahre vor der Bahn durch diese Beobachtung bestimmt erfolgreichen Landung von Menschen auf werden konnte. dem Mond wurde am 2. Oktober 1669 der Ein derartiges Himmelsschauspiel hat den spätere Universalgelehrte Christoph Semler jungen Christoph geprägt und sein astrono- in der Giebichensteiner Amtsstadt Neumarkt misches Interesse weiter gestärkt. Das verlor vor Halle geboren. er glücklicherweise auch nicht, als der Schüler Semler ist vor allem als Begründer der ersten des hallesches Stadtgymnasiums unter der deutschen Realschule bekannt und wirkte in Leitung des Rektors Praetorius den immen- Halle als Prediger, Diakon und als Pädagoge. sen Verlust seiner gesamten Familie ertragen Darüber hinaus ist Christoph Semler aber musste. Sowohl seine Eltern, seine Großeltern auch für die Hallesche Sternkunde von Be- und Geschwister erlagen der herrschenden deutung. Pestkatastrophe in den Jahren 1681/82. Einen Draht zur Astronomie fand der Sohn Nach der Schule ging Semler an die Universi- eines einfachen Kleinschmiedes schon in der tät, zunächst nach Leipzig, dann nach Jena Kindheit. Dieses frühe Interesse an wissen- ehe er zurück an die gerade gegründete hal- schaftlichen und technischen Dingen wurde lesche Universität kam, wo er 1697 die Magis- von den Eltern zudem beständig gefördert. terwürde erhielt. In Halle lehrte Semler Theo- Besonders gefreut hat sich Semler wohl über logie, Philosophie und Mathematik. In den ein Geschenk seines Vaters, es war ein Glo- Folgejahren wurde er zunächst Hospitalpfar- bus. Diese Unterstützung motivierte Semler rer und Adjunkt an der Kirche St. Moritz bevor beständig unter anderem dazu, als Zwölfjäh- er schließlich 1708 Oberdiakon an der Ulrichs- riger die sichtbaren Sterne und Sternbilder zu kirche wurde. Dieses Amt hatte er mehr als beobachten und zu lernen. drei Jahrzehnte inne und trat es im selbigen Ein besonderes Erlebnis war für Semler das Jahr an, in dem er auch seine Realschule be- Erscheinen eines Kometen im Jahre 1680/81. gründete. Es war ein Komet, der so hell war, dass er so- In der Zeit als Hospitalpfarrer hatte er die Auf- gar am Tageshimmel gesichtet werden konn- sicht über die Schulen der Stadt und verfolgte te. Mit jener großen Helligkeit und seinem die Methodik der Schulbildung kritisch, be- ausgedehnten Staubschweif sorgte der Him- wertete die Ausbildung gar als unbefriedi- melskörper weltweit für großes Aufsehen, gend. Seine Erfahrungen veranlassten ihn insbesondere im November 1680 und noch- schließlich dazu, entsprechende Reformen mals im Januar 1681. Tatsächlich sollte der von vorzuschlagen. Vor allem wollte er erreichen, Semler beobachtete Komet in die Geschichte dass die Schüler eine reelle Vorstellung von eingehen, denn es war der erste Komet, der der zu lernenden Materie erfuhren. Dies sollte mit einem Teleskop entdeckt und dessen nach Semler am besten mit Modellen gelin-

88 gen. Diese Modelle baute er größtenteils selbst und sie wurden auch an ande- re Schulen über die Stadt- grenze hinaus für den Unterrichtsgebrauch ab- gegeben. Semler baute eine Maschine, mit der er die wahre Ursache von Ebbe und Flut demonst- rierte. Außerdem konstru- ierte er große Modelle, welche das Sonnensys- tem darstellen. Er ver- suchte sich sogar am Bau eines Perpetuum mobile, was allerdings misslang und mit erheblichen fi- nanziellen Ressourcen ein- herging. Auch seine vielen erfolgreichen Erfindungen waren sehr kost- in die Saalestadt nach jahrelanger Verban- spielig. Die Heirat mit der Tochter des halle- nung zurückkehrte. schen Kämmerers im Jahr 1701 könnte aller- Im Jahr 2019 wird dem 350. Geburtstag von dings behilflich gewesen sein, seine Aufwen- Christoph Semler gedacht. Es ist zudem das dungen zu kompensieren. 50. Jahr nach der legendären Mondlandung Leider konnte sich die von Semler initiierte im Juli 1969 und der Baubeginn des neuen Schulform zunächst nicht durchsetzen. Den- Planetariums der Stadt Halle. noch sind die zahllosen Arbeiten, darunter die bereits genannten Modelle und Experi- mente von großer Bedeutung und können noch heute in den Franckeschen Stiftungen „Neueröffnete Mathematische der Stadt Halle angeschaut werden. und Mechanische Real-Schule…“, Semler starb am 8. März 1740 in seiner Hei- Halle 1709, Titelblatt, Fritz Jonas: »Christpoph Semler, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 33, Leipzig 1891, matstadt in jenem Jahr, in dem ein anderer S. 694–698 Universalgelehrter, namens Christian Wolff,

89 Ausgewählte Veranstaltungen 2019 Uhr Gespräch und Lesung mit Amrei Bauer, Tochter der Künst- im Überblick lerin zu deren 30. Todestag

MÄRZ 2019 31.3., 11.00 Uhr, Raumbühne Oper 12.4., 19.30 Uhr, nt: The King´s Halle: Familienkonzert Speech – Premiere 17.3., 16.00 Uhr, Händel-Halle: THE WORLD FAMOUS GLENN MILLER 31.3., 18.00 Uhr, Konzerthalle 13.4., 19.30 Uhr, Konzerthalle ORCHESTRA Ulrichskirche: Romantisches Erbe Ulrichskirche: Passionskonzert, mit der Kammerakademie kammerchor cantamus halle 21.–24.3., Leipziger Buchmesse: Lesefest »Halle liest mit« 13.4., 15.00 Uhr, Kunststiftung LSA: APRIL 2019 Tasting Tomorrow – Porzellan, 22.3., 15.00–19.00 Uhr / 23.3., 1.4., 20.00 Uhr, Steintor: Kokubu Bauhaus und Kulinarik (Eröff- 10.00–17.00 Uhr, Felicitas-von- – Drums of Japan – Show nung, Ausstellung bis 12.5.) Selmenitz-Haus: Künstlerinnen. japanischer Trommler Ein Gang durch Kunstgeschichte 13.4, 19.30 Uhr, Georgenkirche: – Teil II Rokoko bis klassische 2.4. / 25.4., 14.00 Uhr, Händel- Salttown Voices – Opening Moderne Haus: »Ein Mädchen oder Konzert Women in Jazz 2019 Weibchen …« – Die gewitzten und 22.–24.3., Franckesche Stiftungen: 14.4., 11.00 Uhr / 15.4., 19.30 Uhr, verführerischen Frauen, die neben Francke-Feier und Eröffnung des Händel-Halle: Brahms-Zyklus IV – den großen Tragödinnen auf der Jahresprogramms »Komm mit – 7. Sinfoniekonzert der Staats- Opernbühne agieren wohin?« kapelle, Leitung: Mario Venzago 3.–7.4., Puschkinhaus u.a.: 22.3., 18.30 Uhr, Franckesche 18.4., 19.30 Uhr, Franckesche Monstronale Stiftungen, Freylinghausen-Saal: Stiftungen, Freylinghausensaal: 29. Solistenabend 3.4., 15.00 Uhr, Steintor: Händels Welt mit dem Händel- 5. PAVILLONKONZERT der Staats- festspielorchester, Leitung: 22.3., 20.00 Uhr, nt: Die Tanz- kapelle Bernhard Forck stunde – Premiere 5.4.–7.4., Marktplatz: 19. 18.4., 20.00 Uhr, Händel-Halle: 23.3., 18.00 Uhr, Franckesche Hallescher Ostermarkt Mike and the Mechanics Stiftungen, Freylinghausen-Saal: Motette mit dem Stadtsingechor 6.4., 19.00 Uhr, Marktkirche, 19.4., 15.00 Uhr, Stadtkirche St. im Rahmen der Francke-Feierlich- Hallesche Kantorei: »Brockes- Petri in Löbejün: Karfreitags- keiten 2019 Passion« von Georg Friedrich Gottesdienst mit dem Stadtsinge- Händel chor zu Halle im Rahmen der 7. 24.3., 11.00 Uhr / 25.3., 19.30 Uhr, Carl-Loewe-Festtage vom 13.–22.4. Händel-Halle: Farben und Gefühle 7.4., 11.00 Uhr, Kunstmuseum – 6. Sinfoniekonzert der Staats- Moritzburg, Staatskapelle: 21.4., 11.00 Uhr, Händel-Haus: kapelle, Leitung: Ariane Matiakh 3. Galeriekonzert Kammermusik

27.3., 19.30 Uhr, Händel-Haus: 7.4., 17.00 Uhr, Konzerthalle 24.4.–1.5.: Women in Jazz 2019 Musikalische Reise durch Europa Ulrichskirche: Passionskonzert 24.4, 19.30 Uhr, Goethe Theater (Händels Schätze 3, Kammer- mit dem Stadtsingechor zu Halle Bad Lauchstädt: Stacy Kent musikreihe des Händelfestspiel- 10.4., 16.00 Uhr, Steintor: 4. Quintett (Women in Jazz 2019) orchesters) Klassik plus – »Mozart plus« 25.4., 18.00 Uhr, Kunstmuseum 29.3., 20.00 Uhr, Händel-Halle: 11.4., 17.30 Uhr, Kunstmuseum Moritzburg: Freiheit und Grenzen Amy MacDonald Moritzburg Halle (Saale): von Wissenschaft und Kunst. 30.3., 20.00 Uhr, Steintor: Hommage an Annemirl Bauer – Podiumsdiskussion im Rahmen Ostrock meets Classic Thematische Kurzführung, 18.00 der Sonderausstellung »Die Stille

90 im Lärm der Zeit. Marc Macke 30.4, 20.00 Uhr, Händel-Halle: entsandt wurde. In Tranquebar Nolde. Meisterwerke aus der Die Jazznight mit Julie Erikssen widmete er sich neben der Sammlung Ziegler«, u. a. mit Prof. und Judith Hill (Women in Jazz eigentlichen Missionsarbeit dem Dr. Wolfgang Ulrich 2019) Studium des Tamil. Anlässlich des 300. Todesjahres Ziegenbalgs zeigt 25.4., 18.00 Uhr, Franckesche MAI 2019 die Kabinettausstellung in der Stiftungen: Weltreise durch Historischen Bibliothek seltene Wohnzimmer: Finnland 1.5., 16.00 Uhr, Oper Halle: Zeugnisse seines Schaffens, wie die Hannelore Elsner liest Truman 25.4, 20.00 Uhr, Oper Halle: 1713 entstandene und 2003 Capote (Women in Jazz 2019) Clare Teal & The Big Mini Big wiederentdeckte »Genealogie der Band / Zoe Rahman Trio (Women 3.–5.5., jeweils 10.00 Uhr, Malabarischen Götter«. in Jazz 2019) Oper-Foyer II: Stillkonzerte 10.5., 20.00 Uhr, nt: 26.4., 19.30 Uhr, Oper: Im Stein – 3.5., 20.00 Uhr, Händel-Halle: Die Benennung der Tiere Uraufführung/Premiere Liverpool-Oratorium (Kooperation – Uraufführung/Premiere des Stadtsingechors Halle mit 26.4, 20.00 Uhr, Georgenkirche: 10.5., 20.00 Uhr, Steintor: dem Universitätschor der MLU) Kate Westbrook & The Granite Vince Ebert Band (Women in Jazz 2019) 11.5., 19.30 Uhr, Steintor: 27.4, 11.00 Uhr, Händel-Haus: Uwe Steimle & Helmut Schleich Tamar Halperin-Satie (Women in Jazz 2019) 11.5., 18.00–24.00 Uhr: Museums- nacht Halle–Leipzig 27.4, 20.00 Uhr, Oper Halle: Herija feat. Rahel Debebe-Dessalegne / 12.5., 16.00 Uhr, Steintor: Barb Jungr sings Bob Dylan Schumann plus (Klassik plus 5), (Women in Jazz 2019) Leitung: Christopher Sprenger

28.4, 10.00 Uhr, Pauluskirche: 13.5., 19.30 Uhr, Kunsthalle Jazzgottesdienst (Women in Jazz »Talstrasse«: Kleiner Salon zur 2019) Ausstellung »Bodytopia – Olaf Martens, Fotografien«, Niels 28.4., ab 14.00 Uhr, Peißnitz: Holger Wien (Designer und Trend- SWH-Saalejazz (Women in Jazz forscher) im Gespräch mit Olaf 2019) 9.–12.5.: 38. Internationales Martens Kinderchorfestival 28.4., 18.00 Uhr, Konzerthalle 15.5., 19.30 Uhr, Konzerthalle Ulrichskirche: Honegger, Le Roi 10.5.–13.10, Franckesche Ulrichskirche: Solistenkonzert des David mit der Robert-Franz-Sing- Stiftungen: Missionsauftrag und Konservatoriums und der LATINA akademie Forscherdrang. Bartholomäus mit der Staatskapelle, Leitung: Ziegenbalg, erster lutherischer 28.4, 20.00 Uhr, Oper Halle: Christopher Sprenger Missionar in Indien. Kabinettaus- Nerija / Monika Herzig´s Sheroes stellung, Bartholomäus Ziegenbalg 15.5., 20.00 Uhr, Objekt 5: (Women in Jazz 2019) (1682–1719) gilt als bedeutendster Lisa Bassenge Trio 29.4, 15.00 Uhr, Konzerthalle Missionar der Dänisch-Halleschen 19.5., 11.00 Uhr, Konzerthalle Ulrichskirche: My Music is Bond. Mission und als erster deutscher Ulrichskirche: Familienkonzert James Bond (Women in Jazz 2019) Drawidologe. Nach seinem Theologiestudium in Halle 24.5., 20.00 Uhr, Händel-Halle: 29.4, 20.00 Uhr, Biozentrum Halle: arbeitete er zunächst als Lehrer, ehe »Zugabe« – Mario Adorf – NES (Women in Jazz 2019) er 1705 im Auftrag des dänischen Erzählt, Liest, Singt! Königs Friedrich IV. nach Indien

91 26.5., 11.00 Uhr / 27.5., 19.30 Uhr, 6.–11.6., Halle: 56. Bundeswett- 10.6., 15.00 Uhr, Konzerthalle Händel-Halle: Mensch und Natur bewerb »Jugend musiziert« Ulrichskirche: Agrippina – Konzer- – 8. Sinfoniekonzert der Staats- tante Aufführung mit Les Talens 7.6., 19.30 Uhr, Händel-Halle: kapelle, Leitung: Karl-Heinz Lyriques (Händel-Festspiele 2019) Festkonzert mit Valer Sabadus Steffens (Händel-Festspiele 2019) 10.6., 19.30 Uhr, Georgenkirche: 31.5.–16.6.: Händel-Festspiele 2019 Clara Ponty Quartett (Women in 8.6., 11.00 Uhr, Händel-Haus: Jazz & Händel-Festspiele 2019) 31.5., 16.00–17.00 Uhr, Markt- Ladies first: Sklavinnen der platz: Eröffnung Händel-Fest- Tugend – Frauenleben zur 11.6., 19.30 Uhr, Löwengebäude: spiele 2019, Stadtsingechor Halle Händel-Zeit, Führung durch die Jungfrau-Königin-Göttin. Mutter- Jahresausstellung rollen in den Barockarien mit 31.5., 19.30 Uhr, Oper: Julius Cäsar Musica Alta Ripa (Händel-Fest- in Ägypten – Premiere/Eröffnung 8.6., 12.00–18.00 Uhr, versch. Ver- spiele 2019) der Händel-Festspiele 2019 anstaltungsorte: 13. City-Klassik zu den Händelfestspielen gemein- 12.6., 19.30 Uhr, neues theater: JUNI 2019 sam mit »Jugend musiziert« Cagliostros Spiegel – Deutsche Erstaufführung (Händel-Fest- 1.6., 16.00 Uhr, Leopoldina: 8.6., 16.00 Uhr, Leopoldina: spiele 2019) Verführerinnen mit dem Apollo Seconda Donna mit dem La Folia Ensemble (Händel-Festspiele 2019) Barockorchester (Händel-Fest- 13.6., 19.30 Uhr, Konzerthalle spiele 2019) Ulrichskirche: Festkonzert mit 1.6., 19.30 Uhr, Händel-Halle: Carolyn Sampson mit dem The Festkonzert mit Vivica Genaux 8.6., 18.00 Uhr, Steintor Varieté: King’s Consort (Händel-Festspiele und Lawrence Zazzo (Händel- Jugend musiziert – Wettbewerb/ 2019) Festspiele 2019) Konzert 14.6., 19.00 Uhr, Händel-Halle: 2.6., 11.00 Uhr, Konzerthalle Susanna mit dem Kammerorches- Ulrichskirche: Konzert, u.a. ter Basel (Händel-Festspiele 2019) G. F. Händel: Utrechter Te Deum, Nisi Dominus, Barockensemble 15.6., 18.00 Uhr, Dom zu Halle: »la festa musicale« Messiah mit der Academy of Ancient Music (Händel-Festspiele 2.6., 15.00 Uhr, Stadtmuseum: 2019) Weiber sind nicht in der Welt, blos um Männer zu amüsieren – 15.6., 20.00 Uhr, Peißnitzbühne: 9.6., 11.00 Uhr, Freylinghausen- »Frauengeselligkeit« im Halle des ZZ Top saal: Frauengeschichten in den 18. Jahrhunderts, Kuratorinnen- Opern Händels und Porporas 15.6., 10.00 Uhr, Volkshochschule führung durch die Daueraus- mit Le Concert de I’ Hostel Dieu Halle: Sommerfest stellung (Händel-Festspiele 2019) 15.6., 21.00 Uhr, Galgenberg- 3.6., 19.30 Uhr, Freylinghausen- 9.6., 16.00 Uhr, Steintor: schlucht: Bridges to Classics, saal: Festkonzert mit Hana Schubert plus (Klassik plus 6), Leitung: Bernd Ruf (Händel-Fest- Blazikova (Händel-Festspiele Leitung: Christopher Sprenger spiele 2019) 2019) 9.6., 19.30 Uhr, Konzerthalle 16.6., 11.00 Uhr, Löwengebäude: 4.6., 19.30 Uhr, Konzerthalle Ulrichskirche: Arbace – Konzer- Almiras Songbook (Händel-Fest- Ulrichskirche: Apollo e Daphne tante Aufführung mit Auser spiele 2019) mit Il Suouar Palante (Händel- Musici (Händel-Festspiele 2019) Festspiele 2019) 16.6., 15.00 Uhr, Freylinghausen- 10.6., 11.00 Uhr, Löwengebäude: saal: Venceslao – Konzertante 6.6., Puppentheater: Die Festkonzert mit Karina Gauvin Aufführung mit Opera Settecento Bibliothek der Träume – Premiere (Händel-Festspiele 2019) (Händel-Festspiele 2019)

92 16.6., 21.00 Uhr, Galgenberg- 22.6.,19.00 Uhr, Halle, Dom: JULI 2019 schlucht: Abschlusskonzert 2. Konzert: Calmus Ensemble 5.7., Lange Nacht der Wissen- (Händel-Festspiele 2019) (9. Musikfest »Unerhörtes schaften Mitteldeutschland«) 21.–30.6.: 9. Musikfest »Unerhör- 6.7., 20.00 Uhr, Kunstmuseum tes Mitteldeutschland« 23.6., 11.00 Uhr, Kunstmuseum Moritzburg: Die Weiße Stadt. Moritzburg, Staatskappelle: 21.6., 19.00 Uhr, Halle, Laurentius- Bauhaus, Musik und Literatur 4. Galeriekonzert kirche: 1. Konzert: Hallenser aus Israel – Konzert mit dem Madrigalisten, Leitung: Tobias ensemble diX Löbner (9. Musikfest »Unerhörtes 6.7., Peißnitzbühne: Sting Mitteldeutschland«) 7.7., 11.00 Uhr, Händel-Haus: 21.6., Peißnitzinsel: Fête de la Kammermusik Musique 19.7., 20.00 Uhr, Peißnitzbühne: 21.6., 19.30 Uhr, Oberburg: The Beach Boys 15. Literaturpicknick 28.7., 18.00 Uhr, Kunstmuseum 21.6., 20.30 Uhr, Hof nt: Herr Moritzburg: Das Bauhaus im Puntila und sein Knecht Matti – internationalen Kontext. Premiere Einflüsse und Nachwirkungen der 22.6., 10.00–18.00 Uhr, versch. 23.6., 11.00 Uhr, Kunstmuseum Bauhaus-Ästhetik in der Musik. Veranstaltungsorte: 8. Tag der Moritzburg: Things to come. Ein Gesprächskonzert mit Prof. Jochen Haus- und Hofmusik (9. Musikfest Lichtspiel über Lásló, Lucia und Köhler und Studierenden der »Unerhörtes Mitteldeutschland«) Sibyl Moholy-Nagy von Angela Martin-Luther-Universität Zumpe und Oliver Held. (Sonder- Halle-Wittenberg. Mit Werken von 22./23.6., Hof der Franckesche ausstellung bis 25.8.2019) Shlonsky, Mossolow und Bartók Stiftungen: »kultur global« zum Lindenblütenfest 23.6., 17.00 Uhr, Pauluskirche: AUGUST 2019 Alle zwei Jahre entführt das Linden- Joseph Haydn: Die Schöpfung – blütenfest ins barocke Marktreiben Saisonabschlusskonzert des 2.–18.8., Marktplatz: der Stiftungsgassen mit Schaustel- Stadtsingechors zu Halle City-Beach Halle lern, Musikern, Künstlern und dazu in Zusammenarbeit mit der über 100 thematischen Mitmach- Lübecker Knabenkantorei an 23.–25.8., Peißnitz, Ziegelwiese, angeboten für die ganze Familie. St. Marien und Staatskapelle Riveufer: Laternenfest Inspiriert vom über Jahrtausende Halle, Leitung: Clemens Flämig 30.8.–1.9.: 2. Hallescher währenden weltweiten Kulturaus- 26.6., 15.00 Uhr, Steintor: Schlemmertag tausch erwartet Sie »kultur global«: 6. PAVILLONKONZERT Entdecken Sie mit uns, wieviel 31.8., 18.00 Uhr, Marktkirche: der Staatskapelle fremde Kultur in der eigenen steckt, Motette mit dem Stadtsingechor welche deutschen Worte auch in 26.6., 19.30 Uhr, Händel-Haus: zu Halle anderen Sprachen geläufig sind Flammende Rose, Zierde der Erde oder wie der Kaffee nach Europa (Händels Schätze 4, Kammermu- SEPTEMBER 2019 kam. Und warum wurde vor 300 sikreihe des Händelfestspielor- 3.9., Landesmuseum für Jahren eigentlich eine Maulbeer- chesters) Vorgeschichte Halle: Eröffnung baumplantage für Seidenspinner in 20.–23.6.: 2. Silbersalzfestival des Dauerausstellungsabschnit- der Schulstadt Franckes angelegt? tes »Barbarenmacht« Ein Mitmachfest zum Rumspinnen, 28.6., 19.30 Uhr, Raumbühne Staunen und Ausprobieren. Oper: Choreografische Werkstatt – Ballett-Premiere

93 8.9.: Tag des offenen Denkmals Stiftungen, 1890–1933, Jahresaus- der verlorenen, 1937 als »entartet« stellung. Anlässlich des Bauhaus- beschlagnahmten Sammlung der 13.9., 16.30 Uhr, Kunstmuseum Jubiläums 2019 widmen sich die Moderne anstrebt, und präsentiert Moritzburg Halle (Saale): Stiftungen dem genuin modernen zum anderen in vertiefenden Klassische Moderne im Kunst- Thema Jugend in einer aufwendi- Kabinetten Gemälde von Lyonel handwerk – Keramik und gen Ausstellung. Was bedeutete es, Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Porzellan der Burg Giebichenstein zwischen 1890 und 1933 jung zu Klee, Georg Muche und Oskar – Öffentliche Führung, Anmel- sein? Waren die Erwartungen von Schlemmer, jene Maler, die zwischen dung erforderlich Staat, Schule und Familie damals 1919 und 1933 am Bauhaus in 13.–15.9., Franckesche Stiftungen andere als heute? Welche Hoff- Weimar, Dessau und Berlin lehrten. und Steintorcampus: 64. Jahres- nungen, Ideale und Konflikte 29.9., 19.00 Uhr, Steintor: kongress der Deutsch-Französi- spiegeln sich in den Lebensent- Max Raabe schen Gesellschaften e.V. würfen und Zukunftsperspektiven Jugendlicher wider? Wie durch ein 29.9., 20.00 Uhr, Kunstmuseum 18.9., 19.30 Uhr, Händel-Haus: Brennglas werden hier die Um- Moritzburg: Über den Klee oder Händels »Deborah“« – Weibliche brüche der Zeit sichtbar: die be- Der Knochen in meinem Kopf. Ein Tugend und frühe Englische ginnende Emanzipation und Stück gespielt mit Handpuppen Oratorien – Vortrag in der Reihe Individualisierung, die Wirkungen von Paul Klee für Erwachsene und »Musik hinterfragt«, Eintritt frei und Möglichkeiten der Massen- Kinder ab 12 Jahren 20.9., 18.00 Uhr, Volkshochschule medien, die Wunden und Erfahrun- Halle: Lange Nacht der Volkshoch- gen des Ersten Weltkrieges und OKTOBER 2019 schulen ebenso die Entstehung der Kunst 2.10., 10.00 Uhr, Aula der der Klassischen Moderne. 20.–22.9.: Salz- und Salinefest Volkshochschule Halle: Musika- 22.–28.9., verschiedene Veran- lische Umrahmung zum Festakt staltungsorte in Halle: Schul- »100 Jahre VHS« mit dem theater-Treffen der Länder Stadtsingechor zu Halle

24.9., 14.00 Uhr, Galerie Frauen- 5./6.10., Marktplatz: Erntedank- zentrum Weiberwirtschaft: und Bauernmarkt Halle Beruf Künstlerin – Ausstellungs- 16.10., 19.30 Uhr, Händel-Haus: eröffnung im Rahmen der Die zwei Leben der Clara 24. Halleschen FrauenKulturTage Schumann – Vortrag in der Reihe 26.–28.9.: 35. Bundeswettbewerb »Musik hinterfragt«, Eintritt frei Schultheater der Länder (SDL*19) 17.10., 18.00 Uhr, Stadtmuseum in Halle (Saale) Halle: »Ich diehn« – Halle als 29.9., Kunstmuseum Moritzburg: Ausgangspunkt des deutschnati- 21.9., 12.00 Uhr, Dom zu Bauhaus Meister Moderne onalen »Bund Königin Luise« der Merseburg: Motette im Rahmen (Eröffnung, Ausstellung bis Frauenorganisation Stahlhelm, der 49. Merseburger Orgeltage, 12.1.2020), Die Große Sonderausstel- Führung Stadtsingechor zu Halle lung 2019 vereint hochkarätige 18.10., 20.00 Uhr, Händel-Halle: Meisterwerke aus internationalen 21.9., 18.00 Uhr, Marktkirche: Tom Gaebel and his Orchestra Sammlungen. Sie ist inhaltlich Motettte mit dem Stadtsingechor zweiteilig angelegt und widmet sich 24.10., Löwengebäude: Die zu Halle zum einen der Sammlungsgeschich- Universität Halle-Wittenberg im 22.9.–9.2.2020, Franckesche te des Kunstmuseums des Landes Wandel der Zeit – Fotos von Stiftungen: Moderne Jugend? Sachsen-Anhalt, indem es eine mög- Torsten Milarg (Eröffnung, Aus- Jungsein in den Franckeschen lichst vollständige Rekonstruktion stellung 27.1.2020)

94 24.10., 18.00 Uhr, Kunstmuseum wirkungen der Bauhaus-Ästhetik Die festliche Tafel – Formgestalter Moritzburg: Bauhaus und Burg in der Musik. Gesprächskonzert (Designer) der DDR und ihre auf den Grassimessen – Vortrag mit Prof. Jochen Köhler und Stu- Vorstellungen – Öffentliche von Dr. Angela Dolgner dierenden der Martin-Luther-Uni- Führung Studiensammlung, versität Halle-Wittenberg. Mit Anmeldung erforderlich 25.10., 18.00 Uhr, MoritzKunstCafé Werken von Bach, Mussorgsky u.a. in der Moritzburg: Hommage an 7.12., 19.30 Uhr, Händel-Halle: Künstlerinnen von Bauhaus und Berlin Jazz Orchestra & feat. NOVEMBER 2019 Burg – Ausstellungseröffnung im Cristin Claas Trio & Marc Secara, Rahmen der 24. Halleschen 1.11., Kunsthalle Talstrasse: Leitung: Jiggs Whigham (USA) FrauenKulturTage Das Frauenbild in den 1920er 8.12., Salinemuseum: Weihnachts- Jahren – Zwischen Femme Fatal 25.10.–13.4.2020, Franckesche schausieden und Broterwerb (Eröffnung, Stiftungen: Bildungsräume. Schul- Ausstellung bis 9.2.2020) 8.12., 17.00 Uhr, Konzerthalle neubauten in den Franckeschen Ulrichskirche: Weihnachtskonzert, Stiftungen, 1890–1930 (Kabinett- 1.11., 20.00 Uhr, Steintor: Chaplin kammerchor cantamus halle, ausstellung) – Das Musical Leitung Dorothea Köhler In der zweiten Hälfte des 19. Jahr- 3.11., 15.00 Uhr, Händel-Halle: hunderts bildete sich unter Berück- 10.12., 18.00 Uhr, Konzerthalle Jim Knopf und Lukas der Lok- sichtigung pädagogischer, hygieni- Ulrichskirche: Weihnachtskonzert, führer – Theater Lichtmeer scher und architektonischer Bestre- u. a. Camille Saint-Saëns: Oratio bungen eine charakteristische Bau- 15.11.2019–1.6.2020, Landes- de Noël, Stadtsingechor zu Halle typologie für Schulen heraus. Gab es museum für Vorgeschichte Halle: / Orchester des Instrumental- zunächst den Backsteinbau im Rund- Ringe der Macht zweiges der Latina bogenstil, erfuhren die Schulbauten 22.–24.11., Händel-Halle: HAL-ART 14.12., 19.00 Uhr, Dom zu im 20. Jahrhundert eine Aufwer- Merseburg: Motette im Rahmen tung. Die Zunahme des Repräsenta- 26.11.–23.12.: Hallescher der Merseburger Schlossweih- tionsbedürfnisses, um die kulturelle Weihnachtsmarkt mit Galerie- nacht, Stadtsingechor zu Halle Bedeutung der Bildung zum Aus- Abend und Adventsmärkten druck zu bringen, spielte dabei eine 15.12., 15.00 Uhr, Händel-Halle: 28.11., 19.30 Uhr, Franckesche bedeutende Rolle. In den Stiftungen Alt-Russische Weihnacht Stiftungen, Freylinghausen-Saal: entstanden in dieser Zeit drei neue Georg Friedrich Händel / Johann 19.12., 19.00 Uhr, Konzerthalle Schulen: die Höhere Mädchenschu- Sebastian Bach : »Hercules- Ulrichskirche: Weihnachtskonzert, le, die Latina und die Oberrealschu- Pasticcio«, Stadtsingechor zu u.a. Camille Saint-Saëns: Oratio le. Begleitend zur Jahresausstellung Halle und Händelfestspielorches- de Noël Stadtsingechor zu Halle / zeigt die Kabinettausstellung in der ter Halle, Leitung: Clemens Flämig Orchester des Instrumental- Historischen Bibliothek die zweiges der Latina Entstehung dieser Schulen unter 28.11.–1.12., Studio Halle Waisen- Verwendung zahlreicher Fotos und hausring: 17. Impronale – Festival 26.12.–6.1.: 9. Hallescher Winter- Planzeichnungen. für Improvisationstheater markt

26.10., 18.00 Uhr, Marktkirche: 29.11.–1.12.: Händel im Herbst Motette mit dem Stadtsingechor zu Halle DEZEMBER 2019 Wir wünschen allen 27.10–28.11., Jüdische Kulturtage: 1.12., 13.00 - 18.00 Uhr, Innenstadt: Hallensern und Gästen der »Projekt Moderne« im Judentum 12. Klassik im Advent und Stadt informative Veranstal- verkaufsoffener Sonntag tungen und spanndende 29.10., 18.00 Uhr, Kunstmuseum Erlebnisse. Moritzburg: Die Bauhäusler und 6.12., 16.30 Uhr, Kunstmuseum www. halle.de ihre Musik. Einflüsse und Nach- Moritzburg Halle (Saale):

95 Impressum

Herausgeber: Stadt Halle (Saale) – der Oberbürgermeister V.i.S.d.P.: Pressesprecher Drago Bock Redaktion: Geschäftsbereich Kultur und Sport, Tel.: (0345) 221-31 08, E-Mail: [email protected], Dr. Uwe Meißner Bildnachweis: Stadtarchiv Halle: Hans Finsler (Titelseite, S. 4, 5, 7–13); Kerstin Küpperbusch: Von der Mietskaserne zur Gartenvorstadt. Siedlungs- und sozialer Wohnungsbau während der Weimarer Republik in Halle. Halle 2010, S. 200 (S. 14), S. 197 (S. 15); Thomas Brockmeier/Peter Hertner (Hg.): Menschen, Märkte & Maschinen. Die Entwicklung von Industrie und mittelständischer Wirtschaft im Raum Halle (Saale). Halle 2007, S. 198 (S. 17), S. 205 (S. 19); Sammlung Dr. W. Müller: S. 16, 22, 24–26, 28–35, 38, 80, 82; Dr. Angela Dolgner: S. 40, 41, 43, 44 unten, 48 unten, 49, 50, Zeitschrift »Das Wort« vom 15. April 1923: S. 44 oben; Orestia Kapidani: S. 46 oben, 51; Archiv und Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthoch- schule Halle: S. 45, 46 unten; Privatbesitz: S. 47, 48 oben (Reproduktion: Dr. Angela Dolgner); Privatsammlung: S. 33 unten, S. 52–57; Janos Steckovics: S. 60, 61–63; Michael Ulrich / Matthias Schwentzfeier: Dreieinigkeitskirche der Franziskaner in Halle-Süd. Dößel 2015, S. 6 (S. 59); Sammlung Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale): S. 65, 67–70; Thomas Ziegler: S. 73; Saalesparkasse Halle: S. 75, 76; Universitätsarchiv Halle-Wittenberg: S. 79 (UAHW, Rep. 8, Nr. 58, Bl. 1), S. 81 (UAHW, Rep. 6, Nr. 10, Bl. 213); Johannes Mager: Kulturgeschichte der halleschen Salinen. 2. verb. Auflage. Halle 1995, S. 85 (S. 88), S. 88 (S. 89). © 2019, alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren Verteiler: Culturtrager Leipzig Redaktionsschluss: 31.11.2018 Änderungen vorbehalten.

96 365 TAGE BAUHAUS UND MODERNE IM KUNSTMUSEUM MORITZBURG HALLE (SAALE)

Die Stille im Lärm der Zeit Marc, Macke, Nolde Meisterwerke aus der Sammlung Ziegler IHK: DIE ERSTE ADRESSE! 10 . 0 2 . – 1 2 . 0 5 . 2 019 FÜR IHREN ERFOLG MACHEN WIR UNS STARK. Things to come Ein Lichtspiel über László, Lucia und Sibyl Moholy-Nagy von Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau ist die branchenübergreifende Angela Zumpe (Film-Installation) Selbstverwaltungsorganisation von 55.000 Mitgliedsunternehmen im süd- und Oliver Held (Skript) lichen Sachsen-Anhalt. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat sie den 23.06. – 25.08.2019 gesetzlichen Auftrag, das Gesamtinteresse aller Gewerbetreibenden ihres Bezirks − ausgenommen der Handwerker − zu vertreten. Bauhaus Meister Moderne Comeback der Meister kritischer Partner der Politik 29.09.2019 – 12.01.2020 unabhängiger Anwalt des Marktes kundenorientierter Dienstleister

Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau www.kunstmuseum-moritzburg.de Franckestraße 5, 06110 Halle (Saale), Telefon: 0345 2126-0, [email protected], www.halle.ihk.de Wassily Kandinsy: Abstieg, 1925, Aquarell und Gouache über Tusche auf Papier, 48 x 32 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt HALLE THEMA 2019 Aufbruch in die Moderne

Wenn’s um

Glück geht HALLETHEMA 2019 – Sparkasse Das Glück Ihrer Mitmenschen liegt Ihnen am Aufbruch Herzen? Mit einem Konto oder einer Geldanlage bei der Saalesparkasse unterstützen Sie ge- meinsam mit uns soziale Einrichtungen in der Umgebung. in die Moderne Gewinne der Saalesparkasse bleiben in der Region. Ermöglicht wird dadurch jedes Jahr die Förderung zahlreicher regionaler Initiativen in den Bereichen Soziales, Sport und Kultur. :HLWHUH,QIRUPDWLRQHQ¿QGHQ6LHXQWHU www.saalesparkasse.de/engagement.

Tina Witkowski, Gründerin des KAHUZA e.V.