Ostpreußenblatt, Folge 30 Vom 24.07.1954.Pdf
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Das Ostpreußenblatt Folge 30 vom 24.07.1954 Seite 1 600 Jahre Allenstein Wir bleiben deutsch! So verkündete in Allenstein das Denkmal, auf dem das Ergebnis jener denkwürdigen Abstimmung vom 11. Juli 1920 auch in den Einzelheiten aufgezeichnet war. 97,8 Prozent stimmten — unter alliierter Kontrolle — für ein Verbleiben bei Deutschland, 2,2 Prozent für eine Angliederung an Polen. Nach 1945 sprengten die Polen das Denkmal. Wir bleiben deutsch! So steht es auch heute geschrieben in den Herzen aller Ostpreußen, mögen sie auch noch so fern ihrer Heimat leben. Wir bleiben deutsch! Das wird das Leitwort auch jener Feier sein, mit der die Allensteiner am 24. und 25. Juli in ihrer Patenstadt Gelsenkirchen das sechshundertjährige Bestehen ihrer Stadt werden begehen können. Seite 1 Die Berliner Botschaft EK. Dass es gerade die Ostpreußenhalle unserer alten Reichshauptstadt war, in der sich am 17. Juli 1954 — also genau dreizehn Monate nach dem Freiheits- und Einheitsbekenntnis Ostberlin und der Sowjetzone — die zweite Präsidentenwahl der Deutschen Bundesrepublik in sehr würdiger Form vollzog, wird unsere heimatvertriebenen Landsleute stark bewegt haben. Und man darf mit Sicherheit annehmen, dass in der riesigen Millionengemeinde der Deutschen, die am letzten Sonnabend am Rundfunk Zeuge des Ereignisses wurden, wohl kaum ein Ostpreuße gefehlt hat. Fühlten wir alle, ohne Unterschied der Partei und des Standes, gerade in diesen Stunden uns nicht als eine geschlossene Familie und spürten wir nicht, dass wir ein echtes historisches Ereignis miterlebten? Recht blass erschien gerade in diesem Augenblick doch der vorher gehörte Einwand, es lohne den Aufwand einer Berliner Wahl nicht, weil die Wiederwahl von Professor Theodor Heuss ohnehin feststehe und die Bundesversammlung keine Debatte führen werde. Dr. Hermann Ehlers traf als Präsident des Bundestages und der Bundesversammlung doch wohl das Rechte, als er nachdrücklich darauf hinwies, dass zwar durch Missbrauch in der jüngsten Vergangenheit viele kostbare deutsche Symbole entleert und verschlissen worden sind, dass aber gerade der junge Staat allen Grund hat, die wenigen echten Symbole hoch in Ehren zu halten. Keine wirklich große Nation auf Erden pflegt diese Symbolik zu unterschätzen und an dem Unwägbaren und nicht mit den Ellen politischer Routine Messbarem vorbeizugehen. Diese zweite Präsidentenwahl, die zu einem wirklich eindrucksvollen Vertrauensvotum für den Mann wurde, der in schwierigsten Tagen das neugeschaffene Amt antrat, war zugleich eine verdiente Anerkennung dafür, dass Theodor Heuss es wohl verstanden hat, der Würde des höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik und zugleich des deutschen Volkes mit Mut, Klugheit und Umsicht einen Inhalt zu schaffen. Es gibt noch heute genug Staaten auf Erden, in denen nach altem und sinnvollem Brauch alljährlich die Beratungen der Volksvertretungen durch eine Botschaft des Staatsoberhauptes, des Kaiser, des Königs oder des Präsidenten eröffnet werden. Auch bei uns war es bis 1918 nicht anders, und es kann niemand behaupten, das Volk habe das als fremd oder überholt angesehen. Liegt nicht etwas Sinnvolles darin, wenn gerade die Persönlichkeit, die — über den Parteien stehend — die Anliegen der Gesamtheit verantwortlich zu vertreten, die den Staat zu repräsentieren hat, alljährlich, ehe man in die Einzelheiten der Gesetzgebung geht, vor der Nation und ihren gewählten Vertretern das Wort ergreift, um einmal von höchster Warte eine politische Gesamtschau zu geben? Da kann dann vor allem ein Mann mit der reifen politischen Erfahrung von fünf Jahrzehnten auch einmal Dinge ansprechen, die in der Routinearbeit schon einmal übersehen werden können. Die Rede jedenfalls, die der Bundespräsident nach fünfjähriger Amtszeit nun vor der Bundesversammlung hielt, hatte durchaus den Charakter und das Gesicht einer solchen echten Botschaft an das Volk und darüber hinaus auch an die Welt. Sie war würdig und im besten Sinne menschlich und persönlich zugleich, maßvoll und unbeirrbar in der Vertretung der unabdingbaren Anliegen ganz Deutschlands. Theodor Heuss hat sicher uns allen aus dem Herzen gesprochen, als er mit gutem Humor, aber auch in voller Eindeutigkeit klarstellte, dass die Überparteilichkeit eines Bundespräsidenten niemals als eine Meinungslosigkeit verstanden werden darf und dass gerade der höchste Repräsentant Deutschlands eine echte Persönlichkeit mit eigenem Urteil und eigener Prägung sein muss. Es wäre unser Schade, wenn man dem Präsidenten zumutete, seine Aufgabe als die „einer Staatsapparatur für Unterschriften" zu verstehen und sich nur auf Repräsentation zu beschränken. Beweist nicht der gewaltige Strom persönlicher Briefe und Anliegen aus allen Kreisen unseres Volkes an den Mann im Bonner Palais Schaumburg — und demnächst auch im Berliner Schloss Bellevue —, dass die Nation selbst dieses höchste Staatsamt ganz anders wertet? Vom Staatsoberhaupt macht sich sicher jedes Volk nach seiner Art eine andere Vorstellung. In Deutschland wäre es jedenfalls gegen jede Tradition und gegen das Volksempfinden, im ersten Manne unseres Volkes nur eine dekorative Figur zu sehen, der man möglichst wenig Rechte gibt. Es ist uns aber auch eine Genugtuung, dass der Bundespräsident sich in dieser Stunde erneut als unbeirrbarer Wächter des gesamtdeutschen Anliegens bekannte und dass er sein wiederholtes Bekenntnis zur wahren deutschen Hauptstadt Berlin erneut untermauerte. Mit großem Ernst erinnerte dieser führende Mann des deutschen Geisteslebens daran, dass zur deutschen Kultur die Ost- und Mitteldeutschen genauso maßgebend beigetragen haben und beitragen werden wie die Westdeutschen. Zu den ewig strahlenden Sternen deutschen Geistes rechnete er in dieser Stunde die Ostpreußen Kant und Herder sowie den Schlesier Eichendorff genauso wie die gewaltigen Geister unserer westlichen Landsmannschaften. Gerade das landsmannschaftliche Bewusstsein aber und die Heimatliebe wertete er auch als bedeutsame Faktoren, da gerade sie der deutschen Einheit erst die rechten Farben geben. So sehr sich der Bundespräsident der seit 1949 erreichten unleugbaren wirtschaftlichen Fortschritte freute, er ging keineswegs mit leichter Hand über die schweren Sorgen unserer Gegenwart hinweg. Er warnte dringend davor, über den erfreulichen Dingen die schwere Lebensangst und Lebensnot zu vergessen, die heute noch in weiten Volkskreisen herrscht, vor allem auch unter den der Heimat einstweilen Beraubten. Dass die soziale Befriedung das beste Werkzeug zur gesamten inneren Befriedung sei, dürfe nie vergessen werden, sagte er. Man kann nur wünschen, dass gerade der Epilog dieser Präsidentenbotschaft, der sich an die ganze freie Welt wendete, auch von den Politikern der anderen Mächte aufmerksam zur Kenntnis genommen wird. Präsident Heuss erinnerte hier daran, dass jene verhängnisvollen Beschlüsse von Potsdam, die einst noch ganz in der Atmosphäre des Krieges gefasst wurden, in ihrem Wert für Europa immer höchst zweifelhaft waren, dass sie aber heute — neun Jahre später — restlos ihren Sinn verloren haben. Er wies vor allem auch das Ausland darauf hin, dass gerade Deutschland heute längst der Phrasen und tönenden Worte müde und in seiner Beurteilung der politischen Zusammenhänge sehr nüchtern geworden sei. Das bedeute keinesfalls, dass diese jungen Menschen nicht bereit seien, an einer glücklicheren Zukunft mitzubauen. Wenn gerade die Jugend ganz allgemein die Bedeutung einer europäischen Zusammenarbeit erkenne, dann solle man sie nicht enttäuschen. Deutschland, das in der Vergangenheit so lange im Zeichen der Verstaatlichung des Menschen stand, wolle in Zukunft vielmehr der Vermenschlichung des Staates dienen. Der deutsche Bundespräsident warnte davor, alten nationalistischen Vorurteilen zu breiten Raum zu gewähren. Die großen Fragen der Zeit könne man nur lösen, wenn man nicht Übermut, sondern Maß als Richtschnur wähle. Bundespräsident wie Bundestagspräsident brachten abschließend zum Ausdruck, dass Deutschland nur erstrebt, was keiner anderen freien Nation verweigert werden kann; sich in eigener Verantwortung und nach eigenem Willen als Volk in einem Staat zu vereinen, in dem Recht und Freiheit gesichert sind, und ein gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa zu werden. Seite 1 Die Verhandlungen in Königsberg „Umsiedlungen" aus Nord-Ostpreußen und dem Baltikum laufen an Ende Juni 1954 wurde in der ostpreußischen Hauptstadt Königsberg ein Abkommen zwischen der sowjetischen Regierung und der Sowjetzonen-Regierung über die „Umsiedlung" von Deutschen aus dem unter sowjetischer Verwaltung stehenden Teil Ostpreußens, dem Memelgebiet und den drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland geschlossen. Nach den bisher vorliegenden Informationen wird der erste größere Transport von Deutschen aus Nord-Ostpreußen noch im Monat Juli in der Sowjetzonenrepublik eintreffen. Kleinere Personengruppen sind bereits — über Stettin und Küstrin kommend — in der Sowjetzone eingetroffen. Über das Umsiedlungsverfahren, das ausschließlich in den Händen der sowjetischen Aussiedlungskommission in Königsberg liegt, ist gegenwärtig nur bekannt, dass vorläufig nur diejenigen Deutschen umgesiedelt werden sollen, die in den vergangenen neun Jahren nicht die sowjetische Staatsbürgerschaft — freiwillig oder unter Zwang — angenommen haben. Die Sowjets beharren nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Deutschen, die jetzt Bürger der Sowjetunion seien, nicht „umgesiedelt" werden können. Der Kommission der Sowjetzonenrepublik ist es offenbar nicht gelungen, die Ansichten der Sowjets über diesen Punkt zu ändern. Die