Deutschen Zivilprozessrechts; • Den Pourvoi En Cassation Dans L'intérêt De La Loi (= Den Kassationsantrag Im Interesse Des Gesetzes)
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Erste europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte http://www.forhistiur.de/ Herausgegeben von: Prof. Dr. Rainer Schröder (Berlin) Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp (Köln) Prof. Dr. Christoph Paulus (Berlin) Prof. Dr. Albrecht Cordes (Frankfurt a. M.) Prof. Dr. Mathias Schmoeckel (Bonn) Prof. Dr. Andreas Thier (Zürich) Prof. Dr. Franck Roumy (Paris) Prof. Dr. Juan Sainz Guerra (Jaén) Prof. Dr. Emanuele Conte (Rom) Prof. Dr. Massimo Meccarelli (Macerata) Prof. Dr. Michele Luminati (Luzern) Prof. Dr. Francesco Di Donato (Benevento) Prof. Dr. Stefano Solimano (Piacenza) Prof. Dr. Martin Josef Schermaier (Bonn) Prof. Dr. Hans-Georg Hermann (München) Prof. Dr. Thomas Duve (Buenos Aires) Artikel vom 14. Mai 2007 © 2007 fhi Erstveröffentlichung Zitiervorschlag: http://www.forhistiur.de/zitat/0705janke.htm ISSN 1860-5605 Gerd Janke, Rechtsanwalt i.R., Berlin: Zur Kassationstätigkeit des Obersten Gerichts der DDR in Zivilsachen * Inhalt: I. Kassation und Nichtigkeitsbeschwerde als Mittel zur Aufhebung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen 1. Begriff der Kassation 2. Die während des NS-Regimes eingeführte Nichtigkeitsbeschwerde 3. Zur Anwendung der Nichtigkeitsbeschwerde in der SBZ II. Die Einführung der Kassation für unrichtige rechtskräftige zivil-, familien- und arbeitsrechtliche Entscheidungen in der DDR und die Rechtsgrundlagen für die Kassation solcher Entscheidungen 1. Die Einführung der Kassation 2. Die Rechtsgrundlagen von 1949 bis 1975 3. Die Rechtsgrundlagen von 1976 bis 1990 III. Kassationspolitik und Kassationspraxis 1. Die allgemeine Entwicklung von Kassationspolitik und Kassationspraxis 2. Zur Häufigkeit von Kassationsverfahren 3. Die Bearbeitung von Kassationsanregungen im Obersten Gericht – Grundsätze 4. Die technische Bearbeitung der Kassationsanregungen und Kassationsanträge 5. Die Kassationsentscheidungen und die Leitungsdokumente des Obersten Gerichts als Mittel zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung in Zivilsachen IV. SED, Blockparteien, Staatsrat, Ministerrat sowie andere zentrale Staatsorgane und Kassation 1. Zur führenden Rolle der SED 2. SED und Kassation 3. Blockparteien und Kassation * Dieser Beitrag enthält Darlegungen über die gesetzlichen Vorschriften und die Grundsätze für die Kassation rechtskräftiger zivil-, familien- und arbeitsrechtlicher Entscheidungen von DDR-Gerichten, über Vorläufer der Kassation und die Bearbeitung von Kassationsanregungen. Der Verfasser berichtet auch über einige Aspekte seiner Arbeit beim Obersten Gericht der DDR. Er war dort von Dezember 1971 bis Mai 1986 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig; zunächst in der Kassationsantragsabteilung für Zivil-, Familien- und Arbeitsrecht und nach der Auflösung dieser Abteilung ab 1.1.1978 im 2. Zivilsenat. Ihm oblag überwiegend die Bearbeitung von Kassations- anregungen, die Ausarbeitung von Entwürfen von Kassationsanträgen auf dem Gebiet des Zivilrechts, die Vertretung solcher Anträge in den Kassationsverhandlungen sowie die Wahrnehmung von Sprechstunden des Obersten Gerichts. 4. Staatsrat und Kassation 5. Ministerrat sowie andere zentrale Staatsorgane und Kassation V. Ökonomie und die Auswirkungen mangelhafter Warenqualität auf die Kassationsrechtsprechung VI. Agrarpolitik und Rechtsprechung des Obersten Gerichts zum Landwirtschaftsrecht 1. Die gesetzliche und politische Ausgangslage 2. Verhinderung des Austritts aus den LPGs 3. Verpflichtung von LPG-Mitgliedern im Rentenalter zur genossenschaftlichen Arbeit 4. Verweigerung der Rückgewähr von Inventarbeiträgen 5. Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen über Streitigkeiten aus Pacht- und Nutzungsverträgen, die mit den Räten der Kreise geschlossen wurden? 6. Resümee VII. Die Kassation in Zivilsachen – Rechtsinstitut oder Maßnahme? Beispiele, Einschätzung und abschließende Bemerkungen 1. Darlegung des Problems – weitere Beispiele 2. Versuch einer Einschätzung 3. Ersetzung der Kassation durch die Revision im Sommer 1990 Hinweise auf Personen Abkürzungsverzeichnis Anlagen [errata] I. Kassation und Nichtigkeitsbeschwerde als Mittel zur Aufhebung unrichtiger rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen 1. Begriff der Kassation Unter „Kassation“ wird allgemein die Beseitigung einer fehlerhaften oder auf fehlerhafte 1 Weise zustande gekommenen gerichtlichen Entscheidung durch ein höheres Gericht verstanden. Das Rechtsinstitut der Kassation entstammt dem französischen Recht. Dieses unterscheidet – auch im Zivilprozess – zwei Möglichkeiten der Kassation: • den pourvoi en cassation dans l'intérêt des parties (= den Kassationsantrag im Interesse der Parteien). Ein solcher Kassationsantrag kann von den Parteien gestellt werden und entspricht etwa der Revision des deutschen Zivilprozessrechts; • den pourvoi en cassation dans l'intérêt de la loi (= den Kassationsantrag im Interesse des Gesetzes). Ein solcher Kassationsantrag kann 1 Die Kompetenz des OG zum Erlass von Richtlinien, die für sämtliche Gerichte der DDR verbindlich waren, folgte zeitlich nacheinander aus § 58 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) v. 2.10.1952 (GBl. S. 983) – im Folgenden: GVG 1952; aus § 68 GVG idF v. 1.10.1959 (GBl. I S. 756) – im 1. vom Generalstaatsanwalt auf Grund eigener Entschließung gestellt werden. Auf Grund eines solchen Kassationsantrages kann die angegriffene Entscheidung nicht aufgehoben werden, sie bleibt vielmehr formell bestehen. Die Entscheidung des Kassationsgerichts bringt jedoch zum Ausdruck, dass die mit dem Kassationsantrag angegriffene Ent scheidung unrichtig ist. Solche Kassationsentscheidungen dienen der Klarstellung von Rechtsproblemen; ähnlich wie dies bei Richtlinien des Obersten Gerichts der DDR der Fall war; 1 2. vom Generalstaatsanwalt auf Weisung des Justizministers gestellt werden. Ein solcher Kassationsantrag kann zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen. Diese Kassation entspricht etwa der, wie sie in der DDR und auch im sowjetischen Recht geregelt war. 2 Die Kassation galt nicht als dritte Instanz, sondern als Mittel zur Wahrung der 2 Gesetzlichkeit und Rechtseinheit. 3 2. Die während des NS-Regimes eingeführte Nichtigkeitsbeschwerde Außerordentliche Rechtsbehelfe, die ein Justizorgan berechtigten, bereits rechtskräftige 3 gerichtliche Entscheidungen mit dem Ziel anzugreif en, jeweils eine andere Entscheidung herbeizuführen, waren dem deutschen Prozessrecht zumindest seit dem Inkrafttreten der 1877 erlassenen Prozessgesetze (StPO und ZPO) fremd. Die Möglichkeit, rechtskräftige Urteile und Beschlüsse auf dem Gebiet des Strafr echts sowie rechtskräftige Strafbefehle aufzuheben und durch andere (in der Regel meist härtere) Entscheidungen zu ersetzen, hatte das NS-Regime zu Beginn des Zweiten Weltkrieges durch die Einführung des außerordentlichen Einspruchs 4 und der Nichtigkeitsbeschwerde 5 des Oberreichsanwalts Folgenden: GVG 1959; aus § 17 GVG v. 17.4.1963 (GBl. I S. 45) – im Folgenden: GVG 1963. Änderungen dieses GVG bezogen sich nicht auf § 17 und die anderen in diesem Beitrag genannten Bestimmungen des GVG 1963. Ab 1.11.1974 folgte die Kompetenz des OG zum Erlass dieser für alle DDR-Gerichte verbindlichen Richtlinien aus § 39 Abs. 1 u. 2 GVG v. 27.9.1974 (GBl. I S. 457) – im Folgenden: GVG 1974. § 39 dieses GVG wurde durch § 2 Nr. 35 des Verfassungsgesetzes zur Änderung und Ergänzung des GVG v. 5.7.1990 (GBl. I S. 634) mit Wirkung vom 15.7.1990 ersatzlos aufgehoben. 2 So etwa auch H. Nathan, „Die obersten Rechtspflegeorgane der DDR“, NJ 1949, H. 12, S. 303 ff., insbes. S. 304, links unten/rechts oben. 3 Zu Vorstehenden, insbes. zur Kassation im französischem Recht, vgl. K. Cohn/H. Blöcker, „Zur Eingabenbearbeitung und Kassation am Obersten Gericht“, in: Oberstes Gericht (Hrsg.), Oberstes Gericht der DDR – höchstes Organ wahrhaft demokratischer Rechtsprechung, Sammelband, Berlin 1970, S. 317 ff., insbes. S. 323 ff. 4 Vgl. §§ 3-7 des Gesetzes zur Anwendung von Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrens … und des Strafgesetzbuchs v. 16.9.1939 (RGBl. I S. 1841). 5 Vgl. §§ 34-37 der Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften v. 21.2.1940 (RGBl. I S. 405) sowie § 19 der geschaffen. Im Sommer 1941 erließ die NS-Regierung das „Gesetz über die Mitwirkung des Staatsanwalts in bürgerlichen Rechtssachen“. 6 Während durch dessen § l ein umfassendes Mitwirkungsrecht der Staatsanwaltschaft in zivi lrechtlichen Streitigkeiten eingeführt wurde, bestimmte § 2 dieses Gesetzes, dass „in rechtskräftig entschiedenen bürgerlichen Rechtssachen der ordentlichen Gerichte 4 … der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht binnen eines Jahres nach Eintritt der Rechtskr aft die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (kann), wenn gegen die Richtigkeit der Entscheidung schwerwiegende rechtliche oder tatsächliche Bedenken bestehen und er wegen der besonderen Bedeutung der Entscheidung für die Volksgemeinschaft die erneute Verhandlung und Entscheidung für erforderlich hält“. Über einen solchen Wiederaufnahmeantrag hatte der Große Senat für Zivilsachen des 5 Reichsgerichts durch Beschluss zu entscheiden. 7 Die am früheren Verfahren beteiligten Personen, insbesondere die Parte ien, konnten vom Reichsgericht angehört werden, jedoch keine Anträge stellen. Wurde dem Wiederaufnahmeantrag des Oberreichsanwalts stattgegeben, so war die Sache an das mit dem früheren Verfahren befasste Gericht, an ein anderes Gericht gleicher Ordnung od er an einen Senat des Reichsgerichts zurückzuverweisen. Dort nahm der Prozess seinen Fortgang, wobei das Gericht an die rechtliche und tatsächliche Beurteilung gebunden war,