ANNABERGER ANNALEN NR. 5 1997 Jahrbuch Über Litauen Und Deutsch-Litauische Beziehungen ISSN0949-3484
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ANNABERGER ANNALEN NR. 5 1997 Jahrbuch über Litauen und deutsch-litauische Beziehungen EINZIGE DEUTSCHSPRACHIGE FACHZEITSCHRIFT ÜBER LITAUEN UND DEUTSCH- LITAUISCHE BEZIEHUNGEN MIT WISSENSCHAFTLICHEN UND INFORMATIVEN BEITRÄGEN ÜBER: • DAS DEUTSCH-LITAUISCHE VERHÄLTNIS IN GESCHICHTE UND GEGENWART; • DIE ROLLE PREUßISCH-LITAUENS BESONDERS DES MEMELGEBIETES FÜR DEUTSCHLAND UND LITAUEN; • DIR KULTUR LITAUENS Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 2 Vorwort .3 I. Unter deutscher Okkupation 1941-1944 Vareikis, V. : Deutsch-litauische Beziehungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 6 Dieckmann, Chr.: Überlegungen zur deutschen Besatzungsherrschaft 26 Bubnys, A.: Litauische „Selbstverwaltung" in den Jahren der Okkupation 47 Stossun,H.: Die Rücksiedlung der Litauendeutschen 1942-1944 67 Brandišauskas,V.: Der litauische Aufstand vom Juni 1941 81 Aring, P.G.: „Erinnern - nicht vergessen!" Juden im Baltikum 108 Tauber, J.:Garsden, 24. Juni 1941 117 II. Evangelische Kirche in der Zwischenkriegszeit Hermann, A.: Die nationalen Spannungen in der Lutherischen Kirche Litauens der 20er Jahre 133 Slavėnas, M.G.: Die Evangelische Theologische Fakultät in Kaunas 152 III. Kultur Klein, L.: Die Chronistin der Kleinlitauer -Ieva Simonaitytė 163 Ieva Simonaitytė - Biographische Daten . 182 Arbušauskaitė. A.: Die Geburt der weltlichen litauischen Literatur .188 Janecke, S.: Die „Deutsche Schule" in Klaipėda .193 Hoddick, I: Geschichte der multikulturellen Musikstadt Vilnius .210 Bücherseite .226 Unsere Autoren .234 Impressum .235 2 Vorwort Vor Ihnen liegt nun die fünfte Nummer der Annaberger Annalen. Damit ist die Probephase endgültig abgeschlossen und das Jahrbuch hat sein eigenes „Gesicht" entwickelt. Die Redaktion hat sich bemüht, konsequent bei deutsch-litauischen Beziehungen zu bleiben, in der Meinung, daß hier noch eine Lücke zu schließen ist. Auch die Kon- zentration auf einen thematischen Schwerpunkt in einer Nummer hat sich, unserer Meinung nach, bewährt. In dieser Nummer haben wir uns der bisher wenig erforschten Periode der deutschen Okkupation von 1941-1944 zugewandt. Die meisten Beiträge behandeln die schmerzhaften und heiklen Probleme der Judenpolitik und der litau- ischen Selbstverwaltung. Die Bereitschaft, darüber zu sprechen ist in den letzten Jahren in Deutschland und in Litauen gewachsen. Wir streben damit einen offeneren Umgang zwischen Deutschen, Litauern und Juden an, indem wir helfen, die schmerzhafte Vergangenheit auf- zuarbeiten. Im Einzelnen bringen wir sechs Beiträge zu unserem Hauptthema. Zuerst führt uns Vygantas Vareikis den Wandel deutsch-litauischen Beziehungen in diesem Jahrhundert vor. Sie waren keinesfalls schlecht und machten gerade deshalb die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Litauern am Anfang des deutsch-sowjetischen Krieges möglich. Christoph Dieckmann deckt in seinem schonungslosen Bei- trag die Besonderheit der Judenpolitik in Litauen im Vergleich zu anderen besetzten Gebieten auf und stellt die deutschen Führungs- kräfte der Zivilverwaltung und der Sicherheitsdienste in Litauen vor. Arūnas Bubnys behandelt den Wiederaufbau und die Rolle der litau- ischen Selbstverwaltung unter der deutschen Zivilverwaltung. Harry Stossun beschreibt die Rücksiedlung der Litauendeutschen. Die Litau- endeutschen durften als einzige deutsche Gruppe im Rahmen der ge- planten deutschen Kolonisation Osteuropas in ihre Heimat zurückkeh- ren. Valentinas Brandišauskas setzt sich mit der Problematik des li- 3 tauischen Aufstandes von Juni 1941 auseinander, als die Wider- standskämpfer versuchten, noch vor der Etablierung der Deutschen die Souveränität des Landes wieder herzustellen. Paul G. Aring gibt Erinnerungen der Überlebenden des Holocausts wieder, aus denen die Mitbeteiligung der Litauer sichtbar wird. Tauber schildert die erste Massenvernichtung der Juden, die gleich nach dem Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges in Gargždai durch Polizeikräfte aus dem Memelgebiet durchgeführt wurde. Die Redaktion hofft auf eine gute Resonance bei den Lesern, zumal sich die Beiträge der deutschen und litauischen Wissenschaftler in ihren Aussagen gut ergänzen. Auch in dieser Ausgabe bringen wir zwei Beiträge über die evangeli- schen Kirchen in Litauen. Besonders die Lutherische Kirche vereinte seit ihrer Entstehung Deutsche und Litauer. Über das nicht einfache Zusammenleben der beiden Volksgruppen schreibt Arthur Hermann. Marija G. Slavėnas untersucht das zehnjährige Bestehen der evangeli- schen theologischen Fakultät in Kaunas zwischen 1925-1936. Unter der Rubrik Kultur haben wir wieder recht verschiedene Beiträ- ge aufgenommen. Liane Klein beleuchtet die Person und das Wirken der kleinlitauischen Schriftstellerin Ieva Simonaitytė, die 1997 hun- dert Jahre alt geworden wäre. Sie hat in ihren Romanen stets ihre Landsleute aus dem Memelland dargestellt und ihr Zusammenleben mit Deutschen behandelt. Arūnė Arbusauškaitė hebt die Bedeutung des ersten litauischen weltlichen Werkes von Pfarrer J. Schultz aus dem Jahr 1706 hervor. Susanne Janecke arbeitet als Lehrerin an der deutschen Schule in Klaipėda. Sie schildert ihre Erfahrungen mit den Schülern und gibt uns einen guten Einblick in das Alltagsleben in Litauen. Ingo Hoddick setzt sich mit der Musikgeschichte von Vilnius auseinander. Einige Rezensionen und Anzeigen neuerer deutschspra- chigen Werke beschließen diese Nummer. Wir freuen uns auf interessierte Leserinnen und Leser. Ihre Redaktion 4 Litauen unter der deutschen Okkupation 1941 -1944 Vygantas Vareikis DEUTSCH-LITAUISCHE BEZIEHUNGEN IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS 1. Deutsch-litauische Nachbarschaft Der grauenvolle Verlauf des Zweiten Weltkriegs, die Ideologie von Holocaust und Lebensraum haben ein negatives Bild der Deutschen und von Deutschland bei den Völkern Europas entstehen lassen. In Litauen wurde es noch durch die sowjetische Propaganda verstärkt. Dennoch war das Bild der Deutschen in Litauen weder in der Zwi- schenkriegszeit noch in der Nachkriegszeit ganz und gar negativ.1 Die litauische Propaganda hat zu keiner Zeit über die Deutschen solche negativen Aussagen gemacht wie über die Polen. Im Litauen der Zwi- schenkriegszeit, das seit 1926 autoritär regiert wurde, war Polen der Erzfeind. Litauens Konflikt mit Polen hatte Tradition und war fest verankert im litauischen Bewußtsein. Da die litauische Historiogra- phie das Goldene Zeitalter Litauens mit dem heidnischen Mittelalter gleichsetzte, verband sie die Schwächung des Staates mit der Union mit Polen. Im Gegensatz zur polnischen Geschichtsschreibung haben litauische Historiker die Deutschen nie als Erzfeinde betrachtet. Durch den Konflikt um Vilnius nach 1919 verschärfte sich das Feindbild der Polen noch mehr. Die Polen haben ihrerseits immer wieder den Vor- wurf erhoben, daß der litauische Staat von Deutschland beschützt und erhalten werde. General Lucjan Zeligowski rief 1920 die Litauer auf, „die Ordnung Deutschlands und von Kaunas" abzulehnen und die historische Bruderschaft mit Polen zu erneuern.2 Zwei Mal in diesem Jahrhundert kamen die Deutschen als Eroberer nach Litauen, wenn auch 1941 die deutsche Armee zuerst als Befreier 1 Nikžentaitis, Alvydas: Das Bild von Deutschland und den Deutschen im heutigen Litauen. In: Annaberger Annalen. 4,1996. S.148-154. 2 Lietuvos Valstybinis Archyvas (LVA). F.929-2-788-302. Aufruf „An die Bürger Litauens" von 1920. 6 vom sowjetischen Joch begrüßt wurde. Am Ende des Ersten Welt- kriegs hatte Deutschland die Entstehung des litauischen Staates er- möglicht und als erster Staat Litauen anerkannt, wenn auch in dem Bestreben, es als Satelitenstaat beizubehalten. Die deutsche Finanzhil- fe und der Beistand bei den Kämpfen gegen die Bolschewiki verhal- fen dem jungen litauischen Staat zu überleben. Deutschland blieb der wichtigste Handelspartner in der Zwischenkriegszeit bis zur Ver- schlechterung der Beziehungen wegen des Memelgebietes 1934. 1939 nahm Deutschland in der Handelsbilanz mit 33,5% den zweiten Platz ein hinter Großbrittanien mit 40,5%.3 Im Memelland, das zwischen 1923-1939 als autonomes Gebiet Litauen angehörte, lebten Deutsche und Litauer schon seit Jahrhunderten nebeneinander und hatten viel Erfahrung im Umgang miteinander. Vor 1940 hatte Litauen eine 245 km lange Grenze mit Deutschland. Zwei Bahnlinien, Tilsit-Memel und Berlin-Kaunas, verbanden die beiden Staaten. Die Berliner Abendzeitungen erreichten Litauen schon am nächsten Morgen. Die Post arbeitete nicht minder schnell. Ein vom deutschen Sprachforscher R. Trautmann aus Königsberg 1921 verschickter Brief an seinen Kol- legen K. Būga in Kaunas erreichte ihn nach zwei Tagen.4 Im Litauen der Zwischenkriegszeit, besonders im ersten Jahrzehnt, galt die deutsche Sprache als Interlingua und verband die jungen li- tauischen Intellektuellen mit Westeuropa. Den Einfluß der deutschen Sprache hatte der Erste Weltkrieg noch verstärkt, als die Litauer ge- zwungen waren, mit der Okkupationsverwaltung Deutsch zu spre- chen. Sogar private Briefe mußten bis 1916 auf Deutsch geschrieben werden. Später konnte man auf Litauisch, Polnisch und Russisch schreiben, mußte aber eine deutsche Übersetzung beifügen. Die deut- sche Sprache wurde zur wichtigsten Sprache der litauischen Gelehr- ten. Litauische Forscher schrieben ihre Dissertationen auf Deutsch und besuchten deutsche Universitäten, darunter auch die Universität in Fribourg, Schweiz, die leichtere Bedingungen für einen Abschluß stellte. Eine ganze Reihe litauischer Wissenschaftler hatte an deut- 3 Tautos ūkis. 1940. Nr.5. S.61. 4 Būga. Kazimieras: Rinktiniai raštai. Vilnius 1961. Bd.3. S.942. 7 schen Universitäten